-
Extraktion von Blei aus komplexen Bleisulfiderzen und -aufbereitungsprodukten
Bleiglanz (Bleisulfiderz) wird von Salzsäure ohne Zufuhr von Wärme mehr oder weniger
vollständig angegriffen. Dagegen hat sich die Umwandlung des in komplexen Bleisulfiderzen
enthaltenen Bleis in Bleichlorid durch Behandlung mit Salzsäure ohne Zufuhr von
Wärme bisher noch nicht praktisch durchführen lassen, vielmehr war die Behandlung
solcher Erze mit Salzsäure in technischem Maßstab auf die Verwendung von Säure bei
einer dem Siedepunkt naheliegenden Temperatur beschränkt, und daraus ergaben sich
große Schwierigkeiten sowohl mechanischer als chemischer Art. Es ist zwar bereits
vorgeschlagen worden, Blei in komplexen Sulfiderzen mittels kalter Salzsäure zu
chlorieren, jedoch haben diese Vorschläge noch zu keinem wirtschaftlichen Verfahren
geführt.
-
Beispielsweise hat man vorgeschlagen, komplexeBlei-Zink-Sulfiderzemit
einemgroßen Überschoß von Salzsäure (etwa dem Dreifachen der dem Blei äquivalenten
Menge) von etwa dem spezifischen Gewicht 1,21 zu vermischen und die Masse nach etwa
einwöchigem Stehen ohne vorherige Abtrennung der überschüssigen Säure zwecks Auflösung
des Bleichlorids mehrere Male mit kochendem Wasser zu behandeln, wobei das Zinksulfid
im Rückstand verbleibt. Jedoch hat dieser Vorschlag nicht zu einem wirtschaftlich
verwertbaren Verfahren geführt, was zweifellos auf die dafür benötigte lange Zeit
und die Notwendigkeit der Herstellung und Verwendung eines großen Überschusses einer
Salzsäure zurückzuführen ist, die erheblich stärker ist als das im Handel erhältliche
Produkt; weiter bedeutet die Zugabe von kochendem Wasser zu der noch die ganze überschüssige
Salzsäure in konzentrierter Form enthaltenden Masse tatsächlich eine Behandlung
mit heißer Salzsäure, und das Verfahren weist somit alle mit einer solchen Behandlung
verbundenen Nachteile auf.
-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren, das eine praktisch vollständige
Chlorierung des Bleis in komplexen Bleisulfiderzen oder -aufbereitungsprodukten
ermöglicht, bei der die übrigen Metallsulfide - beispielsweise Zinksulfid - praktisch
unangegriffen bleiben. Dies geschieht durch eine Behandlung mit Salzsäure, welche
während des ganzen Chlorierungsvorganges etwa auf gewöhnlicher Temperatur verbleibt,
während erst bei der Extraktion des Bleichlorids durch ein Lösungsmittel nach Abtrennung
der unverbrauchten Säure von der festen Substanz eine hohe Temperatur angewandt
wird.
