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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Steuerung eines hydraulischen Fahrzeuglenksystems nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 sowie ein hydraulisches Fahrzeuglenksystem.
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Es sind passive Fahrzeuglenksysteme bekannt, die eine Hilfskraft bereitstellen, welche vom Fahrer des Fahrzeugs aufgebrachte Lenkkräfte verstärkt. Beispielsweise sind dies hydraulische Fahrzeuglenksysteme mit einem mechanisch an ein Lenkrad gekoppelten Servoventil, einer Pumpe und einem Hydraulikzylinder mit zwei Arbeitskammern. Vom Fahrer des Fahrzeugs wird ein Lenkmoment auf das Lenkrad aufgebracht und auf das Servoventil übertragen. Das Servoventil steuert dann den Fluidfluss von der Pumpe zu den Arbeitskammern des Hydraulikzylinders in Abhängigkeit von diesem Lenkmoment.
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Darüber hinaus sind aktive Fahrzeuglenksysteme bekannt, bei denen das Fahrzeuglenksystem unabhängig von einer Lenkradbetätigung durch den Fahrer Lenkkräfte aufbringen kann. Dies sind beispielsweise Steer-by-Wire-Lenksysteme oder hydraulische Lenksysteme, in denen das mechanisch vom Fahrer aufgebrachte Lenkmoment am Servoventil mit einem aktiven Lenkmoment überlagert wird. Solche Lenksysteme sind aufwändig gebaut und benötigen eine komplexe Steuerung.
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Die gattungsbildende
DE 10 2006 017 776 A1 und die
DE 10 2005 011 526 A1 offenbaren eine hydraulische Servolenkung mit einer Pumpe, einem Hydraulikzylinder und einem Servoventil mit geschlossener Mitte. Über Bypassleitungen kann ein Fluidstrom am Servoventil vorbei geleitet werden, um ein zusätzliches Lenkmoment zu erzeugen, das das vom Servoventil erzeugte Lenkmoment verstärkt. Die Bypassleitungen werden durch Ventile geöffnet oder verschlossen.
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Die
DE 10 2004 018 919 A1 zeigt eine hydraulische Servolenkung mit einem Hydraulikzylinder und einem Servoventil mit offener Mitte. In einer Ausführungsform sind Bypassleitungen vorgesehen, die das Servoventil überbrücken. Je eine Bypassleitung und je ein Ausgang des Servoventils sind mittels eines 3/2-WegeVentils mit einer Kammer des Hydraulikzylinders verbunden.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein passives hydraulisches Fahrzeuglenksystem mit minimalen Aufwand so zu verändern, dass es Funktionen eines aktiven Fahrzeuglenksystems bereitstellt und möglichst einfach ansteuerbar ist.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen von Anspruch 1 und durch ein Fahrzeuglenksystem mit den Merkmalen von Anspruch 10 gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen definiert.
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Ein erfindungsgemäßes Verfahren dient zur Steuerung eines hydraulischen Fahrzeuglenksystems und umfasst ein Lenkrad, ein mit dem Lenkrad gekoppeltes Servoventil, eine Pumpe und einen Hydraulikzylinder. Zur Bereitstellung einer hydraulischen Lenkkraft wird der Hydraulikzylinder mittels der Pumpe mit einem Fluid beaufschlagt. Das Fahrzeuglenksystem kann in einem Passivmodus oder alternativ in einem Aktivmodus betrieben bzw. betätigt werden. In dem Passivmodus wird das Fahrzeuglenksystem manuell über eine Verdrehung des Lenkrads betätigt, wobei das Servoventil in Abhängigkeit von der Verdrehung des Lenkrads einen Fluidfluss zum Hydraulikzylinder so steuert, dass der Hydraulikzylinder die gewünschte hydraulische Lenkkraft bereitstellt. In dem Aktivmodus wird das Fahrzeuglenksystem von einer Steuereinheit betätigt, die den Fluidfluss zum Hydraulikzylinder so steuert, dass das Servoventil hydraulisch überbrückt wird und die gewünschte Lenkkraft unabhängig von einer manuellen Betätigung des Lenkrads bereitgestellt werden kann. Hierzu wird das Servoventil im Aktivmodus von der Pumpe getrennt. Dies bedeutet, dass ein Fluidfluss von der Pumpe zum Servoventil gesperrt ist. Stattdessen erfolgt der Fluidfluss von der Pumpe in Richtung des Hydraulikzylinders über einen hydraulischen Servoventil-Bypass. Auf diese Weise ist der Fluidfluss zum Hydraulikzylinder von Lenkmomenten, die vom Fahrer des Fahrzeugs aufgebracht werden, unabhängig. Unter hydraulischen Lenksystemen sind hierbei auch elektrohydraulische Lenksysteme zu verstehen.
