Grundlagen Des Marketing - Philip Kotler
Grundlagen Des Marketing - Philip Kotler
Grundlagen Des Marketing - Philip Kotler
Grundlagen des
Marketing
7., aktualisierte Auflage
Philip Kotler
Gary Armstrong
Lloyd C. Harris
Nigel Piercy
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
23 22 21 20 19
Printed in Slovenia
Glossar 951
Organisationen 977
Register 979
6
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort 25
8
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9
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10
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11
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12
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Organisationen 977
Register 979
17
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Einführende Fallstudien
Nike – Innovatives Sportmarketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
LEGO – nur ein kleiner Stein im großen Ganzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Billiges Öl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Die Generationen Y und Z und ihr Konsumverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Porsche – Wächter der Tradition und Einführer der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . 242
UPS – ein strategischer Logistikpartner für Geschäftskunden . . . . . . . . . . . . . . . . 296
Asos – Fast Fashion für schnelle Kunden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
Uber – das Killer-Produkt im Markt der Personenbeförderung . . . . . . . . . . . . . . . 385
Google – bahnbrechende neue Produkte am Fließband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
Ryanair – unverschämt günstig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494
Borussia Dortmund – Einsatz für faire Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527
Die Vertriebsinnovation von Netflix – die Zukunft liegt außerhalb
der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560
ALDI – entspannte Zeiten auf dem britischen und dem US-Markt? . . . . . . . . . . . 608
Absolut Vodka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648
Public Relations und Kundenbindung bei Coca-Cola:
von der Ad Impression zur Social Media Expression zum Kauf . . . . . . . . . . . . . . 694
Procter & Gamble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740
Facebook: online, in sozialen Medien und mobil aktiv sein –
und Geld damit verdienen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786
SodaStream – bringt es eine neue Spritzigkeit in die USA? . . . . . . . . . . . . . . . . . 830
IKEA – ein besseres Leben für die große Weltbevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866
Nestlé – immer wieder am Pranger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912
22
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Exkurse
Erfolgreiches Marketing mit sozialer Orientierung – dm-drogerie markt
und GEA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Das Marketing-Audit als Situationsanalyse des Marketing-Umfelds. . . . . . . . . . . 123
Digitale Disruption. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
Fragebogen der SAS – Scandinavian Airlines System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
ICC/ESOMAR: Internationaler Kodex für die Markt- und Sozialforschung . . . . . 233
Die Sinus-Milieus – Basissegmentierung der Gesellschaft auf der Grundlage
von Wertorientierungen und Lebensstilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
Das Systemangebot als Instrument des B-to-B-Marketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
Die Herkunft macht den Unterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
Deutschland wird weltweit das beste Image zugesprochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
Das Konzept „Produktlebenszyklus“ in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
Auktionen als Transaktionen mit eigener Preissetzung oder Preisanpassung . . . 512
Mengenrabatt? Nein, wer hier mehr möchte, muss auch mehr bezahlen . . . . . . . 535
Das Franchising – ein weitverbreiteter Typ vertikaler Marketingsysteme . . . . . . 574
Bedeutung grüner Produkte in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631
Messung der Werbewirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673
IVW – Pfadfinder durch die Medienlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698
Verkaufen über Kulturgrenzen hinweg: auf der Suche nach allgemeingültigen
Werten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 771
Beispiele erfolgreicher Marktnischenbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 858
Regionale Handelsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877
Stiftung Warentest – ein bewährtes Instrument der Verbraucherschutzpolitik . . 923
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Vorwort
26
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Vorwort
Die neue Ausgabe enthält überarbeitete und erweiterte Inhalte über neue Entwicklungen im
sich schnell wandelnden Bereich der integrierten Marketingkommunikation. Sie
beschreibt, wie Marketingverantwortliche traditionelle Medien mit den neuen Instrumen-
ten der digitalen Medien und sozialen Netzwerke – wie dem Internet und mobilen Marke-
ting, Blogs, viralen Videos und Social Media – kombinieren, um gezieltere, persönlichere
und aktivere Kundenbeziehungen aufzubauen. Marketingverantwortliche erzeugen nicht
mehr einfach integrierte Kommunikationsmaßnahmen; sie praktizieren Content-Marketing
sowohl bei Paid und Owned als auch bei Earned und Shared Media. Kein anderes Stan-
dardwerk bietet aktuellere oder umfassendere Texte zu diesen spannenden Entwicklungen.
Neues Material in der Gesamtausgabe unterstreicht die wachsende Bedeutung des nach-
haltigen Marketings. Die Diskussion beginnt in Kapitel 1 und endet in Kapitel 20 und sie
bindet Marketing in die Rahmenstruktur des nachhaltigen Marketings ein. Dazwischen
zeigen Erläuterungen und Beispiele, dass nachhaltiges Marketing soziale und ökologische
Verantwortung erfordert, die sowohl die aktuellen als auch die künftigen Bedürfnisse der
Verbraucher, Unternehmen und Gesellschaft insgesamt berücksichtigt.
Die neue Ausgabe bietet neue Inhalte zur wachsenden Bedeutung des globalen Marke-
tings. Da die Welt immer kleiner und die Konkurrenz immer größer wird, müssen sich
Marketingverantwortliche immer neuen Herausforderungen im globalen Marketing stel-
len, besonders in den sich schnell entwickelnden Märkten wie China, Indien, Brasilien,
Russland und anderen. In diesem Buch finden Sie aktuelles Material über globales Marke-
ting, beginnend mit Kapitel 1; das Thema wird in Kapitel 19 umfassend beleuchtet.
Die neue Ausgabe bietet eine weitere Verbesserung des innovativen Lernansatzes. Die
aktive und integrative Aufbereitung des Textes ermöglicht einen verstärkten Lerneffekt
durch die Einleitungen zu Beginn jedes Kapitels sowie eine Zusammenfassung der Lern-
ziele am Ende. Die Einleitungen zu den Kapiteln dienen der Vorschau und Einordnung
des Kapitels in das Schlüsselthema. Die Texte am Ende jedes Kapitels fassen die wichtigs-
ten Kapitelinhalte zusammen und unterstreichen bedeutende Themen wie das digitale
und das Social-Media-Marketing, die Marketingethik und die Marketinganalyse. Durch
diesen innovativen Lernansatz erhalten Studierenden einen leichteren Zugang zum Stoff.
Die neue Ausgabe enthält 20 neue oder überarbeitete Fallstudien am Anfang jedes Kapi-
tels, anhand derer die Studierenden das Erlernte auf reale Unternehmenssituationen
anwenden können. Schließlich sind die Marketing-Highlights und Exkurse, die in jedem
Kapitel zu finden sind, neu oder wurden überarbeitet, um die Aktualität zu gewährleisten.
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Vorwort
von den Kunden zurückgewinnt. Die Struktur wird in den ersten zwei Kapiteln heraus-
gearbeitet und anschließend in alle folgenden Themen des Buchs eingebunden.
2. Die Einbindung von Kunden und die modernen digitalen Medien und sozialen Netz-
werke. Die modernen digitalen Medien und sozialen Netzwerke haben die Welt des Mar-
ketings im Sturm erobert und die Art und Weise, wie Unternehmen und Marken ihre
Kunden an sich binden und wie Verbraucher sich untereinander vernetzen und ihr Mar-
kenverhalten gegenseitig beeinflussen, massiv verändert. Diese neue Ausgabe erklärt und
ergründet das zeitgemäße Konzept des Marketings durch Kundenengagement und die
faszinierenden neuen digitalen Medien und sozialen Netzwerke, mit denen Marken ihre
Kunden noch enger und interaktiver an sich binden können. Im ersten Kapitel sind zu-
nächst zwei wichtige neue Abschnitte darauf ausgerichtet: „Kundenengagement und die
modernen digitalen Medien und sozialen Netzwerke“ sowie „Das digitale Zeitalter: On-
linemarketing, mobiles Marketing und Social-Media-Marketing“. Das komplett überar-
beitete Kapitel 17 über „Direktmarketing, mobiles Marketing, Online- und Social-Media-
Marketing“ fasst die jüngsten Entwicklungen bei den digitalen Instrumenten für Kunde-
nengagement und Kundenbeziehungen zusammen. Im weiteren Text finden Sie überar-
beitete und erweiterte Beispiele über den explosionsartig ansteigenden Einsatz digitaler
Instrumente, um Kunden einzubinden und Marken-Communitys aufzubauen.
3. Aufbau und Pflege von starken und nutzenbringenden Marken. Gut positionierte Mar-
ken mit einem hohen Markenwert bilden die Grundlage für den Aufbau von Kunden-
nutzen und profitablen Kundenbeziehungen. Erfolgreiche Marketingexperten müssen
ihre Marken richtig positionieren und sie sorgfältig steuern, um wertvolle Markenerfah-
rungen für die Kunden zu generieren. Diese neue Ausgabe beschäftigt sich intensiv mit
Marken, wobei der Abschnitt „Markenmanagement“ in Kapitel 8 das Thema verankert.
4. Messung und Steuerung der Marketingrendite. Besonders in unsicheren wirtschaftli-
chen Zeiten müssen Marketingverantwortliche sicherstellen, dass ihr Budget gut ange-
legt ist. Die Praxis, beliebig in groß angelegte Marketingkampagnen zu investieren, ohne
sich nähere Gedanken über die Rentabilität ihrer Ausgaben zu machen, gehört der Ver-
gangenheit an. Marketing-Performance-Measurement – die monetäre Messung des Mar-
ketingerfolgs – ist heute ein wichtiger Teil der strategischen Marketingentscheidungen.
5. Nachhaltiges Marketing rund um den Globus. Da die Welt durch technologische Ent-
wicklungen immer kleiner wird, müssen Marketingexperten bei der internationalen und
nachhaltigen Vermarktung ihrer Marken geschickt vorgehen. Diese Ausgabe enthält
neues Material, das die Konzepte des globalen Marketings und des nachhaltigen Marke-
tings herausstellt – diese sollen den heutigen Bedürfnissen von Kunden und Unterneh-
men gerecht werden und gleichzeitig die Fähigkeit künftiger Generationen erhalten bzw.
stärken, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Diese neue Ausgabe bindet globales
Marketing und Nachhaltigkeitsthemen in den gesamten Text ein. Zu jedem Thema ent-
halten die Kapitel 19 bzw. 20 jeweils Beispiele.
Lernhilfen im Buch
Dieses Buch unterstützt Dozenten und Studierende mit unterschiedlichen Lernhilfen. Zu
diesen gehören:
Lernziele Jedes Kapitel beginnt mit einer Aufzählung der Lernziele, die als roter Faden für
den Leser dienen. Er weiß dadurch, auf was er im Laufe des Kapitels achten und was er nach
dem Lesen beherrschen sollte.
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Vorwort
Fallstudien Jedes Kapitel beginnt mit einer Fallstudie, an deren Ende Fragen mit ansteigen-
dem Schwierigkeitsgrad stehen.
Begriffe und Schlüsselwörter Begriffe und Schlüsselwörter sind im Text besonders hervorge-
hoben.
Abbildungen und Fotografien Abbildungen und Fotografien erleichtern das Verständnis ein-
zelner Passagen und veranschaulichen komplexe Sachverhalte.
Marketing-Highlights Marketing-Highlights enthalten besonders prägnante Informationen
und Beispiele für erfolgreiche Aktionen rund um das Marketing.
Exkurse Exkurse greifen ein Thema des jeweiligen Kapitels heraus und vermitteln dazu
detailliertere Informationen.
Zusammenfassungen Jedes Kapitel wird mit einer Zusammenfassung abgeschlossen, welche
die wesentlichen Punkte und Konzepte noch einmal herausstellt.
Literaturliste Die ausführliche Literaturliste am Ende eines jeden Kapitels verweist auf eine
Reihe weiterer themenverwandter Texte und Internetquellen.
Glossar In einem ausführlichen und umfassenden Glossar werden Schlüsselwörter des Mar-
ketings erläutert.
Register Mehrere nach unterschiedlichen Kriterien eingerichtete Register erleichtern die
Suche nach Unternehmen, Fällen, Lernbegriffen und allen übrigen Informationen.
29
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Über die Autoren
30
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Über die Autoren
ching“, den er bislang drei Mal verliehen bekam. Außerdem erhielt Professor Armstrong den
„UNC Board of Govenors Award for Excellence in Teaching“, die höchste Auszeichnung des
Verbunds aus 16 Fakultäten der University of North Carolina.
Lloyd C. Harris ist Leiter des Marketingbereichs und Professor für Marketing an der Birming-
ham Business School, University of Birmingham. Nach Positionen in Handels- und Dienstleis-
tungsunternehmen erwarb er seinen Doktortitel (PhD) in Marketing an der Cardiff University
und die höhere Doktorwürde (DSc) an der University of Warwick. Seine Forschungsergebnisse
wurden in über 100 Artikeln in einer Vielzahl von Magazinen für Marketingstrategie, Personal-
management und allgemeines Management veröffentlicht. Besonders stolz ist er auf die Bei-
träge, die im Journal of Retailing, dem Journal of the Academy of Marketing Science, dem Jour-
nal of Management Studies, dem Human Resource Management, den Organization Studies und
den Annals of Tourism Research erschienen sind. Er hat führende private und öffentliche
Unternehmen mit besonderem Fokus auf Handels- und Dienstleistungsunternehmen beraten
und Programme für diese entwickelt.
Nigel Piercy ist ehemaliger Dekan und Professor für Marketing und Strategie an der Warwick
Business School der Universität von Warwick. Davor war er Professor für Strategisches Mar-
keting und Leiter der Marketing Group an der Cranfield School of Management sowie Sir
Julian Hodge Professor für Marketing und Strategie an der Cardiff Business School. Außer-
dem war er Gastprofessor an der Texas Christian University, der Fuqua School of Business an
der Duke University in North Carolina, der Columbia Graduate School of Business in New
York, der University of California in Berkeley sowie der Wirtschaftsuniversität in Wien.
Piercy sammelte umfassende Erfahrung als Redner bei Management-Workshops in der gan-
zen Welt, die sich auf die Themen Marketingstrategie und Umsetzung sowie strategisches
Vertriebsmanagement konzentrierten. Er veröffentliche mehr als 300 Artikel, darunter Bei-
träge im Journal of Marketing und im Journal of the Academy of Marketing Science sowie
mehr als 20 Bücher. Piercy wurde wiederholt für seine Lehrkompetenz ausgezeichnet sowie
für die herausragende Leistung, als erster britischer Gelehrter den höheren Doktorgrad (Doc-
tor of Letters) für seine veröffentliche Forschungsarbeit im Bereich strategisches Marketing
erhalten zu haben. Heute ist er als Berater und Management-Autor mit Gastprofessuren an
verschiedenen Universitäten tätig.
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Über die Autoren
rung, Unternehmensprozesse und Operations an der Johannes Kepler Universität Linz, der
Fachhochschule Oberösterreich/Management Campus Steyr, der Privatuniversität Schloss
Seeburg und der Fachhochschule Wiener Neustadt. Mit seiner Strategieagentur für kundenfo-
kussiertes Management berät er Kunden unterschiedlicher Branchen zu Herausforderungen
wie Corporate und Business Development, Strategieentwicklung, Strategisches Marketing,
Geschäftsmodellentwicklung und Ähnliches mehr.
Dozent*innen:
Die Lösungen zu den praxisorientierten Fallstudien im Buch sind exklusiv für Sie als
Dozent*in erhältlich, sodass Sie diese in Ihre Lehrveranstaltungen integrieren können.
Zu jedem Kapitel erhalten Sie Anregungen zur Diskussion, die Studierenden in Vorlesun-
gen, Übungen oder Seminaren die Möglichkeit zur Erörterung offener Fragen des Sachge-
biets geben.
Als Dozent*in steht Ihnen das (englischsprachige) Instructor's Manual der Originalaus-
gabe des Titels zur Verfügung. Darin finden Sie unter anderem kompakte Kapitelübersich-
ten, zusätzliche Fallbeispiele und Fragen zur Diskussion.
Zudem haben Dozent*innen die Möglichkeit, einen eigenen Kurs anzulegen und mit Inhal-
ten aus einem großen Pool von Aktivitäten (Fallbeispiele, Videos, interaktive Aufgaben, Text-
abschnitte aus dem Lehrbuch) zu individualisieren.
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TEIL I
Die strategische Dimension
des Marketing
1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1
1.2 Was ist Marketing? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
ÜBERBLICK
1.6 Die Erlangung eines Gegenwerts von den Kunden 68
1.7 Das Marketingumfeld im Wandel. . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... den Begriff des Marketings definieren und die Schritte des Marketingprozesses
skizzieren.
... die Bedeutung des Verständnisses von Kunden und Märkten sowie die grundlegen-
den Konzepte des Marketings erklären.
... die Schlüsselelemente einer kundenorientierten Marketingstrategie identifizieren
und die möglichen Ausrichtungen des Marketing-Managements diskutieren.
... das Kundenbeziehungsmanagement erklären, Strategien zur Schaffung von Kun-
dennutzen identifizieren und erklären, wie man im Gegenzug Nutzen aus den Kun-
den ziehen und stabile Kundenbeziehungen entwickeln kann.
... das Konzept des nachhaltigen Marketings und die bedeutenden Entwicklungen
und Einflüsse, die die Marketinglandschaft verändern, beschreiben und die damit
einhergehenden Chancen und Herausforderungen für das Marketing aufzeigen.
1.1 Einführung
Dieses Kapitel führt Sie in die Grundlagen des Marketings ein. Wir beginnen mit der Frage:
Was ist Marketing überhaupt? Einfach ausgedrückt ist Marketing die Einbindung von Kun-
den und die Pflege profitabler Kundenbeziehungen. Marketing soll Werte für den Kunden
schaffen, um im Gegenzug Werte von den Kunden zu generieren. Als Nächstes erörtern wir
die fünf Schritte im Marketingprozess – vom Verständnis der Kundenbedürfnisse über die
Gestaltung kundenorientierter Marketingstrategien und integrierter Marketingprogramme bis
hin zum Aufbau von Kundenbeziehungen und Wertschöpfung für das Unternehmen.
Schließlich beschäftigen wir uns mit den wichtigsten Trends und Kräften, denen das Marke-
ting im modernen Zeitalter der digitalen, mobilen und sozialen Medien unterliegt. Wenn Sie
diese Grundlagen verstehen und deren tatsächliche Bedeutung erfasst haben, verfügen Sie
über ein solides Basiswissen für den weiteren Lehrstoff.
Nehmen wir zunächst Nike, ein großes Unternehmen mit erfolgreicher Marketinggeschichte.
In den letzten Jahrzehnten ist das unverwechselbare Nike-Logo, der „Swoosh“, zu einem der
bekanntesten Markenzeichen der Welt geworden. Nikes besonderer Erfolg beruht aber auf
viel mehr als nur der Produktion und dem Verkauf von Sportausrüstung. Er beruht auf einer
kundenorientierten Marketingstrategie, durch die Nike einen Markenwert schafft und eine
hohe Markentreue unter seinen Kunden erreicht.
36
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1.1 Einführung
Abbildung 1.1: Berühmte Sportgrößen übertragen ihren sportlichen Erfolg auf die Marke Nike, hier Cristiano Ronaldo
(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der Nike Deutschland GmbH)
Die Maxime von Nike lautet: „To bring inspiration and innovation to every athlete in the
world! If you have a body you are an athlete!“ Das bedeutet nicht nur, dass Nike von
Anfang an Top-Athleten und Breitensportler gleichzeitig im Fokus seiner Produktent-
wicklungen hatte, die Maxime sagt auch aus, dass der Innovationsprozess und der
damit verbundene intensive Dialog mit Top-Athleten essenziell für den Erfolg von Nike
war und ist.
Der anfängliche Erfolg Nikes war auf die technische Überlegenheit im Bereich Lauf- und
Basketballschuhe zurückzuführen. Doch Nike bietet seinen Kunden mehr als nur gute
Sportkleidung. Auf seiner Website (www.nike.com) drückt es das Unternehmen so aus:
„Nike hat es immer gewusst – es kommt nicht nur auf die Schuhe an, sondern darauf,
wohin sie Dich bringen.“ Neben Sportschuhen, -bekleidung und -geräten vermittelt
Nike Sportbegeisterung und ein gewisses Lebensgefühl mit der zugehörigen „Just do it“-
Einstellung. Dementsprechend bilden echte Leidenschaft für den Sport, harte Arbeit
und sportliche Leistungen die Basis des Unternehmens.
37
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
In den letzten Jahren stieg Nikes Jahresumsatz kontinuierlich. Betrug dieser im Geschäfts-
jahr 2004/2005 noch 13,7 Milliarden Dollar, so wurde das Geschäftsjahr 2016/2017 mit
34,4 Milliarden Dollar Umsatz abgeschlossen. Dies entspricht einer Zuwachsrate von
mehr als 150 Prozent über den Zeitraum von zwölf Jahren. Nike ist weltweit der größte
Sportbekleidungs- und Sportschuhhersteller. Auf dem hart umkämpften US-Markt beträgt
der Marktanteil 36 Prozent, das Unternehmen ist damit Marktführer. Nike drängte auch in
neue Märkte, angefangen von Baseball und Golf bis zu Inlineskating. Die bekannte
Schwinge der Göttin Nike kann man heute auf einer Vielzahl von Sportartikeln finden:
nicht nur Schuhe und Sweatshirts, sondern auch Sonnenbrillen, Fußbälle und Boxhand-
schuhe tragen das Logo. Im Jahr 1998 jedoch gingen die Umsatzzahlen kurzfristig zurück.
Viele Faktoren hatten zu der Schwäche beigetragen. Die Anbieter von sogenannten „brau-
nen Schuhen“ (leichte Bergstiefel, Wanderschuhe usw.) wie „Hush Puppies“ oder „Tim-
berland“ drangen in das Sportschuhgeschäft ein. Weiterhin herrschte starke Konkurrenz,
insbesondere von der deutschen Marke Adidas, aber auch von Designern wie Tommy
Hilfiger und Ralph Lauren, die in den Bereichen Freizeit- und Sportbekleidung zuneh-
mend an Bedeutung gewannen. Das größte Hindernis für Nike war jedoch der eigene
Erfolg. Nike hatte sich von der Fußbekleidung der Individualisten zum Schuh des ,,Main-
streams“ gewandelt. Das geschwungene Logo (der Swoosh) war dermaßen geläufig und
weit verbreitet, dass es nicht mehr als ,,cool“ galt. Um dem entgegenzusteuern, besann
sich Nike auf seine Wurzeln: Man konzentrierte sich wieder auf Innovationen und führte
neue Marken unter dem Dach Nike ein, wie zum Beispiel die Produktlinie „Michael Jor-
dan“, deren Logo die Silhouette des Basketballers darstellt.
In der Gegenwart liegt der Schwerpunkt auf der Expansion in neue Auslandsmärkte, wel-
che im Geschäftsjahr 2005 etwa 63 Prozent des Umsatzes erbrachten. Die Märkte Russland,
China und Indien zählen dabei zum aussichtsreichsten Zuwachs in der Nike-Familie und
auch der Einstieg in den lukrativen Fußballsektor, dem weltweit populärsten Sport, ist
gelungen: 2005 übernahm Nike im Bereich der Fußballschuhe erstmals die Marktführer-
schaft in Europa. Zu den Fußballvereinen, die bei Nike unter Vertrag stehen, gehören der
FC Barcelona, Juventus Turin und Arsenal London. (Hintergrund: 1994 startete Nike im
Fußball mit einem Umsatz von 40 Millionen Dollar, für das Geschäftsjahr 2006/2007
wurde ein globaler Fußballumsatz von 1,5 Milliarden Dollar erreicht, für das Geschäftsjahr
2017/2018 steht bereits ein Umsatz in Höhe von 2,1 Milliarden Dollar zu Buche, was
einem Wachstum von 8 Prozent gegenüber dem Geschäftsjahr 2016/2017 entspricht.)
Um in Zukunft weiterhin erfolgreich zu sein, muss Nike auf jedem seiner Märkte konse-
quent auf Qualität und Innovationen setzen und sich so die Anerkennung und das Ver-
trauen seiner Kunden erhalten. In diesem Zusammenhang spielen die Aspekte Kun-
densupport und -service eine zunehmend wichtige Rolle.
Fragen
1. Gehen Sie ins Internet und verschaffen Sie sich einen Überblick über die Marken
Nike und Adidas. Wo sehen Sie Stärken oder Schwächen im Marketing von Nike?
2. Mit Blick auf Unterkapitel 1.3: Warum ist gutes Marketing in dieser Industrie so
wichtig?
3. Begutachten Sie den Internetauftritt von Nike im Hinblick auf die unterschiedli-
chen Produktgruppen. Erkennen Sie Indizien einer Zielgruppensegmentierung?
38
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1.1 Einführung
Betrachtet man derzeit sehr erfolgreiche Unternehmen wie eben Nike oder auch Ikea, Ama-
zon und Apple, so lässt sich leicht eine Gemeinsamkeit feststellen: ihre starke Kundenorien-
tierung sowie die konsequente Anwendung moderner Marketingmethoden. Diese Unterneh-
men richten ihren Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden in definierten Zielmärkten und
bemühen sich, diese aufzunehmen und zu befriedigen. Sie motivieren jeden Mitarbeiter im
Unternehmen, auf hoher Kundenzufriedenheit beruhende dauerhafte Beziehungen zu den
Kunden aufzubauen, denn diese Organisationen wissen, dass sich Erfolg in Form von Markt-
anteilen und Gewinn automatisch einstellen wird, wenn sie sich um ihre Kunden kümmern.
Kundenbeziehungen sind heutzutage besonders wichtig. Demnach ist es wichtig, starke Kun-
denbeziehungen auf der Basis von echtem, andauerndem Nutzen aufzubauen.
Dafür ist es unerlässlich, die Zielsegmente und -märkte und deren Zusammenspiel zu verste-
hen. Jeder Mitarbeiter im Unternehmen sollte dazu beitragen, gute Qualität und einen fairen
Gegenwert für den Kunden zu liefern. Im Zentrum aller Marketingaktivitäten stehen die
Schaffung von Kundennutzen und Kundenzufriedenheit.
Mehr als jeder andere Bereich in einem Unternehmen beschäftigt sich Marketing mit Kun-
den, sie sind die zentrale Komponente im Marketingsystem. Jeder von uns ist tagtäglich ein
Kunde, als Studierender an einer Hochschule, in einer Postfiliale, bei der Fahrt im Zug, beim
Kauf eines Kaffees oder beim Download eines Musikstücks. Wir alle wissen deshalb schon
einiges über Marketing – denn es umgibt uns fast überall. Oftmals wird angenommen, dass
nur Großunternehmen in hoch entwickelten Volkswirtschaften Marketingmethoden einset-
zen. Aber Marketing gibt es in vielen Bereichen, auch außerhalb der Wirtschaft im engen
Sinn, in kleinen und großen Organisationen – weltweit.
Marketing wurde zuerst im Bereich der Konsumgüter des täglichen Bedarfs eingesetzt, dann
bei langlebigen Konsumgütern (private Pkw, Waschmaschinen, Unterhaltungselektronik,
Hausbau) und schließlich im Bereich der industriellen Ausrüstung und der Industriegüter,
die in andere Produkte eingehen oder zu deren Herstellung benötigt werden.
Seit vielen Jahren setzen auch Dienstleistungsunternehmen, insbesondere Fluggesellschaf-
ten, Versicherungen und Finanzdienstleister, moderne Marketingmethoden ein. Inzwischen
beschäftigen sich auch Berufsgruppen, für die Marketing lange Zeit ein Tabu war, ernsthaft
mit diesem Thema. Freiberufler wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte und Architekten
haben angefangen, Marketing zu betreiben und ihre Dienstleistungen systematisch zu gestal-
ten und zu bewerben. Im europäischen Ausland, aber inzwischen auch bei uns, treten Hoch-
schulen mit gezielten Marketingmaßnahmen an die Interessenten für einen Studienplatz
heran. Grund dafür sind steigende Kosten bei sinkenden staatlichen Budgets und die Unge-
wissheit über künftige Studentenzahlen. Es ist erkennbar, dass Zielmärkte definiert und die
interne und externe Kommunikation verbessert wurden. Auch die großen Kirchen und der
Vatikan betreiben gezielte Marketingstrategien. Theater oder Fußballclubs versuchen, über
Broschüren oder Fanartikel ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen und auch Wohltätigkeitsorga-
nisationen wie das Rote Kreuz oder das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF,
haben umfangreiche Marketingprogramme, um sich bekannt zu machen. Auch Regierungen
und staatliche Institutionen betreiben aktives Marketing, man denke dabei nur an Kampag-
nen gegen das Rauchen, gegen die Schwarzarbeit oder für die AIDS-Vorbeugung.
Gutes Marketing ist entscheidend für den Erfolg jeder Organisation, egal ob groß oder klein,
ein Unternehmen oder eine Non-Profit-Organisation, auf einen lokalen Markt beschränkt
oder weltweit tätig.
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
In diesem Kapitel beschreiben wir die wichtigsten Herausforderungen, die auf das Marketing
und die in diesem Bereich tätigen Personen zukommen. Zunächst widmen wir uns aber den
Grundlagen des Marketings.
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1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen
Verstehen von Entwerfen einer Entwicklung eines Der Aufbau von Die Erlangung
Märkten und kundenorientierten integrierten profitablen eines Gegenwerts
Kundenwünschen Marketingstrategie Marketingprogramms Kundenbeziehungen von den Kunden
Wert für den Kunden schaffen und Kundenbeziehungen aufbauen Gegenwert vom
Kunden erlangen
Bedürfnisse, Wünsche
und Nachfrage
Angebote
(Produkte,
Bausteine des Marketing- Dienstleistungen und
Märkte
konzeptes Erlebnisse)
41
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
Bevor wir uns mit den einzelnen Bausteinen dieses Konzepts näher beschäftigen, verschaffen
wir uns einen Überblick über die zentralen Anspruchsgruppen und die Ziele eines Marke-
tingsystems.
42
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen
dürfnisse und -wünsche stellt die Voraussetzung für die Erarbeitung erfolgreicher Marke-
tingstrategien dar.
43
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
übersehen und vergessen, dass ein materielles Produkt nur ein Instrument ist, um eine Auf-
gabe beim Käufer zu lösen. Solche Unternehmen geraten in Schwierigkeiten, wenn neue Pro-
dukte auftauchen, die die Bedürfnisse beim Kunden besser oder kostengünstiger erfüllen.
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1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen
Austausch ist eine der zentralen Vorbedingungen für die Anwendung von Marketingmaßnah-
men. Damit Austausch stattfinden kann, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein. Zunächst
müssen mindestens zwei Partner beteiligt sein und jeder der beiden sollte etwas von Wert
anzubieten haben. Jede der beiden Parteien muss auch willig sein, in den Handel mit der
anderen Partei einzutreten, und jede muss die Freiheit haben, das Angebot der anderen Seite
zu akzeptieren oder nicht darauf einzugehen. Beide Parteien sollten in der Lage sein, sich
mitzuteilen und das Austauschobjekt zu liefern und zu übergeben. Diese Vorbedingungen
machen den Austausch erst möglich. Ob dieser dann wirklich stattfindet, hängt davon ab, ob
es zu einer Vereinbarung kommt. Eine solche wird getroffen, wenn die Partner davon ausge-
hen, dass beide Vorteile aus der Transaktion ziehen, zumindest jedoch dadurch nicht
schlechter gestellt werden. Wie wir schon erwähnten, sind beide Parteien frei, das Angebot
zu akzeptieren oder zurückzuweisen. Unter diesen Voraussetzungen schafft Austausch einen
Wertzuwachs, ebenso wie Produktion einen Wertzuwachs schafft. Austausch gibt den Men-
schen mehr Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten.
Während der Austausch das dem Marketing zugrunde liegende Konzept ist, stellt eine Transak-
tion die Maßeinheit des Marketings dar. Im Rahmen einer Transaktion tauschen zwei Parteien
Werte aus. Eine Partei gibt einer anderen Partei den Wert X und erhält dafür den Wert Y
zurück. Sie bezahlen zum Beispiel einem Händler 800 Euro für ein LCD-Fernsehgerät oder Sie
bezahlen 100 Euro für ein Hotelzimmer. Dies sind klassische Transaktionen unter Einschluss
von Geld, aber nicht alle Transaktionen sind zwangsläufig an Geld gebunden. Bei einem
Tauschgeschäft können Sie zum Beispiel Ihren Kühlschrank gegen den gebrauchten Fernseher
Ihres Nachbarn eintauschen. Eine Tauschtransaktion kann Dienste oder Güter einschließen.
Ein Anwalt könnte zum Beispiel ein Testament erstellen und dafür von einem Arzt eine gründ-
liche Untersuchung erhalten. Eine Transaktion beinhaltet also mindestens zwei Produkte oder
Leistungen, die einen Wert haben, Konditionen, auf die sich die beiden Parteien geeinigt
haben, einen Zeitpunkt für die Transaktion und die Festlegung eines Orts für dieselbe.
Allgemein lässt sich sagen: Ein Markt wird immer irgendeine Antwort auf nahezu jedes
Angebot geben. Diese Antwort wird manchmal mehr als ein Kauf oder eine einfache Hand-
lung sein. Ein politischer Kandidat zum Beispiel wirbt um Stimmen. Eine gesellschaftliche
Gruppierung, die Marketing betreibt, möchte Akzeptanz für ihre Ideen erlangen.
Marketing besteht also aus Handlungen, die ausgeführt werden, um wünschenswerte Aus-
tauschbeziehungen mit den anvisierten Zielgruppen aufzubauen und aufrechtzuerhalten.
Transaktionsmarketing ist ein Teil des übergeordneten Beziehungsmarketings. Über das
bloße Anlocken neuer Kunden und das Abarbeiten kurzfristiger Transaktionen hinaus
besteht dessen Ziel darin, Kunden durch die Schaffung eines überdurchschnittlichen Kun-
dennutzens langfristig zufriedenzustellen und zu binden.
Um solch langfristige Kundenbeziehungen zu ermöglichen, müssen Marketer auch daran
arbeiten, langfristige Beziehungen mit Großhändlern, Einzelhändlern und Lieferanten aufzu-
bauen und zu pflegen. Ziel dieses Bereichs des Beziehungsmarketings ist der Aufbau eines
unternehmensspezifischen Netzwerks, welches die relevanten Anspruchsgruppen (Stakehol-
der) umfasst. Der Grund hierfür ist, dass der Wettbewerb sich heute nicht mehr nur zwischen
Unternehmen abspielt, sondern zwischen ganzen Netzwerken, wobei das Unternehmen mit
dem besten Netzwerk die größten Erfolgschancen hat. Durch Netzwerke werden starke wirt-
schaftliche und soziale Bindungen geschaffen, indem sich die einzelnen Mitglieder verspre-
chen, konsequent Produkte mit hoher Qualität, gutem Service und fairen Preisen zu liefern.
Zunehmend geht man dazu über, nicht mehr den Gewinn einer einzelnen Transaktion zu
maximieren, sondern gegenseitig vorteilhafte langfristige Beziehungen mit Kunden und
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
anderen Gruppen zu pflegen. Ein Leitsatz des Marketings lautet deshalb: Baue zunächst gute
Beziehungen auf – gewinnbringende Transaktionen ergeben sich dann von allein. Mit dem
wichtigen Thema Kundenbeziehungen werden wir uns auch noch später in diesem Kapitel
befassen.
Information
Abbildung 1.4: Modell eines einfachen Marketingsystems
Da die Anzahl von Personen und Transaktionen innerhalb einer Gesellschaft ständig
zunimmt, wird auch die Anzahl der Märkte zunehmen. In fortgeschrittenen Gesellschaften
müssen Märkte nicht zwangsläufig physische Plätze sein, wo Käufer und Verkäufer sich tref-
fen. Mit den modernen Kommunikationstechniken und dem zugehörigen Transportwesen
kann ein Händler leicht ein Produkt zum Beispiel im Fernseh-Abendprogramm anbieten, die
Bestellungen von Tausenden von Kunden online oder über Smartphone, Telefon, Fax, Post
entgegennehmen und dann am folgenden Tag die Produkte über ein Distributionsunterneh-
men ausliefern lassen, ohne je die Waren in der Hand gehabt oder den Kunden zu Gesicht
bekommen zu haben.
Ein Markt kann für ein Produkt, eine Dienstleistung oder jede andere Sache von Wert entste-
hen. Zum Beispiel besteht ein Arbeitsmarkt aus der Gesamtzahl der Menschen, die ihre
Arbeit im Austausch für Gehälter oder Produkte anbieten. Dazu werden sich einige Instituti-
onen wie zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit oder private Arbeitsvermittler um einen
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1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen
Markt herum positionieren und eingreifen, um ihn damit noch besser funktionieren zu las-
sen. Ein sehr wichtiger Markt, der entstanden ist, um die Bedürfnisse der Menschen zu
befriedigen, ist der Geldmarkt. Auf ihm kann man sich Geld beschaffen oder mit unter-
schiedlichen Laufzeiten, Risiken und Renditen anlegen.
Marketing bedeutet das Managen von Märkten, um durch die Schaffung von Kundennutzen
und die Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen gewinnbringende Kundenbeziehun-
gen herbeizuführen. Die Anbieter müssen hierfür:
Käufer suchen,
deren Bedürfnisse erkennen,
zweckmäßige Produkte entwickeln,
für die Produkte werben,
Preise für die Produkte festlegen,
die Produkte lagern und ausliefern.
Aktuelle digitale Technologien, von Webseiten und sozialen Netzwerken im Internet bis hin
zu Smartphones, haben Verbraucher gestärkt und Marketing zu einer wirklich interaktiven
Beziehung gemacht. Zusätzlich zum Kundenbeziehungsmanagement müssen heutige Marke-
ter auch effektiv mit Beziehungen umgehen, die von Kunden gesteuert werden. Marketing-
verantwortliche fragen nicht mehr nur „Wie können wir unsere Kunden erreichen?“, sondern
auch „Wie können unsere Kunden uns erreichen?“ und sogar „Wie können unsere Kunden
sich untereinander erreichen?“
Abbildung 1.5 zeigt die wesentlichen Akteure in einem modernen Marketingsystem. In einem
solchen System geht es vor allem darum, die Produkte im Vergleich zu den Wettbewerbern
dem Endkunden möglichst effizient zur Verfügung zu stellen. Dies kann auf direktem Wege
oder über Absatzmittler (Großhandel, Einzelhandel etc.) geschehen. Dabei ist ausschlaggebend,
dass jedes Mitglied des Systems einen Wert für die folgende Absatzstufe schafft, denn der
Erfolg eines Unternehmens hängt auch davon ab, wie gut die Wertschöpfungskette die Bedürf-
nisse des Endkunden befriedigt. So kann der schwedische Möbelhersteller Ikea sein Verspre-
chen niedriger Preise nur erfüllen, wenn alle Glieder der Wertschöpfungskette, insbesondere
die Lieferanten, ihre Leistungen entsprechend dieser Prämisse zur Verfügung stellen. BMW
oder Mercedes können keine qualitativ hochwertigen Fahrzeuge anbieten, wenn ihre Händler
keine ausgezeichnete Leistung in Verkauf und Service erbringen.
