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Verfahren zur Herstellung von Formaldehydsulfoxylaten. Rongalit (=
Formaldehydnatriumsulfoxylat, NaHS02 - CH20) wurde bis jetzt nur nach rein chemischen
Methoden hergestellt, so vor allem durch Reduktion des Formaldehydnatriumbisulfits
mittels Zink- und Essigsäure in der Siedehitze (Ber. 38;i077).
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Es kann Formaldehydnatriumsulfoxylat mit großem Vorteil auch elektrolytisch
gewonnen werden, wobei als Ausgangsmaterialien nur Schwefeldioxyd, Formaldehyd und
Soda benötigt sind.
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Die vorliegende Methode der Rongalitgewinnung besteht darin, daß ich
zuerst Diformaldehydsulfoxylsäure, H,S02 # 2 CH20, durch elektrolytische Reduktion
der schwefligen Säure unter gleichzeitigem Zutropfen einer Formaldehydlösung herstelle
und hierauf mittels Soda oder Natronlauge neutralisiere, wobei die Diformaldehydsulfoxylsäure
gemäß Ber. 50;'`1I, 1279 zerfällt in Formaldehydsulfoxylat (Rongalit) und Formaldehyd:
H2S02 # 2 0H20 -E- NaOH = NaHS02 # CH20 + CH20 + 11,0. Diformaldehydsulfo:cylsäure
ist zwar rein chemisch aus Rongalit, Salzsäure und Formaldehyd nach Ber. So/II,
1279 bereits hergestellt werden, ihre elektrolytische Gewinnung jedoch dürfte
völlig neu sein. Diese gründet sich darauf, daß die äußerst unbeständige hydroschweflige
Säure. die ja bekanntlich durch Reduktion der schwgfligen Säure an der Kathode entsteht
und durch ihre Orangefärbung sich verrät, durch Formaldehyd sofort aufgespalten
wird unter Bildung der beständigen Diformaldehydsulfoxylsäure, deren wäßrige Lösung
farblos ist
H2S2O4 -I- H20 @--- H2S02 -I- H2S03 |
H@Sb., + 2 CH20 = H@S02 # 2 CH20. |
Man läßt also während der Elektrolyse der schwefligen Säure Formaldehydlösung in
dem Maße zutropfen, daß die Katholytflüssigkeit dadurch eben farblos blieb.
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Unter Anwendung einer in sich geschlossenen Apparatur arbeitet man
unter Schwefeldioxydatmosphäre. Kathoden- und Anodenraum waren getrennt. Der Anodenraum
wurde von einer kleinen Tonzelle gebildet,. die sich in der Mitte der größeren Kathodenzelle
befand. Diese war ein zylindrisches, dickwandiges Gasgefäß von 25o ccm Inhalt, das
durch einen Gummipfropfen verschlossen war. Durch diesen führten luftdicht vier
Glasröhren. Die eine derselben diente zur Entnahme der Proben mittels Pipette, durch
die zweite, welche am unteren Ende verjüngt ausgezogen und in Richtung zur Kathode
umgebogen war, wurde ein steter SO,-Strom in die Katholytflüssigkeit geleitet, durch
die dritte, ein T-Rohr, lief der Zuführungsdraht zur Kathode (Platinblech, blank),
und in der vierten Glasröhre endlich, die durch die Mitte des Gummipfropfens geführt
war, befand sich konachsial
mit ihr verlaufend ein etwas engeres,
langes Glasrohr. Dieses führte durch den die Anodentonzelle abschließenden Gummipfropfen
luftdicht hindurch, enthielt den Zuleitungsdraht zur Anode (Platinblech, blank)
und leitete gleichzeitig die Anodengase ins Freie. Da die Anodenzelle als Rührer
dienen sollte, wurde zum gasdichten Abschluß die in Annalen" 323, S. 299 geschilderte
Vorrichtung mit Quecksilberabdichtung (jedoch in Glas statt Eisen) verwandt. Die
Kathodengase konnten durch den seitlichen Arm des T-Rohres entweichen, und da sie
reichlich SO, mitführten, wurden sie in einer Vorlage mit Wasser zur Absorption
gebracht. Um das Zutropfen der Formaldehydlösung während der Elektrolyse zu ermöglichen,
war durch den Gummipfropfen der Kathodenzelle auch noch das Auslaufrohr eines kleinen
Tropftrichters geführt.