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Vorzugsweise wird das hydraulische Fahrzeuglenksystem entweder im Passiv- oder im Aktivmodus gesteuert. Somit vereinfacht sich die Steuerung des Lenksystems im jeweiligen Modus, da für die Steuerung des Lenksystems keine Überlagerung von vom Fahrer aufgebrachten Lenkmomenten und aktiven Lenkmomenten des Lenksystems vorgesehen ist. Dementsprechend ist im Passivmodus keine Bereitstellung einer aktiven Zusatzlenkkraft vorgesehen, die zusätzlich zu der herkömmlichen hydraulischen Lenkunterstützung erzeugt wird. Anders ausgedrückt, erfolgt die die Steuerung des Fahrzeuglenksystems im Passivmodus auf einfache und bekannte Weise.
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Der Aktivmodus kann beispielsweise vom Fahrer des Fahrzeugs gestartet werden, wobei ein vom Fahrer unbemerkter bzw. ungewollter Wechsel vom Passivmodus in den Aktivmodus nicht möglich ist. Das Beenden des Aktivmodus und Starten des Passivmodus kann ebenfalls manuell durch den Fahrer erfolgen. Alternativ ist jedoch auch ein automatischer Wechsel in den Passivmodus möglich.
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In vorteilhafter Weiterbildung der Erfindung kann zumindest ein lenkungsrelevanter Parameter bestimmt werden, wobei die Steuereinheit das Fahrzeuglenksystem im Aktivmodus abhängig von diesem Parametern betätigt. Neben einem gewünschten Systemverhalten im Passivmodus ermöglicht die Berücksichtigung dieses lenkungsrelevanten Parameters insbesondere die Steuerung des Fahrzeuglenksystems für die gewünschten Lenkmanöver im Aktivmodus. Optional können auch eine Mehrzahl von lenkungsrelevanten Parametern bestimmt werden.
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Es ist vorteilhaft, dass ein Wechsel zwischen Passivmodus und Aktivmodus nur dann durchgeführt wird, wenn der zumindest eine lenkungsrelevante Parameter eine vorgegebene Bedingung erfüllen. Hierdurch lässt sich ein ungewollter Moduswechsel zwischen Passiv- und Aktivmodus in einer ungünstigen Fahrsituation des Fahrzeugs verhindern.
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Vorzugsweise werden Sollwerte für den bzw. die lenkungsrelevanten Parameter bestimmt. Auf diese Weise wird eine einfache Regelung des Lenksystems über den Vergleich der lenkungsrelevanten Parameter mit einem jeweiligen Sollwert möglich.
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Gemäß der bevorzugten Verfahrensvariante umfasst der Aktivmodus eine automatische Parkfunktion, wobei das Verfahren zum automatischen Einparken folgende Verfahrensschritte aufweist:
- In einem Verfahrensschritt a) wird der Aktivmodus gestartet und das Servoventil überbrückt. In einem nächsten Verfahrensschritt b) wird ein Lenkmanöver ausgeführt, indem die Steuereinheit mittels der Pumpe den Hydraulikzylinder betätigt bzw. mit Fluid beaufschlagt, bis der lenkungsrelevante Parameter mit seinem Sollwert übereinstimmt. Im folgenden Verfahrensschritt c) wird der vorhergehende Verfahrensschritt b) für jedes Lenkmanöver ausgeführt, bis die Parkposition des Fahrzeugs erreicht ist. Dann wird in Verfahrensschritt d) der Aktivmodus beendet und der Passivmodus gestartet. Auf diese Weise wird ein automatisches Einparken mit einem hydraulischen Lenksystem ermöglicht.
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Ein lenkungsrelevanter Parameter kann eine Lenkwinkelgeschwindigkeit sein, welche in Verfahrensschritt b) zuerst auf Null gesetzt und dann erhöht wird, bis sie ihrem Sollwert entspricht. So kann die Betätigung des Hydraulikzylinders auf einfache Weise gesteuert werden.
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Nachteilige Druckspitzen in den Hydraulikleitungen können vermieden werden, indem vor bzw. bei dem Starten des Aktivmodus die Drehzahl der Pumpe im Wesentlichen auf Null gesetzt wird. Dies bedeutet, dass die Pumpe entweder vollständig gestoppt wird oder eine Drehzahl der Pumpe ausreichend vermindert wird. Somit wird verhindert, dass die Pumpe in eine abgesperrte Leitung, mittels der das Servoventil überbrückt wird, hineinfördert.
