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Verfahren zur Gewinnung von Spinnfasern aus Typhaarten.
Der zur Zeit bei uns herrschende Mangel an Spinnfasermaterial, das sonst überwiegend aus dem Ausland und von tbersee nach Deutschland eingeführt werden muss, macht es zum dringenden Gebot der Notwendigkeit, zur Beschaffung von Ersatz-und Streckstoffen nach Möglichkeit bisher unbeachtet gelassen einheimische Quellen auszunutzen. Dazu gehören vor allem bie vielerorts stark verbreiteten, wildwachsenden Schilfpflanzen. In den letzten Jahren sind schon wiederholt von verschiedenen Seiten Versuche gemacht worden, aus verschiedenen Schilfarten Spinnfasern zu gewinnen, doch haben sie bisher zu technisch und wirtschaftlich brauchbaren Ergebnissen nicht geführt, wie am deutlichsten daraus hervorgeht, dass ein praktisch brauchbares Verfahren niemals ins Leben getreten ist.
Vorwiegend hat man sich der Einwirkung von Ätzlaugen (Natron-, Kali-oder Kalkhydrat) bedient, um die die Fasern einschliessenden übrigen Blattbestandteile zu lösen und zu beseitigen. Zur Erleichterung der Einwhkung der Ätzlauger hat man die Schilfblätter auch zuvor mechanisch zerlegt und getrocknet, sie dann einer wiederholten Mazeration mit Wasser oder auch einem durch mehrere Wochen fortgesetzten Wasserrottungsprozess ausgesetzt oder man hat die Lauge zuerst unter Druck in die vorher unter Luftleere gebrachten Schilfblätter eingepresst.
Ferner hat man die Wirkung der Lauge durch Zusatz von Ätzkalkpetroleum-oder Seifenpetroleumemulsionen günstiger gestalten, besonders auch geschmeidigere Fasern erzielen wollen. Diese Verfahren, wie auch das, welches die Schilfblätter nach vorhergehender Wasserrottung nur durch eine mechanische Behandlung in Spinnfasern zerlegen will, erfordern mannigfache, häufig nicht einfache maschinelle Einrichtungen. Die mit Rottverfahren verbundenen Arbeitsweisen kosten ausserdem viel Zeit und machen wegen der an sich räumlich recht ungünstigen Beschaffenheit des. Ausgangsstoffes weitläuf ge Anlagen bei geringer Produktionsfähigkeit notwendig.
Zu diesen, die wirtschaftliche Seite dieser Verfahren nachteilig beeinflussenden Umständen tritt aber vor allem der Umstand hinzu, dass die erhaltene Faser hauptsächlich wegen geringer Haltbarkeit und wegen ihrer Sprödigkeit und Steifigkeit für die gewünschten Spinnzweeke wenig geeignet ist. Vielfach findet sieh in Veröffentlichungen der Hinweis, dass das erhaltene Material nach vollendeter Aufschliessung und Trocknung vor der weiteren üblichen Vorbereitung für den Spinnprozess erst einem "MÜrbemachen" unterworfen werden muss, auch in den Fällen, wo eine Kalk-oder Seifenpetroleumemulsion angewendet wird. Es haftet daher dem erzielten Erzeugnis infolge der unvorteilhaften Bearbeitungsweise noch ein wesentlicher Nachteil an.
Im übrigen hat sich bei einer Nachprüfung ein merkbarer Einfluss des Zusatzes einer derartigen Emulsion gegenüber der blossen Einwirkung des Alkalis nicht feststellen lassen.
Einerseits liegen die bisher unbefriedigenden Erfolge an der mangelnden Erkenntnis, dass die ver-
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erwiesen haben, nach dem anatomischen Bau der Bastfaserelemente und der Gefässbündel, nach ihrer Beschaffenheit (Feinheit und Festigkeit) Yerholzungszustand, Verteilung und Lagerung zu den übrigen Blattgewebebestandteilen ein grosser Teil der Sehilfblattarten zur Fasergewinnung sich wenig eignet.
Dies trifft z. B. für die Fasein von Aeorus calamus zu, die in verhältnismässig geringer Menge, aber in
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verholzten Stengel und Blätter mit wenigen und schwachen Fasern aufweisen.
