226/2023

NEUES

HF-MESSTECHNIK UND
QUANTEN­FORSCHUNG

HF-Messtechnik und 6G: Alles wird Netz 5 kW Kurzwellensende­leistung

Quantencomputerforschung für die Flugsicherung
Rohde & Schwarz steht für Spitzentechnologie an der Grenze des technisch
Machbaren. Mit unseren Produkten und Lösungen gestalten Unternehmen
und Länder ihre digitale und technologische Souveränität –

TO ENSURE A SAFER AND CONNECTED WORLD.

IMPRESSUM
HERAUSGEBER AUSGABE
Rohde & Schwarz GmbH & Co. KG Auflage ca. 12 000 (deutsch, englisch)
Mühldorfstraße 15 · 81671 München 63. Jahrgang
Postfach 801469 · 81614 München Ausgabe 1/2023, Nr. 226
www.rohde-schwarz.com Erscheinungsweise: einmal pro Jahr
ISSN 0548-3093
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Tel. +49 89 4129 - 0 PD 3609.7477.71
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ÜBERSETZUNG ­Association (TIA-USA).
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DRUCK
Blueprint AG, München

2
TITELTHEMA
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

welches Bild haben Sie beim Wort Quantentechnologie vor Augen? Wenn
ich einen Tipp abgeben darf: Es sind bestimmt die Quantencomputer mit
ihrem spektakulären Rechenpotenzial. In ihnen sehen Unternehmen und
Regierungen eine Schlüsseltechnologie und treiben die Entwicklung ener-
gisch voran. Geschickt ausgenutzte Quanteneffekte sollen aber nicht allein
Computern ungeahnte Leistungsfähigkeit verleihen. Geforscht wird auch an
einer neuen Generation von quantenbasierten Sensoren sowie an quanten-
basierter Datenverschlüsselung. All das ist natürlich noch Zukunftsmusik,
nimmt aber immer konkretere Formen an.

Weil Quantentechnologie auch für Rohde & Schwarz ein wichtiges Thema
ist, möchten wir es Ihnen in dieser Ausgabe näher vorstellen – und auch
das Technik-Herz ein bisschen höherschlagen lassen. Wenn Sie schon viel
über Quantenbits gehört, aber noch nie eines gesehen haben, empfehle ich
Ihnen den Beitrag von Fabian Kronowetter zu quantenbasierter Radar­technik
ab Seite 24. Dort finden Sie eine Mikroskopaufnahme, die das Walther-
Meißner-Institut freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Der Name
ist Ihnen vielleicht schon bekannt. Das Institut ist eine renommierte Größe
in der Quantenforschung und mit zwei Gastbeiträgen in dieser Ausgabe
vertreten. Institutsdirektor Prof. Dr. Rudolf Gross wirft einen Blick auf die
beiden ­Forschungs­felder Quantensensorik und Quanten­metrologie (Seite 20)
und nach der Lektüre des Beitrags von Max ­Werninghaus (Seite 12) ist
klar, w
­ eshalb für Quantencomputerforschung HF-­Messtechnik nötig ist.
Ein wahres Katz-und-Maus-Spiel findet gerade in der Quanten­krypto­grafie
statt. Ob in ein paar Jahren zuerst die Quantencomputer großflächig Ver-
schlüsselungsmechanismen aushebeln oder rechtzeitig quantensichere
Verschlüsselungen installiert sind, lässt sich aus heutiger Sicht natürlich
nicht seriös beantworten. Stattdessen liefern Ihnen unsere Kollegen von
der Rohde & Schwarz Cybersecurity lieber einen fundierten Einblick in diese
spannende Thematik (Seite 30).

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit dieser NEUES-Ausgabe.

Ihr

Christian Reiter,
Vice President Corporate Marketing and Communications

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12 HF-MESSTECHNIK UND QUANTENCOMPUTERFORSCHUNG
Hochgradig phasen- und amplitudenstabile Signalgeneratoren erleichtern die Forschungsarbeit.

50 6G: ALLES WIRD NETZ

Werden die Zukunftsvisionen rund um 6G Realität, erwartet uns in den 2030er Jahren ein Wunderland der Kommunikation.

4
TITELTHEMA
Quantentechnologie Allgemeine Messtechnik
12 HF-Messtechnik und 24 Quantenkorrelation ­verbessert
Quantencomputerforschung Radartechnik
Hochgradig phasen- und amplituden- Potenzielle Anwendungsfelder
stabile Signalgeneratoren erleichtern reichen von der Luftfahrt bis hin
die Forschungsarbeit. zur Medizintechnik.

20 Quantensensorik und Quanten- 30 Sicher verschlüsseln

metrologie machen gewaltige im Quantenzeitalter
Fortschritte Quantencomputer stellen heutige Ver-
Quantensysteme lassen sich heute schlüsselungsverfahren in Frage. An Das neue R&S®MXO 4 Oszilloskop mit
maßgeschneidert herstellen – und der Entwicklung von quantensiche- Mixed-Signal-Option (MSO) und DUT (Seite 38).
­werden für Sensoren der nächsten ren Alternativen beteiligt sich auch
38 Neue Maßstäbe in der Mittelklasse
Generation erprobt. Rohde & Schwarz.
Vorgestellt: Das R&S®MXO 4 Oszilloskop
34 Quantum Key Distribution (QKD) mit Digital­trigger, höchster Aktualisie-
Grundlagenwissen zum quantensiche- rungsrate und neuem ASIC.
ren Kryptografieverfahren.
44 Augen auf bei der Signalintegrität
Um Augendiagramme zu berechnen,
nutzt das R&S®RTP Oszilloskop erstmals
einen hardwarebasierten Ansatz.

46 Impedanzverhalten
Die kritische Stelle vieler kryptografischer Verfahren ist die Schlüsselverteilung. zuverlässig messen
Mit QKD wird dafür eine quantensichere Methode entwickelt (Seite 30). Mit den R&S®LCX LCR-Metern betritt
Rohde & Schwarz den Markt für hoch­
präzise Impedanz­messungen.

Mobilfunk Flugsicherheit
50 6G: Alles wird Netz 62 Die Digitalisierung des
Der 5G-Mobilfunk steht noch am Flugfunks schreitet voran
Anfang, aber bereits jetzt werden Rohde & Schwarz entwickelt
6G-Szenarien entworfen. zusammen mit Forschungspartnern
das digitale Datenübertragungs-
57 Das vernetzte Fahrzeug kommt verfahren LDACS.
Die Mobilfunktester von
Rohde & Schwarz bringen für 66 „Das war das Ende des
den C-V2X-Test alle nötigen Henne-Ei-Problems“
Funktionen mit. Interview mit Thomas Bögl,
Director of Technology and Studies.

70 5 kW Kurzwellensendeleistung
Der R&S®SK4105 HF-Hochleistungssender eignet sich für die Flugsicherung
­bestens für die ­Flugverkehrskontrolle unter rauen Der R&S®SK4105 vereint kleine Stand-
2 IMPRESSUM Standortbedingungen wie in Grönland (Seite 70). fläche, hohe Sendeleistung und
6 NEUES KOMPAKT höchste Zuverlässigkeit.

| NEUES 226/2023 5
NEUES
KOMPAKT

ERFOLGREICHES GESCHÄFTSJAHR 2021 | 2022

Mit einem Umsatz von 2,53 Milliarden Euro hat Rohde & Schwarz aus Deutschland kam erstmals der Auftrag über eine komplette
wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht und liegt mit 2,84 Milliar- Rohde & Schwarz N
­ aval Communications Suite. Für die ­Zukunft
den Euro Auftragseingang sogar noch über diesem Level. An der wurden bereits wichtige Weichen gestellt. Dazu gehört die Ein-
positiven Entwicklung hatten alle drei Divisionen, Mess­technik, führung der neuen Mittelklasse-Oszilloskope R&S®MXO 4, der
Technology Systems und Networks & Cybersecurity, ihren ­Anteil. Funkgeräte für den zivilen Flugverkehr R&S®Series 5200 und
Sie wuchsen jeweils im zweistelligen Prozentbereich. Zu den des neuen Hochleistungssenders für Rundfunknetzbetreiber
Wachstumstreibern gehörte der weltweite Ausbau der 5G-Netze, R&S®TH1. Durch die Akquise des Analytics-Anbieters Schönhofer
die Forschung an Zukunftstechnologien wie Quantencomputer Sales and Engineering wurde das Angebot an Aufklärungstechnik
und 6G sowie Großaufträge aus dem Bereich ­Sicherheit und Ver- sinnvoll erweitert. Gute Perspektiven für den US-amerikanischen
teidigung. Von der britischen Royal Navy erhielt Rohde & Schwarz Markt eröffnen sich für den Sicherheitsscanner R&S®QPS201,
den Zuschlag, auch die zweite Charge der neuen Fregatten der den die amerikanische Transportsicherheitsbehörde TSA in die
City-Klasse mit einem Kommunikationssystem auszustatten und Liste der Qualified Products aufgenommen hat.

6
JENSEITS DES
FLUGHAFENS
Im September 2022 wurde der R&S®QPS Walk2000
zum ersten Mal auf der Security Essen vorgestellt, der
wichtigsten zivilen Sicherheitsmesse in Deutschland.

Seit vielen Jahren vereinfachen die einnehmen. Noch mehr Geschwindigkeit werden. Interesse an einer schnellen
­Sicherheitsscanner R&S®QPS die Perso- kommt mit dem R&S®QPS Walk2000. Der und unkomplizierten Sicherheitskont-
nenkontrollen an Flughäfen weltweit. Name deutet schon an, dass Personen rolle gibt es auch jenseits des Flugha-
Die ersten Modelle wurden im Jahr diesen ­Sicherheitsscanner in normalem fenbetriebs reichlich: beim Zutritt von
2014 eingeführt und brachten vor ­allem Gehtempo passieren können. Eine wei- ­kritischer Infrastruktur, zu großen Events
mehr Bewegung in die ­obligatorischen tere Besonderheit ist, dass Jacken, Män- oder zum ­Vorbeugen von Material-
Warteschlangen. M
­ ehrere Tausend tel oder Schuhe nicht ausgezogen werden schwund in produzierenden Unterneh-
Millimeterwellen-­Sensoren erfassen eine müssen. Die Sensoren durchdringen auch men. Den erfolgreichen Feldeinsatz hat
Person in kürzester Zeit in 360 Grad und mehrere Kleidungsschichten und erfor- der R&S®QPS Walk2000 bereits bestan-
eine Detektionssoftware mit künstlicher dern dazu lediglich eine Sendeleistung, die den. Der französische Sicherheitsanbieter
Intelligenz erkennt zuverlässig auch nicht- mehrere Größenordnungen unter einem BEHM setzte den Sicherheitsscanner auf
metallische Gefahrengegenstände. Da- gewöhnlichen Smartphone liegt. Bis zu dem Rockhal-Festival in Luxemburg ein
für müssen Personen nur kurz im Scanner 750 Personen pro Stunde können mit und zeigte sich über den reibungslosen
stehenbleiben und eine natürliche Pose einem R&S®QPS Walk2000 abgefertigt Ablauf äußert zufrieden.

Der R&S®QPS Walk2000 visualisiert potenziell gefährliche Gegenstände als Symbol an einem neutralen Avatar.
Die Körperform einer Person wird bei der Kontrolle nicht erfasst oder dargestellt.

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NEUES KOMPAKT

INNOVATIV UND
NACHHALTIG
AUF SENDUNG
R&S®TH1 Hochleistungssender: Sender und Verstärker sind als Einschübe modular
tauschbar, der Pumpenstand für die Flüssig­keitskühlung ist im Fuß untergebracht.

Streaminganbieter erfreuen sich aktuell großer Beliebtheit, aber

auch traditionelles Fernsehen und Rundfunk bleiben gefragt.
5G Broadcast vereint die Vorteile beider Welten und gilt als
zukunftsweisende Medientechnik. An ihrer Entwicklung ist
Rohde & Schwarz als treibende Kraft maßgeblich beteiligt und
hat bereits im Jahr 2019 Sender und Netzwerkkomponenten
für die 5G-Broadcast-Feld­versuche im Vorfeld der Olympischen
Winterspiele 2022 in Peking geliefert. Die weltweite Einführung
der Technik erwarten Branchenkenner ab dem Jahr 2025. Bereits
heute können sich Medienanbieter und Netzbetreiber zukunfts-
fähig aufstellen: Der neue Hochleistungssender R&S®TH1 arbei-
tet im UHF-Band zwischen 470 MHz und 700 MHz und ­sendet,
in der höchsten Ausbaustufe, mit 9,6 kW Leistung. Ein software­
definierter Steuersender unterstützt die aktuellen digitalen TV-
Standards DVB-T und DVB-T2 und lässt sich ohne Ä ­ nderungen
an der Hardware auf 5G Broadcast erweitern. Die effiziente
Wärmeabfuhr durch Flüssigkeitskühlung erhöht die Zuverläs-
sigkeit des Senders, reduziert deutlich den Energiebedarf des
Gesamtsystems und damit auch den CO2-Abdruck von Sender-
Netz­werken. Damit eröffnet sich für Rundfunk-Netzbetreiber
ein attraktiver Weg, um am Einhalten von Klimazielen mitzu­
wirken. Neben dem Ausspielen von Medieninhalten bietet sich
5G Broadcast auch für ein zuverlässiges und barrierefreies Ver-
teilen von öffentlichen Notfallwarnungen, Verkehrsdaten oder
­Software-Updates für IoT-Geräte und autonome Fahrzeuge
an. Der R&S®TH1 ist der erste Vertreter einer neuen Sender­
familie, die Rohde & Schwarz in den nächsten Jahren um wei-
tere Modelle ergänzen wird.

In der Grundausstattung lässt sich der

R&S®TH1 Hochleistungssender über eine
HTML5-Webober­fläche steuern. Hier ist
er mit optionalem Touch-Display gezeigt.

8
BESTENS GERÜSTET FÜR DIE
JAGD NACH DER STÖRQUELLE
Meldet ein Mobilfunknetzanbieter eine Beeinträchtigung im Betrieb durch unbekannte Störquellen,
geht Fachpersonal der Bundesnetzagentur auf Ursachenforschung. Die führt nicht selten auf Hausdächer,
schmale Fußwege und andere, nur fuß­läufig erreichbare Orte.

Um die Störquellen aufzu­spüren, 5G-Signale, die auf zeitlichen Multi- und weniger mobiles Equipment
setzt die Bundesbehörde auf die plexverfahren (Time Division Duplex, nötig war. Diese Möglichkeit spielte
tragbaren Funkerfassungsempfän- TDD) basieren. Sie sind so getaktet, auch für die Bundesnetzagentur eine
ger R&S®PR200. Nach einer ers- dass Senden (Uplink) und Empfan- wichtige Rolle.
ten Bestellung über 62 Geräte hat gen (Downlink) über denselben Kanal
Rohde & Schwarz im November 2022 geschieht und damit auch im selben Mit der Richtantenne R&S®HE400DC erweitert
weitere zwölf geliefert. Gegenüber Frequenzbereich. In einer reinen Fre- sich die Bandbreite des R&S®PR200 von ursprünglich
dem Vorgängermodell R&S®PR100, quenzdarstellung kann es passieren, 8 kHz bis 8 GHz auf 20 GHz.
das die Bundesnetzagentur bereits dass Störsignale im signalschwäche-
nutzte, ist die ­Bedienlogik grundsätz- ren Uplink von den starken Nutzsigna-
lich die gleiche. Umschulen ist damit len im Downlink überlagert und mas-
unnötig. Neu ist, dass neben Mes- kiert werden. Rohde & Schwarz hat in
sungen im Frequenzbereich nun auch seine Funkerfassungsempfänger eine
Zeitbereichsmessungen durchführbar Gated-Spektrum-Funktion integriert.
sind. Damit eröffnen sich ganz neue Mit ihr kann ein Signalausschnitt im
Möglichkeiten bei der mobilen Spek- Zeitbereich ausgewählt und in einer
trumüberwachung. Manche Stör­ parallelen Ansicht als bis zu 40 MHz
signale können in der Frequenzdar- breites Signalspektrum angezeigt
stellung nicht von den N ­ utzsignalen werden. So lassen sich mit tragbaren
unterschieden werden, lassen sich Funkerfassungsempfängern Störer in
dafür aber im Zeitbereich klar tren- modernen Mobilfunk­signalen auf-
nen. Das gilt besonders für LTE- und spüren, für die bisher aufwendigeres

| NEUES 226/2023 9
NEUES KOMPAKT

ISO 27001 AUCH FÜR

BENELUX-STANDORT
Rohde & Schwarz Benelux B.V.
Oft sind Hersteller auf sensible Informationen von ihren Kunden angewiesen, etwa Utrecht (The Netherlands)

Konstruktionspläne oder Testdatensätze. Um den verantwortungsvollen Umgang The information security manageme
and the application thereof complies
nt system of Rohde & Schwarz
with the requirements as stipulated
Benelux B.V.
in the standard:

damit nachzuweisen, können sie ihre Prozesse nach ISO 27001 zertifizieren lassen. NENENISO/IEC 27001:2017+A
11:2020

Es ist die weltweit wichtigste Norm für Informationssicherheit. Nachdem im Jahr This is in accordance with the Statement
of applicability version 1.0 of 14/04/2022
.
Evaluation of the information security
management system took place

2021 bereits die fünf deutschen Rohde & Schwarz Standorte in München, ­Stuttgart, certification regulations for the field
Information Security related to:
in accordance with TÜV Nederland’
of application:
provisioning, training and engineeri
s

maintenance, verification and ng services,

Teisnach, Berlin und ­Hamburg diese Zertifizierung erhielten, folgte im August 2022 products and systems, used in
calibration of electronic and IT
related
Industrial Electronics, Aerospac
Defense, Security, Broadcast &
Media and Cybersecurity.
e,

die Rohde & Schwarz Benelux B.V. in Utrecht. Geprüft hatte der niederländische This certification is subject to annual
evaluation by TÜV Nederland.

TÜV. Dabei wird nicht das gesamte Informationsmanagement betrachtet, sondern Registration number:
Start date certificate:
Certificate valid until:
310881.1
11082022
11082025
Managing Director
Mr. E.W.A.C. Franken
TÜV Nederland
Ekkersrijt 4401
Date of first certificate:

die relevanten Prozesse der zur Prüfung angemeldeten Applikationssegmente sowie

11082022 5692 DL Son en Breugel
The Netherlands
T: +31 (0) 499 – 339 500
E: info@tuv.nl
W: www.tuv.nl

der Betrieb und die Verwaltung der internen IT-Services und weitere Support-Pro-
zesse. Zertifiziert wurde die Rohde & Schwarz Benelux unter anderem für Ingenieur-
dienstleistungen für Industrieelektronik sowie deren Wartung und Kalibrierung. Die
ISO 27001 spielt vor allem für Kunden aus den Bereichen Kritische Infrastruktur und 1/1

Sichere Kommunikation eine immer wichtigere Rolle bei der Lieferantenauswahl.

ISO 27001 Zertifizierungsurkunde
für Rohde & Schwarz Benelux.

IEEE-AUSZEICHNUNG FÜR PROFESSOR ROHDE

Das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) hat Prof. Dr.-Ing. habil.
Dr. h.c. mult. Ulrich L. Rohde für seine herausragenden Ingenieursleistungen auf
dem Gebiet der optoelektronischen Signalerzeugung und der optischen ­Messtechnik
für ­intelligente optische Netze der nächsten Generation mit dem Photonics Society
­Engineering Achievement Award geehrt. Die Auszeichnung wird verliehen, um einen
außergewöhnlichen technischen Beitrag anzuerkennen, der in den letzten zehn
Jahren einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der Laser- oder elektro-­
optischen ­Technologie oder die kommerzielle Anwendung der Technologie hatte.
Das IEEE hat Prof. Rohde mit dem Photonics Society Die Auszeichnung aus Preisgeld und Medaille wurde Prof. Rohde auf der IEEE
Engineering A
­ chievement Award ausgezeichnet. Photonics Conference im November 2022 in Vancouver in Kanada überreicht.

NEUES LEHRBUCH VON PROFESSOR ROHDE

Zusammen mit drei weiteren Autoren hat Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. mult. Ulrich L. Rohde Das neue Buch zu
ein Lehrbuch zu Hochfrequenz- und Mikrowellentechnik herausgebracht. Es trägt den ­Titel Theorie und Praxis von
Fundamentals of RF and Microwave Techniques and ­Technologies und ist auf der Grund- Hochfrequenz- und
lage des 1965 auf Deutsch erschienenen Lehrbuchs der Hochfrequenztechnik entstanden. Mikrowellentechnik ist
Neben aktuellen und industrienahen ­Methoden zur Analyse und den Entwurf von HF- und sowohl für Lehre und
Mikrowellenschaltungen wird auch die ­zugrunde liegende Theorie ausführlich beschrieben. Wissenschaft als auch
Damit richtet sich das 1576 Seiten starke Werk aus dem Springer Verlag sowohl an Studie- für die Arbeit von Inge-
rende und Lehrkräfte als auch an Ingenieurinnen und Ingenieure. nieurinnen und Inge-
nieuren geeignet.

10
LOCK-IN-VERSTÄRKER
BIS 8,5 GHz

Mikrowellensignale oberhalb von 1 GHz erzeugen und einem größeren Anwendungsgebiet

­vermessen, das war bisher die Aufgabe von Netzwerk- offen, zum B­ eispiel in Entwicklungs-
und Spektrumanalysatoren, Oszilloskopen und Signalge- abteilungen für MEMS-Sensoren oder
neratoren. Dieser Kreis von klassischer HF-­Messtechnik zum Auslesen von ­Quantenbits in der
erhält nun Zuwachs durch zwei Lock-in-Verstärker von Quantencomputerforschung. Praktisch
Zurich Instruments. Die Modelle GHFLI und SHFLI mes- und zeitsparend: Mit dem GHFLI und
sen und generieren ­Signale bis 1,8 GHz und 8,5 GHz. dem SHFLI ­lassen sich bis zu acht Frequenzen gleichzei-
Es sind die ersten kommerziellen Lock-in-Verstärker mit tig messen. Die Bedienung erfolgt über Zurich Instruments
­Frequenzbereichen jenseits der 600 MHz. An­fragen dazu eigene Steuersoftware LabOne® mit grafischer Oberfläche
erreichten das ­Schweizer Unternehmen, das seit Som- oder über branchenübliche Programmierschnittstellen. Ein
mer 2021 zu Rohde & Schwarz gehört, sowohl aus der Zweikanal-Oszilloskop und ein Spektrumanalysator sind
Produkt­entwicklung als auch aus der Grundlagen- und bereits mit integriert und verschlanken den Messaufbau im
angewandten Forschung. Generell eignen sich Lock-in- Labor. Weitere Produktdetails inklusive eines sehenswer-
Verstärker hervorragend zum Messen schwacher Signale ten Webinars sind auf der Website von Zurich ­Instruments
vor starkem Rauschhintergrund. Mit den beiden Model- zu finden.
len von Zurich Instruments stehen diese Vorzüge nun

MESSTECHNIK FÜR TEILCHENBESCHLEUNIGER IN SÜDKOREA

Südkoreas offizielle Hauptstadt ist Seoul, seine heimliche Hauptstadt ist Sejong. Neben zahlrei-
chen Ministerien und Verwaltungen, die mittlerweile von Seoul umgezogen wurden, ist die 2012
eröffnete Planstadt auch die Heimat des ersten Instituts für Beschleunigerphysik des Landes. Hier
erhalten Studierende auch schon in jüngeren Semestern Zugang zu Teilchenbeschleunigern und
­können Praxiserfahrung sammeln. Ab dem Frühjahr 2023 kommen sie dabei mit HF-Messtechnik
von Rohde & Schwarz in Berührung. Sie wird zur Überwachung des Teilchenstrahls eingesetzt. Dafür
müssen HF-Signale im Gigahertzbereich präzise erzeugt und ausgelesen werden. Die Universität
Korea hat sich dafür für die Signalgeneratoren R&S®SMB100B und R&S®SMA100B entschieden, die
Signale bis 6 GHz und 20 GHz erzeugen. S-Parametermessungen werden in Zukunft mit dem Netz-
werkanalysator R&S®ZNL20 durchgeführt, dem kompaktesten Gerät in seiner Klasse, und Signalmes- R&S®RTO6 Oszilloskop mit 15,6“ Touch-
sungen mit den Oszilloskopen R&S®RTO6 und R&S®RTM3004. Das Institut für Beschleunigerphysik screen (oben) und R&S®SMA100B
ist Teil des Sejong-Campus der Universität Korea, die zu den Top 50 Universitäten in Asien zählt. Signalgenerator (unten)

| NEUES 226/2023 11
Quantentechnologie

HF-MESSTECHNIK UND
QUANTENCOMPUTER-
FORSCHUNG
Ohne hochgradig phasen- und amplitudenstabile ­Signalgeneratoren wäre die
heutige ­Forschung an Quantencomputern nicht möglich. Einige ­Gerätehersteller
arbeiten eng mit der Wissenschaftsgemeinde zusammen. Sie wollen besser ver-
stehen, wie Quantenbits präpariert und ausgelesen werden und welche Geräte-
funktionen die Forschungsarbeit erleichtern.

