-
Verfahren zur Herstellung von Kautschukmischungen unter Verwendung
von Lederabfällen als Füllstoff Das Problem der Verwertung von Abfällen in der Lederindustrie
zwecks Erzielung eines möglichst billigen Leders oder Lederersatzes wurde seit langem
auf verschiedenste Weise zu lösen versucht. Abgesehen von den Methoden, bei welchen
die Ledersubstanz chemisch verändert wird, wurden alle möglichen Klebstoffe als
Bindemittel ° verwendet, um auf diese Weise mit oder ohne Preßdruck Platten u. dgl.
herzustellen. Auch werden geeignete Abfälle mechanisch zerfasert und dann mit Papierbrei
mit oder ohne Bindemittel papierartig verarbeitet.
-
Man gelangt jedoch so stets zu bloß äußerlich dem Leder ähnlichen
Erzeugnissen, die wie die verwendeten Bindemittel nur geringe Festigkeit besitzen
oder eine harte Masse bilden. Man dachte daher schon vor langer Zeit daran, Kautschuk
als Bindemittel zu verwenden, um so die wertvollen Eigenschaften beider Rohstoffe
zu vereinigen. Da der Kautschuk jedoch in Form von Rohkautschuk die Ledersubstanz
schon wegen ihres relativ hohen konstitutiven Wassergehaltes nicht zu durchdringen
vermag, ist das Einarbeiten von Leder nur dann möglich, wenn dieses, um als Kautschukfüllstoff
geeignet zu sein, in feinst zerkleinertem Zustand vorliegt. Diese Zerkleinerung
bietet aber unüberwindliche Schwierigkeiten und verursacht sehr hohe Kosten. Auch
erfordert das Einarbeiten des Leders in höherem Prozentsatz auf dem Kautschukkalander
einen enormen Kraftaufwand und so viel Zeit, daß der Kautschuk dabei totgewalzt
wird. Dadurch geht der größte Teil der wertvollen Kautschukeigenschaften verloren,
und es bleibt schließlich immer eine ziemlich entwertete ledergefüllte Kautschukmasse
von geringer mechanischer Festigkeit übrig. Als weitere Schwierigkeit erweist sich
die verhältnismäßig hohe Temperatur und lange Dauer der Vulkanisation, die zu einer
teilweisen Zerstörung der Ledersubstanz führt und ihr Festigkeit und Zähigkeit nimmt.
-
Man versuchte es daher mit Kautschuk in gelöster Form. Kautschuklösungen
in den üblichen Lösungsmitteln erwiesen sich jedoch für diesen Zweck wegen ihres
zu geringen Kautschukgehaltes oder ihrer Dickflüssigkeit als nicht geeignet. Hingegen
fand man in Kautschukmilch ein Mittel, um das Leder vollständig mit Kautschuk zü
durchtränken. Es kommt heute bei zahlreichen Verfahren zur Imprägnierung; insbesondere
von Faserstoffen, zur Anwendung, meist um diese wasserdicht zu machen oder zu plastischen
Massen zu verarbeiten.
-
So werden auf diese Weise z. B. durch Fasermaterial verstärkte Kreppsohlen
hergestellt, die aber stets mehr als 50 °/o Kautschuk enthalten müssen. Die
Verstärkung des
Kauschuks wird hier durch eine Gleichrichtung der
Fa#sern--:erreicht; die.Kautgchukmilch hat also gewissermaßen, die Wirkung einer
Schlichte, abgesehen -von: ihrer Funktion als Bindemittel. Ferner ist es bekannt,
rohe oder gegerbte Abfälle von Häuten und Fellen, insbesondere die abfallenden Rohhäute
der Hasenhaarscherereien, wieder brauchbar zu machen, indem sie, mit Kautschukmilch
imprägniert, durch den Kautschuk als Bindemittel zusammengeklebt und dann gepreßt
werden. Hierdurch ergibt sich eine aus verklebten, meist noch verhältnismäßig wertvollen
Haut- und Lederabfällen besonderer Art zusammengesetzte Platte, .in welcher die
Struktur der Abfälle erhalten sein muß, da-, mit der Zweck des Verfahrens erreicht
werden kann.
-
Andere Erfinder durchtränkten Lederabfälle mit warmer, stark verdünnter
Kautschukmilch unter möglichster Verhinderung der Kautschukfällung: Die sodann getrockneten
und möglichst fein zerkleinerten Abfälle werden hierauf zusammengewalzt oder in-
geschlossenen Pressen verpreßt. Infolge der im Leder vollständig verbleibenden Feuchtigkeit
führt dies zu einer nicht einheitlichen Masse, die vollkommen verschieden ist von
dem nach der vorliegenden Erfindung erzielten Erzeugnis.
-
Auch die von anderer Seite vorgeschlagene Verwendung einer künstlichen
Kautschukemulsion bringt ein von unserer Erfindung .gänzlich verschiedenes Ergebnis.
