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Verfahren zum Lösen oder Gelatinieren von Polyacrylnitrilverbindungen
Für die @'erarlieitutig von I'olvacrylnitrilverl)itichtngen, die in den Üblichen
technischen Lösungsmitteln nicht löslich sind, z. B. Polyacryltiitril und Nlischl>olvmeren
aus 7o "/o und mehr Acrylnitril und bis zu 30% anderen Inylverbindungen, wie z.
B. Vinylchlorid, Vinylidenchlorid, Acry1säureaniid, Nlethacrylsäuremethylester,
Vinylacetat und Vinylniethylketon, wurde in den letzten Jahren eine Reihe von neuen
oder ungewöhnlichen Lösungs-und Plastifizierungsmitteln aufgefunden, z. B. Diniethylformamid,
Dimethvlcyanamid, Glykolcarbonat, Tetratnethylensulfon. Butyrolacton u. a. (vgl.
H. R e i 11, "Zeitschrift für Angewandte Chemie 1948, S. 16o). Indessen besteht
nach wie vor das Bedürfnis, billige und leicht zugänglicheLösungsmittel für diese
technisch immer mehr an Bedeutung gewinnenden Stoffe aufzufinden. Es wurde nun gefunden,
daß die Halogenessigsäuren, vor allem die Chloressigsäuren und von diesen besonders
die Mono- und Dichloressigsäure gute Lösungs- bzw. Gelatinierungsmittel für Polyacrylnitrilverbindungen
der genannten Art sind. Trichloressigsäure wirkt gelatinierend, kann aber in manchen
Fällen, namentlich in Verbindung mit Mono- und/oder Dichloressigsäure, ebenfalls
zur Herstellung von Lösungen verwendet werden.Weiter kommen in Betracht z. B. Fluorchloressigsäure,
die Monobromessigsäure, während Fluoressigsäure wegen ihrer Giftigkeit weniger in
Frage kommt.
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Wie weiter gefunden wurde, können die zur Lösung benutzten Säuren
oder Säuregemische auch geringe Mengen Wasser, z. B. in der Größenordnung von 5
bis 25%, enthalten. Zum Beispiel wird bei Trichloressigsäure eine Steigerung des
Lösevermögens
gegenüber Polyacrylnitril und Kältestabilität der
Lösungen bewirkt.
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Die Auflösung bzw. Gelatinierung erfolgt gewöhnlich bei Temperaturen
zwischen 6o und i--o°. In besonderen Fällen arbeitet man zweckmäßig bei noch höheren
Temperaturen, z. B. bei 145 bis i55°. Letzteres gilt vor allem für die Auflösung
von hochmolekularem, einheitlichem Polyacrylnitril, während bei Mischpolymerisaten
gewöhnlich Temperaturen zwischen 8o und i io° vorteilhafter sind. Selbstverständlich
lassen sich die Halogenessigsäuren auch mit anderen, für Polyacrylnitrile üblichen,
den Halogenessigsäuren gegenüber hinreichend indifferenten Lösungsmitteln in beliebigem
Mengenverhältnis mischen, z. B. mit Butyrolacton, Tetramethylensulfon und Dimethylcyanamid.
Ausgesprochen basische Lösungsmittel, wie z. B. Dimethylformamid, die mit den Säuren
unter starker Wärmetönung Salze bilden, sind nicht zum Verschnitt geeignet. Mitunter
zeigen Lösungen aus solchen Mischungen niedrigere Viskositäten als gleichkonzentrierte
Lösungen in einheitlichen Mitteln. So sind z. B. Lösungen in Gemischen aus Monochloressigsäure
und Tetramethylensulfon niedriger viskos als solche in Tetramethylensulfon allein.