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Die für die Elektrolyse dienende schweflige Säure wird im Elektrolysiergefäß
direkt hergestellt, indem ich die Kathodenzelle mit ioo ccm destilliertem Wasser
füllte (die Anodenzelle enthielt verdünnte Schwefelsäure) und das S02 Gas bis zur
Sättigung einleitete. Sobald das Entweichen der Schwefeldioxydblasen aus dem Elektrolysiergefäß
lebhafter wurde, schaltete ich den Strom ein und mäßigte die SO. -Zufuhr etwas.
Auf diese Weise hatte ich stets eine frisch bereitete SO-Lösung, die durch eine
SO, -Atmosphäre von der Außenluft abgeschlossen war und während der ganzen Dauer
der Elektrolyse ihren Sättigungsgrad beibehielt. Das Elektrolysiergefäß stand in
einer Blechwanne, durch die ständig Leitungswasser floß, so daß die Temperatur der
Katholytflüssigkeit während der Elektrolyse 2o° C meist nicht überschritt.
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Bei Stromdichten von 1,5 bis 9 Ampere pro qdm Kathodenfläche war ein
wesentlicher Unterschied durch die verschiedenen Stromdichten nicht bedingt. Sofort
nach Einschaltung des Stromes trat stets Orangefärbung auf, herrührend von der an
der Kathode gebildeten hydroschwefligen Säure: 2 SO + 2 H _-_ HZS204. Diese Orangefärbung
konnte aber durch Zutropfen von 2 bis 3 Tropfen einer 37prozentigen Formaldehydlösung
augenblicklich zum Verschwinden gebracht werden. Sobald freie hydroschweflige Säure
sich durch ihre Gelb- bis Orangefärbung verrät, gibt man wieder 5 Tropfen Formaldehydlösung
hinzu, was etwa alle 2 bis ,3 Minuten, je nach der Stromstärke, nötig ist. Wird
die Elektrolyse auf diese Weise geleitet, so läßt sich z. B. bei einer Stromstärke
von 2 Ampere (Stromdichte pro qdm - 6 Ampere) sogar nach 5 Stunden, das ist nach
Aufwendung von io Amperestunden, noch keine Trübung feststellen. Der Katholyt enthält
dann außer großen Mengen schwefliger Säure Diformaldehydsulfoxylsäure als Hauptprodukt
und Formaldehydthioschwefelsäure als Nebenprodukt. Außerdem befinden sich in der
Lösung noch Spuren von Thioaldehyden, die sich durch ihren intensiven Geruch bemerkbar
machen.
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Die Menge der gebildeten Diformaldehydsulfoxylsäure wurde nach Zeitschrift
für analytische Chemie Bd. 61, H. 6, S. 216, das ist nach einem jodometrisch-acidimetrischen
Verfahren zur Bestimmung der Sulfoxylsäure bei Gegenwart von Formaldehyd, schwefliger
Säure und Thioschwefelsäure bestimmt. Dieses Verfahren ermöglicht es, gleichzeitig
auch die vorhandene Thioschwefelsäure quantitativ zu bestimmen.
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Was die Stromausbeute an Sulfoxylsäure betrifft, so verfährt man am
besten in der Weise, daß man nach einer bestimmten Zeit bzw. Strommenge, welche
zweckmäßig mittels Kupfercoulometer gemessen wird, die vorhandene Sulfoxylsäure
quantitativ ermittelt.
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Beispiel: Man elektrolysiert bei einer Stromstärke von i,i Ampere
eine gesättigte SO, -Lösung im SO_-Strom und unter Zutropfen einer Formaldehydlösung.
