Bregenzerachschlucht
Die Bregenzerachschlucht, auch kurz Achschlucht oder Achtal genannt, ist eine Waldschlucht der Bregenzer Ach und seit 1995 ein Europaschutzgebiet (Natura 2000 Gebiet) im Gebiet der Gemeinden Doren, Langen bei Bregenz, Bregenz (Ortsteil Fluh), Kennelbach, Alberschwende, Buch und Wolfurt.
Lage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Schutzgebiet beginnt bei der Einmündung der Weißach und beim Kraftwerk Alberschwende und geht bis zum Ende der Schlucht bei Wolfurt/Kennelbach, wo die Bregenzer Ach in die Rheintalebene eintritt. Die Schlucht selbst geht von Egg bis Wolfurt/Kennelbach. Rechtsseitig sind die Allgäuer Alpen mit dem Sulzberg-Rücken und dem Pfänderstock, linksseitig ist das Bregenzerwaldgebirge mit dem Schneiderkopf. Hier liegt der teils schwer zugängliche Ippachwald. Der rechtsseitige Wald ist noch schwerer zugänglich.
Geologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bregenzerachschlucht gehört zur aufgerichteten granitischen Molasse.[1] Rechtsseitig liegen die Gesteinsschichten schräg in Richtung Fluss, daher rutschen hier die Hänge besonders oft ab. Ungünstigerweise wurde die Bregenzerwaldbahn auf dieser Seite gebaut.[2]
Forstwirtschaft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bregenzer Ach wurde ab dem 11. Jahrhundert zum Holztriften verwendet. Die gefällten Baumstämme wurden markiert und über den Fluss bis in die Rheintalebene verfrachtet. Es war in diesem Gebiet die einzige Möglichkeit, das Holz zu transportieren. Mit der Errichtung der Bregenzerwaldbahn im Jahr 1902 verlor die Holztrift an Bedeutung. Ein Lehrpfad mit Informationstafeln in Kennelbach (im Anfangsbereich der Schlucht) erinnert an diese schwere und gefährliche Arbeit.[3] Bis etwa 1950 war die Bevölkerung sehr arm. Geschlägertes Holz war damals sehr wertvoll und wurde dringend als Nutzholz benötigt. Brennholz gewann man durch Wildholzsammeln und Holzfischen bei und nach den Hochwässern. Es gab zahlreiche Konflikte um das Holz und erforderte gesetzliche Regelungen darüber. Die Holztrift war eine sehr gefährliche Arbeit, es kam immer wieder zu schweren Unfällen. Auch Holzfischen bei Hochwasser war extrem gefährlich.[4][5]
Bregenzerwaldbahn
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von 1900 bis 1902 wurde die Bregenzerwaldbahn gebaut. Der kritischste Teil der Schmalspurbahn verlief durch die Bregenzerachschlucht. Hangrutschungen, Felsstürze und Hochwasser führten immer wieder zu Unfällen und Streckenunterbrechungen. Die Hangrutschungen nahmen bedingt durch die globale Erwärmung immer mehr zu. 1980 wurde dieser Streckenabschnitt endgültig aufgegeben. 1985 erfolgte die dauerhafte und offizielle Streckenstilllegung.
Die Bahn verlief von Bregenz nach Bezau. Bei km 5,4 begann die Strecke durch die Bregenzerachschlucht kurz nach dem Bahnhof Kennelbach. Bereits bei km 7,0 war der Erdrutsch, der zur endgültigen Schließung der Bahn führte.[6] Von dieser Stelle an bis zum ehemaligen Bahnhof Doren-Sulzberg ist die Trasse verwildert.
Wildnis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit 1980 gibt es keine Verkehrsverbindung mehr durch die Bregenzerachschlucht. Die Gleise wurden abgebaut. Es gibt keine Verbauungen in diesem Gebiet außer verfallenen Stützmauern der alten Bahntrasse. Auch als Wanderweg ist die Strecke immer wieder gesperrt wegen Hangrutschungen und beschädigten Brücken. Die Tunnel sind einsturzgefährdet. So ist die Schlucht immer mehr verwildert. Auch die Wälder werden kaum noch forstwirtschaftlich genutzt, da die Hänge sehr steil und instabil sind. Die Schlucht ist einer der wenigen Orte in der Region, wo man über weite Strecken keine Spuren der menschlichen Zivilisation sieht. Ab 1980 kamen kaum Menschen in diese Region, weil es hierher keine Straße und keinen Weg gab. Diese Naturbelassenheit führte schließlich zur Errichtung eines Europaschutzgebietes.
Europaschutzgebiet
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit 1995 ist der untere Teil der Bregenzerachschlucht ein Natura 2000-Europaschutzgebiet. Die Gebietsnummer ist AT3405000. Es ist ein Fauna-Flora-Habitat-Gebiet nach Richtlinie 92/43/EWG. Das geschützte Gebiet ist 434,02 ha groß.[7]
Die Schlucht soll als vielgestaltiger Komplex verschiedener Biotoptypen wiederhergestellt und erhalten werden. Der Wald soll naturnah bleiben, vor allem die edelholzreichen Schlucht- und Hangmischwälder. Auch die zahlreichen Kalktuffquellen sollen erhalten bleiben. Besonders schützenswert sind der Frauenschuh (Cypripedium calceolus), die Koppe (Cottus gobio) und die Gelbbauchunke (Bombina variegata). Daneben ist das Gebiet bedeutender Lebensraum für mehrere Fledermausarten, Spechte und Eulenarten.