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Die Lösungen der Polyacrylnitrilverbindungen in den Halogenfettsäuren
sind nicht völlig stabil. Sie erleiden bei längerem Stehen in der Wärme eine Veränderung,
die technologisch als Reifung bezeichnet werden kann. Dieser neuartige Vorgang ist
von praktischer Bedeutung, denn er gestattet, die gelösten Acrylnitrilverbindungen
in kontrollierbarer Weise unter Freilegung von Carboxylgruppen zu verändern. Vermutlich
beruht diese Reifung auf einer Anlagerung der Halogenfettsäuren an Nitrilgruppen
und Wiederabspaltung in anderer Richtung. Dementsprechend wird der Vorgang durch
einen Gehalt an Wasser in den Lösungen beeinflußt. Es ist anzunehmen, daß ein merklicher
Wassergehalt die Anlagerung verhindert oder in wasserhaltigen Lösungen bei längerem
Erwärmen nur eine normale Hydrolyse stattfindet. Letztere wird besonders begünstigt
durch Gegenwart größerer Mengen von Trichloressigsäure, da diese den weniger halogenierten
Säuren in der Stärke wesentlich überlegen ist. Wichtig ist jedenfalls, daß z. B.
Lösungen in 9o%iger Chloressigsäure bei längerem Stehen in der Wärme, z. B. bei
7o1, heller bleiben als Lösungen in praktisch wasserfreier Chloressigsäure unter
sonst gleichen Bedingungen hinsichtlich Temperatur und Zeit.
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.a Zur Beschleunigung der Reifung bzw. Hydrolyse können in geringer
Menge noch starke Säuren, wie z. B. Methansulfonsäure, Benzolsulfonsäure, zugefügt
werden. Die hydrolytischen Vorgänge können sich außer auf Nitrilgruppen auch noch
auf andere hydrolysierbare Gruppen erstrecken, z. B. auf Estergruppen in Mischpolymerisaten
aus Acrylnitril und Vinylacetat.
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Die Umwandlung von Nitrilgruppen in Carboxylgruppen beeinflußt das
färberische Verhalten der Polymerisate wesentlich. Die sauren Gruppen bewirken eine
mehr oder weniger hohe Affinität zu
basischen Farbstoffen. Auch andere wasserlösliche |
Farbstoffe, z. B. solche vom Typ der sauren Acetat- |
farbstoffe, werden infolge der durch die Carboxyl- |
gruppe bewirkten Quellung leichter aufgenommen. |
Wie nicht anders zu erwarten, ändert sich mit der |
Reifung auch die Löslichkeit, z. B. kann die ur- |
sprünglich glatte Löslichkeit in Dimethylformamid |
verlorengehen. |
Schließlich wurde noch gefunden, daß Verfär- |
bungen, die beim Lösen oder beim längeren Auf- |
bewahren in der Wärme auftreten können, weit- |
gehend oder vollständig verhindert oder wieder |
beseitigt werden können, wenn man geringe Mengen |
von Chloriten zufügt. |
Die Lösungen können in w:ißrige; insbesondere |
Salze wie Chlorcalciuin oder Natriumacetat ent- |
haltende Fällbäder versponnen werden.Vorteilhafter |
erfolgt die Verformung durch Naßspinnen, jedoch |
unter Verwendung von flüssigen bzw. verflüssigten |
wasserunlöslichen Fettsäuren oder Naplitliensäuren |
als Fällungsmittel. wobei Spinnbadtemperaturen |
von beispielsweise 4o bis 14o'= angewandt werden |
können. Man kann ferner die z. 18.. mit Monochlor- |
essigsäure gelatinierenden Polyacrylnitrile unter |
hohem Druck, z. B. Drücken zwischen So und |
Soo Atm. aus Düsen auspressen und die ge- |
bildeten Fäden oder Drähte durch Nachbehandlung |
mit wäßrigen, gegebenenfalls salzhaltigen Fäll- |
bädern von den Gelatinierungsmitteln befreien. |
Die in der einen oder anderen Weise hergestellten |
Fäden, Drähte oder Bändchen können dann in der |
üblichen Weise durch Recken iin thermoplastischen |
Gebiet verfestigt bzw. vergütet werden. |
Schließlich kann man auch die F'olyacrylnitril- |
verbindungen in Halogenessigsäuren bzw. wasser- |
haltigen Halogenessigsäuren lediglich reifen lassen, |
die Lösungen dann mit Wasser fällen und die Fäl- |
lung nach gründlicher Wäsche unter Verwendung |
anderer Lösungsmittel oder Weichmacher ver- |
formen. |
Beispiele i. Man vermischt i "heil Mischpolymerisat aus 75 Teilen Polyacrylnitril
und 25 Teilen as-Dichloräthylen (K-Wert 97) mit 9 Teilen Monochloressigsäure und
erwärmt 2 Stunden auf i io°. Die Menge gelatiniert unter geringfügiger Verfärbung.