12
| NEUES 226/2023 13
Quantentechnologie

Um hochkomplexe Problemstellungen zu lösen, Mikrowellenbereich bei etwa 5 GHz. Der Grund-

machen sich Quantencomputer die Quanten- zustand des Schwingkreises wird als Rechenzu-
eigenschaften der Natur zu eigen. Analog zum stand null definiert, der erste angeregte Zustand
klassischen Bit werden dabei logische Zustände als Rechenzustand eins.
in Qubits (kurz für Quantenbits) repräsentiert
und verarbeitet. Aber während sich ein klas- Ohne weitere konstruktive Maßnahmen ­lassen
sisches Bit gerade durch seine binäre Natur sich diese beiden Zustände aber noch nicht
auszeichnet, kann ein Qubit auch simultan in gezielt ansteuern. Bei einem harmonischen
­Kombinationen von zwei Zuständen existieren. Oszillator, beispielsweise einem LC-Schwing-
Dieses Phänomen ist als Superposition bekannt kreis, ist der Abstand zwischen benachbar-
und kann mit den Gesetzen der klassischen ten Energiezuständen immer gleich groß (Har-
­Physik nicht erklärt werden. Superposition ist monizität). Eine unerwünschte Folge ist, dass
eine rein quantenmechanische Eigenschaft. Auf sich nicht kontrollieren lässt, ob ein resonantes
ihr fußt das enorme Rechenleistungspotenzial Mikro­wellensignal den Schaltkreis vom Grund-
von Quantencomputern. zustand in den ersten angeregten Zustand ver-
setzt oder von einem beliebigen angeregten in
Supraleitende Qubits den nächsthöheren. Nichtlineare Induktivitäten
Wie sich Qubits technisch umsetzen lassen, können die Harmonizität aufheben. Um zwei
ist Gegenstand aktueller Forschung. Ein viel- bestimmte Energiezustände als kontrollierba-
versprechender Ansatz sind supraleitende res Qubit zu verwenden, arbeitet man in der
Qubits. Sie basieren auf elektrischen Schwing- ­Praxis mit sogenannten Josephson-Kontakten.
kreisen, die aufgrund der verlustfreien Supra­ Sie ­verleihen dem Übergang vom Grundzustand
leitung ­elektromagnetische Felder mit sehr in den ersten angeregten Zustand eine charak-
langer ­Halbwertszeit speichern können. Ein teristische Frequenz, mit der exklusiv nur dieser
Schwingkreis wird so konstruiert, dass effek- Übergang adressiert werden kann. Weil diese
tiv ein kontrollierbares Zweizustandssystem Eigenschaft die von energetischen Atomüber-
entsteht. Die Resonanzfrequenz eines sol- gängen nachahmt, werden supraleitende Qubits
chen Schwingkreises liegt typischerweise im auch künstliche Atome genannt.

14
 Die R&S®SGS100A SGMA HF-Quelle wird in Forschungseinrichtungen
zur hochpräzisen Ansteuerung von Quantencomputern genutzt.

der Kontroll- und Steuersignale berücksichtigt

­ erden (siehe Infobox „Thermisches Rauschen
w
im Kontrollsignal unterdrücken“ am Ende
des Artikels).

Kontrolle von Quantenzuständen

durch Mikrowellensignale
Ein Quantenzustand ist e­ xtrem fragil. Ent- Kontrollieren lässt sich der Energiezustand eines
sprechend liegt die Betriebs­temperatur eines Qubits durch externe Mikro­wellensignale. Mit
supraleitenden Qubits bei etwa 10 ­Millikelvin. Hilfe der sogenannten Bloch-Kugel wird ­dieser
Das entspricht rund minus 273 Grad ­Celsius Prozess dargestellt (Bild 1, rechts). An Nord-
und liegt nahe am absoluten Temperaturnull- und Südpol der Bloch-Kugel liegen die Rechen-
punkt. Nur so bleibt das thermische Hinter- zustände eins und null. Jeder andere Punkt
grundrauschen niedrig genug, um den Quan- auf der Kugeloberfläche entspricht einem
tenzustand nicht unkontrolliert zu stimulieren. Superpositionszustand. Ohne das ­Einwirken
Dafür muss auch das thermische Rauschen ­externer Kontrollsignale befindet sich das

Klassisches Bit Qubit

|0〉
+VCC
z
V1
EIN
Θ
A Out V1
R2
0 1
1 0 Josephson-
Out C
Kontakt
R
A Transistor y
T1 AUS
x
|1〉

Bild 1: Ein klassisches Bit arbeitet mit einem festen Zustand (A) und führt immer die gleiche Operation aus, in diesem Beispiel eine Inversoperation. Damit gleicht es einem
klassischen Schalter. Im Gegensatz dazu hängt der Zustand des Qubits vom internen Zustand des Schaltkreises ab und über das Steuersignal lassen sich verschiedene
Rechenoperationen induzieren. Das resonante Mikrowellensignal V1 erzeugt zum Beispiel eine Rotation des Zustandsvektors um die x-Achse der Bloch-Kugel. Die Dauer
und Intensität des Signals bestimmen dabei den Rotationswinkel.

| NEUES 226/2023 15
Quantentechnologie

16
Qubit im Grundzustand. Die Wechselwirkung des Quantenzustandes um 1 %, verändern die
mit einem resonanten Mikrowellensignal lässt erwirkte Quantenoperation. Ähnliche Fehler ent-
den Zustandsvektor in der Bloch-Kugel rotie- stehen bei einer nicht exakten Phasenkontrolle.
ren. ­Sollen verlässliche Rechenoperationen mit Kontrollinstrumente für Quantencomputer müs-
Qubits ausgeführt werden, muss diese Rotation sen daher eine hohe Phasen- und Amplituden-
sehr präzise gesteuert werden. Das geschieht stabilität aufweisen. Die Phase der Kontrollpulse
über die Pulslänge, die Amplitude des Mikro- ist dabei kontrolliert durch die In-Phase- und
wellensignals und die Einhüllende des Kontroll- Quadraturkomponenten des Pulses, die auf dem
pulses. Letztere ist gaußförmig, muss im Detail Arbiträrgenerator gespeichert werden.
aber auf die spezifischen Eigenschaften des
jeweiligen Qubits abgestimmt werden. Eine wei- Die ausgeführten Quantenalgorithmen sind
tere wichtige Eigenschaft des Kontrollsignals ist komplex, ebenso die Experimente an Quanten-
die relative Phase der Kontrollpulse. Sie beein- computern. Beides erfordert die p ­ hasenstabile
flusst die Rotationsachse des Qubit-Zustands und zeitsynchrone Ausgabe einer großen Anzahl
in der Bloch-Kugel. Wird das Qubit mit ­Pulsen von Signalpulsen auf mehreren Kanälen. Dies
identischer Phase angesprochen, rotiert der führt in vielen Fällen zu langen Wartezeiten
Zustand immer um dieselbe Achse, beispiels- beim Initialisieren der klassischen Kontrollhard-
weise um die x-Achse. Durch Änderungen der ware und kann letztendlich auch die Komple-
Phase wird auch die Rotationsachse verändert. xität geplanter Experimente limitieren. In den
Ein um 90° phasenverschobener Puls lässt den letzten Jahren haben daher unterschiedliche
Zustandsvektor dann um die y-Achse rotieren. Hersteller von Mikrowellengeneratoren angefan-
gen, ­spezielle Geräte unter enger Zusammen-
Für das Erzeugen von Kontrollsignalen haben arbeit mit Quantencomputing-Wissenschaftlern
sich Arbiträrgeneratoren als flexible Signal- zu entwickeln. Der Funktionsumfang solcher
quellen bewährt. Zusammen mit Mikrowellen- Geräte geht über den von klassischen Arbiträr-
quellen und Mischern lassen sich die erforder- generatoren hinaus und bedient einige spe-
lichen Pulse in der richtigen Qubit-Frequenz zielle Anforderungen dieses ­Forschungszweigs.
erzeugen. Durch präzise Phasenregelung des ­Beispielsweise lässt sich durch Verwendung
Kontrollpulses in Echtzeit und eine sehr genaue von FPGAs (Field Programmable Gate Array) die
Kontrolle der Einhüllenden, kann von jedem Phase der Pulse direkt auf dem Gerät aufbrin-
beliebigen Ausgangspunkt jeder beliebige Ziel- gen. Das reduziert den benötigten Speicherplatz
punkt auf der Bloch-Kugel erreicht werden. Ein drastisch. Dazu gibt es noch eine weitere Mög-
vollständiger Satz von Kontrolloperationen sind lichkeit: Weil sich selbst komplexe Quantenal-
beispielsweise Rotationen um 90° in Kombina- gorithmen, die tausende Operationen umfassen,
tion mit einer beliebig kontrollierbaren Phase auf einen überschaubaren Satz von fundamen-
des Trägersignals. talen Operationen zurückführen lassen, muss
nicht für jeden Quantenalgorithmus das voll-
Anforderungen an die Signalquellen ständige Signal im Arbiträrgenerator gespeichert
Im Gegensatz zu klassischen Rechenopera- werden. Der Satz an Fundamentaloperationen
tionen, bei denen eine hohe Fehlertoleranz und die Sequenz, in der sie ausgeführt werden
gegeben ist, sind Quantencomputer auf eine müssen, sind völlig ausreichend. Spezialisierte
präzise Kalibrierung der Kontrollpulse angewie- ­Arbiträrgeneratoren für die Forschung an Quan-
sen. Bereits kleine Abweichungen in der bewirk- tencomputern ­unterstützen solche Funktionen
ten Rotation, beispielsweise eine Überdrehung bereits.

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Quantentechnologie

18
Signalanalyse zum Auslesen von Quantenzuständen von Kontrollelektronik und Quantenhardware.
Hat ein Quantencomputer eine Operation aus- Ist die Signalanalyse direkt in den Geräten inte-
geführt, werden die Quantenzustände der griert, können Ergebnisse des Quantenalgorith-
Qubits ausgelesen. Dafür koppelt man die mus in Echtzeit berücksichtigt werden. Damit
Qubits an Ausleseresonatoren. Durch die Inter- erleichtern intelligente Arbiträrgeneratoren den
aktion mit dem Qubit verschiebt sich die Reso- Betrieb von Quantencomputern in einer ähnli-
nanzfrequenz des Resonators abhängig vom chen Weise, wie es die Assembler in der Com-
Energiezustand des Qubits (Bild 2). Wird er mit puter- und Maschinenprogrammierung schon
einem Auslesesignal nahe der Resonanzfre- lange tun. Eine der größten Herausforderungen
quenz angesteuert, lässt sich aus der Verschie- ist dabei die Synchronisation und Koordination
bung von Amplitude und Phase des Signals von hunderten Signalen, die für die Operation
in Transmission oder Reflexion auf den Qubit- von größeren Quantencomputern nötig sind.
Zustand schließen.
MAX WERNINGHAUS, PhD CANDIDATE
Aktuelle Entwicklungen von Quantenkontroll- AM WALTHER-MEIẞNER-INSTITUT
hardware ermöglichen einen effektiven Betrieb

π
arg(S11) in rad

–π
ωq ωr
1
|S11| (a. u.)

ωr – χ ωr ωr + χ
Testsignal in GHz
Bild 2: Durch die Interaktion zwischen Qubit und Resonator (links) beeinflussen sich beide Systeme g­ egenseitig.
Je nach Zustand des Qubits (blaue und rote Kurven) verschiebt sich die Resonanzfrequenz ωr eines Resonators
um einen bestimmten Betrag χ. Durch ein Testsignal können die Transmissions- und ­Reflexionseigenschaften
des Resonators und somit der Zustand des Qubits bestimmt werden. Rechts sind Argument und Betrag des
­Streuparameters S11 aufgetragen.

THERMISCHES RAUSCHEN IM KONTROLLSIGNAL UNTERDRÜCKEN

Das Kühlmanagement von Qubits umfasst neben dessen unmit- geringe Eingangsleistung, sodass eine Signalstärke von 0 dBm
telbarer Umgebung auch die Steuer- und Kontrollsignale. Weil bei ­Raumtemperatur meist ausreicht.
sich die Signalgeneratoren außerhalb des Kryostaten befin-
den und bei Raumtemperatur arbeiten, enthalten die Kontroll- Im Bild links ist ein kryogener Aufbau mit Tieftemperatur-Signal-
signale ein viel zu großes thermisches Rauschen. Sie müssen leitungen gezeigt. Im Betrieb liegt die Temperatur der unter-
auf den einzelnen Temperaturstufen so weit abgeschwächt wer- schiedlichen horizontalen Platten, betrachtet von oben nach
den, dass Photonen bei der Übergangsfrequenz des Qubits sta- unten, bei circa 1000 mK, 100 mK und 10 mK. Die Mikrowellen-
tistisch weitgehend unterdrückt sind. Typischerweise wird eine signale w
­ erden auf jeder Stufe thermalisiert, um thermisches
Abschwächung des Signals von rund 100 Dezibel angestrebt. Rauschen von höheren Temperaturen abzuführen und die effek-
Glücklicherweise benötigen die Quantenschaltkreise eine sehr tive Rauschtemperatur auf die Temperatur der Stufe zu senken.

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Quantentechnologie

QUANTENSENSORIK UND
QUANTENMETROLOGIE MACHEN
GEWALTIGE FORTSCHRITTE
Mittlerweile können Forschende Quantensysteme gezielt erzeugen und ihren Zustand präzise kontrollieren und auslesen.
Das nährt nicht nur die Hoffnung auf eine neue Generation von Computern, sondern auch auf präzisere Sensoren sowie
­deutlich kürzere Messzeiten. Damit befassen sich die Forschungsfelder Quantensensorik und Quantenmetrologie – und
machen aktuell große Fortschritte.

20
Sensoren spielen für die ­Menschheit eine zentrale Rolle. um das Thema Quantensensorik sprechen kann. Dafür
Sie erlauben es, eine Vielzahl von Messdaten aufzuneh- gibt es aber einen guten Grund: Mit dem enormen Fort-
men, die unsere menschlichen Sinnesorgane gar nicht schritt in der Quantentechnologie haben Forschende
erfassen können. Die Menge der durch Sensoren erzeug- gelernt, ­maßgeschneiderte Quantensysteme herzustellen,
ten Rohdaten hat in den vergangenen Jahrzehnten so sie genau zu präparieren, zu manipulieren und auszulesen.
stark zugenommen, dass sie heute oft gar nicht mehr Reagieren diese Quantensysteme empfindlich auf Umge-
gesichtet werden. Stattdessen extrahieren intelligente bungsvariablen, zum Beispiel elektrische und magnetische
Analyseverfahren nur die wirklich nützlichen Informationen Felder, Temperatur oder Beschleunigung, können durch
aus den riesigen Datenmengen. Messung der Zustandsänderung dieser Quantensysteme
die Umgebungsvariablen hochgenau bestimmt werden.
Der Wunsch, die Empfindlichkeit von Sensoren zu verbes-
sern und so neue Anwendungsgebiete zu erschließen, ist Bei Quantensensoren geht es also darum, aus der Ände-
so alt wie die Sensoren selbst. Schon sehr früh wurden rung des Zustands eines Quantensystems seine Umge-
dafür quantenphysikalische Phänomene wie Supraleitung bungsvariablen mit höchster Genauigkeit zu bestimmen.
und Magnetismus gezielt ausgenutzt. Solche hochemp- Die Grundanforderungen an solche Quantensensoren
findlichen Quantensensoren sind bereits seit Jahrzehn- lauten:
ten erfolgreich im Einsatz. Vor diesem Hintergrund wirkt ► Der Sensor wird von einem Quantensystem mit diskre-
es zunächst überraschend, dass die Forschungsaktivitä- ten Energieniveaus gebildet.
ten auf einem technisch so ausgereiften Feld wieder stark ► Das Quantensystem muss in einem wohldefinierten
zugenommen haben. Zustand initialisiert werden können sowie gut manipu-
lierbar und auslesbar sein.
Neues Interesse an Quantensensorik ► Es liegt eine ausgeprägte Abhängigkeit des Quanten­
Tatsächlich ist das Interesse aus Forschung, Industrie zustands von Umgebungsparametern vor.
und Politik so stark, dass man von einem neuen Hype

Bild 1: Hergestellt am
­Walther-Meißner-Institut:
Der Chip im HF-Gehäuse
beherbergt mehrere
­supraleitende Schaltkreise.
© BAdW/Kai Neunert

| NEUES 226/2023 21
Quantentechnologie

möglichst genau zu bestimmen. Ein solcher Messvorgang

ist auch das Auslesen eines Quantensensors.

Für diesen Messprozess setzt die Quantenphysik mit

der Heisenbergschen Unschärferelation eine fundamen-
tale Grenze. Die Heisenberg-Grenze besagt, dass die Prä-
zision einer Messung mit zunehmender Messzeit t nicht
schneller als proportional zu 1/t oder äquivalent zum Kehr-
wert 1/N der Zahl der Messvorgänge zunehmen kann. Die
Heisenberg-Grenze kann aber nur dann erreicht werden,
Glücklicherweise kommt bereits in der Natur eine Viel- wenn die einzelnen Messvorgänge quantenkorreliert sind.
zahl von Quantensystemen vor, die diese Anforderungen Erreichen lässt sich das durch nicht-klassische Signale,
erfüllen. Hierzu gehören einzelne Atome, Ionen und Atom- zum Beispiel gequetschte Quantenzustände. Dann muss
wolken, die sich mit Ionenfallen festhalten lassen. Eine aber auch sichergestellt werden, dass die Quantenkorre-
zweite Klasse sind atomartige Defekte in Festkörpern, wie lationen während des Messprozesses nicht durch Wech-
das Stickstoff-Fehlstellen-Zentrum in Diamant, das oft für selwirkung mit störenden Umgebungseinflüssen verloren
Quantensensoren genutzt wird. Für beide Klassen stehen gehen. Ohne Quantenkorrelationen liegt nur noch der so
heute ausgefeilte Techniken zur Verfügung, um Quanten- genannte Standard-Quanten-Limes im Bereich des Mög-
zustände kohärent zu manipulieren und zu kontrollieren. lichen, bei dem die Messpräzision proportional zu 1/√N
Diese Techniken basieren unter anderem auf kontinuierli- skaliert. Ein typisches Anwendungsbeispiel ist das Quan-
chen und gepulsten Laser- und Mikrowellensignalen. tenradar (siehe Artikel „Quantenkorrelation verbessert
Radartechnik“ auf Seite 24), bei dem das Signal-Rausch-
Wo Quantensensorik und Quanten­computer voneinander Verhältnis durch Verwendung von gequetschten Mikro­
profitieren wellenzuständen verbessert werden kann.
Die Forschung ist heute sogar noch einen Schritt w­ eiter.
Mittlerweile lassen sich auf der Basis von Festkörpern Ein weiteres Beispiel stammt aus der Grundlagenfor-
auch maßgeschneiderte Quantensysteme künstlich her- schung. Gelingt hier die direkte Messung von Gravita-
stellen. Ihre Eigenschaften können dann für Sensoranwen- tionswellen, könnte sich ein neues Forschungsfeld in der
dungen gezielt optimiert werden. Prominente Beispiele Astronomie auftun. Arbeiten die Laser-Interferometer, die
sind nanomechanische, supraleitende oder Spin-basierte als Gravitationswellendetektoren genutzt werden, statt
Systeme. Besonders interessant ist, dass solche Quanten- mit dem üblichen kohärentem Laserlicht mit gequetsch-
systeme auch für die Realisierung von Quantencomputern tem Licht, lässt sich die Auflösung bei gleicher Messzeit
verwendet werden. Eigentlich sind Quantencomputing wesentlich verbessern.
und Quantensensorik zwei getrennte Forschungsfelder,
denn während Quantensysteme für Computer im Allge- Während quantenmetrologische Techniken zum Erreichen
meinen nur sehr schwach von den Umgebungsparame- der Heisenberg-Grenze Gegenstand aktueller angewand-
tern abhängen dürfen, gilt für Sensoranwendungen gerade ter Forschung sind, deuten jüngste Forschungsergebnisse
das Gegenteil. Aber bei der Entwicklung von Techniken bereits darauf hin, dass selbst diese Grenze überwunden
zur Manipulation und Kontrolle von Quantensystemen gibt werden kann. Nötig sind dazu quantenkorrelierte Zustände,
es eine deutliche Überschneidung, sodass beide Bereiche bei denen die einzelnen Teilchen des Zustands (Photonen
stark voneinander profitieren können. bei gequetschtem Licht) miteinander wechselwirken.

Quantenmetrologie und kürzere Messzeiten Starke nationale Forschungslandschaft, internationaler

Noch viel enger mit der Quantensensorik ist das Gebiet der Anwendermarkt
Quantenmetrologie verbunden. Hier geht es darum, den Aufgrund der großen allgemeinen Bedeutung von Sensorik
Zustand eines bestimmten Systems – dies kann ein klassi- und Metrologie in Wissenschaft und Technik besteht inter-
sches oder ein Quantensystem sein – durch eine Messung national riesiges Interesse an der Entwicklung verbesserter

22
 © Jan Greune/MCQST

Bild 2: Supraleitende Schaltkreise arbeiten nahe am Temperaturnullpunkt und werden dafür in Kryostaten wie diesem betrieben.

Sensoren und Messverfahren durch die Verwendung von Durch die großzügige Forschungsförderung im Bereich
Quantentechnologien. Die Themen Quantensensorik und der Quantenwissenschaften und Quantentechnologien in
Quantenmetrologie stellen deshalb auch zentrale For- Deutschland sind die wissenschaftlichen und technischen
schungsgebiete des M ­ ünchener Exzellenzclusters Munich Fortschritte bei der Quantensensorik und Quantenmetrolo-
Center for Quantum Science and Technology (MCQST) gie zurzeit riesig. Ein erwartungsvoller Blick in die Zukunft
und eines Leuchtturmprojekts des Munich Quantum ­Valley ist also angebracht, zusammen mit der Hoffnung, dass die
e.V. (MQV) dar. Da die für Quantensensorik und Quanten- wissenschaftlichen und technischen Erfolge auch in kom-
metrologie notwendigen Quantensysteme weniger kom- merzielle Erfolge umgesetzt werden können.
plex als die für Quantencomputer sind, ist zu erwarten,
dass praktische Anwendungen hier früher realisiert wer-
den können. Die Einsatzgebiete sind breit gefächert. Sie PROF. DR. RUDOLF GROSS,
reichen von der Mikroskopie, medizinischer Bildgebung WALTHER-MEIẞNER-INSTITUT, BAdW
und Radartechnik über Positioniersysteme, Sensoren für FABIAN KRONOWETTER, ROHDE & SCHWARZ
elektrische und magnetische Felder, Geoprospektion und
Seismologie bis hin zu Gravitationswellendetektoren sowie
noch präziseren Atomuhren und Spektroskopieverfahren.

| NEUES 226/2023 23
Quantentechnologie

24
QUANTENKORRELATION
VERBESSERT RADAR-
TECHNIK
Die Radartechnologie wird seit Jahr-
zehnten immer weiter vorangetrieben und
perfektioniert. Aktuelle Forschungen zielen
nun ­darauf ab, sogar deren fundamentale
Leistungsgrenzen zu verschieben. Poten­­
zielle Anwendungsfelder reichen von der
Luftfahrt bis hin zur Medizintechnik.
Das Mittel dazu: Quantentechnologie.

