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Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Bestimmen einer Sollspannkraft für eine Radbremse.
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Solche Verfahren werden benötigt, um z. B. in einem Antiblockiersystem oder in einer ”Brake by Wire”-Bremsanlage jeden gewünschten Radschlupf radindividuell einstellen zu können.
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Konventionelle Antiblockiersysteme arbeiten dazu nach dem Prinzip einer kombinierten Schlupf-Beschleunigungsregelung. So wird z. B. in einer hydraulischen Bremsanlage die Zuspannkraft vom Bremsdruck in den Radbremsen bestimmt, der wiederum durch die Betätigung eines Bremspedals vom Fahrer vorgegeben ist. Ist die Pedalkraft zu hoch, werden die Räder stark verzögert und drohen zu blockieren. Dies wird verhindert, indem automatisch und unabhängig von der Pedalkraft eine Druckabsenkung eingeleitet wird, bis die Radverzögerung wieder stabil ist; danach wird der Bremsdruck wieder erhöht, bis erneut ein Blockieren der Räder droht. Die Regelung des Radbremsdruckes basiert damit auf der Raddrehzahlverzögerung (das ist die zeitliche Änderung der Drehgeschwindigkeit des Rades). Der Radschlupfbereich, der dabei durchlaufen wird, ist relativ groß, so dass keine optimale Fahrzeugverzögerung erreicht wird.
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Ähnliches gilt für eine ”Brake by Wire”-Bremsanlage. Die Regelung basiert auf einem Vergleich der vom Fahrer vorgegebenen Sollverzögerung mit einer Istverzögerung, wobei ebenfalls der Radschlupf nicht exakt eingestellt werden kann.
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Aus der
DE 101 04 599 A1 ist ein Verfahren zum Angeben der auf ein Rad eines Fahrzeugs wirkenden Störmomente bekannt, welches z. B. in einem Antiblockiersystem einsetzbar ist. Das Verfahren umfasst die folgenden Schritte: a) Bereitstellen eines ersten Signals, das ein Gesamtmoment Mab angibt, das sich aus einem auf das Rad wirkenden Antriebsmoment Ma und einem auf das Rad wirkenden Bremsmoment Mb über die Beziehung Mab = Ma – Mb ergibt, und b) Beschreiben der Dynamik des Rades durch das Modell ω . = f
L(ω, Mab) + f
S(ω, Mab), wobei ω die Winkelgeschwindigkeit des Rades, f
L(ω, Mab) den linearen Anteil des auf das Rad wirkenden Moments und f
S(ω, Mab) das gesamte auf das Rad wirkende Störmoment angibt.
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In der
DE 43 12 404 A1 wird ein Fremdkraftbremssystem für Kraftfahrzeuge mit einer zentralen Druckquelle, einem Hydrauliksystem und einem am Ausgang der Druckquelle angeordneten Drucksensor beschrieben. Aus den mit dem Drucksensor ermittelten Meßwerten P
mess und dem Blenden-Leitwert D des Hydrauliksystems wird der Bremsdruck in den Radbremsen P
Rb nach der Formel P
Rb = f(D, P
mess) ermittelt.
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Ein Verfahren zur Ermittlung einer in der Aufstandsfläche eines Rades eines Fahrzeugs wirkenden Bremskraft für eine Bremskraftregelung wird in der
DE 199 54 198 A1 beschrieben. Hierbei werden eine eine Bremsung bewirkende Spannkraft einer Bremse, ein Bremsenübersetzungsfaktor, der eine Proportionalität zwischen der Spannkraft und der Bremskraft darstellt, sowie die Bremskraft in Abhängigkeit von der Spannkraft und dem Bremsenübersetzungsfaktor ermittelt.
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Aus der
DE 37 17 005 A1 ist ein Antiblockierregelsystem zur verbesserten Radbremsdruckeinstellung bekannt, bei welchem für jedes geregelte Rad ein vorgegebenes Stabilitätskriterium überwacht wird.
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Die Erfindung beruht somit auf dem Problem, ein Verfahren darzustellen, mit dem der jeweils vorgegebene optimale Radschlupf möglichst exakt eingestellt werden kann.
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Zur Lösung des Problems sieht das Verfahren gemäß der Erfindung die folgenden Schritte vor:
- (a) Bestimmung des aktuellen Radschlupfes,
- (b) Bestimmung einer Grundspannkraft bzw. eines Grundbremsdruckes, bei deren bzw. dessen Ausübung der vorhandene Radschlupf sich nicht ändern würde,
- (c) Berechnung einer Regelspannkraft bzw. eines Regelbremsdruckes aus der Abweichung des aktuellen Radschlupfes vom Sollradschlupf,
- (d) Addition der Grundspannkraft bzw. des Grundbremsdruckes und der Regelspannkraft bzw. des Regelbremsdruckes zur Sollspannkraft bzw. zum Sollbremsdruck,
- (e) Ansteuerung der Radbremse, damit diese die so ermittelte Sollspannkraft bzw. den so ermittelten Sollbremsdruck ausübt,
- (f) Wiederholung des Verfahrens, beginnend mit dem Schritt (a).
