Editorial
Pathologe 2009 · 30:259–260
DOI 10.1007/s00292-009-1148-x
Online publiziert: 17. Juni 2009
© Springer Medizin Verlag 2009
D. Schmidt
Institut für Pathologie, Gemeinschaftspraxis, Mannheim
Veränderungen des
Endometriums
Neue pathologische und klinische Aspekte
In der täglichen Routinediagnostik der
meisten pathologischen Institute spielt die
Beurteilung von Abradaten und Operationspräparaten, die wegen einer pathologischen Blutung oder eines anderweitigen
abnormen uterinen Befundes gewonnen
wurden, eine wichtige Rolle. Vordergründig geht es in der überwiegenden Zahl der
Fälle um die Frage, ob es sich um eine Tumorerkrankung handelt und ob diese benigne oder maligne ist.
Bei der nachfolgenden Behandlung ist
eine gut funktionierende interdisziplinäre
Zusammenarbeit wünschenswert. Die
wissenschaftliche Kooperation von Pathologen und Klinikern hat dazu geführt,
dass sowohl für die endometrialen Hyperplasien und Präkanzerosen als auch für
die endometrialen Adenokarzinome in
den letzten Jahren neue Klassifikationen
entwickelt wurden, die inzwischen bei allen Beteiligten akzeptiert und weitestgehend bekannt sind. So werden die endometrialen Hyperplasien in zwei Gruppen
eingeteilt, eine einfache Hyperplasie und
eine komplexe Hyperplasie. Darüber hinaus wird in jeder Gruppe zwischen solchen mit einer Atypie und solchen ohne
eine Atypie unterschieden. Diese Differenzierung ist von entscheidender Bedeutung, da das Risiko des Übergangs in ein
invasives Adenokarzinom bei der komplexen Hyperplasie mit Atypie am größten ist.
Auch bei invasiven Karzinomen werden zwei biologisch und prognostisch distinkte Typen voneinander unterschieden.
Während der Östrogen-assoziierte Typ I
in der Regel eine günstige Prognose hat, ist
diejenige des Typs II, der nicht Östrogen-
assoziiert ist, deutlich ungünstiger. Die
modernen Therapieverfahren nehmen
auf diese Unterschiede Rücksicht. Typ-IKarzinome mit niedrigem Grading werden mit einer Hysterektomie und beidseitigen Adnexektomie behandelt, die Highrisk-Karzinome mit einer zusätzlichen
pelvinen und paraaortalen Lymphonodektomie sowie mit einer alleinigen Chemotherapie oder in Kombination mit einer Strahlentherapie.
Die mesenchymalen Tumoren des Uterus bereiten nicht selten erhebliche diagnostische Schwierigkeiten. Dies hängt
zum einen mit der Tatsache zusammen,
dass diese Tumoren – mit Ausnahme des
typischen Leiomyoms – selten sind und
entsprechend nicht für alle Tumortypen
bei den Untersuchern ausreichende Erfahrungen vorliegen. Zum anderen sind
die verschiedenen Tumortypen histologisch sehr vielgestaltig, sodass häufig Varianten in der Routinediagnostik auftreten, die vom klassischen histologischen
Bild abweichen. Dies gilt sowohl für die
benignen und malignen leiomyogenen
Tumoren als auch für die Stromatumoren. Insbesondere wurden in den letzten
Jahren zahlreiche Varianten des Leiomyoms beschrieben, deren Kenntnis wichtig ist für die Abgrenzung vom Leiomyosarkom. Außerdem wurden die morphologischen Kriterien neu definiert, die zur
Abgrenzung des Leiomyosarkoms vom
zellreichen und vom mitotisch aktiven
Leiomyom und darüber hinaus auch vom
glattmuskulären Tumor unsicherer maligner Potenz (STUMP) wichtig sind. Bei
der Beurteilung der Präparate steht nicht
mehr die Zahl der Mitosen im Vorder-
grund, sondern die jeweiligen Kernveränderungen und der Nachweis von Tumorzellnekrosen.
Auch die Klassifikation der Stromatumoren hat in den letzten Jahren einige Änderungen erfahren, wobei dahingestellt sei, ob diese glücklich gewählt waren.
Das hochmaligne endometriale Stromasarkom wurde aus der WHO-Klassifikation herausgenommen und das undifferenzierte endometriale Sarkom aufgenommen.
Sowohl für die Leiomyosarkome
als auch für die Stromasarkome wurde
jüngst ein neues FIGO-Staging publiziert.
Die Unterteilung der verschiedenen Untergruppen im Stadium I unterscheidet
sich bei den beiden Tumortypen. Während beim Leiomyosarkom Tumoren mit
einem maximalen Durchmesser kleiner
und größer als 5 cm unterschieden werden, ist beim Stromasarkom die myometrane Infiltrationstiefe das entscheidende Kriterium. Die malignen MüllerMischtumoren (MMMT) werden analog
zum Endometriumkarzinom klassifiziert,
da es sich um metaplastische Karzinome
handelt.
