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ADB:Hansemann, David

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Artikel „Hansemann, David Justus Ludwig“ von Felix Bamberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 529–535, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hansemann,_David&oldid=- (Version vom 8. November 2024, 10:55 Uhr UTC)
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Band 10 (1879), S. 529–535 (Quelle).
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Hansemann: David Justus Ludwig H., geb. den 12. Juli 1790 in Finkenwerder bei Hamburg, erhielt seine erste Erziehung von seinem Vater, der in jenem kleinen Orte Prediger war. Für den Kaufmannsstand bestimmt, wurde er in seinem 15. Jahre Handlungslehrling bei dem Bürgermeister Schwenger in Rheda. Dieser Umstand sollte für seine Ausbildung entscheidend [530] werden, denn als sein Lehrherr in den zu dem neu geschaffenen Großherzogthume Berg gehörigen Orte „Maire“ wurde, verwendete er ihn als Secretär und gab ihm so Gelegenheit, einen, wenn auch untergeordneten Kreis des Verwaltungswesens kennen zu lernen. Von 1817 ab nahm H. seinen Wohnsitz in Aachen, wo er, die reiche Entwickelung der Tuch-Industrie in den Rheinlanden voraussehend, Wollhändler wurde und sich bald zu den angesehensten Bürgern der Stadt emporschwang. Schon 1824 gründete er daselbst die Feuerversicherungsgesellschaft, und da sein organisatorischer Geist sich im städtischen Wesen überhaupt Geltung verschaffte, so wurde er in das Handelsgericht und in die Handelskammer gewählt; die Regierung verweigerte aber, wie wir später sehen werden, diesen Wahlen eine Zeit lang ihre Bestätigung. Bei dem Ausbruche der Julirevolution übersah H. sofort die Folgen, welche dieses Ereigniß auf die constitutionelle Entwickelung der europäischen Staaten und besonders Deutschlands ausüben mußte und sandte deshalb im December 1830 dem König Friedrich Wilhelm III. eine Denkschrift ein, in welcher er namentlich den damals gefürchteten Plan eines reaktionären Feldzuges gegen die französische und belgische Revolution bekämpfte. Diese erste Staatsschrift Hansemann’s, welche erst 15 Jahre später für die Mitglieder des rheinischen Provinziallandtages als Manuscript und 1850 in Hansemann’s Schrift: „Das preußische und deutsche Verfassungswerk“ im Auszuge gedruckt wurde, ist für die politischen Ansichten des Mannes so maßgebend, daß die Hauptpunkte aus derselben hier verzeichnet zu werden verdienen. Mit bewunderungswürdigem Scharfblicke setzt H. gleich im ersten Paragraphen, noch vor der politischen, die soziale Gefahr auseinander, welche damals bereits die Staaten bedrohte. Der Geist des Aufruhrs in den unteren Classen, sagte er, hat seinen Ursprung theils in dem Hange zu einer besseren, nicht mit dem Verdienste im Verhältnis stehenden Lebensweise, theils darin, daß durch die Fortschritte der Industrie die Theilung der Arbeit zunimmt und eben hierdurch die Industrie immer mehr Ausdehnung erhält. Uebertriebene Philanthropie ist geradezu verderblich, da die Armen dadurch in eine verhältnißmäßig bessere Lage gerathen als die handarbeitenden Classen. Man muß dahin streben, ihr Ehrgefühl zu erhalten und zu erhöhen, um ihr Emporkommen durch Fleiß und Sparsamkeit zu erleichtern. Aber auch die politische Gefahr ist für Preußen nicht ausgeschlossen. Die belgische Revolution hat mit Pöbel-Auflauf angefangen und neun Zehntel