Radar (Radio Detection and Ranging) ist eine leistungs­

fähige ­Messmethode zur berührungsfreien Nah- und Fern-
erkundung mit elektromagnetischen Wellen im Mikrowel-
lenbereich. Es bildet die Basis für eine Vielzahl praktischer
Anwendungen, die sich von der Weltraumerkundung über
die Erschließung von Rohstoffen bis hin zur Detektion,
Identifikation und Verfolgung von Objekten erstrecken.

Grundlagen der Radartechnik

Das Funktionsprinzip ist einfach: Eine Quelle sendet ein
gerichtetes Mikro­wellensignal in die Umgebung. Objekte
im Ausbreitungspfad reflektieren Teile des Signals, die ein
Empfänger registriert. Aus dem detektierten Signal kann
dann auf die Existenz des Objekts und weitere Eigen-
schaften geschlossen werden, etwa die Entfernung zum
Empfänger, die Bewegungsrichtung und die Geschwindig-
keit. In der Praxis treffen auf den Empfänger leider nicht
nur die eigentlichen Nutzsignale, sondern immer auch
Störsignale, zum Beispiel durch unvermeidbares Umge-
bungsrauschen. Insbesondere kann das Nutzsignal durch
Absorption, geringe Reflektivität oder große Entfernung
des Objekts so schwach sein, dass es im Rauschhinter-
grund untergeht. Unterhalb dieser Nachweisgrenze ist

© redkphotohobby/stock.adobe.com | NEUES 226/2023 25

Quantentechnologie

die Detektion eines Objekts nicht mehr möglich. Deshalb Objekte mit Hilfe von verschränkten Mikrowellensignalen
basiert heutige Radartechnik auf modernen Signalver- detektiert. Forschende am Walther-Meißner-­Institut erzeu-
arbeitungsverfahren, die das Nutzsignal effizient aus dem gen solche Signale bereits seit über zehn Jahren mit Hilfe
Rauschhintergrund herausfiltern. Besonders wirkungsvoll von supraleitenden Schaltkreisen. Die gleichen Schalt-
sind Methoden, die Korrelationen zwischen Sende- und kreise inklusive ihrer komplexen Kühltechnik bilden auch
Empfangssignal ausnutzen. Sie verbessern das Signal- die Basis für supraleitende Quantencomputer, was einen
zu-Rausch-Verhältnis (SRV) und erhöhen damit die weiteren Forschungsschwerpunkt des Instituts darstellt.
­Reichweite und Güte einer Radarmessung. Hierbei gibt Dadurch ergeben sich erhebliche Synergieeffekte bei
es allerdings eine theoretische Grenze. der Technologieentwicklung.

Klassische SRV-Grenze quantenmechanisch ausweiten Auf dem Quantendiskord basiert eine besonders praxis-
Nach den riesigen Fortschritten im Bereich der Quan- relevante Eigenschaft des Quantenradars: Es büßt
tenwissenschaften ergab sich sofort die Frage, ob diese den Quantenvorteil auch dann nicht vollkommen ein,
­theoretische Grenze durch den Einsatz von Quanten- wenn ein Teil der Quantenkorrelationen im Verlauf des
technologien weiter verschoben werden kann. Die Ant- Detektionsprozesses verloren geht. Das ist fundamental
wort sei hier gleich vorweggenommen: Ja, durch Ausnut- wichtig, da die Quantenverschränkung inhärent fragil ist
zen von Quantenkorrelationen ist das prinzipiell möglich. und durch Interaktion mit dem unvermeidbaren Rausch-
In der Fachliteratur ist dann von einem Quantenvorteil die hintergrund oder bei der Reflexion des Signals am Objekt
Rede. Dieser Quantenvorteil ist nicht auf den Mikrowel- leicht zerstört wird. Trotzdem kann noch mit einem Quan-
lenbereich und Radarsysteme im engen Sinn beschränkt, tenvorteil gerechnet werden. Diese Robustheit lässt sich
sondern ist prinzipiell für alle Anwendungen zu erwarten, intuitiv so verstehen, dass selbst nach dem Brechen der
die auf einem Abbildungsprinzip analog zur Radartech- Verschränkung noch allgemeinere Quantenkorrelationen
nik basieren. Hierzu zählen bildgebende Verfahren aus der – der Quantendiskord – zwischen Sende- und Referenz-
Medizintechnik sowie spektroskopische Methoden wie signal bestehen.
die Elektron- (ESR) und Kernspinresonanz (NMR). Beson-
ders attraktiv ist der Einsatz von Quantentechnologien für Verschränkte Mikrowellen im Quantenradar
­diejenigen Anwendungen, die bereits nahe an der klassi- Für eine Implementierung des Quantenradars werden
schen Grenze des SRVs betrieben werden. zwei sogenannte gequetschte Zustände (siehe Infobox
„Gequetschte Zustände“ am Ende des Artikels) erzeugt
Quantenkorrelationen und ihre Anwendungen im Quantenradar und in einem Strahlteiler überlagert. Dieser Vorgang resul-
Faszinierende und rein quantenmechanisch erklärbare tiert in zwei räumlich getrennten und stark quantenkor-
­Korrelationen sind Verschränkung und Diskord. Ein a ­ ktuell relierten Pfaden, dem Signal- und Referenzpfad (Bild 1).
verfolgter Ansatz für ein Quantenradar basiert auf beiden Der Signalpfad wird analog zum klassischen Radar in die
Effekten. An Stelle von klassischen Mikrowellen werden Umgebung entsandt, der Referenzpfad hingegen führt

Bild 1: Signalpfad und Referenzpfad sind in einem Quantenradar stark quantenkorreliert.

Innerhalb Kryostat (ca. –273 °C)

R&S®SGS100A SGMA HF-Quelle

Signalpfad zur Umgebung

R&S®SGS100A SGMA HF-Quelle

Arbiträrsignalgenerator von Referenzpfad zum Detektor

Zurich Instruments

26
direkt zu der Detektionseinheit des Quantenradars. Die bei- Sendesignal verloren geht, also nicht auf ein Objekt trifft.
den Pfade, präziser gesagt, die Feldquadraturen P und Q, Können wir nun ein Messergebnis einer dieser Verteilun-
sind quantenverschränkt (siehe Infobox „Verschränkung“). gen zuordnen, so lässt sich direkt auf die Präsenz oder
Eine wiederholte lokale Messung des Signalpfads oder des Absenz eines Objekts schließen. Bemerkenswert ist an
Referenzpfads gibt keinerlei Informationen über den jewei- dieser Stelle, dass diese Unterscheidung im Quantenemp-
ligen Pfad preis, die Messergebnisse sind vollkommen nor- fänger möglich ist, obwohl die empfangene Signalstärke in
malverteilt und sehen damit aus wie ein Rauschen. Inter- beiden Fällen identisch sein kann. Die gewonnenen Infor-
essanterweise gibt jedoch eine Messung von P in einem mationen resultieren demnach rein aus den Korrelationen
Pfad direkten Aufschluss über Q in dem anderen Pfad. zwischen Empfangssignal und Referenzsignal.
Wie kann man sich dieses interessante Phänomen aber
zunutze machen? Zusammengenommen bilden verschränktes Sendesignal
und Quantenempfänger ein Quantenradar, das bei gleicher
Quantendetektor für einzelne Mikrowellen-Photonen Sendeleistung durch das Ausnutzen von Quantenkorre-
Dafür bedarf es der sogenannten gemeinsamen Messung. lationen ein verbessertes SRV aufweist. Für den vorge-
Hier werden in einem Quantendetektor ­Empfangssignal schlagenen Detektor beträgt dieser Quantenvorteil einen
und Referenzsignal auf eine spezifische Art und Weise ­Faktor zwei (3 dB) bezogen auf das bestmöglich SRV ohne
gemischt und dann in Einzelphotonendetektoren einge- Quantenkorrelationen. Weitere Verbesserungen sind mög-
koppelt. Das Überlagern der beiden Signalkomponenten lich. So gilt der diskutierte Quantenvorteil von 3 dB nur für
in einem speziellen Mischer wandelt die verbleibenden den einfachsten Fall der Verschränkung von zwei Signal-
Quantenkorrelationen in eine messbare Größe. In diesem moden. Prinzipiell kann aber auch eine größere Anzahl an
Fall ist die Messgröße die Anzahl an detektierten Photo- Moden miteinander verschränkt werden. In diesem Fall
nen. Einzelne Mikrowellenphotonen zu zählen ist aufgrund wird erwartet, dass sich der Quantenvorteil proportional
der kleinen Energieskalen eine anspruchsvolle Messauf- zur Anzahl der verschränkten Moden erhöhen lässt. Aktu-
gabe, deshalb sind Mikrowellen-Einzelphotonendetek- ell arbeiten zahlreiche Forschungsgruppen auf der ganzen
toren Schlüsselkomponenten im Quantenradar. Sie kön- Welt daran, diese noch offenen Fragen zu klären.
nen mit Hilfe von supraleitenden Quantenbits (Bild 2)
­realisiert ­werden und sind so empfindlich, dass sie die Herausforderungen und das Engagement von Rohde & Schwarz
kleinste Energieeinheit der elektromagnetischen Welle – Das Ausnutzen von Quantenkorrelationen beim Quan-
ein ­einzelnes Photon – auflösen können. tenradar erfordert eine Erweiterung der klassischen, auf
­Korrelationsfiltern und Ambiguitätsfunktion basierenden
Eine wiederholte Messung mit dem Quantendetektor Radartheorie. Hierbei treten einige physikalische und tech-
­liefert zwei unterschiedliche Messverteilungen, je nach- nologische Herausforderungen auf, insbesondere wenn
dem ob das Empfangssignal einen Teil des Sendesignals der Blick auf einen feldtauglichen Einsatz der Quanten-
enthält, also von einem Objekt reflektiert wird, oder das radartechnologie gerichtet wird. So kann beim heutigen

Bild 2: Mikroskopaufnahme eines supraleitenden Qubits. Die beiden hellen Recht­ecke (links) aus Niobium liefern
die passenden Kapazitäten, die über eine nichtlineare Induktivität mittels eines Josephson-Kontakts aus Aluminium
gekoppelt sind (rechts). So entsteht ein LC-Schwingkreis, der effektiv ein Zweizustandssystem bildet.

Parametrischer Verstärker

Strahlteiler

Gequetschter Mikrowellenpuls

Gequetschter Mikrowellenpuls
© Walther-Meißner-Institut

Verschränkte Mikrowellenpulse

Mikrowellenkabel

Quantenkorrelationen
10 µm

| NEUES 226/2023 27
Quantentechnologie

Stand der Technologie ein Quantenvorteil nur für ausge- Mikrowellen mit einer Frequenz von einigen Gigahertz mit
sprochen niedrige Signalleistungen erreicht werden. Des- supraleitenden Quantenschaltkreisen ­eingesetzt werden.
halb wird ein Quantenradar zunächst für Anwendungen
in Frage kommen, bei denen bei kleinen Reichweiten der Auch für die Realisierung des ­Quantenempfängers spie-
Sender unerkannt bleiben möchte oder eine breitban- len diese Komponenten eine zentrale Rolle, sowohl im
dige Störung unserer mobilen Kommunikationsinfrastruk- Mischer als auch in den Einzelphotonendetektoren. Außer-
tur vermieden werden soll. Mittelfristig muss aber nach dem ermöglichen Vektornetzwerkanalysatoren, Spektrum-
Lösungen gesucht werden, wie der Signalpegel signifi- analysatoren und Oszilloskope von Rohde & Schwarz die
kant angehoben werden kann, ohne dabei die Quanten- Kalibrierung und Vorcharakterisierung des Aufbaus.
eigenschaften zu zerstören. Klassische Verstärkerkonzepte
sind hierzu nicht verwendbar. Als Nahziel steht der expe- Auf dem Weg zu potenziellen Anwendungen müssen
rimentelle Nachweis eines Quantenvorteils in Laborexpe- noch zahlreiche technische Herausforderungen überwun-
rimenten im Vordergrund, bei denen das gesamte Experi- den werden. Sie reichen von der Signalaufbereitung und
ment in einer Tieftemperaturapparatur durchgeführt wird der Signalübertragung von den Tieftemperatur- auf die
(Bild 3 rechts). Während die Erzeugung von quantenver- ­Raumtemperaturkomponenten bis hin zum Betrieb eines
schränkten Mikrowellensignalen und der Quantendetek- Systems unter Alltagsbedingungen. Diese Herausforde-
tor hier bereits in ihrer Funktion vollständig implementiert rungen geht ein Münchner Team aus Wissenschaft und
werden, können der Umgebungseinfluss und das Objekt Industrie in dem vom Bundesministerium für Bildung und
durch passende Komponenten simuliert werden. Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt QUARATE
an. Rohde & Schwarz gehört dem Projekt als Partner und
Zur Durchführung dieser Experimente spielen Geräte ­Projektkoordinator an.
von Rohde & Schwarz und Zurich Instruments eine zent-
rale Rolle. So kann eine Kombination aus R&S®SGS100A FABIAN KRONOWETTER, ROHDE & SCHWARZ
SGMA HF-Quellen und HDAWG 750 MHz Arbiträrsignal­
generatoren zur Erzeugung quantenverschränkter

Bild 3: Messaufbau am Walther-Meißner-Institut mit

Kryostat (rechts) und einem R&S®ZNA Vektornetzwerk-
analysator (links) zur Analyse der Resonanzen supra­
leitender Schaltkreise.

28
 500 µm
GEQUETSCHTE ZUSTÄNDE
Am Walther-Meißner-Institut werden verschränkte Mikrowellen­
signale für Quantenradare mit Hilfe von sogenannten gequetschten
Zuständen erzeugt. Dafür kommt ein supraleitender parametrischer
Verstärker zum Einsatz. Er funktioniert analog zu einer Schaukel, bei
der Kinder durch eine periodische Hoch-Tief-Bewegung intuitiv die

© Walther-Meißner-Institut
effektive Seillänge der Schaukel variieren und dadurch die Schwin-
gungsamplitude parametrisch verstärken. Dem Parameter Seil-
länge entspricht beim supraleitenden parametrischen Verstärker die
Induktivität eines elektrischen Schwingkreises, die mit einem Pump-
signal periodisch moduliert wird. Damit lässt sich eine Quadratur P
des Mikrowellensignals P · sinωt + Q · cosωt verstärken, während Bild 4: Struktur eines supraleitenden parametrischen Verstärkers.
gleichzeitig die dazu orthogonale Quadratur Q abgeschwächt wird.
Gemäß der Heisenbergschen Unschärferelation sind P und Q nicht
gleichzeitig beliebig genau messbar, sondern das Produkt ΔP · ΔQ sogar unter den Wert der Nullpunkts- oder Vakuum-Fluktuationen
ihrer Unschärfen muss immer einen minimalen Wert ­übersteigen. reduzieren. In diesem Fall liegt ein gequetschter Zustand vor. Das
Mit Hilfe eines parametrischen Verstärkers lässt sich aber die Unterschreiten der Nullpunkts-Fluktuationen ist eine Vorbedingung
Unschärfe der einen Quadratur zu Ungunsten der dazu ­orthogonalen zum Erreichen eines Quantenvorteils.

VERSCHRÄNKUNG
Quantenphysikalische Korrelationseffekte wie die Verschränkung Ergibt eine Messung, dass das eine T­ eilsystem im Zustand rot ist,
sind uns im Alltagsleben fremd. In der klassischen Physik lässt sich weiß ein Beobachter oder eine Beobachterin sofort, dass sich das
ein Gesamtsystem, das zum Beispiel aus zwei Teilen zusammenge- andere Teilsystem im Zustand blau befindet. Die Messergebnisse an
setzt ist, immer trennscharf in seine beiden Komponenten ­zerteilen. den Komponenten eines verschränkten Systems sind also korreliert.
Der Zustand der beiden Komponenten, charakterisiert durch bei- Wären sie völlig unabhängig, könnten bei einer Messung auch beide
spielsweise die Eigenschaften rot und blau, ist dabei immer wohl- Systeme im Zustand blau oder beide Systeme im Zustand rot sein
definiert und das Zusammenwirken beider Komponenten erklärt und aus dem Wissen über das eine Teilsystem ließe sich nicht mit
das Verhalten des Gesamtsystems vollständig. In der Quanten- Sicherheit auf das andere Teilsystem rückschließen.
welt trifft dies nicht mehr zu. Hier kann ein verschränkter Zustand
des Gesamtsystems vorliegen, der zwar auch wohldefiniert ist, sich Nachdem dieses Phänomen den Horizont der klassischen P­ hysik
aber nicht mehr durch zwei Teilsysteme mit jeweils eigenen, wohl- übersteigt, ist die Rede von Quantenkorrelationen. Da die beiden
definierten Zuständen (rot und blau) beschreiben lässt. Vielmehr Subsysteme beliebig weit voneinander entfernt sein können, hat
befinden sich die Teilsysteme in einer Überlagerung aus möglichen Albert Einstein das Phänomen der Verschränkung als spukhafte
Zuständen. Verschränkung bedeutet nun, dass jedem Zustand des Fernwirkung bezeichnet und versucht, es durch Gedankenexperi-
einen Teilsystems der korrespondierende Zustand des anderen Teil- mente zu widerlegen. Seine Existenz ist heute aber gesichert und
systems zugeordnet ist. wird bereits in Anwendungen technisch genutzt.

QUARATE
Seit Februar 2021 arbeiten Rohde & Schwarz, das Walther-Meißner-Institut, die Technische Universität München und das
Deutsche ­Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen im dreijährigen Verbundprojekt QUARATE (kurz für Quantenradar-Team).
Sie ermitteln die wissenschaftlich-technischen Grundlagen für ein quantenbasiertes Radar und bewerten die Perspektiven für die
­feldtaugliche Umsetzung. Von den erarbeiteten Erkenntnissen können auch Nachbarbereiche wie Metrologie oder Bildgebung
­profitieren. Dafür steht ein Projektvolumen von 3,1 Millionen Euro zur Verfügung, rund drei Viertel davon stellt das Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF) bereit.

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Quantentechnologie

SICHER VERSCHLÜSSELN
IM ­QUANTENZEITALTER
Asymmetrische Verschlüsselungstechniken sind heute weit verbreitet und
gelten als sicher. In ein paar Jahren fordern Quantencomputer diesen Status ­
heraus. Ein Schreckensszenario, aus dem es aber zwei Auswege gibt:
Quantenschlüsselverteilung (QKD) und ­Post-­Quanten-Kryptografie (PQC).

Soll heutzutage der Datenaustausch sichere Verteilen des Schlüssels chiffriert, kann nur der private Schlüs-
geschützt werden, geschieht das fast an beide Kommunikationsparteien. sel sie wieder dechiffrieren.
immer über eine Kombination aus Diese ­Verteilung wird üblicherweise
zwei Verfahren: der symmetrischen mit asymmetrischer ­Kryptografie Den Anfang der ­Datenübertragung
und der asymmetrischen Verschlüs- geschützt. Der Name drückt aus, macht bei der asymmetrischen Ver­
selung. Bei symmetrischen krypto- dass hier mit zwei unterschiedli- schlüsselung die Empfängerseite. Sie
grafischen Verfahren e ­ ntschlüsselt chen Schlüsseln ver- und entschlüs- erzeugt ein Paar aus öffentlichem und
die Empfängerseite Daten mit dem selt wird. Neben einem geheim zu privatem Schlüssel und stellt erste-
gleichen Schlüssel, mit dem sie haltenden privaten Schlüssel (Private ren zum Beispiel über einen Schlüs-
­senderseitig verschlüsselt wurden. Key) nutzt man einen öffentlichen sel-Server (Key-Server) öffentlich zur
Ein Beispiel dafür ist der Advanced Schlüssel (Public Key), dessen Echt- Verfügung (Bild 1). Die Senderseite
Encryption Standard (AES). Im Jahr heit zwar garantiert werden muss, verschlüsselt ihre Nachricht mit dem
2000 hat ihn die US-Standardisie- zum ­Beispiel über ein Zertifikat, der öffentlichen Schlüssel und übermit-
rungsbehörde NIST zertifiziert. aber sonst ohne weitere Schutzmaß- telt diese an die Empfängerseite. Die
Heute wird er weltweit genutzt. nahmen über einen öffentlichen Kanal Empfängerseite entschlüsselt mit
übertragen werden kann. Zentral ist ihrem ­privaten Schlüssel. Die Stärke
Asymmetrisch abgesichert für diese Methode, dass der öffentli- dieser Methode ist, dass der sensible
Der kritische Punkt einer symme- che ­Schlüssel eine Einbahnstraße dar- private Schlüssel von Anfang an bei
trischen Verschlüsselung ist das stellt: Wurden Daten einmal mit ihm der Empfängerseite liegt und nicht
übertragen wird.
© Buero Watzmann/Westend61/
stock.adobe.com

Weil asymmetrische Verfahren deut-

lich mehr Rechenleistung als die sym-
metrischen benötigen, wendet man
sie in der Regel nicht auf den Daten-
verkehr selbst an. Stattdessen schüt-
zen sie die Schlüsselverteilung eines
symmetrischen Verfahrens, das den
Datenverkehr verschlüsselt.

Schutzwall Mathematik
Weil der öffentliche Schlüssel zum
Verschlüsseln genutzt wird, ent-
hält er auch gewisse Informatio-
nen zum ­Entschlüsseln. Prinzipiell
lässt sich also aus dem öffentlichen
Schlüssel auf den privaten Schlüs-
sel schließen – aber nicht innerhalb
eines relevanten Zeitraums. Um das

30
 Die Empfängerseite erzeugt ein Schlüsselpaar aus öffentlichem und privatem Schlüssel und stellt den öffentlichen Weiterentwicklung und auch zahl-
Schlüssel über einen frei zugänglichen Schlüssel-Server zur Verfügung. reiche Staaten beschleunigen die
­Entwicklung durch nationale und
internationale Förderprojekte. Exper-
ten des Bundesamts für Sicherheit
Privater Schlüssel
in der Informationstechnik (BSI) rech-
Empfängerseite nen mit einer Wahrscheinlichkeit von
Schlüssel-Server
20 ­Prozent, dass im Jahr 2030 erste
Quantencomputer bereitstehen, um
Öffentlicher Verschlüsselungsverfahren zu bre-
Schlüssel chen, die heute als sicher gelten. Ent-
Die Senderseite lädt sich den öffentlichen Schlüssel herunter und verschlüsselt damit ihre Nachricht.  sprechend hoch ist der Bedarf, bald
Dass dieser Schlüssel tatsächlich von der Empfängerseite stammt, stellt ein Zertifikat sicher. Daten mit quantensicheren kryptogra-
fischen Verfahren zu verschlüsseln.
Das gilt vor allem für Organisationen
und Behörden, die größere Mengen
Öffentlicher
Schlüssel
an sensiblen Daten über einen langen
Zeitraum vorhalten müssen. Sie benö-
tigen genügend Zeit, um ihre Daten-
Senderseite Verschlüsselte Nachricht Empfängerseite vorräte auf quanten­sichere Verschlüs-
selung umzustellen.
Die Empfängerseite entschlüsselt mit ihrem privaten Schlüssel.

