Wulfhere

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Britannien im 7. Jahrhundert

Wulfhere (auch Uulfhere, Uulfherus, Vulfhere, Wlfarius, Wlfharius, Wulfere, Uulfharius; † 675) war in den Jahren 658 bis zu seinem Tod König des angelsächsischen Königreiches Mercia.[1] Einige Historiker datieren seine Regierungszeit in die Jahre von 657 bis 674.[2]

Wulfhere war ein jüngerer Sohn von König Penda aus der Dynastie der Iclingas. Sein (Halb-)Bruder Merewalh (fl. 650), ein Unterkönig der Magonsæte, scheint aus einer früheren Ehe seines Vaters zu stammen. Weitere Geschwister, die vermutlich aus Pendas Ehe mit Cynewise[3] hervorgingen, waren seine Brüder Peada (655–656) und Æthelred (674/675–704), die ebenfalls als Könige Mercias herrschten.[4] Seine Schwester Cyneburg war mit Ealhfrith (655–664), dem Unterkönig von Deira verheiratet.[5]

Wulfhere war mit Eormenhild, einer Tochter des Königs Earconberht I. von Kent und dessen Frau Seaxburg, verheiratet.[6] Sein Sohn Cenred (704–709) wurde später ebenfalls König von Mercia und seine Tochter Werburg Äbtissin des Klosters Ely.[7]

Nachdem Penda 655 im Kampf gegen Oswiu von Northumbria in der Schlacht von Winwaed gefallen war, folgte zunächst Wulfheres Bruder Peada als Unterkönig Oswius im Süden Mercias auf den Thron, während Oswiu den Norden selbst regierte. Peada wurde bereits 656 ermordet. Daraufhin herrschte Oswiu selbst über Mercia, bis im Jahr 658 die mercischen Ealdormen Immin, Eafa und Eadberht gegen ihn revoltierten und mit Wulfhere den jüngeren Sohn Pendas zum König Mercias erhoben.[1]

Wulfhere war, wie sein Bruder Peada, aber im Gegensatz zu seinem Vater Penda, Christ; er setzte energisch die Fortsetzung der Christianisierung mit Hilfe der Geistlichen Jaruman und Chad durch.[8] Die Ernennung Trumheres zum Bischof von Mercia, Lindsey und des Gebiets der Mittelangeln[9] um das Jahr 659 könnte ein Versuch König Oswius gewesen sein, die Oberherrschaft Northumbrias über Mercia zu festigen,[10] wobei jedoch angemerkt worden ist, dass es gerade der mercische König Wulfhere gewesen sein könnte, der Trumhere eingesetzt hatte, um den northumbrischen Einfluss, repräsentiert durch Ceollach, zu verringern.[11] Wulfhere betrieb eine expansive Politik und konnte sich in der Folge als Oberkönig der südhumbrischen Königreiche etablieren. Die Herrschaft über Mercia, die Mittelangeln und Lindsey übte er selber aus.[1] Vermutlich wurde das Tribal Hidage zur Zeit Wulfheres als Steuerliste angelegt.[12]

Er unternahm um 660[13] einen erfolgreichen Feldzug gegen die von Jüten besiedelte Isle of Wight und das zu Wessex gehörende Meonwara (Tal des Flusses Meon, südöstliches Hampshire). Beide provinciae (Provinzen), die zuvor eine „Pufferzone“ zwischen den Königreichen Sussex und Wessex bildeten, unterstellte er dem ihm untergeordneten König Æthelwalh von Sussex.[14] Um das Jahr 661 ließ sich Æthelwalh auf Veranlassung Wulfheres, der sein Taufpate war, in Mercia zum Christentum bekehren.[15] Sogleich wurde mit der Missionierung der Isle of Wight begonnen.[1][16]

661 fiel Wulfhere in Wessex ein. König Cenwalh stellte sich bei Posentesbyrg (Lage unbekannt) zur Schlacht. Von Wulfhere verfolgt musste er sich bis Ashdown in Berkshire zurückziehen.[17] Cenwalh entzweite sich um 663 mit Bischof Wine, der zu Wulfhere nach Mercia floh und von diesem 666 das Bistum London erwarb.[18]

