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Ballonflucht

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Günter Wetzel (links), Doris Strelzyk und Peter Strelzyk (1979)

Mit einer aufsehenerregenden Ballonflucht gelang am 16. September 1979 den Familien Strelzyk und Wetzel aus Pößneck (Thüringen) die Flucht über die innerdeutsche Grenze aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland in einem selbstgebauten Heißluftballon.

Vorbereitung der Flucht

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Peter Strelzyk und Günter Wetzel waren Arbeitskollegen in der Kunststofffabrik VEB Polymer Pößneck. In monatelanger Arbeit beschafften sie gemeinsam mit ihren Ehefrauen die benötigte Menge Stoff, nähten daraus einen Ballon, fertigten eine Gondel an und experimentierten mit einem Brenner.[1] Für die Ballonhülle war ein erforderliches Volumen von 2800 Kubikmeter errechnet worden.

Die Familien bauten insgesamt drei Ballons. Der erste bestand aus Futterstoff aus einer Ledertaschenfabrik, der sich jedoch bei einem Füllversuch als ungeeignet erwies, weshalb die Familien ihn vernichteten.[2]

Der zweite Ballon bestand aus Taftstoff, den Peter Strelzyk und Günter Wetzel in einem Kaufhaus in Leipzig gekauft hatten.[3] Sie gaben sich dabei als Mitglieder eines Segelclubs aus.[2] Da die konstruierte Gondel zu klein war, um beide Familien zu tragen, stieg die Familie Wetzel aus dem Plan aus, und die Strelzyks unternahmen in der Nacht vom 3. zum 4. Juli 1979 allein einen Fluchtversuch.[3][4] Nach dem Start auf einer Wiese zwischen Oberlemnitz und Heinersdorf saugte sich die Ballonhülle mit Wasser voll, sodass der Ballon früher als geplant an Höhe verlor und schließlich nach 34-minütiger Fahrt zwei Kilometer vor der Grenze auf DDR-Territorium bei Hornsgrün niederging.[4] Die Strelzyks konnten unbemerkt nach Hause zurückkehren, mussten jedoch den Ballon und weitere persönliche Gegenstände im Wald zurücklassen. Ein Volkspolizist, der sich einige Tage später privat zum Holzsammeln im Wald aufhielt, entdeckte die Reste des Ballons, meldete seinen Fund jedoch nicht, da er das Sperrgebiet entlang der Grenze unbefugt betreten hatte.[4] Schließlich entdeckte am Morgen des 20. Juli 1979 ein Jäger den Ballon und meldete den Fund dem örtlichen ABV der Volkspolizei.[4] Die Staatssicherheit leitete daraufhin eine Fahndung ein, die jedoch ergebnislos verlief.[3] Am 14. August 1979 schalteten die Behörden in der Volkswacht, dem damaligen Organ der SED-Bezirksleitung, eine Anzeige, in der die Bevölkerung um Hinweise zu den beim Ballon aufgefundenen Gegenständen – einem Barometer, einem Taschenmesser und einer Wasserpumpenzange – im Zusammenhang mit einer nicht näher bezeichneten „schweren Straftat“ gebeten wurde.[4][3]

Währenddessen arbeiteten die beiden Familien an einem dritten Ballon, dessen Material sie diesmal – anders als das der ersten beiden – in zahlreichen kleinen Posten an vielen unterschiedlichen Orten besorgten.[3] Die Hülle dieses dritten Ballons war 28 Meter hoch, 20 Meter breit und wurde aus vier unterschiedlichen Stoffen genäht: Regenschirmseide, Taftstoff, Zeltnylon und Bettinletts. Die Gondel bestand aus einer 1,40 m mal 1,40 m großen hölzernen Plattform mit einem 80 cm hohen Geländer aus vier Eckpfosten und Wäscheleine.

Informationssäule nahe dem Landeplatz des Ballons bei Naila. Der Ballon kam damals rechts unten auf der Wiese herunter.

Unmittelbar nachdem am 15. September 1979 die letzten Stoffbahnen in Jena gekauft und vernäht worden waren, entschlossen sich die Familien wegen der günstigen Wetterbedingungen, noch in derselben Nacht zu starten.[5] Als Startplatz diente erneut die Wiese bei Oberlemnitz, von der aus der missglückte Fluchtversuch vom 4. Juli begonnen hatte. Die acht Personen kauerten während der Fahrt mit dem Rücken zum Geländer und hielten sich an den in der Mitte stehenden vier Propangasflaschen fest. Die Fahrt dauerte 28 Minuten, in denen eine Distanz von 18 Kilometern überwunden wurde.[3] Der Ballon landete in einem Waldstück bei Naila im Landkreis Hof. Nach der Landung hielten sich die Frauen mit den Kindern zunächst im Wald versteckt, während die beiden Männer das Gelände erkundeten und schließlich auf eine bayerische Polizeistreife stießen, die ihnen bestätigte, dass sie die Bundesrepublik erreicht hatten.[1]

