Verfahren und Vorrichtung zur Charakterisierung einer Kulturflüssigkeit
Beschreibung
Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bestimmung spezifischer Produktbildungs- bzw. Substratverbrauchsraten von Zellen in einer Kulturflüssigkeit. Basis für die Bestimmung der spezifischen Bildungs- bzw. Verbrauchsraten ist die Messung der Parameter Lebendzellzahl, Zell-Viabilität und der Produkt- und Substratkonzentration in einer Zellkulturprobe, bei der durch eine mikroskopische Abbildung der Zellen und durch eine Bildauswertung dieser Abbildung in Kombination mit der Bestimmung der Produktund Substratkonzentration insbesondere durch Verfahren der Fließinjektionsanalytik, High Performance Liquid Chromatography (HPLC), Kapillarelektrophorese oder Surface Plasmon Resonance (SPR) -, bzw. immunochemische oder kalorimetrische Methoden die Kulturflüssigkeit analysiert wird, wobei die Analyse der Parameter derselben Probe erfindungsgemäß gleichzeitig und automatisch durchgeführt wird.
Anwendungsgebiet
Kulturbrühen, die lebende Organismen enthalten, sind in der Biotechnologie von zentraler Bedeutung. Die kultivierten Organismen können selbst das gewünschte Produkt der Kultivierung sein oder aber dazu eingesetzt werden, um spezifische, gewünschte Moleküle als Stoffwechselprodukte zu produzieren oder um bestimmte, zum Beispiel toxische Moleküle, in ihrem Stoffwechsel abzubauen. Es werden Kulturen eukaryotischer und prokaryotischer Zellen in zunehmendem Maße herangezogen, um Biomoleküle für unterschiedliche Zwecke zu produzieren. Ein Beispiel ist die Produktion von Antikörpern mit Hilfe von Kulturen humaner oder tierischer Zellen für diagnostische oder therapeutische Zwecke in der Medizin.
Damit die Organismen sich in der gewünschten Weise vermehren bzw. sich in der gewünschten Weise vermehren und die gewünschten Stoffwechselprozesse optimal ablaufen, d. h. eine optimale Produktivität erzielt wird, müssen sie möglichst optimale und auf den jeweiligen Organismus angepasste Bedingungen vorfinden. Um diese Bedingungen in den jeweiligen Kulturbehältern sicherstellen zu können und steuernd und regelnd in den Verlauf einer Kultivierung eingreifen zu können, ist die ständige Messung
verschiedener Parameter über die Dauer einer Kultivierung notwendig. Insbesondere Parameter, welche die Population der Organismen im Kulturmedium betreffen, als auch Parameter, die sowohl die Konzentration von Nährstoffen und anderen Ausgangsstoffen betreffen, als auch die Konzentration von Stoffwechselprodukten im Kulturmedium.
Die wichtigsten Parameter, welche die Organismenpopulation betreffen sind die Zahl der Organismen pro Volumeneinheit der Kulturbrühe (nachfolgend Zellkonzentration genannt) und der Anteil der lebenden Organismen an der Zellkonzentration (nachfolgend Viabilität genannt). Hinzu kommen die Konzentrationen der Substrate und Produkte in der Kulturbrühe.
Die zentralen Parameter zur Beurteilung des Erfolgs einer Kultivierung und die Grundlage
, zur Steuerung und Regelung biotechnologischer Prozesse sind die spezifischen und volumetrischen Verbrauchs- und Produktbildungsraten der Organismen. Diese sind definiert als Verbrauch bzw. Produktion von Stoffen durch einen Organismus in der Kulturbrühe pro Zeiteinheit (spezifisch), bzw. pro Zeit- und Volumeneinheit (volumetrisch). Mit ihnen wird die eigentliche Stoffwechselaktivität der Organismen charakterisiert. Diese Parameter sind für eine möglichst präzise Steuerung und Regelung einer Kultivierung, sowie zur Festlegung von Abbruchkriterien oder Erntezeitpunkten in kurzen Zeitabständen zu bestimmen. Ist man in der Lage die Produktiviät eines Kulturbehälters oder die Änderung derselben in kurzen Zeitabständen mit wenig Personal- und Kostenaufwand zu messen, kann die Ausbeute des Produktionsprozesses gesteigert werden. Die Rentabilität biotechnologischer Prozesse wird erhöht. Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur automatischen Bestimmung der spezifischen Verbrauchs- und Produktionsraten und eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.