Zelten und Campieren ist grundsätzlich verboten. Blumen pflücken oder die Entnahme von Pflanzenteilen sind ebenfalls verboten. Zwischen 1. April bis 15. Juli können einzelne Uferabschnitte gesperrt sein, wenn sensible Wasservögel im Gebiet Brutplätze suchen.[8]
Die Bregenzer Ach verändert mit jedem Hochwasser ihr Flussbett und ihre Uferböschung. Mit den zahlreichen Nebenbächen ergibt das ein einzigartiges natürliches Großbiotop.
Geschützte Lebensräume
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- alpine Flusslauf
- Buchen-Tannenwälder
- Eschen-Ahornwälder
- Eiben-Buchenwälder
- Auwälder direkt am Fluss
- Kalktuff-Quellen und Seitenbäche
- nasse Hänge
- trockene Felsformationen
Geschützte Tiere
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Schwarzspecht
- Gelbbauchunke
- Ringelnatter
- Groppe (Koppe)
Geschützte Pflanzen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wandern und Rafting
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bahntrasse war nie ein offizieller Wanderweg, allerdings nutzten viele Wanderer die Trasse. Immer wieder musste ein Betretungsverbot für die Tunnel und Brücken wegen Einsturzgefahr erlassen werden. An mehreren Stellen gibt es keinen Weg mehr.
Seit 1997 wird die Bregenzer Ach zwischen Lingenau und Kennelbach für Rafting genutzt.[9]
Konflikt über die Nutzung als Radweg
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit der Stilllegung der Bregenzerwaldbahn gibt es einen politischen Streit über die Nutzung der Trasse. Es gibt einen Interessenskonflikt zwischen Tourismus und Naturschutz. Einerseits gibt es ein Interesse an einem gut ausgebauten Radweg, der allerdings sehr teuer wäre und ständig Instandhaltungskosten verursachen würde wegen den Hangrutschungen. Für den Naturschutz wäre es gut, wenn möglichst wenige Menschen in die Schlucht kommen.
1983 wurde bereits über einen Bahntrassenradweg diskutiert. 2000 ergab ein landschaftsökologisches Gutachten im Auftrag der Regio Bregenzerwald, dass dieser massive ökologische Probleme durch Überbauungen und weitere Sicherungsmaßnahmen bewirken würde. Wegen der einmaligen Biodiversität wurde die Bregenzerachschlucht 2003 zum Europaschutzgebiet.
Es herrscht weitgehend Einigkeit, dass es einen Radweg zwischen dem Vorarlberger Rheintal und Bregenzerwald braucht. Nach einer geologischen Studie und einer Einschätzung der bautechnischen Machbarkeit eines Radwegs durch die Bregenzerachschlucht stellten das Land Vorarlberg und die Regio Bregenzerwald Anfang 2023 zwei Varianten vor, nämlich ein Weg von Kennelbach durch die Bregenzerschschlucht bis nach Egg, für den einige Tunnel neu gegraben werden müssten, und eine Strecke von Schwarzach durch das Schwarzachtobel weiter nach Egg, die zwar landschaftlich weniger reizvoll, dafür jedoch wesentlich alltagstauglicher wäre.[10]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Egon Sinz: Kennelbach - Die Geschichte einer Industriegemeinde. Hrsg.: Gemeinde Kennelbach. Ruß Druck, Lochau 1987.
- Markus Rabanser, Martin Hebenstreit: Die Bregenzerwaldbahn. Hecht-Verlag, Hard 1989, ISBN 3-85430-106-5.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Natura 2000 Standard Daten Bregenzerachschlucht
- Bregenzerachschlucht - Details zum Europaschutzgebiet
- Aktualisierung des Biotopinventars Vorarlberg - Gemeinde Alberschwende
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Arnold Keim et al.: Die subalpine Molasse des westlichen Vorarlberg. Abgerufen am 22. Juli 2023.
- ↑ Rudolf Oberhauser: Molasse-Untergrund, Helvetikum, Flysche und Klippenzonen in Vorarlberg. Abgerufen am 22. Juli 2023.
- ↑ Lehrpfad mit Informationstafeln zum Holztransport auf der Bregenzer Ach in Kennelbach
- ↑ Egon Sinz: Kennelbach - Die Geschichte einer Industriegemeinde. Hrsg.: Gemeinde Kennelbach. Ruß Druck, Lochau 1987, S. 58 ff.
- ↑ Egon Sinz: Vom Flössen, Triften und Wildholzsammeln. In: Gemeinde Kennelbach (Hrsg.): Informationen der Gemeinde Kennelbach. 1984, S. 44 ff.
- ↑ Markus Rabanser, Martin Hebenstreit: Die Bregenzerwaldbahn. Hecht-Verlag, Hard 1989, ISBN 3-85430-106-5, S. 206 ff.
- ↑ Europaschutzgebiet Bregenzerachschlucht - Schutzgüter und Erhaltungsziele. Land Vorarlberg, abgerufen am 22. Juli 2023.
- ↑ Bregenzerachschlucht. In: Naturvielfalt. Land Vorarlberg, abgerufen am 22. Juli 2023.
- ↑ Canyoning und Rafting im Bregenzerwald. Bregenzerwald Tourismus, abgerufen am 22. Juli 2023.
- ↑ Zadra/Flatz: „Ein rechtliches Gutachten für die Radverbindung zwischen Bregenzerwald und Rheintal“. Land Vorarlberg, abgerufen am 10. August 2023.