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Ein erfindungsgemäßes Fahrzeuglenksystem umfasst eine Steuereinheit, die dazu eingerichtet ist, das erfindungsgemäße Verfahren auszuführen, einen ersten Hydraulikkreis, der eine Pumpe, ein Reservoir, ein mit einem Lenkrad gekoppeltes Servoventil, ein Sperrventil und einen Hydraulikzylinder mit zwei Arbeitskammern aufweist, sowie einen zweiten Hydraulikkreis, der die Pumpe, das Reservoir, den Hydraulikzylinder und einen hydraulischen Servoventil-Bypass umfasst. Der Servoventil-Bypass ist zwischen der Pumpe und dem Hydraulikzylinder vorgesehen und dient dazu, das Servoventil bei Bedarf zu überbrücken. Das Sperrventil des ersten Hydraulikkreises ist in einer Zulaufleitung des Servoventils vorgesehen und gibt in seiner ersten Ventilstellung einen Fluidfluss durch den ersten Hydraulikkreis frei und sperrt in seiner zweiten Ventilstellung den Fluidfluss durch den ersten Hydraulikkreis. Auf diese Weise kann insbesondere ein bestehendes, passives Lenksystem mit einem ersten Hydraulikkreis durch den Servoventil-Bypass und das Sperrventil nachgerüstet werden. Für ein solches Nachrüsten sind nur wenige zusätzliche Funktionselemente notwendig, wie z.B. Hydraulikleitungen, Schaltventile und ggf. T-Anschlussstücke. Hierbei ist insbesondere für das Motor-Pumpen-Aggregat, das aus der Pumpe und einem damit gekoppelten Elektromotor gebildet ist, und für weitere mechanische Elemente wie z.B. die Zahn- und/oder Lenkstange keine gesonderte Anpassung bzw. Veränderung erforderlich, was ein preiswertes Nachrüsten unterstützt.
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In vorteilhafter Weiterbildung der Erfindung kann das Sperrventil des ersten Hydraulikkreises als Wegeventil zwischen Pumpe und Servoventil ausgeführt sein. Somit ist es in einfacher Weise möglich, im Aktivmodus einen Fluidfluss von der Pumpe zum Servoventil zu sperren und damit das Servoventil von der Pumpe zu trennen.
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In vorteilhafter Weiterbildung der Erfindung kann der zweite Hydraulikkreis eine erste und eine zweite Bypassleitung aufweisen. Diese Bypassleitungen führen jeweils zu den beiden Arbeitskammern des Hydraulikzylinders. Hierdurch ist es möglich, im Aktivmodus eine direkte Fluidverbindung zwischen der Pumpe und dem Hydraulikzylinder unter Überbrückung des Servoventils zu bilden. In den Bypassleitungen des zweiten Hydraulikkreises können Wegeventile vorgesehen sein, die ein wahlweises Sperren des zweiten Hydraulikkreises, nämlich im Passivmodus ermöglichen.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform sind das Sperrventil und die Wegeventile zu einem Ventilblock zusammengefasst. Auf diese Weise wird die Montage aufgrund der Reduktion der Einzelteile vereinfacht.
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Das Sperrventil und die Wegeventile können auch zu einem 4/3-Wegeventil zusammengefasst sein, wodurch die Anzahl der Ventile reduziert und somit deren Ansteuerung vereinfacht wird.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform umfasst der Hydraulikzylinder zwei Arbeitskammern, wobei ein Wegeventil zwischen dem Servoventil und einer ersten Arbeitskammer und ein weiteres Wegeventil zwischen dem Servoventil und einer zweiten Arbeitskammer vorgesehen ist. Dadurch ist es möglich, das Servoventil von der ersten bzw. zweiten Arbeitskammer des Hydraulikzylinders zu trennen.
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Vorzugsweise ist eine Ventilsteuervorrichtung zum Ansteuern des Sperrventils und der Wegeventile vorgesehen. Somit kann sowohl die Auswahl des Steuerungsmodus als auch die aktive Betätigung des Fahrzeuglenksystems gesteuert werden.
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Die Ventilsteuervorrichtung kann gemeinsam mit einer Pumpensteuervorrichtung die Steuereinheit bilden. Insbesondere sind die Ventilsteuervorrichtung und die Pumpensteuervorrichtung zu einem Bauteil zusammengefasst, wodurch die Steuereinheit besonders kompakt ausgeführt ist.
