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Die vorliegende Erfindung betrifft einen Wirkstoff zur Behandlung von Prozesswasser.
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Prozesswasser kann beispielsweise bei der Papierherstellung entstehen. Im Rahmen der Papierherstellung werden Cellulosefasern mit wässrigen Lösungen vermischt und aufgeschwemmt. Dabei wird eine konzentrierte wässrige Aufschlämmung von Cellulosematerial, die sogenannte Pulpe, durch Zugabe von Wasser verdünnt, um dadurch eine verdünnte wässrige Aufschlämmung von Cellulosematerial zu erreichen.
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Stärkepolysaccharide und deren Abbauprodukte mit einer Molmasse von mehr als 1 × 106 g/mol können zu einem Festigkeitsgewinn im Fertigpapier beitragen.
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Untersuchungen haben gezeigt, dass bei dieser Art der Papierherstellung nennenswerte Mengen an Stärke in die Stoffauflösung übergehen. So werden aufgrund geringer Bindungskräfte bis zu 70% der Stärke bei der Stoffauflösung in Pulpe mit Prozesswasser von den Fasern abgelöst. Die gelöste Stärke wird auch als vagabundierende Stärke bezeichnet. Dabei enthält die sogenannte vagabundierende Stärke unmittelbar nach dem Auflöseprozess wertvolle wirksame Anteile, die bei der Papierherstellung zum Festigkeitsgewinn verwendet werden könnten.
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Gelangt die vagabundierende Stärke ins Prozesswasser, wird sie verhältnismäßig schnell metabolisiert, so dass nur ein kleiner Teil der Stärke im Faservlies zurückgehalten werden kann und nur ein geringer Festigkeitsgewinn im Fertigpapier erreicht werden kann. Der größte Teil der Stärke hingegen wird mit dem Abwasser ausgetragen.
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Stärke kann sowohl intrazellulär als auch extrazellulär auf enzymatischem Wege abgebaut werden. Dabei entstehen Stärkepolysaccharide, die linear oder verzweigt sein können. Ein weiterer Abbau führt zu Oligosacchariden. Bei einer Totalhydrolyse kann die Stärke zu dem Monomer Glucose abgebaut werden.
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Bei der intrazellulären Metabolisierung werden Stärkepolysaccharide innerhalb der Zellen der Mikroorganismen verstoffwechselt. Als Folge davon sind auch die Bruchstücke in der Stoffsuspension nicht mehr verfügbar. Ist die Stärke derartig metabolisiert, steht sie für eine Festigkeitsentwicklung im Fertigpapier nicht mehr zur Verfügung. Stattdessen müssen zusätzliche Stoffe zugeführt werden, um die gewünschte Festigkeit zu erreichen.
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Verschiedene Mikroorganismen können Enzyme, wie zum Beispiel Amylase, emittieren. Durch diese Enzyme können Stärkepolysaccharide extrazellulär zerkleinert werden. Wenn die dabei entstehenden Bruchstücke eine Molmasse von weniger als 1 × 106 g/mol aufweisen, sind die Stärkebruchstücke für eine Festigkeitsentwicklung nicht mehr wirksam.
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Bei der Zerfaserung des Altpapiers in Pulpe geht die Stärke in Lösung und belastet dadurch den gesamten Wasserkreislauf der Papierfabrik. Die Folge sind CSB-Gehalte (CSB: Chemischer Sauerstoffbedarf, ein Maß für alle im Wasser vorhandenen oxidierbaren Stoffe) in Höhe von beispielsweise 5000 bis 8000 mg/l, die zum überwiegenden Teil auf Stärke zurückzuführen sind.
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Aufgrund der Wassertemperatur und der Aufenthaltszeit der Stärke im Wasser zersetzen Mikroorganismen in anaerobem Milieu die Stärke in niedermolekulare Säuren. Dies bewirkt eine pH-Senkung in Richtung eines sauren Bereichs. Dies wiederum begünstigt das Ausgasen der leicht flüchtigen Fettsäuren und somit die Bildung von Geruchsemissionen. Zusätzlich bewirkt der saure pH, dass Calciumcarbonat aus dem Altpapier in Lösung geht. Die Konsequenz hieraus sind sehr hohe Calciumgehalte im Kreislaufwasser und in der Folge vielfältige Verkalkungsprobleme, sonders im Bereich der anaeroben und aeroben Kläranlagestufen.