Als während einer Seuche in den Jahren 663/664 zahlreiche Ostsachsen ins Heidentum zurückfielen, war dies der Vorwand für König Wulfhere die Oberherrschaft über Essex anzustreben. Er sandte um 665 den mercischen Bischof Jaruman zur Rechristianisierung nach Essex. Tatsächlich ging es um die Kontrolle über das blühende Handelszentrum London.[19] In einer Charta aus dem Jahr 664 bezeichnete sich König Sighere von Essex selbst als Sighere Rex … Regi Uulfhero subjectus („König Sighere … Untertan des Königs Wulfhere“).[20]

Der northumbrische Bischof Wilfrid musste sich 666 für drei Jahre ins Exil in sein Kloster in Ripon zurückziehen. Von dieser Basis aus wirkte er bis 669 als Bischof in Mercia. Wulfhere übergab ihm große Ländereien, auf denen er Klöster errichtete.[21] Wulfhere förderte auch andere Klöster, wie z. B. Barking[22] oder durch Landschenkungen bei Barrow an den mercischen Bischof Chad.[1] Weitere Landschenkungen sind durch Chartas belegt.[23] Wulfhere vollendete den von Oswiu und Peada begonnenen Bau der Kathedrale von Peterborough und gewährte dem Kloster Abgabenfreiheit.[24]

Um 669 erlangte Wulfhere die Oberherrschaft über Surrey von seinem Schwager Ecgberht von Kent.[25] Nach Ecgberhts Tod am 4. Juli 673 kam es in Kent zu einem einjährigen Interregnum durch Wulfhere.[26]

Der Versuch einer Invasion in Northumbria im Jahre 674 wurde von Ecgfrith zurückgeschlagen. Ecgfrith brachte das Königreich Lindsey und vermutlich einen großen Teil Mercias unter seine direkte Kontrolle.[27] Nach einer militärischen Niederlage gegen Northumbria schwand Wulfheres Einfluss und im Jahr 675, dem Todesjahr Wulfheres, beurkundete der kentische König Hlothhere im „ersten Jahr seiner Herrschaft“ eine Charta[28] ohne die sonst übliche Zustimmung der Hegemonialmacht Mercia.[29] Ein erneuter Krieg Wulfheres gegen Wessex im Jahr 675 blieb erfolglos; er starb noch im selben Jahr in der Schlacht von Bedanheafde (nicht identifiziert) gegen König Æscwine von Wessex.[30] Nachfolger als Könige von Mercia wurden nacheinander sein Bruder Æthelred (675–704) und sein Sohn Cenred (704–709).[31]