der Brüsseler Bürger, die sich bewaffneten um ihn zu stillen, dachten an nichts weniger als an eine politische Revolution. Das Regierungssystem des beschränkten Despotismus und des Stillstandes hindert das Aufblühen jeglicher Industrie und bringt die Staaten an den Abgrund. Das beste System ist, sich auf die Majorität zu stützen, unter Majorität ist aber niemals gerade diejenige nach der Kopfzahl zu verstehen, sondern die eigentliche Kraft der Nation, welche zu finden eben Aufgabe der Regierung ist. Mit Muth und Gewandtheit setzt H. in dieser Denkschrift auseinander, wie Preußen seit 1807 begriffen habe, daß die Stärke des Staates nicht mehr auf der Basis der Feudaleinrichtungen, der Militärherrschaft und des unumschränkten monarchischen Systemes beruhen könne. Die neue Zeit hat überhaupt ein neues Lebensprinzip der Staaten geschaffen: die öffentliche Meinung. Der preußische Thron hat an Kraft gewonnen, aber es droht ihm Gefahr, wenn er vereinzelt oder gar den neuen Kräften feindlich gegenübersteht. Da nun die Staatsregierung Interesse hat, die öffentliche Meinung kennen zu lernen, so muß die Censur abgeschafft und Preßfreiheit gewährt werden. Ebenso muß die Regierung diejenigen Mißbräuche aufheben, die als Ueberbleibsel der feudalen Periode zu betrachten sind: die Patrimonialgerichtsbarkeit, die Ungleichheit der Abgaben, die Lehnsformen, die Ständegliederung, die Zunftverhältnisse etc. Am schärfsten aber [531] ist Hansemann’s Kritik gegen dasjenige Institut gerichtet, welches er „einen Bau in der Mitte zwischen Fundament und Spitze“ nennt, nämlich die Provinzialstände. Er tadelt an ihnen den Mangel an Oeffentlichkeit der Verhandlungen, das Erscheinen der Landtagsabschiede erst nachdem der Landtag lange vorüber ist, den Charakter des Provinzialismus den die Berathungen haben müssen, die Zergliederung in zwei Stände, die Wahlformen nach welchen die Abgeordneten gewählt werden und endlich die gesetzlichen Bestimmungen über die Wählbarkeit und die Requisiten des Wählers. Das Staatsinteresse wird nicht allein in ein provinzielles getheilt, sondern es wird dieses zu einem nicht einmal der Provinz selbst nützlichen Zwecke noch einmal zerstückelt. Wollte man aus den Provinzialständen Reichsstände hervorgehen lassen, so würde die Mehrzahl derselben nicht die eigentliche Kraft des Volkes darstellen. Im glücklichen Falle käme es dann zu einem parlamentarischen Streite, im unglücklichen, eben so leicht möglichen Falle, zu einer Revolution. Ich wage es kühn zu sagen, heißt es dann weiter: eine völlige Unbeschränktheit der königlichen Macht ist eine Täuschung. Kein Sterblicher besitzt eine solche. Die Macht des Königs kann gar nicht anders als identisch mit der Wohlfahrt und der Macht des Staates gedacht werden, denn je größer die letztere, desto größer auch des Königs Macht. Der unbeschränkteste König ist deshalb durch seinen eigenen Willen den Staat zu Wohlfahrt und Macht zu bringen, oder darin zu erhalten, beschränkt. H. hat es in dieser bei weitem nicht genug bekannten und gewürdigten Denkschrift indessen weder bei der Aufstellung allgemeiner Grundsätze, noch bei der Beleuchtung der bloßen inneren Verhältnisse Preußens bewenden lassen: er zieht vielmehr das deutsche Gesammtwesen und Preußens Stellung zu demselben in Betracht, entwickelt die Verhältnisse zu den einzelnen Mächten, wobei er, was Rußland betrifft, die Sympathien des Königs möglichst schont, und