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Die dargestellten Mechanismen führen deshalb zu Geruchsbildungen, Korrosion und zu einer reduzierten Wirksamkeit der bei der Papierherstellung eingesetzten chemischen Additive.
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Es kann davon ausgegangen werden, dass der größte Teil der im Kreislaufwasser der Papierfabrik vagabundierenden Stärke bei der Blattbildung nicht an die Faser gebunden wird, da die Stärke weder anionisch noch kationisch modifiziert ist. Stattdessen geht die Stärke mit dem Siebwasser direkt zur Kläranlage. Die Kläranlagen von Verpackungspapierfabriken müssen aufgrund dieser Fracht enorm leistungsfähig sein. Der Leistungsbedarf der Kläranlagen nimmt in den letzten Jahren kontinuierlich zu, da der Stärkeanteil im Altpapier immer mehr zunimmt.
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Dies unterstreicht, welch hoher Bedarf im Stand der Technik besteht, Wirkstoffe und Verfahren zur Verfügung zu stellen, die sicherstellen, dass die im Verfahren eingesetzten Stoffe in optimaler Weise der Papierherstellung bzw. der Festigkeitsentwicklung des Papiers zugeführt werden.
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Dieser oben beschriebene Verlust an Stärke bewirkt zunächst einen betriebswirtschaftlichen Ausfall. Anstelle der verlorenen Stärke müssen Komponente in einem Extraschritt zugefügt werden, um die gewünschte Festigkeit zu erreichen.
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Darüber hinaus verursacht die vagabundierende und metabolisierte Stärke einen erhöhten Sauerstoffbedarf im Prozesswasser und im Abwasser. Dies führt zu einer weiteren Steigerung der Kosten der Abwasserreinigung. Darüber hinaus führen die nicht genutzte vagabundierende Stärke und deren Abbauprodukte zu Korrosion, Ablagerung, Geruchsbildung und verminderter Wirksamkeit von Additiven.
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Im Stand der Technik sind Mittel zur Verhinderung der Metabolisierung der Stärke bekannt. So beschreibt die
WO 2012/025228 A1 ein Verfahren zur Papierherstellung, bei dem ein oder mehrere Biozide eingesetzt werden, und zusätzlich ein ionisches Polymer sowie ein ionisches Hilfspolymer zugegeben werden.
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Die
EP 0 361 736 beschreibt eine Zusammensetzung enthaltend Stärke und ein Flockungsmittel, welches aus der Papierherstellung bekannt ist.
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Die im Stand der Technik bekannten Verfahren bzw. Zusammensetzungen weisen allerdings eine Reihe von Nachteilen auf.
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So haben die im Stand der Technik verwendeten Biozide einen negativen Einfluss auf die Umwelt. Dies führt dazu, dass die Kosten für die Entsorgung des Abwassers weiter in die Höhe getrieben werden, da das Biozid entfernt werden muss bzw. durch Zugabe weiterer Stoffe gebunden werden muss.
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Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, einen Wirkstoff zur Behandlung von Prozesswasser zur Verfügung zu stellen, der die oben geschilderten technischen Nachteile der im Stand der Technik verfügbaren Wirkstoffe überwindet.
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Diese Aufgabe wird gelöst mit den Merkmalen des Anspruchs 1.
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Vorteilhafte Weiter- und Fortbildungen der Erfindung sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
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Die vorliegende Erfindung löst das oben beschriebene Problem dadurch, dass der Wirkstoff mittels Elektrolyse herstellbar ist. Dadurch wird gegenüber dem Stand der Technik eine erhebliche Verbesserung erzielt.
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Bei dem mittels Elektrolyse hergestellten Wirkstoff handelt es sich um einen wässrigen, gesundheitlich unbedenklichen Wirkstoff. Da der Wirkstoff gesundheitlich unbedenklich ist, kann ein negativer Effekt auf die Umwelt ausgeschlossen werden. Zusätzliche Mehrkosten, die durch die im Stand der Technik verfügbaren Wirkstoffe verursacht werden, fallen deshalb nicht an. Das Prozesswasser, das mittels eines Wirkstoffes, der mittels Elektrolyse herstellbar ist, behandelt wird, kann nach der Verarbeitung über das gewöhnliche Abwassersystem entsorgt werden.