Die kautschukarme Emulsion trocknet nämlich mit den Lederabfällen zu einer schmierigen,
schlüpfrigen Masse von geringem Kautschukgehalt ein, welche die Entfernung der Lederfeuchtigkeit
absolut nichtgestattet, sogar das Dispersionsmittel und das verwendete Kautschuklösungsmittel
zurückhält. Der nachfolgende Walzprozeß kann somit auch zu keiner Zerkleinerung
und feinen Verteilung der Lederstückchen führen, so daß die auf diese Weise hergestellte
Leder-Kautschuk-Mischung gleichfalls ganz uneinheitlich bleibt. Wegen ihres geringen
Kautschukgehaltes besitzt sie übrigens nur geringe Festigkeit.
-
Bei all diesen Verfahren werden die Lederteilchen bloß durch den Kautschuk
miteinander verklebt, ohne mit diesem eine einheitliche Masse bilden zu können,
da alle die Grundbedingung für eine innige Vereinigung von Leder und Kautschuk außer
acht lassen: die wenigstens teilweise Entfernung der gebundenen, natürlichen Feuchtigkeit
des Leders. Solange hierfür nicht gesorgt ist, verbinden sich Kautschuk und Leder
nur äußerlich. Die Entfernung der -konstitutiven Lederfeuchtigkeit würde zu- einem
Schrumpfen und Verhärten des Leders führen, wenn nicht gleichzeitig der Kautschuk
an Stelle der aus dem Leder entfernten Feuchtigkeit treten, die einzelnen Lederfasern
umhüllen und sozusagen konservieren würde. Der Kautschuk muß daher schon in geeigneter
Form zugegen ,sein, wenn die Entfernung der Feuchtigkeit stattfindet, ' um sich
unmittelbar an deren Stelle setzen zu können. Geeignete Einwirkung mechanischer
Art, wie etwa das Ouetscheu zwischen heißen Kalanderwalzen, trägt zur Förderung
dieses Vorganges wesentlich bei.
-
Die -vorliegende Erfindung gestattet auf diese Weise die Verarbeitung
von Lederabfällen aller Art ohne Feinzerkleinerung, insbesondere aber von Falz-
und Blanchierspänen (lohgare, chromgare usw.), wie sie gerade anfallen, zu einer
einheitlichen Platte, welche die mechanisch zerteilte Ledersubstanz völlig intakt
enthält.
-
Das Verfahren besteht darin, daß die mit Kautschukmilch überzogenen
Lederabfälle gebenenfalls nach einer Vortrocknung bei niedriger Temperatur einem
Vorgang unterworfen werden, der gleichzeitig die Verdampfung der gebundenen Feuchtigkeit,
deren Ersatz - durch den Kautschuk und den Zusamrrenschluß der bisher noch getrennt
gewesenen Stücke bewirkt. Der Vorgang muß demnach bei genügend hoher Temperatur
erfolgen, um die Verdampfung bewirken zu können, unter gleichzeitiger ausreichender
mechanischer Pressung.
-
Als besonders geeignet erwies es sich, die kautschukhaltigen Lederabfälle
auf heiße Kalanderwalzen aufzubringen und sie dort gründlich durchzukneten. Nach
kurzer Zeit beginnt die gebundene Feuchtigkeit des Leders zu verdampfen, während
gleichzeitig der infolge seiner feinen Verteilung sehr schnell mastizierte Kautschuk
die Stelle einnimmt und die Lederteilchen vollständig durchsetzt. Daß ein Teil der
'natürlichen Lederfeuchtigkeit verdampft wird, wodurch erst die innige Vereinigung
von Leder und Kautschuk zu erklären ist, beweisen die Ausbeuten, nach welchen der
Wassergehalt des Leders in der fertigen Mischung beispielsweise 12, °/o oder weniger
beträgt gegenüber dem der lohgaren Falzspäne (lufttrocken) vor dem Mischen von beispielsweise
35 bis 45 °(o und der chromgaren von z. B. 25 bis 32 °4. Der Wassergehalt der Lederfasern
in der fertigen Mischung läßt sich auf eine der folgenden Weisen bestimmen: Die
praktische Wasserfreiheit ist daran zu merken, daß keine Wasserdämpfe mehr aufsteigen
und die Oberfläche der Mischung glatt und glänzend wird; unterhalb dieses Punktes
kann man den Wassergehalt durch Bestimmung des Gewichtsverlustes beim Trocknen bestimmen.
Auch bewirkt die Verminderung des Wassergehaltes
die Möglichkeit
einer blasenfreien Vulkanisation der Platten, die bei vollem Wassergehalt des Leders
nicht zu erreichen wäre. Kautschukemulsionen, welche durch reichlichen Zusatz von
Schutzkolloiden oder Verwendung von Kautschuklösungsmitteln das Ausfallen des Kautschuks
bei Beginn der Trocknung verhindern, 'erwiesen sich infolge Zurückhaltens des Dispersions-
bzw. Lösungsmittels für den beschriebenen Prozeß als ungeeignet.