Stand der Technik und Nachteile des Standes der Technik
Der Hauptanspruch dieser Patentschrift zielt auf ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bestimmung von spezifischen Produkt- und Verbrauchsraten von Organismen in einer
Kulturbrühe. Da es sich dabei in der Regel um eukaryote oder prokaryote Zellen handelt, wird im Folgenden nur der Begriff „Zelle" verwendet.
Die spezifische Produktivität ist definiert als die Menge an Produkt, die eine Zelle pro Zeiteinheit herstellt und an das sie umgebende Zellkulturmedium abgibt. Voraussetzung für die Bestimmung der spezifischen Produktivität sowie anderer Verbrauchs- und Bildungsraten ist, da nur lebende Zellen produktiv sind, die Kenntnis des Parameters der Konzentration lebender Zellen. Die Konzentration lebender Zellen ist definiert als die Anzahl lebender Zellen pro Volumeneinheit. Die Zellkonzentration ist definiert als die Anzahl lebender und toter Zellen pro Volumeneinheit. Als Viabilität bezeichnet man den prozentualen Anteil von lebenden Zellen an der Zellkonzentration.
Zur Bestimmung spezifischer Bildungs- oder Verbrauchsraten muss neben der Konzentration lebender Zellen auch die Konzentration des betreffenden Produkts (in der Regel ein Biomolekül) bekannt sein. Im folgenden werden die zur Zeit gängigen Methoden zur Bestimmung von Zellkonzentrationen, gefolgt von Methoden zur Messung der Produktkonzentration dargestellt.
Methoden zur Bestimmung der Konzentration eukaryoter oder prokaryoter Zellen in einer Kulturbrühe
Zur Bestimmung von Zellkonzentrationen in Kulturflüssigkeiten werden gegenwärtig verschiedene Methoden eingesetzt. Diese werden im Folgenden kurz beschrieben:
1. Manuelle Bestimmung der Zellkonzentration
Das etablierte Verfahren in Industrie und Forschung zur Bestimmung der Zellkonzentration und Viabilität in Proben aus Zellkulturprozessen ist die manuellen Zellzählung. Diese Methode wird bereits seit den Anfängen der Biotechnologie zur Bestimmung der Zellkonzentration und Viabilität herangezogen (Tennant JR (1964): Evaluation of the trypan blue technique for determination of cell viability.; Transplantation 2: 685-694).
Bei der manuellen Zellzählung wird einer Zellsuspension der Farbstoff Trypan Blau oder ein anderer, geeigneter Farbstoff zugesetzt (z.B. Methylenblau, Propidiumjodid, Eosin). Lebende Zellen sind für den Farbstoff undurchlässig, während er in tote Zellen eindringen kann. Tote Zellen werden daher durch den Farbstoff eingefärbt. Anhand der unterschiedlichen Färbungen lassen sich lebende von toten Zellen unterscheiden und mit Hilfe einer Zählkammer unter einem Lichtmikroskop auszählen.
Die Nachteile dieser Methode bestehen darin, dass die mikroskopische Auswertung der Zellfärbung sehr arbeitsintensiv, langwierig und ermüdend ist. Zum anderen ist sie stark benutzerabhängig, da die Differenzierung zwischen lebenden und toten Zellen subjektiven Schwankungen unterliegt (Farbempfinden, Ermüdungsgrad, Präzision der Zählung).
2. Automatisierte optische Bildanalyseverfahren zur Bestimmung der Zellkonzentration
Seit kurzer Zeit sind automatisierte Systeme am Markt (Cedex, Vi-CELL, NucleoCounter), die das manuelle Verfahren der Zellzählung automatisch ausführen. Die Arbeitsschritte der manuellen Methode (Probenfärbung, Überführen der gefärbten Probe in eine Messkammer, Zählen der gefärbten und ungefärbten Objekte im mikroskopischen Bild) wurden übernommen und werden von den Geräten automatisch ausgeführt. Fehler beim Probenhandling und die subjektive Differenzierung von lebenden und toten Zellen werden so eliminiert. Die Ergebnisse der automatisch arbeitenden Geräte sind im Vergleich zur manuellen Methode präziser und benutzerunabhängig.
