Synarchie
Synarchie (griechisch συναρχία synarchía) ist im allgemeinen Wortsinn eine Herrschaftsform, bei der viele Personen gemeinsam die Herrschaft ausüben. Insbesondere bezeichnet der Begriff eine mit dem Katholizismus politische Strömung der 1930er Jahre in Frankreich und Lateinamerika. Von der Synarchie zu unterscheiden ist die Synkratie.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Begriff (synarchy) wurde erstmals von dem englischen Theologen Thomas Stackhouse (1677–1752) verwendet. Der Okkultist Alexandre Saint-Yves d’Alveydre (1842–1909) griff ihn in der Auseinandersetzung mit Anarchisten und Sozialisten auf und verband ihn mit Vorstellungen der Mystik, des Templerordens und der Rosenkreuzer. In den 1920er Jahren fand die Idee der Synarchie in den Hochschulen Frankreichs durch die Esoterik des Theosophen Louis Claude de Saint-Martin (1743–1803) große Resonanz. Dessen Schüler, die sogenannten Martinisten, und die Anhänger der okkulten Saint-Yves-Schule, hingen den Traditionen und Weltreichsträumen Kaiser Napoleon Bonapartes an und wurden als Synarchisten bezeichnet. Ihr Ziel war es, die soziale und politische Unruhe in Frankreich und weltweit durch eine gerechte Politik für alle Klassen „weder rechts noch links“ zu befrieden. Viele soziale Bewegungen stützten sich in der Folge auf dieses Gedankengut und wurden teils in polemischer Absicht als Synarchisten bezeichnet oder des Synarchismus verdächtigt.
Solche korporatistischen bis klerialfaschistischen, als synarchistisch bezeichneten Bewegungen, die sich auf die katholische Soziallehre und vor allem auf die sozialismuskritische Enzyklika Rerum novarum des Papstes Leo XIII. stützten, erstarkten Ende der 1930er Jahre vor allem in Frankreich (wobei sich die faschistischen Kollaborateure des Vichy-Regimes vom Verdacht des Synarchismus abgrenzten),[1] sowie in Argentinien und Mexiko.
Sinarquismo in Mexiko
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Mexiko wurde die Bewegung von ultrakonservativen Katholiken wie der 1922 gegründeten katholischen Jugendbewegung unter René Capistrán Garza sowie von faschistischen und falangistischen Gruppen initiiert, die sich gegen den militant antiklerikalen Kurs der Regierung, den zunehmenden Einfluss des „Yankee-Imperialismus“ der USA, die liberale Demokratie und später auf die Seite der Achsenmächte stellten. Die Flügel der Synarchisten sympathisierten dabei entweder mit Francisco Franco oder José Antonio Primo de Rivera. 1937 gründete sich in Mexiko die Unión Nacional Sinarquista (UNS) mit mehreren Hunderttausend Mitgliedern unter José Antonio Urquiza. Sie spaltete sich in den 1940er Jahren und löste sich 1951 auf. Sie agitierte auch gegen die Zuwanderung exilierter Juden. Die USA sahen in dieser Bewegung eine ernsthafte Gefahr und vermuteten, dass sie auch von Deutschen in Lateinamerika unterwandert wurde.[2]
Die Nachfolgeorganisationen der UNS, darunter der Partido Demócrata Mexicano, spielten noch bis in die 1990er Jahre eine gewisse Rolle.[3]
Verschwörungserzählungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In einem verschwörungstheoretischen Geschichtsbild versteht man unter Synarchie eine geheime Weltregierung, die je nachdem mit der Bilderberg-Konferenz, der Freimaurerei, dem Illuminatenorden, der Paneuropa-Union, der Trilateralen Kommission, der Studentenverbindung Skull & Bones der Yale University oder dem neokonservativen Project for the New American Century in Verbindung gesetzt wird. Viele dieser Theorien beziehen sich auf die Zeit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre und die damaligen Erfolge faschistischer Regierungen in Europa oder auf die interventionistische US-Außenpolitik unter George W. Bush. In Frankreich wird eine synarchische nazifreundliche Verschwörung mit der Banque Worms in Verbindung gebracht, die zur Zeit der Vichy-Regierung erheblich profitiert. Solche Theorien werden u. a. in der von Lyndon LaRouche gegründeten Zeitschrift Executive Intelligence Review vertreten.[4]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Heinz Kloss: Saint Yves d'Alveydre und die synarchistische Bewegung als Trägerin des Dreigliederungsgedankens. In: Beiträge zur Dreigliederung des sozialen Organismus, 16. Jg., Nr. 26, Dez. 1974.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Soziale Dreigliederung nach Rudolf Steiner
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Dominique Venner: Histoire de la Collaboration. Éditions Pygmalion, Paris 2004.
- ↑ Max Paul Friedman: Nazis and Good Neighbors: The United States Campaign Against the Germans of Latin America in World War II. Cambridge University Press, New York 2003.
- ↑ Hector Hernandez Garcia de Leon: The Sinarquista Movement with special reference to the period 1934-1944. PhD thesis, London School of Economics and Political Science 1990. Online (PDF, englisch)
- ↑ Beispiel: Jeffrey Steinberg: Synarchism: The Fascist Roots of the Wolfowitz Cabal. Executive Intelligence Review, 30. Mai 2003. Online