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Die der Verwendung einer Grundspannkraft bzw. eines Grundbremsdruckes zugrundeliegende Methode wird auch als exakte Linearisierung bezeichnet.
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Die bei konventionellen Antiblockiersystemen üblichen Druckaufbau-/Druckhalte- und Drucksenkungsphasen entfallen bei dem hier vorgestellten System aufgrund der hier verwendeten nichtlinearen radindividuellen Schlupfregelung.
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Die hier vorgestellte Erfindung ist anwendbar auf alle Fahrzeuge mit Spannkraft- bzw. Bremsdrucksensoren und einer entsprechenden Betätigungseinheit zur Regelung der Spannkraft bzw. des Bremsdruckes an der Radbremse. Der genaue Aufbau des Systems wird im Folgenden beschrieben. Hierbei werden die Begriffe Spannkraft und Bremsdruck synonym füreinander verwendet.
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Da die Regelspannkraft auf einem rechnerischen Ansatz mit vorgegebenen Faktoren beruht, kann es bei Hystereseeffekten hinsichtlich der einzustellenden Spannkraft zu Fehlern in der Regelung kommen. Um daher einen robusten Sollwert zu erhalten, sieht die Erfindung vor, dass dem Schritt (d) ein Zwischenschritt folgt, bei dem der in Schritt (d) ermittelten Sollspannkraft eine Korrekurspannkraft überlagert wird, die sich aus dem Vergleich der tatsächlichen Spannkraft und der Sollspannkraft gemäß Schritt (d) ergibt, wobei die derart ermittelte korrigierte Sollspannkraft zur Ansteuerung der Radbremse genutzt wird. Eine derart ermittelte Sollspannkraft ist wesentlich robuster, weil die aufgrund der Beschaffenheit von Fahrbahn und Reifen entstehenden Nichtlinearitäten durch eine geeignete Rückführung der gemessenen bzw. geschätzten Drücke bzw. Spannkräfte an den Radbremsen kompensiert werden.
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Auf diese Weise fließt die aktuelle Situation, repräsentiert durch die aktuelle Spannkraft, über eine nachgeschaltete Regelung in die Ermittlung der Sollspannkraft ein. Dies führt dazu, dass der gewünschte Sollradschlupf relativ schnell eingestellt ist und nur geringen Schwankungen unterliegt.
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Der für die Regelung als Eingangsgröße benötigte tatsächliche Radschlupf wird vorzugsweise aus der von einem Radsensor gemessenen Winkelgeschwindigkeit des Rades und aus der auf einer Abschätzung beruhenden Fahrzeuggeschwindigkeit ermittelt. Die Bestimmung der jeweiligen Raddrehgeschwindigkeit durch Sensoren ist relativ unproblematisch, da die Sensoren sehr genau arbeiten. Die Fahrzeuggeschwindigkeit kann, wenn das Fahrzeug gebremst wird, nicht direkt gemessen werden. Es haben sich daher verschiedene Methoden zur Abschätzung der Fahrzeuggeschwindigkeit etabliert, die prinzipiell auch bei dieser Regelung zum Einsatz kommen können.
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Zur Bestimmung der Grundspannkraft erfolgt eine Abschätzung der auf das Rad wirkenden Längskraft, die wiederum aus der aktuellen Zuspannkraft ermittelt wird. Dabei fließen die Konstruktionsparameter der Bremse und des Rades, wie der dynamische Radhalbmesser und der Reibkoeffizient der Radbremse ein.
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Typischerweise wird die Spannkraft durch hydraulisch oder elektromechanisch wirkende Mittel realisiert. Für diesen Fall wird die Spannkraft durch den in dem hydraulischen Mittel wirkenden hydraulischen Bremsdruck dargestellt.
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Im Folgenden soll anhand eines Ausführungsbeispiels die Erfindung näher erläutert werden. Dazu zeigt die einzige Figur ein Blockschaltbild der einzelnen Verfahrensschritte.
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In der Schlupfberechnungseinheit (1) wird der Radschlupf der einzelnen Räder berechnet. Dazu wird zunächst aus der jeweiligen Raddrehzahl ωRAD die aktuelle Radumfangsgeschwindigkeit VRad berechnet: VRad = ωRAD·rdyn (rdyn = dynamische Radhalbmesser)
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Aus einer weiter oben liegenden Identifikationsebene bereitgestellten geschätzten Fahrzeuggeschwindigkeit VFZG in Längsrichtung des Rades wird der Radschlupf λRad für jedes Rad ermittelt: λRad = (VFZG – VRad)/VFZG (1)
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Weicht der derart bestimmte aktuelle Radschlupf von dem Sollraddrehschlupf λSoll ab, muss eine Anpassung der Zuspannkraft, also des auf das Rad wirkenden Bremsmomentes MB erfolgen. Dazu könnte ein Fahrzeug- und Reifenmodell zugrunde gelegt werden, das es ermöglicht, die Sollzuspannkraft unmittelbar zu berechnen, ein solches Modell kann aber nicht alle durch den Straßenbelag und die Reifen auftretenden Nichtlinearitäten berücksichtigen.