Für den Benutzer beschränkt sich das Probenhandling auf die Bereitstellung einer Probe, die dem Gerät in einem Probengefäß zugeführt wird. Diese Probe wird automatisch mit Trypan Blau oder einem anderen geeigneten Farbstoff gemischt und in eine Messkammer oder Küvette überführt. Mit einer vergrößernden Optik werden Bilder der gefärbten Zellsuspension erzeugt, die von einer CCD Kamera aufgenommen werden. Diese Bilder werden dann von einer computergestützten Bildverarbeitungssoftware ausgewertet. Messergebnisse sind die Gesamtkonzentration der Zellen, die
Konzentration lebender Zellen, die Konzentration toter Zellen und die Viabilität der Kultur. Sekundäre Parameter, wie Zelldurchmesser, Zellgeometrie oder die Anzahl und Größe von Zellaggregaten werden zur Verfügung gestellt. Bei der Verwendung von Fluoreszenzfarbstoffen zur Färbung der Zellen oder ihrer Zellkerne kann das entstehende Bild auch direkt, ohne eine vergrößernde Optik auf eine CCD Kamera projiziert und anschließend automatisch von einer computergestützten Bildverarbeitungssoftware ausgewertet werden.
Neben den auf der automatischen Aufnahme und Analyse von Zellbildern beruhenden Methoden wurden auch andere Verfahren zur Bestimmung der Zellkonzentration entwickelt. Diese nutzen spezielle Farbstoffe oder messen Umgebungsparameter, wie etwa die Änderung des elektrischen Widerstands oder der Kapazität, die sich durch die Anwesenheit von Zellen ändern. Diese sind:
3. Durchflußzytometrie und fluoreszenzbasierte Methoden
Die Durchflußzytometrie ( Moore A, Donahue CJ, Hooley J, Stocks DL (1995): Apoptosis in CHO cell batch cultures: Examination by flow cytometry.; Cytotechnology 17: 1-11) kann prinzipiell sowohl zur Zellzählung und zur Bestimmung der Viabilität der Zellen, als auch zur Quantifizierung von Apoptoseraten eingesetzt werden (Becton Dickenson, Guava PCA System). Die Bedienung dieser Geräte und die notwendige Interpretation der erhaltenen Daten setzen hohe Anforderungen an den Benutzer dieser Geräte. Die Probenfärbung mit Fluoreszenzfarbstoffen verursachen vergleichsweise hohe laufende Kosten.
4. Partikelzählung auf Basis der Messung des elektrischen Wiederstands
Diese Systeme (Coulter Counter, CASY System) nutzen die Eigenschaft von Zellen eine Widerstandsänderung in einer Messzelle herbeizuführen. Die Änderung des elektrischen Widerstands wird genutzt, um die Partikel / Zellen zu zählen und ihr Volumen zu bestimmen. (Coulter WH (1956): High speed automatic blood cell counter and cell size analyser; National Electronics Conference III, Chicago). Eine Differenzierung von lebenden und toten Zellen ist jedoch nur sehr eingeschränkt möglich.
5. Radiofrequenzmethoden
Zellen mit intakten Plasmamembranen verhalten sich unter dem Einfluss elektrischer Felder wie Kondensatoren. Die resultierende Kapazität kann gemessen werden, sie hängt vom Zelltyp ab und ist proportional zur Konzentration lebender Zellen (Fehrenbach R, Comerbach M, Petre JO (1992): On-Iine biomass monitoring by capacitance measurement., Journal of Biotechnology 23: 303-314).Mit dieser Methode können tote Zellen nicht nachgewiesen werden Die Bestimmung der Viabilität der Probe ist nicht möglich..Dieses Verfahren kann als on-line Messung ausgelegt werden und erlaubt auch die Bestimmung der Konzentration lebender Zellen in Zellaggregaten und Microcarrierkulturen. Entsprechende Sonden sind am Markt erhältlich.
6. Laserdiffraktometrie
Die Methode der Laserdiffraktometrie (Murakawa K, Kohno M, Kinoshita Y, Takeda T (1992): Application of diffractometry and a linear image sensor to measurement of erythrocyte deformability. Biorheology. Mar-Jun;29(2-3):323-35. ) nutzt die Eigenschaft von in Zellen eingestrahltem Laserlicht um einen Winkel zu streuen, der umgekehrt proportional zur Größe der Zellen ist. Die Auswertung des Streulichts ermöglicht die Bestimmung der Zellkonzentration und der Größenverteilung der Zellen. Eine Differenzierung lebender und toter Zellen ist nicht möglich.