Nach der Flucht

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Laut Darstellung Günter Wetzels auf seiner Website brachen die beiden Familien aufgrund einiger Unstimmigkeiten schon kurz nach der gemeinsamen Flucht den Kontakt zueinander ab.[6] Peter Strelzyk eröffnete ein Elektrofachgeschäft in Bad Kissingen, Günter Wetzel wurde Kfz-Meister in der Nähe von Hof. Ein Freund Strelzyks kam in der DDR wegen Fluchthilfe in Haft; nachdem er 1982 in die Bundesrepublik hatte ausreisen dürfen, stellte ihn Strelzyk als Mitarbeiter ein. Später stellte sich heraus, dass das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ihn während der Haft als Inoffiziellen Mitarbeiter angeworben und möglicherweise gezielt beauftragt hatte, Strelzyk geschäftlich zu schädigen.[1] Auch die Familie Wetzel stand unter Beobachtung des MfS.[1]

Nach der deutschen Wiedervereinigung zog das Ehepaar Strelzyk wieder in sein Reihenhaus in Pößneck, wo es zu DDR-Zeiten gelebt hatte. Peter Strelzyk starb am 11. März 2017 im Alter von 74 Jahren in Jena.[7]

Die Flüchtlinge schenkten die Gondel des Ballons der Stadt Naila, die sie gemeinsam mit zehn Bahnen des Ballonstoffs an das Mauermuseum am Berliner Checkpoint Charlie weitergab. Die Ballonhülle ist seit Oktober 2024 im Stadtmuseum Naila ausgestellt.[8] Zuvor war sie seit Mai 2019 im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg zu sehen.[1][9]

  • 1982: Die Ballonflucht wurde in dem US-amerikanischen Spielfilm Mit dem Wind nach Westen dargestellt und von den Strelzyks in einem Buch beschrieben.
  • 2018: Als deutscher Thriller Ballon wurde die Flucht von Michael Herbig erneut verfilmt.
  • Die MacGyver-Folge GX-1 nimmt indirekt Anspielung auf die Ballonflucht. So baut sich der Protagonist einen improvisierten Heißluftballon, um damit die innerdeutsche Grenze zu überqueren.

Ähnliche Fluchtversuche

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  • Doris Strelzyk, Peter Strelzyk, Gudrun Giese: Schicksal Ballonflucht. Quadriga, Berlin 1999, ISBN 3-88679-330-3.
  • Jürgen Petschull: Mit dem Wind nach Westen. Die abenteuerliche Flucht von Deutschland nach Deutschland. Goldmann, München 1980, ISBN 3-442-11501-9.
  • Günter Wetzel: Nachtflug. S. 109–119 in: Florian Bickmeyer, Jochen Brenner, Stefan Kruecken: Nur raus hier! 18 Geschichten von der Flucht aus der DDR, 18 Geschichten gegen das Vergessen. Hrsg. und Fotografien: Andree Kaiser. 213 S., Hollenstedt 2014, ISBN 978-3-940138-76-7
  • Philipp Schnee und Jochen Leffers: Ballonflucht aus der DDR. Spiegel Online, 27. September 2018, abgerufen am 19. Februar 2019 (Erste Fassung von 16. September 2009 von Philipp Schnee).
  • Die Ballonflucht des Peter Strelzyk (Snapshot von archive.is). Goethe-Gymnasium Gera, archiviert vom Original am 11. Februar 2013; abgerufen am 13. April 2016.
  • Günter Wetzel: Ballonflucht.de. Abgerufen am 12. Januar 2010.
  • DDR-Flüchtling Günter Wetzel. In: WDR. WDR, 14. August 2019, abgerufen am 31. Januar 2020.

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Philipp Schnee; Jochen Leffers: "Ein Stoffsack, heiße Luft rein, auf geht's". Spiegel Online, 27. September 2018, abgerufen am 27. September 2018.
  2. a b Norbert Koch-Klaucke: „Ballon“: Spektakuläre DDR-Fluchtgeschichte kommt erneut in die Kinos. Berliner Zeitung, 13. September 2018, abgerufen am 4. Oktober 2018.
  3. a b c d e f Flucht im Ballon. BStU, abgerufen am 4. Oktober 2018.
  4. a b c d e Peter Hagen: Ballon-Fluchtversuch endete 1979 bei Hornsgrün: Zeitzeuge berichtet, warum er seinen Fund verschwieg. 21. Oktober 2017, abgerufen am 4. Oktober 2018.
  5. Peter Hagen: Ballonflucht 1979: Eine Wiese bei Oberlemnitz diente zwei Mal als Startplatz. Ostthüringer Zeitung, 20. Oktober 2017, abgerufen am 4. Oktober 2018.
  6. Günter Wetzel: Die Trennung. ballonflucht.de, abgerufen am 27. September 2018.
  7. Marius Koity: Pößneck: Ballonflüchtling Strelzyk gestorben. Ostthüringer Zeitung, 13. März 2017, abgerufen am 14. März 2017.
  8. Legendärer Flucht-Ballon von Günter Wetzel wird wieder in Naila ausgestellt. MDR.de, 24. Oktober 2024, abgerufen am 24. Oktober 2024.
  9. Ballonflüchtling kommt nach Regensburg. Mittelbayerische, 26. Oktober 2018, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. Juli 2019; abgerufen am 24. Juli 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mittelbayerische.de