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Um diese Nichtlinearitäten zu kompensieren und hierdurch eine genaue Schlupfregelung zu ermöglichen, wird eine nichtlineare Regelung durchgeführt, das heißt eine neue Zuspannkraft eingeregelt. Damit die Regelung rasch zu einem neuen Sollradschlupf führt, wird eine sogenannte exakte Linearisierung durchgeführt, die wie folgt realisiert ist.
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Dazu wird die Gleichung (1) nach der Zeit abgeleitet. Man erhält, ohne Berücksichtigung von Störgrößen: λRad' = (1 – λRad)·(VFZG'/VFZG)
– (rdyn/(J·VFZG))·(rdyn·Fx – MB) (2) wobei J das Trägheitsmoment des Rades und Fx die auf das Rad wirkende Längskraft ist. MB stellt das durch die Radbremse hervorgerufene Bremsmoment dar.
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Außerdem gilt, ebenfalls ohne Berücksichtigung von Störgrößen: J ω' = rdyn·Fx – MB (3)
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Diese Gleichungen ermöglichen es, das Bremsmoment zu bestimmen, bei dessen Anwendung sich der Radschlupf nicht ändern würde. Dazu wird die zeitliche Änderung des Radschlupfes λRad' zu 0 gesetzt.
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Aus Gleichung (3) wird zunächst die aktuelle Längskraft Fx ermittelt. Dazu benötigt man zunächst die Winkelbeschleunigung des Rades: Diese erhält man durch Ableitung der Winkelgeschwindigkeit des Rades, die in Block (2) durchgeführt wird.
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Block (3) berechnet daraus mittels der aktuellen Spannkraft bzw. des aktuellen Drucks PRadzylinder der Radbremszylinder die Längskraft Fx am Rad. Daraus kann zu jedem Abtastzeitpunkt derjenige Druck bzw. diejenige Spannkraft am Radbremszylinder errechnet werden, die erforderlich wäre, um das Rad im aktuell herrschenden Schlupf halten zu können. Diese Berechnungen werden in Block (4) durchgeführt: Dazu wird aus dem aktuellen Radschlupf des Rades die zuvor berechnete aktuelle Längskraft Fx des Rades benötigt. Des Weiteren ist die Verzögerung des Fahrzeuges von Belang. Diese wird berechnet aus der Ableitung der Fahrzeuggeschwindigkeit durch Block (2a). Darüber hinaus werden einige Annahmen bzgl. des Fahrzeuges getroffen, wie etwa der dynamische Reifenhalbmesser rdyn, der Reibwertkoeffizient zwischen Bremsscheibe und Bremsbacken, Reibung etc.
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Als Ausgang von Block (4) liegt nun derjenige Bremsdruck (Spannkraft) an, der für ein Halten des Rades im aktuellen Schlupf erforderlich wäre. Dies ist die Grundspannkraft.
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In Block (5) wird nun die Abweichung vom gewünschten Schlupf λSoll berechnet. Ausgehend von der Differenz zwischen dem Sollradschlupf und dem Istradschlupf wird nun eine Regelspannkraft ermittelt: Dazu wird die Differenz zwischen dem Sollradschlupf und dem Istradschlupf zu der Differenz der jeweiligen Ableitungen jeweils mit einem Gewichtungsfaktor bewertet addiert. Diese nichtlineare Regelung passt sich automatisch – adaptiv – den Straßenverhältnissen und der Geschwindigkeit an. Bei einer hydraulischen Bremsanlage wird im konkreten der Regeldruck pRegler berechnet, der zu dem Grundbremsdruck plinear aus Block (4) addiert werden muss, um den Sollbremsdruck pSoll zu erhalten.
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Um den Regler robust zu machen, ist es zwingend erforderlich, einen weiteren Block zu ergänzen, der als Eingangsgrößen den gewünschten sowie den aktuellen Druck pRadzylinder bzw. Spannkraft hat. Die Realisierung ist durch Blocks (6) symbolisiert. Dabei wird grundlegend auf einen Zweipunktschalter zurückgegriffen, durch den schwache sowie starke Störungen kompensiert werden können, die durch Straßenunebenheiten, Änderungen der Straßenverhältnisse etc. sowie durch den Druckregler bzw. Spannkraftregler verursacht werden.