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Alternativ kann die Ventilsteuervorrichtung ein separates Bauteil sein, was für die Nachrüstung eines passiven hydraulischen Fahrzeuglenksystems besonders vorteilhaft ist.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform umfasst der Hydraulikzylinder zwei Arbeitskammern, wobei die erste Arbeitskammer über eine erste Servoventil-Leitung des ersten Hydraulikkreises mit dem Servoventil und über eine erste Bypass-Leitung des zweiten Hydraulikkreises mit der Pumpe verbunden ist. Die zweite Arbeitskammer ist über eine zweite Servoventil-Leitung des ersten Hydraulikkreises mit dem Servoventil und über eine zweite Bypass-Leitung des zweiten Hydraulikkreises mit der Pumpe verbunden. In den Servoventil-Leitungen und den Bypass-Leitungen ist jeweils ein Wegeventil vorgesehen, welches in einer ersten Stellung den Fluidfluss durch die Leitung freigibt und in einer zweiten Stellung den Fluidfluss durch die Leitung sperrt. Insgesamt können dadurch für das Sperrventil und die Wegeventile drei Ventilstellungskombinationen vorgegeben bzw. definiert werden. Das Sperrventil und die Wegeventile können auf diese Weise auch zusammengefasst werden.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand der beigefügten Zeichnungen beschrieben:
- - 1 zeigt eine schematische Ansicht eines elektrohydraulischen Fahrzeuglenksystems nach dem Stand der Technik;
- - 2 zeigt eine erste Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Fahrzeuglenksystems im Passivmodus;
- - 3 zeigt die erste Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Fahrzeuglenksystems im Aktivmodus bei einem Lenkeinschlag nach links;
- - 4 zeigt die erste Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Fahrzeuglenksystems im Aktivmodus bei einem Lenkeinschlag nach rechts;
- - 5 zeigt eine zweite Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Fahrzeuglenksystems mit drei Wegeventilen;
- - 6 zeigt eine dritte Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Fahrzeuglenksystems mit drei Wegeventilen; und
- - 7 zeigt ein erfindungsgemäßes Verfahren zum automatischen Einparken.
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1 zeigt ein elektrohydraulisches Fahrzeuglenksystem 10' nach dem Stand der Technik. Ein Lenkrad 12 ist über eine Lenkwelle 14 und ein Servoventil 16 mit einem Ritzel 18 verbunden, das mit einer Zahnstange 20 kämmt. Das Servoventil 16 ist mit dem Lenkrad 12 gekoppelt, so dass eine Betätigung des Lenkrads 12 auf das Servoventil 16 übertragen wird. Das Servoventil 16 ist über einen ersten Hydraulikkreis 22 mit einer Pumpe 25, einem Reservoir 26 und einem Hydraulikzylinder 28 verbunden. Die Pumpe 25 wird von einem Elektromotor 23 angetrieben, wobei der Elektromotor 23 von einer Steuereinheit 21', genauer von einer Pumpensteuervorrichtung 36, angesteuert ist. Die Pumpe 25, der Elektromotor 23 und die Steuereinheit 21' bzw. die Pumpenvorsteuerung 36 bilden zusammen ein Motor/Pumpen-Aggregat 24. Die Funktion des Fahrzeuglenksystems 10' wird durch die Stellung des Servoventils 16 und dem vom Motor/Pumpen-Aggregat 24 geförderten Fluidfluss bestimmt. Der Hydraulikzylinder 28 weist eine erste Arbeitskammer 30 und eine zweite Arbeitskammer 32 auf.
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Das Servoventil 16 weist einen Druckanschluss S0, einen Reservoiranschluss R sowie einen ersten Arbeitsanschluss S1 und einen zweiten Arbeitsanschluss S2 auf. Der Druckanschluss S0 des Servoventils 16 ist über eine Zulaufleitung 27 mit der Pumpe 25 des Motor/Pumpen-Aggregats 24 verbunden. Der erste Arbeitsanschluss S1 des Servoventils 16 ist über eine erste Servoventil-Leitung 31 mit der ersten Arbeitskammer 30 des Hydraulikzylinders 28 verbunden, und der zweite Arbeitsanschluss S2 des Servoventils 16 ist über eine zweite Servoventil-Leitung 33 mit der zweiten Arbeitskammer 32 des Hydraulikzylinders 28 verbunden.
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Es ist ein Lenkwinkelsensor 34 vorgesehen, der an der Lenksäule 14 angebracht ist und einen Lenkwinkel φ und eine Lenkwinkelgeschwindigkeit φ̇ ermittelt, sowie ein Geschwindigkeitssensor 35, der eine Fahrzeuggeschwindigkeit v ermittelt.
