Bernhard Rust

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. September 2021 um 14:05 Uhr durch TaxonKatBot (Diskussion | Beiträge) (Bot: Kategorie:Erziehung im Nationalsozialismus umbenannt in Kategorie:Bildung und Erziehung im Nationalsozialismus: laut Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Bernhard Rust, 1934

Bernhard Rust (* 30. September 1883 in Hannover; † 8. Mai 1945 in der Gemeinde Berend/Nübel, Kreis Schleswig) war ein deutscher Politiker (NSDAP), MdL und MdR. 1933/34 leitete er das preußische Kultusministerium und von 1934 bis 1945 das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Rust war ein Hauptvertreter der nationalsozialistischen Erziehung.

Leben und Wirken

Rust wurde als einziges Kind katholischer Eltern geboren. Sein Vater Franz Rust, von Haus aus Zimmermann, kam durch Spekulationen mit Mietshäusern in Hannover zu einigem Wohlstand.[1] Nach dem Besuch des Lyzeums II in Hannover[2] studierte Rust von 1904 bis 1908 Germanistik, Klassische Philologie, Kunstgeschichte, Philosophie und Musik[1] und arbeitete von 1911 bis 1930 als Studienrat am Ratsgymnasium in Hannover.[3]

Rust war zweimal verheiratet. Seine erste Frau, mit der er ab 1910 verheiratet war, verstarb 1919. 1920 heiratete er Anna-Sofie Dietlein. Er hatte einen Sohn aus erster Ehe und drei Töchter in der zweiten Ehe.[3]

Während des Ersten Weltkrieges erlitt er als Infanterieleutnant eine schwere Kopfverletzung und wurde zweimal verschüttet. Im Dezember 1918 verließ er im Rang eines Oberleutnants der Reserve und hoch dekoriert das Militär. Ob die Verwundungen dauerhafte Beeinträchtigungen hinterließen, ist unklar. Im Schuldienst fiel er immer wieder krankheitsbedingt aus; 1933 wurde eine Trigeminusneuralgie diagnostiziert. Rust trank daraufhin regelmäßig Alkohol und wurde von Außenstehenden als alkoholsüchtig eingestuft.[4]

Weimarer Republik

Nach dem Krieg wandte sich Rust der völkischen Bewegung zu. Politisch prägend waren vor allem Paul de Lagarde, Arthur Moeller van den Bruck, Houston Stewart Chamberlain und Oswald Spengler.[4] Rust trat dem rechtsradikalen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund bei.[5] Nach dem Verbot der NSDAP in Preußen gründete er 1922 zusammen mit seinem Schwiegervater und weiteren Gleichgesinnten in Hannover eine Ortsgruppe der Deutschvölkischen Freiheitspartei. Zudem war er Mitglied im Bund ehemaliger Frontkämpfer und im Stahlhelm. 1924 wurde Rust für die Deutschvölkische Freiheitspartei in das hannoversche Stadtparlament gewählt. Im Mai 1925 trat er der NSDAP und der SA bei.[4]

Vom 22. März 1925 bis 30. September 1928 war er Gauleiter von Lüneburg-Stade (später Ost-Hannover/Hannover-Ost). Nach der Neugliederung der Gaugrenzen wurde er am 1. Oktober 1928 zum Gauleiter des neu gegründeten Gau Südhannover-Braunschweig ernannt. Ebenso wurde er Gauleiter der völkisch gesinnten, antisemitischen Nationalsozialistischen Gesellschaft für Deutsche Kultur.[6] 1929 wurde er in den preußischen Provinziallandtag gewählt, 1930, am 14. September gewann er im Wahlkreis Hannover-Süd ein Reichstagsmandat für die NSDAP.[7]

Preußischer Kultusminister und Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung

Am 2. Februar 1933 wurde Rust kommissarischer preußischer Kultusminister und 1934 mit Bildung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Personalunion Reichsminister. Qua Amt war er Mitglied im Preußischen Staatsrat. Aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums verloren unter Rusts Leitung etwa tausend Hochschullehrer, vor allem Juden, Sozialdemokraten und Liberale, Stellung und Beruf. Dies hatte für die bislang sehr starke deutsche Stellung im Bereich Naturwissenschaften gravierende Folgen. Ungezählte hochrangige Wissenschaftler emigrierten aus Deutschland meist nach Amerika, unter ihnen etwa ein Dutzend Nobelpreisträger. Rust selber äußerte sich zu diesem Prozess: „Wir brauchen eine neue arische Rasse an den Universitäten, oder wir werden die Zukunft verlieren … die Hauptaufgabe der Erziehung ist es, Nationalsozialisten zu bilden.“

Zu seinen frühen Aktionen gehört auch die Entlassung des Berliner Reformpädagogen Fritz Karsen am 21. Februar 1933 und die beginnende Gleichschaltung der von Karsen geleiteten Karl-Marx-Schule (Berlin-Neukölln).

Im 17. Mai 1933 wurde durch den Kultusminister Rust das Institut für menschliche Erblehre und Eugenik (Institut für Vererbungswissenschaft) an der Universität Greifswald begründet und im Dezember 1933 an Günther Just als Direktor übergeben.[8][9]

Die neue Verfassung für die deutschen Universitäten und Hochschulen vom April 1935 zielte auf die Zentralisierung und v. a. Beschränkung der akademischen Selbstverwaltung. Die Rektoren waren fortan „Führer der Hochschule“ und direkt Rust unterstellt. Auf die Frage, warum die Ausbildung der Lehrer nur an eigens geschaffenen Lehrerbildungsanstalten (z. B. Bernhard-Rust-Hochschule in Braunschweig) und nicht an Universitäten stattfinden solle, antwortete Rust, er könne nicht dulden, „daß die künftigen Erzieher des Volkes ihre Ausbildung an diesen liberalistischen Irrgärten erhielten“.[10] Rust setzte die Ideologisierung des Fachunterrichts (z. B. im Erlass Vererbungslehre und Rassenkunde im Unterricht vom 15. Januar 1935) durch und erwirkte unter Bruch des Reichskonkordats das Verbot der katholischen Schulen mit dem Schuljahr 1939/40. In allen Schulen wurden Elternbeiräte und Schülermitverwaltung abgeschafft.

Daneben war Rust am 1. Juli 1935 Gründer des rassenideologischen Reichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschlands, das am 19. Oktober 1935 eröffnet wurde.[6] Ab 1935 bemühte er sich in Vorbereitung des nationalsozialistischen Zieles, den Osten zu erobern, entsprechende Forschungs- und Bildungsinstitutionen dafür zu schaffen. Dazu gehörte u.  a. der Plan, in Berlin eine NS-Auslandshochschule und ein Forschungsinstitut für "Rußlandthemen" zu errichten. Nach einigen Widerständen und Rückschlägen griff 1937 der Sicherheitsdienst diese Idee auf und gründete das unter der Tarnbezeichnung geführte "Institut für Altertumsforschung", das als das berüchtigte Wannsee-Institut den Krieg in Richtung Osten und die NS-Rassepolitik in "Perfektion" umsetzen half.[11] Seit 1940 war Rust SA-Gruppenführer.[6]

Rust hatte im Ämterchaos des nationalsozialistischen Deutschen Reiches geringen Einfluss und musste immer mehr Zuständigkeiten an konkurrierende Organisationen abtreten, etwa an die SS, die Hitlerjugend oder die Deutsche Arbeitsfront. Sein Vorhaben, das deutsche Schulsystem im nationalsozialistischen Geiste grundlegend umzugestalten, scheiterte nicht zuletzt an den kriegsbedingten Unterrichtsbeeinträchtigungen wie Kinderlandverschickung, Lehrkräfte- und Raummangel.[12] Auch die angestrebte Monopolisierung der Zuständigkeit für Hochschulpolitik in seinem Ministerium gelang nicht.[13]