PQC und QKD: zwei Methoden, ein Ziel

Dafür werden aktuell zwei große
+ = Ansätze verfolgt. Unter dem Begriff
Post-Quanten-Kryptografie (PQC)
Verschlüsselte Privater Schlüssel Entschlüsselte entwickeln ­Wissenschaftlerinnen
Nachricht Nachricht
und Wissenschaftler spezielle
Bild 1: Prinzip der asymmetrischen Kryptografie.

sicherzustellen, basieren öffentliche Rechenleistung nötig ist. Da so gut 37 31

Schlüssel auf mathematisch schwie- wie alle heute eingesetzten asym-
rig zu lösenden Problemen, in der metrischen Krypto-Verfahren auf die- 17 13
Regel der Primfaktorzerlegung (Bild 2) sen beiden mathematischen Proble-
5 3 29
oder dem Berechnen von diskreten men basieren, würden technisch reife
­Logarithmen. Sie werden so ange- Quantencomputer ihnen die Grund- 19 2 11
wendet, dass sich der Rückschluss lage entziehen. Es sind auch Quan-
auf den privaten Schlüssel praktisch tenalgorithmen bekannt, die sym- 41 7
in unüberwindbare Länge zieht. Ein metrische Krypto-Verfahren direkt
herkömmlicher Computer benötigt angreifen. Hier reichen zwar bereits 23
dafür mehrere ­Millionen Jahre oder längere Schlüssel zum Erhalt des
43 47 …
noch länger. Schutzniveaus aus, allerdings würde
durch gebrochene asymmetrische
Gamechanger Quantencomputer Verfahren die vorhergehende Absi- Bild 2: In der Ulam-Spirale, benannt nach dem polni-
Bezieht man in dieses ­Szenario cherung der Schlüssel­verteilung schen Mathematiker Stanislaw Marcin Ulam, ­liegen
­allerdings technisch ausgereifte fehlen. Primzahlen häufig auf Diagonalen. Das deutet zwar
Quanten­computer mit ein, ent- eine gewisse Systematik an, aber bis heute gibt es
steht eine neue Situation. Bereits seit Noch sind diese Verschlüsselungs- keine Methode, um für eine große Zahl schnell sagen
dem Jahr 1994 steht mit dem Shor-­ verfahren aber nicht gebrochen. zu können, ob es sich um eine Primzahl handelt oder
Algorithmus ein Verfahren zur Ver- Dafür existieren, soweit bekannt, nicht. Deshalb kann auch nur unter großem Zeitauf-
fügung, um die Primfaktorzerlegung noch keine Quantencomputer mit wand aus dem Produkt von zwei großen Prim­zahlen
und das Auffinden diskreter Logarith- genügend Rechenleistung. Aller- p · q, zurück auf die jeweiligen Faktoren p und q
men deutlich schneller zu lösen. Es dings arbeiten namenhafte Unter- geschlossen werden. Auf diesem Phänomen basiert die
ist ein Q
­ uantenalgorithmus, für den nehmen wie ­Google, IBM und Einwegfunktion des öffentlichen Schlüssels von asym-
ein Quanten­computer mit genügend Amazon mit Hochdruck an deren metrischen Verschlüsselungsverfahren wie RSA.

| NEUES 226/2023 31
Quantentechnologie

asymmetrische Algorithmen, die Quantum Key Distribution (QKD) nur diesen beiden Parteien bekannt
selbst mit Hilfe eines Quantencom- Einen gänzlich anderen Ansatz ver- ist und als Schlüssel verwendet wer-
puters nicht auf relevanten Zeitska- folgt die Quantenschlüsselverteilung, den kann (siehe Artikel „Quantum Key
len zu brechen sind. Es existieren auch bekannt als Quantum Key Distri- Distribution“ auf Seite 34). ­Sollten
einige aussichtsreiche Kandidaten, bution (QKD). Es werden quantenphy- asymmetrische kryptografische Ver-
die auf verschiedenen mathemati- sikalische Gesetzmäßigkeiten ausge- fahren also gebrochen werden, kann
schen Problemen basieren, beispiels- nutzt, um Schlüssel für symmetrische QKD ihre Rolle einnehmen. Die Quan-
weise auf Gittern (Lattices) oder kryp- kryptografische Verfahren zu erzeu- tenschlüsselverteilung beruht auf phy-
tografischen Hashfunktionen. Ein gen und sicher zu verteilen. Die Kom- sikalischen Gesetzen und ist zudem
weiterer Ansatz für PQC sind fehler- munikationspartner tauschen anstatt informationstheoretisch sicher.
korrigierende Codes, von denen man klassischer Bits nun sogenannte Daher ist die Sicherheit der erzeug-
annimmt, dass auch ein Quantencom- Qubits in Form von Quantenzustän- ten Schlüssel unabhängig von der
puter sie nicht effizient lösen kann. den einzelner Photonen aus. Rechenleistung von Quantencompu-
tern und klassischen Computern.
Ein großer Vorteil von PQC ist, dass QKD fußt darauf, dass einzelne Quan-
die bestehende Netzwerk-Infrastruk- tenzustände nicht perfekt kopiert QKD-fähige Geräte und Infrastruktur
tur weiterhin genutzt werden kann. werden können und dass die Mes- Es existieren bereits viele verschie-
Allerdings gibt es hier noch Heraus­ sung von Photonen durch Dritte – dene QKD-Protokolle. Sie alle beru-
forderungen. So wurden jüngst was einem Abhörversuch gleich- hen auf den oben beschriebenen
bereits einige aussichtsreiche PQC- kommt – entdeckt werden kann. Grundsätzen, die je nach Protokoll
Kandidaten gebrochen. Im Vergleich Wenden zwei Kommunikationspar- aber unterschiedlich umgesetzt wer-
zu klassischen asymmetrischen Ver- teien diese beiden grundlegenden den. Manche basieren zum Beispiel
fahren haben die verschiedenen PQC- physikalischen Gesetzmäßigkeiten auf polarisierten Photonen, andere
Verfahren zudem Nachteile bei Effi- geschickt an, können sie gegenüber auf der Zeit-Phase-Unschärferelation.
zienz und Schlüssellänge. Auf diese potenziellen Angreifern einen Vor- Damit sind auch unterschiedliche
Aspekte fokussiert sich aktuell ein teil erlangen. Durch geeignete Nach- Mechanismen zur Präparation und
beträchtlicher Forschungs- und bearbeitung der gemessenen Qubits Messung des Quantenzustands ver-
Entwicklungsaufwand. lässt sich eine Bitfolge erzeugen, die bunden. Einige Protokolle sind bereits

Endpunkt Endpunkt

 Bestands- Infrastruktur zum Ende-zu-Ende Transport quantensicherer Schlüssel

netzwerk

 Netzwerk-
verschlüsseler

 Trusted node
 Key-Management-
Systeme

 QKD-Module

 Management und
QKD-Controlling

Bild 4: Um Bestandsnetzwerke mit QKD zu erweitern, sind mehrere Elemente nötig: (1) QKD-Module zum Erzeugen der Quantenschlüssel, (2) Trusted Nodes, um die Quanten-
schlüssel über mehr als 100 Kilometer zu verschicken, (3) Key-Management-Systeme (KMS), die die Quantenschlüssel entgegennehmen, verarbeiten, verwalten und bei Nutzer­
anfragen an die (4) Netzwerkverschlüsseler weitergeben. Letztere sind das Bindeglied zu den Bestandsnetzwerken (5) und müssen über entsprechende Schnittstellen und
Funktionalitäten verfügen, um Quantenschlüssel entgegenzunehmen. Da komplexe Netzwerke aus mehreren Einzelnetzwerken bestehen, muss eine netzwerkübergreifende
Verwaltung von KMS und QKD-Modulen und das Routing der Schlüsselübertragung sichergestellt sein. Diesen Part übernehmen (6) Management und QKD-Controlling.

32
recht ausgereift und anwendungsnah
umgesetzt. Erste QKD-Lösungen zur
sicheren Punkt-zu-Punkt-Kommunika-
tion können bereits jetzt von verschie-
denen Anbietern erworben werden. In
naher Zukunft wird sich die Produkt-
palette weiter vergrößern.

Da sich Quantenzustände nicht per-

fekt kopieren lassen, können aller-
dings auch keine optischen Verstärker
zur Langstreckenübertragung einge-
setzt werden. Damit ist die Reichweite
von QKD beschränkt, aktuell auf rund
100 Kilometer. Bei größeren Entfer-
nungen ist die erreichbare Datenrate
zu gering für praxisrelevante Anwen-
dungen. Das wirkt sich auch auf die
erforderliche Netzwerktopologie aus,
für die sogenannte vertrauenswürdige
Knotenpunkte (Trusted Nodes) nötig
sind. Daneben erfordert Quanten-
verschlüsselung, zusätzlich zur Bild 3: Europäisches QKD-Netz
bestehenden Kommunikations­ Die Initiative EuroQCI drückt den politischen Willen aller 27 EU-Staaten für ein QKD-Netz aus.
infrastruktur, eine ergänzende Ab 2023 werden nationale QKD-Netzwerke aufgebaut, hier beispielhaft für ausgewählte
­Netzwerk-Infrastruktur zur Über- Länder in verschiedenen Farben dargestellt, und bis 2027 schrittweise zu einem europäischen
tragung der Quantenbits. Diese Gesamtnetzwerk zusammengeführt.
­Infrastruktur wird momentan in
­verschiedenen Regionen der Welt
­aufgebaut. Das Vorgehen dafür ist
überall ähnlich: Einzelne Punkt-zu- Teile eines QKD-Netzwerks für klassische Netzwerke aufbauen.
Punkt-­Verbindungen werden zu Ein Quantennetzwerk besteht nicht Der Funktionsumfang der Verschlüs-
­größeren Testnetzen kombiniert, allein aus QKD-Geräten, sondern auch seler wurde soweit ergänzt, dass sie
die zunehmend den Status eines aus entsprechend gehärteten Syste- in QKD-Netzwerken zum Einsatz kom-
­kommerziell nutzbaren Netzes anneh- men zur Schlüsselverwaltung sowie men können. Im Rahmen von For-
men. Das größte dieser QKD-Netze QKD-fähigen Verschlüsselern, Steuer- schungsprojekten haben sie sich
ist das Quanten-Backbone-Netz. und Managementsystemen. Auf die- bereits in europäischen Testnetzwer-
­Offiziell ist es seit dem Jahr 2017 sem Gebiet hat die Rohde & Schwarz ken im laufenden Einsatz bewährt.
­fertiggestellt und wird seitdem über Cybersecurity GmbH in den letzten Andere Technologien, beispielsweise
ganz China ausgeweitet. Die Europäi- Jahren ihr Engagement verstärkt und die Systeme zur Schlüsselverwaltung,
sche Union startete im Jahr 2019 die entwickelt mit verschiedenen Partnern werden von Grund auf neu ent­wickelt.
EuroQCI-­Initiative (European Quan- an entsprechenden Funktionalitäten Auch hier ist die Erfahrung von sicher-
tum Communication Infrastruc- und Produkten, die teilweise schon heitstechnisch gehärteten und zuge-
ture) für den Aufbau einer sicheren in heute angebotenen Lösungen zu lassenen Sicherheitslösungen von
Quantenkommunikationsinfrastruk- finden sind. großem Vorteil, da auch diese Geräte
tur. Durch Glasfaser- und Satelliten- für die behördliche Zulassung gehär-
verbindungen soll sie sich über die Rohde & Schwarz ­Cybersecurity ist tet werden müssen.
gesamte Europäische Union erstre- schon seit langem ein vertrauens-
cken, einschließlich ihrer Überseege- würdiger Anbieter von BSI-zugelas- DR.-ING. HENNING MAIER, DR. JASPER RÖDIGER,
biete. Die so entstehenden nationalen senen IT-Sicherheitslösungen und STEFAN RÖHRICH (ALLE ROHDE & SCHWARZ)
Netzwerke sollen sich in den nächs- kann zum Beispiel für die Entwick-
ten Jahren zu einem europäischen lung von QKD-fähigen Verschlüs-
Gesamtnetz zusammenfügen. selern auf bestehende Technologie

| NEUES 226/2023 33
Quantentechnologie

QUANTUM KEY
DISTRIBUTION
Quantum Key Distribution (QKD) soll asymmetrische Verschlüsselungs-
verfahren ersetzen, so dass man auch im Zeitalter der Quantencomputer
vertrauenswürdig kommunizieren kann. Der Ansatz gilt als viel­versprechend
und wird in ersten Stufen schon heute angewendet.
Im Deutschen wird Quantum Key Distribution als Quantenschlüsselverteilung übersetzt. Es
­verschlüsselt nicht den Datenverkehr selbst, sondern stellt einen geheimen Schlüssel bereit,
mit dem andere kryptografische Verfahren Daten verschlüsseln oder auch authentifizieren.
­QKD-Schlüssel können beispielsweise in symmetrischen Kryptographie-Verfahren eingesetzt
­werden. Diese arbeiten sehr recheneffizient und sind zur Datenverschlüsselung weit verbreitet.
Sie selbst sind sogar relativ robust gegen unberechtigte Dechiffrierversuche durch Quanten-
computer, nicht aber die asymmetrischen Kryptografie-Verfahren, mit denen heutzutage
die ­Verteilung des symmetrischen Schlüssels abgesichert wird (siehe auch Artikel „Sicher
­verschlüsseln im Quantenzeitalter“ auf Seite 30). Um diese asymmetrischen Kryptografie-­
Verfahren quantensicher zu ersetzen, ist QKD eine vielversprechende Möglichkeit.

In erster Linie geht es bei QKD um die sichere Kommunikation zwischen besonders
­schützenswerten Netzwerken, etwa von staatlichen Organisationen, kritischer Infrastruktur,
­Banken oder Kommunikationsverbindungen zwischen größeren Firmenstandorten.
Die Funktionsweise von QKD wird im Folgenden erklärt.

Austausch über zwei Kanäle Bob in mehreren Runden Informa- Eigenschaften: Der ­Heisenbergschen
Im einfachsten Fall ist das Ziel, zwei tionen aus, um aus der ursprünglich Unschärferelation und dem
Endpunkten, normalerweise Alice gesendeten Quantenbitfolge einen ­No-­Cloning-Theorem. Erstere besagt,
und Bob genannt, einen gemeinsa- gemeinsamen Schlüssel zu erzeugen. dass bestimmte Paare von Mess­
men Schlüssel bereitzustellen, den größen nicht beide zum gleichen Zeit-
nur sie kennen. Dafür arbeitet QKD Für die Sicherheitsbewertung wird punkt beliebig genau gemessen wer-
immer mit zwei Kommunikationska- angenommen, dass eine Spionin, den können. Je präziser die Messung
nälen. Der Quantenkanal transportiert genannt Eve, den Quantenkanal im eines Parameters ausfällt, desto grö-
eine Folge von Qubits, also Quanten- Rahmen der physikalischen Gesetze ßer wird die Messunsicherheit beim
bits, von denen einige, aber nicht alle, beliebig messen und manipulieren anderen Parameter. QKD-­Verfahren
den geheimen Schlüssel bilden. Die kann. Den klassischen Kanal kann Eve basieren oft auf der Zeit-Phase- oder
Übertragung geschieht in Form von aufgrund der Authentifizierung zwar der Polarisations-Unschärferelation
einzelnen Photonen, meist über eine mithören, aber nicht manipulieren. einzelner Photonen. Aus dem No-Clo-
Glasfaser. Der zweite Kanal ist ein ning-Theorem folgt, dass sich Quan-
gewöhnlicher Kommunikations-Link, Schutzwall Quantenphysik tenbits nicht perfekt kopieren lassen.
der aber zwingend authentifiziert sein und Informationstheorie Ein Mithören am Quantenkanal hin-
muss. Über diesen authentifizierten Die Sicherheit von QKD fußt auf terlässt also immer Spuren und kann
klassischen Kanal tauschen Alice und zwei fundamentalen physikalischen bemerkt werden.

34
 m
be e.co
m
Eve

b
.co
Bild 1: Zum Quanten-

k.a ado
schlüsselaustausch sind

toc ck.
do
o/s /sto
zwei Kommunikations­
Quantenkanal

n
kanäle nötig. Das Verfah-

© raha
Alice Bob
ren berücksichtigt, dass

Ziz
a
©
beide abgehört und der
Quantenkanal außerdem
Authentifizierter klassischer Kanal
manipuliert werden kann.

Wie QKD funktioniert gegenüber Spionin Eve zu verschaf- Polarisationen. Bob misst die Polari-
Anschaulich lässt sich das Prinzip fen. Ausgespielt wird dieser Informa- sation der empfangenen Photonen.
­hinter QKD anhand des BB84-Proto- tionsvorteil in der Nachbearbeitung Dafür definieren sie zwei zueinander
kolls erklären. Historisch ist es das der Quantenbitfolge. Nach den drei rotierte Kodierungsbasen (Bild 2).
erste QKD-Protokoll und wurde, Schritten Fehlerabschätzung, Fehler-
wie der Name andeutet, 1984 von korrektur und Maß an Privatsphäre Aufgrund der Heisenbergschen
Charles H. Bennett und Gilles Bras- erhöhen, liegt Alice und Bob ein Unschärferelation misst Bob nur dann
sard vorgeschlagen. Seine Prinzipien gemeinsamer und sicherer Schlüssel die korrekte Polarisation eines emp-
lassen sich auf viele weitere QKD-­ vor. In der meist englischsprachigen fangenen Photons, wenn er zum Mes-
Protokolle übertragen. Fach­literatur sind diese drei Schritte sen die gleiche Basis verwendet wie
als Error Estimation, Error Correction Alice beim Senden. Hat er die falsche
Der Gedanke hinter dem BB84-Proto- und Privacy Amplification bekannt. Basis gewählt, erhält er ein zufälli-
koll ist, Senderin Alice und Empfänger ges Ergebnis, das statistisch in etwa
Bob bei der Übertragung der Quan- Die Kommunikation startet über den 50 Prozent der Fälle richtig ist. Für
tenbits durch geschicktes Ausnutzen Quantenkanal. Alice schickt eine jedes übertragene Quantenbit wäh-
der Heisenbergschen Unschärfe- Folge von Quantenbits, indem sie ein- len Alice und Bob zufällig und unab-
relation und des No-Cloning-Theo- zelne Photonen kodiert, beispiels- hängig voneinander eine der beiden
rems einen Informationsvorteil weise über verschiedene lineare Basen aus. Was zunächst vielleicht

| NEUES 226/2023 35
Quantentechnologie

unnötig kompliziert erscheint, dient Bits anschließend. Aus dem Vergleich Praxis Fehler durch Störeffekte wie
zum Schutz. Nach dem Übertragen dieser wenigen Bitwerte schätzen Leitungsrauschen entstehen können,
einer längeren Quantenbitfolge tau- sie eine Fehlerrate für ihre gesamte muss man zur Sicherheitsabschät-
schen sich Alice und Bob über den Quantenbitfolge ab und ermit- zung vom ungünstigsten Fall ausge-
authentifizierten klassischen Kanal teln so, wie viele Informationen Eve hen, dass alle Fehler durch das Mithö-
über die jeweilige Basenwahl aus – maximal über den Schlüssel erlangt ren von Eve entstehen. Dann gibt die
nicht jedoch über die gesendeten haben kann. In der Informations- Fehlerrate einen direkten Hinweis dar-
Bits selbst. Sie verwerfen alle Mes- theorie spricht man hier von Mutual auf, wie viele Informationen über die
sungen, bei denen ihre Basenwahl Information (gegenseitige Informa- Quantenbitfolge Eve maximal abge-
unterschiedlich war. Dies wird als tion oder auch Transinformation). Im hört haben kann. Das ­Überschreiten
­Sifting oder zu Deutsch als Aussieben Wesentlichen ist damit die gemein- eines gewissen Fehler-Schwellen-
bezeichnet. Da Eve bei einem Abhör- same Information von Sender und werts führt zum Abbruch und Neube-
versuch ebenfalls zufällig Basen wäh- Empfänger über die Quantenbitfolge ginn des Schlüsselaustauschs. Ver-
len muss, ist es praktisch ­unmöglich, gemeint. Den Zusammenhang zwi- schleiern kann Eve den Anstieg in
dass sie dabei immer richtig liegt. Die schen Fehler­rate und Mutual Informa- der Fehlerrate auch nicht dadurch,
dadurch verursachten Fehler gibt Eve tion veranschaulicht Bild 3: dass sie ihre Messungen an perfek-
an Bob weiter: Je mehr Photonen ten Kopien von abgefangenen Quan-
Eve abzuhören versucht, desto mehr Je mehr Fehler beim Übertragungs- tenbits durchführt und die fehlerfreien
­Fehler verursacht sie. prozess entstehen, desto kleiner Originale an Bob weiterleitet. Das
wird die Mutual Information zwi- ­No-Cloning-Theorem verbietet genau
Nachbearbeitung: Drei Schritte schen Alice und Bob. Die Polarisa- diesen Versuch.
zum sicheren Quantenschlüssel tions-Unschärferelation zusammen
Dies können Alice und Bob nun in mit der Wahl der zwei Basen führt So lange sich Alice und Bob links
der Nachbearbeitung ausnutzen. dazu, dass das Mithören von Eve vom Schnittpunkt in Bild 3 ­befinden,
Zur Fehlerabschätzung vergleichen Übertragungsfehler erzeugt. Des- haben sie einen ­Informationsvorteil
sie eine kleine und zufällig ausge- halb erhöht sich bei steigender Feh- und können einen gemeinsamen
wählte Menge von Bitwerten mitei- lerrate ihre maximal mögliche Mutual Schlüssel erzeugen, der Eve nicht
nander. Weil dieser Vorgang abge- Information mit Alice, also ihr Wissen bekannt ist. Dafür sind die beiden
hört werden kann, verwerfen sie die über den Schlüssel. Obwohl in der weiteren Schritte nötig.

Sender/Alice Empfänger/Bob
Bild 2:­In der Horizontal-
HV-Basis ±45°-Basis HV-Basis ±45°-Basis
Vertikal-Basis (HV)
­repräsentiert eine ver-
tikale Polarisation den
­Bitwert null, eine hori-
zontale den Bitwert
„0“ „1“ „0“ „1“ eins. Analoges gilt in
der rotierten 45°-Basis.
Mutual Information

Bild 3: Das Abhören des Quantenka-

nals führt zu Übertragungsfehlern. Am Alice und Bob
Schnittpunkt haben Absenderin Alice
und Empfänger Bob genauso viele
gemeinsame Informationen (Mutual
Information) über die Quantenbitfolge Eve und Alice
wie Absenderin Alice und Spionin Eve.
Fehlerrate

36
Mutual Information

1. Error Estimation 2. Error Correction 3. Privacy Amplification

Bild 4: Die gemeinsame Information über die Bitfolge von Alice und Bob (orange) ändert sich im Laufe der drei Nachbereitungsschritte. Die
gemeinsame Information von Alice und Eve (rot) ist am Ende minimiert. Die gestrichelte Horizontale markiert die Schwelle, an der die Mutual
Information pro Bit dem Wert eins entspricht. Der verbleibende rote ­Balken nach der Privacy Amplification ist nur symbolisch eingetragen.

Über die Fehlerkorrektur merzen sie sich bei diesem Schritt oranger und Nach der Fehler­korrektur trifft das
die verbleibenden Fehler zwischen roter Balken. nur auf Alice und Bob zu, daher liegt
ihren Bitfolgen aus. Dafür müssen ihnen nun eine Bitfolge vor, die Eve
sie sich über den authentifizierten Der dritte Schritt läuft erneut über den gänzlich unbekannt ist. Sie ist der
Kanal über weitere Quantenbits ihrer authentifizierten klassischen Kanal ab. geheime Schlüssel (Secret Key). Zwar
­Quantenbitfolge austauschen. Danach Eves Kenntnisse über den gemein- hat sich durch diesen letzten Schritt
stimmen beide Quantenbitfolgen samen Schlüssel von Alice und Bob das Informations-Delta nicht weiter
überein (Bild 4). Anders ­ausgedrückt: werden minimiert, indem sie Funktio- erhöht, aus sicherheitstechnischen
Die Mutual Information pro übertra- nen nutzen, die aus mehreren Bits als Aspekten ist es aber günstiger, poten-
genem Quantenbit ist eins. Weil aber Input einen Output aus wenigen Bits ziellen Angreifern gar keine Infor-
Eve dabei lauschen kann, hat auch erzeugen. Nur wenn alle Input-Bits mationen über einen verwendeten
sie gewisse Informationen über den bekannt sind, können die resultieren- Schlüssel zu geben.
Schlüssel erhalten. Daher erhöhen den Bits berechnet werden.
DR. JASPER RÖDIGER, ROHDE & SCHWARZ

QKD BEI ROHDE & SCHWARZ

Für herstellerübergreifende Kompatibilität von QKD-fähigen Geräten hat das
Europäische Insti­tut für Telekommunikationsnormen (ETSI) unter anderem die
beiden Standards ETSI GS QKD 004 und ETSI GS QKD 014 spezifiziert.