-
Es wurde nun gefunden, daß komplexe Bleisulfiderze das Bleisulfid
in mehr als einer Form enthalten und daß eine oder mehrere dieser Formen dem Angriff
der Salzsäure bei gewöhnlicher Temperatur weniger ' widerstehen als andere. Dies
ist in solchem Ausmaße der Fall, daß eine mäßig verdünnte Säure ausreicht, um einen
Teil des in dem Erz vorhandenen Bleis schon bei etwa gewöhnlicher Temperatur zu
chlorieren,
so daß beträchtlich weniger Blei zurückbleibt, das_dur_ch,s_tärkere Säure chloriert
werden muß.-Die Erfindung beruht _?;uf dieser neuen Erkenntnis und besteht darin,
daß das in den komplexen Bleisulfiderzen oder -aufbereitungsprodukten enthaltene
Blei durch Behandlung mit Salzsäure bei etwa gewöhnlicher Temperatur in zwei oder
mehr Stufen chloriert wird. Dabei wird in der ersten Stufe bzw. in den anfänglichen
Stufen eine Säure von schwacher oder mäßiger Konzentration benutzt (vorzugsweise
läßt man die Stärke der Säure von Stufe zu Stufe anwachsen), und erst in der letzten
Stufe tritt eine Behandlung mit starker Säure - vorzugsweise solcher von etwa der
handelsüblichen Konzentration - in einer Menge ein, die größer ist als der verbleibenden,
noch nicht chlorierten Bleimenge entsprechen würde. Der technische Vorteil des Verfahrens
liegt also erstens in einer Ersparnis an Säure überhaupt und zweitens in der Möglichkeit,
die Menge und Konzentration der zur Vervollständigung der Chlorierung benötigten
Säure herabzusetzen. Um die Chlorierung vollständig zu gestalten, darf die Konzentration
der Säure nicht unter einen gewissen Mindestwert fallen. In dem obenerwähnten bekannten
Verfahren zur Behandlung der Erze mit kalter Säure hat man versucht, dieser Bedingung
dadurch zu entsprechen, daß man das Erz mit einem großen Überschuß besonders starker
Säure behandelte. Demgegenüber wird gemäß derErfindung ein großer Teil des Bleis
mittels einer schwächeren Säure entfernt und infolgedessen bleibt nicht nur erheblich
weniger Gut zurück, das durch konzentrierte Säure chloriert werden muß, sondern
es ist gleichzeitig für die nach der Endstufe des Verfahrens hinterbleibende überschüssige
Säure eine Verwendungsmöglichkeit geschaffen; denn diese Säure, die in dem älteren
Verfahren verlorenging, kann nunmehr dazu verwendet werden, den weniger widerstandsfähigen
Teil des Bleis in einer späteren Beschickung zu chlorieren. In dieser Weise kann
das Verfahren nach dem Gegenstromprinzip geführt werden, indem man das Erz zunächst
ein oder mehrere Male mit Säure von geringer oder mäßiger Stärke, wie sie aus der
Endstufe bzw. den Endstufen der Chlorierung einer schon behandeltenErzmenge anfällt,
und erst zuletzt mit konzentrierter Säure im Überschuß behandelt. Diese Säure kann
dann nach Beendigung der Umsetzung wieder zur Chlorierung des weniger widerstandsfähigen
Bleisulfids in einer späteren Erzmenge dienen. Diese Arbeitsweise gibt die Möglichkeit,
das Blei in komplexen Bleisulfiderzen oder -aufbereitungsprödukten unter Verbrauch
von praktisch nur der theoretischen Säuremenge zu chlorieren ; selbstverständlich
kann das Verfahren so geleitet werden, daß man die Säure im Gegenstrom zum Erz laufen
läßt, beispielsweise indem man konzentrierte Säure durch eine Erzmasse hindurchsickern
läßt.
-
Ist die Chlorierung zu Ende und das feste Gut von der überschießenden
sauren Flüssigkeit getrennt, so wird das Bleichlorid in an sich bekannter Weise
durch ein Lösungsmittel extrahiert. Ist der Bleigehalt des Erzes hoch, so kann es
vorteilhaft sein, Bleichlorid schon nach einer oder einigen der anfänglichen Verfahrensstufen
aus dem verbleibenden festen Rückstand zu extrahieren, d. h. das teilweise chlorierte,
von der sauren Flüssigkeit getrennte Gut wird gewaschen, mit einem Bleichlorid lösenden
Mittel behandelt und hierauf einer weiteren Chlorierung unterworfen.
-
In. manchen Fällen ist es vorteilhaft, das Erz vor der Behandlung
mit Salzsäure auf dunkle Rotglut zu erhitzen; eine solche, Vorerhitzung bringt keine
Oxydation infolge Röstens mit sich, macht aber manche Bestandteile der Erze dem
Angriff durch Säuren weniger zugänglich, insbesondere gilt dies .für Zinksulfid
in komplexen Zink-Blei-Erzen,auf welche das erfindungsgemäße Verfahren insbesondere
angewendet werden soll.