Eigenes
Unternehmen
Lieferanten Marketing-
Kunde
mittler
Wettbewerber
Umwelt
Abbildung 1.5: Akteure in einem modernen Marketingsystem
Märkte lassen sich auch entsprechend der auf ihnen herrschenden Machtverhältnisse cha-
rakterisieren. Bei einem Markt, auf dem die Verkäufer eine bessere Position haben als die
Käufer, handelt es sich um einen Verkäufermarkt. Hier müssen die Käufer aktives Marketing
betreiben. Als Käufermarkt bezeichnen wir einen Markt, auf dem die Käufer mehr Macht
47
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
haben und die Verkäufer aktives Marketing betreiben müssen. In den vergangenen Jahrzehn-
ten wuchs das Angebot an Gütern schneller als die Nachfrage nach ihnen. Heute sind die
meisten Märkte deshalb Käufermärkte. Marketing wird daher zumeist damit gleichgesetzt,
dass Verkäufer nach Käufern suchen. Dieses Buch schließt sich dieser Tendenz an und
beschreibt hauptsächlich Tatbestände, die Verkäufer auf Käufermärkten beim Marketing
beachten sollten.
48
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1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm
frage auftreten. Es besteht möglicherweise keine oder keine ausreichende Nachfrage oder zu
große Nachfrage. Das Marketing sollte also nicht nur die Nachfrage steigern, sondern sie auch
anpassen oder reduzieren können. Marketer werden daher versuchen, das Niveau und die
Art der Nachfrage im Sinne des Unternehmens zu beeinflussen. Unter diesem Aspekt lässt
sich Marketing-Management auch als Nachfrage-Management bezeichnen.
Die Produktionsorientierung
Die Produktionsorientierung des Marketings besagt, dass Verbraucher Produkte bevorzugen,
die schnell lieferbar und zu niedrigen Preisen erhältlich sind. Daher sollte sich die Unterneh-
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
Die Produktorientierung
Die Produktorientierung des Marketings besagt, dass die Käufer diejenigen Produkte bevor-
zugen, welche die beste Qualität, die höchste Leistungsfähigkeit und die meisten technologi-
schen Innovationen beinhalten. Das mag in einzelnen Bereichen zutreffen, die Regel ist es
nicht. Die Entwicklungsabteilung mag in ihr Produkt verliebt sein, aber lässt es sich deshalb
verkaufen? Wie viel mikroprozessorgesteuerte Katzenklos haben ihren Weg von der Erfinder-
messe zum Käufer gefunden? Ein Architekt oder Bauhandwerker auf dem Land mag einen
Ferrari bewundern, für den Weg zur Post oder zum Kunden wird er eher einen VW Passat
oder einen Opel Insignia kaufen.
Die kontinuierliche Verbesserung von Produkten und deren Qualität bilden die Basis dieses
Konzepts. Werden allerdings lediglich die Technologien und Produkte eines Unternehmens
fokussiert, so kann auch dies zu einer Kurzsichtigkeit im Marketing führen. Das Angebot
bleibt zu sehr am Produkt orientiert und wird nicht weiterentwickelt. Im Extremfall wird
dem Käufer immer noch das gleiche Produkt angeboten, obwohl es schon längst veraltet ist.
Die Eisenbahnunternehmen der USA gingen Ende der 1940er-Jahre unter, weil sie – mit Aus-
nahmen – das Produkt „Bahnfahrt“ anboten und nicht ein Produkt „optimaler Transport“.
Die Verkaufsorientierung
Bei der Verkaufsorientierung des Marketings geht man davon aus, dass Verbraucher nur dann
kaufen, wenn ein großer Werbeaufwand und Verkaufssonderaktionen betrieben werden. Eine
derartige Einstellung findet sich häufig bei Überkapazitäten oder nicht wirklich dringend
benötigten Gütern wie zum Beispiel großen Enzyklopädien oder im Bereich von Versicherun-
gen und Kapitalanlagen.
Gelegentlich wird die Verkaufsorientierung des Marketings auch im Non-Profit-Bereich ange-
wendet. Eine politische Partei zum Beispiel will ihren Kandidaten als eine fantastische Per-
son für eine anstehende Wahl verkaufen. Auch der Kandidat selbst arbeitet hart daran, sich
zu verkaufen: Er schüttelt Hände, küsst Babys, trifft wichtige Personen und hält Reden. Viel
Geld wird ausgegeben für Radio- und Fernsehwerbung, Plakate und Postwurfsendungen.
Schwächen des Kandidaten werden verborgen, denn man möchte ihn ja verkaufen.
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1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm
Die Verkaufsorientierung des Marketings legt ihren Schwerpunkt auf kurzfristige Ergebnisse.
Langfristige Erfolge und Gewinne durch zufriedene Kunden, die Güter oder Dienstleistungen
wiederholt und regelmäßig kaufen wollen, spielen eine untergeordnete Rolle. Diese Einstel-
lung birgt jedoch Risiken, da sie unterstellt, dass die Kunden in der Regel zufrieden mit dem
Produkt sind. Es wird weiter angenommen, dass unzufriedene Kunden keine negativen Aus-
wirkungen auf das Unternehmen haben und auch ein schlechtes Produkt zu einem späteren
Zeitpunkt wieder kaufen werden. Empirische Studien beweisen jedoch das Gegenteil: Ist der
Kunde unzufrieden mit einem Produkt, so lässt er sich meistens nicht zu Wiederholungskäu-
fen bewegen. Und schlimmer noch: Durch negative Mundpropaganda dieser Kunden kann
das Unternehmen erhebliche Umsatzeinbußen und Imageschäden erleiden. Während zufrie-
dene Kunden im Durchschnitt drei anderen Personen über ihre positiven Erfahrungen mit
einem Produkt berichten, kommunizieren unzufriedene Kunden ihren Missmut durch-
schnittlich an zehn weitere Personen.
Ausgangs- Hauptaugen-
Mittel Ziel
punkt merk auf
Werbung, Gewinn
bestehende existierende
Verkaufs- durch
Produktion Produkte
aktionen hohen Umsatz
Die Verkaufsorientierung
Die Marketingorientierung
Abbildung 1.6: Gegenüberstellung von Verkaufs- und Marketingorientierung
Schauen wir uns zu diesem Thema das Unternehmen McDonald’s an, das weltweit eine kon-
sequente Marketingorientierung verfolgt.
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
McDonald’s, die Fast-Food-Kette aus den USA, ist zu einem weltweit tätigen Unterneh-
men geworden. 2016 standen fast 37.000 Restaurants in über 100 Ländern mit dem mar-
kanten gelben „M“ zum Empfang der Gäste bereit. Der weltweite Umsatz lag Ende 2017
bei rund 23 Milliarden US-Dollar.
Dieser Erfolg ist auf eine starke Marketingorientierung zurückzuführen, welche sich
bereits in den Anfängen des Unternehmens beobachten lässt: 1955 eröffnete der Firmen-
gründer Ray Kroc das erste eigene McDonald’s-Restaurant. Bereits ein Jahr später dehnte
er die Geschäftstätigkeit durch Franchisevergaben aus. Dann entwickelte er für seine
Restaurants und die seiner Franchisenehmer das Konzept weiter: Die Restaurants
erhielten große Zonen mit Sitzplätzen, er experimentierte mit neuen Rezepten, bot ein
großes „Frühstücks-Menü“ an und eröffnete weitere Betriebe an hoch frequentierten
zentralen Plätzen der Städte. Die Erfolgsgeschichte ist bekannt: Seitdem ist McDonald’s
stetig gewachsen, konnte sich in neuen Absatzmärkten etablieren und zählt seit Langem
zu den Top Ten der wertvollsten Marken der Welt.
In einem starken Wettbewerbsumfeld und bei steigenden Ansprüchen der Konsumenten
sind die Anforderungen auch für einen Marktführer herausfordernd. Gemäß dem Leit-
spruch „The world has changed. Our customers have changed. We have to change our-
selves.“ gelingt es McDonald’s immer wieder, sich neu zu erfinden und seinem Ruf als
Unternehmen mit „Leadership Marketing“ gerecht zu werden.
So sieht die Unternehmensstrategie „Plan to Win“ neben den klassischen vier Ps des Mar-
ketings (product, place, price, promotion) eine fünfte Komponente, nämlich „people“, vor.
Letztere bezieht sich in erster Linie auf eine unternehmensinterne Ausbildung und Auf-
stiegschancen sowie eine damit verbundene höhere Motivation der Mitarbeiter, sodass
auch der Service gegenüber den Gästen verbessert werden kann. Neue attraktive Produkte
werden regelmäßig getestet und ins Programm aufgenommen, die neben den sogenannten
„Core-Produkten“ wie Big Mac und Cheeseburger Abwechslung bieten und auf Gästewün-
sche eingehen. Dies sind zum Beispiel leichtere Snackprodukte wie Wraps und spezielle
Frühstücksangebote. Seit 2003 bietet das McCafé, das den meisten Restaurants in Deutsch-
land als Shop-in-Shop-System angeschlossen ist, Kaffee- und Kuchenspezialitäten in hoch-
wertiger Inneneinrichtung mit Lounge-Charakter. Beim Stichwort „place“ setzt das Unter-
nehmen zeitweise auf das Wachstum auf bestehender Fläche statt auf Expansion durch
möglichst viele Neueröffnungen: Neue Store-Designs bieten mehr Atmosphäre, neue
Bestellsysteme und Produktionsabläufe in der Küche haben zum Ziel, die „Customer Jour-
ney“ so attraktiv, zeitgemäß und effizient wie möglich zu gestalten. Der Bereich „promo-
tion“ unterlag einem grundlegenden Wandel: Der Claim „Ich liebe es“, 2003 durch die
Agentur heye in München für McDonald’s Deutschland entwickelt, fand schnell internati-
onal Beachtung und wirbt seitdem in vielen Sprachen weltweit für die Marke: i’m lovin’ it,
me encanta, c’est tout ce que j’aime, amo muito tudo isso, iste bunu seviyorum! Der Slogan
vermittelt den neuen, aktiven „Lifestyle“ und richtet sich insbesondere an die Kernziel-
gruppen junge Erwachsene und Familien. Sicherlich trägt die durch die Kampagne erzielte
Emotionalisierung der Marke McDonald’s neben der größeren Attraktivität des Sortiments
und dem stärkeren Fokus auf Service zum Erfolgskurs des Fast-Food-Riesen bei.
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1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm
2015 feierte das Unternehmen den weltweiten 60. Geburtstag. Mit der Jubiläumskampa-
gne wechselte McDonald’s Deutschland nach 43 Jahren die Leadagentur mit dem Ziel, das
Ich-liebe-es-Markenversprechen weiterzuentwickeln und es in einen komplett neuen
Markenauftritt einzubetten. Sichtbar wird dies zum Beispiel durch die Produktpräsenta-
tion der Burger. Sie ist in ihrer Art für die Marke neu, ungesehen und frisch. Die Filme der
Kampagne und der neue Jingle erinnern an das Gefühl, für das McDonald’s schon immer
stand: jung zu bleiben. Egal in welchem Alter.
Quellen:
o. V.: Magerer Umsatz – Konkurrenz nagt an McDonald’s, (21.10.13), unter: http://www.handels-
blatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/magerer-umsatz-konkurrenz-nagt-an-mcdonalds/
8965370.html [17.04.2015];
o. V.: McDonald’s verkauft weniger Burger in Deutschland, (08.02.14), unter: http://www.welt.de/
wirtschaft/article124657407/McDonalds-verkauft-weniger-Burger-in-Deutschland.html
Revenue of McDonald's Corporation worldwide from 2005 to 2016 (in billion U.S. dollars): https://
www.statista.com/statistics/208917/revenue-of-the-mcdonalds-corporation-since-2005/
[30.01.2018]
McDonald’s Corporation, 2017 Annual Report: https://corporate.mcdonalds.com/content/dam/
gwscorp/investor-relations-content/annual-reports/McDonald%27s%202017%20Annual%20Re-
port.pdf [28.06.2018]
McDonald’s Corporation, Supplemental financial information: https://corporate.mcdonalds.com/
content/dam/gwscorp/investor-relations-content/supplemental-information/
Store%20Counts%20by%20Country%202017.pdf [28.06.2018]
Die Verkaufsorientierung ist von innen nach außen gerichtet. Sie setzt an der bestehenden
Produktion an, man konzentriert sich auf die vorhandenen Produktlinien und betreibt auf-
wendige Verkaufs- und Werbeanstrengungen, um gewinnbringend verkaufen zu können.
Demgegenüber werden für die Marketingorientierung die nötigen Informationen von außen
nach innen hereingeholt. Sie beginnt mit einer genauen Definition der Zielmärkte, konzent-
riert sich auf Bedürfnisse der Käufer und koordiniert alle Marketingaktivitäten, die die Kun-
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
den betreffen. Bei der Marketingorientierung produzieren die Unternehmen das, was die
Kunden wünschen und brauchen. Gewinne entstehen, weil die Kunden langfristig zufrieden
sind und immer wieder kaufen.
Zahlreiche bekannte und erfolgreiche Weltunternehmen haben sich die Marketingorientie-
rung zu eigen gemacht. Zu ihnen gehören Unternehmen wie Ikea, viele internationale Hotel-
ketten oder Toyota. Andere behaupten, dass sie die Marketingorientierung anwenden, sie tun
es jedoch nicht. Sie haben zum Beispiel einen Marketingvorstand, einige Produktmanager,
Marketingpläne und ein Marketingbudget. Aber sind sie deshalb schon marketing- und kun-
denorientiert? Die Frage ist, ob sie wirklich für sich wandelnde Kundenbedürfnisse oder
neue Strategien aufgeschlossen sind. Um ein rein verkaufsorientiertes in ein marketingorien-
tiertes Unternehmen umzuformen, sind viele Jahre harter Arbeit nötig.
In Letzteren verläuft die Kundenorientierung von oben nach unten und von unten nach
oben. Das Schaffen von Kundennutzen und -zufriedenheit genießt höchste Priorität und alle
Mitarbeiter sind verpflichtet, dauerhafte Kundenbeziehungen aufzubauen. Um eine solche
Marketingorientierung zu erreichen, sollte die Organisation das Wissen und Verständnis, die
Motivation, die Inspiration und die Kreativität aller Mitarbeiter kanalisieren und lenken, um
Produkte und Dienstleistungen zu liefern, die genau dem entsprechen, was die Kunden
erwarten.
Warum ist es so wichtig, die Kunden zufriedenzustellen? Ein Unternehmen hat zwei Grup-
pen von Kunden: neue Käufer und Wiederholungskäufer. In der Regel kostet es mehr, neue
Kunden zu gewinnen, als bestehende Kunden zu halten. Daher ist es extrem wichtig, einen
vorhandenen Kundenstamm zu pflegen und zu behalten. Der Schlüssel dazu liegt darin, die
Kunden zufriedenzustellen. Ein zufriedener Kunde kauft mehr, er kauft wieder, er empfiehlt
weiter und er ist nicht so empfänglich für die Werbung konkurrierender Anbieter. Er reagiert
nicht so sensibel auf Preisänderungen und es kostet insgesamt weniger, ihn zu bedienen als
einen Erstkunden.
Wie aber können die Bedürfnisse des Kunden identifiziert werden? Die Implementierung des
Marketingkonzepts bedeutet in der Regel mehr als das bloße Antworten auf geäußerte Wün-
sche und offensichtliche Bedürfnisse. Kundenorientierte Unternehmen betreiben umfangrei-
che Marktforschung, um den Kundenwünschen auf die Spur zu kommen, um neue Produkt-
und Service-Ideen zu gewinnen und um vorgesehene Produktverbesserungen zu testen.
Diese Methode funktioniert gut, solange klare Bedürfnisse existieren, d.h., der Kunde weiß,
was er will. Oftmals ist dies jedoch nicht der Fall, der Konsument ist sich seiner Bedürfnisse
nicht eindeutig bewusst oder weiß nicht, was aufgrund des technologischen Fortschritts
heutzutage alles möglich ist. Wie viele Kunden dachten zum Beispiel vor 20 Jahren an mitt-
lerweile alltägliche Produkte wie Smartphones, Notebooks, Tablets, Digitalkameras und
Navigationsgeräte? Hier ist die Kreativität und Überzeugungskraft des Unternehmens gefragt.
So ließ der Sony-Mitbegründer Akio Morita einst verlauten: Unser Plan ist es, die Konsumen-
ten durch neue Produkte zu beeindrucken, anstatt sie zu fragen, was sie gerne hätten. Der
Konsument weiß nicht, was möglich ist, aber wir wissen es. Anstatt umfangreiche Marktfor-
schung durchzuführen, konzentrieren wir unser Denken auf ein Produkt und seine Nutzung.
Anschließend versuchen wir, durch Kommunikationsmaßnahmen einen Markt für dieses
Produkt zu schaffen.
Marketingorientierung bedeutet jedoch auch, dass neben den Bedürfnissen der Konsumenten
ebenso die Interessen des Unternehmens (Rentabilität etc.) berücksichtigt werden. Das Ziel
des Marketings besteht nicht in der Maximierung von Kundenzufriedenheit, sondern in einer
für das Unternehmen profitablen Befriedigung von Kundenbedürfnissen.
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1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
Gesellschaft
(Gemeinwohl)
MARKETING
MIT SOZIALER
ORIENTIERUNG
Konsumenten Unternehmen
(Bedürfnisbefriedigung) (Gewinne)
Abbildung 1.7: Triangel der sozialen Orientierung des Marketings
Das Handelsunternehmen dm-drogerie markt hat sich seit der Gründung durch Prof. Götz
W. Werner im Jahre 1973 zum führenden Anbieter von Drogeriewaren entwickelt. Mit
Abschluss des Geschäftsjahres 2016/2017 sind es bereits knapp 1.900 Märkte und 40.000
Mitarbeiter alleine in Deutschland. In Europa ist dm mit 3.500 Märkten in 13 Ländern ver-
treten und erwirtschaftete insgesamt einen Umsatz in Höhe von 10,26 Milliarden Euro. dm-
Gründer Werner vertritt den Standpunkt: „Die Wirtschaft ist für die Menschen da und nicht
umgekehrt die Menschen für die Wirtschaft.“ Wichtigstes Ziel ist, dass die Kunden qualita-
tiv hochwertige Produkte zum günstigen Dauerpreis in jedem dm-Markt finden können. Die
Geschäftsführung handelt stets so, dass die Produktivität des Unternehmens den Kunden,
den Mitarbeitern und der Gesellschaft zugutekommt – es wird nur eine Rendite von einem
Prozent vor Steuern angestrebt. Dass dieses Konzept funktioniert, belegen sowohl die seit
Jahren steigenden Umsatzzahlen als auch positive Kundenurteile.
„Unseren Weg zum Erfolg sehen wir im konstruktiven und kultivierten Miteinander
aller beteiligten Menschen begründet“, ist Erich Harsch, Vorsitzender der Geschäftsfüh-
rung von dm-drogerie markt, überzeugt. Mitarbeitern wird Freiraum für die persönliche
Entwicklung eingeräumt, eigenständiges und verantwortungsvolles Handeln gefördert.
Alle dm-Lehrlinge besuchen jeweils im ersten und zweiten Lehrjahr einen achttägigen
Theaterworkshop. Dabei sind sie gefordert, sich auszudrücken, sich zu bewegen und
eine Situation gemeinsam in der Gruppe zu gestalten.
Nachdem das Unternehmen solch positive Erfahrungen mit kultureller Bildung im
Innenverhältnis gemacht hatte, startete es weitere Initiativen, um soziales und kulturel-
les Engagement in der Gesellschaft zu fördern und zu unterstützen. So gestaltet dm-dro-
gerie markt seit 2009 das Projekt „Singende Kindergärten“. Ziel dieses Weiterbildungs-
programms ist es, den ErzieherInnen Mut zu machen, ihre Stimme neu zu entdecken
und die Freude am Singen an ihre Kindergartenkinder weiterzugeben. Des Weiteren
wurde die Initiative „HelferHerzen – Der dm-Preis für Engagement“ ins Leben gerufen,
bei der ehrenamtlich aktive Bürger vor den Vorhang geholt werden und für besonderes
Engagement ausgezeichnet werden.
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1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm
Auch der österreichische mittelständische Schuhproduzent GEA gilt als Beispiel erfolg-
reichen Marketings mit sozialer Orientierung. Ähnlich dem Credo von Prof. Götz Wer-
ner setzt sich GEA das Ziel, Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Menschen die-
nen und nicht umgekehrt. Der Schuhproduzent will dadurch einen Beitrag zu einer
lebensbejahenden Wirtschaft und zu einer anderen, positiveren Gesellschaft leisten:
„Wir sind der festen Überzeugung, dass ein gutes Unternehmen eine Veranstaltung von
Menschen für Menschen ist – in beide Richtungen – Kunden erhalten gute Produkte,
gleichzeitig sind sie, die Kunden, die wichtigsten Arbeitgeber für eine sinnvolle Arbeit.
Eine sinnspendende, dienende Arbeit, ordentliche, langlebige Produkte und faire Kun-
den – das ist das Strickmuster gemeinsinniger Wirtschaft.“
Der Erfolg gibt auch diesem Unternehmen recht: Heute gehört GEA mit insgesamt 270
Mitarbeitern zu den größten Schuhproduzenten Österreichs. 2016 konnte das Unterneh-
men mit seinen vielzähligen Aktivitäten 32 Millionen Euro umsetzen, der Absatz von
Schuhen konnte innerhalb von acht Jahren verdreifacht werden.
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
Während der Kernbereich des Unternehmens in der nachhaltigen Produktion und Ver-
marktung von „Waldviertler“-Schuhen liegt, dehnte das Unternehmen seine Aktivitäten
nach und nach aus. Nach dem Motto „Die Vielfalt ist immer krisensicherer als die Mono-
kultur“ produziert das Unternehmen mittlerweile auch Taschen, Möbel und Matratzen,
unterhält dafür 55 GEA-Verkaufsfilialen in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
Darüber hinaus führt das Unternehmen ein eigenes Hotel mit Seminarangeboten in den
Bereichen Handwerk, Gesundheit, Wirtschaft und Kultur. Daneben betreibt es ein Solar-
kraftwerk und engagiert sich in einer Vielzahl gemeinnütziger, sinnstiftender Projekte:
etwa für Hilfsprojekte in Afrika ebenso wie für die Unterstützung benachteiligter Fami-
lien im regionalen Umfeld. 2017 wurde das Unternehmen mit dem österreichischen Kli-
maschutzpreis ausgezeichnet. Letztlich ist das Unternehmen auch Herausgeber eines
gesellschaftskritischen Magazins „Brennstoff“, welches mit einer Auflage von 200.000
Stück viermal jährlich, neben dem GEA-Album mit einer Auflage von 1,5 Millionen
viermal jährlich, auch ein zentrales Werbemedium des Unternehmens ist. Die facetten-
reichen Aktivitäten neben der klassischen Schuhproduktion und -vertrieb belegen, dass
das Unternehmen GEA seine Vision eines lebensbejahenden Wirtschaftssystems, das
den Menschen dient, an all seinen Kundenkontaktpunkten konsistent verfolgt. Erst die
Überzeugung und die besondere Authentizität hinter diesem Tun macht die soziale Ori-
entierung des Unternehmens glaubhaft und so erfolgreich.
Quellen: dm-drogerie markt GmbH + Co. KG, Webseite von dm-drogerie markt unter: www.dm-dro-
geriemarkt.de [31.01.2018]
http://www.noen.at/gmuend/schrems-sanfter-ausbau-staudinger-alltag-nach-mega-hype/
42.126.176 [31.01.2018]
https://gea-waldviertler.at/ [16.09.2018]
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1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen
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1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen
Shop für Bücher, Kleidung, Modellautos und andere Artikel von BMW. Der Club organisiert
auch Track-Events und BMW-Festivals.
In den letzten Jahren sind deutliche Änderungen im Beziehungsmanagement der Unterneh-
men zu beobachten. Während viele Anbieter früher lediglich undifferenziertes Massenmar-
keting betrieben, gehen sie heute mehr und mehr dazu über, direkte und dauerhafte Bezie-
hungen mit sorgfältig ausgewählten Kunden aufzubauen. Nur wenige Unternehmen
betreiben heute noch wirkliches Massenmarketing, also ein einheitliches und standardisier-
tes Kommunizieren und Verkaufen an eine weitgehend unbekannte Kundschaft. Technologi-
sche und kulturelle Entwicklungen haben in vielen Bereichen zu einer größeren Vielfalt und
einer Zersplitterung der Märkte geführt. Als Reaktion darauf vollziehen immer mehr Unter-
nehmen eine Umstellung vom Massenmarketing auf individuelleres Marketing, das sich an
Kundensegmenten orientiert. Bei diesem Konzept zielen Unternehmen auf sorgfältig defi-
nierte und ausgesuchte Teilmärkte oder sogar einzelne Kunden ab. Gleichzeitig wird der
Langzeitwert eines Kunden immer wichtiger für Unternehmen. Eine enge Beziehung soll nur
mit solchen Kunden eingegangen werden, die auf lange Sicht profitabel sind. Sobald ein
Unternehmen Kaufinteressenten als langfristig gewinnbringend einstuft, können ihnen über
individuelle Kommunikationswege gezielt Angebote unterbreitet werden, um sie als Kunden
zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden.
Wie sollte ein Unternehmen allerdings mit aktuellen unprofitablen Kunden umgehen? Falls
diese nicht in gewinnbringende Kunden umgewandelt werden können, sollte man sie eventu-
ell nicht mehr betreuen. Zum Beispiel haben die meisten Internetanbieter Richtlinien zur fai-
ren Nutzung erlassen, die im Hinblick auf angebotene Flatrate-Pakete eher widersprüchlich
erscheinen. Nutzern, die zu viele Onlinespiele spielen, zu viele Filme herunterladen oder Peer-
to-Peer-Netzwerke zu stark nutzen und diese Richtlinien ignorieren, können Kürzungen in
Höhe von bis zu 75 Prozent der Internetgeschwindigkeit oder sogar die Kappung der gesamten
Verbindung widerfahren. Ein Kreditkartenunternehmen hat Briefe an manche seiner Kunden
verschickt und ihnen Geld für den Ausgleich oder sogar für die Schließung ihrer Konten ange-
boten. Das Unternehmen hat so versucht, sich von unrentablen Kunden zu trennen.
Neben der sorgfältigeren Auswahl von Kunden treten Unternehmen nun in engere, relevantere
Beziehungen mit einzelnen Kunden. Statt sich auf einseitige Nachrichten über Massenmedien
zu verlassen, wollen heutige Marketingverantwortliche gezielte und wechselseitige Kundenbe-
ziehungen durch neue, interaktivere Ansätze aufbauen. Neue Technologien helfen dabei und
haben die Art, wie Menschen miteinander interagieren grundlegend verändert. Werkzeuge, um
miteinander in Kontakt zu treten, sind E-Mails, Webseiten, Blogs, Mobiltelefone, Video-Sharing
sowie Web-Communities und soziale Netzwerke wie Facebook, YouTube und Twitter.
Dieses sich wandelnde Kommunikationsumfeld erlaubt es Marketern, eine größere Kunden-
beteiligung und ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl zur Marke hervorzurufen und diese zu
einem bedeutungsvolleren Teil im Leben der Verbraucher zu machen. „Ein Teil der Unterhal-
tung zwischen Verbrauchern zu werden, ist wirkungsvoller, als Informationen über traditio-
nelle Werbung weiterzugeben“, sagt ein Marketingexperte. Ein anderer bemerkt, „Menschen
wünschen sich heutzutage eine Stimme und eine aktive Rolle in ihren Markenerlebnissen.
Sie wollen die Marke mitgestalten“.
Während neue Technologien beziehungsbildende Möglichkeiten für Marketingverantwortli-
che hervorbringen, bergen sie zugleich auch Herausforderungen. Sie geben Verbrauchern
mehr Macht und Kontrolle. Diese haben Zugriff auf mehr Markeninformationen als je zuvor
und sie verfügen über eine Fülle an Plattformen, um ihre Ansichten über eine Marke mit
anderen Verbrauchern zu teilen.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
62
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen
andere Aktivitäten der Marke. Dementsprechend ist heute fast jedes Unternehmen auf Face-
book aktiv. Burberry hat rund 18 Millionen Facebook-Fans, Converse etwa 40 Millionen,
Zara ca. 25 Millionen, Starbucks mehr als 36 Millionen, Coca-Cola sogar über 80 Millionen.
Und jeder größere Vermarkter besitzt einen YouTube-Kanal, auf dem die Marke und deren
Fans aktuelle Werbung oder auch unterhaltende und informative Videos posten können. Die
geschickte Nutzung der sozialen Medien ermöglicht eine Verbindung zwischen Verbraucher
und Marke und setzt eine Kommunikation in Gang.
IKEA nutzte eine einfache, aber anregende Facebook-Kampagne zur Bewerbung einer Neuer-
öffnung im schwedischen Malmö. Das Unternehmen schaltete eine Facebook-Seite für den
Filialleiter Gordon Gustavsson. Dann lud es Bilder von IKEA-Showrooms in das Fotoalbum
von Gustavsson und startete eine Verlosung unter den jeweils ersten Nutzern, die ein Pro-
dukt auf dem Bild mit einem Foto-Tag und ihrem Namen versahen. Tausende Teilnehmer
taten dies und verbreiteten die Nachricht an ihre Freunde. Schon bald wurde der Ruf nach
weiteren Fotos laut. Statt nur eine Anzeige mit der Abbildung von Möbeln zu schalten, ani-
mierte IKEA mit der Facebook-Kampagne die Kunden dazu, sich jedes einzelne Produkt auf
den Bildern ganz genau anzusehen.
Der Schlüssel zu Engagement-Marketing ist es, durch engagierte und relevante Markenbot-
schaften zum Gesprächsthema bei Kunden zu werden. Das einfache Posten eines witzigen
Videos, das Betreiben einer Social-Media-Seite oder eines Blogs reichen nicht. Erfolgreiches
Engagement-Marketing heißt, einen einschlägigen und echten Beitrag zum Leben und zu den
Gesprächsthemen der Kunden zu leisten. Laut David Oksman, Marketingchef des T-Shirt-
und Bekleidungsherstellers Life is Good, geht es bei Engagement und den sozialen Medien
„um tiefe, bedeutsame Beziehungen, die über das zu verkaufende Produkt hinausgehen. Die
eigentliche Tiefe der Kundenbeziehung liegt in den Gesprächsthemen und den Communitys,
die rund um die Marke entstehen.“
Konsumentengeneriertes Marketing
Ein wachsender Teil des Kundenengagement-Marketings ist konsumentengeneriertes Marke-
ting, in dem die Verbraucher durch erlebte Markenerfahrungen, sowohl eigene als auch die von
anderen, eine immer wichtigere Rolle spielen. Dies kann durch unaufgeforderten Austausch
auf Verbraucherebene in Blogs, auf Video-Sharing-Webseiten, in den sozialen Medien und
anderen digitalen Foren erfolgen. Die Unternehmen laden Kunden jedoch zunehmend dazu
ein, eine aktivere Rolle bei der Produktgestaltung und den Markeninhalten zu übernehmen.
Einige Unternehmen bitten Verbraucher um neue Produktideen. McAfee beispielsweise sucht
über die Seite seiner Online-Community bei den Nutzern aktiv nach neuen Produktideen. Die
Ideen werden eingereicht, von den Community-Mitgliedern kommentiert und die Übernahme
ins Sortiment dann per Abstimmung durch die McAfee-Mitarbeiter entschieden. Auch
Innocent hat eine Reihe von Produkten eingeführt, indem man Kundenideen sammelte, sie
prüfte und darauf reagierte. So bat Innocent seine Kunden zum Beispiel darum, Postkarten mit
Vorschlägen einzusenden. Ein Ergebnis war der enorm erfolgreiche „Banana-Free Smoothie“,
der mit der Aufschrift verkauft wurde: „You asked, we made it“ („Ihr wolltet ihn, wir machen
ihn.“). Die Marke Vitaminwater von Coca-Cola schuf vor einiger Zeit eine Facebook-App zur
Einreichung von Kundenvorschlägen für eine neue Geschmacksrichtung und versprach die
Herstellung und den Verkauf der Sieger-Idee („Vitaminwater war unsere Idee; die nächste ist
deine“). Die Sorte namens Connect (schwarze Kirsche und Limette mit Vitaminen und Koffein-
Zusatz) war ein großer Erfolg. In der Folge verdoppelte sich die Facebook-Fanbasis für Vitamin-
water auf mehr als eine Million. Andere Unternehmen fordern Kunden dazu auf, sich aktiv an
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
1 Siehe https://econsultancy.com/blog/63901-the-top-16-social-mediafails-of-2013#i.169qyp410jld96,
Zugriff Oktober 2015.
2 Siehe https://econsultancy.com/blog/63901-the-top-16-social-mediafails-of-2013#i.169qyp410jld96,
Zugriff Oktober 2015.
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1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen
Mit zunehmender Vernetzung und Stärkung der Kunden und dem Boom in den digitalen und
sozialen Technologien spielt Konsumentenengagement bei den Marken eine immer größere
Rolle, sei es von Marketingexperten initiiert oder nicht. Durch den Überfluss an konsumenten-
generierten Videos, öffentlichen Bewertungen, Blogs, mobilen Apps und Webseiten werden
Verbraucher bei der Gestaltung eigener und fremder Markenerfahrungen immer wichtiger.
Aktive Verbraucher haben heute ein Mitspracherecht bei allen Prozessen, von Produktdesign,
Nutzung und Verpackung bis hin zu Markenbotschaft, Preisgestaltung und Vertrieb. Marken
müssen diese neue Verbraucherrolle berücksichtigen und die modernen Instrumente der digi-
talen und sozialen Mediennetze nutzen, wenn sie den Anschluss nicht verpassen wollen.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
men, das den PC zusammenbaut, sowie den Großhändlern, den Einzelhändlern und System-
häusern, die die Computer an Endverbraucher und Unternehmen verkaufen, zusammenset-
zen. Jedes Mitglied der Wertschöpfungskette leistet einen Beitrag zum gesamten Wert, der
hier geschaffen wird.
Durch die Steuerung der Wertschöpfungskette (Wertschöpfungsketten-Management) stärken
und straffen Unternehmen ihre Vernetzung mit den entsprechenden Marketingpartnern. Dies
beruht auf der Erkenntnis, dass es nicht nur darauf ankommt, wie gut die eigenen Leistungen
sind, sondern insbesondere auch darauf, dass die gesamte Wertschöpfungskette gemeinsam
Bestleistungen erbringt, die es mit den Leistungen der Wertschöpfungsketten der Konkurren-
ten aufnehmen können. In einer derartigen Struktur kann es keine Unterschiede dahinge-
hend geben, die Lieferanten als Verkäufer und die Händler als Käufer zu behandeln. Beide
Gruppen sind Partner, wenn es darum geht, für den Kunden einen möglichst hohen Wert zu
schaffen. Unternehmen wie Nestlé, Danone und Procter & Gamble arbeiten zum Beispiel mit
Supermärkten zusammen, um die Logistik zu optimieren und die gemeinsam zu tragenden
Kosten derselben zu senken, woraus sich dann Preissenkungen für die Verbraucher ergeben.
Fast alle Autohersteller arbeiten heute mit ihren Lieferanten eng zusammen, um Qualität und
Abläufe zu optimieren. Mit ihren Händlernetzen kooperieren sie, um vor Ort die Verkaufs-
und Kundendienstarbeit zu unterstützen und die Kundenbindung zu erhöhen.
Strategische Allianzen Neben der Kooperation in Wertschöpfungsketten, die eine interne
Zusammenarbeit zwischen Unternehmen darstellt, ist vielen Unternehmen bewusst gewor-
den, dass sie strategische Partner benötigen, um Erfolg zu haben. In einer globalen Wirtschaft
mit intensivem Wettbewerb und einer stetig wachsenden Zahl an Produkten und Auswahl-
möglichkeiten schaffen es nur wenige Unternehmen, sich ganz allein am Markt zu halten.
Über alle Branchen und Dienstleistungen hinweg nimmt deshalb die Bedeutung strategischer
Allianzen zu. Unternehmen gehen mit Kunden, Lieferanten und anderen Partnern solche
Allianzen ein, um durch die gemeinsame Nutzung von Potenzialen mehr für alle beteiligten
Partner zu erreichen. Oft lassen sich Allianzen beobachten, bei denen Großunternehmen, die
den technologischen Durchbruch eines kleinen Partners beschleunigen wollen, diesen mit
ihrem weltweiten Vertriebsnetz, Kapital usw. unterstützen. Derartige strategische Allianzen
sollten ein faires Geben und Nehmen zwischen den Partnern darstellen und das Ganze zu
mehr als der Summe aller Teile zum beiderseitigen Vorteil anwachsen lassen, wie zum Bei-
spiel das Star Alliance Network im folgenden Marketing-Highlight.
Ein Beispiel für eine erfolgreiche strategische Allianz ist die 1997 gegründete Star Alliance,
ein Zusammenschluss von derzeit 28 internationalen Luftverkehrsgesellschaften. Neben der
Deutschen Lufthansa sind Adria Airways, Aegean Airlines, Air Canada, Air China, Air
India, Air New Zealand, ANA, Asiana Airlines, Austrian, Avianca, Brussels Airlines, Copa
Airlines, Croatia Airlines, EGYPTAIR, Ethiopian Airlines, EVA Air, LOT Polish Airlines,
Scandinavian Airlines, Shenzhen Airlines, Singapore Airlines, South African Airways,
SWISS, TAP Portugal, THAI, Turkish Airlines und United beteiligt. Die Juneyao Airlines
aus Shanghai wurde im Mai 2017 als der erste Connecting Partner aufgenommen, um das
Netzwerk der Star Alliance durch neue Umsteigeverbindungen noch weiter auszubauen.
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1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen
Wichtigstes Merkmal der größten Flugallianz der Welt ist die Vernetzung von Fluglinien
und Buchungssystemen. Die beteiligten Airlines verfügen über ein Angebot von mehr
als 18.500 täglichen Flügen zu mehr als 1300 Destinationen in 191 Ländern und bieten
ihren Kunden dadurch schnelle Verbindungen, Flexibilität und eine kürzestmögliche
Gesamtreisedauer. Beispielsweise erhalten die Passagiere bei Reiseantritt auch schon
die Bordkarte für den Weiterflug mit einem anderen Allianzmitglied, sodass ein erneu-
tes Einchecken nicht nötig ist. Darüber hinaus genügt die Teilnahme am Vielfliegerpro-
gramm nur eines Star Alliance-Mitglieds, um bei allen Fluggesellschaften im Netzwerk
Meilen sammeln und einlösen zu können. Dadurch können die Fluggäste wesentlich
schneller einen höheren Status erreichen, welcher sie wiederum zu zusätzlichen Vorzü-
gen berechtigt. So kommt man mit Star Alliance-Gold-Status in den Genuss von separa-
tem Check-in, Priorität auf der Reservierungswarteliste, zusätzlichem Freigepäck und
Zugang zu den mehr als 1000 komfortablen Flughafen-Lounges weltweit.
Aber auch für die Airlines selbst ist die Allianz von großem Nutzen. Durch die Koopera-
tion im Star-Alliance-Netzwerk können höhere Erträge erzielt und gleichzeitig durch
Nutzung von Synergien die Kosten reduziert werden, z.B. durch gemeinsame Bodenein-
richtungen wie Check-in-Schalter. Hinzu kommen Vorteile durch den gemeinsamen
Einkauf von Materialien und Rohstoffen. Ferner sollen durch Projekte wie gemeinsame
Abfertigung von Flügen oder Zusammenlegung von Lounges Einsparungen in zweistel-
liger Millionenhöhe für alle Mitglieder erzielt werden.
