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1. Gebiet der Erfindung
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Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum Umformen von Schmiedeteilen, insbesondere nicht rotationssymmetrischer Schmiedeteile, mittels Halb- oder Warmumformung sowie eine Presse mit einer derartigen Vorrichtung. Pressen dieser Art werden üblicherweise als Mehrstufenpressen beim Gratlos-Schmiedeverfahren eingesetzt.
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2. Stand der Technik
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Gesenkschmiedepressen zum gratlosen Schmieden insbesondere von nicht rotationssymmetrischen Schmiedeteilen werden vor allem für die Automobilindustrie immer häufiger verwendet, da durch die nicht rotationssymmetrische Gestaltung das Gewicht der Komponenten verringert werden kann. Beim vorzugsweise gratlosen Gesenkschmieden von nicht rotationssymmetrischen Schmiedeteilen wird normalerweise die obere Gesenkhälfte auf die untere Gesenkhälfte platziert und somit das Gesenk geschlossen. Die Formgebung erfolgt mit wenigstens einem weiteren Pressstempel, dem so genannten Verdrängerstempel. Der Verdrängerstempel ist normalerweise starr fixiert, so dass zur Formgebung die beiden Gesenkhälften in Relation zum Verdrängerstempel verfahren werden. Dies erfolgt, indem der Stößel, an dem die obere Gesenkhälfte üblicherweise fixiert ist, auf die untere Gesenkhälfte drückt und beide Gesenkhälften nach unten und somit relativ zum Verdrängerstempel verfahren.
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Eine derartige Vorrichtung ist beispielsweise aus der
DE 10047467 B4 bekannt, bei der das Gesenkschmieden zwischen einer oberen und einer unteren Matrize, die von einem Werkzeugoberteil und einem Werkzeugunterteil getragen werden, erfolgt. Eine erste Schließvorrichtung und eine zweite Schließvorrichtung, die zwischen den Werkzeugteilen oder am unteren Werkzeugteil angeordnet sind, ermöglichen die zuverlässige Füllung der Form für den Schmiedeprozess. Die Schließkraft wird mittels zweier Schließvorrichtungen, die unterschiedliche Schließkräfte aufweisen, an den benötigten Presskraftverlauf, der für eine komplette Füllung des Werkzeugs notwendig ist, anpasst.
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Ferner zeigt die
DE 199 62 607 A1 eine Presse zum Massivumformen, bei welcher sowohl in einem Werkzeugoberteil als auch in einem Werkzeugunterteil eines in die Presse eingelegten Werkzeugs jeweils eine Schließvorrichtung angeordnet ist. Das Werkzeugoberteil ist dabei an einer Aufspannfläche des Stößels der Presse festgelegt, während das Werkzeugunterteil entsprechend an einer Aufspannfläche des Tischs der Presse festgelegt ist.
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Nachteilig an den aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen ist jedoch ein ausgesprochen aufwendiger und teurer Werkzeugaufbau, der eine Vielzahl von Einzelteilen im Werkzeugraum, demjenigen Raum, der im Verfahrweg des Werkzeugoberteils relativ zum Werkzeugunterteil zwischen einer Ausgangsposition und einer Schließposition vorliegt, belässt. Der benötigte Bauraum der aus dem Stand der Technik bekannten Einrichtungen lässt demnach keinen automatisierten Schmiedeteiltransfer zu und behindert auch den Einsatz üblicher Manipulatoren zum Sprühaufbringen von Kühl- und/oder Schmiermedien.
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Dies führt zur Notwendigkeit, beim Betrieb derartiger Umformvorrichtungen neue und aufwendige Peripherievorrichtungen zu konstruieren. Auch können bei unvorhergesehenen Fehlfunktionen aufgrund der Nähe der Komponenten der Schließvorrichtung zu den Werkzeugen Funktionsteile der Vorrichtung zerstört werden, wodurch die Anlage über einen längeren Zeitraum stillgesetzt werden muss.