Methoden zur Bestimmung der Konzentration von Biomolekülen in einer Kulturbrühe
Zur Bestimmung von Biomolekül-Konzentrationen, insbesondere als Produkte einer Kulturbrühe, existieren unterschiedliche Verfahren. Alle im Folgenden beschriebenen Verfahren sind prinzipiell zur Bestimmung von Biomolekülkonzentrationen geeignet. Im industriellen Routineeinsatz erfordert ihre korrekte Durchführung ein hohes Maß an
Expertenwissen. Diese Methoden setzen zum Teil eine langwierige und häufig mehrere Arbeitsschritte umfassende Probenvorbereitung voraus. Dies führt zu einer hohen Fehleranfälligkeit, Um die Präzision der Ergebnisse dieser Verfahren zu erhöhen, werden Experten zur Durchführung der jeweiligen Verfahren ausgebildet. Die Messergebnisse stehen zum Teil, als Beispiel sei hier der ELISA Test genannt, erst Tage oder sogar Wochen nach der Probenentnahme zur Verfügung, da im Routinebetrieb zunächst alle Proben eines Kultivierungsprozesses oder eines Abschnitts daraus gesammelt und dann zusammen gemessen werden müssen.
ELISA
Sehr häufig werden Proteinkonzentrationen durch den sogenannten ELISA (Enzyme- Linked Immunosorbent Assay) Test ermittelt (Lütkemeyer D, Büntemeyer H (1990): Kinetische ELISA-Messungen; Tecnorama News 1: 2-3). Dabei handelt es sich um einen zur Bestimmung festphasengebundener Antigene modifizierten, immunologischen Test. Grundlage des Verfahrens sind Wechselwirkungen zwischen dem spezifischem Antikörper und dem Antigen, denen das Schlüssel/Schloss-Prinzip zugrunde liegt.
Elektrophorese
Bei der Elektrophorese (Freitag R, Reif OW, Weidemann R, Kretzmer G (1996): Production of recombinant h-AT III with mammalian cell cultures using capillary electrophoresis for product monitoring. Cytotechnology 21 : 205 - 215) werden Biomoleküie in Gele eingebracht und einem elektrischen Feld ausgesetzt. Unter diesen Bedingungen setzt eine Wanderung der Moleküle ein, die von der Größe und der Ladung der einzelnen Moleküle abhängt. Auf diese Weise können Substanzen voneinander getrennt und quantifiziert werden.
Kapillarelektrophorese (CE)
Die Elektrophorese ist die Trennung von geladenen Molekülen im elektrischen Feld. Die Kapillarelektrophorese ist ein elektrophoretisches Trennverfahren, bei dem die Trennung in mit Puffer gefüllten Kapillaren erfolgt. Durch Anlegen von Hochspannung ( 2 - 35 kV ) werden geladene Moleküle auf Grund unterschiedlicher Ladungszahl und Mobilität getrennt (Jorgenson JW, Lukacs KD (1981): Zone Electrophoresis in Open-Tubular Glass Capillaries. Anal. Chem. 53: 1298-1302 Jorgenson JW, Lukacs KD (1983): Capillary Zone Electrophoresis. Science 222: 266-272).
4. HPLC (High Performance Liquid Chromatography)
Mit dem HPLC Verfahren werden die verschiedenen Bestandteile einer Probe aufgrund der unterschiedlich starken Wechselwirkungen zwischen der Säulenmatrix und den in der Probe enthaltenen Biomolekülen getrennt. (Ozturk SS, Thrift JC, Blackie JD, Naveh D (1995): Real-time monitoring of protein secretion in mammalian cell fermentation: Measurement of monoclonal antibodies using a computer-controlled HPLC System. Biotechnology and Bioengineering 48: 201 - 206) Die getrennten Bestandteile können dann quantifiziert werden.
5. Fließinjektionsanalyse (FIA)
Bei der Fließinjektionsanalyse wird eine flüssige Probe in einem flüssigen Trägerstrom, der bereits Reagenzien enthalten kann, injiziert und in einem kapillaren Leitungssystem zum kontinuierlich arbeitenden Detektor transportiert. Auf der Strecke zwischen Injektion und Detektion können sowohl chemische Reaktionen (mit oder ohne weitere kontinuierliche Reagenzienzugabe) stattfinden, als auch sonstige Techniken eingesetzt werden, die die Analyse der Probe effektiver machen, wie zum Beispiel das Einbringen von Trägermaterial auf dem eine spezifische Bindung von Zielmolekülen stattfinden kann. (Ruzicka J, Hansen E (1975): Flow injection analysis. Part I: A new concept of fast contiuous flow analysis. Anal. Chim. Acta 78, 145-157, Dan. Pat. Appl. No. 4846/74, Sept. 1974; subsequent U.S. Pat. No. 4.022.575)
6. Nephelometrie
Die Nephelometrie (Owen WE, Roberts WL (2003): Performance characteristics of four immunonephelometric assays for the quantitative determination of IgA and IgM in cerebrospinal fluid. Am J Clin Pathol. 119: 689-93.) ist ein quantitatives analytisches Verfahren. Die zu messende Probe wird mit monochromatischem Laserlicht beleuchtet und das Streulicht analysiert. Über die Auswertung des Streulichtes kann die Konzentration von Biomolekülen bestimmt werden.