  • Mary Tout: Wulfhere. In: Sidney Lee (Hrsg.): Dictionary of National Biography. Band 63: Wordsworth – Zuylestein. MacMillan & Co, Smith, Elder & Co., New York City / London 1900, S. 170–172 (englisch, Volltext [Wikisource] – teilweise veralteter Forschungsstand).
  • Simon Keynes: Wulfhere. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 490–491.
  • Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England. Routledge, London / New York 2002, ISBN 0-415-16639-X; cultorweb.com (PDF; 6,2 MB).
  • D. P. Kirby: The Earliest English Kings. Unwin Hyman, London 1991, ISBN 0-04-445691-3.
  • Michelle P. Brown, Carol Ann Farr (Hrsg.): Mercia: An Anglo-Saxon Kingdom In Europe. Continuum, 2005, ISBN 0-8264-7765-8.
  • Nicholas J. Higham: The Convert Kings: Power and Religious Affiliation in Early Anglo-Saxon England. Manchester University Press, Manchester 1997, ISBN 0-7190-4827-3.
  • Steven Basset (Hrsg.): The Origins of Anglo-Saxon Kingdoms. Leicester University Press, Leicester 1989, ISBN 0-7185-1317-7.
  • James Campbell et al. (Hrsg.): The Anglo-Saxons. Phaidon, London 1982, ISBN 0-7148-2149-7.
  • Frank M. Stenton: Anglo-Saxon England. 3. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1971, ISBN 0-19-280139-2.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e Simon Keynes: Wulfhere. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 490–491.
  2. Michelle P. Brown, Carol Ann Farr (Hrsg.): Mercia: An Anglo-Saxon Kingdom In Europe. Continuum, 2005, ISBN 0-8264-7765-8, S. 147.
  3. John Cannon, Anne Hargreaves: The Kings and Queens of Britain. 2. überarb. Auflage. Oxford University Press, 2009, ISBN 978-0-19-955922-0, S. 44–45.
  4. Simon Keynes: Penda. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 361–362.
  5. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London / New York 2002, ISBN 0-415-16639-X, S. 82.
  6. Mary Dockray-Miller: Motherhood and Mothering in Anglo-Saxon England. Palgrave Macmillan, 2000, ISBN 0-312-22721-3, S. 13.
  7. Mary Tout: Wulfhere. In: Sidney Lee (Hrsg.): Dictionary of National Biography. Band 63: Wordsworth – Zuylestein. MacMillan & Co, Smith, Elder & Co., New York City / London 1900, S. 170–172 (englisch, Volltext [Wikisource] – teilweise veralteter Forschungsstand).
  8. F. Stenton, Anglo-Saxon England. S. 130
  9. A. Vince: Pre-Viking Lindsey. S. 144
  10. N. J. Higham: The Convert Kings: Power and Religious Affiliation in Early Anglo-Saxon England. S. 247.
  11. P. Stafford: The East Midlands in the Early Middle Ages. S. 98.
    M. Gelling: The West Midlands in the Early Middle Ages. S. 95.
  12. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London / New York 2002, ISBN 0-415-16639-X, S. 10.
  13. Barbara Yorke: Wessex in the early Middle Ages. Continuum, 1995, ISBN 0-7185-1856-X, S. 39–40.
  14. S. E. Kelly: Sussex, Kingdom of. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 431–432.
  15. Beda: HE 4,13
  16. John Allen Giles: The Anglo-Saxon Chronicle. G. Bell and sons, London 1914, S. 22 (englisch, Textarchiv – Internet Archive – Eintrag zum Jahr 661).
  17. Barbara Yorke: Cenwalh. In: Henry Colin Gray Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB). Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861411-X; doi:10.1093/ref:odnb/4996 (Lizenz erforderlich), Stand: 2004.
  18. Beda: HE 3,7
  19. Barbara Yorke: The Kingdom of Essex. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. S. 174–175.
  20. S68. anglo-saxons.net
  21. Alan Thacker: Wilfrid. In: Henry Colin Gray Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB). Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861411-X; doi:10.1093/ref:odnb/29409 (Lizenz erforderlich), Stand: 2004.
  22. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London / New York 2002, ISBN 0-415-16639-X, S. 55.
  23. @1@2Vorlage:Toter Link/ascharters.netCharta S1246 (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2020. Suche in Webarchiven) ascharters.net @1@2Vorlage:Toter Link/ascharters.netCharta S68 (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2020. Suche in Webarchiven) @1@2Vorlage:Toter Link/ascharters.netCharta S787 (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2020. Suche in Webarchiven) etc.
  24. ASC, s. a. 655 und 656.
  25. John Blair: Chertsey. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England, Wiley-Blackwell, 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 102
  26. D. P. Kirby: The Earliest English Kings. Routledge, 2000, ISBN 0-415-24211-8, S. 96.
  27. J. R. Maddicott: Ecgfrith (645/646–685). In: Henry Colin Gray Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB). Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861411-X; doi:10.1093/ref:odnb/37384 (Lizenz erforderlich), Stand: 2004.
  28. S7
  29. Frank Merry Stenton (Autor), Doris Mary Stenton (Hrsg.): Preparatory to Anglo-Saxon England: Being the Collected Papers of Frank Merry Stenton (Oxford Scholarly Classics), Oxford University Press, 2001, ISBN 0-19-822314-5, S. 50.
  30. D. P. Kirby, The Earliest English Kings. S. 43
  31. Simon Keynes: Kings of the Mercians. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 505–508.
VorgängerAmtNachfolger
OswiuKönig von Mercia
658–675
Æthelred