Abraham-Lincoln-Stiftung
Die Abraham-Lincoln-Stiftung (ALS) in Berlin war eine Organisation der Rockefeller-Stiftung, die von 1927 bis 1934 in der Weimarer Republik versuchte, die bürgerlich-demokratischen Kräfte zu stärken. Präsident war 1927 Carl Heinrich Becker, Geschäftsführer waren ab 1928 Reinhold Schairer und Hans Simons. Über 100 Persönlichkeiten befanden sich 1928 im Beirat.[1]
Name der Stiftung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Name der Stiftung geht auf Geoffrey Winthrop Young zurück, der beabsichtigte, jungen Deutschen die Ausgestaltung ihrer besonderen Gaben und Fähigkeiten auf künstlerischem, wissenschaftlichem oder allgemein menschlichem Gebiet zu ermöglichen.[2]
Arbeit der Stiftung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Stiftung arbeitete vor allem durch Stipendien und Prämien. So vergab die ALS Zuschüsse an circa 60 Kandidaten aus Kunst, Publizistik und Wissenschaft.[1] Die Arbeit der Stiftung konzentrierte sich auf das Bildungswesen und Publizistik. Der frühere Professor Hans Simons und der Bildungsexperte Reinhold Schairer dienten als Geschäftsführer der Stiftung.[3][4] Die Rockefeller-Stiftung versuchte, die Finanzquellen der ALS geheim zu halten.[5]
Durch Geld der ALS wurde eine Studie des Erziehungswissenschaftlers Robert Ulich zur Überprüfung der Effektivität des Auswahlverfahrens der Studienstiftung des Deutschen Volkes mitfinanziert.[6] Der damals jung-konservative Autor Giselher Wirsing reiste mit einem ALS-Stipendium 1930 durch die USA. Der Autor Stefan Andres bekam für seinen Roman Bruder Lucifer 1932 eine Prämie der ALS und reiste damit nach Rom.[7]
Der ALS-Präsident Becker starb 1933 und die Geschäftsführer der Stiftung, Simons und Schairer, emigrierten 1934 ins Ausland. Die Stiftung stellte daraufhin quasi ihre Arbeit ein.[1] Jedoch noch bis 1935 finanzierte die Stiftung die Zwillingsforschungen von Otmar Freiherr von Verschuer am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin.[8]
Viele Dokumente der Arbeit der ALS sind verlorengegangen.[1]
Beirat (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Theodor Bäuerle
- Ernst Robert Curtius
- Robert von Erdberg
- Wilhelm Flitner
- Hans Freyer
- Walter Gropius
- Theodor Haubach
- Werner Otto von Hentig (gleichzeitig Mitglied des Deutschen Herrenklubs)
- Walter Hofmann
- Georg Kerschensteiner
- Ludwig Klages
- Fritz Klatt
- Käthe Kollwitz
- Heinz Marr
- Eugen Rosenstock-Huessy
- Kurt Tucholsky
- Viktor von Weizsäcker
Stipendiaten (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Malcolm Richardson, Jürgen Reulecke, Frank Trommler (Hrsg.): Weimars transatlantischer Mäzen: Die Lincoln-Stiftung 1927 bis 1934 – Ein Versuch demokratischer Elitenförderung in der Weimarer Republik, Klartext Verlag, Essen 2008; ISBN 978-3-89861-882-3 (Rezension bei H-Soz-Kult)
- Malcolm Richardson: A Search for Genius in Weimar Germany: The Abraham Lincoln Stiftung and American Philanthropy, in: Bulletin of the German Historical Institute, Vol. 26 (Spring 2000).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d Malcolm Richardson: A Search for Genius in Weimar Germany: The Abraham Lincoln Stiftung and American Philanthropy ( vom 22. Mai 2013 im Internet Archive), in: Bulletin of the German Historical Institute, Vol. 26 (Spring 2000) ( vom 11. November 2011 im Internet Archive).
- ↑ Heide Helwig: "Ob niemand mich ruft": das Leben der Paula Ludwig. Langewiesche-Brandt, Ebenhausen bei München 2004, ISBN 3-406-61067-6, S. 149 (318 S., eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Christian Tilitzki: Die deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, Walter de Gruyter: München/New York/London/Paris 2002, S. 792.
- ↑ Werner Röder/Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933–1945, Walter de Gruyter: München/New York/London/Paris, 1980, S. 639.
- ↑ Jens Wegener: "An Organisation, European in Character" – European Agency and American Control at the Centre Européen, 1925–1940. In: John Krige/Helke Rausch (Hrsg.): American Foundations and the Coproduction of World Order in the Twentieth Century, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2012, S. 37–60 (hier: S. 38).
- ↑ Dietmar Waterkamp: Einführung. In: Dietmar Waterkamp/Erich Wohlfahrt/Robert Ulich (Hrsg.): Zur Bildungssoziologie des akademischen Nachwuchses in Deutschland: Zusammenhänge zwischen Herkunft, Schulvorbildung und Studium, nachgewiesen an den Mitgliedern der Studienstiftung des Deutschen Volkes 1925–1933, Münster/New York: Waxmann Verlag, 2000, S. 9–27 (hier: S. 10).
- ↑ Christopher Andres/Michael Braun (Hrsg.): "Roms Name hat Magie": Stefan Andres’ Rom. In: Anna Fattori/Ralf Georg Czapla: Die verewigte Stadt: Rom in der deutschsprachigen Literatur nach 1945, Berlin et al.: Peter Lang Verlag, 2008, S. 127–144 (hier: S. 129).
- ↑ Benno Müller-Hill: Das Blut von Auschwitz und das Schweigen der Gelehrten. In: Doris Kaufmann (Hrsg.): Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Band 1: Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus – Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung, Teilband 1, Göttingen: Wallstein, 2007, S. 189–227 (hier: S. 190). ISBN 3-89244-423-4