Als wirklich praktisch brauchbar können nur verschiedene Arten der Familie der Rohrkolben-
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zwischen diesen beiden einander sehr ähnlichen Arten besteht ein sehr erheblicher Unterschied. Die Typha angustifolia erweist sich für die Fasergewinnung weit mehr geeignet, die erhaltenen Fasern sind
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schleimartiger, klebriger Stoffe in ihrem Pflanzensaft auf, die sehr störend wirken, da sie bei ungenügender Entfernung ein Steifwerden der gewonnenen Fasern verursachen und ausserdem zu ihrer Beseitigung ein grösserer. Verbrauch an Alkali erforderlich ist.
An dem unbefriedigenden Ergebnis der bisherigen Versuche mit Ätzlaugen, namentlich was die B sesclnffenheit der gewonnenen Fasern, hauptsächlich ihre Fe3tigkeit und ihre Menge betrifft, ist ferner wesentlich der Umstand schuld, dass die Alkalilauge in zu hohen Konzentrationen angewandt wurde.
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herausgestellt hat, dass nur die Typhaarten al, praktisch brauchbar für die Fasergewinnung in Betracht kommen können, haben zu dem Ergebnis geführt, dass man mit weit schwächeren A';
kalilaugen (#1-0#3) auch beim Arbeiten in offenen Gefässen ohne Druck zu einer befriedigenden Aufschliessung der Schilf- blätter gelangen kann, bei der vor allem der wesentliche Vorteil erreicht wird, dass die Fasern in ihrer Festigkeit weit mehr geschont werden als bei der Einwirkung des starken Alkalis. Man kann sich leicht davon überzügen, dass die mit 2-3% iger Lauge gekochten Blätter Fasern liefern, die in feuchtem Zustand in ihrer Haltbarkeit sehr geschwächt sind, fast gar keine Zugfestigkeit besitzen und daher beim Spülen leicht auseinanderfallen, so dass man beim Ausspülen der stark gequollenen, aufgeweichten übrigen Gewebebestandteile starke Verluste an Fasern erleidet.
Erst beim Trocknen erlangen diese wieder einen grösseren Halt, werden aber dabei durch die die Faserelemente verklebenden Stoffe steif und haret.
Die Typhafasein widerstehen aber, wie sich gezeigt hat, auch einer noch schwächeren Lauze bis zu etwa 1/2% bei längerer Kochdauer nicht mehr, sondern werden in ihre Faserelemente aufgelöst.
E, beruht dies, wie die mikroskopische Prüfung der Fasern gezeigt hat, darauf, dass die Faserelemente, aus denen sieh die Fasern aufbauen, von ausserordentlicher Feinheit sind, in der sie nur noch von den Faserelementen der Ananasfaser übertroffen werden.
Infolgedessen ist der sie verkittende Stoff der lösenden Wirkung des Alkalis leichter zugänglich (vielleicht ist sie auch nach ihrer chemischen Natur verhältnismässig leicht von Alkali angreifbar) ein Nachteil, dem anderseits die höhere Spinnbarkeit der unversehrt erhaltenen Typhafasern gegenübersteht.
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fasern, besonders aus der Typha angustifolia, aber auch der Typha latifolia, durch Kochen mit Alkalilauge ausgestaltet werden, das den hauptsächlichen Anforderungen genügt, denen ein solches gerade heute entsprechen muss, dass es nämlich
1. mit möglichst einfachen und wenig kostspieligen Mitteln eine möglichst rasche und grosse Produktion gestattet,.
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besonders
3. ein wirklich gut spinnbares Material liefert, das ohne jede sonderartliehe Arbeitsweise.
mit Hilfe der vorhandenen, unveränderten Arbeitseinrichtungen und Arbeitsverfahren, wie die ursprunglichen Spinnmateiialien, zu deren Streckung oder Ersatz es dienen soll, versponnen werden kann.
Das Wesentliche des neuen Aufschliessungsverfahrens besteht darin, dass die Typha. blätter mit
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die Fasern auch mehr geschont werden, wenn die chemische Einwirkung der Luge durch eine mechanische Einwirkung unterstützt wird sobald die Blätter genügend aufgeweicht sind, um durch einen leichten Druck in einzelne Fasern zerlegt werden zu können, während dies in diesem Stadium durch das übliche
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geschmeidige, gut verspinnbare Faser zu erhalten. Sie bleibt beim Trocknen weich und braucht nicht mehr einem besonderen Mürbeverfahren unterworfen zu werden, bevor sie den Vorbereitungsarbeiten für das Spinnen unterzogen wird, wie es bei dem alten Verfahren in der Regel der Fall ist.