-
Im folgenden wird der Vorgang beispiels-«-eise beschrieben: Der erweichte
klebrige Kautschuk befähigt die Abfälle, mit dem Fortschreiten der Verdunstung eine
einheitliche plastische Masse zu bilden und sich zu einer haltbaren Platte zu formen.
Nach einigen Minuten der Mastikationsarbeit hört das Verdampfen der Feuchtigkeit
auf, die Struktur der Lederabfälle verschwindet und die nun völlig homogene Lederkautschukplatte
ist bald fertig. Der Vorgang spielt sich außerordentlich rasch ab; die Mastikation
des feinst verteilten Kautschuks benötigt nur geringen Walzendruck und eine nur
wenig über ioo° liegende Mischtemperatur, so daß die Lederfaser in jeder Hinsicht
geschont wird. Die gesamte Kalanderarbeit erfordert bloß etwas mehr als die halbe
Mischzeit einer normalen Kautschukmischung. Wie diese läßt sich die erhaltene Platte
weiterverarbeiten, nämlich ausziehen, formen, -pressen, stanzen und schließlich
frei oder unter der Presse vulkanisieren.
-
Die kautschukimprägnierten Abfälle lassen sich auch mit tveiterem
Rohkautschuk oder mit Regenerat oder mit einem Gemisch von beiden auf dem Kalander
äußerst leicht verarbeiten, so daß man auf diese Weise das teurere Koagulat aus
Kautschukmilch teilweise durch billigeren Rohkautschuk oder durch Regenerat ersetzen
kann und doch bei kürzester Mischdauer eine völlig einheitliche Lederkautschukmasse
erhält. Die erforderlichen Zusatzstoffe (Füllmaterial, Farbstoffe, Fette, Schwefel,
Vulkanisationsbeschleuniger usw.) werden entweder während des Vermischens mit der
Kautschukmilch oder erst auf dem Kalander eingemischt. Durch entsprechende Dosierung
des Schwefelzusatzes kann die Konsistenz des Erzeugnisses je nach dem Verwendungszweck
vom Weichkautschuk bis zum Hartkautschuk variiert -,verden. Dementsprechend wird
auch Sorte und Menge des Beschleunigers so gewählt, daß die Vulkanisationszeit möglichst
kurz und die Vulkanisationstemperatur möglichst niedrig gehalten werden kann, so
daß die Ledersubstanz nicht zersetzt wird. Die anzuwendenden Gewichtseerhältnisse
'müssen hierbei nach den Grundsätzen der Kautschukfabrikation rein erfäIrrungsgemäß
ermittelt werden. Bei Verwendung vulkanisierter Kautschukmilch, z. B. dem im Handel
unter der Bezeichnung Revultex bekannten Konzentrat, entfällt selbstverständlich
die nachträgliche Vulkanisation.
-
Die durch das vorliegende Verfahren erhaltene Mischung schafft ein
Erzeugnis, das in sich die wertvollen Eigenschaften von Leder und Kautschuk vereinigt:
Formbeständigkeit, Elastizität und Zähigkeit, Bruch-, Biege-, Falz-, Einreiß- und
Abreißfestigkeit. Die Platten sind schneidbär wie Leder, lassen sich nageln und
nähen, kurz wie Leder verarbeiten. Das Material ist wasserbeständig und wasserdicht,
läßt sich schleifen, lackieren, wachsen und glätten. Man kann auch die Abfälle in
normaler Weise färben und so dem Endprodukt eine beliebige Farbe erteilen. Der Ledergeruch
der Masse kann durch Zufügung von Gerbeextrakten, Juchtenöl u. dgl. verstärkt werden.
-
Als Sohlenmaterial verwendet, zeigt dieses die Vorteile der Kreppsohlen,
ohne aber deren Schlüpfrigkeit auf dem Fußboden zu besitzen und ohne wie diese aufgeklebt
werden zu müssen. Außer für Schuhsohlen und Absätze läßt sich diese Leder-Kautschuk-Kombination
verwenden als Fußbodenbelag, Wandverkleidung, waschbare Tapete, für Kofferbeschläge,
,als Dichtungsmaterial, kurz überall dort, wo Kautschuk oder Leder angewendet wird
und die erzielten mechanischen Eigenschaften zweckmäßig sind. Durch Auswahl der
Lederabfälle und richtige Führung der Vulkanisation läßt sich das Erzeugnis für
die verschiedensten speziellen Zwecke einstellen. Infolge der Verwendung der fast
wertlosen Lederabfälle stellen sich die Selbstkosten bloß auf einen Bruchteil des
normalen Lederpreises.