Quellen: Star Alliance Services GmbH, Webseite der Star Alliance Services GmbH unter: http://
www.staralliance.com [30.01.2018]
https://www.aerotelegraph.com/connecting-partner-juneyao-airlines-star-alliance-schafft-es-im-
zweiten-anlauf [30.01.2018]
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
Viele strategische Allianzen werden in Form von Marketingallianzen geschlossen. Diese kön-
nen Produkt- oder Service-Allianzen sein, bei denen entweder ein Unternehmen einem
anderen die Lizenz gewährt, die Produkte nachzubauen, oder zwei Unternehmen ihre Pro-
dukte gemeinsam vertreiben. Werbe-Allianzen haben zum Ziel, die Produkte der verschiede-
nen Partner gemeinsam bekannt zu machen. Logistik-Allianzen werden eingegangen, um die
Distribution für mehrere Produkte gemeinsam durchzuführen.
Im Bereich der Medien finden wir Angebots-Allianzen, bei denen sich zum Beispiel der
Anbieter eines Fernsehprogramms und der eines Internetportals zusammenschließen, um
einerseits das Fernsehbild mit einer Fußzeile aktueller Internetmeldungen zu ergänzen und
andererseits die Ergebnisse der redaktionellen Arbeit der Fernsehstation 24 Stunden lang im
Internet verfügbar zu machen.
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1.6 Die Erlangung eines Gegenwerts von den Kunden
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
Wahre Freunde sind sowohl ertragreich als auch treu. Es besteht eine große Übereinstim-
mung zwischen den Kundenbedürfnissen und den Unternehmensangeboten. Ein Unter-
nehmen sollte regelmäßig in diese Beziehungen investieren, um die Kunden zu erfreuen,
zu fördern und zu binden. So lassen sich „wahre Freunde“ in „wahre Fans“ umwandeln,
die regelmäßig zurückkehren und anderen von ihren guten Erfahrungen mit dem Unter-
nehmen berichten.
Kletten sind sehr loyal, aber nicht ertragreich. Ihre Bedürfnisse und das Unternehmensan-
gebot passen nur begrenzt zusammen. Ein Beispiel sind kleine Bankkunden, die zwar seit
vielen Jahren ihrem Institut treu sind, aber ein so geringes Geschäftsvolumen haben, dass
die Kosten für die Führung ihres Kontos nicht erwirtschaftet werden. Kletten stellen die
vielleicht problematischsten Kunden dar. Manchmal ist man in der Lage, sie durch zusätz-
lichen Verkauf, höhere Preise oder die Reduktion von Serviceleistungen zu lohnenden
Kunden zu machen. Sollte dies nicht gelingen, ist zu überlegen, ob man sich von ihnen
trennt.
Der springende Punkt ist, dass verschiedene Kundentypen unterschiedliche Strategien des
Beziehungsmanagements erfordern. Das Ziel ist der Aufbau der richtigen Beziehungen mit
den richtigen Konsumenten.
Fremde Kletten
Geringe Übereinstimmung Begrenzte Übereinstimmung
niedrig zwischen Kundenbedürfnissen zwischen Kundenbedürfnissen
und Unternehmensangebot; und Unternehmensangebot;
niedrigstes Ertragspotenzial niedriges Ertragspotenzial
niedrig hoch
Angestrebte Beziehungsdauer
Abbildung 1.11: Vier Beziehungstypen von Kunden
70
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1.7 Das Marketingumfeld im Wandel
71
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
Social-Media-Marketing
Man findet heute kaum eine Markenwebseite oder auch traditionelle Medienwerbung, die
keinen Link zum Markenauftritt bei Facebook, Twitter, Google+, LinkedIn, YouTube, Pinte-
rest, Instagram oder anderen sozialen Medien enthält. Soziale Medien bieten Möglichkeiten
zur Ausweitung des Kundenengagements und machen die Marke zum Gesprächsthema. Die
meisten europäischen Firmen nutzen die Vorteile oder Anwendung der sozialen Medien als
Teil des Marketingmix und bei den meisten gibt es Social-Marketing-Teams. Diverse Schät-
zungen gehen davon aus, dass die Ausgaben für Social-Media-Marketing etwa 10 Prozent des
gesamten Marketingbudgets ausmachen und in den nächsten fünf Jahren auf fast 20 Prozent
steigen werden. Einige soziale Medien sind riesig – Facebook hat z.B. mehr als 1,1 Milliarden
Mitglieder, Twitter über 500 Millionen und Pinterest vereint 70 Millionen. Instagram besu-
chen schätzungsweise 85 Millionen Einzelnutzer pro Monat. Und Reddit, die Online Social
News Community, zählt monatlich fast 70 Millionen Einzelbesucher aus 174 Ländern. Doch
auch schwerpunktmäßige soziale Medienseiten sind auf dem Vormarsch; so z.B. CafeMom,
eine Online-Community von mehr als 20 Millionen Müttern, die auf der Online-Plattform,
bei Facebook, Twitter, Pinterest, YouTube, Google+ und den mobilen Seiten Ratschläge und
gegenseitige Unterstützung bieten. Die sozialen Netzwerke bieten ein digitales Zuhause, in
dem Menschen zusammenkommen und wichtige Informationen sowie Momente in ihrem
Leben miteinander teilen können. Die Nutzung sozialer Medien kann einfache Aktionen wie
Wettbewerbe oder Kampagnen beinhalten, die möglichst viele Facebook-Likes, Tweets oder
YouTube-Postings generieren.
Mobiles Marketing
Mobiles Marketing ist vielleicht die am schnellsten wachsende digitale Marketing-Plattform.
Etwa 29 Prozent der Smartphone-Nutzer verwenden ihre Geräte für Aktivitäten rund ums
Einkaufen – sie holen sich Produktinformationen über Apps oder aus dem mobilen Internet,
vergleichen Preise zwischen den Online-Stores, lesen Online-Produktbewertungen, lösen
Coupons ein und vieles mehr. Smartphones sind überall präsent, ständig eingeschaltet,
genau auf den Nutzer abgestimmt und sehr privat. Damit sind sie ideal, um die Kunden beim
Durchlaufen der Einkaufsprozesse jederzeit und überall einzubinden. Die Kunden von Costa
Coffee beispielsweise können über ihre mobilen Geräte alle möglichen Informationen bezie-
hen, von der nächstgelegenen Costa-Coffee-Filiale über die neuesten Produkte bis hin zur
Aufgabe und Bezahlung von Bestellungen. Marketer nutzen die mobilen Kanäle, um Direkt-
käufe anzuregen, das Shoppen einfacher zu machen oder die Markenerfahrung zu steigern –
natürlich auch alles gleichzeitig. Die „Wish-Bone“-Kampagne von Unilever war ein innovati-
ver Ansatz für das mobile Marketing. Man wollte damit das Markenbewusstsein für die neue
Linie italienischer Salatdressings steigern. So schaltete das Unternehmen ganzseitige Anzei-
gen und schuf Inhalte, in denen die wichtigsten Schlagwörter ausgespielt wurden – pikant,
würzig und lecker. Das Unternehmen spornte die Kundeneinbindung an, indem die Verbrau-
cher Kennwörter im Zusammenhang mit der Marke eingeben und die Inhalte öffnen konnten.
Durch diese innovative Kampagne stieg das Markenbewusstsein um 122 Prozent und die
72
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1.7 Das Marketingumfeld im Wandel
Kaufabsicht bei den Kunden um 87 Prozent.3 Obwohl sowohl Online- und Mobile Marketing
als auch Social-Media-Marketing enormes Potenzial bieten, erforschen die meisten Marketin-
gexperten noch, wie man sie wirksam einsetzen kann. Entscheidend ist, die neuen digitalen
Ansätze in das traditionelle Marketing einzufügen und so die integrierte Marketingstrategie
und den Mix zu optimieren.
Ein Problem stellt zudem nach wie vor die mangelnde Sicherheit im Netz dar. Computersys-
teme, die über das Internet erreichbar sind, können zum Ziel externer Angriffe werden. Ver-
braucher sind besorgt, wenn sie zum Beispiel Kreditkartendaten, Kontonummern oder
andere vertrauliche Informationen im Netz übermitteln, dass diese dort abgefangen und
missbraucht werden können. Jedoch ist angesichts der atemberaubenden Geschwindigkeit,
mit der sich Technologie und Anwendungen des Internets entwickelt haben, kaum anzuneh-
men, dass diese Unwägbarkeiten die Millionen von Unternehmern und privaten Anwendern
davon abhalten werden, sich auch in Zukunft jeden Tag im Internet zu bewegen.
Wir werden im weiteren Verlauf noch näher auf das digitale, das Mobile und das Social-
Media-Marketing eingehen – sie betreffen fast jeden Bereich der Marketingstrategie und der
taktischen Maßnahmen. Nachdem die Grundlagen des Marketings abgedeckt sind, werfen
wir in Kapitel 17 einen genaueren Blick auf das digitale und das Direktmarketing.
73
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
Im Zuge der Anpassung an die neuen ökonomischen Rahmenbedingungen waren einige Unter-
nehmen verleitet, Marketingbudgets stark zu kürzen und Preise drastisch zu senken, um
finanzschwache Kunden zum Kauf zu motivieren. Obwohl Kostensenkungen und Sonderange-
bote wichtige Marketingtaktiken in einer schwachen Wirtschaftslage sein können, haben kluge
Marketer verstanden, dass Einsparungen an den falschen Stellen dem Markenimage und den
Kundenbeziehungen langfristig schaden können. Andere Unternehmen hielten deshalb an
ihren Preisen fest und erklärten stattdessen, warum ihre Marken den Preis wert sind. Anstatt
Marketingbudgets in Krisenzeiten zu kürzen, haben Unternehmen wie Tesco, Santander, Voda-
fone und Ikea ihre Marketingausgaben konstant gehalten oder sogar erhöht. Ihr Ziel in unsiche-
ren wirtschaftlichen Zeiten ist es, Marktanteile aufzubauen und Kundenbeziehungen auf Kos-
ten von Wettbewerbern, die ihre Ausgaben zurückfahren, zu stärken.
„Ein Konjunkturrückgang bringt Gewinner und Verlierer hervor, genauso wie ein Konjunk-
turaufschwung“, bemerkt ein Ökonom. „Wenn eine Rezession endet und sich neue Chancen
auftun, wird Ihre Wettbewerbsposition davon abhängen, wie gekonnt Sie die schwierigen
Zeiten gemeistert haben.“ Die Herausforderung besteht darin, das Nutzenversprechen einer
Marke mit den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in ein Gleichgewicht zu brin-
gen und gleichzeitig den Markenwert langfristig zu erhöhen.
Eine schwierige Konjunktur kann für die einen eine Bedrohung, für andere jedoch eine
Chance darstellen. Beispielsweise stellt die Tatsache, dass 40 Prozent der Verbraucher weni-
ger auswärts essen gehen, eine Bedrohung für viele Restaurants dar. Hieraus ergibt sich
jedoch auch eine Chance für Fast-Food-Ketten. So stiegen die Umsätze von McDonald’s wäh-
rend der Wirtschaftskrise weltweit stetig an, insbesondere im Vereinigten Königreich, in
Frankreich und in Russland.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1.7 Das Marketingumfeld im Wandel
75
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
Geografische und kulturelle Distanzen sind durch für fast jeden erschwingliche Flugreisen,
durch leistungsfähige interkontinentale Computer- und Telefonverbindungen, Fernsehsatel-
liten und andere Technologien deutlich zusammengeschrumpft. Diese Entwicklung hat vie-
len Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, ihre Absatz- und Beschaffungsmärkte weltweit
auszudehnen. Das Ergebnis ist ein komplexes und für Unternehmen und Privatpersonen glei-
chermaßen unüberschaubares globales Marketingumfeld.
Nahezu jedes Unternehmen, sei es groß oder klein, ist heute auf irgendeine Weise von inter-
nationaler Konkurrenz berührt. Ein benachbarter Florist kauft seine Blumen von Feldern in
Ghana, ein Elektronikhersteller konkurriert in seinem heimischen Markt mit japanischen
Wettbewerbern, ein Internethändler, der auf einmal für ein spezielles Produkt Aufträge aus
aller Welt bedient, oder ein Konsumgüteranbieter, der international auch auf Märkten in
Schwellenländern tätig sein möchte. Wenn man als Kunde von Deutschland aus eine Hotline
anruft, spricht man nicht selten mit einem Spezialisten, der in Irland oder in Indien sitzt.
Europäische Unternehmen werden schon seit vielen Jahren von japanischen, koreanischen
und nunmehr auch indischen und chinesischen Mitbewerbern auf ihren angestammten
Märkten herausgefordert. Unternehmen wie Toyota, Lenovo und Samsung haben in zahlrei-
chen ausländischen Märkten ihre einheimischen Wettbewerber übertroffen. Umgekehrt
konnten europäische Unternehmen in zahlreichen Exportmärkten ihre Chancen nutzen und
sich gegen dortige Konkurrenten durchsetzen, man denke beispielsweise an Siemens in den
Bereichen Industrie, Energie und Gesundheit, Maschinenbauer wie Trumpf oder Chemie-
und Pharmakonzerne wie BASF und Bayer.
Neue weltweite Marktführer wie Amazon, Google oder Facebook starteten fast von Anfang an
als globale Unternehmen. Es wird zunehmend schwieriger zu erkennen, wo Marken herge-
stellt und entworfen werden, wem ein Unternehmen gehört und wo sein Hauptsitz ist. Und
wen kümmert es?
In der heutigen Weltwirtschaftsordnung versuchen Unternehmen nicht nur, große Anteile
ihrer lokalen Produktion auf den internationalen Märkten abzusetzen, umgekehrt hat auch
der Einkauf von Komponenten, Rohmaterialien und Verbrauchsgütern eine internationale
Dimension. Immer mehr betriebliche Funktionen sind nun über Grenzen hinweg zu führen
und zu koordinieren. Viele im Inland produzierte Waren sind deshalb eigentlich „Hybride“,
da sie hohe Anteile importierter Vorleistungen in Form von Know-how, Design, vorgefertig-
ten Baugruppen oder Aggregaten aus verschiedenen Ländern enthalten.
Ein französischer Modeschöpfer kann sich zum Beispiel für einen Stoff aus australischer
Wolle, bedruckt in Italien, entscheiden. Er schickt die Skizze des entworfenen Kleids per E-
Mail an einen Agenten in Hongkong und beauftragt ihn mit der Suche nach Fertigungskapa-
zität, die dieser in China unter Vertrag nimmt. Die fertigen Kleidungsstücke kommen per
Luftfracht mit einer niederländischen Maschine zur Konfektionierung und Qualitätskont-
rolle nach Paris. Hier werden sie in einem Logistikzentrum eingelagert und Tag für Tag
anhand der vorliegenden Bestellungen und Reservierungen weltweit ausgeliefert, nach Düs-
seldorf, Mailand, Paris, New York und St. Petersburg.
Bei diesem Ausmaß an Veränderung ist es nicht verwunderlich, dass Interessenvertreter, von
Gewerkschaften, die die Jobs vor Ort schützen wollen, bis hin zu militanten Umweltschüt-
zern, die die Welt retten möchten, die Globalisierung beunruhigend finden. Es gibt aber auch
positive Entwicklungen. Durch die globale Angleichung der Einkommen entsteht nahezu
weltweit eine große, relativ wohlhabende Mittelklasse.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1.7 Das Marketingumfeld im Wandel
Das Marketing sieht sich durch diese Verschiebungen einer Vielzahl an Herausforderungen
gegenüber. Manager haben zunehmend die ganze Welt und nicht mehr nur den heimischen
Markt im Blick, wenn sie ihre Branche, Wettbewerber und Wachstumschancen betrachten.
Hierbei stellen sich folgende Fragen:
Was bedeutet globales Marketing?
Wie unterscheidet es sich vom reinen Inlands-Marketing?
Inwieweit hat unser Unternehmen internationale Konkurrenz zu berücksichtigen?
Bis zu welchem Ausmaß sollen wir unser Unternehmen globalisieren?
In Kapitel 19 werden wir im Detail auf diese und weitere Fragen des internationalen Marke-
tings eingehen.
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
denbedürfnisse mit einer Strategie zur Sicherung des langfristigen Überlebens eines Unter-
nehmens einhergeht. Nachhaltiges Marketing sollte dabei nicht als Kostenfaktor, sondern als
Mittel zur Steigerung von Markenwert und Profitabilität angesehen werden.
Der wesentliche Unterschied zwischen dem sozialen und dem nachhaltigen Marketingkon-
zept liegt in der zeitlichen Perspektive. Das Marketing mit sozialer Orientierung befasst sich
vordringlich mit den Konflikten, die derzeit aus der Befriedigung von Kundenbedürfnissen
mit Dritten entstehen. Das nachhaltigkeitsorientierte Marketing hingegen stellt die Wirkun-
gen des heutigen Konsums auf künftige Generationen und die Gesellschaft als Ganzes sowie
zukünftiges unternehmerisches Handeln in das Zentrum der Überlegungen.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass Unternehmen immer stärker gefordert sind, die Erwar-
tungen der Gesellschaft bezüglich ethischer und umweltpolitischer Standards zu erfüllen.
Hierzu bedarf es nicht nur unternehmensspezifischer Richtlinien, sondern auch klar defi-
nierter Maßnahmen zu deren Umsetzung. Zukünftig erfolgreich werden solche Unternehmen
sein, die nicht nur auf ethische und umweltpolitische Vorgaben reagieren, sondern diese und
die aus dem gesellschaftspolitischen Wandel wachsenden Möglichkeiten aktiv nutzen, um
Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern zu generieren. Wir werden das Konzept des
nachhaltigen Marketings detailliert im Kapitel 20 behandeln.
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1.8 Der erweiterte Marketingprozess
Die ersten vier Schritte des Marketingprozesses beziehen sich auf die Nutzengenerierung für
den Kunden. Das Unternehmen erlangt ein vollständiges Verständnis des Markts durch die
Erforschung von Kundenbedürfnissen und die Verarbeitung von Marketinginformationen.
Anschließend gestaltet es eine kundenorientierte Marketingstrategie auf Basis der Antworten
auf zwei einfache Fragen. Die erste Frage, „Welche Kunden wollen wir bedienen?“, bezieht
sich auf Kundensegmentierung und eine genaue Zielgruppenansprache. Gute Unternehmen
wissen, dass sie nicht alle Kunden auf die gleiche Weise ansprechen können. Stattdessen
müssen sie ihre Ressourcen auf jene Kunden fokussieren, die sie am besten und profitabels-
ten bedienen können. Die zweite Frage, „Wie können wir anvisierte Kunden am besten
bedienen?“, bezieht sich auf die Differenzierung und Positionierung. Hier geht es um ein
Nutzenversprechen, mittels dessen das Unternehmen Zielkunden gewinnen will.
Nach der Auswahl der Marketingstrategie erstellt das Unternehmen nun ein integriertes Mar-
ketingprogramm, bestehend aus einer Mischung der vier Elemente des Marketing-Mix, den
vier Ps. Hiermit wird die Marketingstrategie in echten Kundennutzen überführt. Das Unter-
nehmen entwickelt Produktangebote und erzeugt starke Markenidentitäten für diese Pro-
dukte. Es bepreist diese Produktangebote entsprechend, um echten Kundennutzen zu schaf-
fen, und macht sie verfügbar für Zielverbraucher. Letztlich gestaltet das Unternehmen
Programme, die das Nutzenversprechen kommunizieren, um Kunden anzusprechen und sie
dazu zu bringen, auf das Angebot zu reagieren.
Der vielleicht wichtigste Schritt im Marketingprozess beinhaltet den Aufbau von profitablen
Beziehungen zu Zielkunden. Während des gesamten Prozesses betreiben Marketingverant-
wortliche Customer Relationship Management, um Kundenzufriedenheit zu erzeugen. Die
Erschaffung von Kundennutzen und -beziehungen kann ein Unternehmen nicht alleine
durchführen. Es muss eng mit Marketingpartnern im Unternehmen, aber auch im gesamten
Marketingsystem zusammenarbeiten. Dementsprechend müssen Firmen neben gutem CRM
auch gutes Beziehungsmanagement mit Partnern betreiben.
Die ersten vier Schritte im Marketingprozess schaffen Nutzen für Kunden. Im letzten Schritt
erhält das Unternehmen die Belohnung für seine Bemühungen durch die Erlangung eines
Gegenwerts von den Kunden. Überlegenen Kundennutzen zu erbringen schafft hochzufrie-
dene Kunden, die mehr kaufen und wiederkehren. Das hilft dem Unternehmen, einen größe-
ren Customer Lifetime Value und einen höheren Anteil an den Ausgaben der Kunden zu
erlangen.
Letztlich müssen Unternehmen im Hinblick auf die sich wandelnde Marketinglandschaft
drei zusätzliche Faktoren berücksichtigen. Im Aufbau von Beziehungen zu Kunden und Part-
nern müssen sie sich Marketingtechnologien zunutze machen, die Chancen globaler Märkte
nutzen und sicherstellen, dass sie ethisch und sozial verantwortlich handeln.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
Kommunikation: das
Nutzenversprechen
kommunizieren
Abbildung 1.14 stellt einen guten Fahrplan für die weiteren Kapitel dieses Buchs dar. In
Kapitel 1 und 2 stellen wir den Marketingprozess vor, mit einem Fokus auf den Aufbau von
Kundenbeziehungen und die Erlangung von Gegenwert vom Kunden. Die Kapitel 3 bis 6
adressieren den ersten Schritt im Marketingprozess – das Verständnis des Marketingumfelds,
den Umgang mit Marketinginformationen und das Verständnis des Kaufverhaltens von Ver-
brauchern und Unternehmen. In Kapitel 7 schauen wir uns die zwei wichtigsten strategi-
schen Entscheidungen an: die Auswahl der Zielkunden (Segmentierung und Zielgruppenan-
sprache) und die Bestimmung des Nutzenversprechens (Differenzierung und Positionierung).
In den Kapiteln 8 bis 17 diskutieren wir dann die einzelnen Marketing-Mix-Variablen. Kapi-
tel 18 beschäftigt sich mit dem Wettbewerb und der Generierung von Wettbewerbsvorteilen.
Die letzten zwei Kapitel untersuchen spezielle Aspekte des Marketings: globales Marketing
und nachhaltiges Marketing.
80
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1.8 Der erweiterte Marketingprozess
Z US A M M EN FA SSU N G
Erfolgreiche Unternehmen, seien sie groß oder klein, seien sie am Profit orientiert oder
nicht (Non-Profit-Organisationen), seien ihre Tätigkeitsfelder lokal oder global, dürften
heute eines gemeinsam haben: Sie haben den Weg einer konsequenten Marketingorien-
tierung eingeschlagen.
Viele Menschen denken, wenn sie den Begriff Marketing hören, nur an Werbung und
Verkaufen, aber das Marketing begleitet den eigentlichen Kaufvorgang viel länger. Mar-
keting kombiniert viele Aktivitäten wie Marktforschung, Produktentwicklung, physi-
sche Verteilung, Preissetzung, Werbung, persönliches Verkaufen u.a. Diese Aktivitäten
sollen die Bedürfnisse potenzieller Kunden ermitteln und bedienen und die Käufer
zufriedenstellen. Gleichzeitig soll damit ein Erreichen der Zielsetzungen des Unterneh-
mens sichergestellt werden. Mithilfe von Marketingmaßnahmen versucht man, neue
Kunden anzuwerben und vorhandene an sich zu binden, indem man ihnen den höchst-
möglichen Gegenwert bietet und sie konsequent zufriedenstellt.
Wir haben Marketing als einen Prozess im Wirtschafts- und Sozialgefüge definiert,
durch den Einzelpersonen und Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen,
indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erzeugen, anbieten und miteinander
austauschen.
Ein einfaches Modell des Marketingprozesses besteht aus fünf Stufen:
Das Verstehen von Märkten und Kundenwünschen
Das Entwerfen einer kundenorientierten Marketingstrategie
Die Entwicklung eines integrierten Marketingprogramms
Der Aufbau profitabler Kundenbeziehungen
Die Erlangung eines Gegenwerts von den Kunden
Während der ersten vier Schritte arbeitet ein Unternehmen daran, die Bedürfnisse und
Wünsche der Kunden zu verstehen, einen Nutzen für sie zu schaffen und stabile Bezie-
hungen zu ihnen aufzubauen. Im letzten Schritt erlangen Unternehmen den Lohn für
ihre Bemühungen. Dieser besteht in Umsatzerlösen, Gewinn und langfristigem Kunden-
wert.
Menschen befriedigen ihre Bedürfnisse, Wünsche und ihre Nachfrage mit Produkten.
Alles, was auf einem Markt angeboten werden kann, um ein Bedürfnis, einen Wunsch
oder eine Nachfrageposition zu befriedigen, bezeichnen wir als ein Angebot. Dieser
Angebotsbegriff schließt Dienstleistungen, Personen (z.B. Popstars, Politiker im Wahl-
kampf), Orte oder Regionen (Tourismusmarketing, Standortmarketing), Organisationen,
Aktivitäten und Ideen sowie auch Erlebnisse (Popkonzerte etc.) ein.
Handel findet innerhalb einer Gesellschaft dann statt, wenn die Menschen ihre Bedürf-
nisse, Wünsche und die Nachfrage über das Instrument eines freien Tauschs befriedi-
gen. Für das Marketing der Anbieter ist es wichtig, dass über kurzfristige Tauschbezie-
hungen hinaus lang andauernde stabile Verbindungen zu wichtigen Kunden, zu den
Groß- und Einzelhändlern sowie zu den Lieferanten aufgebaut und gepflegt werden.
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen
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Zusammenfassung
Die neue Welt des Marketings ist gekennzeichnet durch eine nie zuvor dagewesene Glo-
balisierung, eine wachsende Bedeutung von gesellschaftlichen und ökologischen Frage-
stellungen und dadurch, dass auch Non-Profit-Organisationen und die öffentliche Hand
zunehmend das Marketing im Sinne ihrer Zielsetzungen nutzen. Von den Unternehmen
wird verlangt, sich gesellschaftlich verantwortlich und nachhaltig zu verhalten. Nach-
haltiges Marketing versucht, die Bedürfnisse derzeitiger Konsumenten zu erfüllen, ohne
zukünftige Generationen in deren Bedürfnisbefriedigung zu beeinträchtigen. Hierzu
sind alle Aktivitäten des Unternehmens hinsichtlich ihrer ökonomischen Effizienz und
ihrer ökologischen und sozialen Konsequenzen zu prüfen und zu bewerten. Das Kon-
zept ist auf der Erkenntnis begründet, dass eine Strategie der Befriedigung der langfristi-
gen Kundenbedürfnisse mit einer Strategie zur Sicherung des langfristigen Überlebens
eines Unternehmens einhergehen sollte.
Aus diesen Herausforderungen entstehen jedoch auch Chancen für das Marketing. Fle-
xible und anpassungsfähige Organisationen, die konsequent marktorientiert arbeiten,
werden auch in Zukunft erfolgreich sein.
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Strategisches Marketing:
Kundenmitwirkung, Kunden-
wert und Kundenbeziehungen
2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2
2.2 Strategische Unternehmensplanung . . . . . . . . . . . . . 92
ÜBERBLICK
2.5 Marketingstrategie und Marketing-Mix . . . . . . . . . . 114
2.6 Der Marketingprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
2.7 Das Marketingbudget . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... die unternehmensweite strategische Planung und ihre vier Schritte erläutern.
... erklären, wie Unternehmen einzelne Geschäftsfelder bewerten und daraus ihr
Geschäftsportfolio zusammenstellen.
... beschreiben, wie Unternehmen Zielvorgaben und eine „Mission“ entwerfen.
... die Rolle und den Stellenwert des Marketings innerhalb der strategischen Planung
bewerten und erklären, wie Kundennutzen geschaffen und vermittelt werden kann.
... die Elemente einer kundenorientierten Marketingstrategie und des Marketingmix
erläutern und erklären, welche Einflussfaktoren darauf wirken.
... Marketingmanagementfunktionen, inklusive der Elemente eines Marketingplans,
beschreiben und die Bedeutung des Marketing-ROI bewerten.
2.1 Einführung
Im ersten Kapitel haben wir den Marketingprozess betrachtet, mit dem Unternehmen Werte
für die Kunden schaffen, um im Gegenzug Werte von ihnen zurückzuerhalten. In diesem
Kapitel steigen wir tiefer in die Schritte zwei und drei des Prozesses ein: die Gestaltung von
Marketingstrategien zum Kundennutzen und den Aufbau von Marketingprogrammen.
Zunächst betrachten wir die strategische Gesamtplanung der Organisation, welche die Mar-
ketingstrategie und Planung vorgibt. Als Nächstes erörtern wir, wie Marketingverantwortli-
che nach diesem strategischen Plan eng mit Partnern innerhalb und außerhalb des Unterneh-
mens zusammenarbeiten, um Kunden einzubinden und einen Nutzen für sie zu schaffen.
Anschließend untersuchen wir Marketingstrategie und Planung – wie Marketingverantwort-
liche die Zielmärkte auswählen, ihr Marketingangebot positionieren, einen Marketingmix
entwickeln und ihre Marketingprogramme verwalten. Schließlich betrachten wir den wichti-
gen Schritt der Bewertung und Verwaltung von Marketingerträgen (Return on Investment).
Schauen wir uns zunächst an, wie es das Unternehmen LEGO geschafft hat, eine Krise Mitte
der 2000er-Jahre zu bewältigen und wieder auf Wachstumskurs zu gehen, und welche Bedeu-
tung die Unternehmensmission dabei hatte.
88
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2.1 Einführung
89
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Der Prozess des anvisierten Wandels begann mit der Zusammenkunft einer Gruppe ver-
schiedenster Führungskräfte und (noch wichtiger) externer Spezialisten in einer Art
„Krisenraum“, in dem sie das Portfolio des Unternehmens, Produktentwicklung, Ein-
kauf, Herstellung, Marketing und Logistikprozesse analysierten. Diese Analysen führten
zu einem Fünf-Jahres-Plan namens „Shared Vision“, der vom Unternehmensvorstand
vollständig gebilligt und genehmigt wurde. Dreh- und Angelpunkt dieses Plans ist die
Entwicklung und der Ausbau effektiver Partnerschaften (sowohl intern als auch extern).
Zudem wird er durch eine echte marktorientierte Strategie gestützt, welche die „Bau-
meister von morgen inspirieren und groß machen soll“. Wie die Verantwortlichen wei-
ter ausführen, dient dieses Bestreben dem „letztendlichen Ziel, Kinder zu inspirieren
und ihnen die Fähigkeit zu kreativem Denken, systematischem Planen und der vollen
Entfaltung ihres Potenzials beim Aufbau der eigenen Zukunft zu geben – wobei sie die
endlosen Möglichkeiten menschlicher Schaffenskraft erleben können.“
Bei der Entwicklung und Umsetzung des tief greifenden Fünf-Jahres-Plans bestand die
größte Herausforderung darin, die Wahrheit über das zu erfahren, was bei LEGO richtig
und was falsch gemacht wurde – und dabei tunlichst jeden Anflug von Selbstzufrieden-
heit zu vermeiden, wenn die positiven Dinge angesprochen wurden. Im kleinen Städt-
chen Billund in den Niederlanden (wo LEGO gegründet wurde), wurden Hunderte
Arbeiter entlassen und einige Herstellungsprozesse in die kostengünstigeren Produkti-
onsländer Mexiko und Osteuropa verlagert. Als Teil einer größeren Strategie wurde das
Portfolio verschlankt, während die LEGOland Themenparks als Flaggschiffe des Unter-
nehmens (mit Erhalt einer Minderheitsbeteiligung) verkauft und Nicht-Kernprodukte
im Zuge einer Rückbesinnung auf die Wurzeln rund um die klassischen Bausteine und
Mini-Figuren aus dem Sortiment gestrichen wurden. Am wichtigsten ist möglicher-
weise, dass LEGO sich auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Lieferanten,
Vertriebspartner und Kunden konzentriert. Unter Mitwirkung diverser Abteilungen
innerhalb des Unternehmens hat LEGO die Anzahl der Farben halbiert und die Lage-
reinheiten auf 6.500 reduziert. Außerdem entschied das Unternehmen, sich auf seine
Kernfunktionen zu konzentrieren und die Logistik sowie Produktion auszulagern. Um
die vorhandenen und nicht vorhandenen Bedürfnisse und Wünsche der Kunden besser
verstehen zu können, organisierte das Unternehmen große Zusammenkünfte mit den 20
wichtigsten Auftraggebern, die insgesamt 70 Prozent des Gesamtgeschäfts von LEGO
ausmachten. Hier stellte sich eine Sache ganz deutlich heraus: Anders als vom Unter-
nehmen angenommen, brauchten die meisten Kunden eben keine Lieferung am selben
oder nächsten Tag. Dies brachte LEGO zu der Entscheidung, die Auftragsvergabe im Vor-
aus zu erbitten und nur noch einmal pro Woche auszuliefern.
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2.1 Einführung
Nachdem die betrieblichen Probleme gelöst, die Lieferungen rationalisiert waren und
LEGO eine schlankere, gesunde Firmenstruktur erhalten hatte, stellte das Unternehmen
zwar weiterhin die Spielzeuge seines Kerngeschäfts her, verstärkte das internationale
Image und Profil aber auch durch eine Reihe von Entwicklungen aus Filmen und Com-
puterspielen. Eine Schnellsuche nach Spielen bei LEGO ergibt Treffer für jede
Altersklasse und jeden Geschmack. Beispielhaft seien hier genannt: LEGO Autorennen,
LEGO Kampfspiele, LEGO Puzzle-Spiele, LEGO Shooter-Spiele, LEGO Vorschulspiele
und (natürlich!) LEGO Bauspiele. Ferner hat das Unternehmen eine Serie sehr cleverer
(und profitabler) Franchise-Projekte mit Film-Blockbustern entwickelt. Besonders
erfolgreich war hier Der Herr der Ringe, die Hobbit-Reihe konnte daran anknüpfen. Das
Franchisegeschäft mit der Batman-Serie wird voraussichtlich verlängert und angesichts
des großen Erfolgs des LEGO Movies soll es bald eine Fortsetzung geben.
Die Folgen des Wandels Als Jorgen Vig Knudstorp das Ruder übernahm, steckte LEGO
derart tief in den roten Zahlen, dass das kurzfristige Überleben im Zeitalter von Online-
Computerspielen und einem stetig wachsenden Angebot an digitalen Geräten ernsthaft
bezweifelt werden musste. Heute sind diese Zweifel nachdrücklich ausgeräumt. Die
Umsätze sind mit rund 3,41 Milliarden Euro doppelt so hoch wie in den düsteren Zeiten
Ende der 2000er-Jahre und 2013 wurde LEGO nach einem 13%igen Umsatzwachstum
zum zweitgrößten Spielzeughersteller der Welt – damit überholte es den US-Rivalen Has-
bro. In vielerlei Hinsicht hat sich LEGO als relativ immun gegen die weltweite Wirt-
schaftskrise erwiesen (hauptsächlich deshalb, weil fürsorgliche Eltern lieber traditionelles
und pädagogisch wertvolles Spielzeug kaufen, selbst wenn das Budget knapp ist). Die
Mitarbeiterzahl hat sich in den letzten acht Jahren auf rund 11.755 Beschäftigte fast ver-
dreifacht, die Erholung auf dem europäischen und dem US-Markt wird vom Wachstum in
neuen Gebieten wie Russland ergänzt. Die Expansion in weitere Schwellenländer wie
China, Indien und Brasilien erweist sich als besonders positiv; dabei wurde allein in
China ein jährliches Wachstum von 35 Prozent generiert, was die Errichtung einer neuen
Produktionsstätte nur für den chinesischen Markt erforderlich machte.
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Auch für die Kunden waren die Ergebnisse positiv. Obwohl die Zahl der verfügbaren
Produkte reduziert wurde und die Kunden ihre Bestellgewohnheiten ändern mussten,
standen ihnen im Kundendienst erhebliche Verbesserungen zur Verfügung. Vor einiger
Zeit erzielte LEGO in der Kundenbewertung das Ergebnis als „branchenbester“ Lieferant
und gewann eine europäische Auszeichnung für seine erstklassige Lieferkette. LEGO
rief einen Online-Club mit über 5 Millionen Mitgliedern ins Leben, in dem Kunden ihre
eigenen LEGO-Designs entwerfen und bestellen können. Das LEGO-Universum MMPG
hat mehrere hunderttausend Mitspieler, auf Facebook folgen dem Unternehmen über 10
Millionen Fans und 12,5 Millionen (Sie haben richtig gelesen – 12,5 Millionen) You-
tube-Videos haben einen „LEGO“-Tag.
Fragen
1. Konzentrierte sich LEGO vor 2004 eher auf seine Produkte oder auf seinen Markt?
Warum?
2. Wenn man das Raster der Produkt-/Markenexpansion anwendet, welchen Ansatz
hat LEGO unter der Führung von Jorgen gewählt? Unterscheidet sich dieser von
früheren Ansätzen?
3. Veränderungen durchzusetzen, ist nie einfach. Was hat LEGO bei der Umsetzung
seiner Pläne richtig gemacht, was falsch? Was hätten Sie anders gemacht?
Wie das einführende Fallbeispiel zeigt, brauchen Unternehmen Strategien, um sich auf ihren
Märkten behaupten zu können. Es wird jedoch niemals eine Strategie geben, die sich als
Patentrezept für alle Unternehmen anwenden ließe. Jeder Anbieter muss seinen Weg finden,
um das Beste aus der gegebenen Situation, den gegebenen Möglichkeiten, seinen Zielen und
seinen Ressourcen zu machen. Das Marketing spielt eine wichtige Rolle in der strategischen
Planung. Es liefert vor allem Informationen, aber auch weiteren Input, um einen strategi-
schen Plan erstellen zu können. Gleichzeitig bildet die strategische Planung die erste Stufe
der Marketingplanung und legt die Rolle des Marketings innerhalb der Gesamtorganisation
fest. Sie gibt Vorgaben an das Marketing, welches zur Erreichung der strategischen Ziele mit
anderen Abteilungen des Unternehmens zusammenarbeiten muss.
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2.2 Strategische Unternehmensplanung
der äußeren Bedingungen wenig nützlich sei, trifft nicht zu. Das Gegenteil ist der Fall:
Gründliche Planung hilft, Veränderungen vorherzusagen und so schneller darauf reagieren
zu können. Selbst plötzliche Veränderungen kommen bei gründlicher Beobachtung des äuße-
ren Umfelds nicht mehr überraschend. Eine solche Planung hätte auch Carrefour – Europas
größtem Einzelhändler – helfen können, den Absturz des Aktienkurses zu verhindern. Dieser
trat ein, nachdem das Unternehmen lange den Einfluss des Internets auf sein Geschäft als
gering eingeschätzt hatte und später eine vage E-Commerce-Strategie mit einem Budget von
einer Milliarde Euro ankündigte.
Die Planung ist in den meisten Unternehmen nach folgendem Schema aufgebaut:
Jahresplanung Eine kurzfristige Planung, die die gegenwärtig vorliegende Situation
beschreibt. Sie enthält die Ziele eines Unternehmens, die Strategie für das laufende Jahr, die
geplanten Aktionen, die Budgets und die Steuerungsinstrumente.