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Nachteilig ist weiterhin, dass die aus dem Stand der Technik vorbekannten Lösungen nur vergleichsweise geringe Schließkräfte aufzubringen in der Lage sind und dass ein nicht unwesentlicher Wärmeeintrag aus dem Schmiedeprozess in Komponenten der Schließvorrichtung, insbesondere Ringkolben, Zylinder, Dichtungen oder Kolbenspeicher erfolgt. Hieraus resultiert ein schnellerer Verschleiß der Dichtungen, verbunden mit nicht gewünschten Leckagen. Schließlich ist aufgrund der aus dem Stand der Technik bekannten Anordnungen auch ein Werkzeugschnellwechsel verhindert.
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3. Aufgabe der Erfindung
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Es war daher eine Aufgabe der Erfindung, eine Vorrichtung sowie eine Presse zum Umformen von Schmiedeteilen zur Verfügung zu stellen, die die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile zu überwinden in der Lage sind. Diese Aufgabe wird im erfindungsgemäßen Sinne mit einer Vorrichtung, umfassend die Merkmale des Anspruchs 1, sowie mit einer Presse, umfassend die Merkmale des Anspruchs 7, gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen dargelegt.
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4. Zusammenfassung der Erfindung
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Gemäß der Erfindung sind die erste und die zweite Schließvorrichtung nicht nur außerhalb des Verfahrwegs von Werkzeugoberteil und Werkzeugunterteil sondern auch unterhalb des Werkzeugunterteils angeordnet. Hierdurch wird der Umformmechanismus vom Schließmechanismus der Vorrichtung einerseits weitestgehend entkoppelt, so dass die Gefahr der Kollision der Schließvorrichtungen mit Manipulatoren oder Einlegewerkzeugen oder dergleichen verhindert werden kann. Andererseits sind die erste und die zweite Schließvorrichtung unterhalb des Werkzeugunterteils angeordnet. Hierdurch wird die Entkopplung von Werkzeugen und Schließvorrichtungen mit besonders einfachen Mitteln bewirkt.
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Insgesamt wird der zur Verfügung stehende Raum sowohl für die Schließvorrichtung als auch für die Werkzeuge vergrößert.
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Die für das Querfließpressen geschlossenen Gesenke erzeugen mit Hilfe der Schließvorrichtungen außerhalb des Verfahrwegs von Werkzeugoberteil und Werkzeugunterteil zueinander die erforderlichen Schließkräfte, wodurch ein einfacher und robuster Werkzeugaufbau erhalten wird. Die für die üblicherweise eingesetzten Standardeinrichtungen wie etwa Transfereinrichtungen und Sprühmanipulatoren erforderlichen Bewegungsräume werden durch die Erfindung nicht eingeschränkt. Insbesondere erfolgt eine Trennung von Werkzeug und Krafterzeugungseinrichtungen, über die eine werkseitige Schließbewegung von Werkzeugoberteil und Werkzeugunterteil beispielsweise mit einfachen Zylindern bzw. Kolben für die Werkzeuge aufgebracht wird.
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Die erste und die zweite Schließvorrichtung wirken vorzugsweise in Reihe zueinander geschaltet und somit nacheinander und aufeinander folgend. Die erste und zweite Schließvorrichtung stellen hierfür vorzugsweise unterschiedliche Schließkräfte zur Verfügung, die eine Anpassung der Schließkraft der Umformvorrichtung auf den benötigten Presskraftverlauf für eine vollständige Formfüllung des Werkzeugs ermöglichen.
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Vorzugsweise sind beide Schließvorrichtungen mit jeweiligen Druckräumen, in denen ein komprimierbares Medium unter Druck gespeichert wird, verbunden, um die für das Schließen der Werkzeuge erforderliche Kraft aufzubringen. Bei unterschiedlicher Ausführung der Druckräume können von den jeweiligen Schließvorrichtungen auch unterschiedliche Umformkräfte, vorzugsweise von bis zu 4.000 kN, aufgebracht werden.