schließt mit einer Zusammenfassung seiner Ansichten, in welchen er aus Deutschland einen Föderativstaat zu machen vorschlägt, bei dem nur germanische Staaten betheiligt sein sollen. Holland wäre als ein großer Freihafen für Mitteleuropa zu betrachten, oder würde durch Handelsvertrag sich ebenfalls an die Interessen des deutschen Bundes anschließen. Es ist vielleicht kein zweites Beispiel vorhanden, daß ein einfacher Kaufmann, zu einer Zeit wo Preußen so entschieden unter österreichischem und russischem Einflusse stand, Muth und Begabung genug gehabt hätte, dem Könige unter einer so einschneidenden Kritik des Bestehenden, eine Skizze der Art als nothwendige Vorschrift der Zukunft vorzulegen. Friedrich Wilhelm III. antwortete am 8. Februar 1831, er habe die Eingabe dem Minister des Innern und der Polizei zur Beurtheilung zugefertigt und unerachtet mancher Abweichungen der gemachten Vorschlägen von den Grundsätzen welche die Verwaltung in Anwendung bringt, gern die löbliche Absicht und die guten Gesinnungen des Verfassers erkannt. H. vermuthete, daß diese bedingt günstige Antwort aus der Feder Stägemann’s, eines der Letzten aus der großen Stein-Hardenberg’schen Periode stamme. Sein Verhalten wurde aber doch mißliebig, sodaß seine ein Jahr später erfolgte Wahl zum stellvertretenden Provinzial-Landtags-Abgeordneten, ebenso wie die bereits erwähnten rein städtischen, von der Regierung nicht bestätigt wurde. Er hatte, um im Landtage zunächst der Rheinprovinz materiell nützlich zu sein, das Finanzwesen derselben, wie das des Staates überhaupt gründlich studirt; als er nun das gewonnene Material im Landtage nicht benutzen konnte, verwendete er es 1833 in der Schrift: „Preußen und Frankreich“. H. wies in derselben, unter der damals noch strengen Censur nach, daß „trotz der Glückseligkeit eines Beamtenthums, welches glaubte, mit dem Gefühle der Liebe zum König habe man ein dauerndes Fundament zu einem starken Staate“, der preußische an inneren Gebrechen leide, daß die Regierung [532] eigentlich schwach sei und irgend eine starke Krisis ihr gefährlich werden könne. Weit entfernt sich durch conservative Schritte bei dem Beamtenthume annehmbar zu machen, ergänzte H. in der genannten Arbeit die Denkschrift von 1830, indem er, an dieser weiteren Kritik anknüpfend, die Nothwendigkeit der Einführung des constitutionellen Lebens in Preußen auseinandersetzte. Leider mußte er bestätigen, daß damals in der Nation selbst ein reger Sinn für das Verfassungsleben fehle. Von diesen Mißständen unbeirrt, gründete er 1834, die oben berührten Ideen der Denkschrift theilweise anwendend, den „Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit“, über dessen Wesen der Rendant desselben, Thyssen, 1845 eine umfassende Darstellung herausgegeben hat, und beschäftigte sich, mit den Verhandlungen über die Ausführungen der Eisenbahn vom Rhein bis zur hannoverschen Grenze beauftragt, mit Feststellung der Grundsätze bei der Ausführung des preußischen Eisenbahnsystems überhaupt. So kam 1843 in Berlin seine Schrift: „Ueber die Ausführung des preußischen Eisenbahnsystems“ heraus. H. war der Ansicht, daß der Staat die großen Eisenbahnlinien in die Hand nehmen müsse. 1838 wurde er Präsident der Aachener Handelskammer, 1844 gab er sein Handlungshaus auf und 1845 wurde er zum Mitgliede des rheinischen Landtages gewählt, in welchen er bereits die Berufung eines Zollparlaments beantragte.