SPR (Surface Plasmon Resonance)
Die SPR-Technologie nutzt die Oberflächen-Plasmon-Resonanz (Surface-Plasmon- Resonance, SPR). Bindet ein zu messender Analyt an einen immobilisierten Rezeptor, ändert sich der refraktive Index in der Nähe der Sensoroberfläche, auf der der Rezeptor immobilisiert wurde. (Cullen DC, Brown RG, Löwe CR (1987-88): Detection of immuno- complex formation via surface plasmon resonance on gold-coated diffraction gratings. Biosensors. 3: 211-25.). Die Änderung des refraktiven Index der Sensoroberfläche ist direkt proportional zur Konzentration der an den Rezeptor bindenden Substanz. Sowohl Komplexbildung als auch -dissoziation können "on-line" verfolgt und innerhalb kürzester Zeit analysiert werden. Der Messprozess und die Datenauswertung benötigen im Vergleich zu konventionellen Methoden nur einen geringen Zeitaufwand und sind automatisierbar. Nach der Analyse des ersten Zyklus erfolgt die Regeneration der Sensoroberfläche. Danach kann derselbe Sensor erneut zur Messung benutzt werden.
Dies macht deutlich, dass die SPR - Technologie zur Bestimmung der Konzentration von Biomolekülen in Proben aus Zellkulturprozessen gut geeignet ist (siehe auch Disley, D. M., Morill, P.R., Sproule, K., Löwe, C.R., 1999. An optical biosensor for monitoring recombinant proteins in process media. Biosensors & Bioelectronics (14) 481 - 493).
Methoden zur Bestimmung der spezifischen Produktivität von Zellen in einer Kulturbrühe
Die spezifische Produktivität von Zellen einer Zellkultur ist einer der wichtigsten Parameter zur Bewertung und Steuerung von Kultivierungsprozessen. Er ist definiert als die Produktmenge, die eine Zelle pro Zeiteinheit an das Kulturmedium abgibt. Unterschiedliche Prozessführungen, wie etwa Batchprozesse, Chemostat oder Perfusionsbetrieb, führen zu unterschiedlichen mathematischen Beziehungen zur Berechnung der spezifischen Produktivität.
Zellspezifische Produktivität bei Batch Prozessen:
Zellspezifische Produktivität bei kontinuierlichem Chemostatbetrieb:
Zellspezifische Produktivität bei Perfusionsbetrieb:
CSi|X: Zellspezifische Substratverbrauchs- und Produktbildungsrate [mol s"1]
C(_ Substrat- bzw. Produktkonzentration im Frischmedium zur Zeit t0 [mol I"1]
Cι- Substrat- bzw. Produktkonzentration im Frischmedium zur Zeit t-, [mol I"1] c2: Substrat- bzw. Produktkonzentration im Frischmedium zur Zeit t2 [mol I"1]
cst: Substrat- bzw. Produktkonzentration im „steady State" [mol I"1] t1st2: Zeitpunkte 1 bzw. 2 [s]
Xι,X2" Konzentrationen lebender Zellen zum Zeitpunkt 1 bzw. 2 [I"1]
Xst: Konzentrationen lebender Zellen im „steady State"
VR: Volumen des Reaktors
D: Verdünnungs- bzw. Bleedingrate [I s"1]
P: Perfusionsrate [I s"1]
Diese Gleichungen zeigen, dass die spezifische Produktivität neben dem Reaktorvolumen und den Zu- und Abflussraten in erster Linie von den Produkt- und Zellkonzentrationen abhängt. Den Gleichungen liegt die Annahme zugrunde, das sich die spezifische Produktivität zwischen zwei Zeitpunkten linear verändert. Diese Annahme gilt umso besser, je kleiner der betrachtete Zeitraum ist. Die Genauigkeit der Bestimmung von spezifischen Verbrauchs- und Produktionsraten ist also abhängig von der Messpräzision und der Zeit, die zwischen zwei aufeinanderfolgenden Messungen der Konzentrationen von Produkt und lebenden Zellen verstreicht. Nach derzeitigem Stand der Technik existiert aber weder ein Verfahren noch eine technische Lösung, welche die ständige, genaue und prozessbegleitende Messung von spezifischen Verbrauchs- und Produktionsraten in Kulturbrühen ermöglicht.
