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Verfahren zur sauren hydrolytischen Aufschlußbehandlung protopektinhaltiger
Pflanzenteile
Da in den Ausgangsstoffen der gewerblichen Pektinherstellung die Pektinstoffe
fast ausschließlich als noch verhältnismäßig fest an die Bestandteile der Zellwände
gebundenes Protopektin (natives Pektin) vorliegen, be darf es einer Aufbereitungsbehandlung,
um diese noch wasserunlösliche Pektinmuttersubstanz in noch mehr oder weniger voll
methoxylierte wasserlösliche Polygalakturonsäure zu überführen. Als diesen Effekt
bestmöglichst herbeiführende Aufbereitungsbehandlung hat sich bekanntlich die beschränkte
Hydrolyse erwiesen, die in den verschiedensten Variationen sowohl in der Zeitdauer
und in der Höhe der Erhitzung als auch in der Art und Menge der jeweils gewählten
Säurelösungen Anwendung findet.
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Obgleich mithin die in der Pektinindustrie gebräuchlichen hydrolytischen
Aufschlußverfahren mannigfaltig variieren, lassen sie sich ihrem Wesen nach in nur
zwei voneinander unterschiedliche Kategorien einreihen, die zu in Zusammensetzung
und Verhalten voneinander abweichenden Pektinen führen. Die kennzeichnenden Merkmale
dieser Kategorien von Protopektinaufschlußhydrolysen sind verhältnismäßig kurze
Einwirkungs-
dauer von Lösungen schwacher Säuren bei hohen, nahe
dem Kochpunkt gelegenen Temperaturen einerseits und sich über einen ungleich längeren
Zeitraum erstreckende Einwirkung von Lösungen starker anorganischer Säuren bei niedrigeren,
meist unterhalb 500 liegenden Temperaturen andererseits.
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Bei den erstgenannten Aufschlußverfahren fallen ballaststoffreiche
Pektinauszüge an, in denen die Pektinstoffe mit den sie genetisch begleitenden (Ballast-)
Substanzen mehr oder weniger noch komplexchemisch gebunden vorliegen. Die Pektinstoffe
werden durch die Aufschlußbehandlungsmaßnahmen nur geringfügig angegriffen. Ihr
Gehalt an Estermethoxyl beträgt, auf Galakturonsäure bezogen, zumeist noch gbis
In01, und schließt die Ausfällung der Pektinstoffe aus den Extraktionsauszügen mittels
Aluminiumhydroxydoder Calciumionen aus. Im Hinblick auf die Unwirtschaftlichkeit
der Ausfällung mittels Alkoholen oder Aceton werden, wie vorstehend angegeben, hergestellte
Pektinauszüge fast ausschließlich durch Vacuumeindampfung zu handelsüblichen Pektinextrakten
weiterverarbeitet.
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Demgegenüber führt die durch stark dissoziierte anorganische Säuren,
von denen Salzsäure die gebräuchlichste ist, bei niedrigeren Temperaturen und längeren
Einwirkungsdauern zumeist bei pH-Werten unterhalb I durchgeführte Protopektinhydrolyse
zu einem wesentlich stärkeren Eingriff in den Pektinkomplex. Ausgewiesen wird diese
stärkere Einwirkung auf den Pektinstoffkomplex dadurch, daß eine weitgehende Abtrennung
der Pektinbegleitstoffe stattfindet und diese pektinbegleitenden Ballaststoffe überwiegend
zu Bruchstücken so geringen Polymerisationsgrades abgebaut werden, daß sie alkohollöslich
(in 6001,ig-em Alkohol) werden. Des weiteren werden Methoxylgruppen des Pektins
in stärkerem, meist so weit gehendem Ausmaß verseift, daß die Pektinstoffe mittels
Aluminiumhydroxyd oder Calciumionen aus den Aufschlußauszügen niedergeschlagen werden
können. Letzteres ist bekanntlich nur dann möglich, wenn die Pektinstoffe ein Äquivalentgewicht
von maximal 450, d.h. einen Veresterungsgrad von ungefähr 50 bis 55 01o aufweisen.
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Da niederveresterte Pektine die Fähigkeit besitzen, Gele in Gegenwart
von Calciumionen oder anderen polyvalenten Ionen ohne oder mit nur geringem Zuckergehalt
zu bilden, haben sie in neuerer Zeit in der Lebensmittelindustrie und in der chemischen
Technik umfangreiche Verwendung gefunden.
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Diesseits durchgeführte Untersuchungen haben das überraschende Ergebnis
gezeigt, daß wäßrige Lösungen des als Amidosulfosäure im Handel erhältlichen Halbamids
der Schwefelsäure
in ausgezeichneter Weise zum hydrolytischen Aufschluß des Protopektins befähigt
sind und gegenüber den seither verwandten Säurelösungen sowohl bei der Gewinnung
noch hochveresterter Pektine als auch bei derjenigen niederveresterter Pektine beachtliche
Vorteile bieten.
