Bardo-Vertrag
Der Vertrag von Bardo (auch Vertrag von Al-Qasr as-Sa'id oder Vertrag von Ksar Said) wurde am 12. Mai 1881 zwischen Repräsentanten der Französischen Republik und dem tunesischen Bey Muhammad III. al-Husain, Sadiq Bey, abgeschlossen. Mit dem Vertrag unterstellte sich der Bey einem französischen Protektorat, das bis zur Unabhängigkeit Tunesiens von Frankreich am 20. März 1956 dauern sollte.[1] Mit dem Protektorat gab der Bey seine Unabhängigkeit in der Außen- und Verteidigungspolitik sowie in Bezug auf die laufende Verwaltungsreform auf; entsprechende Entscheidungen konnten nur noch in Abstimmung mit dem jeweiligen französischen Ministerresidenten getroffen werden. Die Regelungen zur Verwaltung wurden am 5. Juni 1883 in der Vereinbarung von La Marsa überarbeitet.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Den Überfall von Angehörigen des tunesischen Stammes der Kroumer auf das Gebiet der französischen Kolonie Algerien nahm der französische Premierminister Jules Ferry zum Anlass für eine französische Militäraktion gegen Tunesien, bei der im April und Mai 1881 ein Expeditionskorps von etwa 36.000 Soldaten gelandet und gegen die Kroumer eingesetzt wurde. Die Truppen trafen auf nur geringen Widerstand, auch seitens der Regierung.
Der Vertrag von Bardo wurde General Jules Aimé Bréart, der mit einem Teil der Truppe von etwa 8000 Mann zwischen dem 3. und dem 6. Mai 1881 in der tunesischen Hafenstadt Bizerta gelandet war, in seinem vom 11. bis zum 12. Mai 1881 bezogenen Lager bei Manouba telegraphisch von der französischen Regierung übermittelt. In Begleitung einer bewaffneten Eskorte suchte Bréart zusammen mit General Pierre Léon Maurand und dem französischen Generalkonsul Théodore Roustan Sadiq Bey am 11. Mai gegen 13.00 Uhr in seinem Palast in Ksar Saïd bei Bardo auf und legte ihm dort nach einer kurzen Besprechung den Vertrag vor. Sadiq Bey erbat sich einige Stunden Bedenkzeit zur Beratung mit seinem Kabinett. Einige Minister rieten zur Flucht nach Kairouan, um von dort den Widerstand zu organisieren. Unter anderem die Präsenz der französischen Truppen in unmittelbarer Nähe zu seinem Palast trug dazu bei, dass er dies ablehnte und den Vertrag, mit dem das französische Protektorat über Tunesien begann, unterzeichnete.
Nach Abstimmung mit seiner Regierung sah Bréart auf Bitte des Beys zur Vermeidung von Unruhen von der Besetzung der naheliegenden Stadt Tunis ab. Am 15. Mai wurde Roustan um 10 Uhr in Anwesenheit von Bréart und einer bewaffneten Eskorte im Maison de France in Tunis zum ersten französischen Ministerresidenten und Ministre plénipotentiaire seiner Regierung in Tunesien ernannt. Um 16 Uhr traf Bréart wieder im Lager Manouba ein.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Volltext (französisch)
- Vertrag von Bardo im Kalenderblatt vom 12. Mai 2006 der Deutschen Welle
- World History 1880 - 1890 AD (englisch)
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fußnoten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Encyclopedia of World History (2001) Treaty of Bardo, establishing a French protectorate over Tunis. This went back to the assurances of Salisbury and Bismarck during the Congress of Berlin, but the French government had not acted because of the indifference of French public opinion in matters of colonial expansion and because of distrust of Bismarck's motives. The question was precipitated by the activity of the Italians, determined to make good their failure to secure gains at the Berlin Congress at Austria's expense. The affair initiated a long period of Franco-Italian tension and modified the Mediterranean situation to Britain's disadvantage. Gladstone protested, but the British government was committed by Salisbury's assurances.
Deutsch nach Encyclopedia of World History (2001): Mit dem Vertrag von Bardo begann das französische Protektorat über Tunis. Er ging auf eine Vereinbarung zwischen Salisbury und Bismarck anläßlich des Berliner Kongresses zurück, die von der französischen Regierung jedoch noch nicht umgesetzt worden war, da sie den Zusicherungen Bismarcks misstraute und die öffentliche Meinung zur Ausweitung des Kolonialbesitzes gegen sich gerichtet sah. Auslösend waren die Aktivitäten der Italiener, die sich in ihren kolonialen Ansprüchen zu Lasten Österreich-Ungarns auf dem Berliner Kongress benachteiligt sahen. Die Angelegenheit führte zu lang anhaltenden Spannungen zwischen Italien und Frankreich und die Situation im Mittelmeer verschlechterte sich zu Lasten des Vereinigten Königreichs. Gladstone protestierte zwar, die britische Regierung sah sich jedoch durch Salisburys Zusicherung gegenüber Bismarck gebunden.