Bhairava
Bhairava (Sanskrit: भैरव, m, wörtl.: „der Furchteinflößende“ oder „der Schreckliche“), auch Bhairav genannt, ist die zerstörerische Inkarnation des Hindu-Gottes Shiva.
Legenden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es gibt verschiedene Fassungen bzw. Überlieferungen der Legenden, die sich um die Entstehung von Bhairava ranken. Zwei Hauptstränge lassen sich jedoch unterscheiden, beide sind eng verknüpft mit hinduistischen Schöpfungsmythen.
Frage nach dem höchsten Gott
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gemäß dem Kurma-Purana entbrannte eines Tages zwischen Vishnu und Brahma Streit um die Frage, wer von beiden der höchste Gott im Universum sei. Brahma forderte Vishnu auf, ihn anzubeten. Daraufhin wurde der ebenfalls anwesende Shiva, der auch den Anspruch erhob, der Höchste zu sein, so wütend, dass er die Gestalt Bhairavas annahm und Brahmas fünften Kopf abschlug. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, wurde ihm bewusst, welch schweres Vergehen er begangen hatte, nämlich einen Brahmanen-Mord. Als Buße trug er den abgeschlagenen Kopf Brahmas mit sich und wanderte ziellos umher, bis er endlich seine Schuld durch ein Bad im heiligen Fluss Ganga sühnen konnte (vgl. auch Kapalikas).
Bestrafung des Inzests
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In einer anderen Legende wird sich Brahma als Weltenschöpfer des Chaos bewusst und erschafft Sarasvati, die Göttin der Schöpfung und der Weisheit. Diese wiederum ist gleichzusetzen mit Shatarupa, in die sich Brahma so sehr verliebte, dass er einen fünften Kopf emanierte, um sie allzeit beobachten zu können. Dem Inzest Brahmas mit seiner Tochter entsprangen Manu, der erste Mensch, aber auch die Tiere. Als Bestrafung für den Inzest schlug Bhairava/Shiva daraufhin mit seinem Schwert das fünfte Haupt Brahmas ab.
Darstellungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Trotz vieler Variationsmöglichkeiten seiner Ikonografie wird Bhairava immer stehend und meist mit weitausgebreiteten Beinen in einer aggressiven Haltung dargestellt. In seinen meist vier Händen hält er einerseits die wichtigsten Attribute Shivas – den Dreizack (trishula) und die Sanduhrtrommel (damaru), andererseits aber auch ein Schwert oder eine Keule (gada) sowie den abgeschlagenen Kopf Brahmas bzw. seine Schädelschale. Sein Schmuck besteht oft aus einem Schlangenhalsband und einer Schädelkette. Begleitfiguren sind manchmal Dakinis – der skelettartig ausgemergelten Chamunda vergleichbare, nackte weibliche Himmelswesen. Sein Begleittier (vahana) ist ein Hund.
Es existieren auch Darstellungen, in denen Bhairava wie Chamunda als extrem ausgemergelter Asket zu sehen ist. Besonders in Nordindien und Nepal wird er auch in sexueller Vereinigung mit der Göttin Kali gezeigt. Er wird auch als Rakta Bhairava oder auch als Bhairava Brahma dargestellt.
Manifestationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Shivasutra wird Bhairava als der dynamische Aspekt von Shiva angesehen. Als eine der 8 Formen von Shiva hat er 8 Manifestationen[1] : Kala Bhairava (Zeit), Asitanga Bhairava, Samhara Bhairava, Ruru Bhairava (Lehrer), Krodha Bhairava (Zorn), Kapala Bhairava, Rudra Bhirava und Unmatta Bhairava (rasend) – die Namen können leicht variieren.[2] Nach Swami Lakshmanjoo[3] ist Rudra der üble Manifestationsaspekt Shivas.
Verbreitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Darstellungen Bhairavas sind hauptsächlich im Norden des indischen Subkontinents verbreitet, wobei in Nepal seine Darstellungen und seine Verehrung eine besondere Bedeutung erlangt haben. Er gilt auch als Schutzgott des Landes. Auch in die Welt des tibetischen Buddhismus bzw. des Tantrismus haben Bhairava-Darstellungen Eingang gefunden. In Südindien dominiert hingegen Virabhadra mit anderen mythologischen Hintergrundlegenden.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Anneliese und Peter Keilhauer: Die Bildsprache des Hinduismus. Die indische Götterwelt und ihre Symbolik. DuMont, Köln 1983, ISBN 3-7701-1347-0.
- Veronica Ions: Indian Mythology. Hamlyn Publishing, London 1988, ISBN 0-600-34285-9.
- Wolf-Dieter Storl: Shiva. Der wilde, gütige Gott. Koha, Burgrein 2002, ISBN 3-929512-90-4.
- Stella Kramrisch: The Presence of Siva. Princeton University Press, Princeton 1981, ISBN 0-691-01930-4.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ http://www.bhakthi.in/stotras.php?id=120 8 Manifestationen
- ↑ Archivierte Kopie ( des vom 5. Oktober 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Kashmir Shaivism: The Secret Supreme von John Hughes und Lakshman, TB 2007 Secret Supreme