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Als besonders vorteilhaft hat sich dabei herausgestellt, wenn das Prozesswasser ein Prozesswasser aus der Papierherstellung ist. Prozesswasser aus der Papierherstellung weist einen besonders hohen Stärkegehalt auf. Durch vorhandene Mikroorganismen wird die vorhandene Stärke verhältnismäßig schnell metabolisiert, so dass sie nur noch in geringem Maße zum Festigkeitsgewinn im Fertigpapier beitragen kann. Der größte Teil dieser metabolisierten Stärke wird mit dem Abwasser fortgetragen. Mit Hilfe der vorliegenden Erfindung ist es nun möglich, durch den Wirkstoff, der mittels Elektrolyse herstellbar ist, diese Metabolisierung der Stärke zu unterdrücken oder zu reduzieren. Dies führt nicht nur zu einer Entlastung der Umwelt, sondern darüber hinaus auch zu einer Kostenersparnis, da die Stärke, die nicht metabolisiert wird, nun zum Festigkeitsgewinn des Fertigpapiers beitragen kann. Darüber hinaus werden negative Eigenschaften der abgebauten Stärke wie beispielsweise Korrosion, Ablagerung oder Geruchsbildung und verminderte Wirksamkeit von Additiven verhindert. Dadurch, dass die Stärke weniger metabolisiert wird, kann sie zum Erreichen der gewünschten Masse und Oberflächenstärke eingesetzt werden. Dadurch wird die Effizienz der Biomassennutzung durch innovative Nutzungskaskaden verbessert. Der so eingesparte nachwachsende Rohstoff Stärke kann als Folge für andere Einsatzmöglichkeiten genutzt werden. Darüber hinaus können durch die verstärkte Nutzung des nachwachsenden Rohstoffs Stärke synthetische Trockenfestmittel, die auf fossiler Basis erzeugt werden, substituiert und dadurch Trocknungsenergie eingespart werden. Dadurch wird ein Beitrag zur Minderung der CO2-Emissionen geleistet.
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Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, wenn es sich bei dem Wirkstoff um einen desinfizierenden Wirkstoff handelt. Dadurch wird die mikrobiologische Reinheit des Prozesswassers gewährleistet.
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Es hat sich auch als vorteilhaft erwiesen, wenn der Wirkstoff einen pH-Wert von 2,0 bis 9,5 und ein Redoxpotential von +300 bis +1200 mV aufweist. Bei diesem pH-Wert bzw. Redoxpotential weist der mittels Elektrolyse hergestellte Wirkstoff sein Wirkungsoptimum auf.
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Von besonderem Vorteil ist es dabei, wenn der Wirkstoff einen pH von 7 aufweist.
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Darüber hinaus hat es sich als besonders vorteilhaft erwiesen, wenn der Wirkstoff Anolyten, ausgewählt aus der Gruppe von NaOCl, Cl2, HOCl und OCl– umfasst. Diese Anolyten stellen einerseits die Wirksamkeit des Wirkstoffes sicher, haben aber andererseits die vorteilhafte Eigenschaft, dass sie in den eingesetzten Konzentrationen für die verarbeiteten Substanzen sowie für die Umwelt unbedenklich sind.
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Als besonders vorteilhaft hat es sich erwiesen, wenn das Prozesswasser einen Anolytgehalt von höchstens 100 bis 600 ppm aufweist. In diesem Bereich wirken die Anolyten des Wirkstoffs optimal, gleichzeitig aber wird auch durch diesen Bereich sichergestellt, dass keine negativen Eigenschaften auf das zu verarbeitende Material bzw. auf die Umwelt zu befürchten sind.
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Beispielhaft offenbart wird auch ein Verfahren zur Behandlung von Prozesswasser, beispielsweise aus der Papierherstellung, wobei dem Prozesswasser ein wässriger, gesundheitlich unbedenklicher Wirkstoff zugefügt wird, der mittels Elektrolyse herstellbar ist.
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Wird das Verfahren zur Behandlung von Prozesswasser aus der Papierherstellung eingesetzt, so wird ein wirtschaftlich vorteilhafter, umweltfreundlicher und Ressourcen schonender Prozess zur Papierherstellung erreicht.