Mit dem Regierungsantritte Friedrich Wilhelms IV. hatte in Preußen eine wärmere Regung für verfassungsmäßige Zustände begonnen. H. gewann in der Rheinprovinz immer größeren Einfluß, immer entschiedenere Anerkennung und 1847 konnte er im vereinigten Landtage seine bedeutende staatsmännische Begabung zur Geltung bringen. Seine hier der Form nach nur auf Erweiterung des Zollvereins gemachten Vorschläge hatten keinen andern Zweck, als die Gründung eines engeren Bundes unter der Führung Preußens, und mit Recht behauptete er später, daß, wenn außer England auch Preußen dem Fürsten Metternich entgegengetreten wäre, Guizot mit Oesterreich allein nicht die Politik befolgt haben würde, welche so wesentlich zur Februar-Revolution beigetragen hat. Jedenfalls meinte er, würde dann Preußen und die mit ihm durch ein gemeinsames öffentliches Institut verbundenen deutschen Staaten, den Erschütterungen von 1848 eher entgangen sein. Im Herbst 1847 machte er eine politische Reise nach Süddeutschland und in der Versammlung zu Heppenheim ging sein Vorschlag durch, eine Erweiterung des Zollvereins zu einer politischen Macht mit einer durch eine Delegirtenversammlung zu Stande zu bringenden Volksvertretung ins Werk zu setzen, ohne mit Oesterreich in ein näheres Verhältniß als das durch den Bund bestehende, zu treten. Ganz entgegengesetzt waren die Vorschläge, welche gleichzeitig General v. Radowitz Friedrich Wilhelm IV. unterbreitete und und nach welchen die Ausdehnung des Zollvereins auf den ganzen Bund voraussichtlich eine neue Unterordnung Preußens unter Oesterreich und die Abhängigkeit des finanziellen Schicksals Deutschlands von Oesterreich zur Folge gehabt hätte. Inmitten dieser Schwankungen und Vorbereitungen traf die Nachricht von der Februar-Revolution ein. H. richtete sofort ein Schreiben an den Minister von Bodelschwingh, das für die Zeitgeschichte von wahrhaft monumentaler Bedeutung ist. Er wies die Falschheit des bis dahin befolgten Grundsatzes nach, daß die Dynastien eine höhere Bedeutung als die Völker haben, zeigte wohin diese Grundsätze führen und beantragte, der König solle wie 1813 zum Volke reden, Preßfreiheit, eine endgültige Bildung der Volksvertretung und den Antrag beim Bundestage zusagen, unverzüglich Abgeordnete in Frankfurt zu vereinigen, um in Uebereinstimmung mit den Fürsten, die Reform der Bundesverfassung zu beschließen. „Ich flehe Sie an“, schrieb H., „die inhaltsschwere Wichtigkeit des Momentes zu erfassen und Sr. Majestät zu rathen, sich an die Spitze deutscher Freiheit und Unabhängigkeit zu stellen.“ Herr v. Bodelschwingh [533] hat auf diesen Brief nicht geantwortet und am 5. März, als die Sitzungen des vereinigten Landtags geschlossen wurden, war nichts als die vierjährige Versammlung der letzteren zugesagt. Am 18. März mußte das Ministerium Bodelschwingh sich zurückziehen. Nachdem H. am 5. der bekannten Versammlungen in Heidelberg und am 24. der der Mitglieder der Gemeinderäthe der rheinischen Städte beigewohnt hatte, reiste er nach Berlin ab und als er am 26. daselbst eintraf, hatte man ihn bereits telegraphisch berufen mit Camphausen in das Ministerium zu treten. Letzterer selbst erhielt seine Berufung nur unter der ausdrücklichen, sehr charakteristischen Bedingung, daß H. nicht Präsident des Ministeriums würde. So wurde H. am 29. Finanzminister und leitete bis zu Patow’s Eintritt am 17. April auch das Handelsministerium. In der Ueberzeugung, dem Staate während dieser Krisis seine Dienste nicht