Langfristige Planung Diese Planung beschreibt die wesentlichen Faktoren und Kräfte, wel-
che ein Unternehmen in den nächsten Jahren beeinflussen werden. Sie enthält die langfristi-
gen Zielvorstellungen, die wesentlichen Marketingstrategien, um diese Ziele zu erreichen,
und die benötigten Ressourcen. Die langfristige Planung wird jedes Jahr überprüft und aktua-
lisiert, sodass sie stets auf gegenwärtigen Bedingungen beruht. Sowohl die langfristige Pla-
nung als auch die Jahresplanung beschäftigen sich mit dem laufenden Geschäft und damit,
wie dieses in Gang gehalten werden kann.
Strategische Planung Diese Planung beschreibt, wie ein Unternehmen in einer sich ständig
ändernden Umwelt die neu entstehenden Möglichkeiten vorteilhaft nutzen kann. Es handelt
sich hierbei um einen Prozess der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer strategischen
Übereinstimmung zwischen den Zielen und Ressourcen eines Unternehmens und den sich
ändernden Möglichkeiten des Markts.
Die strategische Planung setzt die Vorgaben für den Marketingplan. Sie nennt den übergeord-
neten Zweck und die Mission oder Philosophie des Unternehmens. Daraus lassen sich mess-
bare strategische Ziele ableiten. Anschließend erfasst man im Rahmen einer Situationsana-
lyse Informationen über das Unternehmen, seine Konkurrenten, den Zielmarkt und die
allgemeine sozio-ökonomische Umgebung, in der es tätig ist. Die sogenannte SWOT-Analyse
gibt sowohl einen Überblick über die Stärken und Schwächen des Unternehmens als auch
über die Chancen und Risiken, denen es gegenübersteht. Als Nächstes entscheidet das
Management, welches Geschäftsfeld- und Produktportfolio das Beste für das Unternehmen
ist, d.h. inwieweit einzelne Geschäftsfelder und Produkte unterstützt werden sollen. Daraus
entwickeln dann die einzelnen Geschäftseinheiten detaillierte Pläne für das Marketing und
die anderen Funktionen, um die unternehmensweite Planung zu erfüllen. Die Marketingpla-
nung erfolgt also auf der Ebene der einzelnen Geschäftseinheiten, auf Produkt- und auf Mark-
tebene.
Nestlé, der größte Lebensmittelanbieter der Welt, entwickelt einen unternehmensweit gelten-
den strategischen Plan in der Konzernzentrale in Vevey (Schweiz). Auf der Ebene darunter,
zum Beispiel im Geschäftsfeld Schokolade, werden strategische Pläne erstellt, die wiederum
in die strategischen Planungen der nationalen Gesellschaften einfließen. Auf jeder Ebene gibt
es einen Marketingplan und einen entsprechenden Plan für die anderen Unternehmensfunk-
tionen. Auf der untersten Ebene existieren Pläne für jeweils eine Marke auf einem nationalen
Markt wie zum Beispiel KitKat in Deutschland.
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans
In welcher Branche sind wir tätig? Diese Frage hilft schon weiter. Definitionen mittels der
Branchenzugehörigkeit oder anhand von Märkten sind besser geeignet als Produkt- oder
Technologiedefinitionen. Produkte oder angewandte Technologien können veralten, die
grundsätzlichen Bedürfnisse eines Markts bleiben jedoch bestehen. Ein marktorientiertes
Leitbild zeigt die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens anhand der Befriedigung grundle-
gender Kundenbedürfnisse auf. Demnach ist Rolls-Royce in der Triebwerksbranche tätig,
nicht in der Flugmotorenherstellung. Visa oder American Express definieren sich nicht als
Kreditkartenunternehmen, sondern ihre Rolle ist es, den Kunden weltweit den Austausch
von Vermögenswerten zu ermöglichen und zu erleichtern. Das kreative Unternehmen 3M
stellt mehr als nur Klebstoffe und Gesundheitsprodukte her. Es bietet dem Kunden innova-
tive Problemlösungen an.
Wer sind unsere Kunden? Wen sieht zum Beispiel Rolls-Royce als Kunden für ein neues
Düsentriebwerk an? Zum einen sind es die Flugzeughersteller wie Boeing oder Airbus.
Sicher sind es aber auch die Fluglinien, die ihrerseits aufgrund der Zuverlässigkeit und des
späteren Wiederverkaufs gebrauchter Maschinen Einfluss auf die Triebwerksausstattung neh-
men; oder sind die Finanzierungs- und Leasinggesellschaften die Kunden? Muss man die
künftigen Piloten und Wartungsmannschaften ebenfalls zu den Kunden rechnen? Gehören
die Passagiere auch dazu? Der gute Name von Rolls-Royce wirkt sicher bis zu den Passagie-
ren mit Vertrauenswürdigkeit, Prestige und einem Hauch von Luxus, andere Hersteller haben
es da schwerer.
Was ist der Zweck unserer Tätigkeit? Diese Frage ist besonders schwierig bei Non-Profit-
Organisationen zu beantworten. Was ist zum Beispiel die Aufgabe einer Universität – Stu-
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
denten lediglich auszubilden oder sie für die Wirtschaft zu qualifizieren und zu trainieren?
Ist das Streben nach Wissen das Ziel, das eine Fakultät an erster Stelle verfolgen sollte? Ist
angewandte oder reine Wissenschaft der höchste Zweck?
Welche Art von Unternehmen sind wir? Diese Frage spiegelt die Strategien und Strukturen
einer Organisation wider. Firmen, die beispielsweise die Kostenführerschaft anstreben (in
Deutschland z.B. ALDI), müssen Effizienz in allen betrieblichen Funktionen erlangen und
eine sorgfältige Kostenkontrolle betreiben. Im Gegensatz zur Strategie der Kostenführerschaft
steht die der Differenzierung, mittels derer man zum Beispiel durch Anwendung neuer Tech-
nologien versucht, seine Produkte von denen der Konkurrenz abzuheben. Beispielsweise
erzielte Sony mit der Erfindung des Walkmans einen Wettbewerbsvorteil, der auf dessen Ein-
zigartigkeit zurückzuführen war. Mit der Strategie der Fokussierung versucht ein Unterneh-
men bei der Marktbearbeitung Schwerpunkte zu setzen, indem es sich darauf konzentriert,
eine genau umrissene Käuferschicht ganz besonders gut zu bedienen. Der Erfolg liegt hierbei
im Angebot maßgeschneiderter Produkte für einen speziellen Zielmarkt. Einige Banken
haben z.B. Privatbankhäuser aufgekauft und führen diese unter den Traditionsnamen weiter,
um insbesondere vermögende Kunden gesondert ansprechen zu können. Nach Porter ist ein
Unternehmen, das sich nicht klar für eine dieser Strategien entscheidet, unprofitabel, da es
sich im Markt nicht profilieren kann. Diesen Zustand bezeichnet er als „stuck in the middle“.
Die hier beschriebene Unternehmensmission sollte nicht zu eng und nicht zu weit definiert
werden. Ein Hersteller von Bleistiften, der sein Unternehmen der Branche „Kommunikati-
onsausrüstung“ zuordnet, hat sicherlich zu ungenau definiert. Die Unternehmensmission
sollte folgenden Anforderungen gerecht werden:
1. Die Unternehmensmission muss realistisch sein. Singapore Airlines ist sicherlich eine
hervorragende Fluglinie, aber sie würde sich selbst überschätzen, wenn sie schon morgen die
größte Fluglinie der Welt sein wollte.
2. Die Unternehmensmission sollte unternehmensspezifisch sein. Die Unternehmensmission
soll auf dieses eine Unternehmen zutreffen und auf sonst kein anderes. Häufig wird die Mis-
sion für die Öffentlichkeit entworfen, für die Arbeit im Unternehmen selbst enthält sie
jedoch keine klaren Richtlinien. Eine Aussage wie „wir wollen Marktführer werden, indem
wir die besten Erzeugnisse der Branche mit dem besten Kundendienst zu den niedrigsten
Preisen anbieten“ klingt nur auf den ersten Blick gut, denn sie ist viel zu allgemeingültig und
enthält viele Widersprüche. Eine solche Mission ist wenig hilfreich bei der Vorbereitung prä-
ziser Entscheidungen.
3. Die Unternehmensmission sollte auf besonderen Kompetenzen des Unternehmens beru-
hen. Der Hi-Fi-Hersteller Bang & Olufsen hätte sicher auch das Know-how, PCs herzustellen.
Auf diesem Markt wäre er jedoch ein Anbieter unter vielen und er könnte nicht von der her-
ausragenden Marktstellung profitieren, die er im Laufe der Jahre auf dem Markt für exklusive
Unterhaltungselektronik erworben hat.
4. Die Unternehmensmission sollte Begeisterung hervorrufen. Die Mission des Unterneh-
mens sollte den Leuten etwas geben, an das sie glauben können, und Begeisterung hervorru-
fen. Als Mission genügt es nicht, höhere Umsatz- oder Gewinnerwartungen anzusprechen.
Bei den Mitarbeitern sollte die Botschaft ankommen, dass ihre Arbeit wichtig ist und sie
einen wichtigen Beitrag für das Leben der Menschen leisten. Man vergleiche doch nur die
beiden Aussagen, die als Unternehmensmission von Apple und von IBM etwa zur gleichen
Zeit im Umlauf waren:
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Unsere Partner Wir Mitarbeiter heißen Partner, weil es nicht nur ein Job ist – es ist
unsere Leidenschaft. Gemeinsam begrüßen wir Vielfalt, um ein Arbeitsumfeld zu schaf-
fen, in dem wir alle so sein können, wie wir sind. Wir behandeln einander stets mit Res-
pekt und Würde. Wir verpflichten uns gegenseitig, diesem hohen Standard zu entspre-
chen.
Unsere Gäste Auch wenn wir viel zu tun haben, gehen wir auf unsere Gäste ein, lachen
mit ihnen und verschönern ihren Tag, selbst wenn es sich nur um wenige Augenblicke
handelt. Natürlich geht es zunächst um das Versprechen, ein Getränk perfekt zuzuberei-
ten. Doch unsere Arbeit reicht weit darüber hinaus. Es geht im Wesentlichen um zwi-
schenmenschliche Beziehungen.
Unsere Coffee Houses Wenn unsere Gäste sich zugehörig fühlen, werden unsere Coffee
Houses zu einem Hafen, einer Zuflucht vor den Alltagssorgen, einem Ort, an dem man
sich mit Freunden trifft. Es geht um Genuss in der Hektik des Alltags – manchmal lang-
sam ausgekostet, manchmal schneller genossen. Aber stets voller Menschlichkeit.
Unser Umfeld Jedes Coffee House ist Teil einer Gemeinschaft. Und wir nehmen unsere
Verantwortung ernst, gute Nachbarn zu sein. Wo wir tätig sind, möchten wir gerne will-
kommen geheißen werden. Wir können positive Veränderungen bewirken, indem wir
unsere Partner, Gäste und die Gemeinschaft dazu anregen, Gutes zu tun. Unsere Verant-
wortung – und unser Potenzial, Gutes zu tun – ist aber noch größer. Die Welt erwartet
von Starbucks neue Standards. Wir werden als Vorreiter vorangehen.
Unsere Aktionäre Wir wissen: Wenn wir unser Versprechen in jedem dieser Bereiche
erfüllen, erzielen wir den Erfolg, von dem auch unsere Aktionäre profitieren. Wir sind
dafür verantwortlich, in all diesen Bereichen richtig vorzugehen, sodass Starbucks und
alle Menschen, die am Unternehmen beteiligt sind, anhaltenden Erfolg haben.
Heute gehört das Unternehmen immer noch zu den wichtigsten Kaffeeketten der Welt,
wie folgende Zahlen veranschaulichen: Jede Woche besuchen etwa 35 Millionen Kun-
den eines der mehr als 15.000 Coffee Houses in 50 Ländern, viele der Gäste kommen
sogar zweimal täglich. Starbucks gilt als größter Röster und Anbieter von Kaffeespeziali-
täten der Welt. Im Geschäftsjahr 2007 wurde ein Umsatz in Höhe von 9,4 Milliarden US-
Dollar erzielt. Zehn Jahre später, 2017, hat das Unternehmen bereits einen Umsatz von
22,4 Milliarden US-Dollar erreicht.
Um auf dem immer heftiger umkämpften Markt das Wachstum voranzutreiben und sich
so den Erfolg zu sichern, hat Starbucks einige strategische Maßnahmen ergriffen:
Mehr Wachstum: Starbucks realisiert nahezu 85 Prozent seiner Umsätze in seinen Cof-
fee Stores. Daher überrascht es nicht, dass das Unternehmen in rasantem Tempo immer
neue Standorte eröffnet. Waren es Ende 1996, als sich Starbucks gerade auf das interna-
tionale Parkett gewagt hatte, noch 1.015 Niederlassungen, so stieg die Anzahl mittler-
weile auf mehr als 27.000 Filialen.
Neue Absatzkanäle: Der Großteil an Kaffee wird im Handel gekauft und zu Hause
getrunken. Um auch dieses Nachfragesegment zu erobern, hält Starbucks in vielen Län-
dern Einzug in die Supermarktregale.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans
Quellen:
Deborah Steinborn: „Der Kaffee-König. Wie Howard Schultz aus vier kleinen Läden in Amerika die
Starbucks-Kette mit weltweit 6.000 Filialen schuf.“, in: DIE ZEIT Nr. 17 (16.04.03), http://
zeus.zeit.de/text/2003/17/Starbucks [30.09.2009];
o.V.: So zwanglos in Seattle, Stuttgarter Nachrichten (19.11.11), unter: http://www.stuttgarter-nach-
richten.de/inhalt.amerika-so-zwanglos-in-seattle.be356ce3-7c41-4d83-9718-19928b608697.html
[30.04.2015];
Tracy B. McGinnis: „Coffee going quick“ (05.12.05), Webseite unter: www.qsrweb.com/
article.php?id=527 [30.09.2009].
https://de.statista.com/themen/1111/starbucks/ [03.02.2018]
https://www.starbucks.de/about-us/company-information/mission-statement [03.02.2018]
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Jede Mission muss in messbare strategische Zielvorgaben umgesetzt werden. Diese sollten für
jeden einzelnen Manager verfügbar sein, damit er Verantwortung für die Zielerreichung über-
nehmen kann. In einem großen Chemieunternehmen ist z.B. der Bereich Düngemittel eines
der zahlreichen Geschäftsfelder des Unternehmens. Dieser Geschäftsbereich sieht nicht etwa
die Produktion von Düngemitteln als seine Mission an, sondern die „Erhöhung der Produkti-
vität in der Landwirtschaft“. Aus dieser Mission lässt sich eine Hierarchie von Zielen ablei-
ten, die sowohl Unternehmens- als auch Marketingziele in sich vereint. Der Auftrag, die Pro-
duktivität in der Landwirtschaft zu erhöhen, führt zunächst zum Unternehmensziel der
Erforschung und Entwicklung neuer Düngemittel, die höhere Erträge ermöglichen. For-
schung und Entwicklung sind jedoch sehr kostspielig und erfordern die Erwirtschaftung
hoher Gewinne, die in die Forschung reinvestiert werden können. Deshalb ist die Gewinner-
höhung als ein weiteres Unternehmensziel anzusehen. Höhere Gewinne lassen sich durch
höhere Umsätze oder durch Reduktion von Kosten erzielen. Der Umsatz kann durch Steige-
rung des Marktanteils im heimischen Markt, durch den Eintritt in neue Märkte oder durch
eine Kombination dieser Optionen erreicht werden. Diese Teilziele bilden schließlich die
aktuellen Marketingziele des Unternehmens. Hier kommt es dann noch auf eine gewisse Prä-
zisierung der Ziele an. Die Formulierung „unseren Marktanteil erhöhen“ ist nicht so geeignet
wie die Zielvorgabe „unseren Marktanteil auf 15 Prozent innerhalb der nächsten zwei Jahre
erhöhen“. Der Unterschied zwischen der Unternehmensmission und den strategischen Ziel-
vorgaben liegt darin, dass die Mission die Philosophie, die Richtung und den Weg des Unter-
nehmens im Ganzen vorgibt, während die strategischen Zielvorgaben objektiv messbare Grö-
ßen sind.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans
erscheinen die zahlreichen überdachten Freizeitparks, wie sie zum Beispiel die Center-Park-
Gruppe oder viele regionale Betreiber anbieten, den Verhältnissen in Mittel- und Nordeuropa
besser angepasst.
Interne Analyse Die interne Analyse widmet sich dem Unternehmen selbst und umfasst
dessen gesamte „Wertschöpfungskette“, wie sie von Michael Porter beschrieben wird. Diese
interne Analyse beinhaltet die grundsätzlichen Primäraktivitäten, die dem Warenstrom oder
der Dienstleistungserstellung im Unternehmen folgen: Beschaffungs- und Eingangslogistik,
alle vorgenommenen Verrichtungen der Leistungserstellung, Ausgangslogistik, Marketing
und Vertrieb sowie Kundendienst. Im Rahmen dieser Bestandsaufnahme erfolgt auch eine
Analyse der betrieblichen Unterstützungsfunktionen, auf denen die Primäraktivitäten basie-
ren: Beschaffung aller Industriegüter, Weiterentwicklung der angewendeten Technologien,
Personalbeschaffung und Personalentwicklung, schließlich die technologische, bautechni-
sche und organisatorische Infrastruktur des Unternehmens im weitesten Sinne. Alles, was
das Unternehmen koordinieren und bestimmen kann, wie zum Beispiel auch das Händler-
netz eines Automobil-Importeurs, gehört zu dieser Infrastruktur. Obwohl einige dieser Funk-
tionen über das Marketing hinausgehen, wird die Marketingstrategie von diesen Größen
bestimmt.
Inwieweit eine spezielle Konfiguration der Wertschöpfungskette zu Wettbewerbsvorteilen
führen kann, zeigt das nachfolgende Beispiel der Einzelhandelskette Zara.
Der Textilhersteller Zara ist die bekannteste internationale Einzelhandelskette des spa-
nischen Kleidungsherstellers Inditex. Als einer der größten weltweit tätigen Modekon-
zerne ist Inditex in 94 Ländern in Europa, Amerika, Asien und Afrika mit verschiede-
nen Einzelhandelsketten vertreten. Neben Zara gehören sieben weitere Handelsketten
dem Konzern an. Die drei größten Mitbewerber der Einzelhandelskette sind GAP, Benet-
ton und H&M. Weltweit gibt es über 2.200 Zara-Filialen. Im Jahr 2007 erzielte Inditex
noch einen Umsatz von 9,4 Milliarden Euro, 66,4 Prozent davon wurden durch Zara
erwirtschaftet. 2017 waren es bereits 23,3 Milliarden Euro. Dieser enorme Erfolg der
Einzelhandelskette ist auf die Gestaltung ihres Geschäftssystems und ihrer Wertschöp-
fungskette zurückzuführen. Das Besondere an diesem System ist, dass Zara die gesamte
Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Verkauf selbst unter Kontrolle hat.
Damit kann Zara Modetrends sehr schnell aufgreifen und kurzfristig auf den Markt
reagieren. Der Wettbewerbsvorteil des Systems liegt in der vertikalen Integration der
Vorstufen, was flexible und schnelle Kollektionswechsel ermöglicht.
Beinahe die Hälfte der Ware, insbesondere die mode- und zeitkritischen Artikel, wird in
eigenen Fertigungsstätten in Europa hergestellt. Dadurch kann Zara auf Nachfrage-
schwankungen kurzfristig durch eine Ausweitung oder Reduktion der Produktion
reagieren. Der restliche Teil der Produktion wird ausgelagert, wobei dies meist trendun-
abhängige Artikel betrifft. So produziert Zara etwa 20.000 unterschiedliche Artikel im
Laufe eines Jahres, die Hauptkonkurrenten hingegen lediglich 2.000 bis 4.000. Zara
benötigt für den Entwurf, die Herstellung und die Auslieferung eines neuen Artikels nur
vier bis fünf Wochen und bei bereits bestehenden Produkten für Nachbestellung und
Lieferung sogar nur zwei Wochen.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
In einer Branche, in der die Lagerkosten hoch sind und Zyklen von bis zu sechs Mona-
ten für einen Entwurf und drei Monaten für die Produktion als notwendig gelten, stellt
dies einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Dieser kurze Produktions- und Lie-
ferzyklus ermöglicht die fortlaufende Herstellung neuer Ware sogar innerhalb der halb-
jährlichen Verkaufssaison. Daher muss Zara sich erst viel später als seine Schlüsselkon-
kurrenten auf eine Produktlinie für die kommende Saison festlegen. So führt das
Unternehmen 35 Prozent des Produktentwurfs und des Einkaufs von Rohstoffen, 40 bis
50 Prozent des Einkaufs von Fertigwaren externer Lieferanten sowie 85 Prozent der
betriebsinternen Produktion erst durch, nachdem die Saison begonnen hat.
Zara schneidet Stoffe im eigenen Betrieb zu und sendet den Entwurf an einen von hun-
dert lokalen Partnern zur Näharbeit. Deren Maschinen produzieren bis zu 80.000 Teile
pro Stunde, sortieren, etikettieren und verpacken die Ware. Schließlich werden die Fili-
alen per Lkw oder per Schiff bzw. Flugzeug mit den fertigen Kleidungsstücken beliefert.
Zara verfügt hierfür über eine große Distributionszentrale in Nordwest-Spanien. Diese
Vertriebsbasis durchlaufen sämtliche Artikel mit einer Lagerzeit von maximal drei
Tagen. Von dort aus wird die Ware zweimal pro Woche in die einzelnen Filialen ausge-
liefert. Durch das zentralisierte Distributionssystem kann das Unternehmen die Lager-
kosten minimieren und Nachbestellungen schnell durchführen.
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2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans
Zara gewinnt so einen Zeitvorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern, die ihre Ware aus
Kostengründen häufig in Fernost produzieren lassen. In den USA überlegen erste
Bekleidungshersteller und Händler, ihre Produktion aus dem Ausland zurückzuholen.
Dadurch steigen zwar die Kosten, aber man gewinnt an Flexibilität und Schnelligkeit,
was in der Modebranche immer wichtiger wird. Der Verkauf bildet nicht den Schluss-
punkt der Wertschöpfungskette, sondern ist eine wichtige Informationsquelle für die
Designteams von Zara. Informationen über die Kunden bezüglich Modelle und Farben
werden in den Läden gesammelt und anschließend telefonisch der Designabteilung
übermittelt. Unter Einbeziehung von Trendanalysen entstehen so die Entwürfe für neue
Modelle.
Inlandsfertigung zahlt sich aus Die Strategie der schnellen Produktion zahlt sich für
den Konzern Inditex aus. Im Geschäftsjahr 2017 beispielsweise stieg der Umsatz um 12
Prozent auf 23,3 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Der Gewinn stieg um 10
Prozent auf 3,16 Milliarden Euro im selben Bilanzjahr. Das gute Ergebnis wurde größ-
tenteils durch die Marke Zara bewirkt, die 2017 Platz 34 der 100 weltweit wertvollsten
Marken innehatte. Darüber hinaus gehören zu Inditex auch Ketten wie z.B. Oysho,
Bershka, Stradivarius, Massimo Dutti, Pull and Bear und Uterqüe. Hinzu kommt mit
„Zara Home“ die erste Kette, die keine Kleidungsstücke verkauft. Jede dieser Ketten
nutzt ebenfalls die vertikale Integration. Es hat sich also für Zara nicht nur ausgezahlt,
der schnellste Textilhändler zu sein, das Unternehmen hat auch die Modewelt komplett
umgekrempelt. Zara hat den Weg freigemacht für günstigere Mode und den Wettbe-
werbsdruck auf Modemarken im mittleren und sogar im gehobenen Preissegment ver-
stärkt.
Quellen:
Finkenzeller, K., Hart & Schnell, in: Financial Times Deutschland, 12. Oktober 2005, S. 29;
Inditex, Webseite von Inditex unter: www.inditex.com [30.04.2015];
Mazaira, A., González, E., Avendaño, R., The role of market orientation on company performance
through the development of sustainable competitive advantage: the Inditex-Zara case, in: Marketing
Intelligence & Planning, Volume 21, Number 4 2003, S. 220–229;
https://de.statista.com/themen/1636/inditex-und-zara/ [03.02.2018]
www.textilzeitung.at/news/detail/erfolgsjahr-fuer-inditex.html [03.02.2018]
http://brandz.com/charting/29 [03.02.2018]
Um die interne Situation eines Unternehmens und deren Entwicklung zu verstehen, ist es
darüber hinaus unerlässlich, eine genaue und ehrliche Analyse der Bilanz und der Gewinn-
und Verlustrechnung vorzunehmen. Dies sind die beiden zentralen Finanzberichte in einem
Unternehmen. Die Bilanz zeigt die Vermögenswerte, die Verbindlichkeiten und den Wert
eines Unternehmens zu einem gegebenen Zeitpunkt. Die Gewinn- und Verlustrechnung ist
für die Zwecke des Marketings noch aussagekräftiger als die Bilanz. Sie weist Periode für
Periode die Umsätze, die entstandenen Kosten für die verkaufte Ware und die übrigen Ausga-
ben aus. Günstige oder ungünstige Entwicklungen lassen sich an der Gewinn- und Verlust-
rechnung erkennen, sodass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
104
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans
Die unterschiedlichen Risiken, die das Unternehmen bedrohen, haben weder die gleiche
Intensität noch das gleiche Gefahrenpotenzial. Sie unterscheiden sich auch im Hinblick auf
ihre Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Geschäftsleitung muss die Risiken diesbezüglich ein-
schätzen können und für die wichtigsten Bedrohungssituationen Reaktions- und Abwehr-
konzepte erarbeiten.
Ein neuer Trend oder eine neue Entwicklung kann für ein Unternehmen eine Bedrohung
oder aber auch eine Chance sein. Dies hängt davon ab, wo die Stärken und Schwächen des
Unternehmens liegen. Chancen ergeben sich insbesondere, wenn die Veränderung des
Umfelds einer Stärke des Unternehmens entgegenkommt. Eine unerwartete Chance kann
sich z.B. auch aus neuen Gesetzen ergeben. Die verschärfte Umweltgesetzgebung mag für
manchen Unternehmer, der ökologisch unbedenkliche Produkte oder Neuerungen anbietet,
verbesserte Absatzchancen bedeuten.
Ein vorausschauender Unternehmer sollte jede Gelegenheit, die sich bietet, überprüfen und
sie in Bezug auf ihre potenzielle Attraktivität und unternehmensspezifische Erfolgswahr-
scheinlichkeit abschätzen. Die Entstehung von Chancen ist meist auch mit Risiken verbun-
den. Eine Chance, die exakt zu den Zielen und Ressourcen des Unternehmens passt, ist eher
selten. Bei der Beurteilung von Chancen muss das Management daher entscheiden, ob die zu
erwartenden Erträge die Risiken rechtfertigen.
105
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Portfolio-Analyse
Die Gesamtheit der Produktlinien und Geschäftsfelder eines Unternehmens wird auch als
dessen Geschäftsportfolio bezeichnet. Die Definition, Abgrenzung und Gewichtung der ein-
zelnen Geschäftsfelder bilden die Nahtstellen zwischen der Gesamtstrategie des Unterneh-
mens und den Strategien der einzelnen organisatorischen Teileinheiten. Die Portfolio-Ana-
lyse unterstützt das Management dabei, die unternehmensspezifischen Geschäftstätigkeiten
zu beurteilen und zu steuern. Ein optimales Portfolio passt die Stärken und Schwächen des
Unternehmens an die Geschäftsmöglichkeiten des Umfelds an. Es gilt zunächst, das beste-
hende Geschäftsportfolio zu untersuchen, um dann zu entscheiden, welche Bereiche mehr,
welche weniger oder welche keine Finanzmittel erhalten sollen.
Die Intention der Portfolio-Analyse ist es, den zukunftsträchtigsten Geschäftsfeldern weitere
Ressourcen zuzuführen und andererseits ausgesprochen schwache Bereiche auf das Nötigste
zu reduzieren oder aufzugeben. Lange Jahre galt „Diversifikation“ als das Zauberwort für
erfolgreiche Unternehmensführung. Im Rahmen der Portfolio-Analyse kann es sich aller-
dings herausstellen, dass ein vor Jahren im Zuge dieser Diversifizierung aufgekaufter
Pharma- und Kosmetikbereich in einem Automobilkonzern nur noch wie das fünfte Rad am
106
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans
Wagen nebenher mitläuft, ohne Gewinne, ohne starke Position am Markt und ohne jegliche
Synergie-Effekte mit den anderen Geschäftsfeldern. Hier wäre es sicher die richtige Entschei-
dung, diesen Geschäftsbereich zu verkaufen und die erzielten Mittel in das Kerngeschäft
(Pkw, Lkw, Busse) oder in die Entwicklung von damit verbundenen Zukunftstechnologien
(Datentechnik im Fahrzeug, Leitsysteme, neue Antriebe) zu investieren.
Identifikation der einzelnen strategischen Geschäftsfelder Die Analyse sollte zunächst die
wichtigsten Aktivitäten des Unternehmens benennen. Diese Aktivitäten können als strategi-
sche Geschäftseinheiten bezeichnet werden. Jede dieser strategischen Geschäftseinheiten
(SGE) ist eine Teileinheit des Unternehmens mit separaten Zielen, die unabhängig von ande-
ren Geschäftseinheiten definiert werden können. Eine SGE kann ein Unternehmensbereich,
eine Produktlinie innerhalb eines Unternehmensbereichs oder manchmal auch ein Einzel-
produkt oder eine einzelne Marke sein.
Beurteilung der Zukunftsaussichten der strategischen Geschäftseinheiten Nachdem diese
SGE benannt sind, muss die Unternehmensführung die Bedeutung und die Zukunft der ein-
zelnen strategischen Geschäftsfelder bewerten und Entscheidungen darüber treffen, in wel-
chem Umfang die einzelnen SGE unterstützt werden sollen. In vielen Unternehmen mag dies
ohne formalen Entscheidungsprozess stattfinden. Die Unternehmensleitung diskutiert, wie
der Stand und die Zukunftsperspektiven der einzelnen Geschäftseinheiten zu beurteilen
sind. Andere Unternehmen benutzen strikt formalisierte Portfolio-Analysemethoden.
Der Zweck der strategischen Planung ist es, Wege zu finden, wie das Unternehmen am besten
seine Stärken einsetzen kann, um attraktive Geschäftsmöglichkeiten in seinem Umfeld zu
nutzen. Die meisten Methoden zur Analyse des Geschäftsportfolios bewerten SGE deshalb
nach zwei Kriterien: nach der Attraktivität des Markts oder der Branche der SGE und nach
der Position, die die SGE in diesem Markt oder in dieser Branche einnimmt. Die bekanntes-
ten Methoden zur Geschäftsportfolio-Planung sind die der Unternehmensberatung Boston
Consulting Group und die von General Electric.
Die Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix nach der Boston Consulting Group Ein Unter-
nehmen, das den Ansatz der Boston Consulting Group anwendet, untersucht seine SGE dar-
aufhin, welche Position sie innerhalb der zweidimensionalen Marktwachstums-/Marktan-
teils-Matrix einnehmen. Auf der y-Achse misst das Wachstum des jeweiligen Teilmarkts die
Marktattraktivität. Die x-Achse zeigt den relativen Marktanteil, den ein Unternehmen in die-
sem Markt erreicht hat und spiegelt damit dessen Stärke wider. Mithilfe dieses Vorgehens
lassen sich die SGE in vier Typen einteilen:
1. Stars Stars sind geschäftliche Aktivitäten oder Produkte mit hohen Wachstumsraten, bei
denen das Unternehmen einen hohen Marktanteil hat. Häufig sind sehr hohe Investitionen
nötig, um das rapide Wachstum dieser SGE zu finanzieren. Verlangsamt sich das Wachstum,
können aus Stars Cash Cows werden.
2. Cash Cows So werden in der Boston-Consulting-Matrix Produkte oder Leistungen mit
hohem Marktanteil bei niedrigen Wachstumsraten bezeichnet. Für diese etablierten und
erfolgreichen SGE benötigt man nur geringe Investitionen, um den Marktanteil halten zu
können. Sie erbringen hohe Umsätze und Gewinne, die sich verwenden lassen, um neue
oder schwache SGE zu stützen und um die Existenz insgesamt zu sichern.
3. Question Marks Question Marks sind SGE mit derzeit niedrigen Marktanteilen in schnell
wachsenden Märkten. Sie benötigen Finanzmittel, um ihren Marktanteil zu halten oder ihn
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
auszubauen. Die Unternehmensleitung muss diese Question Marks genau prüfen und ent-
scheiden, ob sie zu Stars ausgebaut werden können oder ob man sie lieber aufgeben sollte.
4. Poor Dogs SGE dieses Typs haben keinen nennenswerten Marktanteil in Märkten mit nied-
rigem Marktwachstum. Im günstigsten Fall bringen sie genug Geld ein, um sich selbst zu
erhalten, aber sie versprechen keine großen Gewinne. Es gilt deshalb zu überlegen, ob man
solche SGE besser aufgibt.
Die Kreisflächen in der Matrix zeigen die Positionen von zehn SGE eines Unternehmens. Das
Unternehmen hat zwei Stars, zwei Cash Cows, drei Question Marks und drei Poor Dogs. Die
Flächen der Kreise in Abbildung 2.4 sind proportional zu dem Anteil der SGE am gesamten
Umsatz. Dieses Unternehmen ist in einem annehmbaren, aber nicht in einem guten Zustand.
Es wird voraussichtlich in die aussichtsreichen Question Marks investieren, um Stars aus
ihnen zu machen, und die Stars behalten, um sie zu gegebener Zeit in Cash Cows überführen
zu können. Glücklicherweise hat dieses Unternehmen auch noch zwei Cash Cows im Portfo-
lio. Damit kann es die Question Marks, die Stars und die Poor Dogs finanzieren. Das Gesamt-
bild sähe schlechter aus, wenn das Unternehmen keine Stars hätte oder zu viele Poor Dogs
bzw. wenn es nur eine schwächliche und kränkelnde Cash Cow hätte.
Relativer Marktanteil
Hoch Niedrig
Sobald man seine Geschäftseinheiten in diese Kategorien eingeteilt hat, muss man entschei-
den, welche Rolle jede SGE in der Zukunft spielen soll. Es stehen vier strategische Alternati-
ven zur Wahl. Das Unternehmen kann derart in die SGE investieren, dass es seinen Marktan-
teil in diesem Geschäftsfeld ausbauen kann. Es kann auch auf Investitionen verzichten bzw.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans
die Investitionen auf einem Niveau halten, sodass sich der Marktanteil gerade halten lässt.
Ferner kann man eine bestehende SGE ausnehmen oder abernten, wenn man, ohne auf die
Langzeitwirkungen zu achten, Finanzmittel aus einem Geschäftsfeld abzieht. Schließlich
kann eine SGE aufgelöst werden, indem sie verkauft bzw. stillgelegt wird, um die Ressourcen
an anderer Stelle einzusetzen.
Im Zeitablauf ändern die SGE ihre Positionen in der Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix.
Jede SGE hat einen eigenen Lebenszyklus. Viele SGE beginnen als Question Marks und stei-
gen bis in die Kategorie der Stars auf, soweit sie Erfolg haben. Sie wandeln sich in Cash Cows
um, wenn sich das rapide Wachstum der ersten Zeit verlangsamt. Schließlich verschwinden
sie oder sie dämmern noch einige Zeit als Poor Dogs am Ende ihres Lebenszyklus dahin. Ein
Unternehmen sollte laufend neue Produkte und neue SGE zu seinem Portfolio hinzufügen,
mit dem Ziel, dass sich möglichst einige davon zu Stars entwickeln und schließlich Cash
Cows werden, die dann andere SGE mitfinanzieren können.
Schwächen der Matrix-Modelle Die BCG-Matrix und andere formale Ansätze haben die
strategische Planung revolutioniert. Diese zentralisierten Methoden haben jedoch ihre Gren-
zen. Sie können kompliziert, zeitaufwendig und kostspielig sein. Für die Unternehmenslei-
tung sind die Ermittlung strategischer Geschäftseinheiten sowie die Messung von Marktan-
teilen und Wachstum möglicherweise schwierig. Daneben konzentrieren sich die Methoden
auf die Einteilung bestehender Geschäftsfelder, bieten aber wenig Hilfestellung für künftige
Planungen.
Daher sehen viele Unternehmen von den formal ausgerichteten Matrixansätzen ab und grei-
fen stattdessen auf genauere Methoden zurück, die sich besser auf konkrete Situationen
anwenden lassen. Außerdem sind strategische Planungen im Gegensatz zu früher, als sich
hauptsächlich die Geschäftsführer in den Unternehmenszentralen damit befassten, heute
eine dezentrale Aufgabe. Immer mehr Unternehmen übertragen die Verantwortung für strate-
gische Planung an abteilungsübergreifende Teams aus Bereichsleitern, die näher an ihren
jeweiligen Märkten sind.
Denken Sie an die Walt Disney Company. Für die meisten Europäer steht Disney für Freizeit-
parks und Familienunterhaltung. Doch Mitte der 1980er-Jahre schuf Disney einen starken
zentralisierten Bereich für strategische Planung, um Ausrichtung und Wachstum des Unter-
nehmens zu steuern. Dieses strategische Planungsressort machte The Walt Disney Company
in den folgenden zwei Jahrzehnten zu einem riesigen und vielfältigen Medien- und Unterhal-
tungskonzern. Das Unternehmen erschloss immer neue Geschäftsfelder, von Themenparks
und Filmstudios (Walt Disney Pictures, Touchstone Pictures, Pixar Animation und Marvel
Studios) über Medien-Netzwerke (ABC Television plus ESPN, Disney Channel, Teile von
A&E und dem History Channel sowie einem halben Dutzend weiterer) bis zu Konsumgütern
(Bekleidung, Spielwaren Computerspiele) und sogar einem Kreuzfahrtschiff.
Dieser neue Konzern erwies sich als schwer zu steuern und zeigte keine gleichbleibend guten
Ergebnisse. Um die Leistungen zu verbessern, löste Disney die zentrale Abteilung für strate-
gische Planung auf und übertrug deren Aufgaben dezentral an die Bereichsleiter des Unter-
nehmens. In der Folge konnte sich Disney an der Spitze der weltweiten Medien-Großkon-
zerne behaupten. Selbst in der schwachen Wirtschaftsphase war Disney mit seinem
fundierten strategischen Management der vielfältigen Geschäftsfelder – und natürlich einem
Hauch der berühmten Disney-Magie – weitaus erfolgreicher als konkurrierende Medien-
Unternehmen.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Bestehende Neue
Produkte Produkte
Bestehende
Marktdurchdringung Produktentwicklung
Märkte
Neue
Marktentwicklung Diversifikation
Märkte
Am Beispiel von Mercedes-Benz soll gezeigt werden, welche Marketingmaßnahmen den ein-
zelnen Feldern der Produkt-Markt-Matrix zugeordnet werden können.
Marktdurchdringung Die Marktdurchdringungsstrategie beschreibt den verstärkten Einsatz
von Marketingaktivitäten mit dem Ziel, bestehende Produkte auf angestammten Märkten zu
unterstützen und so deren Marktanteil und Marktvolumen auszubauen. Die Einführung einer
neuen, innovativen S-Klasse kann als Beispiel für ein solches Vorgehen gelten.