DieaufgewandteStrommengewirddurch eiii Kupfercoulometer ermittelt. Nach 6 Stunden
Stromdurchgang, nach welcherZeit der Katholyt sich noch nicht getrübt hat, sind
7,4103g Kupfer abgeschieden, so daß der Theorie zufolge der
Sulfoxylsäure hätte erzeugen können. Da die im Katholyten tatsächlich gefundene
HzS02
5,579
betrug, berechnet sich die Stromausbeute zu
Prozent der Theorie. Die unter verschiedenen elektrolytischen Bedingungen gemessenen
Stromausbeuten sind in der folgenden Tabelle festgelegt.
Aufgewandte |
Stromdichten Stromausbeute |
Amperestdn. pro qdm in Proz. d. Th. |
2 3,3 Ampere 82 |
6 313 - 72 |
4 6 - 77 |
il 6 - 68 |
12 9 - 6o |
Vergleicht man diese Tabelle der Stromausbeutung mit jenen Stromausbeuten, die nach
Zeitschrift für Elektro-Chemie i0/363 bei Elektrolyse einer 35prozentigen Natriumbisulfitlösung
erzielt werden, so ersieht man die äußerst günstige Wirkung des Formaldehyds auf
die elektrolytische Reduktion der schwefligen Säure.
Um die im Katholyten
angereicherte Formaldehydsulfoxylsäure als Salz zu isolieren, entfernt man nach
beendigter Elektrolyse zuerst die in großen Mengen vorhandene schweflige Säure.
Zu diesem Zwecke bringt man die Lösung in einen Claisenkolben und leitet unter gleichzeitigem
Evakuieren an der Wasserpumpe einen gereinigten und getrockneten Wasserstoffstrom
mittels einer in die Lösung tauchenden Kapillaren hindurch. Das vorhandene Schwefeldioxyd
wurde dabei entfernt, und die Katholytflüssigkeit entfärbte sich auffallenderweise
vollständig. Eine besondere Zersetzung war bei dieser Destillation nicht eingetreten.
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Um die Lösung nicht zu stark zu verdünnen, neutralisiert man mit kalzinierter
Soda. Die Neutralisation ist vollständig, wenn die Soda sich nicht mehr mit CO"-Entwicklung
auflöst. Man dampft nun die Lösung im Wasserstoffstrom, der durch eine Kapillare
in die Flüssigkeit tritt, unter gleichzeitigem Evakuieren auf dem Wasserbad von
35 und q.o° ein. Der Wasserstoff durchstreicht, bevor er in den Claisenkolben gelangt,
einen mit Bimssteinen gefüllten Trockenturm, in welchem konzen. trierte Schwefelsäure
herabtropft. Man dampft bis auf 30 ccm ein und läßt im evakuierten Chlorkalziumexsikkator
weiter eindunsten. Es kristallisierte jedoch nichts aus. Nach zweitägigem Stehen
im Exsikkator war die Lösung zu einer farblosen, klebrigen Masse eingedunstet, die
etwas lauchartig roch, aber sich klar in Wasser löste. Nach weiterem dreitägigem
Verweilen im Exsikkator ergibt sich nach der jodometrisch-acidimetrischen Methode
auf die wasserfreie Substanz berechnet ein Gehalt von
das sind
an NaHSOz - CH20.
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Die . Thioschwefelsäure der abgewogenen Probe beträgt
Grammolekel, welche
bzw. 2o Prozent wasserfreiem Na2S203 entsprechen.
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Nachdem die Substanz vier Monate im Exsikkator gestanden hatte, war
der Gehalt an Formaldehydsulfoxylat und Thiosulfat noch der gleiche.
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Die durch Elektrolyse gewonnene Diformaldehydsulfoxylsäure ist also
infolge der bei der Elektrolyse stattfindenden Nebenreaktionen stets noch mit Formaldehydthioschwefelsäure
bzw. das hieraus dargestellte Formaldehydsulfoxylat noch mit Thiosulfat verunreinigt.