versagen zu dürfen, mußte er einstweilen seine Ansichten über das allgemeine Stimmrecht und über die deutsche Verfassungsfrage opfern; aber mit Bedauern sah er einerseits die Urwahlen, andererseits das Erbkaiserthum in Scene gesetzt. Das Ministerium Camphausen hatte sich die Aufgabe gestellt, die ganze Bewegung vom Throne ab- und auf sich zu lenken. Nachdem es am 20. Juni seine Entlassung gegeben hatte, beauftragte der König H. mit der Bildung eines neuen, und so übernahm Rudolf von Auerswald das Präsidium, während H. Finanzminister blieb. Als solcher war sein Zweck besonders der, die Verwaltung zu vereinfachen und Ersparnisse einzuführen, sich in jener Zeit vielfach angeregten gefährlichen Aenderungen zu widersetzen, Maßregeln zur Ueberdauerung der Finanz- und Handelskrisis zu treffen und dem Staate kräftige Wehrmittel nach Innen und Außen zu sichern. Seine reformatorische Thätigkeit zog ihm Feinde zu, von denen ein Theil erst später seinem Wirken gerechter geworden ist. H. hat in seiner bereits erwähnten Schrift: „Das preußische und deutsche Verfassungswerk“, sowohl die Thätigkeit der Ministerien Camphausen und Auerswald, wie die damaligen Zustände überhaupt in breiten Strichen anschaulich beschrieben und unter andern durch Auszüge aus der Presse nachgewiesen, daß diese Ministerien bei dem hohen Wogengange der revolutionären Strömung, in ihren liberal-conservativen Bestrebungen schlecht unterstützt wurden. Nach der Bildung des Ministeriums Pfuel, reiste H. am 21. September nach Frankfurt a. M. und versuchte daselbst Heinrich von Gagern und den hervorragendsten Mitgliedern des Parlaments das Irthümliche ihrer Ansichten in Betreff der Verfassung Deutschlands nachzuweisen, indem er ihnen ein Gegenprojekt vorlegte. An die Stelle des Erbkaiserthums setzte er einen obersten Reichsrath, der nur aus dem Kaiser von Oesterreich, dem Könige von Preußen und einem auf Lebensdauer gewählten Fürsten bestehen sollte. Er organisirte sodann einen engeren und einen weiteren Bund, aus welch’ ersterem Oesterreich und Limburg ausgeschlossen blieben. Er war durchaus gegen die Souveränitätsansprüche der deutschen Nationalversammlung. In diesem Sinne ließ er im October 1848 in Frankfurt die Schrift: „Die deutsche Verfassungsfrage“ erscheinen, aus welcher unter anderen die nachfolgende Stelle, die man indessen heute nur dann richtig beurtheilen kann, wenn man den großen Unterschied zwischen der damaligen und der heutigen Lage in Auge behält, höchst charakteristisch ist. H. sagte: „Untergraben wird das monarchische Princip in den Einzelstaaten, sobald über deren Monarchen ein erblicher Oberherr mit ausgedehnten Befugnissen steht, und ein solcher ist vorhanden, wenn die Centralgewalt erblich in einem Regentenhause ist. In der Wirklichkeit ist Jemand nicht mehr Monarch, sondern nur ein erblicher untergeordneter Beamter, sobald er einen solchen Oberherrn hat.“ Er fuhr fort, sich nicht minder eifrig mit den preußischen Verfassungswirren zu beschäftigen und angesichts der zerfahrenen Verhältnisse [534] im November 1848, legte er dem Könige zwei zwei von ihm in Eile ausgearbeitete wichtige Titel der zu vereinbarenden Verfassung vor, nach welchen beide Kammern in Preußen wählbar sein sollten. Die von der Regierung am 5. December octroyirte Verfassung tadelte er, weil sie nach seiner Ansicht einerseits ultrademokratische Begriffe und Schlagwörter wie den Satz: „Der preußischen Jugend wird durch genügende öffentliche Anstalten das Recht auf