Die R&S®SITLine ETH Ethernet-Verschlüsseler wurden um eine Schnittstelle nach

diesem Standard erweitert, über die sich insbesondere QKD-Schlüsselgeneratoren
anbinden lassen. In den kommenden Jahren wird das Portfolio an sicherer und
QKD-fähiger Netzwerkausrüstung schrittweise erweitert.

Bild 5: Der R&S®SITLine ETH-XL Ethernet-Verschlüsseler ist QKD-ready.

| NEUES 226/2023 37
Allgemeine Messtechnik

NEUE
MASSSTÄBE IN
DER MITTELKLASSE
Digitaltrigger, höchste Aktualisierungsrate und
neuer ASIC: Mit den R&S®MXO 4 Oszilloskopen wird
die Mittelklasse um zahlreiche Funktionen reicher.

38
Im Jahr 2010 hat Rohde & Schwarz den Markt fallen dabei preislich ins Mittelklasse-Segment.
für Oszilloskope betreten und in kürzester Zeit Die Gerätefamilie besteht aus Vierkanal-Model-
ein breites Produktsortiment aufgebaut. Heute len mit Bandbreiten von 200 MHz bis 1,5 GHz.
deckt es Bandbreiten von 70 MHz bis 16 GHz
ab und reicht von Handheld-Oszilloskopen Schnelle Einblicke in Signaldetails
für den Feldeinsatz über Einstiegsmodelle für Gänzlich neu auf dem Markt für Oszilloskope
den Lehrbetrieb bis zu High-End-Geräten für ist die Echtzeit-Aktualisierungsrate von über
Forschungslabore. Oft werden Innovationen 4,5 Millionen Messkurven pro Sekunde. Je
zuerst in Geräten der höheren Leistungsklasse höher dieser Wert ist, desto größer ist die Wahr-
eingeführt. Bei der neuesten Familie von Oszil- scheinlichkeit, auch sehr schnelle und unregel-
loskopen, den R&S®MXO 4, ist das anders. Sie mäßig auftretende Signale zu erfassen (Bild 1).
bieten die Leistungsfähigkeit von Geräten der Entwicklungsteams erhalten so ein ­besseres
Oberklasse – inklusive einiger Funktionen, die es Verständnis ihrer Designs, was letztlich den
bisher in keinem anderen Oszilloskop gab – und ­Testaufwand reduziert.

| NEUES 226/2023 39
Allgemeine Messtechnik

Die Signalverarbeitung wird auf Oszilloskopen verwendet wird, stellt Hilfsmittel in die Mitte des Bild-
dem MXO-EP ausgeführt, ein das eine 16-fache Verbesserung der schirms legen, sodass vor allem Sig-
200-Gbit/s-ASIC aus eigener Ent- Vertikalauflösung dar. Der HD-Modus nale mit hohem Gleichstromanteil
wicklung (Bild 3). Er ist einer von steigert sie auf 18 bit, sodass Signal- deutlich zugänglicher für die Analyse
­mehreren neuen Technologiebau- details sichtbar werden, die andern- werden.
steinen im R&S®MXO 4. Das Oszillo- falls durch Rauschen verdeckt wür-
skop hält die hohe Aktualisierungs- den. Für Geschwindigkeitsvorteile Mehr Signalzeit erfassen
rate auch dann noch aufrecht, wenn wurde der HD-Modus direkt über Pro Kanal stehen 400 MPunkte
­komplexe Funktionen wie automati- die Hardware umgesetzt. Beim Rau- ­Speicher zur Verfügung – ohne
sierte Messungen, Spektrumanalyse schen setzt das R&S®MXO 4 neue Erweiterung und bei gleichzeiti-
oder Deep-Memory-Erfassungen aktiv Maßstäbe mit lediglich 22 µV AC (eff.) ger Messung an allen vier Kanälen.
sind. Die hauseigene ASIC-basierte bei 1 mV/­Div. Diese Speichertiefe liegt weit über
Signalverarbeitung sorgt für reibungs- der marktüblichen Grundausstattung.
lose Arbeitsabläufe. Es bietet eine ausgezeichnete Emp- Anwenderinnen und Anwender kön-
findlichkeit bis zu 500 µV/Div ohne nen damit deutlich längere Signal-
12-bit-Auflösung ohne Kompromisse Bandbreiteneinbußen und den in die- ausschnitte aufzeichnen und auch
Ein 12-bit-ADC setzt das Eingangs­ ser Klasse größten Offsetbereich bei langsamerer Zeitbasis die volle
signal digital um. Er ist ohne von ±5 V bei einer Skalierung von ­Bandbreite des Geräts ausnutzen.
­Einschränkungen bei allen Abtast- 500 µV/Div an einem 50-Ω-Pfad ohne
raten aktiv. Gegenüber einer 8-bit-­ spezielle Tastköpfe. Die Messkurve Nicht immer ist der gesamte Signal­
Architektur, die nach wie vor in v
­ ielen lässt sich einfach und ohne weitere verlauf von Interesse. Zum Beispiel

Bild 1: Mit 4,5 Millionen Mess-

kurven pro Sekunde lassen
Typische Aktualisierungsrate 4,5 Million Wellenformen/s
sich Signale erfassen, die sonst
unsichtbar bleiben würden.

Trigger auf Signale

mit nur 0,01 Div Höhe

Bild 2: Das R&S®MXO 4 bietet den

empfindlichsten Trigger der Bran-
1 Div che mit 1/10 000 einer ­vertikalen
Unterteilung und erreicht eine
äußerst kurze Trigger-Reaktivie-
rungszeit von < 21 ns.

40
 Bild 3: Blick in das Innenleben des R&S®MXO 4:
Für die Signalverarbeitung wurde ein neuer
200-Gbit/s-ASIC entwickelt.

und eine deutlich umfassendere

Rauschunterdrückung im Trigger-Sig-
nal. Zusammen mit der 12-bit-Archi-
tektur und dem HD-Modus bringen
die Geräte alles mit, was Anwenderin-
nen und Anwender heute von einem
modernen Oszilloskop an Messpräzi-
sion erwarten können und sogar noch
darüber hinaus.

Leistungsstark auch im Frequenzbereich

Die Domäne von Oszilloskopen ist
eigentlich der Zeitbereich. Weil Pro-
konzentriert sich die Analyse von HF- Eingangs­signal in einen Pfad zur Sig- duktentwicklerinnen und -entwickler
Pulsen, Lasersignalen oder Datenströ­ nalausgabe auf dem Bildschirm und aber häufig auch im Frequenzbereich
men in seriellen Bussen auf die akti­ einen anderen Pfad zur Triggerung messen, wurden die R&S®MXO 4
ven Phasen der Signalübertragung. aufgeteilt. An Grenzen stößt die- Oszilloskope mit leistungsstarken
Die Pausenzeiten sind nicht von Inte­ ser Ansatz bei sehr kleinen Signal- Funktionen zur Spektrumanalyse aus-
resse. Sie lassen sich mit einem änderungen und es lassen sich nur gestattet. Als erste Oszilloskope über-
seg­mentierten Speicher gezielt bestimmte Filter auf das Triggersignal haupt führen sie 45 000 schnelle
aus­­sparen, um sie gar nicht erst ab­­ anwenden. Rohde & Schwarz hat eine Fourier-Transformationen (FFT) pro
zu­speichern. Segmentierter Speicher digitale Trigger-Technologie entwickelt, Sekunde durch. Vergleichbare Oszillo-
gehört zur Standardausstattung des die einen einzigen Signalpfad nutzt. skope schaffen teilweise weniger als
R&S®MXO 4. Der so gewonnene Spei- In den leistungsstärkeren und hoch- zehn. Dies ermöglicht eine schnelle
cherplatz gibt Anwenderinnen und preisigeren Oszilloskopen hat sie sich und einfache Erfassung von Signal-
Anwendern die Freiheit, entweder län- bereits als deutlich präziser und emp- fehlern im Spektrum, insbesondere
gere Signalverläufe aufzuzeichnen findlicher als ihr analoges Pendant bei der EMV-Fehlersuche (Bild 4).
oder eine höhere Bandbreite zu wäh- erwiesen. Der digitale Trigger kann
len. Der History-Modus muss in die- auf Signaldetails angewendet werden, Die Konfiguration der Spektrum-
ser Oszilloskop-Serie nicht auf Knopf- die für einen Analog­trigger zu fein funktion wurde durch die Eingabe
druck gestartet werden, sondern sind (Bild 2) und ist mit einer größe- gängiger Parameter wie Mittenfre-
zeichnet den Signalverlauf permanent ren Anzahl an Filtern kombinierbar. quenz, Span oder Auflösebandbreite
auf. Einmal erfasste Signale stehen (RBW) vereinfacht. Diese Einstellun-
später auf Knopfdruck wieder zur Ver- Diese Gerätefunktion, die bisher gen sind unabhängig von den Zeit-
fügung. Für die Analyse des Ein- und der Oberklasse vorbehalten war, bereichseinstellungen, jedoch immer
Ausschaltverhaltens von Komponen- gehört zur Standardausstattung der noch zeitkorreliert. So bleibt die zeit-
ten bietet sich die Option zur Spei- R&S®MXO 4 Oszilloskope. Kein ver- korrelierte Darstellung des Signal-
chererweiterung auf 800 MPunkte an. gleichbares Oszilloskop auf dem spektrums erhalten. Die ­Funktionen
Markt verfügt über eine derart hohe zur Spektrumanalyse sind bereits
Hochgenauer digitaler Trigger Trigger-Empfindlichkeit. Voller Zugriff im Grundgerät enthalten und sor-
Fast alle auf dem Markt befindli- auf die Trigger-Hysterese-Einstellung gen für eine bessere Darstellung von
chen Oszilloskope arbeiten mit ana- erlaubt ein flexibles anpassen der Trig- HF-Signalen als mit jedem anderen
logen Triggern. Dafür wird das ger-Bedingungen an die Messaufgabe Oszilloskop dieser Klasse.

| NEUES 226/2023 41
Allgemeine Messtechnik

Bedienung: Auf die Anwender gehört wesentlich verbessert. Um einen festgelegt werden, um alles Wich-
Wie gut sich mit einem Oszilloskop ­Parameter zu ändern, reicht das tige stets im Blick zu behalten. Das
arbeiten lässt, hängt nicht zuletzt Berühren eines beliebigen Punktes R&S®SmartGrid ist eine weitere Funk-
von dessen Bildschirm und grafi- auf dem Einstellungsfeld. Die grö- tion, die es bisher nur in leistungsstär-
scher Benutzeroberfläche ab. Die ßeren Felder erleichtern das effek- keren Oszilloskopen gab.
R&S®MXO 4 Serie punktet hier mit tive Arbeiten. Alternativ ist auch das
einem kapazitiven 13,3-Zoll-Full- Arbeiten mit Maus und/oder Tasta- Über das Grundgerät hinaus
HD-Touch-Display mit Gestenunter­ tur möglich. Über die effizient orga- Durch ihre geringe Stellfläche, das
stützung. In die Entwicklung der nisierte Toolbar lassen sich wichtige kaum noch hörbare Betriebsgeräusch,
­intuitiven Bedienoberfläche sind und häufig verwendete Funktionen eine VESA-Montageschnittstelle
­zahlreiche Anwenderrückmeldungen schnell mit nur einer Berührung auf- und einen Rahmen für den Einbau
eingeflossen (Bild 5). rufen. Reicht die Standarddarstellung in Racks fügen sich die R&S®MXO 4
für bestimmte Messaufgaben nicht Oszilloskope ideal in verschiedenste
Die Touch-Bedienbarkeit wird durch aus, kann über das R&S®SmartGrid Arbeitsplätze ein.
ein übersichtliches Box-Design ein individuelles Messkurven-Layout
JITHU ABRAHAM, ROHDE & SCHWARZ

Bild 4: Die Spektrumfunktion des

R&S®MXO 4 bietet die vertraute Ober-
fläche eines Spektrumanalysators.

Bild 5: Auch bei geöffneten Einstel-

lungsdialogen steht noch reichlich Dar-
stellungsfläche für die Messkurven
bereit. Damit wurde ein Wunsch der
Anwenderinnen und Anwender erfüllt.

42
Zu den wichtigsten Erweiterungsmöglichkeiten zählen eine Mixed-­
Signal-Option (MSO) mit 16 integrierten digitalen Kanälen, ein integrier-
ter Zweikanal-100-MHz-Arbiträrgenerator sowie Optionen zur Protokoll-­
Triggerung und -Decodierung für eine ­Vielzahl von Standard-Industrie-
bussen. Für Leistungsmessungen sind aktive und passive Tastköpfe für
Spannungs- und Strombereiche von µA bis kA und von µV bis kV vor-
handen. Spezielle Power-Rail-Tastköpfe erkennen selbst kleine und unre-
gelmäßige Verzerrungen an DC-Spannungsversorgungen.

Bild 6: Das neue R&S®MXO 4 Oszilloskop mit

Mixed-Signal-Option (MSO) und DUT.

Bild 7: Mit einem Hochspannungs-Differenzialtast-

kopf lassen sich zuverlässig Schaltnetzteile vermes-
sen. Durch das leise Betriebsgeräusch eignen sich die
R&S®MXO 4 Oszilloskope auch für Büroarbeitsplätze.

| NEUES 226/2023 43
Allgemeine Messtechnik

AUGEN AUF BEI DER

SIGNALINTEGRITÄT
Augendiagramme sind extrem praktische Hilfsmittel für Signalintegritätstests. Um sie zu
berechnen, arbeitet das R&S®RTP Oszilloskop erstmals mit einem hardwarebasierten Ansatz.
Dadurch ergeben sich deutliche Geschwindigkeitsvorteile bei der Analyse serieller Signale.

und Rauschen oder auch das Wirken

von Vorverzerrern.

Deutlich schneller mit hardwaregeführter

Clock-Data-Recovery (HW-CDR)
Rohde & Schwarz hat eine hardware-
geführte Clock-Data-Recovery ent-
wickelt, die Anwenderinnen und
Anwendern erstmals im High-Perfor-
mance-Oszilloskop R&S®RTP zur Ver-
fügung steht. Weil sie direkt in die
Trigger-Hardware integriert ist, ent-
fällt die Berechnung per Software und
spart viel Zeit. So eröffnet sich ein
ganz neuer Ansatz zur Augenanalyse
von seriellen Signalen.

Die HW-CDR kann wahlweise jeden

Augendiagramme zeigen Jitter und extrahieren und korrekt zu überla- Eingangskanal des R&S®RTP als
Rauschen eines Datensignals auf gern, ist eine bitbezogene Zeitreferenz Quelle nutzen, unterstützt Daten-
einen Blick. Außerdem geben sie nötig. Diese kann, wie bei den par- raten bis 16 Gbit pro Sekunde und
eine schnelle Übersicht darüber, wie allelen DDR-Schnittstellen, ein zwei- erlaubt die Konfiguration der Tracking-
robust eine Datenübertragung ist. Ihre tes Signal (Clock, Data Strobe) sein. bandbreite von 1/500 bis zu 1/3000
hohe Bedeutung innerhalb der Test- Bei seriellen Signalen ist das Taktsi- der nominalen Bitrate. Nach erfolg-
landschaft zeigt sich auch darin, dass gnal (Clock) im Datenstrom einge- reichem Einrasten auf das DUT-Sig-
mittlerweile zahlreiche Standards von bettet. Damit ein Oszilloskop es als nal läuft die HW-CDR kontinuierlich.
schnellen Busschnittstellen Augen- Referenz zur Darstellung von Augen- Die Zeitstempel werden parallel zu
masken für den Test der Signalintegri- diagrammen nutzen kann, muss es den Daten der Messkurve im Erfas-
tät definieren. Das ist zum Beispiel bei zuerst über eine Clock-Data-Recovery sungsspeicher abgelegt und ste-
USB und PCI-Express (PCIe) der Fall. (CDR) wiedergewonnen werden. Die- hen neben der Augenberechnung
ser Schritt geschieht in aller Regel in auch für mathematische Analysen
Augendiagramme für serielle und parallele der softwaregeführten Nachbearbei- zur Verfügung.
Datenübertragung tung des Datensignals und erfordert
Für eine zuverlässige Analyse bedarf eine gewisse Rechenzeit. Das finale „Echtzeit“-Auge für Langzeitbeobachtung
es einer hohen Anzahl an Daten- Augendiagramm zeigt die Signalqua- Mit der HW-CDR als Trigger wird erst-
bits, die übereinander gelagert das lität mit Parametern wie Höhe und mals eine Augenanalyse quasi in
Datenauge formen. Um die einzel- Breite des Augeninneren, Zeit- und Echtzeit möglich. Dazu akquiriert das
nen Bits aus dem Datenstrom zu Amplitudenfehler in Form von Jitter Oszilloskop kurze Signalsequenzen

44
und stellt diese sofort im Diagramm Mit der Augendiagramm-Funktion der Messkurve auf die aktuell in der
dar. Bei unendlich gewählter Per- sind auch weitere Einstellungen der Ergebnistabelle gewählte Verletzung.
sistence-Einstellung baut sich dann Berechnung und Darstellung ­möglich.
schnell das Augendiagramm auf. Beispielsweise kann ein Auge nur Die Augendiagramme zeigen an den
Das R&S®RTP erreicht dabei eine aus solchen Bits dargestellt werden, Bitübergängen links und rechts den
maximale Rate von > 400 000 Unit denen ein Bitwechsel oder eine von Jitter des Signals und an den Signal-
Intervalls (nominale Bitbreite) pro der Anwenderin oder vom Anwen- amplituden in der zeitlichen Mitte des
Sekunde. Damit können auch spora- der festgelegte Bitfolge vorausgegan- Auges das Signalrauschen. Die Histo-
dische Fehler wie Übersprechen von gen ist. gramm-Funktion stellt die Verteilung
benachbarten Komponenten schnell von Jitter und Rauschen übersichtlich
und zuverlässig detektiert werden. Mit Vom schnellen Einstieg bis zur und auf einen Blick erfassbar dar. Mit
Maskentests und Histogrammen sind detaillierten Analyse der Separierungsoption für Jitter und
weitere Analysen möglich, ohne die Nachdem das Augendiagramm darge- Rauschen (R&S®RTP-K134) ist ein wei-
Erfassungsrate nennenswert zu brem- stellt ist, sind weitere detaillierte Ana- teres Herunterbrechen der jeweiligen
sen. Dazu gehören auch Langzeitbe- lysen möglich. Neben einfachen Cur- Komponenten möglich.
obachtungen, bei denen beispiels- sor-Messungen bietet das Oszilloskop
weise Maskentestfehler zum Stopp auch eine umfangreiche Auswahl an Zusammenfassung
der Messung führen, um Fehlerquel- automatisierten Augenmessungen. Das R&S®RTP High-Performance-
len weiter erforschen zu können. Die Oszilloskop bietet umfangreiche Mög-
hohe Erfassungsrate der HW-CDR Eine weitere wichtige Funktion ist lichkeiten für die Analyse der Signal-
stellt sicher, dass auch bei langen der Augenmaskentest. Signalverläufe integrität von elektrischen Signalen.
Beobachtungszeiträumen schnelle durch eine Maskenfläche werden als Mit der R&S®RTP-K137 Advanced Eye
und nur sporadisch auftretende Sig- Verletzungen registriert. Das R&S®RTP Analyse Option, die Datenraten bis
nale nicht übersehen werden. bietet für viele Standards bereits vor- 16 Gbit pro Sekunde unterstützt, steht
gefertigte Masken. Andernfalls sind den Anwenderinnen und Anwendern
Standardspezifische Augenanalyse an Masken auch direkt am Bildschirm erstmalig eine integrierte HW-CDR
einem langen Datenstrom oder über bestimmte Vorgaben im als Trigger zur Verfügung. Damit ist
Mit der HW-CDR des R&S®RTP ist Maskendialog schnell selbst erstellt. sowohl eine schnelle Erfassung von
auch die Augenanalyse eines ­langen, kurzen Bitsequenzen für ein schnelles
zusammenhängenden Bitstroms Die Eye-Stripe-Funktion markiert Augendiagramm, als auch die Ana-
möglich, wie sie beispielsweise die eine Verletzung in der Augenmaske lyse von langen, teststandardkonfor-
Testspezifikationen von USB oder als roten Strich am entsprechen- men Bitsequenzen möglich.
PCIe Standards fordern. Neben den den Zeitpunkt in der originalen Mess-
reinen Messkurven werden auch kurve. Das erleichtert die Ursachen- GUIDO SCHULZE, ROHDE & SCHWARZ
die Flankenzeitpunkte der HW-CDR forschung für Maskenverletzungen.
gespeichert und für die schnelle Mit eingeschaltetem Zoom-Cou-
Augenberechnung bereitgestellt. pling fokussiert die Zoomfunktion

Maskenverletzung

Bild 1: Die Eye-Stripe-­Funktion erleichtert

die Fehlersuche. Maskenverletzungen wer-
den im Augendiagramm und im Zeitsignal
der Messkurve rot markiert (blaue Pfeile).
In der Ergebnistabelle sind alle Verlet-
zungen aufgelistet und der aktuell darge-
stellte Signalabschnitt ist blau markiert.

| NEUES 226/2023 45
Allgemeine Messtechnik

IMPEDANZVERHALTEN
ZUVERLÄSSIG MESSEN
Die Impedanzmessung an passiven Komponenten ist für Elektronikentwickler
und Komponenten­hersteller gleichermaßen relevant. Dafür erzeugen die
R&S®LCX LCR-Meter Testsignale bis 10 MHz und bieten maßgeschneiderte
Messfunktionen für Transformatoren.

46
 Transformatoren schnell vermessen
Damit Entwickler und Entwicklerinnen abschät-
zen können, wie sich ein Hochfrequenz-Trans-
formator auf W­ irkungsgrad, maximale Nenn-
spannung und EMV-­Verhalten auswirkt, also die
zentralen ­Leistungsparameter des Schaltnetzteils,
müssen sie den Baustein präzise charakterisieren.
Für einen guten Schaltungsentwurf sind neben
der Streuinduktivität noch weitere Parameter
wichtig, zum Beispiel die Induktivität der ­Primär-
und Sekundärspule, die Wicklungskapazität oder
der Wicklungswiderstand.

Für solche Messaufgaben eignen sich die

­LCR-Meter aus der Gerätefamilie R&S®LCX. Sie
geben auch weitere für Transformatoren t­ ypische
Parameter direkt als Messwert aus, die Anwen-
der sonst selbst ausrechnen müssten. Dazu
gehören das Übersetzungsverhältnis und die
Gegeninduktivität.

Zwei Modelle decken grundlegende

und erweiterte Messanforderungen ab
Entwickelt wurden die LCR-Meter für präzise
Messungen an allen gängigen passiven Kompo-
nenten. Dafür arbeiten sie nach dem Prinzip der
selbstabgleichenden Messbrücke. Die Geräte-
bedienung erfolgt bequem per Touch-Steuerung
über einen 5-Zoll-Farbbildschirm. Umfangreiche
Mit den LCR-Metern der R&S®LCX Geräte- Fernsteuerfunktionalität ermöglicht den Einsatz
familie betritt Rohde & Schwarz den Markt in automatisierten Systemen und die Bedienung
für hochpräzise Impedanzmessungen. über eine Web-Schnittstelle.