Bei der Ausführung des Verfahrens hat es sich zweckmässig erwiesen, die gesamte zur Anwendung
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bei einer Ausbeute von ungefähr ein Drittel der Trockensubstanz an Fasern-in zwei bis drei Teilen zuzusetzen und jedesmal unter Einhaltung einer Stärke von etwa O'1-0'lo% Natriumhydroxyd drei bis vier Stunden zu kochen und vor dem neuen Zusatz die Lauge abzulassen. Bei Kolonnenbetrieb kann
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die heisse, noch nicht verbrauchte Lauge des zweiten und dritten Auskochens zur Vorbehandlung frischer Blätter dienen. Während des ersten Auskochens mit einem verhältnismässig kleineren Teil Alkali wird dieses allmählich verbraucht.
Dann führt man beim zweiten Auskochen die Operation so weit, dass die in ihrer äusseren Gestalt noch erhaltenen Blätter genügend erweicht sind, um durch leichtes Quetschen, das von Hand oder mittels einer einfachen Quetsehvorrichtung, z. B. zweier leichten, nachgiebigen Quetschwalzen ausgeführt wird, in die Fasern zerlegt werden und kocht diese dann ein drittes Mal mit frischer schwacher Lauge. Dabei werden noch unvollkommen erweichte Blätterteile auch mit aufgeschlossen. Durch gründliches Spülen entfernt man die gelockerten Oberhautfetzen und Zwischengewebebestandteile, säuert die Fasern mit stark verdünnter, mässig warmer Säure ab, spült diese aus und kocht noch eine halbe Stunde unter gründlichem Durchspülen mit Wasser, um die Fasern von anhaftenden, klebenden Stoffen zu befreien.
Werden die Fasern jetzt geschleudert und bei möglichst mässiger Temperatur getrocknet, so erhält man ein geschmeidiges, gut spinnbares Material, trocknet man bei höherer Temperatur, so sind die Fasern spröder und härter, nehmen aber nach einigem Liegen an nicht trockener Luft gleiche Beschaffenheit
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als Ersatz für Hanf und Jute, sondern können bereits durch einen Zusatz von ungefähr der gleichen Menge Flachs selbst zu feineren Garnen (bis Nr. 20 engl.) versponnen werden und stellen daher ein sehr wertvolles Ersatz-und Streckungsmittel dieser Faserstoffe vor.
Im Gegensatz zu den Arbeitsweisen der bekannten Verfahren hat sich gezeigt, dass die bei der Ausführung des Verfahrens verwendeten Schilfblättcr keineswegs einer besonderen Vorbereitung be- dürfen. Man kann frisch geerntete Blätter oder durch längeres, loses Liegen an der Luft stärker oder schwächer ausgetrocknet und beliebig lange aufbewahrt Blätter unmittelbar mit der Lauge kochen.
Zweckmässig kann man aber, um die Einwirkung des Alkalis zu erleichtern, die frischen Blätter erst durch eine Quetschwalze schicken. Ausgetrocknet Blätter lässt man zuvor in Wasser einweichen und kann sie dann gleichfalls noch durch die Quetschwalzen durchsenden. Auch wird man je nachdem die oft 1-2'/2 Mt langen Blätter in zwei bis drei Teile zerlegen, gegebenenfalls zur Erzeugung von unver-
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eine das Wesen des Verfahrens nicht berührende, zweckmässige Vorbereitung der Blätter treffen.
Bei der Gewinnung der Langfasern, die nachher dem üblichen Hechelprozess als Vorbereitung
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wirkung der Lauge auf die in Bündel gebundenen Blatteile ein Umlauf der Flotte zweckmässig. Zur Vermeidung des Verwirrens der Fasern erfordert die mechanische Bearbeitung grössere Vorsicht und gestaltet sich umständlicher als die Gewinnung von Eurzfasern, die nach Art des Wergs der Bastfasern auf der Karde vorgearbeitet werden sollen. In diesem Falle kann man die mechanische Einwirkung schon während der Laugeeinwirkung auf einfache Weise durch kräftiges Durchrühren der Blätter vor sich gehen lassen und dadurch auch die chemische Einwirkung beschleunigen.
PATENT-ANSPRÜCHE : l. Verfahren zur Gewinnung von Gespinstfasern aus Typhaarten, insbesondere Typha angustifolia und Typha latifolia, durch Kochen mit Alkalilauge, dadurch gekennzeichnet, dass die Lauge in Konzen- trationen unterhalb 0'3-0'5% zur Einwirkung gebracht und dass so lange gekocht wird, bis sich die Fasern in der üblichen Weise durch Spülen von den andern Blattgewebebestandteilen befreien und isolieren lassen.