Tod zum Kriegsende

Bernhard Rust setzte sich Ende April nach Flensburg-Mürwik ab, wo sich die letzte Reichsregierung, die Regierung Dönitz, im Sonderbereich Mürwik niederließ. Aufgrund der von ihm offenbar als hoffnungslos eingeschätzten Lage versuchte er sich mit Schlaftabletten zu vergiften, doch er wurde gerettet und in die Psychiatrie in Schleswig eingeliefert. Von dort gelang ihm die Flucht.[14] In der Nacht vom 7. zum 8. Mai 1945, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation, erschoss er sich in der Nähe des Dorfes Nübel in Schleswig-Holstein.[15] Er wurde auf dem Friedhof in Neuberend bestattet.[16]

Rechtschreibreform

Rust bereitete eine Reform der deutschen Rechtschreibung vor. Eine recht weitgehende Version, die in manchem den Vorstellungen der Rechtschreibreformer der 1970er Jahre entsprach (gemäßigte Kleinschreibung, Weglassung der Dehnungszeichen), scheiterte bereits intern am Widerstand des Reichsinnenministeriums. Ein weiterer Versuch 1944 scheiterte ebenfalls. Die Regeln seiner Rechtschreibreform (geplante Reform der deutschen Rechtschreibung von 1944) lagen bereits in einer Million Exemplaren für den Schulgebrauch gedruckt vor, in verschiedenen Zeitungen erschienen Einführungsartikel. Die Reform wurde jedoch nicht offiziell eingeführt, weil sie „nicht kriegswichtig“ sei. Einige der von Rust geplanten Schreibungen fanden allerdings Eingang in den Duden; die Schreibung Kautsch für Couch beispielsweise stand dort bis in die 1980er Jahre verzeichnet. Ein guter Teil der geplanten Änderungen wurde in der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 wieder aufgegriffen.

Literatur

Commons: Bernhard Rust – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Anne C. Nagel, 2012, S. 41.
  2. Guido Janthor: Kurzbiographie Rust, Bernhard, für das Webprojekt Mahnmale-aus-Stein.de vom 24. Dezember 2003, als PDF
  3. a b Anne C. Nagel, 2012, S. 42.
  4. a b c Anne C. Nagel, 2012, S. 43.
  5. Uwe Lohalm: Völkischer Radikalismus. Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes. 1919–1923. Leibniz-Verlag, Hamburg 1970, ISBN 3-87473-000-X, S. 325.
  6. a b c Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 516.
  7. Anne C. Nagel, 2012, S. 40, S. 46.
  8. Deutsches Ärzteblatt. 1934, S. 69 und 127.
  9. Ute Felbor: Rassenbiologie und Vererbungswissenschaft in der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg 1937–1945. Königshausen & Neumann, Würzburg 1995, ISBN 3-88479-932-0 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Beiheft 3. Zugleich: Dissertation Würzburg 1995), S. 149 f. und 164.
  10. Uwe Sandfuchs: Universitäre Lehrerausbildung in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, Bad Heilbrunn 1978, S. 360.
  11. Gabriele Camphausen, Die wissenschaftlich historische Rußlandforschung im Dritten Reich 1933-1945, Frankfurt am Main 1990, S. 45ff
  12. Harald Scholtz: Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1985, S. 61–69, 131 ff. u. ö.
  13. Michael Grüttner: Wissenschaft. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 143 f. Michael Parak: Hochschulverwaltung in Diktaturen. In: Günther Heydemann und Heinrich Oberreuter (Hrsg.): Diktaturen in Deutschland - Vergleichsaspekte (= Schriftenreihe. Band 398). Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2003 S. 346 ff.
  14. Flensburger Tageblatt: Die letzte Ruhestätte: Auf dem „Friedenshügel“ liegen Täter und Opfer, vom: 19. Mai 2015; abgerufen am: 29. Juni 2017.
  15. Anne C. Nagel, 2012, S. 363.
  16. Flensburger Tageblatt: Die letzte Ruhestätte: Auf dem „Friedenshügel“ liegen Täter und Opfer, vom 19. Mai 2015; abgerufen am: 29. Juni 2017.