Nach dem Erkalten ist das Produkt zäh und schneidbar. Die gelatinierte Masse kann
bei ioo bis 1201 durch Düsen aus korrosionsbeständigem Material ausgepreßt werden.
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2. Man erwärmt 1o Teile des in Beispiel i erwähnten Mischpolymerisates
mit 9 Teilen Monochloressigsäure 2 Stunden auf i to'-. Es entsteht eine mäßig viskose,
hellbräunlich gefärbte Lösung. Wird nur auf 7o1 erhitzt, so bleibt die Lösung quallig.
Das durch Fällung mit Wasser, z. B. durch Einspinnen in Chlorcalciumlösung abgeschiedene,
etwas verfärbte Material ist in Dimethylformamid nicht mehr löslich, quillt aber
in diesem Mittel noch stark.
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Läßt man die bei i io° erhaltene Lösung 2q Stunden bei 70'
stehen und fällt dann mit Wasser, so bleiben etwa 7,5010 des Nitrilstickstoffs
in wasserlöslicher
Form in der Mutterlauge. Das gefällte Produkt
zeigt stark erhöhte Affinität zu basischen Farbstoffen.
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3. -Man erhitzt i Teil des in Beispiel i und 2 erwähnten l'olyacrylnitrilmischpolymerisates
mit 2 Teilen Dichloressigsäure 2 Stunden auf i ioo. Die Beobachtungen sind dieselben
wie in Beispiel i.
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.l. Man löst t "feil des oben erwähnten Polyacrylnitrilmischpolymerisates
mit 9 Teilen Dichloressigsäure. Nach vierstündigem Erhitzen auf 8o° ist völlige
Lösung eingetreten. Die Lösung ist ein wenig höher viskos als eine gleichkonzentrierte
mit Monochloressigsäure hergestellte.
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5. Ein Teil desselben Mischpolymerisates wird mit 9 Teilen goo/oiger
Monochloressigsäure auf 7o° erwärmt. Die Lösung erfolgt ebenso rasch wie mit iooo/oiger
Säure, aber auch hier bleibt die Lösung noch etwas quallig. Die aus wasserhaltiger
Monochloressigsäure gewonnene Lösung ist heller als eine vergleichbare aus wasserfreier
Säure. Das mit Wasser aus der Lösung gefällte Polymerisat läßt sich mit Alizarinreinblau
FFB unter Zusatz von Essigsäure dunkell)lau anfärben. Die Fällung ist in Dimethvlformamid
noch löslich.
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6. Man erhitzt i Teil des Mischpolymerisates mit 9 Teilen einer Mischung
aus 4o Gewichtsteilen Monochloressigsäure und 2oGewichtsteilen Dichloressigsäure
.4 Stunden auf 8o°. Es entsteht eine hochviskose, noch etwas gallertige Lösung.
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7. Man erhitzt i Teil Polyacrylnitril (K-Wert loh) in io Teilen
Monochloressigsäure bei i5o°. Es entsteht eine hochviskose bräunlich verfärbte Lösung,
die noch gallertige Anteile enthält. Ähnlich verhalten sich Di- und Trichloressigsäure.
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B. Polyacrylnitril wird mit 9 Teilen 8oo/oiger Monochloressigsäure
i Stunde auf i5o°' erhitzt. Es entsteht ein homogenes Gel.
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9. Man erwärmt i Teil Polyacrylnitril mit 9 Teilen einer Mischung
aus 6 Teilen Monochloressigsäure und ,4 Teilen Tetramethylensulfon i Stunde auf
i 5o'. Es entsteht eine hochviskose Lösung.
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i o. Man erhitzt i Teil Polyacrylnitril mit 9 Teilen Trichloressigsäure
i Stunde auf 125°. Es entsteht eine sehr hochviskose dunkelfarbige Lösung. Verwendet
man statt der reinen Trichloressigsäure 8oo/oige Trichloressigsäure, so erhält man
bei einstündigem Erhitzen auf 125° eine klare, sehr helle, hochviskose Lösung, die
mit `'Wasser gefällt werden kann. In der Kälte bleibt diese Lösung homogen, während
die Lösung in Trichloressigsäure ohne Wasserzusatz zu einem festen, harten, aber
homogenen Block erstarrt.