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Elektrisches Freileitungsseil Bei der Herstellung von Seilen, die
aus mehreren Verseillagen bestehen, war man bisher bestrebt, die Verseillagen derart
anzuordnen, daß alle einzelnen Drähte des ganzen Seiles möglichst gleichmäßig bei
späterer Belastung beansprucht werden.
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Es hat sich nun gezeigt, daß Freileitungsseile zur Übertragung elektrischer
Energie bei einer während der Seilverlegung vorgenommenen Ausreckspannung von etwa
halber rechnerischer Seilbruchlast rissen oder bei geringerer Belastung stark nachreckten,
trotzdem bei der Herstellung und Verlegung alle Vorsichtsmaßregeln beachtet wurden
und obwohl die an Probestücken solcher Seile angestellten Zerreißversuche durchaus
genügende Festigkeitswerte des Seiles ergaben. Angestellte Untersuchungen haben
nun zu folgender Aufklärung der obengenannten Ursache geführt.
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Bei den für die Zerreißversuche gebräuchlichen Zerreißmaschinen sind
die Probestücke des zu untersuchenden Seiles mit ihren Kopfenden fest in den Klemmbacken
eingeklemmt, so daß jegliche Drehung der Probestücke ausgeschlossen ist und eine
Lockerung der Verseillage nicht eintreten kann. Anders liegen die Verhältnisse bei
der Montage eines Freileitungsseiles, bei der sich das freie bzw. vom Zugorgan erfaßte
Ende des von den Haspeln abrollenden Seiles verdrehen kann. Die Drehrichtung bestimmt
sich aus Verhältnissen, die sich aus den nachstehend genannten Seileigenschaften
ergeben. Zur Klärung dieser bei der Verlegung vorliegenden Verhältnisse wurde folgende
Einrichtung als Nachbildung der beim Verlegen auftretenden Torsionsbewegung getroffen.
Die Seilzerreißmaschine, in der das aus konzentrischen Drahtlagen bestehende Freileitungsseil
auf sein Veralten unter Last untersucht werden soll, besitzt ein oberes nicht drehbares
Spannfutter und eine untere, auf einem Kugellager ruhende leicht drehbare Spannklemme,
zwischen welchen das Seil in vertikaler Richtung eingespannt wird. Bei der Ausübung
eines Zuges durch Belasten ergibt sich nun, daß der drehbare Spannkopf je nach Schlaglänge
und Schlagrichtung der einzelnen Seillagen bei gleicher Last verschieden große und
verschieden gerichtete Drehwinkel ausführt. Bei dem mehrlagigen Freileitungsseil
mit den üblichen entgegengesetzten Schlagrichtungen in den einzelnen Verseillagen
müssen .demnach entgegengesetzt gerichtete Drehmomente ausgeübt werden. Überwiegt
nun beispielsweise, wie es bei der üblichen Verseilart der Fall ist, das Drehmoment
(Zuglast je Draht X [Tangente des Winkels zwischen .Draht und Seilachsen] X Hebelarm
X Drahtzahl) der äußeren Verceillage, so dreht sich diese Verseillage auf. Ein Aufdrehen
der äußeren Verseillage bedeutet aber ein Zudrehen der inneren, in entgegengesetzter
Schlagrichtung verseilten Lage. Infolgedessen
entsteht ein starker
Spannungsunterschied zwischen entgegengesetzt geschlagenen Verseillagen. Die Drähte
der äußeren Lage erfahren eine Lockerung und diejenigen der zugedrehten inneren
Lage eine Anspannung. Infolgedessen wird die Beanspruchung der Lagen des Seiles
bei Zugbelastung ungleich verteilt, mit der Wirkung, daß die Beanspruchung der verkürzten
Lagen an die Bruchgrenze führt, bevor die verlängerten Drähte der äußeren Lage ihr
Festigkeitsmaximum erreicht haben. Hieraus erklären sich die eingangs vorliegender
Ausführungen gemachten Angaben über das Nachrecken und Zerreißen von Freileitungsseilen
bei der Verlegung. Ein Nachrechnen der üblichen Seile, die Verseillagen von entgegengesetzten
Schlagrichtungen haben, ergibt Drehmomentsverhältnisse, welche die obigen Angaben
bestätigen und einen Drehmomentsüberschuß der äußeren Lage zeigen, der das Aufdrehen
bei Zuglast hervorruft. Diese ungleiche Größe der entgegengesetzt aufeinander einwirkenden
Drehmomente der einzelnen Verseillagen verursacht ferner auch die bekannte Erscheinung
des Nachreckens, das besonders bei Aluminiumseilen stark zur Geltung kommt.
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Bei Litzen oder Seilen mit mehr als zwei Lagen von Elementen ist schon
vorgeschlagen worden, die Lagen teils rechts, teils links zu schlagen, und zwar
wenigstens zwei aufeinanderfolgende Lagen in gleichem Drehsinn. Hierbei können die
einzelnen Lagen noch mit gleichem Steigungswinkel verseilt sein. In diesem Falle
weisen die Schlaglängen der verschiedenen entgegengesetzt geschlagenen Verscillagen
einen nur geringfügigen, durch den verschiedenen Durchmesser der Lagen verursachten
Unterschied auf. Seile mit diesen Merkmalen haben jedoch ebenso wie diejenigen,
bei denen die äußere der entgegengesetzt geschlagenen Verseillagen einen größeren
Steigungswinkel aufweist, gleichwohl noch die vorher geschilderten Nachteile.
