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Verfahren beim Abtreiben von Ammoniak. Die Herstellung von konzentriertem
oder wasserfreiem Ammoniak geschah bisher unter Benutzung der üblichen Abtreibekolonnen
in der Weise, daß die ammoniakhaltigen Wasserdampfkondensate aus einem Rückflußkühler
oder mehreren Kühlern ganz oder teilweise in die Destillationskolonne zurückgeführt
und dort gemeinsam mit dem Rohwasser wieder abgetrieben wurden. Durch diese Zurückführung
fand in der Kolonne eine Mischung der hochprozentigen Kondensate mit dem abzutreibenden
Rohwasser statt. Die Abtreibung des Ammoniaks aus diesem Gemisch bedingt die Einhaltung
so hoher Temperaturen in der Kolonne, daß das entweichende Dampfgasgemisch finit
etwa zoo° C die Kolonne verläßt. Mit dieser Temperatur gelangen die Gase in die
Rückflußkühlung oder einen anderen Wärmeaustauschapparat und geben hier die abzuführenden
entweder an das vorzuwärmende Rohwasser oder an besonders zugeführtes Kühlwasser
ab.
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Je höher nun die Temperatur der Gase vor dem Rückflußkühler ist, desto
größer ist die mitgeführte ).Vasserdampfmenge, um so mehr Ammoniak wird also von
den Kondensaten absorbiert und der Kolonne ständig wieder zugeführt, und muß von
neuem ver--ast werden, um dann im Kühler gemeinsam mit den Wasserdampfmengen wieder
die Verdampfungswärme abzugeben.
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Ein großer Teil des Ammoniaks unterliegt daher einem beständigen Kreislauf
zwischen Kolonne und Rückflu'ßkühlung. Erfahrungsgemäß stellt diese umlaufende Menge
ein Mehrfaches des der Kolonne im Rohwasser zugeführten Ammoniaks dar.
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Die bei dieser Arbeitsweise zurückgeführten Ammoniakmengen bedeuten
aber nicht nur eine Herabsetzung der effektiven Kolonnenleistung, sondern sind auch
infolge des hohen Ammoniakgehalts die Ursache der bekannten Pulsationserscheinungen,
die beim Betriebe der Kolonnen häufig zu Ammoniakverlusten führen.
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Die Entstehung der Pulsationen ist in nachfolgend gekennzeichneten,
physikalischen Vorgängen zu suchen: Das Ammoniakwasser fließt von einem Kolonnenboden
durch einen Überlauf auf den nächst tieferen Boden herunter, während direkter Dampf
die in den Böden angeordneten, haubenartig abgedeckten Düsen von unten nach oben
durchstreicht, bei jedem Boden also eine gewisse Tauchung, d. h. einen Druckverlust,
erleidet. Die Folge dieses Druckverlustes ist das Ansteigen der Flüssigkeit in den
Überläufen um ein jeweils gleiches Maß. Die Höhe des Druckverlustes 'auf jedem Boden
setzt sich zusammen aus der Tauchhöhe zuzüglich des durch Kondensation des Wasserdampfes
entstandenen Spannungsabfalles. Während der ersterwähnte Druckabfall praktisch konstant
bleibt und nur einen Bruchteil des Abstandes zweier Böden voneinander beträgt, ist
der durch Dampfkondensation
entstehende Druckabfall durchaus verschieden
und dann am größten, wenn dem Wasserdampf durch Zusammentreffen mit hochprozentigem
Ammoniak die Verdampfungswärme weitgehendst entzogen wird. Dies ist meist auf dem
zweiten Boden der Fall, d. h. dort, wo das abzutreibende Flüssigkeitsgemisch die
Siedetemperatur erreicht hat.
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Beträgt beispielsweise der Bodenabstand Zoo mm, der Druckabfall des
Dampfes von einem Boden zum anderen an einer Stelle plötzlich mehr als zoo mm, so
wird sich der überlauf mit Flüssigkeit anfüllen und letztere noch so weit steigen,
bis ein Gleichgewichtszustand erreicht ist. Dieser tritt aber sobald nicht ein,
da durch die höhere Flüssigkeitssäule eine weitere Erhöhung der Druckdifferenz des
Dampfes über den beiden in Betracht kommenden Flüssigkeitsspiegeln bedingt ist.
Es bildet sich daher ein Zustand heraus, den man treffend damit kennzeichnen kann,
daß über einem Dampfkissen im Unterteil der Kolonne die Flüssigkeitssäule hängen
bleibt. Erst nach Erreichung eines überdrucks durch Ansteigen der Flüssigkeit in
die höher gelegene Apparatur stürzen die Flüssigkeitsmassen herunter, wobei Ammoniakverluste
durch Abfließen unabgetriebenen Wassers unvermeidlich sind.
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Je hochprozentiger also das in der Kolonne eintretende Am inoniakwassergemisch
ist, desto labiler ist der Zustand in der Kolonne. Ein vorübergehender, ganz geringer
Dampfmangel (z. B. durch Zugluft auf die Kolonne) hat die soeben geschilderten Vorgänge
zur Folge. Es muß daher erstrebt werden, die hochprozentigen Kondensate nicht in
die Kolonne gelangen zu lassen.
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Der Zweck nachfolgend beschriebener Einrichtung ist die Ermöglichung
der Ausnutzung der vollen Kolonnenleistung zur Abtreibung des Rohwassers und die
Stabilisierung des Betriebes dadurch, daß die Abtreibung der rücklaufenden Kondensate
in einem besonderen Verdampfungselement durch eine möglichst im Betriebe selbst
liegende Wärmequelle erfolgt. Dieses geschieht in folgender Weise Das rohe Ammoniakwasser
tritt nach Vorwärmung und üblicher Vorentsäuerung mit einer Temperatur von etwa
9o° in die Kolonne, in der in bekannter Weise durch direkten Wasserdampf das Ammoniak
abgetrieben wird. Das entweichende Dampfgasgemisch durchstreicht vor Eintritt in
den Rückflußkühler ein Verdampfungselement, in das die durch Kühlung der Gase niedergeschlagenen
Kondensate eingeführt werden, und gibt hier einen großen Teil seiner Wärine zur
Verdampfung des Ammoniaks aus diesen Kondensaten ab.
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Das Verdampfungselement kann beispielsweise so ausgebildet sein, daß
die Dumpfe und Kondensate auf getrennten Wegen über flachen Böden derart gegeneinander
geführt werden, daß die Kondensate zuletzt mit den heißesten Gasen zum Wärmeaustausch
gelangen und mit etwa i oo°, also praktisch ammoniakfrei, den Apparat verlassen.
In diesem Zustand können sie sogar in die Kolonne eingeführt werden, ohne die Nutzleistung
derselben merklich zu beeinträchtigen oder andere Nachteile zu bringen. Die aus
den Kondensaten entweichenden Ammoniakgase werden an geeigneter Stelle mit den übrigen
Ainmoniakgasen vereinigt.
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Hierdurch wird erreicht, daß ohne 1Vlehraufwand von Frischdampf die
bei 'der bisher üblichen Betriebsweise die Kolonnen belastenden Ammoniakmengen aus
den Kondensaten nicht mehr in die Kolonne gelangen, sondern vorher beseitigt werden,
die volle Kolonnenleistung also der eigentlichen Rohwasserdestillation nutzbar gemacht
und der labile Zustand, der durch direkte Rückleitung hochprozentiger Kondensate
in die Kolonne entsteht, vermieden wird.