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Verfahren zur Verringerung der Alterungsempfindlichkeit von Stahlbändern
und -drähten Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Verringerung der Alterungsempfindlichkeit
von Stahlbändern und -drähten durch entstickendes Glühen unter einem Schutzgasgemisch
aus Stickstoff, Wasserstoff und Wasserdampf.
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Der in Eisen gelöste Stickstoff ist eine der Hauptursachen für die
Alterungsanfälligkeit von Stahl. Die Löslichkeit des Stickstoffes in a-Eisen ist
bei Raumtemperatur sehr gering, sie beträgt unter 0,001 "/,. Sie nimmt aber
mit steigender Temperatur erheblich zu, und bei 590' C können bereits bis
zu 0, 10 "/, Stickstoff in Lösung gegangen sein, sofern die Stahlschmetze
entsprechend hohe Stickstoffgehalte aufweist. Die technischen Stähle enthalten allerdings
wesentlich geringere Mengen an Stickstoff; so enthält Thomasstahl zwischen
0,06 und 0,0151>/,Stickstoff und Siemens-Martin-Stahl zwischen
0,003 und 0,0080/, Stickstoff. Die Löslichkeitstemperatur für 0,01501,
Stickstoff
liegt bei etwa 300'C und die für 0,0030/,
Stickstoff bei etwa
150'C.
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Wird ein Stahl mit einem bestimmten Stickstoffgehalt auf eine solche
Temperatur gebracht, daß sich ein Teil oder der gesamte Stickstoff im A-Gitter des
Eisens löst, so müßte der Stickstoff normalerweise bei der Abkühlung auch wieder
bis auf den sehr geringen Betrag von etwa 0,0010/, zur Ausscheidung gelangen,
der bei Raumtemperatur in Lösung bleibt. Diese Ausscheidung verläuft aber sehr träge,
selbst die in Hütten- und Walzwerksanlagen vorkommenden längsten Abkühlungszeiten
sind noch zu kurz, um schon Teilmengen des Stickstoffes wieder auszuscheiden. Erst
im Verlauf einer längeren Lagerungszeit scheidet sich der Stickstoff allmählich
als Eisennitrid aus, ein Vorgang, der zu einer Verschlechterung der mechanischen
Eigenschaften des Stahles führt und als Alterung bezeichnet wird. Es ist aus zahlreichen
Veröffentlichungen bekannt, daß der Grad der Alterung unmittelbar mit der Höhe des
Stickstoffgehaltes im Stahl zusammenhängt. Es hat deshalb auch nicht an Bemühungen
gefehlt, einen geringen Stickstoffgehalt im Stahl schon durch schmelzmetallurgische
Maßnahmen herbeizuführen. Versuche, in zunehmendem Maße statt Luft reinen Sauerstoff
für die Umwandlung des Roheisens in Stahl zu verwenden, zielen unter anderem auch
darauf ab, die Wirkung des Stickstoffes auszuschalten.
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Es ist allerdings auch möglich, den Stickstoff noch im Fertigprodukt,
sofern es nur einen ausreichend dünnen Querschnitt aufweist, abzubauen, und zwar
dadurch, daß man es in einer stark wasserstoffhaltigen Atmosphäre glüht. Begünstigt
durch die katalytische Wirkung von Wasserdampf diffundiert der Wasserstoff in den
Stahl und verbindet sich mit dem gelösten Stickstoff unter Bildung von Ammoniak.
Als Ammoniak wandert der Stickstoff aus dem Stahl heraus und verliert sich in dem
umgebenden Schutzgas, sofern dieses genügend umgewälzt und durch Zumischung frischen
Schutzgases weitgehend frei von Ammoniak gehalten wird. Diese Entstickung gelingt
allerdings nicht an Stählen, die Metalle mit hoher Affinität zu Stickstoff enthalten.
So lassen sich beispielsweise aluminiumberuhigte Stähle, die etwa 0,02 bis 0,100/,Aluminium
enthalten, auf diese Weise nicht entsticken; die Entstickung gelingt gerade noch
bei Aluminiumgehalten in Höhe von 0,010/0.
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Silizierte Stähle, selbst solche mit 20/, Si und mehr, geben hingegen
leicht ihren Stickstoff ab, wenn man sie unter Wasserstoff glüht.
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Das Glühen unter wasserstoffhaltigen Gasgemischen setzt voraus, daß
der Wasserstoff von allen Seiten an die Oberfläche des Stahles herantreten kann.
Bei Bändern und Drähten kann dies ohne weiteres bewerkstelligt werden, indem das
zu glühende Gut von dem Bund abgerollt und frei schwebend beispielsweise durch einen
Tunnelofen gezogen wird (Durchlaufglühung). Der Bund kann aber auch umgehaspelt
und so aufgewickelt werden, daß zwischen jeder Windung ein Abstand von wenigen Millimetern
bleibt, so daß beim darauffolgenden Glühen im Bund die umgewälzte Atmosphäre an
der gesamten Oberfläche des Glühgutes vorbeiströmen und mit dem zu behandelnden
Material reagieren kann (Glühung im offen gewickelten Bund).