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Bringt der Fahrer des Fahrzeugs ein Lenkmoment auf das Lenkrad 12 auf, so wird dieses über die Lenkwelle 14 an das Servoventil 16 und das Ritzel 18 übertragen. Das Servoventil 16 steuert in Abhängigkeit vom Lenkwinkel φ bzw. vom übertragenen Lenkmoment einen Fluidfluss zu den beiden Arbeitskammern 30, 32 des Hydraulikzylinders 28, wodurch eine hydraulische Lenkkraft bereitgestellt wird, welche die mechanische, vom Fahrer aufgebrachte Lenkkraft unterstützt. Der von der Pumpe 25 geförderte Fluidfluss wird von der Pumpensteuervorrichtung 36 des Motor/Pumpen-Aggregats 24 gesteuert, wobei diese Steuerung von zumindest einem lenkungsrelevanten Parametern abhängig ist. Dieser lenkungsrelevante Parameter kann aus der Fahrzeuggeschwindigkeit v, dem Lenkwinkel φ oder aus der Lenkwinkelgeschwindigkeit φ̇ gebildet sein. Da die hydraulische Lenkkraft nur dann generiert wird, wenn der Fahrer manuell das Lenkrad 12 betätigt, wird das Fahrzeuglenksystem 10' gemäß 1 als passives Lenksystem bezeichnet.
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2 zeigt ein elektrohydraulisches Fahrzeuglenksystem 10 gemäß einer ersten Ausführungsform der Erfindung, wobei das Fahrzeuglenksystem 10 die gleichen Bauteile wie das in 1 gezeigte Fahrzeuglenksystem 10' sowie einige zusätzliche Bauteile aufweist, die im Folgenden näher beschrieben werden. In der Zulaufleitung 27 des Servoventils 16 ist zwischen dem Motor/Pumpen-Aggregat 24 und dem Druckanschluss S0 ein als 2/2-Wegeventil 41 ausgebildetes Sperrventil 40 vorgesehen. Es ist eine erste Bypass-Leitung 38 zwischen dem Motor/PumpenAggregat 24 und der ersten Arbeitskammer 30 des Hydraulikzylinders 28 und eine zweite Bypass-Leitung 39 zwischen dem Motor/Pumpen-Aggregat 24 und der zweiten Arbeitskammer 32 des Hydraulikzylinders 28 vorgesehen. Die Bypass-Leitungen 38, 39 bilden einen hydraulischen Bypass zwischen dem Motor/PumpenAggregat 24 und dem Hydraulikzylinder 28, wobei der Bypass das Servoventil 16 überbrückt und mit dem Motor/Pumpen-Aggregat 24, dem Reservoir 26 und den Arbeitskammern 30, 32 des Hydraulikzylinders 28 einen zweiten Hydraulikkreis 37 bildet. Der hydraulische Servoventil-Bypass mit der ersten Bypass-Leitung 38 und der zweiten Bypass-Leitung 39 ist in 2 in Fettdruck dargestellt.
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In der ersten Bypass-Leitung 38 und der zweiten Bypass-Leitung 39 ist jeweils ein 2/2-Wegeventil 42, 43 zwischen dem Motor/Pumpen-Aggregat 24 und der ersten bzw. zweiten Arbeitskammer 30, 32 vorgesehen. Wie in 2 durch eine gestrichelte Linie angedeutet, können das Sperrventil 40 und die beiden Wegeventile 42, 43 auch zu einem gemeinsamen Ventilblock 46 zusammengefasst sein.
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Ferner ist ein 2/2-Wegeventil 44 zwischen dem ersten Arbeitsanschluss S1 des Servoventils 16 und der ersten Arbeitskammer 30 vorgesehen, sowie ein weiteres 2/2-Wegeventil 45 zwischen dem zweiten Arbeitsanschluss S2 des Servoventils 16 und der zweiten Arbeitskammer 32. Die Wegeventile 44, 45 können separate Ventile sein oder, wie in 2 durch eine gestrichelte Linie angedeutet, zu einem Ventilblock 48 zusammengefasst sein.
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Gemäß 2 ist eine separate Ventilsteuervorrichtung 50 vorgesehen, die die Wegeventile 41 bis 45 ansteuert und zusammen mit der Pumpensteuervorrichtung 36 die Steuereinheit 21 bildet. Alternativ können die separaten Steuervorrichtungen (36, 50) auch zu einem einzigen Bauteil zusammengefasst werden. Zwischen der Pumpensteuervorrichtung 36 und der Ventilsteuervorrichtung 50 kann optional ein mechanischer Schalter 52 angeordnet sein, mit dem der Fahrer manuell von einem Passivmodus in einen Aktivmodus des Fahrzeuglenksystems 10 wechseln kann und umgekehrt.
