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Die Schillerstiftung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Friedrich Gerstäcker
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Titel: Die Schillerstiftung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 752–753
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[752] Die Schillerstiftung. Wieder ist eine Generalversammlung der deutschen Schillerstiftung vorübergegangen, und wir erfahren aus dem gedruckten Protokoll derselben, daß

1) Karl von Holtei eine lebenslängliche Pension von fünfhundert Thalern,

2) Karl Beck eine von dreihundert Thalern,

3) Alexander Jung eine von dreihundert Thalern, und

4) Herder’s Enkelin eine solche von hundert Thalern erhalten habe.

Eine Anfrage Robert Heller’s, des Vertreters von Hamburg, ob die Bewilligung dieser Pensionen nicht vielleicht dringlichere Unterstützungen bei Seite schieben würde – wurde verneint.

Hofrath Pabst (für Leipzig) schlug darauf zwei Personen zur Unterstützung vor, von welchen jedoch, wie er bemerkte, die eine von dem Verwaltungsrath an die Stiftung Dresden gewiesen worden – es sei dies die Wittwe August Diezmann’s. Dresden sei nun gegenwärtig nicht in der Lage eine solche Unterstützung zu gewähren. Er drücke daher den Wunsch aus, der Verwaltungsrath möge, so gut als thunlich, für eine Unterstützung der Wittwe Diezmann’s sorgen, und beantragt diesfalls eine Unterstützung von je hundert Thalern auf drei Jahre. –

Das Protokoll sagt etwas undeutlich, daß „dieser Wunsch zur Kenntniß genommen“ – aber der Vorschlag wurde bewilligt!

Einhundert Thaler für die Wittwe Diezmann’s auf drei Jahre,

nachdem Dr. Heller noch hervorgehoben, welche Verdienste sich Diezmann um die deutsche und besonders um die Schiller-Literatur erworben!

Der erste Paragraph der Satzungen der deutschen Schiller-Stiftung lautet.

„§. 1. Zweck der Stiftung.

Die Schillerstiftung hat den Zweck deutsche Schriftsteller und Schriftstellerinnen, welche für die National-Literatur (mit Ausschluß der strengen Fachwissenschaften) verdienstlich gewirkt, vorzugsweise solche, die sich dichterischer Formen bedient haben, dadurch zu ehren, daß sie ihnen oder ihren nächstangehörigen Hinterlassenen in Fällen über sie verhängter schwerer Lebenssorge Hülfe und Beistand darbietet. Sollten es die Mittel erlauben und Schriftsteller oder Schriftstellerinnen, auf welche obige Merkmale nicht sämmtlich zutreffen, zu Hülfe und Beistand empfohlen werden, so bleibt deren Berücksichtigung dem Ermessen des Verwaltungsrathes überlassen.“

Dr. August Diezmann, nicht allein bekannt als Uebersetzer und Bearbeiter guter fremder Werke, als Redacteur verschiedener Zeitschriften, wie als selbstständiger Autor verschiedener Werke, sondern auch als unermüdlicher Forscher gerade in der Schiller-Literatur, aus der er viel Werthvolles zu Tage gefördert, wurde die letzten Jahre dermaßen durch [753] Krankheit und Lähmung an sein Lager gefesselt, daß seine sonst so zähe Arbeitskraft nachließ und er bei einer großen Familie nach und nach in Verlegenheit, vielleicht sogar in Sorgen gerieth. Er war wenigstens gezwungen, sein liebstes Eigenthum, was er hatte, seine Bibliothek, selbst zu veräußern. Soviel ich weiß, wurde er in den letzten Jahren, und auch selbstverständlich durch die Schillerstiftung unterstützt, denn wenn Diezmann das nicht verdient hatte – wer dann? Nun ruft ihn der Tod ab – bei einer großen Familie war er nicht im Stande gewesen zu sparen – und wie Wenige von uns deutschen Schriftstellern können das überhaupt, wenn sie, wie gerade er, nur ausschließlich und allein von ihrer Feder leben!

Darauf beantragte der Vertreter von Leipzig, Hofrath Pabst, der – trotzdem daß er Leipzig gerade vertrat, wo Diezmann ausschließlich gewirkt – ihn jedenfalls nur als Uebersetzer gekannt zu haben scheint (selbst der Name ist unrichtig mit tz im Protokoll geschrieben) ein hundert Thaler für die Wittwe desselben auf drei Jahre, wonach sie dann wieder eine Eingabe machen müßte, um mehr zu bekommen. Außerdem gelang es nur der warmen Befürwortung des Abgeordneten für Hamburg, Dr. Robert Heller, selbst das durchzusetzen.

Die Satzungen der deutschen Schillerstiftung sagen, wie oben angeführt, deutlich, daß „den Schriftstellern oder ihren nächstangehörigen Hinterlassenen Hülfe und Beistand geleistet werden soll.“

Und konnte die Schillerstiftung nicht mehr erübrigen?

Dann frage ich, und mit mir viele andere Schriftsteller in Deutschland: was hat Herr Alexander Jung für die deutsche National-Literatur geleistet, daß er (der sich nicht einmal in schwerer Lebenssorge befindet, da er angestellt ist) vor den nächsten Hinterlassenen eines würdigen deutschen Schriftstellers eine lebenslängliche Pension von dreihundert Thaler jährlich beziehen kann?

So viel ich weiß, hat Herr Alex. Jung nur ein oder zwei Brochüren über Gutzkow geschrieben (denn strenge Fachwissenschaften sind für die Schillerstiftung ausgeschlossen), und ich begreife nicht recht, wie es kam, daß die Frage nicht näher von dem Verwaltungsrath erörtert wurde, als Robert Heller anfrug, ob so viel an A. Jung gewendet werden könne, ohne Gefährdung näherer Pflichten.

Der Nachsatz in §. 1 der Satzungen sagt allerdings, daß auch Schriftsteller und Schriftstellerinnen, auf welche obige im Beginn des Paragraphen angegebene Merkmale nicht sämmtlich zutreffen, zu Hülfe und Beistand empfohlen werden können und dem Ermessen des Verwaltungsrathes überlassen bleiben sollen, aber dürfen darunter die Interessen wirklicher Schriftsteller oder ihrer nächsten Hinterlassenen, die der Paragraph ausdrücklich auf eine Stufe stellt, leiden?

August Diezmann war einzig und allein Schriftsteller und lebte nur von dem, was er mit der Feder verdiente – er hat dabei für unsere deutsche National-Literatur verdienstlich gewirkt. –

Jetzt frage ich: ist ihm oder seinen nächsten Hinterlassenen wirklich von der besonders dazu bestimmten Stiftung – wie die Satzungen es sagen – Hülfe und Beistand geworden, indem die General-Versammlung der Wittwe einhundert Thaler auf drei Jahr bewilligte? Und Herr Alexander Jung bekömmt dreihundert Thaler lebenslängliche Pension – wofür? warum? Friedrich Gerstäcker.