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Die Glühung unter einer feuchten, wasserstoffhaltigen Atmosphäre hat
aber in der Regel auch eine teilweise oder vollständige Entkohlung zur Folge. Hierfür
genügen bereits geringe Feuchtigkeitsgehalte. Unter dem Einfluß der Temperatur dissoziiert
der Wasserdampf in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Der frei werdende
Sauerstoff oxydiert den
in der Oberfläche des Stahles befindlichen
Kohlenstoff zu Kohlenoxyd, das von dem Umwälzgas abgeführt wird. Es diffundiert
im Stahl weiterer Kohlenstoff in die Randzone, bis eine fast restlose Entkohlung
eingetreten ist. Diese Entkohlung kann bei der Herstellung weicher Bleche und Drähte
erwünscht sein. Sie ist aber immer dann unerwünscht, wenn eine bestimmte Mindestfestigkeit
im Stahl eingehalten werden soll, wie beispielsweise bei Verpackungsband härterer
Güten, Federband, Transportband, Förderseildraht od. dgl., deren härtendes Element
im wesentlichen gerade der Kohlenstoff ist. Eine Entstickung solcher Qualitäten
kann aber auch für die Beständigung dieser Erzeugnisse gegen eine Versprödung
während des Gebrauches von großem Vorteil sein. Man hat zwar schon vorgeschlagen,
in durch Wasserstoffglühung entstickten Bändern den Verlust des Kohlenstoffes wieder
dadurch auszugleichen, daß man eine zweite Glühung in kohlenstoffabgebenden Medien
anschließt, diese Arbeitsweise ist aber aufwendig und zeitraubend.
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'E#rfin-dungsgemäß wird nunmehr vorgeschlagen, zur Verringerung der
Alterungsempfindlichkeit von Stahlbändern und -drähten durch entstickendes Glühen
unter einem Schutzgasgemisch aus Stickstoff, Wasserstoff und Wasserdampf eine Glühtemperatur
in einem Bereich zwischen der Temperatur beginnender Entkohlung und einer etwa 100'C
darunterliegenden Temperatur einzuhalten. Zweckmäßigerweise wird bei Bändern und
Drähten aus den üblichen unlegierten Stählen eine Glühtemperatur zwischen
500 und 600'C
eingehalten.
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Auf diese Weise ist es möglich, in einem einzigen Glühprozeß den Stickstoffgehalt
in dem Stahlband bzw. -draht weitgehend zu erniedrigen, ohne den Kohlenstoffgehalt
zu beeinflussen. Der Erfolg des Verfahrens gemäß der Erfindung sei an Hand der Ergebnisse
von entsprechenden Glühversuchen verdeutlicht. Die folgenden Werte stellen Ergebnisse
nach einer 5stündigen Glühung in einem Schutzgasgemisch, bestehend aus
78 0/, Wasserstoff, 2
0/, Wasserdampf, Rest Stickstoff, dar, wobei
nur die Glühtemperaturen verändert worden sind:
Nach dem C N, |
Glühen bei |
Stahlband vor |
dem Glühen |
mit 0,110/0 C 530- C 0,110/, 0,0070/, |
und 0,01004 560-C 0,110/, 0,0020/0 |
N, i 590. C 0,110/, 0,0010/, |
Thomasgüte 620-C 0,090/, 0,0010/, |
0,9 mm dick, 650-C 0,060/, 0,0010/, |
unberuhigt 700-C 0,010/, 0,0010/, |
750cC 0,010/, 0,0010/, |
Nach dem C N, |
Glühen bei |
Stahlband vor |
dem Glühen |
mit 0,05 o/' C 530-C 0,050/, 0,003 0/0# |
und 0,004 0/, N, 560. C 0,05010 0,0010/0 |
in SM-Güte 590. C 0,050/, 0,0010/0 |
620-C 0,030/, 0,0010/, |
0,8 mm dick, 650-C 0,010/, 0,0010/0 |
unberuhigt 750-C 0,010/0 0,0010/, |
Aus den Zahlenreihen ist ersichtlich, daß die Entkohlung erst oberhalb
590'C einsetzt. Demgegenüber verläuft die Entstickung bereits bei
530'C sehr lebhaft und ist bei
590'C so gut wie abgeschlossen, da
der verbleibende Rest in Höhe von 0,0010/, Stickstoff bedeutungslos ist. Daraus
ergibt sich, daß unterhalb der Temperatur beginnender Entkohlung eine Temperaturspanne
von etwa 100'C besteht, in der mit Erfolg die gewünschte Entstickung vorgenommen
werden kann, ohne daß der Kohlenstoffgehalt des zu entstickenden Materials beeinflußt
wird.
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Bei aus dem Rahmen fallenden Stahllegierungen wird man zunächst durch
Versuchsglühungen feststellen, bei welcher Temperatur die Entkohlung einsetzt und
danach den geeigneten Glühbereich festlegen.
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Veränderungen im Wasserstoffgehalt des Schutzgases führen zu gewissen
Abweichungen, insbesondere hinsichtlich der Glühdauer. Für eine zufriedenstellende
Entstickung sind allerdings immer Gehalte von mehr als 400/" vorzugsweise mehr als
50"/, Wasserstoff im Schutzgas erforderlich.