Marktentwicklung Die Marktentwicklungsstrategie zielt darauf ab, mit bestehenden Pro-
dukten in neue Märkte einzutreten, um zusätzliches Absatzpotenzial zu erschließen. Dieses
Ziel verfolgte Mercedes-Benz beispielsweise mit der Einführung der A-Klasse in Japan.
Produktentwicklung Mit der Produktentwicklungsstrategie verfolgt man das Ziel, den
Umsatz auf bestehenden Märkten mit neuen Produkten zu sichern bzw. auszuweiten. So ent-
wickelte Mercedes-Benz die neue R-Klasse speziell für den europäischen Markt in einer kur-
zen und für den amerikanischen Markt in einer langen Version.
Diversifikation Mit der Strategie der Diversifikation begibt sich ein Unternehmen auf neue
Betätigungsfelder. Mit der Einführung des Stadtautos smart wurde eine eigene Marke etabliert,
um eine möglichst weit gehende Abgrenzung von der Marke mit dem „Stern“ zu gewährleisten.
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2.4 Die Rolle des Marketings in der strategischen Planung
Unternehmen entwickeln jedoch nicht nur Strategien, die das Wachstum fördern. Manchmal
kann es auch notwendig sein, das Portfolio zu verkleinern und Umsatz aufzugeben (Ver-
schlankung). Es gibt viele Gründe, weshalb ein Unternehmen ein Produkt oder sogar ganze
Märkte aufgibt. Das Unternehmen ist beispielsweise zu schnell gewachsen und in Bereiche
vorgedrungen, in welchen es noch zu wenig Erfahrung aufweist, um neben der Konkurrenz
bestehen zu können. Das kann vorkommen, wenn ein Unternehmen zu viele internationale
Märkte erschließt, ohne zuvor die notwendigen Informationen eingeholt zu haben, oder
wenn man neue Produkte eingeführt hat, die keinen ausreichenden Kundennutzen bieten.
Das Marketingumfeld kann sich verändern, wodurch manche Produkte und Märkte immer
weniger profitabel werden. So geben Unternehmen in wirtschaftlich schweren Zeiten weni-
ger profitable Produkte oder Märkte auf und konzentrieren ihre Ressourcen auf erfolgverspre-
chende Bereiche. Schließlich werden manche Produkte oder Marktnischen einfach alt und
sterben aus.
Wenn ein Unternehmen feststellt, dass eine Marke nicht mehr profitabel ist oder nicht mehr
zur Unternehmensstrategie passt, sollte man die Mittel für sie kürzen, sie aufgeben oder ver-
äußern. Schwache Geschäftseinheiten benötigen ein unverhältnismäßig hohes Maß an Auf-
merksamkeit des Managements. Dieses sollte sich auf zukunftsträchtige Produkte und Märkte
konzentrieren und sich nicht in die Rettung von jenen verrennen, die kaum Erfolg verspre-
chen.
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
1. Marketing ist eine Leitlinie oder Philosophie für die gesamte Tätigkeit des Unterneh-
mens. Da das Marketing die wichtigsten Kundengruppen identifiziert und die Unterneh-
mensstrategie sich um die Befriedigung der Bedürfnisse dieser Kunden dreht, stellt es ein
Leitkonzept für die gesamte Unternehmenstätigkeit dar.
2. Marketing liefert Input für strategische Entscheidungen. Das Marketing liefert Input für
die strategische Planung, indem neue attraktive Marktchancen aufgespürt werden und den
Planern die Möglichkeit gegeben wird, gegenwärtige und künftige Potenziale des Unterneh-
mens daraufhin zu überprüfen, wie es hieraus Vorteile erlangen könnte.
3. Marketing unterstützt die Zielerreichung der einzelnen Geschäftseinheiten mit konkreten
Strategien. Für die einzelnen Geschäftseinheiten erarbeitet das Marketing konkrete Strate-
gien, die es ermöglichen, die Zielvorgaben zu erfüllen. Für jede Geschäftseinheit des Unter-
nehmens entscheiden die Verantwortlichen im Marketing, wie sie mit konkreten Maßnah-
men zur Zielerreichung beitragen können. Dabei besteht das Ziel nicht immer darin, den
Umsatz zu steigern. Es kann auch darum gehen, existierende Umsätze mit einem geringeren
Marketingbudget aufrechtzuerhalten oder sogar die Nachfrage zu senken. Die Aufgabe des
Marketings ist es daher, das Potenzial jeder Geschäftseinheit zu ermitteln, Zielvorgaben für
sie zu finden und zu spezifizieren und diese Ziele zu erreichen.
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2.4 Die Rolle des Marketings in der strategischen Planung
ting-Manager zur Schaffung von Kundennutzen bei. Doch die Werbeabteilung braucht auch
die Unterstützung der anderen Fachbereiche. ALDIs Fähigkeit, die richtigen Produkte zu
günstigen Preisen anbieten zu können, hängt von der Kompetenz der Einkäufer ab, die richti-
gen Lieferanten auszuwählen und die günstigsten Konditionen auszuhandeln. Die IT-Abtei-
lung muss schnelle und genaue Informationen darüber bereitstellen, welche Produkte sich in
welchen Filialen wie verkaufen. Und die Verkaufsteams müssen eine effektive, kostengüns-
tige Warenabwicklung gewährleisten. Die Wertschöpfungskette eines Unternehmens ist
immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Erfolg hängt von der Leistung jeder Abteilung
in Bezug auf den Kundenmehrwert sowie von der Koordination der Aktivitäten einzelner
Ressorts ab. Können die Einkäufer nicht die günstigsten Konditionen beim Lieferanten aus-
handeln oder können die Verkaufsmitarbeiter die Waren nicht zu den niedrigsten Kosten ver-
teilen, dann kann auch die Marketingabteilung das Versprechen von unschlagbar niedrigen
Preisen – den „ALDI-Preisen“ – nicht einhalten.
Jede Abteilung in einem Unternehmen hat Vorstellungen darüber, welche Zielgruppe und wel-
che Aktivitäten am wichtigsten sind. Die Produktion konzentriert sich auf Lieferanten und Fer-
tigungsabläufe. Die Abteilung Finanzen bemüht sich um die Aktionäre und um seriöse Investi-
tionen. Die Marketingabteilung hebt Verbraucher und Produkte, Preise, Werbemaßnahmen und
die Distribution hervor. Im Idealfall bringen diese verschiedenen Blickrichtungen eine opti-
male Zufriedenstellung des Kunden mit sich. In der täglichen Praxis sind die Beziehungen
zwischen den einzelnen Abteilungen jedoch von Missverständnissen und Konflikten geprägt.
Wenn sich zum Beispiel die Marketingabteilung den Standpunkt des Kunden zu eigen macht,
kann das bedeuten, dass die anderen Abteilungen in ihren Interessen zurückstecken müssen.
Vorgaben der Marketingabteilung im Sinne der Kunden können die Beschaffungskosten erhö-
hen, Produktionsabläufe durcheinanderbringen, Lagerbestände erhöhen und Probleme mit den
Finanzen verursachen. Aus diesem Grund kann eine starke innerbetriebliche Opposition aus
den anderen Abteilungen gegenüber dem Marketing entstehen.
Trotz dieser Widerstände muss das Marketing andere Abteilungen dahin bringen, stets im
Interesse des Kunden zu denken und diesen in den Mittelpunkt aller Aktivitäten zu stellen.
Die Zufriedenstellung des Kunden erfordert die Anstrengung des ganzen Unternehmens, um
den Zielgruppen den höchstmöglichen Gegenwert zu bieten.
Kundenwert zu schaffen ist viel mehr als nur eine „Marketingtätigkeit“. Ähnlich wie bei
einem großen Sinfonieorchester, in dem auch einige Untergruppen unter der Gesamtleitung
eines Dirigenten spielen, müssen alle ihren Beitrag zum Gelingen leisten. An einem Angebot,
das die Kunden überzeugt, sind alle Abteilungen beteiligt, nicht nur eine einzelne.
113
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
händler und natürlich auch Kunden –, um die Leistungsfähigkeit des eigenen Wertschöp-
fungsnetzwerks zu optimieren.
Wettbewerb findet in den modernen Märkten nicht mehr nur zwischen einzelnen Konkur-
renten statt, sondern innerhalb des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks, das die konkurrie-
renden Unternehmen zur Erzeugung von Kundennutzen aufgebaut haben. Will Citroën z.B.
erfolgreicher sein als Ford, muss auch das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk von Citroën
effektiver sein als das von Ford. Selbst wenn Citroën die besten Autos baut, können Marktan-
teile verloren gehen, wenn das Händlernetzwerk von Ford bei den Verkaufszahlen und dem
Service in der Kundenzufriedenheit vorn liegt.
Absatzmittler Wettbewerber
Produkt
Zi est
el le
f
gr ge
up n
pe
Platzie- Kundennutzen
rung und Preis
-beziehung
Promotion
Lieferanten Öffentlichkeit
Die Kunden stehen im Mittelpunkt. Das Ziel besteht darin, einen Kundennutzen zu schaffen
und profitable Kundenbeziehungen aufzubauen. Anschließend wird die Marketingstrategie
entwickelt – die Logik im Marketing, mittels derer das Unternehmen auf die Erschaffung von
Kundennutzen hinarbeitet und den Aufbau profitabler Kundenbeziehungen erreichen soll.
114
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2.5 Marketingstrategie und Marketing-Mix
Kundensegmentierung
Der Markt besteht aus vielen verschiedenen Typen von Kunden, Produkten und Bedürfnis-
sen. Marketingverantwortliche müssen bestimmen, welche Segmente das größte Potenzial
bieten. Konsumenten können auf verschiedene Arten in Gruppen zusammengefasst und
dementsprechend bedient werden: geografisch, demografisch, psychografisch und verhalten-
sorientiert. Den Prozess, bei dem der Markt in eindeutige Käufergruppen unterteilt wird, die
jeweils unterschiedliche Bedürfnisse, Merkmale oder Verhaltensweisen aufweisen und gege-
benenfalls verschiedene Produktangebote und Marketingprogramme erfordern, nennt man
Kundensegmentierung. In jedem Markt gibt es Kundensegmente, aber nicht alle Kundenseg-
mentierungsmöglichkeiten sind gleichermaßen sinnvoll. Ein Kundensegment besteht aus
Verbrauchern, die auf ähnliche Weise auf Marketingbemühungen reagieren. In der Automo-
bilbranche bilden beispielsweise Verbraucher ein Kundensegment, die sich, unabhängig vom
Preis, die größten und komfortabelsten Autos wünschen. Verbraucher, die sich hingegen nur
für den Preis und die laufenden Kosten interessieren, bilden ein weiteres Segment. Es wäre
schwierig, ein Automodell zu entwickeln, das die erste Wahl für die Verbraucher beider Seg-
mente wäre. Unternehmen sind gut beraten, ihre Anstrengungen auf die Befriedigung der
individuell ausgeprägten Bedürfnisse ausgewählter Kundensegmente zu fokussieren.
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Marktauswahl
Nachdem ein Unternehmen seine Kundensegmente definiert hat, kann es eines oder mehrere
dieser Segmente gezielt ansprechen. Die Marktauswahl enthält die Beurteilung der Attrakti-
vität eines jeden Kundensegments und die Auswahl eines oder mehrerer Segmente. Ein
Unternehmen sollte diejenigen Segmente auswählen, in denen es den größten Kundennutzen
profitabel generieren und über eine längere Zeit aufrechterhalten kann. Ein Unternehmen
mit begrenzten Ressourcen sollte sich besser nur für ein Segment oder wenige, spezielle Seg-
mente oder Marktnischen entscheiden. Solche Nischen sind Kundensegmente, die von gro-
ßen Wettbewerbern übersehen oder ignoriert werden. Beispielsweise verkauft Ferrari jährlich
nur 450 seiner Hochleistungsfahrzeuge in Großbritannien, diese jedoch zu sehr hohen Prei-
sen. Diese Preise reichen von 160.000 Euro für den Ferrari F430 F1 Spider Cabriolet bis hin
zu 1,4 Millionen Euro für einen Ferrari FXX, welcher nur auf Rennstrecken gefahren werden
kann. Die meisten Marktnischen sind jedoch nicht derart exotisch. Die Tetra GmbH stellt Pro-
dukte für Aquaristik und Teiche her. Mit den Tetramin-Flocken dominiert der Anbieter den
Fischfuttermarkt. Alternativ könnte sich ein Unternehmen dazu entschließen, mehrere in
Beziehung zueinander stehende Kundensegmente zu bedienen, die verschiedene Kundenty-
pen mit dem gleichen grundsätzlichen Wunsch enthalten. Abercrombie & Fitch zielt bei-
spielsweise auf Studenten, Teenager und Kinder mit denselben Ansprüchen an Kleidung
und Accessoires ab. Hierzu zählen die Marken Abercrombie & Fitch, Hollister, Gilly Hicks
und Abercrombie. Ein großes Unternehmen könnte sich auch dazu entscheiden, ein vollstän-
diges Produktportfolio für alle Kundensegmente anzubieten. Große Automobilkonzerne wie
BMW und Volkswagen verfolgen diesen Ansatz.
Die meisten Unternehmen treten in einen neuen Markt ein, indem sie zunächst ein einzelnes
Segment bedienen. Wenn sie darin Erfolg haben, folgt der Eintritt in weitere Kundenseg-
mente. So startete Nike zum Beispiel mit innovativen Laufschuhen für ambitionierte Läufer.
Große Unternehmen streben schließlich eine umfassende Marktabdeckung an. So produziert
und verkauft Nike heutzutage eine breite Auswahl an Sportprodukten für jedermann, um
„Athleten auf jeder Stufe ihrer Fähigkeiten zur Ausschöpfung ihrer Potenziale zu verhelfen“.
Nike hat verschiedene Produkte entworfen, um die speziellen Bedürfnisse der Kunden in
jedem bearbeiteten Segment zu bedienen.
116
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2.5 Marketingstrategie und Marketing-Mix
Eine effektive Positionierung beginnt mit der Differenzierung des Marktangebots (differenzier-
tes Marketing) eines Unternehmens, aus der sich ein höherer Nutzen für die Verbraucher ergibt.
Zur Positionierung eines Produkts identifiziert das Unternehmen zunächst eigene Stärken, auf
welche die Position gestützt werden kann. Ein Unternehmen kann einen größeren Kundennut-
zen erreichen, indem es einen günstigeren Preis als die Konkurrenz ansetzt oder zusätzliche
Vorteile anbietet, die einen höheren Preis rechtfertigen. Wenn man jedoch einen großen Nutzen
verspricht, muss man dieses Versprechen auch einhalten. Sobald sich ein Unternehmen für
eine gewünschte Position entschieden hat, muss es große Anstrengungen unternehmen, um
diese Positionierung an die Zielgruppe zu überliefern und zu kommunizieren. Das gesamte
Marketingprogramm sollte die gewählte Positionierungsstrategie unterstützen.
Produkt Preis
Varianten Listenpreise
Qualität Rabatte
Design Nachlässe
Ausstattung Zahlungsziel
Markenname Kundenkredit
Verpackung
Kundendienst
Der Zielmarkt:
Die Positionierung
Promotion Platzierung
Werbung Vertriebskanäle
Sonderaktionen Marktabdeckung
Außendienst Sortiment
Bekanntheit Angebotsorte
Lagerhaltung
Transport
Das Produkt
Das Produkt beinhaltet die Gesamtheit aus Gütern und Dienstleistungen, die ein Unterneh-
men auf dem Zielmarkt anbietet. Ein Automobil zum Beispiel besteht aus Schrauben, Mut-
tern, Zündkerzen, Kolben, Scheinwerfern, Scheiben und vielen anderen Teilen. Daraus
bauen die Automobilhersteller Fahrzeuge in unterschiedlichen Karosserie- und Ausstat-
tungsvarianten und mit vielen zusätzlichen Ausstattungsdetails. Das Auto wird fahrbereit
geliefert, eine umfassende Garantie gehört dazu und, wenn der Käufer es wünscht, auch ein
117
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Der Preis
Der Preis ist das, was die Kunden für das Produkt bezahlen. Die Hersteller empfehlen Ver-
kaufspreise, aber selten kann ein Händler den vollen Preis durchsetzen. In der Regel wird der
Preis mit dem Kunden ausgehandelt. Dabei werden Rabatte eingeräumt, Gebrauchtfahrzeuge
in Zahlung genommen und günstige Zahlungsbedingungen gewährt, um der herrschenden
Konkurrenzsituation zu entsprechen und den Preis in Einklang mit dem Wertempfinden des
Käufers zu bringen.
Die Distribution
Die Platzierung beinhaltet Aktivitäten des Unternehmens, die das Produkt dem Kaufinteres-
senten zugänglich und verfügbar machen. Die meisten Automobilmarken haben eine größere
Anzahl unabhängiger Händlerbetriebe, die ihre Automobile vertreiben. Die Hersteller wäh-
len die Händlerbetriebe sorgfältig aus und unterstützen sie dann intensiv. Die wichtigsten
Händler unterhalten ein größeres Lager an verkaufsfertigen Fahrzeugen, sind jederzeit bereit,
sie den Kaufinteressenten vorzuführen, handeln Preise aus, nehmen Bestellungen an, arran-
gieren die Finanzierung für die Kunden und warten und pflegen das Auto auch noch viele
Jahre nach dem Verkauf.
Die Promotion
Unter Promotion versteht man diejenigen Aktivitäten, mit denen die Vorzüge des Produkts an
die Kaufinteressenten kommuniziert werden und mit denen man diese als Kunden gewinnen
will. Automobilhersteller geben jährlich Millionen von Euro für Werbung aus, um den Kaufin-
teressenten auf das Unternehmen und seine Produkte aufmerksam zu machen. Die Verkäufer
der Händlerbetriebe informieren mögliche Käufer im Sinne des Herstellers und versuchen,
diese zu überzeugen, dass zum Beispiel ein BMW das für sie am besten geeignete Auto ist.
BMW als Hersteller und die jeweiligen Händler führen spezielle Sonderaktionen durch – Son-
derverkäufe, Rabatte, besonders niedrige Zinsen usw. –, um weitere Kaufanreize zu schaffen.
Ein wirkungsvolles Marketingprogramm stellt die Elemente des Marketing-Mix zu einem koor-
dinierten Gesamtprogramm derart zusammen, dass die Marketingziele des Unternehmens
erreicht werden können. Der Marketing-Mix ist wie ein taktischer Werkzeugkasten anzusehen,
mit dem eine starke Position auf den Zielmärkten erreicht werden kann. Es darf jedoch nicht
vergessen werden, dass die vier Ps des Marketing-Mix Instrumente aus der Sicht des Anbieters
sind, mit denen der potenzielle Käufer beeinflusst werden kann. Aus der Perspektive des Kau-
finteressenten müssen diese Instrumente Wünsche und Bedürfnisse erfüllen und einen Nutzen
schaffen. Den „vier Ps“ sollte aufseiten des Konsumenten etwas gegenüberstehen, das sie
anspricht. Der Marketingexperte Lauterborn schlug folgende Einteilung vor:
118
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2.6 Der Marketingprozess
Während Marketingverantwortliche sich selbst als Vermarkter von Produkten sehen, kaufen
Kunden Lösungen für ihre Probleme. Außerdem sind Verbraucher an mehr als nur dem Preis
eines Produkts interessiert; sie interessieren sich für die gesamten Kosten des Erwerbs, der
Nutzung und der Entsorgung eines Produkts. Sie wünschen sich, dass das Produkt und die
dazugehörigen Dienstleistungen so einfach wie möglich verfügbar sind. Letztlich wollen sie
von einer wechselseitigen Kommunikation profitieren. Marketingverantwortliche sollten
also idealerweise erst an die vier Ks denken und dann die vier Ps auf dieser Basis gestalten.
Analyse
Ergebnisse evaluieren
Marketingpläne
entwickeln Korrekturmaßnahmen
vornehmen
2.6.1 Analyse
Die Planung beginnt mit einer vollständigen Analyse und Bestandsaufnahme der Unterneh-
menssituation. Das Unternehmen muss seine Märkte und sein Umfeld untersuchen, um
attraktive Geschäftschancen entdecken und Bedrohungen aus dem Umfeld ausweichen zu
können. Es muss die Stärken und Schwächen analysieren (vgl. Kapitel 2.3.3), ebenso wie
aktuelle und denkbare Marketingaktionen, um festzulegen, welche sich bietenden Gelegen-
heiten genutzt werden sollten. Die Analyse liefert Informationen und zusätzlichen Input für
jede weitere Stufe des Planungsprozesses.
119
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
2.6.2 Planung
Durch die strategische Planung entscheidet das Unternehmen, wie es die einzelnen Geschäfts-
einheiten betreiben möchte. Die Marketingplanung beinhaltet die Auswahl von Marketingstra-
tegien, die der Erreichung der übergreifenden strategischen Ziele dienen. Ein detaillierter Mar-
ketingplan wird für jedes Geschäft, Produkt und für jede Marke benötigt. Wie sieht ein
Marketingplan aus? Wir konzentrieren uns hier auf Marketingpläne für Produkte oder Marken.
Tabelle 2.3 stellt die wichtigsten Bestandteile eines solchen Marketingplans dar. Der Plan
beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung, in der die wesentlichen Analyseergebnisse,
Ziele und Empfehlungen des gesamten Plans aufgezeigt werden. Der Hauptteil des Plans
besteht aus einer detaillierten SWOT-Analyse der aktuellen Unternehmenssituation.
Als Nächstes werden die Ziele für die Marke detailliert dargestellt und die Besonderheiten
der Marketingstrategie hervorgehoben, die zur Erreichung der Ziele beitragen sollen.
Abschnitt Inhalt
Executive summary Beinhaltet eine kurze Zusammenfassung der Ziele und Handlungsempfeh-
lungen des Plans und dient dazu, dem Management einen schnellen Über-
blick zu verschaffen. Ein Inhaltsverzeichnis sollte hierauf folgen.
Aktuelle Marketingsituation Beschreibt das aktuelle Marktumfeld und die Position des Unternehmens
darin. Beschrieben wird der Markt an sich sowie die Produkt-Performance,
die Wettbewerbssituation und der Vertrieb. Diese Sektion beinhaltet Folgen-
des:
Eine Marktbeschreibung, die den Markt und seine Hauptsegmente definiert
und die Bedürfnisse der Kunden sowie Faktoren des Marketingumfelds ana-
lysiert, die den Kauf eines Produkts beeinflussen.
Eine Produktbewertung, welche die Umsätze, die Preise und die Margen der
Hauptprodukte in der Produktlinie darstellt.
Eine Analyse des Wettbewerbs, die die Hauptkonkurrenten identifiziert und
deren Marktposition und deren Strategien für die Produktqualität, die Preis-
gestaltung, die Distribution und die Werbung beurteilt.
Eine Analyse der Distributionskanäle, welche die aktuellen Verkaufs-Trends
und andere wichtige Faktoren in den Hauptabsatzkanälen beurteilt.
Analyse von Chancen Bewertung der bedeutendsten Chancen und Risiken, denen sich das Produkt
und Risiken stellen muss. Das Management kann so eventuelle positive und negative
Entwicklungen und deren Einfluss auf das Unternehmen und dessen Marke-
tingstrategien antizipieren.
Ziele Es werden die Marketingziele aufgelistet, die das Unternehmen in der
geplanten Zeit erreichen möchte, sowie die Punkte diskutiert, die die Zieler-
reichung beeinflussen könnten.
Wenn das Ziel beispielsweise darin besteht, den Marktanteil auf 15 % zu
erhöhen, dann wird in diesem Abschnitt besprochen, wie das Ziel erreicht
werden kann.
Tabelle 2.3: Bestandteile des Marketingplans
120
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2.6 Der Marketingprozess
Abschnitt Inhalt
Marketingstrategie Beschreibt die Marketinglogik, durch die das Unternehmen Kundennutzen
schaffen und Kundenbeziehungen aufbauen will, sowie ausgewählte Ziel-
märkte und die Positionierung auf diesen. Dieser Abschnitt stellt auch spezi-
fische Strategien für jedes Element im Marketing-Mix dar und erklärt, wie
jedes dieser Elemente auf die Chancen und Risiken reagiert, die vorher im
Plan aufgezeigt wurden.
Aktionsprogramme Beschreibt, wie die Strategien in spezifische Aktionsprogramme umgewan-
delt werden. Diese Programme beantworten die folgenden Fragen:
Was muss getan werden?
Wann wird es getan?
Wer wird es tun?
Wie viel wird es kosten?
Budget Erläutert das Marketingbudget, welches im Wesentlichen eine prognosti-
zierte Gewinn- und Verlustrechnung darstellt. Es werden die erwarteten
Umsätze und Kosten der Produktion, des Vertriebs und des Marketings auf-
gezeigt. Sobald es vom höheren Management genehmigt ist, bildet das Bud-
get die Basis für die Produktionsplanung, die Personalplanung sowie für die
Marketingmaßnahmen.
Controlling Beschreibt Maßnahmen zur Kontrolle aller durchgeführten Aktivitäten und
zur Messung der Rendite der Marketinginvestitionen.
Tabelle 2.3: Bestandteile des Marketingplans (Forts.)
Die Marketingstrategie besteht aus spezifischen Strategien für die ausgewählten Zielmärkte,
aus der Positionierung, dem Marketing-Mix und den Marketingausgaben. Sie beschreibt, wie
man einen Kundenwert schaffen will, um wiederum einen Gegenwert von den Kunden zu
erhalten. Es wird auch erklärt, wie die einzelnen Strategien auf Bedrohungen und kritische
Problempunkte reagieren, die vorher im Plan identifiziert wurden.
Weitere Abschnitte des Marketingplans legen ein Aktionsprogramm für die Implementierung
der Marketingstrategie sowie Details des Marketingbudgets fest.
Der letzte Abschnitt beschreibt die Kontrolle, die benötigt wird, um die Fortschritte zu über-
wachen, die Rendite der Marketinginvestitionen zu messen sowie eventuell notwendige Kor-
rekturen durchzuführen.
2.6.3 Implementierung
Gute Strategien zu entwickeln bildet nur den Anfang von erfolgreichem Marketing. Eine per-
fekte Marketingstrategie zählt wenig, wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, diese
richtig umzusetzen. Die Implementierung setzt strategische Pläne und Marketingpläne in
konkretes Handeln um, das die Zielvorgaben des Unternehmens erfüllen soll. Die Realisie-
rung erfolgt durch Mitarbeiter des Unternehmens, welche mit internen und externen Part-
nern zusammenarbeiten. Die Planung befasst sich mit dem „Was“ und „Warum“ der Marke-
tingaktivitäten, bei der Implementierung geht es um das „Wer“, „Wo“, „Wann“ und „Wie“.
Viele Manager glauben, dass „Dinge richtig zu tun“ (Implementierung) mindestens genauso
wichtig ist, wie „die richtigen Dinge zu tun“ (Strategie). Ein Unternehmen kann exakt die
gleiche Strategie wie ein anderes haben, aber durch schnellere oder bessere Umsetzung den-
121
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
noch erfolgreicher sein. Allerdings ist es oft einfacher, sich gute Strategien auszudenken, als
diese dann umzusetzen.
In einer zunehmend vernetzten Welt müssen Personen auf allen Ebenen des Marketingsys-
tems zusammenarbeiten, um die Marketingstrategien und -pläne umsetzen zu können. Bei-
spielsweise verlangt die Umsetzung des Marketings bei Mercedes-Benz tagtäglich Entschei-
dungen und Aktionen von Tausenden von Personen innerhalb und außerhalb des
Unternehmens. Marketer treffen Entscheidungen über Zielsegmente, Branding, Produktent-
wicklungen, Preissetzung, Werbung und Distribution. Sie sprechen mit den Ingenieuren über
das Produktdesign und mit der Produktion über den Warenbestand. Mit dem Controlling tau-
schen sie sich über Finanzierungen und den Kapitalfluss aus. Außerdem stehen sie auch mit
Personen außerhalb des Unternehmens in Kontakt. Dazu zählen Werbeagenturen für die Pla-
nung entsprechender Kampagnen sowie TV-Sender für die öffentliche Inszenierung. Der Ver-
trieb fördert die Händler in ihren Bemühungen, den Kunden davon zu überzeugen, dass der
Kauf eines Mercedes-Benz einer Entscheidung für „das Beste oder nichts“ entspricht.
2.6.4 Marketing-Controlling
Da auf dem Weg zur erfolgreichen Implementierung eines Marketingplans viele Abweichun-
gen und Überraschungen auftreten können, ist es notwendig, den Ablauf konstant zu über-
wachen. Marketing-Controlling ist der Prozess der Messung und Bewertung der Ergebnisse
eingesetzter Marketingstrategien und die Ergreifung von Korrekturmaßnahmen, um die Errei-
chung der Marketingziele sicherzustellen.
Zweckmäßigerweise erfolgt das Marketing-Controlling in vier Schritten (Abbildung 2.9). Die
Unternehmensleitung hat spezifische Marketingziele vorgegeben. Darauf basierend werden
die tatsächlichen Leistungen im Markt gemessen und die Ursachen eventueller Abweichun-
gen zwischen erwarteten und tatsächlichen Ergebnissen untersucht. Schließlich wird die
Unternehmensleitung Korrekturmaßnahmen vornehmen, um die Lücke zwischen Ziel und
Zielerreichung zu schließen. Das mag im Einzelfall erfordern, die Aktionsprogramme oder
sogar die Ziele zu verändern.
Leistung Was
messen geschieht?
Abweichungen
Leistung
gegenüber Plan –
beurteilen
warum?
122
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2.6 Der Marketingprozess
Das operative Controlling befasst sich damit, die Leistung zu überprüfen, die das Unterneh-
men im Laufe eines Geschäftsjahres erbringt. Diese Leistung wird mit den Planvorgaben des
Jahresplans verglichen. Soweit möglich und nötig, werden dann Korrekturen vorgenommen.
Der Zweck des operativen Controllings ist die Sicherstellung der Erreichung der im Jahres-
plan gesetzten Ziele. Sie umfasst auch die Ermittlung der Rentabilität verschiedener Pro-
dukte, Gebiete, Märkte und Distributionskanäle.
Das strategische Controlling überprüft, ob die grundlegenden Strategien des Unternehmens
mit den Geschäftschancen und den Stärken übereinstimmen. Marketingstrategien und -pro-
gramme können sehr schnell veralten und nicht mehr der Situation angepasst sein. Aus die-
sem Grund sollte jedes Unternehmen seine Marketingstrategien in regelmäßigen Abständen
einer Prüfung unterziehen. Das in diesem Kapitel vorgestellte Marketing-Audit eignet sich
nicht nur als Instrument zur Marketingplanung, sondern auch als solches für das Marketing-
Controlling.
Der nachfolgende Exkurs zeigt auf, welche Fragen im Rahmen eines Marketing-Audits
gestellt werden sollten.
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
2. Konsumenten: Wie wird das Unternehmen von den Konsumenten in Bezug auf
Produktivität, Kundendienst und Preis beurteilt? Wie laufen ihre Kaufentschei-
dungsprozesse ab?
3. Konkurrenz: Wer sind die Hauptkonkurrenten? Welche Strategien verfolgen sie?
Welche Marktanteile haben sie? Was sind ihre Stärken und Schwächen?
4. Vertriebswege: Welche Vertriebswege nutzt das Unternehmen, um die Produkte an
den Käufer zu bringen? Funktionieren diese Vertriebswege optimal?
5. Lieferanten: Welchen Einflüssen unterliegen die Zulieferer des Unternehmens?
Können alle benötigten Produktionsressourcen uneingeschränkt beschafft werden?
6. Öffentliche Meinung: Welche Schlüsselgruppen der Öffentlichkeit stellen ein Prob-
lem oder eine Geschäftschance dar? Wie sollte das Unternehmen mit ihnen umge-
hen?
III. Marketing-Strategie-Audit
1. Mission: Gibt es eine klare und in der Definition auf den Markt ausgerichtete Mis-
sion?
2. Ziele: Hat das Unternehmen klare Ziele gesetzt, um daraus den Marketing-Plan ab-
zuleiten? Entsprechen diese Ziele den Stärken und Chancen des Unternehmens?
3. Strategie: Hat das Unternehmen eine klar umrissene Strategie, um die vorgegebe-
nen Ziele zu erreichen?
4. Budget: Hat das Unternehmen genügend Ressourcen für die Segmente, Produkte,
Regionen und Elemente des Marketing-Mix bereitgestellt?
IV. Marketing-Organisations-Audit
1. Formale Struktur: Hat der oberste Marketing-Verantwortliche im Unternehmen aus-
reichend Vollmacht, um alle Aktivitäten zu steuern, die die Kundenzufriedenheit
beeinflussen? Ist die organisatorische Struktur in Bezug auf Funktions-, Produkt-,
Markt- und Gebietsabgrenzungen optimal?
2. Effizienz der Funktionsbereiche: Findet ausreichender und effizienter Austausch
zwischen dem Marketing, dem Außendienst und den übrigen Abteilungen des Un-
ternehmens statt? Sind die Mitarbeiter gut ausgebildet, motiviert und werden sie
gut geführt und beurteilt?
3. Effizienz der Funktionsschnittstellen: Funktioniert die Zusammenarbeit zwischen
Marketing, Fertigung, Entwicklung, Einkauf, Personalabteilung als echte Koopera-
tion für die gemeinsamen Aufgaben?
V. Marketing-System-Audit
1. Marketing-Informationssystem: Liefert das Marketing-Informationssystem genaue
und zeitgerechte Informationen über aktuelle Entwicklungen? Benutzen die Ent-
scheidungsträger vorhandene Ergebnisse der Marktforschung?
2. Planungssystem: Erarbeitet das Unternehmen jährliche, langfristige und strategi-
sche Planungsunterlagen? Werden sie benutzt?
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2.6 Der Marketingprozess
VI. Produktivitäts-Audit
1. Wirtschaftlichkeitsanalyse: Wie hoch sind die Gewinne bei den unterschiedlichen
Produktlinien, Märkten, Regionen und Vertriebswegen, die das Unternehmen be-
dient? Ergibt sich daraus, dass das Unternehmen in bestimmten Geschäftsfeldern
tätig werden, dort expandieren oder sich aus bestimmten Geschäftsfeldern zurück-
ziehen sollte? Welche Konsequenzen hätte diese Vorgehensweise?
2. Kosteneffizienzanalyse: Haben bestimmte Geschäftsfelder unbegründet extrem
hohe Kostenanteile? Wie können die Kosten reduziert werden?
VII. Marketing-Funktions-Audit
1. Produkte: Hat das Unternehmen präzise und umfassende Zielvorstellungen für die
einzelnen Produktlinien entwickelt? Sollten bestimmte Produkte eingestellt oder
neue Produkte aufgenommen werden? Würden einige Produkte von Veränderun-
gen in der Qualität, im Design oder in ihren sonstigen Eigenschaften profitieren?
2. Preis: Was sind die unternehmensinternen Zielvorstellungen, Strategien und Ab-
läufe zur Preisfindung? Stimmen die Preisvorgaben des Unternehmens mit dem
empfundenen Produktnutzen und den Wertvorstellungen der Konsumenten über-
ein? Werden Sonderpreisaktionen in geeignetem Umfang eingesetzt?
3. Vertriebswege: Welche Zielvorstellungen und Strategien hat das Unternehmen in
Bezug auf die Vertriebswege? Ist die Abdeckung durch den eigenen Vertrieb oder
Vertriebspartner und durch den Kundendienst angemessen? Müssen neue Ver-
triebswege aufgebaut oder bestehende modernisiert und intensiviert werden?
4. Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit: Wie sind die Zielvorstel-
lungen für die Werbemaßnahmen des Unternehmens festgelegt? Wie hoch ist das
Werbebudget? Sind die veranschlagten Mittel ausreichend? Wurden die Werbebot-
schaften und die eingesetzten Medien sorgfältig ausgewählt und wie ist der Erfolg?
Hat das Unternehmen ausgearbeitete Programme für die Verkaufsförderung und die
Öffentlichkeitsarbeit?
5. Außendienst: Was sind die Aufgaben und Ziele des Außendienstes? Ist der Außen-
dienst groß genug? Ist er zweckmäßig organisiert? Ist er gut ausgebildet und moti-
viert? Wie werden die Außendienstmitarbeiter im Vergleich zu denen der Konkur-
renz beurteilt?
125
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Funktionale Marketingorganisation
Die am häufigsten anzutreffende Form ist die funktionale Organisation des Marketings. Hier
stehen Spezialisten jeweils einem Teilbereich vor: ein Vertriebsleiter, ein Werbeleiter, ein
Marktforschungsleiter, ein Kundendienstleiter, ein Leiter der Produktentwicklung.
Geografische Marketingorganisation
Ein Unternehmen, das überregional international tätig ist, nimmt häufig eine regionale Glie-
derung des Marketings vor. Länder, Regionen oder Verwaltungsbereiche werden spezifisch
betreut. Eine regionale Gliederung des Vertriebs ist oftmals sinnvoll, da die Außendienstmit-
arbeiter vor Ort leben, ihre Kunden gut kennen und Reisezeit und Reisekosten minimiert
werden können.
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2.7 Das Marketingbudget
Große Unternehmen, die eine Vielzahl von Produkten für unterschiedliche geografische
Märkte und Kundengruppen herstellen, verwenden häufig eine Kombination der funktiona-
len, geografischen, produktorientierten und marktorientierten Organisationsformen. Damit
wird sichergestellt, dass jede Funktion, jedes Produkt und jeder Markt genügend Aufmerk-
samkeit erhält. Andererseits kann dies zu erhöhten Managementkosten führen und die Flexi-
bilität des Unternehmens einschränken. Dennoch überwiegen die Vorteile einer Spezialisie-
rung der Organisation.
Die Marketingorganisation hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Unternehmen verlagern den Fokus ihres Markenmanagements vermehrt auf das Kundenma-
nagement – weg vom alleinigen Management der Produkt- oder Markenprofitabilität und hin
zum Management von Kundenprofitabilität und Kundenwert. Sie sehen sich selbst nicht als
Verwalter eines Markenportfolios, sondern als Verwalter eines Kundenportfolios. Und statt
nur den Wert einer Marke zu steuern, betrachten sie sich als Manager für Erlebnisse und die
Beziehung der Kunden mit der betreffenden Marke.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Marketing-Investitionen
Marketing-Ertrag
Auch wenn das Konzept des Marketing-ROI derzeit noch nicht klar definiert und operationa-
lisiert ist, so wird seine Bedeutung in Zukunft steigen. Das Marketing sieht sich immer stär-
ker der Forderung ausgesetzt, die Effizienz seiner Maßnahmen zu belegen; oder wie ein Mar-
ketingexperte es ausdrückt: Marketer „müssen wissen, wie man rechnet“.
1 Zu einer umfassenden Diskussion dieses Modells und weiteren Informationen zur kundenzentrier-
ten Messung des Marketing-ROI siehe Roland T. Rust, Katherine N. Lemon und Valerie A. Zeithaml,
„Return on marketing: using customer equity to focus marketing strategy“, Journal of Marketing , Ja-
nuar 2004, S. 109–127; Roland T. Rust, Katherine N. Lemon und Das Narayandas, Customer Equity
Management (Upper Saddle River, NJ: Prentice Hall, 2005); Roland T. Rust, „Seeking higher ROI?