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Ganz abgesehen davon, daß Amidosulfosäure als geruchlose, weder flüchtige
noch hygroskopische kristalline Substanz, die die Herstellung saurer wäßriger Lösungen
von ähnlich starker Säurewirkung wie Schwefelsäure mittlerer Konzentration erlaubt,
die Vorzüge einer einfachen, im Gegensatz zur bei der Herstellung hochveresterter
Pektine meistverwandten schwefligen Säure mit keinerlei Geruchsbelästigung verbundenen
Handhabung und Dosierung bietet, kann bei der Herstellung hochveresterter Trockenpektine,
die unter anderem als Ausgangsstoffe für die Herstellung pharmazeutischer Präparate
in ständig wachsendem Umfang Verwendung finden, auf eine Entfärbung der Extraktionsdünnsäfte
mittels Entfärbungskohle oder durch Filtration über die Farbstoffe zurückhaltende
Harzaustauscher verzichtet werden, da die alkoholgefällten Pektinstoffe aus amidosulfosauer
hydrolysierten Ausgangsstoffen ohnehin farblich mit ChIordioxyd oder chlordioxydabspaltenden
Substanzen gebleichten Pektinpräparaten annähernd gleichkommen.
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Ungleich größer sind die sich bei der Herstellung niederveresterter
Pektine ergebenden Vorteile. Bisher wurden solche Pektine vornehmlich durch salzsaure
Hydrolyse gewonnen, wobei wegen der starken Acidität (pH um I,O und darunter) die
Temperatur verhältnismäßig niedrig gehalten und die Aufschlußbehandlungsdauer auf
mehrere Tage (s. B. Hottenroth »Die Pektine und ihre Verwendung«, Verlag von R.
Oldenburg, München I95I, S. 85) ausgedehnt werden mußte, da andernfalls die partielle
Demethoxylierung mit zu starker Depolymerisierung und unter Umständen sogar mit
Decarboxylierung verbunden ist.
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Wenn man von der ammoniakalischen und der enzymatischen Entesterung
absieht, bestand also bisher keine Möglichkeit, in einem verhältnismäßig kurzfristig
durchführbaren Aufschluß extraktionsverfahren aus protopektinhaltigen Ausgangsstoffen
zu Pektinen mit niederen Methoxylgehalten, d. h. zu solchen Pektinstoffen zu gelangen,
die zwecks Gewinnung von Trockenpektinen aus den Extraktionsauszügen mittels Aluminiumhydroxyd
(in statu nascendi) oder Calciumionen niedergeschlagen werden können. Daß demgegenüber
der Amidosulfosäure-Protopektinaufschluß die Anwendung höherer Aufschlußtemperaturen
bei verkürzter Hydrolysenbehandlungsdauer ermöglicht, beweist das nachstehend mitgeteilte
Ausführungsbeispiel 200gApfeltrockentrester werden mit 2000 ccmWasser I Stunde lang
bei 40D zur VorreinigunE, digeriert. Alsdann wird abgepreßt, und das stark gequollene
Preßgut wird unter Berücksichtigung des aufgenommenen Quellungswassers mit so viel
Amidosulfosäurelösung versetzt, daß das Maischverhältnis wiederum I: IO und der
Gehalt des Aufschlußextraktionswassers an Amidosulfosäure 1,25 0/0 beträgt. Die
Aufschlußextraktionshydrolyse wird I6 Stunden lang bei 75" vorgenommen. Anschließend
wird der amidosulfosaure Extraktionsdünnsaft (pe 2,22 bei I8") vom Aufschlußgut
abgepreßt, mit Natriumbicarbonat abgestumpft (auf PH 4,2), und nach Verzuckerung
der aus den Trestern stammenden Stärke werden die Pektinstoffe
mit
Methanol (I: 5) oder mit Calciumchloridlösung niedergeschlagen. Der Anfall an Extraktionsdünnsaft
beträgt I560 ccm mit 45,40 g Trockensubstanzgehalt.
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Aus jeweils 100 g Apfeltrockentrestern werden an Trockenpektinpräparaten
erhalten: durch Methanolfällung I2,I6 g, durch Calciumchloridfällung (nach Auswaschen
des Calciums mit salzsaurem Methanol bis auf einen Gehalt von o,88°lO, berechnet
alsCaO) Io,42g.
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Analyse der wie vorstehend angegeben erhaltenen Präparate
Methanol- Ca C12- |
fällung Fällung |
Gehalt an unverestertem |
Pektin ............ 32,56 01o 46,I501o |
Gehalt an verestertem |
Pektin ............... 26,73 % 38,21 % |
Gehalt an Gesamtpektin.. 59,29 °1O 84,36 % |
Methanol- CaCl2- |
fällung Fällung |
Durchschnittsmolekular- |
gewicht 73526 95803 |
Geleereißfestigkeit nach |
Lüers (I,5g Pektin- |
präparat, 60 g Zucker, |
Milchsäure und Wasser |
ad 100 g Gelee) ....... 780 g über 2000 g |