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Es ist insbesondere möglich, ein in 1 gezeigtes elektrohydraulisches Fahrzeuglenksystem 10' nach dem Stand der Technik mit Hilfe der fünf Wegeventile 41 bis 45, der Bypass-Leitungen 38, 39 des hydraulischen Bypasses und der Ventilsteuervorrichtung 50 zu einem erfindungsgemäßen Fahrzeuglenksystem 10 nachzurüsten. Hierbei ist die flexible Anordnung der einzelnen Wegeventile 41 bis 45 vorteilhaft. Ansonsten ist die Kombination mehrerer Wegeventile 41 bis 45 zu Ventilblöcken 46, 48 von Vorteil.
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Für die Steuerung des Fahrzeuglenksystems 10 sind drei Ventilstellungskombinationen der Wegeventile 41 bis 45 vorgesehen. In einer ersten Ventilstellungskombination (vgl. 2) sind alle fünf 2/2-Wegeventile 41 bis 45 in ihrer federbeaufschlagten Grundstellung, wodurch das Fahrzeuglenksystem 10 sich im Passivmodus befindet. Dabei ist der erste Hydraulikkreis 22 freigegeben, indem die Zulaufleitung 27 und die Servoventil-Leitungen 31, 33 für einen Fluidfluss offen sind. Der zweite Hydraulikkreis 37 ist gesperrt, da die Bypass-Leitungen 38, 39 durch die Wegeventile 42, 43 für einen Fluidfluss gesperrt sind.
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Die Funktion des Fahrzeuglenksystems 10 in dieser ersten Ventilstellungskombination ist analog zur Funktion des in 1 gezeigten Fahrzeuglenksystems 10'.
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3 zeigt das Fahrzeuglenksystem 10 in einer zweiten Ventilstellungskombination, in der sich das Fahrzeuglenksystem 10 im Aktivmodus befindet und die eine hydraulische Lenkkraft „nach rechts“ ermöglicht. In dieser Ventilstellungskombination ist der erste Hydraulikkreis 22 aus Richtung der Pumpe 25 gesperrt, da das Sperrventil 40 die Zulaufleitung 27 schließt. Der zweite Hydraulikkreis 37 ist freigegeben, wobei die erste Bypass-Leitung 38 offen und die zweite Bypass-Leitung 39 geschlossen ist. Des Weiteren ist die erste Servoventil-Leitung 31 gesperrt und die zweite Servoventil-Leitung 33 freigegeben. Die Bypass-Leitung 38 erlaubt somit einen Fluidfluss von der Pumpe 25 in die erste Arbeitskammer 30 des Hydraulikzylinders 28, während die Sperrung der Servoventil-Leitung 31 einen Rückfluss über das Servoventil 16 zum Reservoir 26 verhindert. Die freigegebene Servoventil-Leitung 33 erlaubt dagegen einen Rückfluss des Hydraulikfluids über das Servoventil 16 zum Reservoir 26. Der Hydraulikzylinder 28 erzeugt somit eine aktive Lenkkraft nach rechts.
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Das Servoventil 16 ist im vorliegenden Fall ein Servoventil mit offener Mitte. Im Aktivmodus des Fahrzeuglenksystems 10 ist das Lenkrad 12 durch den Fahrer freigegeben und dreht sich bei einer Bewegung der Zahnstange 20 mit. Die Drehkraft wird dabei vom Ritzel 18 über das Servoventil 16 und die Lenkwelle 14 auf das Lenkrad 12 übertragen. Da sich das Lenkrad 12 im wesentlichen frei verdrehen kann, bleibt das Servoventil 16 in seiner Mittenstellung und kann für einen Rückfluß von Hydraulikfluid genutzt werden. Das Servoventil 16 wird im Passivmodus des Fahrzeuglenksystems 10 trotzdem als „hydraulisch überbrückt“ bezeichnet, da kein Fluidfluß zwischen Druckanschluß S0 und Rücklaufanschluß R des Servoventils 16 stattfindet und sich keine Ventilfunktion einstellt.