allgemeine Volksbildung gewährleistet“, aufgenommen hatte, andererseits die wahren constitutionellen Grundsätze beseitigte. Ebenso entschieden tadelte H. das Wahlgesetz vom 6. December, welches die Regierung selbst kurz darauf als staatsgefährlich erkannte. In die erste Kammer gewählt, beeinflußte er im Frühjahr 1849 eine Abänderung dieses Gesetzes in conservativem Sinne und trug so zu dem Wahlgesetze vom 30. Mai bei. Auch erkannte er, ohne sich mit ihm zu vermengen, die Nothwendigkeit der Unterstützung des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel an, arbeitete aus den zum Theil schon angeführten Gründen und weil er sie überhaupt für revolutionär und unausführbar hielt, mit vollen Kräften gegen die Annahme der deutschen Verfassung von Seiten Preußens und schrieb im Frühjahr die zur Zeit stark verbreitete Schrift: „Die deutsche Verfassung vom 28. März 1849“. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, die in Preußen vorhandene günstige Strömung für die Kaiseridee zu unterbrechen und der politische Einfluß Hansemann’s gipfelte vielleicht in den Wirkungen dieser Schrift, deren Inhalt durch seine Vorschläge in der ersten Kammer unterstützt wurde. Durch die Zustimmung hervorragender Männer ermuthigt, arbeitete er nunmehr im Mai 1849 selbst den in sechs Abschnitte und 118 Artikel zerfallenden „Entwurf einer von Preußen den mittleren und kleineren Staaten vorzuschlagenden Verfassung zur Begründung eines Bundesstaates“ aus. Dieser Entwurf ist in der bereits erwähnten Schrift: „Das preußische und deutsche Verfassungswerk“ abgedruckt, und leidet, von den bekannten Gebrechen der damaligen Idee eines engeren Bundes abgesehen, daran, daß er weder der berechtigten Rolle Preußens noch den Bestrebungen des deutschen Volkes überhaupt gerecht werden konnte. Seine Entstehungsweise erklärt sich aber vollkommen, theils aus der ganzen liberal-conservativen Richtung Hansemann’s, theils aus den damals zerrütteten Zuständen, angesichts deren sich zunächst die Nothwendigkeit eines Absperrens der revolutionären Bewegung und der Beseitigung der Deutschland von Außen drohenden Gefahren darstellte. Der Briefwechsel, welchen H. hierüber mit dem damals zum Theil weit volkstümlicher gesinnten General v. Radowitz führte, ist zeitgeschichtlich merkwürdig. Am 22. Mai 1849 schrieb er letzterem unter andern: „habe ich Recht, wenn ich behaupte, daß mit dem allgemeinen Stimmrecht und einem zahlreichen Volkshause, dem verfassungsmäßig die wichtigsten Befugnisse beigelegt sind, ein Staat nicht bestehen kann? Daß selbst mit einem Wahlgesetze, wie es ursprünglich von dem Verfassungsausschusse in Frankfurt vorgelegt wurde, in einem Bundesstaate, mit jenem Volkshause der Bestand einer ordentlichen Regierung unverträglich sein dürfte, daß die Einführung der Grundrechte genügt, die staatliche Ordnung unmöglich zu machen?“ Als darauf der Verfassungsentwurf Preußens am 26. Mai erschien und von der Denkschrift vom 11. Mai erläutert wurde, unterzog H. beide Actenstücke einer einschneidenden, nach Paragraphen geordneten Kritik, die in mehrfacher Beziehung lehrreich ist. Er glaubte in ihr darzuthun, „daß der preußische Entwurf, unter der Mediatisierung der Einzelstaaten (einschließlich Preußens) einen neuen Einheitsstaat bilde“, und wies nach, „daß die Denkschrift Widersprüche enthielt, die entweder etwas sagen was in der Verfassung gar nicht steht, oder gar das Gegentheil von dem ausdrücken, was in derselben bestimmt ist.