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Insbesondere wird bevorzugt, wenn die erste Schließvorrichtung einen größeren Schließweg erlaubt als die zweite Schließvorrichtung, und wenn die erste Schließvorrichtung eine geringere Schließkraft auf die Werkzeuge aufbringt als die zweite Schließvorrichtung. Besonders bevorzugt wird in diesem Zusammenhang, wenn die zweite Schließvorrichtung erst dann zugeschaltet wird, wenn der Schließweg der ersten Schließvorrichtung beendet ist. Überaus bevorzugt wird in diesem Zusammenhang, wenn die Zuschaltung der zweiten Schließvorrichtung nach Auflaufen der ersten Schließvorrichtung auf einen mechanischen Anschlag erfolgt.
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Vorzugsweise wirken die erste und die zweite Schließvorrichtung über wenigstens eine Druckstange mit dem Werkzeugunterteil zusammen, so dass eine Verbindung des Werkzeugunterteils mit den Schließvorrichtungen gegeben ist. Überaus bevorzugt wird eine Ausgestaltungsform, bei der vier Druckstangen mit dem Werkzeugunterteil verbunden sind.
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Gemäß einer weiteren besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung ist die wenigstens eine Druckstange zweiteilig oder dreiteilig ausgeführt, so dass beim Ausbau des Werkzeugunterteils nicht der gesamte Kraftübertragungsmechanismus und die gesamte Länge der Druckstange oder Druckstangen entfernt werden muss. Besonders bevorzugt wird, wenn die Teilung der Druckstange oder Druckstangen so ausgeführt ist, dass die untere Matrize vom Werkzeugunterteil in der offenen Ausgangsposition der Vorrichtung entnehmbar ist, so dass ein Verfahren von Werkzeugunterteil zu Werkzeugoberteil über das Maß der Ausgangsposition der Umformvorrichtung hinweg für den Werkzeugwechsel nicht erforderlich ist. Sofern die Druckstange zweiteilig ausgeführt ist, kann eine Entnahme des Werkzeugunterteils von dem dieses abstützenden Tisch erfolgen. Sofern die Druckstange aber dreiteilig ausgeführt ist, kann sowohl die Entnahme des Werkzeugunterteils als auch die Entnahme des Werkzeugtopfs inklusive unterer Matrize allein, schließlich auch die Entnahme nur der unteren Matrize, erfolgen.
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Insgesamt erlaubt die erfindungsgemäße Umformvorrichtung die variable Ausführung mehrerer Umformstufen mit Unterschieden bezüglich der für die Schließkraft und des Verfahrwegs der Werkzeuge zueinander. Da die erfindungsgemäße Vorrichtung je nach Bedarf sowohl mit der ersten Schließvorrichtung und/oder der zweiten Schließvorrichtung alleine oder aber in einer wesentlichen beliebigen Kombination mit erster und zweiter Schließvorrichtung betrieben werden kann, wird die Möglichkeit der Einstellung verschiedener Schließkraft-Kennlinien sowie der Reduzierung der beschleunigten Massen eröffnet. Insbesondere ermöglicht die erfindungsgemäße Ausführung der Umformvorrichtung das Vermeiden einer stoßartigen Belastung für das krafterzeugende Element.
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Schließlich ist festzustellen, dass die erfindungsgemäße Vorrichtung ohne nennenswerte Mehrkosten für das Werkzeugsystem insgesamt je nach Bedarf sowohl für das klassische Gratlosschmieden als auch das Querfließpressen in geschlossenen Gesenken zu- oder abgeschaltet werden kann. Die laufenden Werkzeugkosten für das Querfließpressen in geschlossenen Gesenken sind somit nahezu gleich den Werkzeugkosten beim klassischen gratlosen Schmieden.
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Zudem erlaubt die Erfindung die weitere Verwendung der in bisherigen Pressen, insbesondere Mehrstufenpressen, bereits eingesetzten Standardkomponenten wie etwa Transfereinrichtungen, Sprühtechnik-Einrichtungen, Werkzeughalter oder Werkzeugwechselsysteme.
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Gemäß einem weiteren Aspekt der Erfindung wird eine Presse zur Verfügung gestellt, umfassend wenigstens eine Vorrichtung gemäß dem ersten Aspekt der Erfindung.
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Besonders bevorzugt wird, wenn diese Presse eine Mehrstufenpresse ist.