Base strategy on customer equity“, Advertising Age, 10. September 2007, S. 26–27; Andreas Persson
und Lynette Ryals, „Customer assets and customer equity: Management and measurement issues“,
Marketing Theory , Dezember 2010, S. 417–436 sowie Kirsten Korosec, „Tomato, tomäto’? Not exac-
tly“, Marketing News, 13. Januar 2012, S. 8.
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Zusammenfassung
Z US A M M EN FA SSU N G
Die strategische Planung befasst sich damit, eine Strategie für das langfristige Überleben
und Wachstum eines Unternehmens zu entwickeln. Das Marketing trägt seinen Teil zur
strategischen Planung bei und die strategische Planung weist dem Marketing seine Rolle
zu. Planungsaktivitäten lassen sich in drei große Gruppen einteilen:
Jahresplanung
langfristige Planung
strategische Planung
Die Vorgaben aus der strategischen Planung bilden den Rahmen für alle übrigen Planun-
gen im Unternehmen. Der Prozess der strategischen Planung besteht darin, die Mission
des Unternehmens festzulegen, Stärken und Schwächen zu erkennen, das gesamte
Umfeld zu verstehen, die Schwerpunkte innerhalb des Geschäftsportfolios zu setzen
und die qualitativen und quantitativen Zielvorstellungen und Pläne für die betriebli-
chen Funktionsbereiche zu entwickeln. Eine Aufgabe mit hohen Ansprüchen ist es, eine
schlüssige und geeignete Unternehmensmission herauszuarbeiten. Sie sollte marktori-
entiert, realisierbar und motivierend sein und sich insbesondere auf spezifische Stärken
des Unternehmens stützen, um damit dauerhaft eine optimale Position am Markt zu
erreichen und abzusichern.
Pläne werden auf unterschiedlichen Ebenen entwickelt. Die Pläne höherer Ebenen ent-
halten Ziele und Strategien, die als Zielvorgaben in die nachgeordneten Planungen ein-
gehen. Auf jeder dieser Ebenen sollte ein strategisches Audit das Unternehmen und sein
Umfeld analysieren. Die daraus resultierenden Informationen werden mithilfe der
SWOT-Analyse zusammengefasst, die die Stärken und Schwächen des Unternehmens
herausfiltert und die Chancen und Risiken aufzeigt.
Darüber hinaus erfordert die strategische Planung die Überprüfung des unternehmens-
spezifischen Geschäftsportfolios. Formale Portfolio-Analysen wie die Marktwachstums-
/Marktanteils-Matrix der Boston Consulting Group unterstützen das Management dabei,
die einzelnen Geschäftseinheiten zu beurteilen und zu entscheiden, welche Bereiche
mehr oder weniger Ressourcen erhalten sollen. Manche Unternehmen nutzen jedoch
auch individualisierte Ansätze der Portfolio-Planung, die besser auf ihre Situation zuge-
schnittenen sind.
Aus der Unternehmensmission und der Situationsanalyse lassen sich strategische Ziele
ableiten und Wachstumschancen erkennen. Um die Wachstums- und Gewinnziele zu
erreichen, bieten sich grundsätzlich vier Strategien an, die in der Produkt-Markt-Matrix
aufgezeigt werden:
Marktdurchdringung
Marktentwicklung
Produktentwicklung
Diversifikation
Wenn die strategischen Zielvorstellungen und Ziele festgelegt sind, muss das Manage-
ment eine ganze Reihe funktionaler Pläne aufstellen, die die Aktivitäten in den Berei-
chen Marketing, Finanzen, Produktion und in allen übrigen Abteilungen koordinieren.
129
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
Jeder funktionale Bereich liefert wiederum Input für die strategische Planung. Jede
Abteilung hat jedoch auch unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche Ziele und
Aktivitäten die wichtigsten sind. Die Marketingabteilung stellt den Standpunkt des
Konsumenten in den Vordergrund. Marketing-Manager sollten andererseits auch die
Standpunkte der anderen Funktionsbereiche verstehen und mit den anderen Funktio-
nen zusammenarbeiten, um ein System von Plänen zu entwickeln, das den übergeord-
neten strategischen Zielen am besten entspricht.
Hierzu entwickelt man im Marketing eine kundenorientierte Marketingstrategie. In
deren Mittelpunkt steht der Konsument. Da es viele Käufertypen mit unterschiedlichen
Wünschen und Bedürfnissen gibt, teilt man den Gesamtmarkt in einzelne Segmente auf,
definiert ausgewählte Kundensegmente als Zielsegmente und positioniert sein Angebot
entsprechend. Daraufhin wird ein Marketing-Mix entwickelt, der die Detailplanung für
die Instrumente der als „vier Ps“ bekannten Kategorien Produkt, Preis, Platzierung und
Promotion enthält.
Die Durchführung des Marketingprozesses lässt sich in vier Stufen einteilen: Analyse,
Planung, Implementierung und Controlling. In der Planungsphase werden unterneh-
mensweite strategische Pläne entwickelt, die dann auf jede Division, jedes Produkt und
jede Marke des Unternehmens heruntergebrochen werden. In der Implementierungs-
phase werden diese Pläne umgesetzt. In der Kontrollphase misst und evaluiert man die
Ergebnisse der Marketingmaßnahmen und leitet im Bedarfsfall Korrekturmaßnahmen
ein. Das operative Controlling besteht darin, dass das Erreichen der Planzahlen für
Umsatz und Gewinn überwacht wird. Daraus lassen sich die Gewinnanteile der einzel-
nen Produkte, Regionen, Kundensegmente oder Vertriebswege ermitteln. Das strategi-
sche Controlling prüft, ob die Ziele, Strategien und die Organisationsstruktur des Unter-
nehmens mit dem Marketingumfeld übereinstimmen. Alle Prozesse begleitend stellt
man durch Analysen Informationen und Auswertungen bereit, die für alle diese Aktivi-
täten benötigt werden.
Der größte Teil der Verantwortung für die erfolgreiche Umsetzung aller beschriebenen
Aktivitäten liegt bei der Marketingabteilung. Für die Organisation des Marketings gibt es
mehrere Möglichkeiten. Am weitesten verbreitet ist die funktionale Marketingorganisa-
tion, in der einzelne Marketingfunktionen von Managern geleitet werden, die wiederum
an den Marketingdirektor berichten. Andere Unternehmen benutzen eine regionale
Organisationsstruktur, innerhalb derer sich Außendienst, Verkauf oder andere Funktio-
nen entsprechend geografischer Gebiete spezialisieren. Eine weitere Variante ist die Pro-
duktmanagement-Organisation, bei der Produkte oder Marken einzelnen Produktmana-
gern zugeordnet werden, deren Aufgabe es ist, ihr Produkt oder ihre Marke zu fördern.
Für Unternehmen, die eine Produktlinie auf verschiedenen Märkten und an Kunden
verkaufen, die unterschiedliche Bedürfnisse und Präferenzen haben, bietet sich die
markt- oder kundenorientierte Organisation des Marketings an. Hier verantwortet der
einzelne Mitarbeiter die Entwicklung von Marketingstrategien und -plänen für seinen
Markt oder seine Kunden. Mit der Größe einer Organisation steigt die Wahrscheinlich-
keit, dass man eine Kombination der genannten Gliederungsebenen antrifft.
Leiter einer Marketingabteilung werden immer öfter mit der Frage nach der Rendite der
Investitionen in das Marketing konfrontiert. Deshalb entwickeln immer mehr Unterneh-
men Messverfahren, um die Kapitalrendite von Marketingmaßnahmen (return on mar-
keting investment oder auch Marketing-ROI) bestimmen zu können.
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Literatur und Quellen
131
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen
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Literatur und Quellen
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TEIL II
Märkte und ihre Erforschung
4 Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
ÜBERBLICK
3.4 Interaktion mit dem Marketingumfeld . . . . . . . . . . . 178
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... diejenigen Einflusskräfte aus dem Umfeld des Marketings beschreiben, die die
Fähigkeit eines Unternehmens, seine Kunden zu bedienen, beeinflussen oder beein-
trächtigen können.
... erklären, wie Veränderungen im demografischen und wirtschaftlichen Umfeld
Marketingentscheidungen beeinflussen.
... die wesentlichen Trends im natürlichen und technologischen Umfeld eines Unter-
nehmens diskutieren.
... die wichtigsten Veränderungen erklären, die im politischen oder im kulturellen
Umfeld eines Unternehmens eintreten können und auf das Marketing einwirken.
... erörtern, wie Unternehmen auf das Marketingumfeld reagieren können/sollten.
3.1 Einführung
Im ersten Teil haben Sie die Grundlagen des Marketings sowie die Schritte des Marketingpro-
zesses zum Aufbau profitabler Beziehungen zu den Zielkunden kennengelernt. Im zweiten
Teil gehen wir näher auf den ersten Schritt des Marketingprozesses ein – das Verständnis der
Märkte sowie der Kundenbedürfnisse und -wünsche. In diesem Kapitel zeigen wir, dass das
Marketing nicht in einem Vakuum agiert, sondern in einer komplexen Umgebung, die einem
ständigen Wandel unterliegt. Unternehmen sind so lange erfolgreich, wie sie in der Lage
sind, ihr Angebot an Produkten und Dienstleistungen auf das gegenwärtige Umfeld abzustim-
men. Tatsächlich wirkt das Marketing mehr und mehr in einer eng vernetzten Welt. Unter-
nehmen müssen heutzutage sehr aufmerksam sein und auf die Interessen und Anliegen ver-
schiedener Akteure eingehen. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den unterschiedlichen
Gruppen im Umfeld eines Unternehmens – Lieferanten, Marketingmittler, Kunden, Wettbe-
werber, die Öffentlichkeit und andere – sowie mit relevanten Entwicklungen im Umfeld von
Unternehmen – demografische, ökonomische, ökologische, technologische, politische und
kulturelle. Um effektive Marketingstrategien entwickeln und implementieren zu können und
um Beziehungen mit Kunden und internen sowie externen Partnern zu managen, müssen
Marketingverantwortliche zunächst den Kontext verstehen, in welchem das Marketing agiert,
und die wichtigsten Einflussfaktoren dieser Umgebung identifizieren.
Zu Beginn betrachten wir die massiven Auswirkungen des weltweiten Ölpreis-Einbruchs im
Jahr 2015. Selbst in einer digitalen Welt der Vernetzung und des internetbasierten Wandels
hat der Preis eines Rohstoffs wie Öl tief greifenden Einfluss auf die Weltwirtschaft. Erfolgrei-
che Unternehmen sollten sich auf Veränderungen in ihrem Umfeld vorbereiten und flexibel
darauf reagieren, um ihre Kunden auch weiterhin einbinden und zufriedenstellen zu kön-
nen.
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3.1 Einführung
Anfang 2015 halbierte sich der weltweite Ölpreis. Ein Jahr zuvor hatte der Preis noch 105
US-Dollar pro Barrel betragen, nun war er auf 50 US-Dollar gefallen. Seitdem wurden
Ölinvestoren, die eine rasche Erholung erwartet hatten, regelmäßig enttäuscht. Einige
meinen, ein dreistelliger Ölpreis sei bald nur noch eine ferne Erinnerung. Bis Mitte 2015
hatte eine Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft zu einem weiteren Rückgang auf
43 US-Dollar pro Barrel geführt und Analysten befürchteten einen Tiefststand von 30 US-
Dollar ohne absehbare Erholung. In der Tat gingen der Ölindustrie die Lagerkapazitäten
für das daraus resultierende Überangebot aus — die Lagertanks in den USA waren rand-
voll. Beschreibt man das Ausmaß des Ölschocks, ist eine Übertreibung kaum möglich.
Der Ölpreis basiert auf Angebot und Nachfrage. In den letzten sechs Jahren hat sich die
Inlandsproduktion in den USA verdoppelt, was den Bedarf an externen Zukäufen redu-
zierte (ein Ziel der US-Regierung ist die Unabhängigkeit von ausländischen Öl-Lieferan-
ten). Mittlerweile ist die Nachfrage aus schwachen europäischen und Entwicklungslän-
dern geringer, da die Staaten ihre Reserven effizienter nutzen, und die Nachfrage aus
China spiegelt die dortige wirtschaftliche Verlangsamung wider. Überstieg in der Ver-
gangenheit das Angebot die Nachfrage, regulierte die Organisation Erdöl exportierender
Länder (OPEC) die Produktion, um den Preis zu stützen. Dieses Mal weigerten sich
einige Produzenten, da sie befürchteten, eine geringere Verfügbarkeit von Öl könnte die
Abnehmer zur ersatzweisen Nutzung von Schiefergas bewegen. Die entschiedensten
Gegner blieben im gesamten Jahr 2015 bei ihrer Haltung — die Zahl von Ölbohrinseln in
den USA stieg, neue Versorgungspipelines sollten gebaut werden und das geringe glo-
bale Wirtschaftswachstum dämpfte die Nachfrage nach Öl.
Solange das Angebot die Nachfrage übersteigt, bleibt der Preis niedrig. Die Ölindustrie
und die Wirtschaft insgesamt müssen sich bis auf Weiteres mit dieser grundlegenden
Änderung in ihrem Umfeld arrangieren.
Warum war die Entwicklung überraschend? Eine Prognose bei Ölpreisen ist immer
schwierig. Wie bei einer Handelsware, die zum Tageskurs sowie auf Termin gekauft
wird und bei der Spekulanten auf kleinere Preisveränderungen wetten, ist eine sichere
Vorhersage sehr schwierig. Doch die Situation war extrem, wenn auch nicht unerwartet.
Trotz des beständigen Anwachsens von Erdölvorräten weltweit über mehrere Jahre war
der schnelle Preisverfall von Rohöl für die meisten Akteure in der Multi-Billionen-US-
Dollar-Öl- und Gasindustrie gleichermaßen überraschend wie kostspielig. Tatsächlich
hatten Analysten zum fraglichen Zeitpunkt aufgrund der geopolitischen Spannungen in
der Ukraine und dem Irak eine Ölknappheit und Spitzenpreise erwartet.
Auswirkungen auf die Erdöl produzierenden Länder Der Fall des Ölpreises hatte den
Erdöl exportierenden Ländern schwer zugesetzt, Haushaltsdefizite vergrößert und
Wechselkurse weltweit geschwächt. Energie-Unternehmen waren gezwungen, tausende
Arbeiter zu entlassen und Investmentprojekte zu streichen. Venezuela als einer der
größten Produzenten der Welt sah sich beispielsweise mit der größten wirtschaftlichen
Bedrohung konfrontiert. Güter des täglichen Bedarfs – von Milch bis hin zu Windeln –
wurden knapp. Mit jedem Tag verschärfte sich die Krise durch weiter schrumpfende
Importe, auch die Sozialleistungen wurden drastisch gekürzt.
139
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
Abbildung 3.1: Die norwegische Statoil Mongstad ist die zweitgrößte Erdölraffinerie in Europa
(Quelle: Marius Dobilas/Shutterstock.com)
Venezuela, bereits tief im Sumpf von Korruption und Misswirtschaft versunken, konnte
kaum noch seine Rechnungen bezahlen. Eine Schätzung geht davon aus, dass der Fall
des Ölpreises zu einer Verlagerung von 1,6 Billionen US-Dollar von den Erdöl produzie-
renden hin zu den Erdöl konsumierenden Ländern geführt hat. Allein Venezuela war
mit einer Finanzierungslücke von 39 Milliarden US-Dollar bei den Auslandsschulden
konfrontiert.
Auswirkungen auf die Ölindustrie Für die Ölunternehmen bedeutete das weltweite
Überangebot Einschnitte bei Preisen und Gewinnen. Im Juli 2015 beispielsweise fielen
die Profite von Shell um ein Drittel in nur einem Quartal und das Unternehmen kün-
digte Pläne zum Abbau von 6.500 Stellen an, obwohl die Investitionen in die arktische
Förderung aufrechterhalten wurden. Im Vereinigten Königreich zogen sowohl BP und
BG drastisch die Bremsen bei Kapitalinvestments an. Tatsächlich hatte der niedrige
Ölpreis die Ölunternehmen gezwungen, Kosten massiv zu senken, Organisationen
umzustellen und die Beziehungen zu Lieferanten und Förderländern neu auszurichten.
Für Unternehmen wie Total in Frankreich und Occidental Petroleum lag die Herausfor-
derung darin, eine Situation zu erreichen, in der die Erlöse die Kosten wieder überstei-
gen – und das bei einem Preis von 50 US-Dollar statt 105 US-Dollar pro Barrel. Zahlun-
gen an Lieferanten wurden gekürzt, was sich auch im Verlust von Arbeitsplätzen bei
den betroffenen Unternehmen zeigt: Schlumberger baute 20.000 Stellen ab, Baker Hug-
hes 2.500 und Halliburton 9.000. Andere Ölfirmen wie BP „recyceln“ Projekte in dem
Versuch, sie billiger durchzuführen und bevorzugen dabei Länder mit günstigeren
Bedingungen, um Anreize für Investitionen zu bieten.
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3.1 Einführung
Zu einem bestimmten Zeitpunkt hielten die größten Akteure der Branche Schiefer für
eine attraktive alternative Ölquelle, dabei ist dieses Gewinnungsverfahren kosteninten-
siv. Niedrige Ölpreise verändern aber wirtschaftliche Gegebenheiten. Schieferproduzen-
ten verzeichnen heute rückläufige Gewinne, den Abbau von Stellen und Investitionen
und brachliegende Anlagen. Einige Schieferproduzenten in den USA meldeten Insol-
venz an, andere kämpfen noch um ihre Existenz.
Herkömmliche Ölunternehmen zogen sich aus Investments in kostspielige Förderge-
biete zurück – diese mögen bei einem Preis von 100 US-Dollar pro Barrel lukrativ
gewirkt haben, aber nicht bei 50 US-Dollar. Am bekanntesten sind die Ausstiege aus der
arktischen Förderung aufgrund der hohen Kosten. Statoil in Norwegen verschob Boh-
rungen in der norwegischen Arktis; die US-Firma Chevron legte Pläne für die kanadi-
sche Arktis auf unbestimmte Zeit auf Eis. Daneben gaben Statoil, Dong Energie (Däne-
mark) und GDF Suez (Frankreich) allesamt ihre Bohrlizenzen in Grönland zurück.
Sicher hatte der Zusammenbruch der Ölpreise auch negative Auswirkungen auf Nord-
see-Öl und zwang Unternehmen wie BP zur Streichung von fast einem Zehntel seiner
Arbeitsplätze auf den schottischen Ölfeldern. Da Öl und Gas rund ein Fünftel der
gesamten Wirtschafts-Investitionen ausmachen, war davon auszugehen, dass diese Ent-
wicklung auch das allgemeine Investitionswachstum für Großbritannien nach unten
ziehen würde.
Auswirkungen auf die Wirtschaft Markthändler sahen in der Abwärtsbewegung der
weltweiten Ölpreise enorme Folgen für die Verbraucher bei der Erzielung von Einkom-
men und für Regierungen beim Kauf von Waren. Auch die Nachfrage der Konsumenten
war davon betroffen – so stieg die Nachfrage nach spritschluckenden Allradfahrzeugen
bei billigen Benzinpreisen, während die Nachfrage nach sparsamen Modellen zurück-
ging. Einige Branchen schienen besonders stark unter den niedrigen Ölpreisen zu lei-
den. Trotz ihres grünen Images gehörten auch elektrobetriebene Fahrzeuge und Biodie-
sel zu den möglichen Verlierern – schlicht aufgrund ihrer Konkurrenz zu
benzinbetriebenen Fahrzeugen, die jetzt billiger zu fahren sind. Nicht der Ölindustrie
angehörende Unternehmen würden von den sinkenden Ölpreisen dagegen profitieren,
da niedrigere Kosten auch höhere Gewinnspannen bedeuten. Verbraucher verschieben
ihre Ausgaben für die meisten Anschaffungen in solchen Zeiten eher nicht, da sie auch
in Zukunft niedrige Ölpreise erwarten. Unternehmen, für die Öl ein wichtiger Rohstoff
ist, gewinnen ebenfalls.
Allgemein gilt, dass ein rückläufiger Ölpreis die weltweite Nachfrage ankurbelt. Ver-
braucher profitieren dann von niedrigen Benzinpreisen. Für sie – insbesondere die
Autofahrer – sind die niedrigen Ölpreise also ein Segen.
Aber nicht alle Auswirkungen sind positiv – fallende Ölpreise wecken auch die Erwar-
tung von Verbrauchern nach niedrigen Preisen für Waren und Dienstleistungen. Die Ent-
täuschung, wenn sich solche Erwartungen nicht erfüllen, ist groß. Flugbetriebe stehen
unter großem Druck, angesichts des niedrigen Ölpreises günstigere Tickets anzubieten,
obwohl sie das verbrauchte Kerosin möglicherweise zuvor zu weit höheren Preisen ein-
gekauft haben. Wenn Haushalte in China, Europa und Japan ihre Ausgaben nur auf das
Nötigste beschränken, führt dies auch zu einem empfindlichen Dämpfer beim Anstieg
der Nachfrage.
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
Die Botschaft an die Marketer Die wichtigste Lektion für Markthändler aus dieser
Ölpreisentwicklung ist, dass stete Wachsamkeit gefordert ist, um sich auf die großen
Veränderungen im Umfeld vorzubereiten. Dabei geht es um mehr als einfaches Beobach-
ten von Veränderungen. Markthändler müssen vielmehr sehr sorgfältig kalkulieren,
inwiefern eine Veränderung im Umfeld neue Geschäftsgelegenheiten oder Risiken für
die Wirtschaft darstellt. So zum Beispiel bei niedrigeren Ölpreisen: Sie bedeuten
Umsatzgewinne für Waren und Dienstleistungen; sie erzeugen Druck zur Preisreduzie-
rung; sie führen zum Verlust von Geschäften mit Ölunternehmen und Erdöl exportieren-
den Ländern; sie machen einige Märkte aufgrund eingeschränkter Zahlungsfähigkeit
weniger attraktiv; sie schwächen die Nachfrage durch Arbeitslosigkeit und geringere
Investitionen von Ölunternehmen haben weitere Auswirkungen auf andere Unterneh-
men; sie verlagern die Nachfrage von bestimmten Produkten auf andere und sie wecken
unrealistische Erwartungen der Verbraucher bezüglich Preisreduzierungen. Eine sorgfäl-
tige Analyse, wie Veränderungen im Marktumfeld sich auf Kunden und Märkte sowohl
im In- als auch im Ausland auswirken, ist daher entscheidend!
Frage
Sehen Sie sich die aktuelle Preisentwicklung je Barrel an. Welche Auswirkungen kön-
nen Sie daraus für
die Erdöl produzierenden Länder
die Ölindustrie
die Wirtschaft und die Konsumenten
ableiten?
Das Marketingumfeld besteht aus den Kräften und den Akteuren außerhalb der Marketingfunk-
tion, die die Fähigkeit des Managements beeinflussen, erfolgreiche und dauerhafte Geschäfts-
beziehungen mit den Kunden aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Das Umfeld des Marketings
bietet einerseits Chancen, Geschäfte abzuschließen, andererseits aber auch Risiken und Bedro-
hungen für die Geschäftstätigkeit. Erfolgreiche Unternehmen wissen, wie wichtig es ist, das
Umfeld fortwährend zu beobachten und sich den ständig ändernden Bedingungen und Trends
anzupassen. Geschieht dies nicht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Strategien, Strukturen, Sys-
teme und die Unternehmenskultur den aktuellen Anforderungen nicht mehr gewachsen sind.
Selbst Großunternehmen wie IBM, viele Fluggesellschaften und Automobilhersteller konnten
in der Vergangenheit Krisen nicht ausweichen, weil sie wichtige Veränderungen in ihrem
Umfeld zu lange nicht wahrhaben wollten und einfach ignorierten.
Wie sieht Marketing in Zukunft aus? Viele Verbraucher fragen sich ebenso wie Marketingprofis,
wie die Zukunft wohl konkret aussehen möge. Nach wie vor verändert sich das Marketingumfeld
grundlegend und mit rasanter Geschwindigkeit. Denken Sie einmal darüber nach, wie Sie heute
Ihre Lebensmittel und die Artikel des täglichen Bedarfs einkaufen. Glauben Sie, dass Ihr Ein-
kaufsverhalten in zehn oder zwanzig Jahren noch genauso ablaufen wird wie heute? Was würden
diese Veränderungen für das heute praktizierte Marketing bedeuten? Einige Zukunftsforscher
sagen voraus, dass es den Einkauf in großflächigen Supermärkten, wie wir ihn heute kennen, im
Jahre 2025 nicht mehr geben wird. Das Wachstum des E-Commerce und die rapide Ausbreitung
des Internets werden dazu führen, dass nahezu alle Produkte für den Haushalt online bestellt
werden. Einzelhändler werden sich dahingehend betätigen, dass sie Produkte aus verschiedenen
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3.1 Einführung
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
Schlussendlich kämpfte die Marke bis in die 2000er hinein mit schwindender Konsumen-
tenakzeptanz und letztlich unbefriedigenden Absatz- und Marktanteilszahlen. 2010 wurde
die Marke „Schartner Bombe“ anhand der Markenmerkmale der 1960er- und 1970er-Jahre
repositioniert. Der ehemalige Markenclaim „Österreichs Bomben-Geschmack“ wurde
ebenso wiedereingeführt wie auch das Ursprungslogo: grüne Markenschrift auf gelbem
Kreis – der stilisierten Sonne. Darüber hinaus erfolgte die kommunikative Einbettung der
Marke in Österreichs Genusskultur, wodurch kulturelle Assoziationen und Identifikation
geschaffen wurden. Im Produktauftritt an die glanzvollen Tage von einst angelehnt, erfolg-
ten die Promotions aber gemäß dem aktuellen Zeitgeist – kreative Social-Media-Kampag-
nen sowie Live-Events wie die sogenannte „Arschbomben-Challenge“. Jährliche zweistel-
lige Wachstumsraten sind der Lohn der Anstrengungen und so zählt die Marke „Schartner
Bombe“ heute wieder zu den erfolgreichsten Erfrischungsgetränken Österreichs.
Quellen:
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www.plenos.at/de/arbeiten/advertising/schartner-bombe-image-tv/ [03.02.2018]
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3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketings
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Marketing
145
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
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3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketings
für Toyota, man kann auf den Lieferanten bauen, um sich selbst zu verbessern, um Kosten zu
senken und um neue Produkte schneller zu entwickeln. Sogar nach einer großen Rückrufak-
tion aufgrund von technischen Problemen mit einigen Modellen lenkte Toyota nicht die
Schuld auf die Hersteller des entsprechenden Teils. Stattdessen übernahm Toyota die Schuld
für die fehlerhafte Konstruktion und verkündete seine Unterstützung für den geschätzten
Langzeitlieferanten. In der Summe gelingt es Toyota, durch das Schaffen von Lieferantenwert
günstige, qualitativ hochwertige Fahrzeuge herzustellen, die wiederum zu zufriedenen Kun-
den führen.
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
rung eines Kredits enorm eingeschränkt werden, wenn z.B. die Finanzierung einer Pro-
duktentwicklung oder einer Markteinführung ansteht.
Ebenso wie die Lieferanten sind die Marketingmittler eine wichtige Komponente des Wert-
schöpfungssystems eines Unternehmens. Im Bestreben, zufriedenstellende Kundenbeziehun-
gen aufzubauen, muss es nicht nur die eigene Leistung optimieren, sondern auch effektiv mit
Lieferanten und Marketingmittlern zusammenarbeiten, um die Leistung des gesamten Sys-
tems zu optimieren.
Das Marketing erkennt heute die Wichtigkeit, mit seinen Mittlern zusammenzuarbeiten,
anstatt sie lediglich als Kanal zum Vertrieb ihrer Ware zu betrachten. Wenn Coca-Cola bei-
spielsweise die Exklusivrechte als Versorger einer Fast-Food-Kette unterzeichnet, stellt das
Unternehmen nicht nur Softdrinks bereit, es bietet auch eine umfassende Unterstützung für
das Marketing. Coca-Cola stellt funktionsübergreifende Teams ein, welche das Geschäft der
Händler genauestens erforschen. Man analysiert die Demografie des örtlichen Marktes und
hilft den Partnern bei der Wahl der Colamarken, die in der Gegend bevorzugt werden. Coca-
Cola hat sogar Speisekarten analysiert, um besser zu verstehen, welchen Einfluss die Gestal-
tung, die Bilder, die Schriftart und -größe auf die Kunden haben und was sie dazu bewegt,
mehr Speisen und Getränke zu bestellen. Basierend auf den Ergebnissen der Marktforschung
entwickelt Coca-Cola Marketingprogramme und Werbemittel, die den Händlern helfen, ihre
Getränkeeinnahmen zu verbessern. Beispielsweise stellt das Unternehmen auf seiner Web-
seite (www.cokesolutions.com) den Einzelhändlern eine Fülle an Informationen, Unterneh-
menslösungen und Werbemitteln zur Verfügung. Solch intensive Bemühungen haben Coca-
Cola große Wettbewerbsvorteile gebracht, ungeachtet der heftigen Konkurrenz durch andere
Getränkehersteller.
Märkte
ls-
Hande öffentlich
m e
ärkt Institutio er St
ter- nen Na aatli
iegü c c
r
st kte mä hfra he
du mär rkt ge
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In
-
märk ucher
Int ärkte
ern
M
ra
te
ation
Endverb
ale
Marketing
Wie bereits erwähnt, stellen die Kunden die wichtigsten Akteure im Mikroumfeld des Unter-
nehmens dar. Das Ziel des gesamten Netzwerks ist es, die Kunden mit Gütern zu versorgen
und eine feste, lang anhaltende Beziehung zu ihnen aufzubauen. Dabei kann ein Unterneh-
men einzelne der sechs unterschiedlichen Marktarten oder auch alle bedienen. Der Konsu-
mentenmarkt besteht aus Einzelpersonen und Haushalten, die Güter und Dienstleistungen
zum persönlichen Verbrauch erwerben. Auf Industriegütermärkten werden Güter oder
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3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketings
149
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
Bürger- Loka
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Unternehmen
s-
Abbildung 3.5: Gruppierungen der Öffentlichkeit im Umfeld eines Unternehmens
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
tion Spenden überlassen oder Zeit geopfert werden soll (z.B. Rotes Kreuz). Man muss daher
der Öffentlichkeit ein Angebot machen, das attraktiv genug ist, damit diese in der gewünsch-
ten Weise reagiert.
Technologi
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Unternehmen
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
Das Bevölkerungswachstum ist dabei nicht auf eine erhöhte Geburtenrate zurückzuführen,
diese wird in den nächsten Jahrzehnten auf allen Kontinenten außer Europa stetig fallen.
Vielmehr liegt der Hauptgrund der Weltbevölkerungszunahme in der steigenden Lebenser-
wartung. Trotz hoher Sterberaten in Ländern, die von AIDS betroffen sind (beispielsweise im
südlichen Afrika), nimmt die Lebenserwartung insgesamt stark zu.
Es deutet alles darauf hin, dass die Menschheit der Zukunft sich erheblich von der heutigen
unterscheiden wird. So wird beispielsweise die Bevölkerungszahl in Asien, Afrika und
Lateinamerika erheblich steigen, während sie in Europa rückläufig ist. Innerhalb Asiens wird
sich zudem die Verteilung zwischen den Ländern beachtlich ändern: Während die Bevölke-
rungszahl in Japan sinken wird, wächst Indien zahlenmäßig zur stärksten Bevölkerungs-
gruppe heran und übertrifft sogar China.
Eine wachsende Bevölkerung bedeutet, dass es mehr menschliche Bedürfnisse gibt, die es zu
befriedigen gilt. In Abhängigkeit von der Kaufkraft ergeben sich aus dem Bevölkerungs-
wachstum möglicherweise auch zunehmende Marktchancen. Die Bevölkerungsentwicklung
kann dem Marketing gleichzeitig als Frühindikator für die Nachfrage nach bestimmten
Gütern und Dienstleistungen dienen. Bis zum Jahr 2015 gab es beispielsweise in China ein
Gesetz zur Regulierung des Bevölkerungswachstums, das pro Familie jeweils nur ein Kind
vorsah. Dies hatte zur Folge, dass chinesische Kinder sehr verwöhnt werden und mehr Auf-
hebens um sie gemacht wird als je zuvor. Sie werden häufig überschüttet mit Süßigkeiten bis
hin zu Computern, da im Normalfall sechs Erwachsene – die Eltern und zwei Großeltern-
paare – die Kinder verhätscheln. Dies wurde als das „Sechs-Taschen-Syndrom“ bekannt. In
einem durchschnittlichen Haushalt in Peking geben Eltern ungefähr 40 Prozent ihres Ein-
kommens für ihr geliebtes und einziges Kind aus. Dieser Trend regte Spielzeughersteller wie
die dänische LEGO-Gruppe und das amerikanische Unternehmen Mattel dazu an, in den chi-
nesischen Markt einzutreten.
Interessanterweise bewirkte die zuvor geltende Ein-Kind-Politik in China eine weitere
bedeutende demografische Entwicklung – eine rasant alternde Bevölkerung. Durch das
potenzielle „demografische Erdbeben“, wie es einige nennen, werden bis 2024 schätzungs-
weise 58 Prozent der chinesischen Bevölkerung älter als 40 Jahre sein. Darüber hinaus wer-
den durch die Ein-Kind-Politik circa 75 Prozent aller chinesischen Haushalte kinderlos sein,
entweder weil sie sich dazu entschlossen haben, keine Kinder zu bekommen, oder weil das
Einzelkind bereits ausgezogen ist. Hieraus wird eine alternde Gesellschaft resultieren, die
sich selbst versorgen muss, weswegen wiederum Dienstleistungsmärkte erwachsen werden,
zu denen etwa Seniorenbildung, Freizeitclubs und Pflegeheime gehören.
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
2006 war das erste Jahr seit dem Zweiten Weltkrieg, in dem in Europa mehr Menschen
gestorben sind, als geboren wurden; die Geburtsrate in der EU lag 2006 bei zehn Geburten
pro 1.000 Einwohner, während die Sterberate bei 10,1 pro 1.000 Einwohner lag.
Das Geburtendefizit gegenüber früheren Zeiträumen und der damit verbundene Trend zur
Kleinfamilie hat seinen Ursprung im Wunsch der Menschen, einen höheren Lebensstandard
zu genießen, im Wunsch der Frauen nach Berufstätigkeit und in der wirkungsvollen Anwen-
dung von Schwangerschaftsverhütung.
Das Durchschnittsalter der Bevölkerung erhöht sich auch, weil die durchschnittliche Lebens-
erwartung zugenommen hat. Vor einem halben Jahrhundert lag diese noch unter 50 Jahren,
bis zum Jahr 2000 stieg sie im Weltdurchschnitt auf 64,6 Jahre an. Für die Industriestaaten
Nordamerikas, Westeuropas und Asiens lag die Lebenserwartung in dieser Zeit sogar bei 74,8
Jahren und man erwartet hier bis zum Jahr 2050 einen Anstieg auf 82,1 Jahre. Auch in den
Entwicklungsländern soll die Lebenserwartung von 63,4 Jahren auf 74 Jahre steigen.
Für das Marketing hat die hier dargestellte Entwicklung wichtige Konsequenzen. Die
Zunahme älterer Konsumenten und der korrespondierende Mangel an jungen Käufern stellt
für Unternehmen und das Marketing nicht zwangsläufig ein Problem dar. Jedoch sollten Mar-
ketingverantwortliche demografische Trends und Entwicklungen verfolgen, um neue Pro-
dukte und Marktchancen zu identifizieren.
Die zunehmend alternde Bevölkerung impliziert z.B. eine höhere Nachfrage nach Gesund-
heitsprodukten und Dienstleistungen, die auf die Bedürfnisse dieser Konsumentengruppe
zugeschnitten sind. So sind die über 60 Jahre alten Menschen heute wohlhabender und akti-
ver und haben einen Lebensstil, der eher einem 40- bis 50-Jährigen gleichkommt. Sowohl der
Gesetzgeber als auch die Industrie können diese einflussreiche Gruppe nicht mehr ignorieren
und müssen die Dienstleistungen und Richtlinien, die ältere Menschen betreffen, unter die
Lupe nehmen. Einige Unternehmen setzen sich bereits mit den demografischen Veränderun-
gen auseinander und passen ihre Produkte den Bedürfnissen der älteren Konsumenten an.
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
Babyboomer Die Babyboomer wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen 1946 und
1964 geboren. Über die Jahre waren sie eine der stärksten treibenden Kräfte, welche das Mar-
ketingumfeld gestalteten. Die jüngsten Boomer sind nun Mitte fünfzig, die ältesten gehen auf
die Rente zu. Die alternden Boomer überdenken nochmals den Sinn und Wert ihrer Arbeit,
ihre Verantwortung und ihre Beziehungen.
Nach Jahren des Wohlstands haben wirtschaftliche Flauten und Rezession viele Boomer hart
getroffen, vor allem diejenigen kurz vor dem Ruhestand. Dennoch, die Boomer erreichen nun
ihren Höhepunkt bezüglich Einkommen und Kaufkraft und stellen weiterhin einen lukrativen
Markt dar für Finanzberatung, neue Häuser und Einrichtungen, Reisen und Unterhaltung, Res-
taurantbesuche, Gesundheits- und Fitnessprodukte und für viele andere Produktkategorien.
Die Boomer „denken jung“, egal wie alt sie sind. Eine Studie ergab, dass sich Boomer im
Schnitt zwölf Jahre jünger sehen als sie sind, und statt sich zur Ruhe zu setzen, sehen sie
ihren Ruhestand als Beginn einer neuen Lebensphase. Gerade die aktiveren Boomer haben
keinerlei Absicht, ihren jugendlichen Lebensstil aufzugeben.
Generation X Dem Babyboom folgte ein Geburtenmangel, eine Generation, geboren zwi-
schen 1965 und 1976, die man Generation X (Gen X) nennt und die über keine klar abgren-
zenden Eigenschaften verfügt.
Diese Generation definiert sich nicht nur über den Zeitraum, in dem sie geboren wurde, son-
dern auch über die gemeinsamen Erfahrungen, die sie haben. In den entwickelten Ländern
sorgten steigende Trennungsraten und die wachsende Zahl arbeitender Mütter für die erste
Generation von Kindern mit Hausschlüssel. Diese kamen von der Schule und fanden ein lee-
res Haus vor, da beide Elternteile in der Arbeit waren. Sie sind zwar erfolgsorientiert, aber
weniger materialistisch, sie schätzen Erfahrungen, nicht Anschaffungen. Für viele Gen Xer,
die heute Eltern sind, kommt die Familie zuerst und die Karriere danach. Aus Sicht des Mar-
ketings sind sie eine eher kritische Gruppe, die einen Kauf erst grundlegend überdenkt und
sich genau informiert. Sie präferieren Qualität gegenüber Masse und sie sind weniger anfällig
für offenkundige Verkaufsstrategien.
Einst wurden sie als MTV-Generation bezeichnet, als Bodypiercing tragende Leute, die über
„McJobs“ jammerten. Aber sie sind erwachsen geworden und übernehmen nun das Steuer.