Die Gerätefamilie besteht aus zwei Modellen. Sie

bringen alle Funktionen mit, die man von moder-
nen Messgeräten für die Aufgaben in Forschung,
Wer galvanisch getrennte Schaltnetzteile entwirft, Entwicklung und im Produktionsumfeld­­erwarten
benötigt einen passenden Hochfrequenz-Trans- kann. Das R&S®LCX100 ist mit einem Test­signal-
formator. Ihn maßgeschneidert zu entwickeln, ist Frequenzbereich von 4 Hz bis 300 kHz für die
immer ein Abwägungsprozess. Wird der Trans- grundlegenden Messaufgaben im Entwicklungs-
formator zum Beispiel auf hohe Magnetisierungs- labor ausgelegt. Das R&S®LCX200 reicht in der
induktivität ausgelegt, erhöht das meist auch Grundausstattung bis 500 kHz und kann, wenn
die Streuinduktivität und damit den Streufluss zum Beispiel die Eigenresonanz von Bauelemen-
– vor allem dann, wenn zur galvanischen Tren- ten bestimmt werden soll, auf 1 MHz und 10 MHz
nung verschiedene Isolationsschichten zwischen erweitert werden. Der Impedanzmessbereich ist
­Primär- und Sekundärseite vorgesehen sind. Die mit 10 mΩ bis 100 MΩ für beide Modelle iden-
unerwünschten Effekte dabei sind eine erhöhte tisch, genauso wie die ±0,05 % Grundgenauig­
Verlustleistung am Transformator und mögliche keit für Impedanzmessungen. Weitere ­Optionen
Probleme bei der elektromagnetischen Verträg- ermöglichen zusätzliche Analysefunktionen und
lichkeit (EMV) durch erhöhte Störausstrahlung. eine vielseitige Auswahl von Testhalterungen
Letztere wird besonders bei hohen Schaltfrequen- stellt den Einsatz für Messungen an den unter-
zen zutage treten. schiedlichsten Komponenten sicher.

| NEUES 226/2023 47
Allgemeine Messtechnik

ZUBEHÖR

R&S®LCX-Z1 R&S®LCX-Z2
Test­adapter für bedrahtete Messleitung mit
Bauelemente Kelvin-Klemmen

R&S®LCX-Z11
BNC-Verlängerung
R&S®LCX-Z3
Testadapter für
SMD-Bauelemente

R&S®LCX-Z4 R&S®LCX-Z5
Testpinzette für Test­kabel zum
SMD-Bauelemente Messen von
Transformatoren

48
Bauteile sortieren – vollautomatisiert und Amplituden interessiert. Dafür gibt es die
Die LCR-Meter eröffnen auch den Weg Erweiterungsoption R&S®LCX-K106. Mit ihr las-
zur ­Prozessautomatisierung. Die Option sen sich lokal dynamische Impedanzmessun-
R&S®LCX‑K107 erweitert die Geräte-Schnitt- gen durchführen, bei denen Testsignale mit
stellen um ­digitale I/O-Anschlüsse mit Trigger- unterschiedlichen Frequenzen erzeugt werden.
eingang und acht Datenleitungen. Damit las- Außerdem ermöglicht die Option das Einbin-
sen sich Bauteile je nach Messergebnis in bis den des R&S®LCX Sweep Tools. Diese Software
zu acht unterschiedliche Klassen sortieren wird auf einem externen Mess-PC ausgeführt
(­Binning). Ein Kriterium können Toleranzwerte und ermöglicht Sweep-Messungen mit einem
sein, um zum Beispiel Präzisions-Kondensato- R&S®LCX LCR-Meter. Als Sweep-Parameter
ren von ­Standard-Kondensatoren zu trennen. ­stehen die Frequenz oder die Amplitude des
Zusammen mit einem Fertigungsroboter, der die Testsignals zur Auswahl und die Amplitude des
Bausteine in die Prüfadapter einspannt, lassen DC-Bias-Signals. Das Tool gibt die Messergeb-
sich so die Arbeitsprozesse in einer Komponen- nisse als Tabelle oder grafisch aus, zum Beispiel
tenfertigung automatisieren. Als Teil eines grö- als Nyquist-Diagramm. Die LCR-Meter ­erzeugen
ßeren Prüfsystems verwandelt der Rack-­Adapter Testsignale mit einer Amplitude von 100 mV
(R&S®ZZA-GE23) das Tischgerät in einen 19-Zoll- bis 10 V und DC‑Bias-Signale bis 10 V, mit der
Einschub. Die standardmäßig verfügbare Log- Option R&S®LCX-K108 auch bis 40 V über eine
ging-Funktion erfasst zehn Messwerte pro externe Quelle.
Sekunde und schreibt sie in den internen Gerä-
tespeicher, einen USB-Stick oder überträgt die Zusammenfassung
Daten per LAN-, USB- oder die ­optionale GPIB- Die R&S®LCX LCR-Meter messen präzise das
Schnittstelle auf einen externen PC. ­Flexibilität Impedanzverhalten von passiven Bauelemen-
erzeugen die drei wählbaren Messgeschwindig­ ten wie Kondensatoren, Spulen, ­Widerständen
keiten schnell (≤ 15 ms), ­mittel (≤ 100 ms) und und Transformatoren. Dafür erfüllen die b
­ eiden
langsam (≤ 500 ms). So lässt sich der beste Modelle R&S®LCX100 und R&S®LCX200 alle
Kompromiss aus nötiger Messgenauigkeit und gängigen Anforderungen, sei es im Entwick-
verfügbarer Messzeit wählen. lungslabor, der Forschung oder dem Fertigungs-
umfeld. Die Fülle an Mess- und Analysefunk-
Erweiterte Analysefunktionen tionen kombiniert mit einfachster Bedienbarkeit
In der Regel ermitteln LCR-Meter die Impedanz machen das Gerät einzigartig am Markt. Maß-
eines Prüflings durch ein Testsignal mit einer geschneiderte Messfunktionen für Transforma-
festen Frequenz und einer festen Amplitude. toren vereinfachen das Leben von Elektronikent-
Jenseits dieses Messpunkts kann sich die Impe- wicklerinnen und Entwicklern noch weiter.
danz aber je nach Prüfling mehr oder ­weniger 
stark verändern. Daher ist man meist auch an SHIVAM ARORA
Messungen mit verschiedenen Frequenzen

Hauptmerkmale der R&S®LCX LCR-Meter

R&S®LCX100 R&S®LCX200
Impedanzmessbereich 10 mΩ bis 100 MΩ
Grundgenauigkeit für Impedanzmessungen ±0,05 %
Bias-Spannung intern 0 V bis 10 V (DC)
Bias-Strom intern (optional) 0 mA bis 200 mA (DC)
Bias-Spannung extern (optional) 0 V bis 40 V (DC)
DC, 4 Hz bis 500 kHz
Testsignal-Frequenzbereich DC, 4 Hz bis 300 kHz (Optionen bis 1 MHz und
bis 10 MHz)
≤ 1 MHz: 100 mV bis 10 V,
Testsignal-Spannungsbereich 100 mV bis 10 V ≤ 5 MHz: 100 mV bis 2 V,
> 5 MHz: 100 mV bis 1 V

| NEUES 226/2023 49
Mobilfunk

6G
ALLES
WIRD
NETZ
50
 Seit der Einführung des LTE-Standards (4G)
sind die Bedürfnisse der meisten Mobilfunknut-
zer erfüllt. Mit Download-Raten bis zu mehreren
hundert Megabit pro Sekunde lassen sich hoch-
aufgelöste Videos flüssig streamen und Down-
loads in Sekundenschnelle erledigen. 5G, in vie-
len Ländern schon flächendeckend verfügbar,
vervielfacht diese Geschwindigkeit und bringt
dem Privatnutzer kaum noch nennenswerte
­Vorteile. Trotzdem wird bereits an der nächsten
Mobilfunkgeneration 6G geforscht, deren Ein-
führung um das Jahr 2030 erwartet wird. Aber
lässt das technisch anspruchsvolle 5G-­­System,
das ja permanent weiterentwickelt wird, über-
haupt noch Wünsche offen? Diese Frage stellte
im September 2018 ein Autoren-Duo in den
Raum [1]. Was als Diskussion unter Fachexper-
ten begann, hat mittlerweile eine bemerkens-
werte Eigen­dynamik entwickelt. Mit dem Inte-
resse von Industrie und Politik an 6G ist ein
weltweites Technologie-Wettrennen gestartet,
mit dem milliardenschwere Investitionen in For-
schung und Entwicklung verbunden sind.

Welchen Bedarf kann 6G noch decken?

„6G kommt, um die Erwartungen zu erfüllen,
die 5G geweckt hat.“ Auf diese griffige Formel
brachte es Dr. Dr. Ivan Ndip vom Fraunhofer-
Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration
Obwohl sich der Ausbau der (IZM) in einem Interview aus dem Frühling 2021.
Obwohl der 5G-Mobilfunk sein volles P ­ otenzial
5G-Netze noch über Jahre noch gar nicht richtig entfaltet hat, zeichnen
hinziehen wird, reichen die sich bereits Anwendungsfälle ab, die erst mit
­Visionen der Technologiestra- 6G in großem Stil umsetzbar werden. Ein Bei-
spiel dafür ist das autonome Fahren.
tegen schon weit ­darüber hin-
aus. Werden ihre 6G-Szenarien Selbst auf der noch weit entfernten Stufe 5 wird
es gar nicht so autonom sein, wie der Begriff
Realität, erwartet uns in den suggeriert. Schließlich teilen sich die Fahrzeuge
2030er Jahren ein ­Wunderland Straßen, Ampeln und andere Infrastrukturein-
der Kommunikation. richtungen mit zahllosen Verkehrsteilnehmern.
Um dieses Miteinander zu orchestrieren, müs-
sen die Fahrzeuge auf drei Arten vernetzt sein:
untereinander, mit Einrichtungen entlang der

| NEUES 226/2023 51
Mobilfunk

KPI 5G 6G
Spitzendatenrate 20 Gbit/s 1 Tbit/s
Durchschnittlich verfügbare Datenrate 100 Mbit/s 1 Gbit/s
Signallatenz 1 ms 0,1 ms
Maximale Kanalbandbreite 100 MHz 1 GHz
Zuverlässigkeit (fehlerfreie Datenblöcke) 99,999 % 99,99999 %
Tabelle 1: Vergleich Maximale Teilnehmerdichte 106/km2 107/km2
der Leistungsdaten Maximale Teilnehmergeschwindigkeit 500 km/h 1000 km/h
von 5G und den für 6G 20 cm bis mehrere
Positionsgenauigkeit 1 cm in 3D
diskutierten Werten. Meter in 2D

Strecke und mit einer Verkehrszentrale. Da viele Ähnliches gilt für die Tele-Medizin und ­speziell
Situationen sicherheitskritischen Charakter die Tele-Chirurgie. Mit einer 5G-Datenverbin-
haben, etwa eine Notbremsung, sind eine hohe dung können Chirurginnen und Chirurgen
Übertragungsgeschwindigkeit und Zuverläs- bereits manche Operationen aus der Ferne
sigkeit der Signalübermittlung oberstes Gebot. durchführen. Im Extremfall befinden sich
Sollen Fahrzeuge untereinander auch noch Patient/in und Operateur/in dabei in unterschied-
Sensordaten austauschen und detaillierte Ver- lichen Kontinenten. Damit solche Leistungen
kehrspläne herunterladen, muss dafür die nötige möglich sind, müssen neben den Steuerbe-
Datenrate bereitgestellt werden. 5G ist hier ein fehlen für den Operationsroboter auch visu-
großer Schritt nach vorne, aber seine 20 Giga- elle Daten erzeugt und verzögerungsfrei über-
bit pro Sekunde Spitzendatenrate und eine Milli- tragen werden. Sie zeigen dem Chirurgen oder
sekunde Signallatenz reichen für die ganz große der Chirurgin auf einem ultrahochauflösen-
Vision vom autonomen Fahren vermutlich nicht den Display, was gerade im operierten Bereich
aus. Sie wird erst mit dem 6G-Standard erreich- geschieht. Kompliziertere Operationen bringen
bar, mit dem die Signallatenz um den Faktor ein 5G-Mobilfunknetz an seine Grenzen. Auch
zehn gedrückt und der Datendurchsatz dann, wenn die weiteren technischen Entwick-
verfünfzigfacht werden soll (Tabelle 1). lungsstufen umgesetzt werden, die im Jahr
2024 mit 5G-Advanced kommen sollen.

Bandbreitene
Szenarien wie diese motivieren bereits
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Mobilfunkgeneration.
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Im 6G-Standard werden Funktionen und Dienste

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für eine effiziente Maschine-zu-Maschine-Kom-
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munikation (M2M) eine wichtige Rolle spielen.
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mMTC URLLC
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Bereits bei 5G fallen mit mMTC und URLLC

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(siehe Bild 1) zwei der drei großen Entwick-

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lungsschwerpunkte in diesen Bereich. Adres-
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siert werden damit – neben dem schon erwähn-
ten autonomen Fahren – Anwendungsfelder
wie Industrie 4.0, Smart City oder Smart Home.
Bild 1: 5G soll drei Anwendungsbereiche abdecken: eMBB (Enhan- Gefragt ist hier nicht nur eine einzige Art von
ced Mobile Broadband) steht für die klassischen Mobilfunkanwen- M2M-Kommunikation, sondern stark unter-
dungen, ist aber noch viel leistungsfähiger als LTE; mMTC (Massive schiedliche Varianten davon: Wo die vernetzte
Machine Type Communications) unterstützt stromsparende Low-Per- Fabrik hochzuverlässige Funkverbindungen
formance-Anwendungen wie Sensornetze; bei URLLC (Ultra Reliable mit Ende-zu-Ende-Signallaufzeiten im ­unteren
Low Latency Communications) liegt der Fokus auf Echtzeitanwendun- ­Millisekundenbereich benötigt, sind diese
gen, die garantierte Signallaufzeiten und Verfügbarkeit erfordern. ­Anforderungen in der Smart City oder dem

52
 © Annette Birkenfeld/Getty Images

Bild 2: Augmented-
Reality-Brillen brin-
Smart Home deutlich überdimensioniert. verschiedener Industrien aus. Von hier tau- gen heute schon
Hier geht es darum, Dinge wie Verbrauchs- chen auch die unterschiedlichsten Zukunftsbil- gegenständliche
zähler und Alltagsgegenstände wie Mülltonnen der für 6G auf, die sich zu einem faszinierenden und ­virtuelle ­Realität
mit Sensoren oder Stellgliedern auszustatten, Gesamtpanorama verdichten. Damit sie umge- zusammen. In der
um sie aus der Ferne entweder auszulesen oder setzt werden können, sind Technologien nötig, 6G-Vision sollen alle
Abläufe zu automatisieren. die größtenteils noch gar nicht verfügbar sind. Sinne miteinbezogen
Mittelfristig sieht man sie aber in Reichweite. Ihr werden, sodass man
Dafür reicht eine Funkkommunikation, die nur Zusammenwirken wird man als sechste Mobil- von völliger Immersion
sporadisch erfolgt und wenige Daten über- funkgeneration bezeichnen, obwohl dieser sprechen kann.
trägt. In einem Smart-City-Funknetz ­müssen nüchterne Terminus die Zielvision nur unzurei-
aber auch hunderte oder tausende gleichartige, chend beschreibt.
oft batteriebetriebene Teilnehmergeräte ver-
bunden werden. Solche Anwendungen, die Zwillinge auf dem Holodeck
bei der ursprünglichen Entwicklung des Mobil- Mit der Ankündigung des ­Metaverse durch
funks nicht absehbar waren, haben die Konzep- Facebook-Gründer Mark Zuckerberg im Herbst
tion von 5G bestimmt. Nicht der Mensch steht 2021 bekamen die oft als Spielerei wahrge-
weiterhin im Mittelpunkt, sondern Geräte und nommenen VR-Brillen eine neue Marktrelevanz.
Maschinen, sprich das Internet der Dinge (IoT). Sie sind das zentrale Werkzeug, um Zucker-
bergs Vision von einem Extended-Reality-
Die Vision von 6G Erlebnisraum umzusetzen. Die Mittel dazu ste-
Entsprechend richtet sich die weitere techni- hen dem Konzern, der mittlerweile unter dem
sche Entwicklung verstärkt an den Bedürfnissen Namen Meta firmiert, zur Verfügung, schließlich

| NEUES 226/2023 53
Mobilfunk

gehört der VR-Brillen-Hersteller Oculus zum Objekte mit realen Pendants aus der Wirklich-
Meta-Imperium. keit korrespondieren. Es sind dies sogenannte
digitale Zwillinge, interaktive virtuelle Reprä-
Damit wird der Ursprungsgedanke der VR-Brille sentanten echter Gegenstände und Maschinen,
ambitioniert und visionär weitergedacht. Bereits die man aus der Meta-Welt heraus manipulie-
heute bekommen Techniker über die Brille bei- ren kann. Die Bedienung lässt sich so in beliebi-
spielsweise das 3D-Modell eines zu montieren- ger Entfernung von der Maschine vornehmen,
den Teils ins Realbild eingeblendet, zusammen mit möglicherweise weitreichenden Konsequen-
mit Hinweisen, wie damit umzugehen ist. zen für die Organisation von Arbeit. Eine gesell-
schaftliche Folgewirkung könnte die Wieder-
Der Lens-Träger kann mit der holografischen belebung des ländlichen Raums sein, wenn die
Projektion sogar manuell interagieren, als wäre Notwendigkeit zur Präsenz in den Ballungsge-
sie real, kann sie anfassen und manipulieren. bieten abnimmt.
Ein solches System millionenfach verbreitet und
für jeden erschwinglich, ist sowohl Zuckerbergs Wer über solche Szenarien nachdenkt, kommt
Vision wie auch eines der 6G-Leitszenarien. an 6G nicht vorbei. Die Rechenleistung für eine
immersive Kunstwelt wie das Metaverse über-
Wird das Konzept von Extended Reality kon- steigt das Vermögen einer VR-Brille. Soll sie
sequent zu Ende gedacht, umschließt es eine außerdem zierlich und unauffällig wie eine nor-
Reihe anderer gehaltvoller Visionen. Das Fern- male Brille aussehen, ist externe Rechenleis-
ziel ist das völlige Eintauchen in die neue Welt, tung nötig. Soll sie aus der Cloud bezogen wer-
die als echt erlebt wird. Immersion total. Dazu den, kommt 6G ins Spiel. Die Übertragung der
gehört eine dreidimensionale optische Auflö- extremen Datenmengen zur Brille mit Videoauf-
sung, die das menschliche Sehvermögen aus- lösungen von mindestens 8k in Stereo erfordert
reizt, eine entsprechende akustische Umwelt Transportkapazitäten in der Größenordnung von
mit verzögerungsfreier Reaktion aller synthe- mehreren hundert Gigabit pro Sekunde und Sig-
tischen Objekte (taktiles Internet) und nicht nallaufzeiten von einer Zehntel Millisekunde, um
zuletzt deren glaubwürdige visuelle Darstel- ein natürliches Agieren in Echtzeit zu ermögli-
lung. Entscheidend ist aber, dass einige dieser chen. Eine solche Performance ist in 5G nicht

Digitale Welt

Digitaler Zwilling Kognition und

und Steuerung Bio-Synchronisierung
Vertrauens- Vernetzte
würdigkeit Intelligenz

Bild 3: Mithilfe von 6G

Extreme
Erfahrung 6G Netz der Netze

sollen physische Welt

(Umwelt, Maschinen),
digitale Welt (Daten, Globale Service-
Physische Nachhaltigkeit Menschliche
­virtuelle Räume) und abdeckung
die menschliche Pers- Welt Welt
pektive eine gleitende
Symbiose e­ ingehen,
hier in der Vision
der europäischen Echtzeitsteuerung
Hexa-X-Initiative.

54
vorgesehen. Auch die intelligente Bereitstellung
von Rechenleistung für die diversen 6G-Services
wird zu den Aufgaben des Netzes gehören, das
sich dazu künstlicher Intelligenz bedient. Die
wird in einem 6G-Netz allgegenwärtig sein.

Das wahre Internet der Dinge

Obwohl das Internet der Dinge langsam
Gestalt annimmt und durch 5G besonders in
Industrie und Verkehrswesen einen Schub
­erfahren wird, kommt die allumfassende Ver-
netzung erst mit dem 6G-Mobilfunk. Er soll
sowohl von seinem technischen Zuschnitt wie
auch von seiner Kapazität her in der Lage sein,
eine beliebige Anzahl von Objekten ­einzubinden,
egal ob aus dem Heimbereich, der ­Industrie, Bild 4: Design-­Studie
dem Straßenverkehr oder der Infrastruktur. Ein Netz aus Funknetzen des Netzwerkausrüs-
Damit werden plötzlich Dinge zu potenziellen 6G wird dem Internet der Dinge nicht nur ters Ericsson: Zero
Vernetzungskandidaten, an die man früher nie eine unerschöpfliche Grundlage bieten, son- Energy Devices sind
gedacht hätte. Eingebettete Funksensoren kön- dern selbst eine Art Internet sein. So wie man nicht nur in der Zivi-
nen zum Beispiel den Zustand von Brücken und das etablierte Internet gern das Netz der (Com- lisation von ­Nutzen.
Autobahnen kontinuierlich überwachen und den puter-)Netze nennt, wird man 6G als Netz der Ein 6G-IoT-Funksen-
Instandhaltungsbedarf schnell sichtbar machen. Funknetze bezeichnen können. Die monolithi- sor könnte zum Bei-
Ein weiteres Beispiel findet sich in Handel und sche Struktur heutiger Mobilfunknetze wird spiel Ökosystemdaten
Logistik. Hier könnten die üblichen, nur auf einer heterogenen, sich ständig umgestaltenden ermitteln und an eine
Schrittdistanz auslesbaren RFID-Etiketten mit Netzlandschaft weichen (organisches Netz), die Zentrale melden.
Messsensoren und größerer Reichweite ausge- kommerzielle, private und öffentliche Teilnetze
stattet werden, um die Qualität von Lebensmit- jedweder Größe miteinander verbindet, von der
teln zu überwachen. Quadratkilometer versorgenden Makro­zelle heu-
tiger Prägung bis hinab zu Atto- und Zepto-
Der IoT-Schub wird auch die Energieversor- Zellen für die Versorgung eines Zimmers oder
gung von Funksensoren verändern. Hier liegt Autos. Damit das Andocken eines Netzes an die
eine große Herausforderung für die massive Gesamtstruktur automatisiert werden kann, will
Ausbringung von vernetzten Funksensoren. man so viele Netzfunktionen wie möglich virtua-
Sowohl die schiere Anzahl als auch die Minia- lisieren, das heißt, rein logisch beschreiben. Die
turisierung machen einen Tausch der Energie- Funktionsblöcke im Netz müssen diese Sprache
zelle unmöglich. Der nötige Wartungsaufwand herstellerübergreifend verstehen und standard-
wäre unwirtschaftlich und praktisch kaum zu konform interpretieren. Die O-RAN-Initiative, in
leisten. Da viele IoT-Anwendungen langfristig, der sich auch Rohde & Schwarz engagiert, legt
unter Umständen auf Jahre hin angelegt sind, heute bereits den Grundstein dafür.
müssen die Sensoren energetische Selbstver-
sorger sein. Die zugehörigen Stichwörter lau- Der Wettlauf hat begonnen
ten Zero Energy Device und Energy Harvesting. Seit den ersten Überlegungen zu 6G vor erst
Heutige RFID-Sensoren arbeiten bereits so, wer- wenigen Jahren ist in Industrie, Forschungsein-
den aber direkt vom Lesegerät in unmittelbarer richtungen und Politik schon einiges in Bewe-
Nähe mit elektromagnetischer Energie versorgt. gung geraten.
6G-Sensoren müssen diesen Komfort entbehren
und ihre Energie aus geeigneten Quellen vor Ort Weltweit wurden Forschungsinitiativen
beziehen, sei es Wärme, Licht, Bewegung oder gegründet, Fördergelder ausgelobt und Alli-
etwas anderes. Auf diesem Gebiet steckt die anzen geschmiedet. Die Politik hat verstan-
Forschung, wie bei vielen 6G-Themen, den, dass die Konkurrenzfähigkeit und wirt-
noch in den Anfängen. schaftliche ­Prosperität ganzer Länder von der

| NEUES 226/2023 55
Mobilfunk

6G-FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE
Unter anderem besteht auf den folgenden Gebieten noch ­Forschungs- und Entwicklungsbedarf:

► FREQUENZEN: 5G nutzt erstmals den Milli- funktionsfähig wäre. Seine Komplexität ist zu Ortungsfunktionen wird man die Position
meterwellenbereich (> 20 GHz) für die Indi- groß für konventionelle Design- und Manage- eines Funkteilnehmers zentimetergenau
vidualkommunikation. 6G wird noch weit ment-Methoden. KI wird sowohl in den bestimmen können. Das Netz wird außerdem
darüber hinausgehen und in den noch unzu- ­technischen Komponenten wie auch bei der über eine gewaltige verteilte Rechenleistung
reichend verstandenen Terahertz-Bereich vor- Netzwerkplanung und -überwachung zum Ein- verfügen, die je nach Bedarf in der Nähe des
stoßen (300 GHz bis 3 THz), bedarfsweise satz ­kommen. Ziel ist die Zero-Touch- bzw. Funkteilnehmers oder in entfernten Rechen-
auch sichtbares Licht und Infrarot einbezie- Selbstoptimierung des Netzes in Bezug auf zentren zu leisten ist (Edge-, Fog-, Cloud-­
hen. Nur bei diesen hohen Frequenzen lassen seine Kosten-, Energie-, spektrale und opera- Computing).
sich die angestrebten extremen Übertragungs- tionale Effizienz.
raten realisieren. ► DATENINTEGRITÄT: Mehr noch als 5G wird
► VIRTUALISIERUNG: Alle wesentlichen Netz- 6G das Rückgrat von Wirtschaft und Industrie
► ANTENNEN: Durch die hohen Frequenzen, werkkomponenten sollen über standardisierte sein. Unzählige Geschäftsabläufe und Services
gleichbedeutend mit kurzen Wellenlängen, abstrakte Funktionen definiert und ansprech- werden darauf basieren. Der Datenschutz ist
schrumpfen die Antennen auf Millimeter- bar sein. Das erlaubt die Mischung von Pro- daher von überragender Bedeutung. Auf die
größe. Man wird in den Basisstationen bis zu dukten verschiedener Hersteller und schafft korrekte Authentifizierung eines Teilnehmers
je 60.000 davon zu Gruppenantennen kombi- Spielräume für die konkrete technische Aus- muss unbedingter Verlass sein. Verschlüs-
nieren, die hunderte von Endgeräten über indi- gestaltung. selung ist Pflicht bei jeder Verbindung. Zur
viduelle Richtstrahlen gleichzeitig bedienen Sicherstellung der Datenintegrität zieht man
können. Zur punktgenauen Anstrahlung des ► BATTERIELOSE SENSOREN: Myriaden von die Block-Chain-Technologie in Betracht, um
Teilnehmers wird außerdem über intelligente Miniatursensoren werden den stückzahlmä- von Zentralinstanzen unabhängig zu sein.
reflektierende Oberflächen, etwa an Hauswän- ßig größten Anteil am Internet der Dinge stel-
den, nachgedacht, mit denen man gezielt um len. Sie müssen über lange Zeit wartungs- ► ENERGIEEFFIZIENZ: Mit exponentiell wach-
die Ecke funken kann. frei arbeiten und ihre Betriebsenergie durch sender Datenkommunikation steigt auch der
Energy ­Harvesting selbst gewinnen. Energiebedarf. Um ihn zu begrenzen, muss die
► KÜNSTLICHE INTELLIGENZ (KI): KI wird Energieeffizienz, also der Energieaufwand pro
ein wesentliches Kennzeichen von 6G sein. ► INTEGRIERTES FUNK-, SENSORIK- übertragenem Bit, sinken.
­Insider gehen davon aus, dass ein 6G-Netz UND RECHNERNETZ: 6G wird viel mehr
ohne KI weder bezahlbar noch überhaupt als ein Funknetz sein. Über integrierte

gleichberechtigten Teilhabe am 6G-System Und China? Denkt nicht daran, seine bei 5G
abhängen kann und es Abhängigkeiten zu ver- errungene starke Position mit der nächsten
meiden gilt. So kamen Japan und die USA im Generation wieder abzugeben. Sein Ministerium
Frühling 2021 auf höchster Ebene überein, für Wissenschaft und Technologie koordiniert
gemeinsam 4,5 Milliarden Dollar für die 6G-For- zusammen mit anderen Ministerien und staatli-
schung aufzubringen. Europa hat das 6G-Flagg- chen Stellen die nationalen Ressourcen, um 6G
schiff-Projekt Hexa-X ins Leben gerufen, an dem so schnell wie möglich einsatzreif zu machen.
sich Organisationen aus neun Ländern betei-
ligen. Unabhängig davon stellt das deutsche Rohde & Schwarz, seit dem Beginn der digita-
Bundesministerium für Bildung und Forschung len Mobilfunk-Ära ein enger Partner und führen-
bis 2025 700 Millionen Euro zur Verfügung. 250 der Messtechnik-Lieferant der Industrie, bringt
Millionen davon fließen kurzfristig vier nationa- bereits heute seine Produkte und Expertise in
len Forschungs-Hubs zu, in denen sich auch mehrere 6G-Forschungsprojekte ein und wird
Rohde & Schwarz als Partner engagiert. Südko- Zug um Zug die für 6G erforderlichen Messmit-
rea verfolgt den ambitionierten Plan, schon 2026 tel bereitstellen.
mit ersten Feldversuchen zu beginnen und will REDAKTION
bis dahin rund 195 ­Millionen Dollar investieren.

[1] David, K., Berndt, H.: 6G vision and requirements:

Is there any need for beyond 5G? IEEE Vehicular
Technology Magazine, Vol. 13, Issue 3, Sept. 2018.

56
DAS VERNETZTE
FAHRZEUG KOMMT
Sowohl gestandene Automobilkonzerne als auch Branchenneulinge treiben das autonome Fahren kräftig voran.
Neben ausgeklügelter Sensorik führt kein Weg an einem ­vollständig vernetzten Fahrzeug vorbei. Dafür setzen
OEMs und Zulieferer weltweit auf den C-V2X-Standard. Die Mobilfunktester von Rohde & Schwarz bringen für
den C-V2X-Test alle nötigen Funktionen mit – inklusive die Simulation von 5G-Testfällen.
Shanghai zur Rushhour. Reißverschlussverfah- zusammenzurauschen. Elektro­moped-Piloten,
ren? Hier heißt die Devise: Hupen, losfahren! sogar Fahrer von Kleintransportern mit E-Antrieb
Wer Bremsen musste, hupt zurück, fertig. Mit- nutzen ungeniert die Bürgersteige. „Die Stra-
ten in einer Kreuzung den Rückwärtsgang ein- ßen“, so der Münchner Unternehmensbera-
legen, um doch eine andere Richtung einzu- ter und Absolvent der Shanghaier Wirtschafts-
schlagen? Kommt vor. Und mit Glück hat es zu universität SUFE Julian Schneider, „sind ihnen
tun, nicht mit einem der unzähligen geräusch- einfach zu unsicher“. Besonders tückisch: wol-
los durch alle Lücken kurvenden E-Rollerfahrer len Fußgänger im Dauergehupe eine Kreuzung

Vehicle to Pedestrian (V2P)

► Kollisionswarnung für gefährdete
Verkehrsteilnehmer

PC5

Vehicle to Infrastructure (V2I)

► Warnung vor Einsatzfahrzeugen

Vehicle to Vehicle (V2V) Uu

► Notbremswarnung
Vehicle to Network (V2N)
PC5
► Verkehrsfrühwarnsystem
PC5 PC5

| NEUES 226/2023 57
Mobilfunk

Bild 1: Blick in die Zukunft – damit Fahrzeughersteller Lenkräder durch Displays ersetzen können, ist zuverlässiger Mobilfunk im Kfz nötig.

überqueren, seien sie auch bei Grün Verkehrsnot wird zur Tugend Daten aussagekräftiger als beispiels-
nicht sicher. Denn Rechtsabbieger Chinesische Start-ups gehören denn weise in den USA. In der südchine-
dürfen auch bei Rot fahren, wie übri- auch zu den Pionieren für den Auto- sischen Metropolregion Guangzhou
gens auch in Kanada und den USA. verkehr der Zukunft. Die chaoti- betreibt Pony.ai bereits eine Flotte von
Die Folgen: So viele Verkehrstote schen Verhältnisse in ihren Großstäd- 100 Robotertaxis und deckt damit
wie nirgendwo sonst auf der Welt. ten spielen ihnen dabei in die Karten. ein Einsatzgebiet von 800 Quadratki-
Das zeigen die jüngsten verfügba- James Peng hält die Herausforderun- lometern ab. Ein weiterer Schritt auf
ren Daten der Weltgesundheitsorga- gen in China für besonders hoch. Er dem Weg zur Kommerzialisierung
nisation WHO aus 2018. Doch diesen ist Geschäftsführer des 2016 gegrün- des autonomen Fahrens in China.
Zuständen hat die chinesische Regie- deten Robotaxi-Start-ups Pony.ai, das Den weltweiten Durchbruch zu einem
rung den Kampf angesagt. Dabei sind mit 8,5 Milliarden US-Dollar Unter- Massengeschäft erwarten Branchen-
ihr vor allem solche Mittel willkom- nehmenswert bereits zu den Bran- kenner bis zum Jahr 2025. Den größ-
men, die die Technologiekompetenz chengrößen gehört. Die Erfahrungen ten Markt stellt China dar. Bis 2030
des Landes stärken – etwa der ver- mit den unberechenbaren lokalen Ver- soll hier bereits ein Millionenheer
netzte autonome Verkehr. hältnissen seien wertvoller und die von Robotaxis unterwegs sein. Das

58
 PC5
autonomes Fahren. Mittlerweile
haben auch andere Unternehmen
Kalifornien als Testfeld für sich ent-
deckt und ziehen nach.

In Europa stellt sich eine ganz andere

Situation dar. Während die USA und
China mit ihren Start-up-Initiativen
auf die Geschwindigkeit kleinerer, nur
zu einem Zweck gegründeter Unter-
nehmen bauen, setzt man in Europa
auf die geballte Entwicklungsleistung
der eigenen Automobilindustrie und
auf Kooperationen mit den großen IT-
Unternehmen. Teilweise werden auch
lokale Projekte mit automatischen Uu
Shuttles oder People Movern durch-
geführt, die auf der ersten oder letz-
ten Meile des öffentlichen Verkehrs
PC5 zum Einsatz kommen. Auch wenn die
Vorreiter aus anderen Regionen stam-
5 PC5
men, war es immerhin Deutschland,
das als erstes Land im Juli 2021 ein
flächendeckendes Gesetz zum auto-
nomen Fahren bis zur Stufe 4 verab-
schiedet hat, das den Betrieb auto-
matischer Taxi-Flotten auch auf
deutschen Straßen ermöglicht.

Die Rolle von C-ITS, V2X und 5G

Die oft genannte Autonomiestufe 5,
ab der die Fahrerassistenzsysteme
Geschäft wird sich Pony.ai mit star- so ausgeklügelt sind, dass sich Fahr-
ken lokalen Konkurrenten wie Baidu, zeuge völlig autonom und dabei auch
AutoX und DiDi Xungking teilen müs- noch sicherer als mit einem menschli-
sen. Sie betreiben ebenfalls seit län- chen Fahrer bewegen können, ist nur
gerer Zeit Testfelder und verfeinern ein Zwischenziel. Das große Bild wird
ihre Fahrerassistenzsysteme. unter der Überschrift C-ITS gezeich-
net: kooperative intelligente Trans-
US-Start-ups konkurrieren mit portsysteme. Diese Vision umfasst
Europas Fahrzeugindustrie den gesamten Verkehr mit dem Ziel,
Vorreiter beim vernetzten autonomen sowohl die Verkehrssicherheit als
Verkehr sind einmal mehr die USA. auch die Verkehrs-Effizienz mit tech-
Früh wurden, vor allem in Kalifor- nischen Mitteln zu maximieren. Zum
nien, günstige regulatorische Bedin- Beispiel muss im vernetzten Verkehr
gungen geschaffen. So konnte die eine grüne Welle keine glückliche
­Google-Schwesterfirma Waymo vor Seltenheit mehr sein und Folgeun-
der internationalen Konkurrenz wert- fälle lassen sich wirksam vermeiden,
volle Testkilometer sammeln und wenn ein Fahrzeug eine Notbremsung
gilt bis heute als der Maßstab für schon im Moment des Geschehens

| NEUES 226/2023 59
Mobilfunk

an die nachfolgenden Verkehrsteil- Vehicle-to-Everything. Das schließt Eigenschaften mit: hohe Übertra-
nehmenden kommuniziert. Gerade für die Kommunikation von Fahrzeug gungsrate, Verfügbarkeit, Zuverlässig-
Speditionen ist das sogenannte Pla- zu Fahrzeug (Vehicle-to-Vehicle, keit und kurze Signallaufzeit (Latenz).
tooning eine attraktive Möglichkeit, V2V), von Fahrzeug zu Infrastruk- Mit zellularem Mobilfunk (C-V2X) –
um Kraftstoff einzusparen. Besonders tur (Vehicle-to-Infrastructure, V2I) dem Funkverkehr über vermittelnde
reizvoll würde die Technik spätestens und von Fahrzeug zu zum Beispiel Basisstationen – lässt sich aber nur
dann, wenn die Rechtsprechung nur dem Smartphone einer Fußgängerin ein Teil der Kommunikationsaufga-
noch für das erste Kolonnenfahrzeug (Vehicle-to-Pedestrian, V2P) mit ein. ben abdecken. In Funklöchern oder
einen Sicherheitsfahrer vorschreiben Ad-hoc-Situationen müssen die Fahr-
sollte. Bis dahin wird aber noch ein Eine wichtige technische Grundlage zeuge in der Lage sein, direkt mitei-
gutes Stück zu gehen sein. zur V2X-Kommunikation ist mit dem nander zu reden. Dafür gibt es eine
5G-Mobilfunk bereits geschaffen. Das sogenannte Sidelink-Schnittstelle
Voraussetzung für den ­vernetzten ist kein Zufall. Schon früh im Stan- (PC5), die bereits mit LTE (4G) einge-
Verkehr ist, dass sich die Fahrzeuge dardisierungsprozess hat die Auto- führt wurde. Abhängig von der tat-
sowohl untereinander als auch mit mobilindustrie auf die Berücksichti- sächlichen Situation wird die V2X-
der umgebenden Infrastruktur und gung ihrer Belange hingewirkt und Kommunikation entweder über das
einer Verkehrszentrale verständi- so war 5G von vornherein der ideale Netz oder in Form von V2V-Kom-
gen. Das Prinzip ist unter dem Kür- Kandidat für die Verkehrsvernet- munikation über den PC5-Sidelink
zel V2X-Kommunikation bekannt, zung. Dafür bringt er alle passenden abgewickelt.

60
Neuer Standard bringt neue Testfälle GNSS. Mobilfunktester wie der
Um die visionären Pläne umzusetzen, R&S®CMX500 simulieren ein Mobil-
müssen die kommenden Fahrzeugge- funknetz in all s­ einen Funktionen,
nerationen 5G-fähig werden. Durch messen und beurteilen die Leistungs-
die Pflicht zum Notrufsystem eCall hat fähigkeit eines Teilnehmergeräts und
die Automobilindustrie bereits einen ermöglichen den Labortest beliebi-
gewissen Erfahrungsschatz mit Mobil- ger 5G-Applikationen. So lassen sich
funk-Telematik aufgebaut. Gegenüber Telematik-Einheiten oder ganze Fahr-
den bekannten Standards ist 5G deut- zeuge mit beliebigen Verkehrssitu-
lich anspruchsvoller und bringt für ationen konfrontieren, inklusive sol-
Fahrzeughersteller und Zulieferer ganz cher Szenarien, die es im aktuellen
neue Testanforderungen mit sich. Straßenverkehr noch gar nicht gibt.
Diese Fähigkeit ist für die Entwick-
Rohde & Schwarz bietet eine Reihe lung von C-ITS besonders relevant,
von ­spezialisierten Messgeräten, weil für die Systeme Automatismen
die Entwicklern und Systeminteg- entwickelt werden müssen, die eine
ratoren alle nötigen Funktionen an enorme Fülle von Verkehrssituationen
die Hand gibt, um verschiedenste abdecken. Lassen sich für ein mög-
Funk-Varianten effizient zu integ- liches Szenario echte Testdaten gar
rieren. Dazu gehören neben Mobil- nicht oder nur mit unverhältnismäßi-
funk auch B­ luetooth®, WLAN und gem Aufwand gewinnen, kann das
Szenario im Labor zumindest simuliert
werden.

Bild 2: Im Kontext von C-V2X lässt sich Ein besonderes Augenmerk gilt den
mit dem Mobilfunktester R&S®CMX500 Luftschnittstellen der Fahrzeuge, den
die Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Antennen. Schlüsselfertige Mess-
Mobilfunkanbieter testen. Sie wird auch systeme automatisieren die nötigen
als V2N-Schnittstelle (Vehicle-to-­Network) Untersuchungen und entlasten die
oder Uu-Schnittstelle bezeichnet. Hersteller von zeitaufwendigen und
fehleranfälligen Prozeduren, die spe-
zielles Fachwissen voraussetzen (full
vehicle antenna test, FVAT). Neben
den (Mobil-)Funk-Messeinrichtungen
finden Automobilhersteller und Zulie-
ferindustrie bei Rohde & Schwarz alle
Messmittel für die Entwicklung und
den Test der elektrischen und elek-
tronischen Fahrzeugkomponenten,
sei es eCall, die Multimedia-Ausstat-
tung, die Fahrzeug-Datenbusse, die
Radarsensorik oder der E-Antrieb.
Einrichtungen zum Test der elektro-
magnetischen Verträglichkeit kom-
men hinzu. Fazit: Messtechnik von
Rohde & Schwarz bringt das Auto der
Zukunft ins Rollen.
REDAKTION

| NEUES 226/2023 61
Flugsicherheit

DIE DIGITALISIERUNG
DES ­FLUGFUNKS
SCHREITET VORAN
Schon länger entwickelt Rohde & Schwarz zusammen mit Forschungspartnern
das digitale Datenübertragungsverfahren LDACS. In der ­zivilen Luftfahrt soll es
das weit verbreitete VDL Mode 2 ablösen und zum weltweit gültigen Standard
werden. Damit eröffnen sich Flug­gesellschaften und Kommunikationsdienstleistern
völlig neue Anwendungsfälle.
62
 Im Frühjahr 2019 startete die Falcon des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt zu sechs Testflügen
mit LDACS-Funkausrüstung an Bord.

Technischer Fortschritt bedeutet nicht einfach,

analoge Verfahren durch digitale abzulösen. Das
zeigt sich kaum besser als in der zivilen Luft-
fahrt. Hier basiert der Sprechfunk zwischen Pilot
und Tower nach wie vor auf der 1948 eingeführ-
ten Doppelseitenband-Amplitudenmodulation
(DSB-AM). Und es gibt keine Bestrebungen,
dieses analoge VHF-Verfahren (Frequenzbe-
reich: 118 MHz bis 137 MHz) durch einen digi-
talen Sprechfunk zu ersetzen. Schließlich bietet
der Analogfunk bis heute einige unverzichtbare
Charakteristiken wie kurze Verzögerungs­zeiten,
aktives Mithören durch alle Teilnehmenden und
einiges mehr, was bisher kein Digitalfunk leis-
ten kann.

Anders sieht es bei Funkverfahren zur Daten-

übertragung aus. Seit den 1990er Jahren
besteht der Flugfunk nicht allein aus Sprech-
funk, sondern er wurde um Verfahren zur Daten-
übertragung ergänzt – digitale Verfahren. Von
ihnen ist VDL Mode 2 am weitesten verbreitet.

Wird heute von der Digitalisierung des Flug-

© DLR funks gesprochen, dann ist damit gemeint, die
älteren ­digitalen Verfahren zur Datenübertra-
gung durch neue und leistungsstärkere zu erset-
zen. Der Sprechfunk selbst soll auch weiter-
hin analog bleiben. Von der Digitalisierung ist
er nur insofern betroffen, als dass sie ihn ent-
lastet. Durch diese Koexistenz von analoger
Sprach- und digitaler Datentechnologie zum
Zwecke der Flugsicherung, wird wirtschaftlich

Bild 1: Beispiel für eine 4D-Trajektorie.

Sollen Lärmschutzzonen in Zukunft
umflogen werden, sind kompliziertere
4D-Trajektoriedaten Kurvenmanöver statt eines geraden
via LDACS Anflugs nötig. Die Positionsdaten erhal-
ten P­ iloten über den LDACS-Datenlink.

Lärmschutzzone

| NEUES 226/2023 63
Flugsicherheit

Bild 2: Von der Entwicklung bis zum weltweiten Standard

Zu den Meilensteinen der Entwicklung von LDACS gehören vier große Forschungsprojekte.
Sie sind unterhalb des Zeitstrahls eingetragen und in der Infobox am Ende des Artikels näher beschrieben.

Erste Überlegungen zu LDACS ICAO, die oberste Standardisierungsbehörde Finale Phase der Weltweiter
am Deutschen Zentrum für für die zivile Luftfahrt, nimmt die Produktentwicklung LDACS-Rollout
Luft- und Raumfahrt (DLR) Standardisierungsarbeit auf

2007 2012 2016 2019 2022 2025 2028

ICONAV MICONAV IntAirNet PaWaDACs

(Erste Labor- (Flugversuche mit (Erweiterung (Geräte-Miniaturisierung
versuche) Flugzeug-Boden- auf Luft-Luft- und Testinstallationen)
Kommunikation) Kommunikation)

und zukunftssicher ein Höchstmaß an Effizienz, Flugverkehrs heute nicht mehr möglich. LDACS
Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit erreicht. kann hohe Datendurchsätze zuverlässig und
durch Verschlüsselung abgesichert bereitstel-
Reger Funkverkehr im engen VHF-Spektrum len. Damit unterstützt es eine Vielzahl von neuen
Bereitgestellt wird VDL Mode 2 von Air Navi- Anwendungen. Zur effizienten Einsatzplanung
gation Service Providern (ANSP). Hinter dem ihrer Flotte benötigen Fluggesellschaften zum
Begriff verbergen sich Kommunikationsdienst- Beispiel Datenverbindungen zu ihrem Flugper-
leister für den Flugbetrieb, ähnlich zu den Mobil- sonal. Hinzu kommt, dass sich heute deutlich
funkanbietern im privaten Bereich. Weil das Ver- mehr Flugzeuge durch den Luftraum bewegen
fahren ebenfalls im VHF-Frequenzband arbeitet, als früher. Entsprechend muss die Flugsiche-
müssen sich Datenübertragung und Sprechfunk rung in der Lage sein, schneller neue Naviga-
das verfügbare Spektrum teilen. Entsprechend tionsdaten zu verteilen, um Flugbewegungen
klein sind die nutzbaren Bandbreiten, sodass auch dann noch rechtzeitig anzupassen, wenn
VDL Mode 2 lediglich einige Kilobit pro Sekunde sich die Situation im Luftraum kurzfristig ändert.
an Daten übertragen kann.
Als attraktive erste Anwendung mit LDACS ist
Der Weg ins L-Band: LDACS geplant, dessen Datenlink-Fähigkeit dafür zu
Hier kommt nun die neue LDACS-Technologie nutzen, um die langsame VHF-Funkstrecke in
ins Spiel. Das Akronym steht für L-Band Digi- den Bestandssystemen der Flugsicherung durch
tal ­Aeronautical Communication System und den schnellen LDACS-Datenlink zu erweitern
bietet einen bis zu circa zweihundertfach höhe- oder gar zu ersetzen. So lässt sich die Daten-
ren Datendurchsatz als VDL Mode 2. Der Name übertragung schnell spürbar verbessern, ohne
beinhaltet bereits die relevanteste Neuerung: dass neue Systeme angeschafft werden müs-
die Datenübertragung findet im L-Band statt. sen. Hinzu kommt, dass es ein sehr einfacher
LDACS fügt sich genau in die Teile dieses Fre- Weg zur Markteinführung von LDACS ist.
quenzbands ein, die für die Flugkommunikation
reserviert sind. Für den störungsfreien Betrieb Die zuverlässige und auch sichere Datenüber-
mit anderer Flugausrüstung, die ebenfalls im tragung von LDACS wird in Zukunft auch für
L-Band operiert, arbeitet LDACS mit entspre- umweltschonende neue ­Navigationsmethoden
chenden Entstör-Algorithmen und wurde auf genutzt. Geplant ist hier, Flugzeuge Routen
minimale Nebenband-Aussendungen optimiert. abfliegen zu lassen, die durch präzise Koordina-
ten im dreidimensionalen Raum festgelegt und
Neue, attraktive Dienste für die Luftfahrt innerhalb eng vorgegebener Zeitlimits zu pas-
Die moderne Luftfahrt erfordert einen sicheren sieren sind. Diese sogenannten 4D-Trajektorien
Datenaustausch. Anders ist die Organisation des kommen zum ­Beispiel dann zur Anwendung,

64
wenn Flugzeuge dynamisch an Lärmschutz- wird zusammen mit Projektpartnern wie dem
zonen im Einzugsgebiet von Flughäfen vor- ­Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
bei geleitet werden müssen, wie es in Bild 1 (DLR) die LDACS-Technologie entwickelt. Par-
dargestellt ist. allel dazu erarbeiten Arbeitsgruppen die für die
Flugzulassung benötigten Standards in Koopera-
Langfristig will man den kompletten Flugweg tion mit der International Civil Aviation Organiza-
vom Startflughafen bis zum Ziel ausschließ- tion (ICAO) und verabschieden diese. Die ICAO
lich über 4D-Trajektorien abwickeln. Das eröff- mit Sitz in Kanada ist die oberste Standardisie-
net den Weg, um den immer enger werdenden rungsbehörde für die zivile Luftfahrt. Sie prüft
­Luftraum deutlich effizienter und umweltscho- und verabschiedet die wichtigsten Dokumente
nender zu nutzen. für eine Standardisierung.