Stattdessen kann die spezifische Produktivität von Zellen erst mit großer Zeitverzögerung und durch den Einsatz verschiedener, voneinander unabhängiger Messsysteme bestimmt werden. Dies bringt die schon erwähnten Nachteile der Benutzerabhängigkeit, der hohen statistischen Schwankungen und der durch die vielen Arbeitssch ritte bedingten langen Analysezeiten mit sich. Jede Zeitverzögerung ist aber von großem Nachteil für die optimale Bewertung des Kulturverlaufs.
Aufgabe der Erfindung
Ideal wäre ein Verfahren und eine Vorrichtung, welche(s) in der Lage ist, sowohl die Lebendzellen- als auch die Produktkonzentration schnell und möglichst auf Basis ein und
derselben Probe zu bestimmen und daraus die spezifische Produktivität der Zellen zu ermitteln.
Dies gilt prinzipiell auch für alle weiteren Parameter, die außer der Lebendzellzahl, der Viabilität der Zellen und der Produktkonzentration einen Einfluss auf den Kultivierungsverlauf haben.
Lösung der Aufgabe
Das Verfahren und eine Vorrichtung zur Lösung dieser Aufgabe sind in den Patentansprüchen offenbart.
Die Erfindung stellt ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens zur Verfügung, mit dem spezifische Produktbildungs- und Substratverbrauchsraten von Organismen einer Kulturprobe, z.B. aus einem Bioreaktor, präzise und zeitnah gemessen werden können. Das Verfahren ist automatisiert, einfach auszuführen und kann daher schnell, ohne Experten ausbilden zu müssen, in den laufenden Routinebetrieb integriert werden.
Das erfindungsgemäße Verfahren erlaubt es, automatisch den Prozess der Zeilkonzentrationsbestimmung und den Prozess der Produkt- oder Substratkonzentrationsbestimmung zu kombinieren, um so mittels direkter Aussagen über die Produktions- und Verbrauchsraten die Bewertung, Steuerung und Regelung des Kultivierungsprozesses zu verbessern.
Die erfindungsgemäße Vorrichtung erlaubt es, Proben aus der Kultur an die Sensoren zu übergeben, um diese nach den gewählten Merkmalen zu untersuchen.
Beim erfindungsgemäßen Verfahren wird die Bestimmung der spezifischen Verbrauchsund Produktionsraten von einem oder mehreren Organismen in einer Kulturbrühe durch eine gleichzeitige, automatisierte Zellkonzentration- und Produkt- bzw. Substratkonzentrationsbestimmung durchgeführt. Für die Ermittlung der Zellkonzentration in einer Kulturbrühe wird eine computergestützte digitale Bildverarbeitungseinrichtung in
Verbindung mit einer standardisierten Färbemethode verwendet. Die Produkt- bzw. Substratanalysebestimmung wird wahlweise über eine automatisierte Fließinjektionsanalyse-, Kapillarelektrophorese-, High Performance Liquid Chromatography- oder Surface-Plasmon-Resonance-Vorrichtung, bzw. immunochemische oder kalorimetrische Methoden durchgeführt.
Diese Art der Parameterermittlung für die Zellkonzentration und Produkt- bzw. Substratkonzentration ist damit im Gegensatz zu bisherigen Verfahren benutzerunabhängig, da die manuelle Zeilkonzentrationsbestimmung (z.B. Thoma- Kammer) und Produktkonzentrationsbestimmung (z.B. ELISA-Test) entfällt. Die Messergebnisse sind präziser, weil die Ermittlung der Parameter an ein und derselben Probe durchgeführt wird und somit Streuungen in der Probenzusammensetzung eliminiert werden. Der Messvorgang ist aufgrund der Automatisierung schneller und reproduzierbarer und weniger fehleranfällig, da die zum Teil komplexe Probenaufbereitung (z.B. für die Elektrophorese) durch den Menschen entfällt.