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Nach dem Vorschlag der Erfindung soll auf Grund der durch -die Untersuchungen
gewonnenen Erfahrungen der obengenannte Übelstand dadurch beseitigt werden, daß
die einander entgegenwirkenden Drehmomente der einzelnen in entgegengesetzter Schlagrichtung
verseilten Verseillagen durch Wahl bestimmter Schlaglängenfaktoren (Verseilungsfaktoren)
völlig oder annähernd gleichgemacht werden und sich infolgedessen aufheben, so daß
bei Zugbelastung des Seiles weder ein Aufdrehen der äußeren noch ein Zudrehen der
inneren Lage entstellt. Zur Erreichung der angestrebten Wirkung, daß einander entgegenwirkende
Drehmomente der Verseillagen mit entgegengesetzten Schlagrichtungen einander ganz
oder nahezu aufheben, werden infolge der verschiedenen Verhältnisse bei Seilen von
verschiedenen Stärken im allgemeinen Voruntersuchungen an Probestücken in der oben
beschriebenen Zerreißvorrichtung notwendig sein. Es hat sich als zweckmäßig erwiesen,
bei zwei entgegengesetzt gerichteten Verseillagen die Schlaglänge der Außenlage
13- bis 14mal größer als den Durchmesser dieser Verseillage und die Schlaglänge
der darunter befindlichen Innen-Lage 9- bis 11mal so groß als den mittleren Durchmesser
dieser Verseillage zu bemessen. Infolge :des größeren Durchmessers und der größeren
Schlaglänge der äußeren Verseillage ist es notwendig, alle inneren Verseillagen
in gleicher Schlagrichtung unter Beachtung der angegebenen Schlaglänge zu verseilen.
Ein etwa noch verbleibender Überschuß eines restlichen Drehmomentes der äußeren
Lage kann dadurch behoben werden, daß, falls es sich um ein Vollseil handelt, den
Herzdrähten während der Herstellung des Seiles eine Zudrehung beim Einlauf in die
Verseilmaschine gegeben wird. Solche Seile haben außerdem auch den Vorteil, daß
sie nicht nachrecken; also bei den üblichen Seilspannungen keine bleibende Verlängerung
annehmen, wie dies bei gewöhnlichen Seilen der Fall ist; sie behalten vielmehr die
fabrikationsmäßig erteilte Länge auch unter Last bei.
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Bei einem nach vorstehenden Anweisungen hergestellten Freileitungsseile
berechnen sich die Drehmomente wie folgt: Ein 61drähtiges Freileitungsvollseil mit
Drähten von 2,25 97 sei nach folgendem Schema aufgebaut: i -f- 6 + 12 -j- 18 + 24
Drähte; die 6-, 12- und i8,drähtigen Lagen werden rechtsgängig mit Schlaglängen
von 11fachen Litzen S6 verseilt. An diesen Lagen treten bei einer Zuglast von io
kglznm2 Drahtquerschnitt rechnungsgemäß Drehmomente von 1o + 49 -j- 118 - 177 cm/kg
auf. Die äußere Drahtlage aus 24 Drähten wird linksgängig _ mit einer Schlaglänge
von 13,5fachem Seil 27 hergestellt und ergibt rechnungsgemäß ein. Drehmoment von
178 cmlkg, das sich mit der Summe der vorigen, das ist 177, nahezu im Gleichgewicht
befindet.
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Bei diesem Aufbau des Seiles genügt also bereits die Bemessung der
Schlaglängen und die Anordnung der Verseilrichtung in den verschiedenen Verseillagen,
um die einander entgegenwirk .enden Drehmomente auszugleichen.
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Bei einem 37drähtigen Freileitungsseil aus Drähten gleichen Durchmessers
wie vorher, dessen Aufbau nach dem Schema i + 6 -f-12 + 18 erfolgte, ergab sich
noch ein überwiegen des Drehmomentes der äußeren Drahtlage gegenüber demjenigen
der inneren Lagen. Anstatt nun hier diesen Überschuß durch .
Verkürzung
der Schlaglänge der inneren Lagen bzw. Verlängerung derjenigen der äußeren Lage
zu beseitigen, kann hier ein annähernder Ausgleich der entgegenwirkenden Drehmomente
durch die bereits erwähnte weitere Maßnahme, nämlich durch Zudrehen der die inneren
Lagen bildenden Herzlitze, während des Verseilungsvorganges erreicht werden.
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Durch geeignete Abwägung der hier gegebenen Faktoren ist es also möglich,
die Bauart des Seiles mit Rücksicht auf die während des Verlegens oder nach dem
Verlegen auftretenden Beanspruchungen so zu gestalten, daß die Übernahme der Hauptbeanspruchung
durch die innere Lage während der Verlegung infolge Aufdrehens der äußeren und Zudrehens
der inneren nicht möglich ist und somit die Gefahr des Zerreißens beseitigt ist.
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Die hier für den Aufbau der Freileitungsvollseile gegebenen Richtlinien
lassen sich sinngemäß auch auf Hohlleiter und Drahtseile für andere Zwecke übertragen.