Stück für Stück verdrängen sie den Lebensstil der Babyboomer, während sie die Karrierelei-
ter erklimmen, und viele sind stolze Eigenheimbesitzer mit jungen, wachsenden Familien. Es
ist die bis heute gebildetste Generation und sie besitzt eine gewaltige Kaufkraft. Aber wie
auch die Boomer müssen sie mit dem wachsenden wirtschaftlichen Druck fertig werden. Wie
fast alle anderen auch geben sie ihr Geld vorsichtiger aus. Aber wegen des hohen Potenzials
konzentrieren sich viele Anbieter gerade auf diese Generation als Kernzielgruppe.
Millenials Sowohl die Boomer wie auch die Gen X werden eines Tages die Zügel an die Mill-
ennials (auch Generation Y oder Echoboomer) abgeben müssen. Geboren sind sie zwischen
1977 und 2000 und stellen zahlenmäßig sowohl die Gen X als auch die Boomer in den Schatten.
Die Millennials sind ein riesiger und attraktiver Markt in den meisten entwickelten Ländern.
Ein Merkmal, das alle Jahrtausender gemeinsam haben, ist ihre Gewandtheit beim Umgang
mit Digitaltechnologie. Sie nutzen nicht nur Technologie, sie leben mit ihr. Sie sind die erste
Generation, die mit Computern aufwuchs, mit Smartphones, Internet und sozialen Netzwer-
ken im Internet. Eine Studie ergab, dass 91 Prozent der Jahrtausender im Netz aktiv sind,
womit sie 32 Prozent der Internetnutzer ausmachen. Nach einer anderen Studie sind 77 Pro-
zent der Jahrtausender in sozialen Netzwerken online und 71 Prozent kennen sich mit Chats
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
aus. Andere Generationen fühlen sich mit Technik wohl, aber die Jahrtausender sind die
Generation, die von ihr geprägt wurde. Für sie ist das nicht etwas Besonderes, sondern eine
Selbstverständlichkeit.
Marketingverantwortliche aus verschiedensten Richtungen nehmen sich die Jahrtausender
als Zielgruppe vor. Diese wird geradezu überflutet mit Marketingbotschaften. Aber anstatt
sich diese Botschaften aufdrücken zu lassen, ziehen sie es vor, Informationen aktiv einzuho-
len und mit den Marken gleichberechtigt zu kommunizieren. Um diese mit Botschaften
gesättigten Verbraucher zu erreichen, sind also kreative Marketingansätze erforderlich.
Generation Z Den Millenials ist die Generation Zero auf den Fersen, die nach dem Jahr
2000 geboren ist (obwohl viele Experten auch nach 1995 geborene Menschen dieser Genera-
tion zuordnen). Diese sogenannte Gen Z stellt heute die wichtigen Märkte für Kinder, Teen-
ager und Twens. Sie stehen als junge Konsumenten für die Märkte von morgen – sie bauen
Beziehungen zu Marken auf, die ihre Kaufentscheidungen weit in die Zukunft hinein beein-
flussen. Mehr noch als die Millenials ist die Gen Z geprägt von einem sicheren und natürli-
chen Umgang mit digitalen Technologien. Für die Generation Z sind Smartphones, Tablets,
iPods, internetverbundene Spielekonsolen, kabelloses Internet sowie digitale und soziale
Medien selbstverständlich – sie ist damit aufgewachsen. Das macht diese Gruppe enorm
mobil, vernetzt und sozial aktiv. „Sobald sie aufwachen, sind sie online“, scherzt ein Ana-
lyst. Ein anderer meint: „Digital ist Bestandteil ihrer DNA.“
Die Gen Z wechselt bei sozialen Kontakten und beim Shoppen mühelos zwischen Online-
und Offline-Aktivitäten. Neueste Studien belegen, dass mehr als die Hälfte der Tweens und
Teenager der Generation Z trotz ihrer Jugend Produktrecherche betreibt, ehe sie selbst oder
ihre Eltern einen Artikel kaufen. Von den Internetkäufern bevorzugt über die Hälfte den
Online-Einkauf in bestimmten Warengruppen, von Elektronik, Büchern, Musik, Sportarti-
keln und Kosmetikprodukten bis hin zu Kleidung, Schuhen und Mode-Accessoires.
Kinder sind heute offenkundig nur schwer für etwas zu begeistern und ihre Aufmerksam-
keitsspanne ist kurz. Der Schlüssel liegt darin, diese jungen Verbraucher einzubeziehen und
sie bei der Gestaltung ihrer Markenerfahrungen zu unterstützen. Ein Experte sagt: „Die
modernen Tweens fordern eine persönlichere, wahrnehmbare, enge und vertraute Verbin-
dung zu ihren Lieblingsmarken.“ Ein weiterer Aspekt, der mit der Generation Z verbunden
ist, ist die Privatsphäre von Kindern und ihre Anfälligkeit für bestimmte Werbemaschen.
Unternehmen, die ihre Werbung auf diese Zielgruppe ausrichten, müssen dies verantwor-
tungsvoll tun, sonst riskieren sie den Zorn der Eltern oder öffentlicher Entscheidungsträger.
Unterschiedliche Marketingstrategien für unterschiedliche Generationen Muss das Mar-
keting wirklich unterschiedliche Produkte und Marketingprogramme für unterschiedliche
Generationen entwerfen? Experten warnen davor, die eine Generation auszublenden, wäh-
rend man attraktive Marketingbotschaften für die andere kreiert. Auch ist zu beachten, dass
jede dieser Generationen Jahrzehnte umspannt. Deshalb werden die Boomer oft auch in die
Unterkategorien frühe Boomer, Kernboomer und späte Boomer unterteilt, und die Millenni-
als in Tweens, Teens und junge Erwachsene. Darüber hinaus kann man Menschen auch nach
Lebensstil und Lebensabschnitt einteilen, da diese Kriterien oftmals über Kauf oder Nicht-
Kauf entscheiden. Weitere Arten der Marktsegmentierung diskutieren wir in Kapitel 7.
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Insgesamt bleibt festzustellen, dass das Bildungsniveau der Bevölkerung zunimmt. Insbeson-
dere die Volkswirtschaften in Osteuropa und Asien investieren in den Bildungssektor. Aus
dem höheren Anteil gebildeter und interessierter Menschen ist eine erhöhte Nachfrage nach
Qualitätserzeugnissen, Büchern, Zeitschriften, Reisen, Computern und Internetdiensten zu
erwarten.
Migration
Der rasante Anstieg der weltweiten Migration hat viele Gründe. Derzeit leben etwa drei Pro-
zent der Weltbevölkerung außerhalb ihres Geburtslandes. Zwar hat die wirtschaftliche Rezes-
sion Ende der 2000er-Jahre zu einem leichten Rückgang der Zahlen geführt, da ein schwa-
ches Wirtschaftswachstum in ihren Heimatländern viele Migranten zur Rückkehr bewogen
hat. Laut den Vereinten Nationen liegt der Anteil der Migranten weltweit jedoch bei 232 Mil-
lionen. Bis zum Jahr 2050 dürfte sich der globale Wanderungsstrom verdoppeln.
Die USA sind das größte Einwanderungsland (mit einem Bevölkerungsanteil von 46 Millio-
nen Menschen im Jahr 2014). In der EU verzeichneten die am stärksten von der Rezession
betroffenen Länder wie Griechenland und Spanien Abwanderungen, während stärkere Wirt-
schaftsnationen wie Großbritannien und Deutschland mehr Zuwanderer anlockten. Im Jahr
2014 stieg die Zahl der im Ausland lebenden Briten erstmalig auf über 5 Millionen, die meis-
ten zog es nach Australien und in die USA. Migration wirkt sich sowohl auf den Ort der
Marktnachfrage aus – wo Menschen erreicht werden – als auch auf die Art der Nachfrage
nach Waren und Dienstleistungen – also die Bedürfnisse von Menschen in veränderten Situ-
ationen.
Höhere Migrationsströme entstehen teilweise durch freiwillige Abwanderung – den altern-
den Gesellschaften der Industrienationen fehlen bis zum Jahr 2050 möglicherweise 100 Mil-
lionen Arbeitskräfte und ein Großteil dieses Verlusts kann durch verstärkte Migration aufge-
fangen werden. So stammten im Jahr 2015 etwa 16 Prozent aller Arbeitskräfte im Vereinigten
Königreich – fast 5 Millionen Menschen, im Vergleich zu 7 Prozent im Jahr 1997 – aus Über-
see und deckten den Personalbedarf in zahlreichen Branchen. Doch neben diesen Faktoren
gibt es weitere Gründe für die Abwanderung aus Entwicklungsländern. Hier steht Afrika vor
besonderen Herausforderungen – bis zum Jahr 2050 wird die Bevölkerung des Kontinents auf
1,8 Milliarden Menschen angewachsen sein, von denen viele in ihrer Heimat ohne wirt-
schaftliche Perspektive bleiben.
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
von Geschenken rund um den heiligen muslimischen Monat Ramadan und das „Eid al-Fitr“-
Fest. Londoner Händler bemühen sich besonders um muslimische Kunden in der Zeit des
Ramadan und Eid – eine Saison, die den Umsätzen nach gleich hinter Weihnachten folgt.
In Großbritannien entwickeln sich im weitesten Sinne Städte mit einer „Super-Vielfalt“, in
der keine einzelne ethnische Gruppe die Mehrheit stellt. Dieser Pluralismus findet sich in
Orten wie Leicester, Birmingham, Slough, Luton und vielen anderen Londoner Bezirken.
Man erwartet jedoch, dass die Bevölkerung eingewanderter und ethnischer Minderheiten
nicht von den derzeit starken afrokaribischen oder asiatischen Gemeinden beherrscht wird,
sondern dass immer mehr Menschen aus allen Teilen der Welt hinzukommen.
Es ist bezeichnend, dass in den USA die Kaufkraft der afroamerikanischen, asiatischen und
vor allem hispanischen Verbraucher für viele Firmen eine entscheidende Rolle spielt. Procter
& Gamble beispielsweise will die Produktreihe der Gain-Reinigungsmittel in eine Mega-
Marke verwandeln – hauptsächlich durch eine stärkere Parfümierung, die von hispanischen
Verbrauchern bevorzugt wird.
Für multinationale Marken liegt die Herausforderung darin, die Markenerfahrungen und
erforschten Kundenpräferenzen aus Mexiko und Russland auf die hispanischen Gemeinden
in Albuquerque und russische Kunden im US-amerikanischen Brighton Beach zu übertragen.
Im Jahr 2012 wurde die „Mehrheits-Minderheits“-Grenze bei den Neugeborenen in den USA
erstmalig überschritten – Weiße mit europäischen Wurzeln machten weniger als die Hälfte
der neugeborenen Kinder aus. Dies markierte einen demografischen Wendepunkt, der Wirt-
schaft und Arbeitskräftepotenzial des Landes bereits verändert.
Interessante neue Märkte entstehen dadurch, dass man die Bedeutung von ethnischen und
religiösen Unterschieden zwischen den Verbrauchern innerhalb eines Landes und grenzüber-
greifend erkennt. So sind türkische Modedesigner führend bei den Bestrebungen, Mode zu
fördern, die nicht gegen muslimische Werte verstößt. Die Zeitschrift „Ala“ ist das erste Mode-
magazin für konservative muslimische Frauen in der Türkei. Der Herausgeber sagt: „Wir
möchten Frauen internationale Mode nahebringen, ohne unsere Werte zu verraten.“ Das
Magazin und die Designer richten sich an die Bedürfnisse wohlhabender Frauen, die wenig
über islamische Designer wissen – denn muslimische Mode ist traditionell ein Geschäft der
Mundpropaganda.
Auch in Großbritannien verändern Gastarbeiter, hauptsächlich aus der Europäischen Union,
den Konsummarkt rasant und eröffnen den Marketingverantwortlichen neue Möglichkeiten.
Im Jahr 2015 schätzte das Oxford University Migration Observatory, dass einer von acht Ein-
wohnern Großbritanniens in Übersee geboren wurde; damit unterstrich es die wachsende
Vielfalt in der britischen Gesellschaft und wies auf die Entstehung vieler neuer Marktchan-
cen hin. So wurde für die lebhafte polnische Gemeinde eine polnische Radiostation eröffnet,
es wurden polnische Straßenschilder aufgestellt, Banken wie NatWest bieten spezielle Kon-
ten für polnische Kunden, die Ketten Tesco und Asda bieten ein breites Sortiment an polni-
schen Delikatessen mit Werbung in den zunehmend verbreiteten polnischsprachigen Medien
in Großbritannien und Immobilienmakler inserieren Kauf- und Mietobjekte in polnischer
Sprache.
Erkennen weiterer Aspekte der Vielfältigkeit in Märkten Vielfalt geht über die ethnische
Herkunft hinaus. So richten sich viele große Unternehmen ganz konkret an schwule und lesbi-
sche Kunden. Die Rolle homosexueller Käufer auf dem Immobilienmarkt gewinnt zunehmend
an Bedeutung. Auch stellt die homosexuelle Gemeinde eine interessante Zielgruppe wohlha-
bender Kunden dar, häufig als Haushalt mit doppeltem Einkommen und wertvollem Wohnei-
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
gentum. Ferner hat diese Gruppe ein besonders großes Interesse daran, Feriendomizile im Aus-
land zu kaufen. Studien legen nahe, dass sich diese Trends in den meisten der liberalen
westlichen Demokratien entwickeln. Als eigenes Marktsegment existieren spezielle Medien
wie Lifestyle-Magazine, die einen Zugang zur homosexuellen Gemeinde ermöglichen.
Auch Erwachsene mit Behinderungen stellen ein interessantes Segment einer vielfältigen
Gesellschaft dar. In den USA leben fast 60 Millionen erwachsene Menschen mit Behinderun-
gen – ein Markt, der den der afroamerikanischen oder hispanischen Bevölkerung übertrifft und
der über eine Kaufkraft von mehr als 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr verfügt. Die meisten
Menschen mit Behinderungen sind aktive Verbraucher. So zeigt eine Studie, dass mehr als
zwei Drittel der Erwachsenen mit Behinderung in den vorherigen zwei Jahren mindestens eine
Geschäfts- oder Urlaubsreise unternommen hatten. 31 Prozent buchten mindestens einen Flug,
mehr als die Hälfte übernachtete in Hotels und 20 Prozent mieteten ein Auto. Über 75 Prozent
der Menschen mit Behinderung essen mindestens einmal pro Woche auswärts.
Wie können Unternehmen Verbraucher mit Behinderungen erreichen? Viele Marketingexper-
ten erkennen heute, dass die Welten von Menschen mit und ohne Behinderungen ein und
dieselbe sind. Werbetreibende wie McDonald’s, Nike und Honda setzen Menschen mit
Behinderungen in ihren großen Werbekampagnen ein. Samsung und Nike haben beispiels-
weise Verträge mit Athleten der Paralympics abgeschlossen und sie zu Stars in ihren Kampa-
gnen gemacht.
Da die Bevölkerung einzelner Länder oder Regionen wie z.B. Europa immer vielfältiger wird,
gestalten erfolgreiche Marketer ihre Marketingprogramme ebenfalls vielseitiger, um die
Chancen in schnell wachsenden Segmenten zu nutzen.
Urbanisierung der Bevölkerung Neben den Migrationsströmen zwischen den Staaten gibt
es auch erhebliche Bewegungen innerhalb einzelner Länder. So besteht ein anhaltender
Trend zur Abwanderung aus den ländlichen Gebieten in die Städte. Es gibt Belege dafür, dass
500 Millionen Landwirte im Laufe der nächsten 50 Jahren in die Städte ziehen werden und
damit den bereits erheblichen Druck auf Metropolen wie Mumbai, Delhi, Dhaka und Shang-
hai (mit jeweils mehr als 20 Millionen Einwohnern) sowie Kinshasa, Kairo und Lagos (mit
jeweils über 15 Millionen Einwohnern) weiter verstärken werden. Innerhalb von drei Jahr-
zehnten hat sich China durch die Abwanderung vom Land in die Städte in eine überwiegend
urbane Gesellschaft verwandelt.
In den meisten entwickelten Ländern hat die Verlagerung der Lebensräume auch zu einer Ver-
lagerung der Arbeitsorte geführt. Die Abwanderung in die Städte brachte beispielsweise einen
massiven Anstieg der Telearbeit mit sich, also der Tätigkeit zu Hause oder in einem ausgela-
gerten Büro durch Nutzung von Firmentelefon, Fax, Modem oder Internet. Dieser Trend wie-
derum hat den Markt für kleine Büros und des Home-Office angekurbelt. Immer mehr Men-
schen arbeiten von zu Hause aus und nutzen dafür den elektronischen Komfort von z.B. PCs,
Smartphones und Breitband-Internetzugang. Viele Marketingexperten umwerben aktiv den
lukrativen Telekommunikationsmarkt. WebEx zum Beispiel, der Web-Konferenzbereich von
Cisco, fördert die Überwindung der Isolation, die oft mit einer Telearbeit einhergeht. Mit
WebEx können sich Menschen begegnen und online über ihre Computer oder Smartphones
zusammenarbeiten, unabhängig von ihrem Standort. „Für effektive Onlinemeetings braucht
man nicht mehr als einen Browser und ein Handy“, meint das Unternehmen. Von überall aus
können Menschen über WebEx mit anderen Personen oder kleinen Gruppen in Verbindung
treten und Präsentationen halten, Dokumente austauschen und gemeinsame Desktops benut-
zen, die vollständig mit Ton und Full-Motion-Videofunktionen ausgestattet sind.
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Indonesien, Nigeria, Türkei). Ohne Zweifel jedoch führen die Auswirkungen des wirtschaft-
lichen Wandels, der Verlagerung der Machtverhältnisse in der Weltwirtschaft und neue For-
men der Globalisierung zur Aufspaltung und Neugestaltung ganzer Wirtschaftszweige.
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Veränderungen bei wichtigen ökonomischen Größen wie Einkommen, Kosten der Lebenshal-
tung, Zinssätzen und Spar- und Ausleihverhalten haben bedeutende Auswirkungen auf die
Märkte. Viele Unternehmen nutzen deshalb Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung für
ihre Planung. Mittels sogenannter Frühwarnindikatoren kann man erkennen, wie sich für das
Unternehmen relevante wirtschaftliche Rahmenbedingungen verändern werden, und dies in
der Strategie berücksichtigen, um aus den Veränderungen resultierende Chancen zu nutzen.
Steigende Energiekosten
Eine der nicht erneuerbaren Ressourcen, das Rohöl, stellt den derzeit größten Engpass für
künftiges Wirtschaftswachstum dar. Die großen Industriestaaten der Welt sind zu einem
erheblichen Anteil vom Öl abhängig. Innerhalb der EU-Staaten können die Energiepreise um
bis zu 100 Prozent variieren. Die Abhängigkeit der EU von importierter Energie wird erwar-
tungsgemäß von derzeit 50 Prozent des Gesamtverbrauchs bis 2030 auf 65 Prozent steigen.
Die Sorge um hohe Energiekosten und Versorgungssicherheit wurde durch jüngere Ereignisse
noch verstärkt, wie etwa die Krise in der Ukraine.
Bis Ersatzprodukte entwickelt sind, wird Erdöl für die internationale Wirtschaft und Politik
ein Schlüsselprodukt bleiben. Immer größere Bedeutung kommt deshalb der Entwicklung
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
alternativer Energiequellen wie Wind- und Solarenergie zu. Andere Unternehmen konzent-
rieren ihre Forschungs- und Entwicklungsbemühungen mehr auf die Schaffung energieeffizi-
enter Technologien. Automobilkonzerne arbeiten intensiv an neuen Antriebstechnologien
und energiesparenden Kompaktwagen. Beispielhaft soll hier die Entwicklung von Elektroau-
tos näher betrachtet werden.
Immer mehr Autofahrer wünschen sich alternative Antriebstechnologien für ihre Autos.
Verstärkt wurde dieses Verlangen nicht zuletzt durch die ansteigenden Treibstoffpreise
in den letzten Jahren.
Viele der großen Automobilhersteller setzen nach wie vor verstärkt auf die Hybrid-Tech-
nologie, die aber nur eine Übergangslösung zum reinen Elektroauto sein kann. Als Vorrei-
ter dieser Technologie kommt einem zum Beispiel Toyota mit dem Modell Prius in den
Sinn. Auch Mercedes-Benz und die anderen deutschen Hersteller haben solche hybride
Fahrzeuge im Angebot. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um sogenannte Mild-
Hybride, bei denen der schwach dimensionierte E-Motor nur leichte Unterstützungsarbeit
bei der Beschleunigung, beim Bremsen (die „Rekuperation“, bei der die Bremsenergie in
den Akku eingespeist wird) und beim Start-Stopp-Betrieb an der Ampel oder im Stau leis-
tet. Eine rein elektrische Fahrweise ist zumeist nicht vorgesehen.
Dem öffentlichen Interesse und dem Nachfragedruck sowie den Vorgaben der EU in
puncto Flottenverbräuche und Flotten-CO2-Ausstöße ist es zu verdanken, dass es in den
letzten Jahren dann doch die großen deutschen Autohersteller geschafft haben, reine
Elektrofahrzeuge verkaufsfertig in die Schauräume zu stellen. Bei Daimler ist dies z.B.
der eSmart oder eine elektrische B-Klasse, bei VW der e-up! oder ein e-Golf, und natür-
lich nicht zu vergessen BMW i3 und i8. Doch die Verkaufs- und Zulassungszahlen sind
noch verschwindend gering, die Preise noch hoch.
Aber woran liegen dann die geringen Zulassungszahlen von Elektrofahrzeugen, wenn die
Technik im Prinzip vorhanden ist? Hier wird statt Aufklärungsarbeit gerne auch Sand
gestreut. Allzu gerne verweisen die großen Automobilkonzerne z.B. auf die angeblich
noch nicht reife Akku-Technologie, haben sich aber nach kurzen Stippvisiten in die
Akku-Entwicklung und -Produktion alle wieder aus den entsprechenden Firmenkonst-
rukten verabschiedet. Beliebt ist auch in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die
noch nicht in ausreichender Menge vorhandene Lade-Infrastruktur, die es ja unmöglich
mache, Elektroautos in großer Menge zu verkaufen. Die Hersteller von Wallboxen und
Ladesäulen sowie die Energiewirtschaft, die ja eigentlich am meisten von einem einset-
zenden Boom der Elektromobilität profitieren würden, argumentieren gleich, nur im
gegenteiligen Sinne. Ob dieses „Henne oder Ei“-Gehabe die Sache an sich voranbringt, ist
mehr als fraglich. Außerdem gibt es genügend Fahrzeuge, die sich auch an einer her-
kömmlichen Schukosteckdose z.B. in der heimischen Garage oder im Carport problemlos
laden lassen. Doch was braucht die elektromobile Welt? Bestimmt keine Verzögerungstak-
tik, die nur dazu geeignet ist, den etablierten Unternehmen noch mehr Geld in die
Taschen zu spülen, indem sie weiter von der hohen Marge beim Verkauf von herkömm-
lich angetriebenen Fahrzeugen profitiert.
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Wir brauchen Unternehmen, die Innovation leben und das Risiko neuer Technologien
nicht scheuen. Nur damit kann der Durchbruch schnell gelingen. Unübertroffen ist der
Erfolgsweg eines ursprünglich kleinen kalifornischen Joint-Ventures, der Firma Tesla
Motors mit ihren Modellen Tesla Roadster, Tesla Model 3, Tesla Model S und Tesla Model
X. Sie schaffte es, die Automobilbranche mit ihrem schnittigen Elektro-Renner Tesla
Roadster kräftig durcheinanderzuwirbeln. Gegründet 2003 von Martin Eberhardt, Marc
Tarpenning und Ian Wright, finanziert von Elon Musk, dem Gründer von PayPal und Spa-
ceX (der ersten privaten Firma mit einem Großauftrag der NASA – er versorgt mit seiner
Rakete nach der Ablösung der betagten Space-Shuttles die Raumstation ISS), sowie Larry
Page und Sergey Brin, den Mitbegründern von Google, lieferte die Firma Tesla ab 2008
ihren schnittigen Sportwagen Tesla Roadster (bis 2012) mit reinem Elektroantrieb aus.
Abbildung 3.7: Tesla Roadster Model S auf einer Ausstellung in der Vorhalle des Time Warner Center in New York
(Quelle: Richard Levine / Alamy Stock Photo)
Elon Musk, CEO von Tesla Motors, ist das aber noch nicht genug, er greift weiter nach den
Sternen. Das aktuelle Fahrzeug von Tesla, das „Model S“, ein schnittiger, aber trotzdem
geräumiger, familienfreundlicher Elektro-Viertürer, bietet knapp 600 km Reichweite,
absolviert den Spurt auf 100 km/h in 2,7 Sekunden und ist in Deutschland in verschiede-
nen Modellvarianten ab 85.200 Euro zu haben. Tesla engagiert sich auch im Bereich der
Ladetechnik: Um seinen Kunden die Möglichkeit der Schnellladung zu bieten, baut das
Unternehmen weltweit sogenannte Supercharger-Stationen auf. Diese werden in den USA
und Europa an Reiserouten platziert und erlauben die Tesla-Fahrzeuge in 40 Minuten auf
rund 80 % aufladen – kostenlos, versteht sich. Bis heute sind schon über 1.130 Ladestati-
onen mit mehr 8.500 Ladepunkten aufgestellt. Alles in allem scheint Tesla die richtige
Mischung gefunden zu haben, um die Elektromobilität signifikant voranzutreiben. Hier
könnte sich manch ein Mitbewerber eine gewaltige Scheibe abschneiden.
Quelle:
Tesla Motors, Inc., Webseite unter: www.teslamotors.com [04.02.2018]
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
Zunehmende Umweltverschmutzung
Die Industrie wird weltweit für Schäden an der natürlichen Umwelt verantwortlich gemacht.
Die Entsorgung chemischer und nuklearer Abfälle, der hohe Quecksilbergehalt in den Mee-
ren, chemische Rückstände im Boden und in der Nahrung und die Verschmutzung der
Umwelt durch biologisch nicht abbaubare Materialien sind nur einige der diskutierten The-
men.
Viele Unternehmen, besonders jene am schmutzigeren Ende der Produktionskette, beklagen
sich über die Kosten, die sich aufgrund der Umweltgesetzgebung oder der Verpflichtung,
neue, umweltgerechte Produktionsmethoden einzuführen, ergeben. Auf der anderen Seite
haben sich aufmerksame Manager den Sorgen der Öffentlichkeit in Bezug auf die Umwelt
durch die Herstellung umweltschonender Produkte, recycelbarer oder biologisch abbaubarer
Verpackungen sowie verbesserter Produktionsprozesse angenommen.
Die Einhaltung von Umweltrichtlinien mag zwar eine Belastung darstellen, bietet jedoch
auch die Chance, neue Absatzpotenziale zu erschließen. Die steigende Nachfrage nach einer
ökologischen Abfallentsorgung – dem Einsammeln, Transportieren, Beseitigen und Recyceln
von festen Abfällen – hat einen stetig wachsenden Wirtschaftszweig geschaffen, der mehrere
Milliarden Euro umsetzt. Die Komplexität der EU-Umweltrichtlinien und nationaler Gesetze
hat einen regelrechten Boom bei Umweltberatungsunternehmen, insbesondere bei der
Umweltanalyse und dem Risiko-Management ausgelöst. Da das Umweltgeschäft seit einiger
Zeit floriert, haben clevere Unternehmer gelernt, wie man mit Abfall viel Geld verdient.
Nischenmärkte für Produkte, die besonders umweltfreundlich sind und für die einige Ver-
braucher Höchstpreise zu zahlen bereit sind, haben sich in vielen Branchen gebildet, ange-
fangen bei Kosmetik- und Hygiene-Artikeln bis hin zu Automobilen. Die meisten Kaufinter-
essenten werden jedoch auch in Zukunft bei ihrer Kaufentscheidung einen Kompromiss
zwischen Umweltbelangen einerseits und Kosten, Leistungsfähigkeit und sonstigen Qualitä-
ten eines Produkts andererseits suchen.
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
Unternehmen müssen sich deshalb umfassend über die technologischen Trends ihrer Bran-
che informieren und analysieren, ob eintretende Änderungen die Fähigkeit ihrer Produkte,
die Bedürfnisse der Käufer optimal befriedigen zu können, infrage stellen. Die zunehmende
Begeisterung von Kindern für MP3-Player, Mobiltelefone und PlayStations stellt traditionelle
Spielwarenhersteller vor große Herausforderungen. So musste das Traditionsunternehmen
Märklin nach einer 150-jährigen Unternehmensgeschichte, in der es sich von einer kleinen
Fabrik für Blechspielwaren zu einem weltweit bekannten Produzenten von hochwertigem
Metallspielzeug entwickelte, im Jahr 2009 seine Zahlungsunfähigkeit bekannt geben. Auch
Technologien, die in nicht verwandten Branchen erarbeitet werden, können das Schicksal
eines Unternehmens dramatisch beeinflussen. Die Industrie der klassischen mechanischen
Uhren wurde zum Beispiel von Produzenten elektronischer Komponenten, die preiswerte
Quarzuhren anboten, praktisch überrollt.
In den 80er-Jahren baute Sony ein erfolgreiches Geschäft mit Produkten auf, die auf analoger
Technologie beruhten, wie beispielsweise CRT-Röhrenfernseher oder der tragbare Kassetten-
rekorder Walkman. Aber die Welt hatte sich in Richtung LCD-Flachbildschirme und Plasma-
Fernseher sowie MP3-Player entwickelt, die auf Festplattenlaufwerken und Speicherkarten
beruhen. Sonys erfolgreiche Vergangenheit war vor allem durch die Unterhaltungselektro-
niksparte geprägt, doch diese musste in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts große Verluste
hinnehmen, da sie den Trend zur Digitalisierung verschlafen hatte. Im Bereich von Fernseh-
geräten, in dem Sony sich aufgrund des attraktiven Designs, der Markenstärke und der Trini-
tron Technology lange Zeit einer treuen Gefolgschaft sicher sein konnte, profitierte der Rivale
Sharp von der starken Nachfrage nach LCD-Flachbildschirmen und löste Sony als bevorzugte
Marke ab. Heute ist Samsung der Marktführer bei Fernsehern.
Insbesondere die Digitalisierung, die Einzug in viele Wirtschaftsbereiche gehalten hat, wird
zukünftig einen wachsenden Einfluss auf die Technologieentwicklung haben.
Skeptiker gingen davon aus, dass die Entschlüsselung der menschlichen DNA Jahr-
zehnte, wenn nicht Jahrhunderte in Anspruch nehmen würde, als sich im Jahr 1990
Forscher daran machten. Doch bereits 13 Jahre später war der Durchbruch gelungen und
das Human-Genom-Projekt erreichte sein Ziel. Wie war das möglich gewesen? Ein
Grund dafür war die rasche, exponentielle Entwicklung der dafür notwendigen Techno-
logien.
Nunmehr gehen Zukunftsforscher davon aus, dass es mit der Digitalisierung ähnlich
schnell vorangehen wird und damit ganze Wirtschaftszweige tief greifend erschüttert
werden. So sind sich viele Forscher sicher: die digitale Transformation hält ungeahnte
neue Möglichkeiten bereit: Denn die Kombination einzelner Technologien wie der
Cloudtechnologie, der künstlichen Intelligenz, immer weiter steigender Rechnerleis-
tung, der Robotik, des 3-D-Drucks, der Sensorik, Big Data usw. wird in vielen Branchen
zu völlig neuen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen führen.
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Dabei werden viele dieser Veränderungen von disruptiver Natur sein, d.h., sie werden
bestehende Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle ablösen und ersetzen,
und dies in immer kürzeren Zeitabständen.
Technologischer Fortschritt ist von exponentiellem Wachstum geprägt und so unter-
schätzen viele Unternehmen dessen Dynamik und reagieren zu langsam. Dies passierte
etwa Kodak, als diese – zwar die Erfinder der digitalen Fotografie – zu spät vom Fokus
auf die analoge Fotografie abließen. Kodak wollte sich lange Zeit nicht vom äußerst pro-
fitablen Geschäftsmodell der analogen Fotografie, die auch den Verkauf und die Ent-
wicklung von Filmen umfasste, trennen. In der Regel sind es Neueinsteiger oder Start-
ups, die durch den Einsatz neuer Technologien oder durch das Ändern eines bestehen-
den Geschäftsmodellmusters Branchen verändern oder gar überflüssig machen. Bspw.
machte Netflix Videotheken überflüssig, Spotify forderte die Musikindustrie heraus und
möglicherweise werden Fintechs die Bankenindustrie erschüttern.
Eine Reihe von Schätzungen geht davon aus, dass deshalb ein großer Teil der heutigen
Top-Unternehmen in wenigen Jahren verschwunden sein wird. Ebenso wird ein Groß-
teil der heutigen Arbeitsplätze durch Digitalisierung verschwinden. Dabei vorrangig
jene Tätigkeiten, die einfach und schnell standardisierbar sind. Beispielsweise klassi-
sche Sachbearbeiter mit Routinetätigkeiten, Fabrikarbeiter, aber auch Rechtsanwälte, da
deren Beratungsleistung ebenso standardisiert werden kann. Kreative Tätigkeiten und
jene, bei denen Projekte eigenständig vorangetrieben werden, scheinen sicherer.
Zwar sind diese Effekte zweifelsohne negativ, dennoch bieten die neuen technischen
Möglichkeiten auch eine Reihe von Möglichkeiten: Noch nie war es so einfach, ein
Unternehmen zu gründen, noch nie war es so einfach, an Venture Capital zu gelangen,
noch nie gab es solche Innovationschancen für Produkte und Geschäftsmodelle und
noch nie konnte man so schnell und so einfach Konsumenten und Konsumentinnen auf
dem ganzen Globus erreichen.
Quellen:
Gassmann, O./Frankenberger, K./Csik, M. (2017): Geschäftsmodelle entwickeln. 55 innovative Kon-
zepte mit dem St. Galler Business Model Navigator. Hanser.
Matzler, K./Bailom, F./Friedrich von den Eichen, S./Anschober, M. (2016): Digital Disruption – Wie
Sie Ihr Unternehmen auf das digitale Zeitalter vorbereiten. Vahlen.
o. V.: Wie der technische Fortschritt die Welt verändert. Download unter: http://www.handels-
blatt.com/adv/digital-vernetzt/wirtschaft-technologie/industrial/digitale-disruption-wie-der-tech-
nische-fortschritt-die-welt-veraendert/13946322.html [13.02.2018]
Meyer, J. U.: Digitalisierung der Arbeitswelt: Ist mein Job schon in Gefahr? Download unter: https://
www.karriere.at/blog/digitalisierung-arbeitswelt.html [13.02.2018]
Unternehmen müssen daher stets die neueste technologische Entwicklung im Auge behalten,
um neue Produkt- und Marktchancen zu entdecken und zu nutzen. Wissenschaftler erfor-
schen deshalb eine Reihe von vielversprechenden neuen Produkten und Dienstleistungen
wie z.B. Solarenergie, Elektroautomobile und leistungsstarke Rechner, die man am Körper
tragen oder zusammengefaltet in der Tasche aufbewahren kann. Wissenschaftler arbeiten
aber auch an Visionen wie fliegenden Autos oder Weltraumkolonien. Dabei wird die For-
schung zunehmend von Forschungsgruppen vorangetrieben und weniger von einzelnen
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
Erfindern wie Thomas Edison oder Alexander Graham Bell. Viele Firmen senden Marktfor-
scher in ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, um eine verstärkte Marktorientie-
rung der Forschung zu gewährleisten. Oftmals liegt die Herausforderung weniger in der tech-
nischen Umsetzung, als vielmehr in der Wirtschaftlichkeit, nämlich der Entwicklung von
verwertbaren und erschwinglichen Versionen dieser Produkte.
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Wirtschaftsrelevante Gesetzgebung
Selbst die liberalsten Verteidiger einer freien Wirtschaft räumen ein, dass eine Gesellschaft
ohne ein Mindestmaß an Gesetzen nicht auskommen kann. Gut abgestimmte Regulierungen
und Gesetze können den Wettbewerb stärken und faire Marktbedingungen schaffen. Nahezu
jede Marketingentscheidung unterliegt deshalb einer Vielzahl von Gesetzen und Bestimmun-
gen.
In den meisten Industriestaaten nimmt die Gesetzgebung, welche die unternehmerische
Betätigung reguliert, stetig zu. In der EU existiert eine Vielzahl an Gesetzen, die das Wettbe-
werbsverhalten, die Produktstandards, die Produktzuverlässigkeit und die finanziellen
Transaktionen der Länder innerhalb der EU regeln. Auch die Vereinigten Staaten haben viele
Gesetze, die sich um Angelegenheiten wie den Wettbewerb, Umweltschutz und Produktsi-
cherheit, aber auch Ehrlichkeit bei Werbeanzeigen, Verpackungen und Beschriftungen sowie
um die Sicherstellung einer fairen Preissetzung kümmern.
Es ist nicht einfach, alle gesetzlichen Regelungen zu verstehen und zu berücksichtigen, die
mit einer Marketingmaßnahme einhergehen. Zunächst gibt es viele Gesetze auf unterschied-
lichen administrativen Ebenen: In der Europäischen Union sind dies die Ebene der EU-
Bestimmungen, die nationale Gesetzgebung (in Deutschland und in Österreich handelt es
sich hier um die Gesetzgebung auf Bundesebene) und die Gesetzgebung der Länder. Es folgen
schließlich die Regelungen der regionalen oder lokalen Behörden (Kommunale Ebene –
Städte und Gemeinden). In vielen Staaten sind die Regelungshierarchien ähnlich aufgebaut.
Häufig besteht Regelungskonkurrenz, die zum Teil durch Rechtsprioritäten (z.B. Bundesrecht
bricht Landesrecht, EU-Recht bindet auch den Bundesgesetzgeber) aufgelöst wird, zum Teil
bleiben aber konkurrierende Regelungen so lange bestehen, wie sie nicht auffallen oder stö-
ren.
Zum Zweiten ändern sich diese Regelungen laufend. Was im letzten Jahr noch erlaubt war,
könnte in diesem Jahr vielleicht schon verboten sein. Im vereinten Europa sind umfangreiche
Neuregelungsvorhaben mit den Zielen der Öffnung von Monopolen, der Harmonisierung
und der Rechtsangleichung im Gang. Diese Projekte brauchen ihre Zeit. Bis zur vollständigen
Umsetzung wird ein Zustand stetigen Wandels herrschen, der für das national und internati-
onal orientierte Marketing Herausforderung und Unsicherheit zugleich bedeutet. Es wird
daher viel zusätzliche Arbeit zu leisten sein, um angesichts dieser Veränderungen der Gesetz-
gebung und der zugehörigen Interpretationen stets auf dem Laufenden zu sein.
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
und anderer Berühmtheiten auf das Hairstyling, die Kleidung oder sexuelle Normen junger
Menschen. Marketingexperten möchten derartige Veränderungen vorhersehen, um neue
Chancen und Bedrohungen für das Unternehmen zu erkennen. Marktforschungsunterneh-
men haben die Aufgabe, solche Entwicklungen zu antizipieren und zu dokumentieren. So
hat zum Beispiel der Prozentsatz der Personen, die Fitness und Wohlbefinden als sehr wich-
tige Werte angeben, in den letzten Jahren stetig zugenommen. Diese Erkenntnisse sind den
Marketingfachleuten sehr willkommen, da sie zu beurteilen helfen, welche Produkte gute
Chancen haben und welche Werbebotschaft die richtige ist.