-
Enthält das Erz außer Bleiverbindungen noch andere durch Säure leicht
angreifbare Stoffe, so ist es häufig von Vorteil, der teilweise verbrauchten Flüssigkeit
Schwefelsäure zuzusetzen, damit diese Säure vor der Salzsäure verbraucht wird, wenn
die Flüssigkeit mit dem frischen Erz zusammenkommt.
-
Man kann auch das frische Erz mit Schwefelsäure behandeln und hierauf
'zur Entfernung etwa gebildeter löslicher Sulfate in an sich bekannter Weise ablaufen
lassen und auswaschen, bevor man mit salzsäurehaltigen Flüssigkeiten behandelt.
-
Gutes Durchrühren der Mischung von Erz und Flüssigkeit fördert das
Verfahren wesentlich, teils indem es die Bildung eines Überzuges von Bleichlorid
auf den Erzteilchen verhütet und teils indem es die Entfernung des Schwefelwasserstoffsbefördert.
ZuletztgenanntemZweck kann Luft durch und über die Mischung geleitet werden, wobei
jedoch die Möglichkeit des Verlustes von Salzsäure und der Verdünnung des Schwefelwasserstoffs
in einem seine Wiedergewinnung verhindernden Ausmaß berücksichtigt werden muß. Zusatz
von Schwefeldioxyd oder einem Oxydationsmittel, wie Chlor, Ferri= chlorid, oder
verbrauchter Flüssigkeit von der Behandlung des Erzes ist eine weitere Möglichkeit
zur Entfernung des Schwefelwasserstoffs. Es wurde gefunden, daß die Zugabe eines
Oxydationsmittels, wie Chlor oder Ferrichlorid, zu der breiigen Mischung - insbesondere
nach der Chlorierung der Hauptmenge des Bleis - bei vielen Erzen die Chlorierung
der letzten Anteile des in dem Gut enthaltenen Bleis wesentlich befördert.
Das
erfindungsgemäße Verfahren wird allerdings ohne Zufuhr von Wärme durchgeführt, so
daß man sagen kann, daß es bei gewöhnlicher Zimmertemperatur vor sich geht; selbstverständlich
kann aber der Vorgang bei einer unter dem Durchschnittswert liegenden Temperatur
der Umgebung unwirtschaftlich langsam verlaufen, und in diesem Fall kann Wärme zugeführt
werden, ohne daß der Rahmen der Erfindung verlassen wird. Beispiel ioo Teile aufbereitetes
Broken Hill-Erz mit 7,o0/, Blei und 46,i0/0 Zink werden mit 25 Teilen teilweise
verbrauchter Säure von einer früheren Chlorierung gemischt und 6 Stunden bei gewöhnlicher
Temperatur in der Drehtrommel behandelt. Die verwendete Flüssigkeit enthält noch
14,3 % freie Salzsäure. Nach 6 Stunden beträgt der Säuregehalt der Flüssigkeit noch
1,33%, und das Blei ist bis auf 3,55% in Chlorid übergeführt. Die annähernd erschöpfte
saure Flüssigkeit wird nun- durch Filtration abgetrennt und der feste Rückstand
mit 25 Teilen frischer 3o%iger Salzsäure weiterbehandelt. Nach 22 Stunden sind nur
noch o,44 % unverändertes Blei übrig. Zinkblende und Pyrite sind dagegen so gut
wie nicht angegriffen. Es wird nun nochmals filtriert und die feste Substanz mit
kaltem Wasser gewaschen, bis sie praktisch säurefrei ist. Hierauf wird sie in einen
Behälter gebracht, mit heißer Chlornatriumlösung ausgelaugt und schließlich mit
heißem Wasser nachgewaschen. Aus der heißen Ablauge und den Waschwässern kristallisiert
beim Erkalten das Bleichlorid aus. Das Filtrat enthält etwa 140/, freie Salzsäure
und wird, wie obenbeschrieben, zur Vorbehandlung einer neuen Erzmenge verwendet.