Während es sich bei den endometrialen Karzinomen um monophasische Tumoren handelt, sind die MMMT hochmaligne Tumoren, die aus einer malignen
epithelialen und einer malignen mesenchymalen Komponente bestehen (Karzinosarkom). Inzwischen gehen die meisten
Untersucher davon aus, dass der Tumor
histogenetisch ursprünglich einem Karzinom entspricht und die mesenchymale
Komponente im Rahmen einer Neometaplasie entsteht. Der klinische Verlauf und
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die Prognosefaktoren ähneln dem der uterinen Karzinome, was ebenfalls für eine
gemeinsame histogenetische Beziehung
spricht. Die Prognose dieser seltenen Tumoren ist generell ungünstig, unabhängig davon, ob es sich bei der mesenchymalen Komponente um eine solche mit
homologer oder heterologer Differenzierung handelt. In den meisten Fällen stellt
die Diagnose des MMMT kein Problem
dar, da bei ausreichendem „sampling“ beide Komponenten in den histologischen
Präparaten vorhanden sind. Gelegentlich kann jedoch die Situation auftreten,
dass nur in einem sehr kleinen Bereich
die epitheliale Komponente enthalten ist.
Bei diesen Tumoren muss differenzialdiagnostisch ein hochmalignes (reines)
Sarkom ausgeschlossen werden.
Die Therapie der uterinen Sarkome
krankt an der Tatsache, dass hierzu bislang praktisch keine größeren prospektiven Studien vorliegen. Nahezu alle Studien umfassen wegen der Seltenheit der
einzelnen Tumorentitäten sämtliche im
Uterus vorkommenden Sarkomtypen.
Gleichwohl haben diese Studien klar gezeigt, dass das uterine Leiomyosarkom
ein hochmaligner Tumor mit hoher Rezidivneigung und niedrigem medianen
Überleben ist. Metastasen treten überwiegend in der Leber und in der Lunge,
jedoch nur sehr selten in den Lymphknoten auf. Diese sind nur dann zu beobachten, wenn gleichzeitig eine extrauterine
Ausbreitung vorliegt. Auf dieses besondere Metastasierungsverhalten, das sich
grundsätzlich von demjenigen der Endometriumkarzinome unterscheidet, gilt es
immer wieder in Gesprächen mit den klinisch tätigen Kollegen hinzuweisen. Prognostisch wichtig ist die Tatsache, dass eine Lymphonodektomie die Überlebensrate nicht signifikant beeinflusst. Es muss
auch immer wieder betont werden, dass
eine adjuvante Chemotherapie und postoperative Bestrahlung sich in den allermeisten Fällen als nicht wirksam erwiesen haben. Bestrahlung oder Chemotherapie stellen nur eine Alternative oder ergänzende Therapiemaßnahmen in der
Rezidivsituation oder bei der Behandlung
von Metastasen dar.
In der Behandlung des endometrialen
Stromasarkoms steht die operative Behandlung mit Hysterektomie und beidsei-
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tiger Adnexektomie im Vordergrund. Eine Lymphonodektomie ist demgegenüber
keine Standardtherapie. Eine Hormontherapie kann wegen der häufig nachweisbaren Steroidhormonrezeptoren erwogen
werden, während eine adjuvante Chemotherapie keinen Überlebensgewinn erbringt. Auch die adjuvante Strahlentherapie gilt derzeit nicht als indiziert. Für die
Behandlung des undifferenzierten endometrialen Sarkoms gibt es momentan nur
wenige Daten. Auch bei diesem Tumor
steht die Operation im Vordergrund.
Beim Adenosarkom sollte immer darauf geachtet werden, ob ein „sarcomatous
overgrowth“ vorliegt, da dieser die Prognose drastisch verschlechtert. Wie bei
den anderen Sarkomen steht die operative
Tumorentfernung im Vordergrund, während eine adjuvante Chemo- oder Strahlentherapie nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Die häufigsten gestationsbedingten
Trophoblasterkrankungen in Deutschland sind die Blasenmole, die Partialmole,
die hyperplastische Implantationsstelle
und der Plazentabettknoten. Für die prognostisch bedeutsame Differenzialdiagnose zwischen einer Blasenmole und einer Partialmole auf der einen Seite und
einem diploiden (hydropischen) Abort auf der anderen Seite steht heute der
Antikörper p57kip2 zur Verfügung. Nahezu alle Blasenmolen zeigen in den villösen Stromazellen und im Zytotrophoblasten eine negative Reaktion, während
die Partialmolen und die hydropischen
Aborte eine positive Reaktion in mehr als
25% der Zellen aufweisen. Das Chorionkarzinom gilt inzwischen als die am wenigsten differenzierte Form der Trophoblasttumoren, die in ihrer zellulären Komposition dem Trophoblasten der prävillösen Blastozyste entspricht. Es zählt zusammen mit dem Plazentabettknoten, der
hyperplastischen Implantationstelle, dem
Plazentabetttumor (PSTT) und dem epitheloiden trophoblastären Tumor (ETT)
zu den nichtvillösen Trophoblasterkrankungen. Die Gemeinsamkeiten zwischen
diesen verschiedenen Tumoren erklären
wahrscheinlich auch den Befund, dass
inzwischen Tumoren mit den Merkmalen eines Chorionkarzinoms, eines PSTT
und eines ETT beschrieben wurden. In
der letzten Zeit sind einige Target-Mole-
küle als mögliche Zielstrukturen für einen neuen therapeutischen Ansatz beschrieben worden. Diese neuen Therapieformen befinden sich jedoch noch auf
der Stufe der Phase-I-Studie.
Das vorliegende Schwerpunktheft von
Der Pathologe beschreibt die aktuellen
Aspekte der Pathologie des Endometriums und gibt dazu auch einen Überblick
aus klinischer Sicht.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dietmar Schmidt
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Dr. h.c. D. Schmidt
Institut für Pathologie, Gemeinschaftspraxis
A2,2, 68159 Mannheim
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