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In der dritten Ventilstellungskombination gemäß 4 wird eine aktive Lenkkraft „nach links“ erzeugt. Ein Fluidfluss ist durch die freigegebene zweite Bypass-Leitung 39 in die zweite Arbeitskammer 32 des Hydraulikzylinders 28 möglich, wobei der Rückfluss von Hydraulikfluid zum Reservoir 26 durch die zweite Servoventil-Leitung 33 gesperrt ist. Aus der ersten Arbeitskammer 30 kann Hydraulikfluid über die freigegebene Servoventil-Leitung 31 über das Servoventil 16 zum Reservoir 26 zurückfließen. Der erste Hydraulikkreis 22 ist aus Richtung der Pumpe 25 gesperrt, da die Zulaufleitung 27 durch das Sperrventil 40 geschlossen ist.
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Die Stärke der Lenkkraft wird durch die Leistung des Motor/Pumpen-Aggregats 24 bestimmt. Alternativ könnte auch eine Steuerung der Lenkkraft über Drosselventile oder durch Ausbildung der Wegeventile 41 bis 45 als Proportionalwegeventile vorgesehen sein.
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Da nur drei Ventilstellungskombinationen für die Funktion des Fahrzeuglenksystems 10 notwendig sind, können die fünf Wegeventile 41 bis 45 zu komplexeren Mehrwegeventilen zusammengefasst werden.
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In 5 ist eine zweite Ausführungsform des Fahrzeuglenksystems 10 gezeigt. Die Wegeventile 41, 42 und 43 sind in einem 4/3-Wegeventil 54 zusammengefasst. Die drei Ventilstellungen des 4/3-Wegeventils 54 entsprechen den drei Ventilstellungskombinationen der 2 bis 4. In der federbeaufschlagten Mittenstellung des 4/3-Wegeventils 54 ist das Fahzeuglenksystem 10 analog zur ersten Ausführungsform in der ersten Ventilstellungskombination (vgl. 2) geschaltet. Die Schaltung des Fahrzeuglenksystems 10 in der linken bzw. rechten Ventilstellung ist analog zur ersten Ausführungsform in der zweiten bzw. dritten Ventilstellungskombination. Es können auch die Wegeventile 44 und 45 zu einem zweiten 4/3-Wegeventil zusammengefasst sein.
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In der in 6 gezeigten Ausführungsform werden die der ersten bzw. zweiten Arbeitskammer zugeordneten Wegeventile 42, 44 bzw. 43, 45 in ein erstes 3/2-Wegeventil 58 und ein zweites 3/2-Wegeventil 60 zusammengefasst. Die erste Ventilstellungskombination wird durch die federbeaufschlagten Grundstellungen des Wegeventils 41 und des ersten und zweiten 3/2-Wegeventils 58, 60 erreicht. Die zweite oder dritte Ventilstellungskombination wird durch Schließen des Wegeventils 41 und Umschalten des ersten oder des zweiten 3/2-Wegeventils 58, 60 erreicht.
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Die Wegeventile 41 bis 45 können gemäß der drei Ventilstellungskombinationen auch auf andere Weise zusammengefasst werden, insbesondere auch in einem einzigen Ventil. Alternativ können die Wegeventile 41 bis 45 mit dem Servoventil auch in einem Ventilblock zusammengefasst werden.
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7 zeigt ein bevorzugtes Verfahren zur Steuerung des hydraulischen Fahrzeuglenksystems 10 gemäß der in 2 bis 4 gezeigten ersten Ausführungsform. Der Aktivmodus umfasst hierbei eine automatische Parkfunktion.
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In einem ersten Schritt wird der Aktivmodus durch den Fahrer des Fahrzeugs gestartet. Daraufhin wird in einem nächsten Abfrageschritt zumindest ein lenkungsrelevanter Parameter, z.B die Fahrzeuggeschwindigkeit v und/oder die Lenkwinkelgeschwindigkeit φ̇, daraufhin überprüft, ob eine vorgegebene Bedingung erfüllt ist, insbesondere ob ein vorgegebener Grenzwert unterschritten wird. Auf diese Weise wird z.B. sichergestellt, dass der automatische Einparkmodus nicht versehentlich während der Fahrt, d. h. bei zu hoher Fahrzeuggeschwindigkeit v, oder während eines Lenkmanövers des Fahrers, d. h. bei zu hoher Lenkwinkelgeschwindigkeit φ̇, aktiviert wird.