“ Mit diesen Bestrebungen und Kämpfen endete die eigentliche politische Thätigkeit Hansemann’s. [535] Zum Chef der preußischen Bank ernannt, trat er, als die Reaction übermächtig geworden war, im März 1851 auch aus dieser Stellung und gründete unter dem Namen „Discontogesellschaft“ in Berlin jenes große Bankinstitut, welches sich, späteren Schöpfungen der Art zum Vorbilde dienend, eines außerordentlichen Erfolges erfreute und unter der sicheren Leitung seines seither in den Adelsstand erhobenen Sohnes, in erweiterten Verhältnissen fortbesteht. In den fünfziger Jahren beabsichtigte H. eine ähnliche Bank in St. Petersburg zu gründen, unterhandelte dieserhalb in Paris mit bedeutenden Finanzmännern, ohne indessen das Unternehmen zu Stande zu bringen. Um die Interessen Preußens und Deutschlands machte er sich noch durch eine That verdient, die bisher nur in engeren Kreisen bekannt ist. Oesterreich hatte, kaum wiedererstarkt, Preußens Macht auch im Auslande zu untergraben gesucht und Fürst Schwarzenberg beeinflußte die französische und englische Presse, in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit, indem er nicht allein den von ihm abhängenden Legationen besondere Verhaltensmaßregeln in diesem Sinne ertheilte, sondern auch durch außerordentliche Agenten, namentlich durch Herrn von Lackenbacher, Flugschriften und Zeitungsartikel gegen Preußen verbreiten ließ. Von Paris her angeregt, nahm H. schon während Freiherr v. Schleinitz das auswärtige Ministerium leitete, Veranlassung, die Ernennung eines der preußischen Gesandtschaft in Paris beizugebenden Fachmanns für die auswärtigen Preßangelegenheiten zu veranlassen, und wurde so der Urheber jenes denkwürdigen Commissoriums, durch welches die deutschen Interessen während zwanzig Jahren in der französischen Presse die nachhaltigste Vertheidigung fanden. Das willfährige Verhalten Napoleon’s III. gerade in den kritischen Momenten, von der schleswig-holsteinischen Angelegenheit bis zum Frieden von Nicolsburg, wäre geradezu unmöglich gewesen, wenn die Staatsmänner und die öffentliche Meinung in Frankreich überhaupt, nicht durch zahlreiche Veröffentlichungen im Sinne der vollen Berechtigung Deutschlands, sich nach seinen naturgemäßen Verhältnissen zu gestalten, beeinflußt gewesen wären. Es war dies um so nothwendiger, als die französische Nation von den territorialen Plänen des Kaisers zu Gunsten Frankreichs schlechterdings nichts wußte. Hansemann’s Gesundheit hatte in Folge angestrengter Arbeit schon seit Jahren gelitten. Er starb am 4. August 1864 in Schlangenbad. Durch eigene Kraft aus beschränkten Verhältnissen emporgestiegen, war er der Typus des vornehmen deutschen Bürgers, von schlichtem Wesen, voll scharfsinniger Beredsamkeit und aufopferungsfähig für das Wohl des Vaterlandes. Mit dem alten deutschen Patricierwesen hatte er auch Gastfreundschaft und Kunstsinn gemein. Schon in Aachen war sein Haus ein Vereinigungspunkt von Künstlern und Gelehrten. Für Schindler, der Freund Beethoven’s, der seine Tochter Bertha zur vollendeten Künstlerin ausbildete, hatte er bei Friedrich Wilhelm IV., gegen die Abtretung seiner jetzt in der Berliner Bibliothek befindlichen Manuscripte und Reliquien Beethoven’s, eine lebenslängliche Pension erwirkt. Außer den bereits angeführten Schriften hat man von ihm noch: „Die Eisenbahn und ihre Actionäre“, 1836; „Die Mahl- und Schlachtsteuer in Aachen und Burtscheid“: 1846 und „Die politischen Tagesfragen mit Rücksicht auf den rheinischen Landtag“, 1846.