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Offenbart wird auch beispielhaft ein Verfahren zur Herstellung von Papier und/oder Pappe und/oder Karton, welches folgende Schritte umfasst:
- a) Aufschließen eines Cellulosematerials, umfassend Stärke;
- b) Behandeln des Cellulosematerials, umfassend Stärke mit einem oder mehreren Wirkstoffen, wobei der Wirkstoff oder die mehreren Wirkstoffe mittels Elektrolyse herstellbar ist/sind.
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Ein solches Verfahren ist geeignet, die oben beschriebenen Nachteile im Stand der Technik zu überwinden.
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Das nachfolgende Ausführungsbeispiel zeigt anschaulich die Vorteile der vorliegenden Erfindung.
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In einem Kochprozess werden zerkleinerte Holzschnitzel chemisch behandelt. Durch einen elf- bis zwölfstündigen Kochprozess werden die unerwünschten Holzbestandteile abgetrennt. Das Holz wird gemäß dem im niederbayerischen Kelheim entwickelten Organozellverfahren behandelt, welches der schwefelfreien und somit umweltfreundlicheren Zellstoffgewinnung dient. In mehreren aufeinanderfolgenden Kochvorgängen werden die Holzschnitzel in einem Wasser-Methanol-Gemisch unter Zusatz von Natronlauge bei Temperaturen von bis zu 185°C unter Druck aufgeschlossen. Unter diesen Bedingungen lösen sich Lignin und Hemicellulose. Daran schließen sich verschiedene Waschstufen an, in denen der Zellstoff von der Kochflüssigkeit befreit wird. Anschließend folgen das Bleichen und Entwässern. Nach dem Kochen im Wasser-Methanol-Gemisch unter Zusatz von Natronlauge bei Temperaturen von bis zu 190°C unter Druck wird die entstandene Lösung, in der Lignin und Hemicellulose befindlich sind, aus zwei Chargen getrennt. Die erste Charge wird nicht zusätzlich behandelt, wohingegen die zweite Charge mit einen Wirkstoff, welcher mittels Elektrolyse herstellbar ist, behandelt wird. Dieser Wirkstoff wird in einer Konzentration von 100 bis 600 ppm Anolytgehalt im Prozesswasser eingesetzt. Nach vier Tagen werden beide Lösungen miteinander verglichen. Es zeigt sich, dass der Stärkegehalt der Charge, die dem mit dem Wirkstoff, der mittels Elektrolyse hergestellt wird, behandelt wurde, um 22% höher ist als der Stärkegehalt in der nicht behandelten Charge.
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Das folgende Ausführungsbeispiel offenbart ein Verfahren zur Herstellung des Wirkstoffs.
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Die Elektrolyse in einer galvanischen Zelle der Reinigungsflüssigkeit erfolgt entweder in einer Zelle, die durch eine Membran (Diaphragma) in Anoden- und Kathodenraum aufgeteilt ist oder in einer Zelle, die nicht getrennt ist, also statt Anolyt und Katholyt lediglich eine Substanz erzeugt. Durch Durchführung lediglich eines schwachen elektrischen Feldes und dadurch, dass die galvanische Zelle kontinuierlich betrieben wird, ist es möglich, dass nicht die Produktion von Natronlauge im Vordergrund steht, sondern die Bildung von Natriumhypochlorit und seinen Dissoziationsformen. Bei Durchlauf einer Natriumchloridlösung durch die Kammer bilden sich demzufolge keine oxidierenden Substanzen wie Chlorit, Chlordioxid und andere Oxidationsmittel, lediglich Natriumhypochlorit entsteht in geringen Mengen.
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Bei der Untersuchung des desinfizierenden Effekts der galvanisch behandelten Reinigungsflüssigkeit konnte gezeigt werden, dass die desinfizierende Wirkung gleichwertig oder besser ist als bei durch Elektrolyse gewonnenen Desinfektionsmitteln, oder klassischen chemischen Desinfektionsmitteln.
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Die vorliegende Erfindung bietet eine kostensenkende und umweltfreundliche Möglichkeit, den Stärkeabbau in einem Prozesswasser zu verringern und dadurch die vorhandene Stärke besser zu nutzen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- WO 2012/025228 A1 [0016]
- EP 0361736 [0017]