Das Verfahren erlaubt erstmals eine kontinuierliche Überwachung von Kultivierungsprozessen, da problemlos in kurzen Zeitintervallen gemessen werden kann. Diese kontinuierlich Überwachung ist wiederum eine Voraussetzung für eine kontinuierliche Steuerung oder Regelung zur Optimierung des Prozesses.
Die erfindungsgemäße Vorrichtung ermöglicht die Zufuhr einer Kulturprobe zu den einzelnen Analysemodulen. Die Probe einer Kulturbrühe kann entweder manuell aus einem Kulturbehälter oder mehreren Kulturbehältern gezogen und der Analyseeinrichtung manuell zugeführt werden (off-line Betrieb), oder über eine automatische Probenzufuhr, der Analysevorrichtung, zugeführt werden (on-line Betrieb). Diese automatische Probenzuführung kann dabei so ausgelegt sein, dass ein oder mehrere Bioreaktoren beispielsweise mittels eines Röhren- oder Schlauchsystems und entsprechenden Ventilen an die Analyseeinrichtung gekoppelt werden oder die Proben von einem Roboter zugeführt werden.
In einer anderen Ausprägung des Verfahrens wird dem Bioreaktor, beispielsweise durch den Einsatz einer Probenahme-Sonde, automatisch kontinuierlich oder diskontinuierlich, zellfreie Kulturbrühe entnommen und der Analyseeinrichtung zur Bestimmung der
Konzentration von Biomolekülen zugeleitet. Die Bestimmung der Zelldichte und Viabilität erfolgt in diesem Fall wahlweise durch Zufuhr von manuell oder automatisch entnommenen Proben, zum Beispiel mit dem Verfahren der automatisierten Bildanalyse, der Durchflußzytometrie oder fluoreszenzbasierten Methoden, der Messung des elektrischen Widerstands oder der Laserdiffraktometrie. Alternativ hierzu werden Verfahren, die eine Messung der Zelldichte direkt im Kulturprozess (on-line) erlauben, eingesetzt. Zum Beispiel ermöglicht eine Messung der Kapazität mit der Radiofrequenzmethode die Bestimmung der Dichte lebender Zellen. Mit einem in-situ Mikroskop, mit dem Zelldichte und optional auch die Viabilität gemessen werden können, kann ebenfalls eine kontinuierliche Analyse dieser Parameter durchgeführt werden.
Unterschiedliche Kombinationen der verschiedenen genannten On-line- und Off-Iine- Verfahren bieten für unterschiedliche Organismen (z.B. eukaryotische oder prokaryotische Zellen) oder unterschiedliche Kultivierungsprozesse (satzweiser Betrieb, Perfusionsbetrieb oder dergleichen) jeweils die optimale Lösung.
Außerdem ist das erfindungsgemäße Verfahren durch Ankopplung von und/oder Austausch gegen andere Analysemethoden erweiterbar, um noch mehr Prozessparameter zu ermitteln (z.B. Nährstoffgehalt oder Partialdrücke von Gasen) ohne dazu andere Messmethoden zu verwenden. Mit Hilfe einer derart verbesserten Sensorik lassen sich Kultivierungsprozesse noch weiter optimieren. Die mit dem Verfahren gewonnenen Daten können als Analogsignale oder mit einer Software digital an die Kontrollsysteme der Bioreaktoren zur Steuerung und Regelung übergeben werden. Darüber hinaus kann das umfangreiche Datenmaterial dazu genutzt werden, neue, verbesserte Modelle der Vorgänge im Kultivierungsbehälter zu entwickeln, die wiederum durch Simulation zu weiteren Optimierungen genutzt werden können.
Zusätzliche Analyten
Neben den spezifischen Produktionsraten sind weitere Parameter bzw. Analyte zur Bewertung, Steuerung und Regelung biotechnologischer Kultivierungsprozesse von Bedeutung. Diese werden im folgenden beispielhaft und nicht abschließend aufgezählt. Die gleichzeitige und präzise Messung eines oder mehrerer dieser Parameter sind
mögliche Erweiterungen des hier beschriebenen Verfahrens und der hier beschriebenen Vorrichtung.