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Ebenso wird bevorzugt, wenn die Presse gemäß dem zweiten Aspekt der Erfindung ebenso wie die Umformvorrichtung gemäß dem ersten Aspekt der Erfindung dazu geeignet ist, sowohl ein Gratlos-Schmiedeverfahren als auch ein Querfließpress-Verfahren auszuführen.
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5. Kurze Beschreibung der Figuren
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Die Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf zwei Figuren, die eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung darstellen, erläutert. Die Figuren zeigen in
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1 eine Querschnittsansicht durch eine erfindungsgemäße Vorrichtung in einem offenen Zustand, und
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2 eine Querschnittsansicht der erfindungsgemäßen Vorrichtung aus 1 in einem geschlossenen Zustand.
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6. Detaillierte Beschreibung der Figuren
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1 zeigt einen Querschnitt durch eine erfindungsgemäße Vorrichtung 1 in einer bevorzugten Ausführungsform, in der ein Werkzeugoberteil 2 relativ zu einem Werkzeugunterteil 4 beweglich ist. Sowohl das Werkzeugoberteil 2 als auch das Werkzeugunterteil 4 tragen Druckplatten 12a, 12b, über die die jeweiligen Matrizen 3, 5 an dem Werkzeugoberteil 2 und dem Werkzeugunterteil 4 abgestützt sind. Tatsächlich liegt auf der unteren Druckplatte 12b ein so genannter Werkzeugtopf 9 auf, der auch die untere Matrize 5 umfasst. Das Werkzeugunterteil 4 wiederum liegt auf einem Tisch 11 auf. Die Bewegung der unteren Matrize 5 erfolgt erst nach Schließen des Gesenks aus oberer Matrize 3 und unterer Matrize 5. 1 stellt somit die Ausgangsposition am oberen Totpunkt OT für die erfindungsgemäße Vorrichtung 1 dar, mit maximalem Verfahrweg zwischen Werkzeugoberteil 2 und Werkzeugunterteil 4. Die Druckstangen 8 sind in der dargestellten Ausführungsform dreigeteilt ausgeführt, wobei die untere Teillänge a an der Oberkante des Tischs 11 in die mittlere Teillänge b übergeht. Der Übergang der mittleren Teillänge b in die obere Teillänge c liegt am Übergang vor der unteren Druckplatte 12b zum Werkzeugtopf 9.
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2 zeigt die erfindungsgemäße Vorrichtung 1 aus 1 in ihrer Schließposition am unteren Totpunkt UT, bei der die obere Matrize 3 und die untere Matrize 5 aufeinander zugefahren sind und ein Gesenk zum gratlosen Schmieden eines Bauteils bilden. Das Werkzeugunterteil 4 mit der unteren Matrize 5 wird mittels zweier Schließvorrichtungen 6, 7, welche wiederum mit Druckspeichern 13, 14 verbunden sind, über vier Druckstangen 8, zwischen denen ein Verdrängerstempel 15 angeordnet ist, gehalten. Die Schließvorrichtungen 6, 7 sind so in Reihe gestaltet, dass ein kleiner Druckraum der ersten Schließvorrichtung 6 oberhalb eines größeren Druckraums der zweiten Schließvorrichtung 7 angeordnet ist. Hierdurch wird ein kontrollierter Presskraftverlauf innerhalb des Gesenks zwischen der oberen Matrize 3 und der unteren Matrize 5 durch eine geregelte und kontrollierte Gegenkraft der Schließvorrichtungen 6, 7 gegen die nach unten gerichtete Kraft des Werkzeugoberteils 2 auf das Gesenk hin erreicht.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Vorrichtung
- 2
- Werkzeugoberteil
- 3
- obere Matrize
- 4
- Werkzeugunterteil
- 5
- untere Matrize
- 6
- erste Schließvorrichtung
- 7
- zweite Schließvorrichtung
- 8
- Druckstange
- 9
- Werkzeugtopf
- 11
- Tisch
- 12a, 12b
- Druckplatten
- 13, 14
- Druckspeicher
- 15
- Verdrängerstempel
- a
- untere Teillänge
- b
- mittlere Teillänge
- c
- obere Teillänge
- A, B
- Druckraum