Standards sind entscheidend für die Luftfahrt Im nachfolgenden Bild ist die Historie der bishe-
Wie alle Systeme an Bord von Flugzeugen rigen Standardisierungsaktivitäten bis hin zu den
­müssen auch die Funkgeräte international stan- aktuell geplanten Produktentwicklungen kom-
dardisiert sein. Auf Basis dieser Standards wer- pakt dargestellt.
den dann später Flugzulassungen durchge-
führt, um sicherzustellen, dass die Technik an Im Rahmen des erst vor kurzem ­gestarteten
Bord zuverlässig funktioniert und alle Krite- LuFo-Projekts PaWaDACs (siehe ­Infobox) wird
rien der Flug­sicherheit erfüllen. Dafür ist ein endgültig der technologische Grundstein gelegt,
sehr langer zeitlicher Vorlauf nötig, der nicht um anschließend eine Produktentwicklung von
selten zehn oder auch zwanzig Jahre dauern LDACS-Boden- und LDACS-Bordgeräten ab ca.
kann. Weil es sich kaum ein Unternehmen leis- 2025 starten zu können. Mit einer Markteinfüh-
ten kann, so lange auf einen Absatzmarkt zu rung ist ab ca. 2028 zu rechnen. Durch die frühe
warten, die Industrie aber möglichst früh in die Beteiligung an den LuFo-Projekten besteht eine
Standardisierungsprozesse eingebunden wer- gute Chance, dass Rohde & Schwarz als Markt-
den soll, gibt es staatliche Forschungsinitiati- führer auf der Bühne der LDACS-Anbieter ins
ven. Für LDACS hat das Bundesministerium für Rennen geht.
Wirtschaft und ­Klimaschutz die Programme zur
Luftfahrtforschung (LuFo) ins Leben gerufen, an THOMAS BÖGL, ROHDE & SCHWARZ
denen sich auch Rohde & Schwarz beteiligt. Hier

VIER GROSSE FORSCHUNGSPROJEKTE

Vier aufeinander aufbauende Forschungsprojekte, gefördert vom ► IntAirNet (Inter Air Network)
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), In diesem Projekt (2019 bis 2022) wurden die Fähigkeiten des Funkverfahrens
brachten die Entwicklung des digitalen Datenübertragungsverfah- auf die direkte Vernetzung zwischen Flugzeugen erweitert. Damit ist LDACS
rens LDACS für den zivilen Flugverkehr maßgeblich voran: nicht mehr zwingend auf eine terrestrische Infrastruktur angewiesen und kann
auch für die Wege über die Ozeane genutzt werden.
► ICONAV (Integrated Communications and Navigation)
Zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und ► PaWaDACs (Pave the Way to Digital Aeronautical Communications)
weiteren Projektpartnern entwickelte Rohde & Schwarz innerhalb eines Konsor- Das Projekt PaWaDACs läuft seit dem Jahr 2022 und widmet sich der Verklei-
tiums von 2012 bis 2015 einen funktionsfähigen Demonstrator für Labortests. nerung der Gerätedemonstratoren sowie einer realitätsnahen Testinstallation an
zwei Standorten der Deutschen Flugsicherung (DFS). Mit der Vollendung dieser
► MICONAV (Migration towards Integrated COM/NAV Avionics) Arbeiten werden auch die entscheidenden Technologieschritte für zukünftige
Die Funktionstüchtigkeit im Flugbetrieb wies das Folgeprojekt MICONAV nach. LDACS-Systeme erschlossen sein. Damit wäre eine solide Ausgangsbasis für
Hier entstand von 2016 bis 2019 ein flugtauglicher Demonstrator mit zusätzli- die Entwicklung neuer Produkte für die zivile Luftfahrt geschaffen, mit denen
cher, hochgenauer Navigationsfähigkeit. In den anschließenden Labor- sowie Rohde & Schwarz nicht allein Bodenstationen ausrüsten, sondern in Zukunft
Flugversuchen gelang das erfolgreiche Testen von An- und Abmelden an vier auch an Bord der Flugzeuge Lösungen für seine Kunden anbieten kann.
extra für das Projekt eingerichteten LDACS-Basisstationen sowie die Übergabe
von einer zur anderen Bodenstation. Ebenso zuverlässig funktionierte die Kom-
munikation zwischen Flugzeug und Bodenstation in verschiedenen Situationen
wie Überflug in größerer Höhe, An- und Abflug oder Rollen am ­Flughafen.

| NEUES 226/2023 65
Flugsicherheit

Interview mit Thomas Bögl, Director of Technology and Studies

„DAS WAR DAS ENDE DES

HENNE-EI-PROBLEMS“
Der offizielle Startschuss zu LDACS (L-band Digital ­Aeronautical Communications
System) fiel im Dezember 2016, als die internationale ­Zivilluftfahrtorganisation in
Kanada die Standardisierungsarbeiten aufnahm. Damit es so weit kam, war jahre-
lange Vorarbeit nötig.

66
Das weiß kaum jemand besser als Thomas Bögl. Dem Der analoge Sprechfunk hat sich im Flugverkehr gut bewährt.
Abteilungsleiter bei Rohde & Schwarz war bereits gegen Woran konnte man den Entlastungsbedarf erkennen?
Ende der 2000er Jahre klar, dass der rein analoge Flug- Heute müssen Fluglotsinnen und Fluglotsen fast genauso
funk langfristig um einen digitalen Standard erweitert wer- viele Luftfahrzeuge koordinieren wie vor Corona. Und die
den muss. Zusammen mit Thomas Richter, leitender Inge- Tendenz steigt rasant. Diesen Trend konnte man auch
nieur aus der Vorentwicklung, und seiner Abteilung stieß schon vor fünfzehn Jahren sehen. Wichtig zu verstehen
er Forschungs- und Entwicklungsarbeiten innerhalb des ist noch, dass diese Arbeitslast nicht auf mehr Personal
Konzerns an, suchte den Kontakt mit Forschungsinstitu- verteilt werden kann, weil dafür nicht genügend parallele
ten wie dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt Sprechfunkkanäle vorhanden sind. Eine Entlastung kann
(DLR) und scheute auch die gut 6000 Kilometer von Mün- nur erreicht werden, indem solche Anweisungen, die nicht
chen nach Montreal zum Hauptquartier der internationalen unbedingt eine direkte Sprachverbindung zwischen Pilo-
Zivilluftfahrtorganisation ICAO (International Civil Aviation ten und Lotsen erfordern, über eine parallele Datenverbin-
Organization) nicht. dung abgewickelt werden. Darunter fallen zum Beispiel
nicht sicherheitskritische Anweisungen, etwa wenn sich
NEUES: Herr Bögl, wann begann für Sie die Arbeit an LDACS? das Flugzeug noch am Boden befindet. Für den Daten-
Thomas Bögl: Meine erste Berührung mit LDACS war austausch gibt es zwar schon lange die VHF-Datenfunk-
etwa im Jahr 2010. Es war ein Treffen mit dem DLR in technik, aber durch ihren limitierten Datendurchsatz bie-
Oberpfaffen­hofen, die ja einer der Erfinder des LDACS- tet sie mittel- bis langfristig keine wirksame Entlastung
Funkverfahrens sind. Die Spezialisten dort haben sehr für den Sprechfunk. Deshalb zeichnete sich schon damals
überzeugend dargestellt, dass in Zukunft neue digitale ab, dass die Luftfahrt bald eine leistungsstärkere digitale
Funkverfahren benötigt werden, um den analogen Sprech- Datenfunktechnik benötigen würde.
funk zu entlasten. Dass dafür neue Produkte entwickelt
werden müssen, war bereits damals klar. Weil das aber LDACS wird auch neue Anwendungsfälle eröffnen.
nicht Aufgabe des DLR ist, machte eine Partnerschaft zwi- Welche sind für Sie die wichtigsten und warum?
schen Forschung und Industrie viel Sinn. Tatsächlich war Die erste und gleichzeitig auch die wichtigste Anwendung
dieses Treffen auch der Beginn der bis heute sehr frucht- ist das Bereitstellen einer ausreichend hohen Datenrate
baren LuFo-Projekt­partnerschaft mit dem DLR. LuFo steht und einer Verschlüsselung – und zwar in bestehenden Sys-
für Luftfahrtforschung. temen. Ihrem VHF-Datenlink wird mit LDACS ein starker

Testflüge 2019:
Wellenformentwicklungs-
und Messgeräte von
Rohde & Schwarz ermög-
lichten die Funkverbin-
dungen und ­zeichneten
sämtliche erhobenen
Daten auf – insgesamt
© DLR
über zwölf Terabyte.

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Flugsicherheit

Aktivitäten, die über die reine Standardisierung hinaus-

gingen. Ein Beispiel ist die Gründung der Avionic Task

„Das absolute LDACS-Highlight Force. Unter dem Mandat der ICAO bringt sie alle an Flug-
systemen beteiligten Firmen an einen Tisch, identifiziert
waren für mich natürlich die alle noch im Weg stehenden Hürden und räumt sie aus.
­Leiter dieser Arbeitsgruppe ist im Übrigen Thomas Richter.
Flugversuche im April 2019, als Als Projektleiter der LuFo-Projekte bei Rohde & Schwarz

wir einen LDACS-Demonstrator hat er unter anderem die Flugversuche geplant und orga-
nisiert. Er hat insgesamt einen maßgeblichen Anteil am
in das Forschungsflugzeug des Geschehen um LDACS und ohne seinen unermüdlichen
­Einsatz wären die vielen Aktivitäten von Rohde & Schwarz
DLR integriert haben.“ zu LDACS gar nicht leistbar.

Welche Organisationen und Behörden müssen zusammenspielen,

Bruder im L-Band zur Seite gestellt. Der Einfachheit halber damit ein weltweiter Standard wie LDACS erfolgreich eingeführt
verhält sich ein LDACS-Datenlink so wie ein quasi-breit- werden kann?
bandiger VHF-Datenlink. So lassen sich Bestandssysteme Allen voran sind die ICAO und die EUROCAE zu sehen,
möglichst unkompliziert erweitern. aber auch entscheidende ­Flugsicherungsorganisationen
wie EUROCONTROL, die mit der ­Standardisierung
Zusätzlich bringt LDACS eine eigene Navigationsfunktion zunächst die formelle Basis zum Ausrollen und zum
mit. Sind GPS oder andere Navigationssysteme an Bord Betrieb legen. Genauso entscheidend sind aber auch die
gerade nicht verfügbar, kann sie als Ersatzsystem dienen zukünftigen Betreiber und Nutzer von LDACS. Fluggesell­
und eine Positionsbestimmung des Flugzeugs vornehmen. schaften und Flugzeughersteller müssen ihr ­Interesse
Damit leistet LDACS nicht nur einen Beitrag zur Effizienz- an der Nutzung bekunden, damit die Industrie genug
steigerung der Flugfunkkommunikation, sondern auch zur Sicherheit sieht, um Entwicklungsbudgets zu investieren,
Flugsicherheit. damit sie die benötigten Produkte auch wirklich anbieten
können.
Sehr früh ging es für Sie und ihr Team nach Montreal, zum
ICAO-Hauptsitz. Warum nicht nach Paris zum europäischen Damals brach ein fünfköpfiges Team nach Montreal auf.
Regionalbüro oder zur Deutschen Flugsicherung? Wie hat sich das Interesse an LDACS seitdem entwickelt?
Nur am Stammsitz der ICAO ­sitzen die Personen im soge- In einem der letzten LDACS-Webinare, zu der die Deutsche
nannten Communications Panel. Und nur sie können neue Flugsicherung als Ausrichter eingeladen hatte, kamen circa
Arbeitsgruppen gründen, die auch das Mandat haben, 200 Firmen und Organisationen. Sie informieren sich über
neue Technologien für die Luftfahrt zu standardisieren. Die LDACS, treiben aber auch eigene Aktivitäten voran. Trotz
Deutsche Flug­sicherung ist ein Anwender von für die Flug- dieses steigenden Wettbewerbs ließ Rohde & Schwarz bis-
sicherung freigegebenen Technologien, kann selbst aber her als einzige Firma verlauten, in Zukunft sowohl für Flug-
keine Standardisierungen durchführen. zeuge als auch für die Bodeninfrastruktur LDACS-Produkte
liefern zu wollen.
In der Regel investieren Fluggesellschaften und Flughafen-
betriebe erst, wenn marktreife Geräte in Reichweite sind und Was hat Sie in den rund 15 Jahren am meisten
Komponenten- und Gerätehersteller fragen erst nach einem bei der Arbeit motiviert?
Absatzmarkt, bevor sie in die Geräteentwicklung investieren. Mehreres. Ein Aspekt ist, dass die internationale Luftfahrt-
War der Besuch bei der ICAO auch der Schlüssel, um dieses gemeinschaft viele unserer Vorschläge zu LDACS aufge-
übliche Henne-Ei-Problem zu überwinden? Wenn das oberste griffen hat, zum Beispiel dazu, wie die Infrastruktur von
Gremium entscheidet, hat schließlich jeder Planungssicherheit. Flugzeugen und am Boden mit LDACS kostengünstig
Der Besuch bei der ICAO war in der Tat das Ende des erweitert werden kann. Es freut mich auch, dass uns viele
Henne-Ei-Problems und der Beginn zielgerichteter inter- ­Firmen und Organisationen zu LDACS ansprechen und als
nationaler Aktivitäten zu LDACS. Mit der Einberufung der zentralen Kompetenzträger wahrnehmen.
neuen Arbeitsgruppe Projekt Team Technologie wurde
schnell ein Forum geschaffen, in dem sich alle Interessen- Das absolute LDACS-Highlight waren für mich ­natürlich
ten und Betroffenen von LDACS offiziell treffen und aus- die Flugversuche im April 2019, als wir einen LDACS-
tauschen konnten. Das war auch der Boden für weitere Demonstrator in das Forschungsflugzeug des DLR

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integriert haben und die Fähigkeiten des neuen Funkver- Die Standardisierungsarbeit kann in der Tat sehr büro-
fahrens live im Flug zeigen konnten. In Süddeutschland kratisch sein. Wir teilen sie uns im Wesentlichen mit dem
haben wir dafür sogar vier LDACS-Bodenstationen aufge- DLR und der Deutschen Flugsicherung. Beide sind Projekt-
baut, mit denen die Flugzeuginstallation während des Flu- partner im laufenden LuFo-Projekt ­PaWaDACs und beide
ges erfolgreich kommunizierte. Für realitätsnahe Testflüge spielen eine wesentliche Rolle in den relevanten Standar-
hat die Deutsche Flugsicherung alle Freigaben erteilt. Das disierungsgremien bei der ICAO und der EUROCAE. Durch
heißt, wir konnten uns im Luftraum innerhalb des norma- diese Arbeitsteilung können wir uns vorrangig auf die
len Flugverkehrs bewegen. Weil es die weltweit ersten Technik und den Kundennutzen fokussieren und das DLR
Flüge waren, in denen LDACS real gezeigt werden konnte, und die Deutsche Flugsicherung berücksichtigen unsere
gab es auch ein großes Medienecho. Auf der Webseite Ergebnisse dann in den entsprechenden Dokumenten der
des DLR standen an diesem Tag ausnahmsweise keine Standardisierung.
Berichte über Marsmissionen oder die ISS, sondern die
LDACS-Testflüge unseres Projekts. Welche Bilanz ziehen Sie zum bisher Erreichten? Und was
sehen Sie als nächsten großen Meilenstein für LDACS?
Wie arrangieren Sie sich als Techniker mit der Die bisherige Bilanz ist durchweg sehr positiv. Es gibt
bürokratischen Facette der Standardisierungsarbeit? ­mittlerweile viele Interessenten für LDACS und die Stan-
Ich bin zwar techniknah unterwegs, allerdings immer mit dardisierung wird in diesem Kalenderjahr ­abgeschlossen
dem Blick für die Nutzbarkeit und die Wirtschaftlichkeit sein. Damit sind die wichtigsten Voraus-setzungen für
zukünftiger Lösungen. Diese beiden Aspekte sind mir sehr uns als Firma erfüllt, um zur prognostizierten Marktein-
wichtig. Ohne hohen Kundennutzen fehlt die Kaufbereit- führung im Jahr 2028 mit den richtigen Produkten bereit
schaft und wenn eine neue Technik nicht ­beherrschbar zu stehen und uns den zivilen Markt der Avionik weiter zu
und finanziell attraktiv ist, wird sie gar nicht erst einge- erschließen.
führt. Dann hilft auch der höchste Kundennutzen nicht  REDAKTION
mehr.

Die Route des ersten MICONAV-Testflugs führte über vier eigens

für das Projekt errichtete LDACS-Bodenstationen in ­Südbayern.
Zwei davon sind reine Sender zum Erheben von ­Navigationsdaten,
die anderen beiden sind Transceiver für ­digitale Flugfunkdaten.
Die Flugrouten wurden so geplant, dass der ­Funkzellenwechsel
(­Handover) getestet werden konnte (unten links) und außerdem
­verschiedene T­ riangulationsszenarien mit zwei bis vier Boden-
stationen (unten rechts).

Courtesy of Flightradar24.com

Schwabmünchen
www.openstreetmap.org/copyright (2 ×)

Oberpfaffenhofen

Peiting Königsdorf

60 km

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Flugsicherheit

5 kW KURZWELLEN-­
SENDELEISTUNG FÜR
DIE FLUGSICHERUNG
Der R&S®SK4105 HF-Hochleistungssender vereint
kleine Standfläche, hohe Sendeleistung und Aus-
fallsicherheit. Damit eignet er sich ­bestens für die
­Flugverkehrskontrolle über weiträumigen Gebieten
und bei rauen Standortbedingungen wie in Grönland. Grönland

Bild 1 (rechts): Ausgewählte Flugfunkstationen entlang der grönländischen Küste.

Flight Information Center

Nuuk

70
© icarmen13/stock.adobe.com
Mit etwa zwei Millionen Quadratkilo- Das Kühlmittel zirkuliert durch der CERTIUM®-Reihe und kann
metern ist Grönland die größte Insel einen Aluminiumblock, auf dem die je nach Anwendungsfall passend
der Welt mit gerade einmal 57 000 gesamte Sender-Baugruppe mon- ­erweitert werden.
Einwohnern. Entsprechend weitläu- tiert ist. Diese vollflächige Kühlung REDAKTION
fig ist der Luftraum und entlegen stellt eine optimale Betriebstempe-
sind die Sendestationen. Den Flug- ratur des Senders sicher, entlastet
verkehr im unteren Luftraum orga- außerdem alle weiteren Komponenten
nisiert die dänische Flugsicherung im Gehäuse von thermischem Stress
­Naviair über das Flight Information und erhöht so die Zuverlässigkeit des
Centre (FIC) in Grönland. Weitere HF- Gesamtsystems. Ein relevantes Argu-
und VHF-Funkanlagen sind an strate- ment für Sendestationen mit sicher-
gisch ausgewählten Punkten entlang heitskritischen Aufgaben. Noch dazu,
der grön­ländischen Küste in Betrieb. wenn ihre Standorte entlegen, in der
Die Hauptkommunikation läuft über Regel eingeschneit und entsprechend
das FIC in der südwestlich gelege- nur sehr schwer zugänglich sind.
nen Hauptstadt Nuuk. Die dort instal- Unter solchen Betriebsbedingungen
lierten HF-Sender sollen bald erneuert kann die im Sendergehäuse anfal-
werden. Dafür liefert Rohde & Schwarz lende Verlustwärme einer sinnvollen
im Sommer 2023 den wartungsar- Zweitverwertung zugeführt werden,
men und kompakten R&S®SK4105 indem sie zum Heizen des Sender-
HF-Hochleistungssender, der auch Unterstands genutzt wird.
in solch anspruchsvollen Umgebun-
gen zuverlässig arbeitet. Er sendet Verglichen mit einem luftgekühlten
im Kurzwellen-Frequenzbereich von HF-Sender fällt der Gesamtstrom-
1,5 MHz bis 30 MHz mit bis zu 5 kW. bedarf geringer aus. So reduzieren
Diese hohe Sendeleistung stellt die sich die Betriebskosten. In Regionen
nötige spektrale Leistungsdichte zur deutlich jenseits des grönländischen
Verfügung, die das System breitband- Dauerfrostklimas bietet die Flüssig-
fähig macht und eine klare Sprech- keitskühlung einen weiteren Vorteil.
funkverbindung von der Bodenstation Weil die Kühlung unabhängig von
zum Flugzeug über eine hohe Reich- der Umgebungsluft erfolgt, kann der
weite ermöglicht. Sender auch an wenig klimatisierten
Standorten betrieben werden.
Kompakt und wartungsarm durch
Flüssigkeitskühlung Zukunftsfester HF-Sender
Dafür sind der Signalquelle flüssig- für ATC-Aufgaben
keitsgekühlte Hochleistungsverstärker Eine Schlüsselkomponente des
nachgeschaltet. Flüssigkeitskühlun- R&S®SK4105 ist der Steuersender
gen sind in Fernseh- und Rundfunk- R&S®GX4100, welcher bereits erfolg-
sendern weit verbreitet, in Sendern reich in mehreren 1-kW-HF-Funksta-
zur Flugverkehrskontrolle (Air ­Traffic tionen des grönländischen Küsten-
Control, ATC) stellen sie ein Alleinstel- funks für den Schiffsverkehr einge-
lungsmerkmal dar, das sich in einer setzt wird. Der Steuersender erfüllt
kompakten Stellfläche, verminder- die Kriterien nach EUROCAE ED-137C
tem Wartungsaufwand und hoher und ist softwaredefiniert. Dadurch las-
Zuverlässigkeit bemerkbar macht. Der sen sich mit wenig Aufwand auch
R&S®SK4105 passt inklusive Wärme­ nachträglich neue Sender­funktionen
tauscher und Pumpenstand in ein integrieren und Anpassungen auf
19-Zoll-Rack. Vergleichbare Sender zukünftige Funkstandards vorneh-
mit Luftkühlung benötigen bis zu vier- men. Als Teil des CERTIUM®-Geräte­
mal so viel Stellfläche und sind durch universums von Rohde & Schwarz ist Bild 2: Der R&S®SK4105 HF-Hochleistungssender
die mechanischen Verschleißteile der HF-Hochleistungssender kompa- ist in Varianten von 150 W bis 5 kW Sende­leistung
wartungsintensiver. tibel mit weiterer Hard- und Software konfigurierbar.

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