Die wichtigsten Parameter sind : • die Konzentration von Nährstoffen, wie etwa Nährsalze, verschiedene Zucker, Proteine, Aminosäuren, Fette • die Konzentration an Stoffwechselprodukten (z.B. Laktat, organische Säuren, Hormonen, Proteinen, Fetten, Zuckern) • die genauen Produkteigenschaften (Bindungskonstanten, molekulare Eigenschaften des produzierten Biomoleküls, Glykosilierung und Faltung des Biomoleküls) • die Temperatur im Kultivierungsbehälter • die Partialdrücke verschiedener Gase (z.B. 02, C02) • die Konzentration an freien Wasserstoffionen (der pH-Wert)
Die gleichzeitige und automatisierte Messung und Verarbeitung all dieser Parameter ermöglicht eine bisher unerreichte Präzision bei der Steuerung/Regelung von Kultivierungsprozessen.
Auf Basis dieser Messergebnisse können neue und präzisere mathematische Modelle von Kultivierungsverläufen entwickelt werden, die für die Prozessentwicklung von großer Bedeutung sind. Ausbeute und Produktqualität können so gesteigert werden. Die Wirtschaftlichkeit biotechnologischer Prozesse kann mit den beschriebenen Verfahren drastisch erhöht werden.
Beschreibung der Ausführungsbeispiele
Die Erfindung wird nachfolgend anhand der Zeichnungen näher erläutert:
Fig. 1 zeigt eine schematische Darstellung einer ersten Ausführungsform der erfindungsgemäßen Vorrichtung.
Fig. 2 zeigt eine zweite Ausführungsform mit einer veränderten Probenzufuhr.
Fig. 1 zeigt im Anschlus an eine Probenzufuhr 18 einen Verteiler 1 , in dem die Probe einer Kulturbrühe in Probenteile aufgeteilt wird. Probenteil I wird durch die Probenleitung 2 in die Probenkammer mit Probenaufbereitung 4 geführt und mit geeigneten Reagenzien über die Reagenzienzufuhr 3 für die Zellkonzentrations- und Viabilitätsbestimmung vorbereitet. Das mit der Bildnahme 6 erzeugte Bild liegt als Signal an dem Steuer- und Auswertecomputer 9 an. Der Steuer- und Auswertecomputer 9 liefert die Werte für die Zellkonzentration und Viabilität. Anschließend wird der Probenteil I durch die Abfalleitung 8 in den Abfall 7 geleitet und die Probenkammer 4 mit Probenaufbereitung 4 auf eine neue Probe vorbereitet.
Der Probenteil II aus dem Verteiler 1 wird durch die Probenleitung 10 in die Probenkammer 4 mit Probenaufbereitung, Sensorchip und Chipaufbereitung 12 geführt und mit geeigneten Reagenzien über die Reagenzienzufuhr 11 für die Bestimmung der Produktkonzentration vorbereitet. Mit dem SPR-Detektor 13 wird die Produktkonzentration im Probenteil II ermittelt. Das erzeugte Signal liegt danach am Steuer- und Auswertecomputer 9 an, welcher aus der Zellkonzentration, Viabilität und Analytkonzentration die spezifischen Produkt- und Verbrauchsraten bestimmt. Anschließend wird der Probenteil II durch die Abfalleitung 8 in den Abfall 7 geleitet und die Probenkammer 4 mit Probenaufbereitung, Sensorchip und Chipaufbereitung 12 auf eine neue Probe vorbereitet. Der Steuer- und Auswertecomputer 9 steuert und regelt über die Datenleitung 5 den Ablauf der Messungen und führt die Datenverarbeitung, den Datentransfer und die Datensicherung durch.
Fig. 2 zeigt einen Behälter mit einer Kulturbrühe 15. In den Behälter 16 ist eine in-situ- Mikroskop-Sonde 17 eingeführt. Die Sonde liefert die Bilder aus der Kulturbrühe. An die Stelle der Mikroskop-Sonde 3 kann auch eine on-line Sonde zur Messung der elektrischen Kapazität der Kulturflüssigkeit, mit der die Konzetration lebender Zellen in der Kulturflüssigkeit bestimmt werden kann, treten. Die Probenzufuhr 18 in eine Probenkammer für die Zellkonzentrations- und Viabilitätsbestimmung entfällt damit.
Bezugszeichenliste
1 Verteiler 17 Mikroskop-Sonde
2 Problenleitung 18 Probenzufuhr
3 Reagenzienzufuhr
4 Probenaufbereitung
5 Datenleitung
6 Bildnahme
7 Abfall
8 Abfallleitung
9 Auswertecomputer
10 Probenleitung
11 Reagenzienzufuhr
12 Chipaufbereitung
13 SPR-Detektor
15 Kulturbrühe
16 Behälter