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Brot mit Tränen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Kaspar Hauser
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Titel: Brot mit Tränen
Untertitel:
aus: Die Weltbühne. Jahrgang 22, Nummer 45, Seite 754.
Herausgeber: Siegfried Jacobsohn
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 9. November 1926
Verlag: Verlag der Weltbühne
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Die Weltbühne. Vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1918–1933. 22. Jahrgang 1926. Athenäum Verlag, Königstein/Ts. 1978. Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Brot mit Tränen‎ aus Mit 5 PS 1928
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
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Bearbeitungsstand
fertig
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[754] Brot mit Tränen

Manchmal, wenn etwas Fürchterliches passiert ist, muß man nachher essen. Das ist eine drollige Art zu essen …

Ekel vor dem Alltag, Scham, ihm unterworfen zu sein, sind überwunden – denn erst hat der Gedanke so weh getan, nun, danach, nach solchem Geschehnis, etwas zu essen. Dann erfüllt das Gefäß des Schmerzes eine Formalität.

Es ist gar kein Essen. Ja, es wird wohl dem Körper eine Nahrungszufuhr vermittelt, das ist wahr, und es rutscht auch hinunter. Aber die Augen brennen noch verschleiert von Tränen, salzig fällt es auf die Butterbrote, vom Pathetischen zum Trivialen ist es nur eine Nasenspitze weit. Die Backen kauen, die Kehle schluckt, die Hand umklammert irgend etwas Brotiges. Aber es schmeckt nach nichts, es ist eine unnütze Geste, dieses Essen. Es widert einen an, das da.

Einmal, da starb einer Verwandten der Mann. Das war um Sieben. Als er tot war, saßen nachher Alle bei Tisch, gezwungenermaßen, wie nach einer geschlagenen Schlacht, nach einer Niederlage. Es war aus. Niemand sprach. Dann aber sprach Jemand, und ich werde nie die Stimme der Frau vergessen, die da zu ihrer Schwester sagte, schluchzte, naß stöhnte: „Wo hast du die Eier her –?“ Und die Andere, tonlos, leergeweint, am Ende: „Von Prustermann. Sind sie nicht gut –?“

Seht, so holt sich das Leben seine Leute wieder, die ins Land der Trauer auf Urlaub gehen.

Kaspar Hauser