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Ist das Ergebnis der Überprüfung des zumindest einen lenkungsrelevanten Parameter positiv, so wird der Aktivmodus aktiviert. Hierbei wird zunächst die Pumpe 25 ausser Betrieb gesetzt, dh. ihre Drehzahl wird auf Null gesetzt. Anschließend wird das in der Zulaufleitung 27 vorgesehene Sperrventil 40 geschlossen, wodurch ein Fluidstrom aus Richtung der Pumpe 25 zum Servoventil 16 gesperrt wird. Durch das Abschalten der Pumpe 25 vor dem Sperren des Sperrventils 40 kann vermieden werden, dass in eine abgesperrte Leitung hineingefördert wird, so dass nachteilige Druckspitzen in dem Hydrauliksystem und eine unnötige Belastung der jeweiligen Systemkomponenten nicht auftreten. In Folge des Schließens der Sperrventils 40 wird das Servoventil 16 von der Pumpe 25 bzw. vom Motor/Pumpen-Aggregat 24 getrennt, so dass die gewünschte Lenkkraft unabhängig von einer manuellen Betätigung des Lenkrads 12 bereitgestellt werden kann, wie nachstehend im Detail erläutert.
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Als nächster Schritt wird ein automatisches Lenkmanöver durchgeführt. Die Steuereinheit 21 bestimmt aufgrund von Sensordaten Sollwerte vsoll, φsoll, φ̇soll für die lenkungsrelevanten Parameter v, φ, φ̇. Die Steuereinheit 21 ermittelt in einem Abfrageschritt aus dem Sollwert φ̇soll für den Lenkwinkel φ die Richtung der benötigten Lenkkraft. Die Drehzahl des Motor/Pumpen-Aggregats 24 wird zu Beginn des Lenkmanövers auf Null gesetzt. Abhängig von der Richtung der benötigten Lenkkraft werden die Wegeventile 42-45 gemäß der in 3 und 4 gezeigten Ventilstellungskombination geeignet geschaltet. Bei einer Lenkkraft „nach rechts“ (3) werden die erste Bypass-Leitung 38 und die zweite Servoventil-Leitung 33 freigegeben, wobei die zweite Bypass-Leitung 39 und die erste Servoventil-Leitung 31 gesperrt werden. Bei einer Lenkkraft „nach links“ (4) werden dagegen die zweite Bypassleitung 39 und die erste Servoventil-Leitung 31 freigegeben, wobei die erste Bypass-Leitung 38 und die zweite Servoventil-Leitung 33 gesperrt werden. Daraufhin wird die Drehzahl des Motor/Pumpen-Aggregats 24 erhöht, bis die Lenkwinkelgeschwindigkeit φ̇ ihrem Sollwert φ̇soll entspricht. Die Drehzahl des Motor/Pumpen-Aggregats 24 wird nun so lange gehalten, bis der Lenkwinkel φ seinem Sollwert entspricht.
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Nach einem Lenkmanöver erfolgt eine Abfrage der Steuereinheit 21, ob die Parkposition erreicht ist. Falls die Parkposition noch nicht erreicht ist und weitere Lenkmanöver nötig sind, wird ein neues Lenkmanöver mit der Bestimmung der Richtung der benötigten Lenkkraft eingeleitet. Wie vorstehend erläutert, wird nach der Abfrage, welche Richtung die benötigte Lenkkraft haben soll, die Drehzahl des Motor/Pumpen-Aggregats zunächst auf Null gesetzt. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn im Verlauf des Lenk- bzw. Parkmanövers eine Richtungsumkehr vorgenommen wird, d.h. der Lenkeinschlag von links nach rechts (oder umgekehrt) gewechselt wird. Ist die Parkposition erreicht, so werden die Wegeventile 42 bis 45 und das Sperrventil 40 in ihre Grundstellung (vgl. 2) geschaltet, wodurch der Aktivmodus beendet wird. Falls die Fahrt fortgesetzt wird, wird anschließend bei Bedarf der Passivmodus gestartet. Der Wechsel vom Aktivmodus zurück in den Passivmodus kann manuell durch den Fahrer erfolgen, z.B. durch Betätigen des Schalters 52. Alternativ kann das Umschalten vom Aktivmodus zurück in den Passivmodus auch automatisch erfolgen, z.B. in Abhängigkeit eines lenkungsrelevanten Parameters, wenn zB. die Fahrzeuggeschwindigkeit v einen vorbestimmten Grenzwert überschreitet.
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Das Verfahren zur Steuerung des Fahrzeuglenksystems 10 wird der jeweiligen Ausführungsform des Fahrzeuglenksystems 10 angepasst, wobei sich insbesondere die Ansteuerung der Ventile bei verschiedener Zusammenfassung der 2/2-Wegeventile 41 bis 45 verändert. Es ist auch möglich, den Aktivmodus und/oder die automatische Parkfunktion über andere lenkungsrelevante Parameter zu steuern.