Die grundsätzlichen Wertvorstellungen in einer Kultur werden darin ausgedrückt, wie die
Menschen sich selbst und andere, ihre Institutionen und Organisationen, die Gesellschaft an
sich, die Natur, die Erde und das Universum sehen.
Das Bild der Menschen von sich und ihren Mitmenschen Die Menschen variieren stark
darin, wie sehr sie ausschließlich für ihre eigenen Lebensvorstellungen und Lebensziele
arbeiten und inwieweit sie für die Gemeinschaft zu leben bereit sind. Einige setzen persönli-
ches Vergnügen, Spaß und Abwechslung an die erste Stelle. Andere erstreben Selbstverwirk-
lichung durch Religionsausübung, durch Freizeitaktivitäten oder sie verfolgen ambitionierte
Karriere- oder andere Lebensziele. Die Menschen benutzen Produkte und Dienstleistungen
als Instrument zur Selbstverwirklichung und kaufen die Marken, die ihre Vorstellungen am
besten zum Ausdruck bringen.
In den 80er-Jahren nahmen Egoismus und persönlicher Ehrgeiz sehr zu, was auch entschei-
dende Umorientierungen im Marketing nötig machte. In einer „Ich-Gesellschaft“ kaufen die
Leute ihre „Traum-Automobile“ und streben einen „Traum-Urlaub“ an. Diese Menschen ver-
bringen mehr Zeit bei sportlicher Betätigung im Freien (Jogging, Tennis), mit Kunst, Kultur
und Kunsthandwerk.
Heutzutage hingegen streben Menschen wieder nach konservativeren Zielen und Verhaltens-
weisen. Nach der „Ich-Gesellschaft“ glauben einige Soziologen auch wieder einen Trend zu
mehr „Wir-Gesellschaft“ festgestellt zu haben, in der sich die Menschen mehr zusammen-
schließen und füreinander da sein wollen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind Materialismus,
demonstrative Geldverschwendung und ausschweifender Genuss einem umsichtigeren Kon-
sumverhalten sowie einem gemeinschaftsbezogenen, familiären Verhalten mit sozialer Verant-
wortung gewichen. Sparsamkeit, Sorge um die Familie und Gemeinsinn sind wieder auf dem
Vormarsch. Neuere Studien zeigen, dass sich mehr Menschen für Wohltätigkeitsorganisatio-
nen, ehrenamtliche Arbeit und in der Hilfe für andere engagieren als noch vor einigen Jahren.
Dies bedeutet auch verbesserte Marketingperspektiven für Produkte und Dienste, die gemein-
schaftsorientiert sind wie Gesundheitszirkel, Familienferien (z. B. das „Center-Parc“-Konzept),
Gesellschaftsspiele oder auf dem Automobilmarkt das Konzept der „Vans“ und „Minivans“. Zu
erwarten ist auch ein wachsender Markt für Produkte, die als „Gemeinschaftsersatz“ oder
„Gemeinschaftsergänzung“ angesehen werden können. Dies können Produkte wie Videokame-
ras oder Computer mit Internetverbindung sein, die Menschen, die allein sind, darüber hin-
weghelfen können, indem doch Gemeinschaft mit anderen hergestellt wird.
In den letzten Jahrzehnten wurde auch eine Änderung des Verhaltens gegenüber Mitmen-
schen festgestellt. Man tendiert zum „Cocooning“, was bedeutet, dass Menschen sich selte-
ner mit anderen verabreden und häufig Zeit zu Hause verbringen. Diese Entwicklung deutet
auf eine größere Nachfrage nach Produkten zur Gestaltung von Heim und Garten und Unter-
haltungsprodukten wie Videospielen und DVDs hin. „Während sich der Trend hin zu ‚Cocoo-
ning‘ oder ‚Nesting‘ fortsetzt, kommt es gleichzeitig zu einer Verbesserung von Haus und vor
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
allem Garten“, erklärt ein Analyst aus der Freizeitindustrie. Die Menschen lassen ihre Gärten
aufwendig gestalten, bauen luxuriöse Terrassen und Zierbrunnen und stellen große Grills,
Gartenduschen und andere Annehmlichkeiten auf. Im Zusammenhang mit dem „Cocooning“
hat auch die dänische Lebensphilosophie „Hygge“ (Gemütlichkeit, Geborgenheit) an Bedeu-
tung gewonnen und sich inzwischen als Wohntrend etabliert.
Die Einstellung der Menschen gegenüber Organisationen Individuen haben sehr unter-
schiedliche Ansichten von großen Organisationen wie Unternehmen, Behörden, Gewerk-
schaften oder dem Bildungssystem und Hochschulen. Im Großen und Ganzen arbeiten Men-
schen gerne in Organisationen, wobei sie aber erwarten, dass diese ihre Funktionen und
Aufgaben in der Gesellschaft erfüllen. Allerdings hat sich in den späten 80er-Jahren eine
gewisse Skepsis gegenüber den Autoritäten und bestimmten Organisationen eingestellt.
Skandale bei einigen bekannten Unternehmen haben dieses Misstrauen während der 90er-
Jahre verstärkt und dafür gesorgt, dass man diesen nicht mehr blind vertraut. Es wird öfter
nach der Sinngebung und den Methoden gefragt. Am Arbeitsplatz selbst ist ein starker Rück-
gang bei der Loyalität zum Arbeitgeber festzustellen. Viele Menschen betrachten ihre
Arbeitsstelle heute nicht als Quelle der Befriedigung, sondern vielmehr als Quelle des
Gehalts, um die Stunden zu genießen, in denen man nicht arbeiten muss.
Dieser Trend bedeutet für Organisationen, dass sie neue Wege finden müssen, das Vertrauen
der Menschen zu erringen. Sie sollten ihre Werbung und Öffentlichkeitsarbeit einer kriti-
schen Prüfung unterziehen, damit ihre Botschaft auch unter den veränderten Umständen
noch als „ehrlich“ aufgenommen werden kann. Ferner sollten sie ihre Aktivitäten kritisch
untersuchen, damit sie nach wie vor als „nützliche Mitglieder der Gesellschaft“ angesehen
werden. Immer mehr Unternehmen unterstützen öffentliche Belange, damit über sie zusam-
men mit positiven Aktivitäten berichtet wird, was schließlich zu einem positiven Image in
der Öffentlichkeit führt.
Die Einstellung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft Wir finden auch ganz unter-
schiedliche Einstellungen gegenüber der Gesellschaft vor. Die Spannbreite reicht von den
Patrioten, für die das Gemeinwesen alles ist, über Reformer, die die Gesellschaft verändern
wollen, bis hin zu Unzufriedenen oder Aussteigern, die unsere Gesellschaft lieber heute als
morgen verlassen würden. Die Einstellungen des Einzelnen gegenüber Gemeinwesen und
Gesellschaft bestimmen auch seine Reaktionen auf das Marketing und sein Konsumverhal-
ten, seine Sparneigung und seine Einstellung gegenüber Markt und Marktwirtschaft.
In den wohlhabenderen Staaten Asiens, die gerade eine tief greifende Industrialisierung erle-
ben, strebt der überwiegende Teil der Einwohner nach dem Lebensstandard und dem Lebens-
stil, wie ihn die westlichen Industriestaaten vorleben. Die anzutreffende Zurschaustellung
exklusiven Konsums und Stolz auf teure Importprodukte aus Europa oder Amerika als Kenn-
zeichen dafür, dass „man etwas erreicht hat“ und dass man westlich gebildet ist, sind dort
ein typisches Verhalten. Patriotismus beim Einkauf ist dort nicht üblich, weil die eigenen
Produkte als den ausländischen unterlegen und weniger erstrebenswert als die Importwaren
empfunden werden. Die Vorliebe für im Westen produzierte Waren birgt Marketingchancen
für Anbieter dieser Produkte. Im Gegensatz dazu ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten in
den entwickelten westlichen Industrienationen ein Zuwachs an nationalem Konsumenten-
patriotismus zu beobachten. Viele Verbraucher hoffen, dass der Kauf lokaler Produkte ihnen
selbst zugutekommt und lokale Arbeitsplätze sichert.
Insbesondere in den USA konnte man diese Entwicklung beobachten und hat entsprechende
Kampagnen gestartet, so zum Beispiel eine Werbekampagne des Automobilherstellers Chevro-
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
let, der behauptete, Chevrolet sei „der Herzschlag Amerikas“. Viele Produkte tragen US-Flaggen
oder markante „Made in USA“-Aufdrucke wie die Werkzeuge von Black & Decker. Diese Ent-
wicklung wurde durch die Ereignisse des 11. September 2001 (Terroranschlag auf das World
Trade Center) und auch durch die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 nachhaltig verstärkt.
Die Einstellung der Menschen gegenüber der Natur Auch hier kann man die unterschied-
lichsten Einstellungen vorfinden. Die einen fühlen sich von der Natur beherrscht, andere fin-
den sich im Einklang mit ihr und wieder andere wollen sie zähmen. Lange Zeit herrschte in
Verbindung mit einer gewissen Technologiegläubigkeit die Ansicht vor, dass die Menschheit
sich mithilfe der Technik die Natur unterwerfen sollte. Dazu kam die Einstellung, dass sich
die Menschheit unbegrenzt aus der Natur alles holen kann, was sie braucht. Hier hat ein Ein-
stellungs- und Wertewandel eingesetzt, seit wir verstehen, dass die Natur anfällig für Störun-
gen ist, nicht als unerschöpflich angesehen werden darf und sehr wohl durch menschliches
Handeln geschädigt oder zerstört werden kann.
Die zunehmende Liebe zur Natur hat zu einer wachsenden Popularität von Aktivitäten wie
Camping, Bergsteigen, Bootswandern und Segeln oder Angeln geführt. Die entsprechenden
Branchen haben auf dieser Welle mehr Bergsteiger- und Campingausstattungen, Insekten-
schutz, Mountainbikes und weitere Produkte für die Naturbegeisterten entwickelt und ver-
kauft. Reisebüros bieten „Trekking Tours“, Reisen in wilde, unberührte Gebiete an. Nahrungs-
mittelhersteller haben wachsende Märkte für Bio-Produkte und „naturbelassene Produkte“
entdeckt wie „Natur-Frühstücksflocken“, „natürliche Eiscreme“ und eine Reihe von Produkten
mit dem Zusatz „Land“ wie Landschinken, Landbrot, Landmilch usw. Gesundheitsorientierte
Waren und Lebensmittel wie cholesterinreduzierte Margarine oder Obst-Smoothies weisen
überdurchschnittliche Wachstumsraten auf, in der Werbung spielen die Natur und ein gesun-
des ländliches Umfeld eine wichtige Rolle. Einige Unternehmen konnten durch die Inspiration
aus der Natur und die Betonung der Schlichtheit große wirtschaftliche Erfolge erzielen. Auch
Autos mit geringem Verbrauch zählen zu den Produkten, die immer gefragter werden.
Dieser gesunde und natürliche Lebensstil wird auch anderweitig zelebriert. Wellnesspro-
dukte in jeglicher Form finden stark steigenden Absatz. Beispiele sind die Fitnessbranche,
Anbieter alternativer und traditioneller Medizin oder auch Ernährungsberater. Immer mehr
Kunden verlangen nach Produkten, die ihnen helfen, sich gesunder zu fühlen.
Die Einstellung der Menschen gegenüber dem Universum und der Religion Schließlich
bleibt festzustellen, dass die Menschen sehr unterschiedliche Ansichten über den Ursprung
der Welt und ihre Rolle darin haben. Religionsausübung ist in vielen Teilen der Welt ein
wichtiger Bestandteil des Lebens geblieben. In den Vereinigten Staaten und in Westeuropa
wurde jedoch der Anteil der regelmäßigen Kirchgänger Jahr für Jahr immer kleiner. Wenn die
Menschen ihre religiöse Orientierung verlieren, suchen sie Güter und Erfahrungen, die ihnen
ein schnelleres Glücksgefühl in Aussicht stellen. Während der 90er-Jahre wurde der Erfolg
zunehmend anhand beruflicher Karriere, Wohlstand und Besitz gemessen.
Einige Zukunftsforscher sagten jedoch voraus, dass das Interesse an der Religion wieder
zunehmen würde als Teil einer Suche nach einer inneren Zweckbestimmung und einem
neuen Sinn des Lebens. Zum Jahrtausendwechsel hin, so glaubten sie, würde sich eine Umo-
rientierung ergeben, weg vom Materialismus und einer „Hai frisst Hai“-Mentalität, hin zu
mehr langfristig gültigen Werten und einer konsequenteren Unterscheidung dessen, was gut
oder schlecht ist. Einige Experten stellen fest, dass dieser Trend eine neue Spiritualität
widerspiegelt, die die Konsumenten in allem beeinflusst, von der Fernsehshow, die sie sich
ansehen, über die Bücher, die sie lesen, zu den Produkten und Dienstleistungen, die sie kau-
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
fen. Weil die Konsumenten ihren Glauben und ihre Werte nicht vor der Tür lassen, so sagt
ein amerikanischer Experte, beziehen sie ihr Bewusstsein bei der Entscheidung über die
Marke, die sie kaufen, mit ein. Diese Erkenntnis stellt für einige Unternehmen eine einzigar-
tige Marketingchance dar.
Auf vielen Märkten jedoch wird von diesem Wertewandel nicht viel zu spüren sein. Indien,
China und Südostasien sind Gesellschaften, in denen wirtschaftlicher Erfolg und materieller
Besitz einfach die Maßstäbe des gesellschaftlichen Wertesystems sind. Solche Wertvorstel-
lungen gelten auch in den Schwellenländern Europas wie zum Beispiel in der Türkei sowie
in einigen Staaten Lateinamerikas.
1 Brent Snavely, „Ford marketing chief apologizes for ads“, USA Today, 27. März 2013; David Angelo,
„CMOs, agencies: it’s time to live your brands“, Advertising Age, 2. Oktober 2013, http://adage.com/
print/244524 und www.youtube.com/watch?v=C5uIH0VTg_o, Zugriff: September 2014.
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3.4 Interaktion mit dem Marketingumfeld
selt, geknebelt und spärlich bekleidet – im Kofferraum eines Figo, an dessen Steuer eine
Karikatur des grinsenden Silvio Berlusconi sitzt (Italiens skandalumwitterter ehemaliger Pre-
mierminister). Der Slogan der Anzeige: „Mit dem extra großen Kofferraum des neuen Figo
lassen Sie Ihre Sorgen hinter sich.“ Ford zog die Werbung rasch zurück, doch sie war bereits
viral gegangen. In wenigen Tagen hatten Millionen von Menschen weltweit die Anzeige gese-
hen, es gab einen Aufschrei der Entrüstung über die Geschmacklosigkeit und Ford wurde
öffentlich abgestraft.
Doch wie können Unternehmen auf Online-Angriffe reagieren? Wird eine Firma zur Ziel-
scheibe, besteht das eigentliche Dilemma in dem Balanceakt, wie weit man für den Schutz
des eigenen Images gehen kann, ohne noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. In einem Punkt
scheinen sich alle Experten einig zu sein: Üben Sie keine Vergeltung. „Es ist selten eine gute
Idee, einen Brand zu bombardieren“, meint ein Analyst. Als Reaktion auf das Werbefiasko
für den Figo veröffentlichte Fords Werbechef eine Entschuldigung und stellte klar, dass Ford
die Anzeige nicht genehmigt hatte und man das Prüfverfahren für Kampagnen mittlerweile
angepasst habe. Die verantwortlichen Mitarbeiter von Fords Werbeagentur wurden fristlos
entlassen. Durch Überwachung und proaktive Reaktion auf scheinbar nicht zu steuernde
Ereignisse in ihrem Umfeld können Unternehmen verhindern, dass eine Negativspirale ein-
setzt und außer Kontrolle gerät – oder sie sogar in etwas Positives umkehren.
Z US A M M EN FA SSU N G
Für das Umfeld des Unternehmens bietet sich eine Unterteilung in das Mikro-Umfeld
und das Makro-Umfeld an. Diese Einteilung der Bestimmungsgrößen erfolgt in Analogie
zu der in den Wirtschaftswissenschaften verwendeten Einteilung in Mikroökonomie
und Makroökonomie.
Das Mikro-Umfeld umfasst Akteure, die in unmittelbarer Beziehung zum Unternehmen
stehen und gemeinsam das Wertschöpfungsnetzwerk des Unternehmens bilden. Dazu
zählen sechs Größen:
Das interne Umfeld des Unternehmens beinhaltet die innere Organisationsstruktur mit
ihren Abteilungen und Hierarchiestufen, die die Entscheidungen des Marketings beein-
flussen.
Die Lieferanten und Marketingmittler wie die Zulieferer, die Handelspartner, freien
Handelsvertreter, Speditionen und Logistikpartner, Finanzintermediäre wie Absatzfi-
nanzierungs- und Leasingunternehmen, Werbeagenturen usw. kooperieren miteinander,
um Kundenwert zu schaffen.
Die Märkte, auf denen das Unternehmen agiert, definieren gleichzeitig die entsprechen-
den Kunden – Endverbrauchermärkte, Industriegütermärkte, Handelsmärkte, Märkte
öffentlicher Institutionen, staatliche Nachfragemärkte und internationale Märkte.
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
Die Konkurrenten fordern das Unternehmen bei der Befriedigung von Kundenbedürfnis-
sen und bei der Gewinnung von deren Gunst heraus.
Verschiedene Teilbereiche der Öffentlichkeit haben ein aktuelles oder potenzielles Inter-
esse sowie einen Einfluss auf die Zielerreichung des Unternehmens. Hierzu gehören
insbesondere Finanzinstitutionen, die Medien, der Staat, Bürgerinitiativen, lokale Inter-
essengruppen sowie die allgemeine und die unternehmensinterne Öffentlichkeit.
Das Makro-Umfeld des Unternehmens besteht aus den Kräften, die einerseits Chancen
für die Unternehmenstätigkeit schaffen, andererseits aber auch das Unternehmen bedro-
hen und in seiner Existenz gefährden können. Hierzu gehören Entwicklungen, die in der
Bevölkerungsdynamik, in der Wirtschaft, in der Natur, in der Technik sowie in Politik
und Kultur begründet sind.
Das demografische Umfeld zeigt in vielen Ländern Europas, Amerikas und Asiens eine
enorme Dynamik in Form sich ändernder Wachstumsraten, Altersstrukturen, Familien-
formen und Ausbildungsniveaus und übt damit einen starken Einfluss auf das Marke-
ting aus.
Das wirtschaftliche Umfeld wirkt sich mit sich änderndem Realeinkommen und verän-
dertem Kaufverhalten auf das Marketing aus. Konsumenten streben verstärkt eine geeig-
nete Kombination aus Produktqualität und gutem Service zum fairen Preis an.
Im Hinblick auf die Umwelt liegen die wichtigsten Veränderungen in der Knappheit bei
bestimmten Rohstoffen, steigenden Energiekosten, zunehmender Verschmutzung der
Umwelt, sich ausweitenden staatlichen Regulierungen bei Rohstoff-/Abfallkreisläufen
und in einem grundsätzlich steigenden Interesse der Bevölkerung an diesen Themen.
Das technologische Umfeld ist durch einen rapiden technischen Fortschritt, tendenziell
steigende Kosten für Forschung und Entwicklung, eine Konzentration auf kleinere Inno-
vationsschritte anstelle großer technologischer Neuerungen und zunehmend durch
regulierende Eingriffe des Staats gekennzeichnet.
Auch im Rahmen des politischen Umfelds ist eine Zunahme der Gesetzgebungsaktivitä-
ten zu beobachten, die sich auf das Marketing und die Unternehmenstätigkeit beziehen.
Öffentliche Interessengruppen (Gewerkschaften, Bürgerinitiativen) dürften weiterhin an
Bedeutung gewinnen und gleichermaßen Druck auf die Unternehmen und die Politik
ausüben. Ethik und gesamtgesellschaftlich verantwortliches Handeln werden zu Maß-
stäben, an denen die Unternehmen gemessen werden.
Dies leitet über zum kulturellen Umfeld des Marketings. Es sieht so aus, als ob wir lang-
fristig einen Umschwung zu einer „wir“-orientierten Gesellschaft erleben könnten, mit
weniger Loyalität gegenüber und innerhalb von Organisationen, mit zunehmender Wert-
schätzung für die heimatliche Region und eine intakte Natur und einer höheren Bedeu-
tung von eher konservativen Wertemustern.
Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden, um auf das Marketingumfeld ein-
zugehen. Es kann das Marketingumfeld als unbeeinflussbar und gegeben ansehen und
sich darauf einstellen, Bedrohungen auszuweichen und Chancen zu realisieren, oder es
kann versuchen, proaktiv an der Veränderung des Umfelds mitzuwirken.
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Zusammenfassung
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3 Die Analyse des Marketingumfelds
182
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Literatur und Quellen
Weintraub, Arlene: Selling the Fountain of Youth: How the Anti-Aging Industry Made a Disease
Out of Getting Old – And Made Billions, New York: Basic Books, 2010.
Windau, Gabriel: „At the turning point“, Financial Times, 5. Mai 2015, S. 9.
World POPClock, Webseite von US Census Bureau unter: www.census.gov [August 2010].
Zolli, Andrew: „Business 3.0“, in: Fast Company (März 2007), S. 64–70.
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Marktforschung
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... die Bedeutung von Information für das Verständnis von Märkten und Kunden
erläutern.
... das Marketing-Informationssystem einschließlich seiner Teilbereiche definieren.
... die vier Schritte des Marktforschungsprozesses beschreiben.
... das Vorgehen von Unternehmen bei der Analyse und Nutzung von Marketinginfor-
mationen erläutern.
... die besondere Bedeutung der Ethik in der Marktforschung nachvollziehen.
4.1 Einführung
In diesem Kapitel erfahren wir, wie Marketingverantwortliche Einblicke in ihre Kunden und
Märkte gewinnen. Wir sehen uns an, wie Unternehmen die Informationen über die wichtigs-
ten Elemente des Markts zusammenstellen und managen: Kunden, Wettbewerber, Produkte
und Marketingprogramme. Um auf den modernen Märkten bestehen zu können, müssen
Unternehmen wissen, wie man aus Unmengen an Marketingdaten neue Customer Insights
generiert, die dann dazu führen, Kunden einen höheren Nutzen zu bieten.
Wir starten mit einer Fallstudie über die Generationen Y und Z und schauen uns an, wie
deren Einstellungen, Bedürfnisse und Motive ihr Konsumentenverhalten beeinflussen.
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4.1 Einführung
Es handelt sich damit bei Generation Y und Z um Generationen, die den Umgang mit
neuen Technologien gewohnt sind und intuitiv mit dem Smartphone über soziale Netz-
werke kommunizieren. Daraus ergeben sich wiederum Bedürfnisse und Motive, die sich
auch im Konsumentenverhalten widerspiegeln.
Der Besitz eines (ersten) eigenen Autos spielt im Leben vieler junger Menschen – insbe-
sondere in Großstädten – heute eine deutlich geringere Rolle als noch vor einigen Jah-
ren. Wichtiger als der Besitz eines Fahrzeugs ist verfügbare Mobilität. Die Generationen
Y und Z haben auch andere Ausdruckmöglichkeiten ihrer eigenen Persönlichkeit und
andere individuelle Mobilitätsansprüche als die Generation X. So wird das Auto heute
häufig als Gebrauchsgegenstand statt als Statussymbol gesehen. Der Besitz eines eigenen
Autos ist schlichtweg nicht mehr notwendig, um in Großstädten von A nach B zu kom-
men, da es zahlreiche Alternativen gibt.
Der eigene Status wird heute eher über das Smartphone und das soziale Netzwerk als
über das eigene Auto definiert. So zeigt eine Umfrage des Hightech-Verbands BITKOM,
dass 97 Prozent der jungen Menschen im Alter von 14 bis 29 nicht mehr ohne Smart-
phone leben wollen. Der Verzicht auf ein eigenes Auto wäre dagegen nur noch für 64
Prozent der Befragten unvorstellbar. Der Zugang zu einem Auto ist für diese Generation
zwar wichtig, das Smartphone aber eben noch wichtiger, denn sie kommt besser ohne
Auto als ohne Mobiltelefon und Internetzugang zurecht. Das Smartphone selbst wird
dann Teil der Mobilitätslösung, weil damit die jeweils optimalen Dienste wie Carsha-
ring, Taxi-, Bahn-, Bus- oder Fahrradfahrten sowie Mitfahrgelegenheiten zu einem indi-
viduellen Mobilitäts-Mix organisiert werden können. Experten sind sich sicher, dass
durch die intelligente Verknüpfung von Mobilitätsangeboten die Nachfrage und Nut-
zung von Shared-Mobility-Angeboten – zumindest in den Großstädten – auch weiterhin
weltweit stark zunehmen wird.
Einige Automobilhersteller bieten deshalb schon sogenannte „Pay-as-you-go“-Modelle
(PAYG), um den Veränderungen im Konsumentenverhalten gerecht zu werden. Zum
Beispiel hat Carsharing großes Potenzial, da sich bereits jeder zweite Autofahrer vorstel-
len kann, solche Angebote zu nutzen. Bei den unter 30-Jährigen sind es sogar zwei Drit-
tel. Auch das ergab eine repräsentative Umfrage von BITKOM. Carsharing ist ein exzel-
lentes Beispiel, wie neue Technologien innovative Geschäftsmodelle auch
branchenübergreifend ermöglichen.
Laut Bundesverband CarSharing e.V. (bcs) nutzen bereits mehr als 1,7 Millionen Bun-
desbürger (Stand: 2017) Carsharing. Täglich melden sich derzeit ca. 1.000 weitere Neu-
kunden bei einem der mehr als 150 Anbieter, wie car2go, DriveNow, Flinkster, cambio
oder stadtmobil, an.
PSA Peugeot Citroën geht mit „Mu by Peugeot“ (mu.peugeot.de) noch einen Schritt wei-
ter und bietet seinen Kunden auch Fahrräder, Scooter, Pkw, Nutzfahrzeuge, Wohnmo-
bile und Zubehör an. Peugeot entwickelte das Programm nach umfangreicher Marktfor-
schung mit Fokusgruppen. Durch diese konnte bestätigt werden, dass sich jüngere
Konsumenten oftmals nicht mehr durch ein eigenes Auto einschränken lassen wollen,
sondern bewusst die Wahlfreiheit aus einer Vielzahl von Mobilitätslösungen vorziehen.
187
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4 Marktforschung
Abbildung 4.1: Generationen Y und Z: das eigene Smartphone als Teil der Mobilitätslösung
(Quelle: Dmytro Zinkevych/Shutterstock.com)
Fragen
1. Für wen ist es wichtig, die Meinung der Bevölkerung zu mobilitätsrelevanten The-
men zu erfahren?
2. Besuchen Sie die Webseiten von Anbietern von Carsharing und Mobilitätskonzep-
ten. An welche Bedürfnisse knüpfen diese mit ihrem Angebot an? Wie positionie-
ren sie sich?
3. Glauben Sie, dass der Besitz eines eigenen Autos langfristig weniger bedeutsam
sein wird? Oder handelt es sich hierbei um einen vorübergehenden Trend?
188
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4.1 Einführung
Quellen:
Bitkom: Telematik & Navigation: Jeder zweite Autofahrer interessiert sich für Car-Sharing,
unter: http://www.bitkom.org/de/markt_statistik/64026_77561.aspx [30.03.2015];
Webseite des Bundesverbands CarSharing unter: https://carsharing.de/ [13.02.2018]
Prophet Germany GmbH: Für junge Konsumenten hat das Auto als Statussymbol ausgedient, unter:
https://www.prophet.com/about/news/542-fr-junge-konsumenten-hat-das-auto-als-statussymbo-
lausgedient-das-smartphone-wird-zur-mobilittslsung-der-generation-y [31.03.2015].
Hagen, L. (2015): Generation Z: Zwischen Weltretten und YOLO. Download unter: https://derstand-
ard.at/2000011849915/Zwischen-Welt-retten-und-YOLO [13.02.2018]
Studie von Sparks and Honey: Meet Generation Z: Forget everything you learned about millennials.
Download unter: https://de.slideshare.net/sparksandhoney/generation-z-final-june-17 [13.02.2018]
Hubmann, D. (2017): Die Generation Z duldet keine Schranken. Download unter: http://www.klein-
ezeitung.at/auto/jungemobilitaet/5308488/Vordenker_Die-Generation-Z-duldet-keine-Schranken
[13.02.2018]
189
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4 Marktforschung
1 Yuyu Chen, „Marketers still struggle to harness power of big data“, ClickZ, 12. November 2013,
www.clickz.com/clickz/news/2303229 /marketers-still-struggleto-harness-power-of-big-data-study.
190
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4.2 Festlegung des Informationsbedarfs
den Daten der Onlinekommunikation über das Unternehmen, die Produkte und Marken
zusammengeführt. Hieraus werden Customer Insights abgeleitet.
Unternehmen benötigen somit ein effektives Marketing-Informationssystem, das den Füh-
rungskräften die richtigen Informationen in der richtigen Form und zur richtigen Zeit zur
Verfügung stellt, um Kundennutzen und eine engere Kundenbeziehung zu schaffen.
Marketinginformationssystem
Festlegung Analyse
unternehmens- Marketing Markt-
des und Nutzung
interne Quellen Intelligence forschung
Informations- von
bedarfs Informationen
191
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4 Marktforschung
im Internet und ermöglicht so den Zugriff auf Produktdesigns, Lieferstatus und Service-Infor-
mationen. Vor diesem Hintergrund ist es bei der Konzeption eines Marketing-Informations-
systems wichtig, die Bedürfnisse aller Nutzer abzubilden.
Das Marketing-Informationssystem sollte das Umfeld des Marketings so überwachen, dass es
Entscheidungsträgern die Informationen liefern kann, die für wichtige Marketingentschei-
dungen benötigt werden. Ein bedarfsgerechtes Marketing-Informationssystem gleicht
zunächst die Informationen, die die Nutzer haben möchten, mit denen ab, die sie wirklich
brauchen und die beschaffbar sind. Sowohl zu viele als auch zu wenige Informationen kön-
nen im Entscheidungsprozess nachteilig sein. Einige Manager werden eine Vielzahl von
Informationen anfordern, ohne vorab zu überlegen, welche sie wirklich benötigen. Anderer-
seits gibt es Entscheidungsträger, die bewusst auf bestimmte Informationen verzichten wer-
den, weil sie meinen, diese schon zu haben. Oder sie erfragen bestimmte Informationen gar
nicht, obwohl diese für sie notwendig wären. Beispielsweise sollten Marketingverantwortli-
che über neue Produkte eines Wettbewerbers informiert sein, die dieser zukünftig einzufüh-
ren plant. Ebenso sollten Markenverantwortliche frühzeitig über positive und negative Stel-
lungnahmen von Konsumenten zu ihren Marken in sozialen Netzwerken Bescheid wissen.
Ahnen sie jedoch von solchen Vorgängen nichts, werden sie die entsprechenden Informatio-
nen auch nicht anfordern.
Gelegentlich kommt es vor, dass man die benötigten Informationen nicht bereitstellen kann,
weil sie entweder nicht erhältlich sind oder weil es auch bei einem Marketing-Informations-
system Grenzen gibt. Ein Produktmanager möchte beispielsweise wissen, wie ein Wettbewer-
ber das Werbebudget im nächsten Jahr aufteilt und wie sich diese Veränderung auf die Markt-
anteile in der Branche auswirkt. Die Informationen über das geplante Budget stehen
vermutlich nicht zur Verfügung. In diesem Fall ist nicht davon auszugehen, dass ein Marke-
ting-Informationssystem in der Lage ist, Prognosen zu Veränderungen bei den Marktanteilen
zu erstellen.
Die Kosten der Beschaffung, Verarbeitung, Speicherung und Bereitstellung von Informatio-
nen können sehr hoch sein. Man muss deshalb immer wieder abwägen, ob der Nutzen
zusätzlicher Informationen die Kosten für deren Bereitstellung wert ist. Nutzen und Kosten
sind häufig jedoch nur schwer zu bewerten. Informationen haben keinen Wert an sich, einen
Nutzen generieren sie erst, wenn man sie in einem Entscheidungsprozess anwendet. In vie-
len Fällen tragen zusätzliche Informationen nur wenig zu einer Veränderung oder Verbesse-
rung einer Entscheidung bei oder die Kosten der Informationen übersteigen die durch eine
bessere Entscheidung erzielten Mehreinnahmen. Marketing-Manager können nicht davon
ausgehen, dass es immer richtig ist, zusätzliche Informationen zu beschaffen. Vielmehr soll-
ten sie sorgfältig deren Kosten und Nutzen gegenüberstellen.
Grundsätzlich kann man die zur Erlangung von Customer Insights benötigten Informationen
aus unternehmensinternen Quellen, der Marketing Intelligence oder der Marktforschung
beziehen.
192
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4.4 Marketing Intelligence
die Marketingleistung zu bewerten oder um Chancen und Möglichkeiten für das Marketing
aufzuspüren. Interne Informationen können einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil ver-
schaffen, da sie oft einen riesigen, weitgehend ungenutzten Vermögenswert darstellen, der
dem Wettbewerb nicht zur Verfügung steht. So sitzen Unternehmen oftmals auf einem regel-
rechten „Schatz“ von ungenutztem Potenzial ihrer eigenen Kundendatenbank, der eigentlich
nur noch gehoben werden muss.
Relevante Informationen können aus verschiedenen Quellen stammen. Die Marketingabtei-
lung liefert Informationen über die Kundenstruktur und -zusammensetzung, das Käuferver-
halten und die Erkenntnisse aus Onlineanalysen. Das Rechnungswesen verfügt über Finanz-
berichte und hat genaue Aufzeichnungen der Umsätze, der Bestellungen, der Kosten und des
Cashflows. Die Produktion berichtet über die Fertigungsplanung, Auslieferungen und Lager-
bestände. Der Außendienst informiert über die Stimmung im Handel und über die Aktivitä-
ten der Konkurrenz. Der Kundendienst liefert Informationen über die Zufriedenheit oder
Unzufriedenheit der Kunden und über auftretende Probleme. Häufig sind auch Studien, die
von einer Abteilung in Auftrag gegeben wurden, für weitere Abteilungen von Interesse. Die
intelligente Nutzung vorhandener unternehmensinterner Quellen kann somit als Grundlage
für aussagekräftige Customer Insights und zur Identifikation von Wettbewerbsvorteilen die-
nen.
Die Informationen aus der unternehmensinternen Berichterstattung sind in der Regel schnel-
ler und günstiger zu erhalten als solche aus externen Quellen. Aber sie bringen unter
Umständen auch Probleme mit sich. Möglicherweise hatte ein interner Bericht eine andere
Zielsetzung und ist für Zwecke des Marketings nicht geeignet. Eine reine Gegenüberstellung
von Erlösen und Produktionskosten der Kostenrechnung sagt zum Beispiel nichts über Mar-
ketingfragen wie die Akzeptanz eines neuen Produkts, die Leistungsfähigkeit des Außen-
dienstes oder das Funktionieren einer bestimmten Handelsschiene aus. Hinzu kommt, dass
die vielen Bereiche eines Unternehmens große Mengen von Informationen bereitstellen. Dies
alles zu überschauen, ist schwierig und zeitraubend. Daher muss das Marketing-Informati-
onssystem die Informationen aufbereiten, ordnen und klassifizieren. Nur so können sie
leicht und schnell in die anstehenden Marketingentscheidungen einfließen.
193
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4 Marktforschung
ken austauschen und verbunden fühlen. Einige Unternehmen setzen dazu eigene Marktfor-
schungsmitarbeiter ein, um vor Ort zu untersuchen, wie Kunden über ihre Produkte denken,
sprechen und diese anwenden. Außerdem werden regelmäßig der Service und die Anwen-
dungen externer Dienstleister, wie beispielsweise Brandwatch, Meltwater Group oder Niel-
sen, in Anspruch genommen.
In sozialen Netzwerken führen Nutzer Gespräche, vertreten ihre Meinungen und formulieren
ihre Bedürfnisse, Wünsche, Einstellungen, Wahrnehmungen, Ideen und Beschwerden. Täg-
lich tauschen sich Millionen von Teilnehmern durch ihre Beiträge anhand von Posts, Tweets,
Videos, Bildern und Kommentaren aus. Marketing-Manager stehen vor der schwierigen Auf-
gabe, aus all diesen Daten die wirklich relevanten Informationen über ihre Zielgruppe, das
eigene Unternehmen, die Marken, Produkte und Dienstleistungen oder auch den Wettbewerb
herauszufiltern. Professionelle Social Media Software unterstützt sie dabei, den Nutzern
zuzuhören, Daten zu analysieren und selbst aktiv zu werden. So lassen sich zum einen
Umfang und Frequenz von Beiträgen und das vorherrschende Stimmungsbild abbilden, Mei-
nungsführer identifizieren, Beziehungsergebnisse messen und frühzeitig wichtige Vorgänge
erkennen und analysieren. Zum anderen haben Marketing-Manager die Chance, durch eigene
Aktivitäten und werthaltige Kundeninteraktion das Kundenverhalten verstehen zu lernen,
das Kundenengagement zu stimulieren und die Interaktion entsprechend zu moderieren, um
im kontinuierlichen Austausch zu bleiben.
Ein großer Teil der Informationen sollte auch von Personen innerhalb des Unternehmens
gesammelt werden, vor allem von jenen mit direktem Kundenkontakt. Dabei ist zentral, dass
die Mitarbeiter wichtige Informationen erkennen und intern zur Verfügung stellen. Das
Unternehmen selbst muss jedem Mitarbeiter klarmachen, wie wichtig er als Informationsbe-
schaffer ist, und darauf drängen, dass diese Informationen auch bereitgestellt werden.
Ferner kann man wichtige Informationen von Lieferanten, Vertriebspartnern und Großkun-
den beziehen. Auch die Überwachung von Wettbewerbern und deren veröffentlichten Infor-
mationen führt zu wichtigen Erkenntnissen. Unternehmen können Konkurrenzprodukte kau-
fen und analysieren, sie können Absatzentwicklungen verfolgen, neue Patente recherchieren
und sonstige Arten von physisch erkennbaren Hinweisen betrachten. Ein Unternehmen über-
prüft beispielsweise regelmäßig die Parkplätze der Wettbewerber – viele Autos lassen auf
eine größere Anzahl an Aufträgen und Wohlstand schließen, wenige hingegen könnten auf
harte Zeiten innerhalb der Firma hinweisen.
Häufig legen Wettbewerber Informationen im Rahmen von Jahresberichten (bundesanzei-
ger.de), Messen, Pressemitteilungen, Werbung und Internetseiten offen. Darüber hinaus plat-
zieren die meisten Unternehmen heutzutage eine Vielzahl an detaillierten Informationen auf
ihren Internetseiten, um Kunden, Partner, Lieferanten, Investoren oder Franchisenehmer
anzuziehen. Man kann eine Fülle von nützlichen Informationen finden, wie beispielsweise
über die Strategien von Wettbewerbern, Märkte, neue Produkte und sonstige Aktivitäten.
Außerdem ist es oftmals sehr aufschlussreich, wie sich Konsumenten in sozialen Netzwerken
über konkurrierende Marken austauschen. Deshalb sollte sich das Social-Media-Monitoring
nicht nur auf die unternehmenseigenen Marken beschränken.
Selbst eine einfache Jobausschreibung eines Konkurrenten kann sehr aufschlussreich sein.
Als der Microsoft-Gründer Bill Gates vor einigen Jahren die Unternehmenswebsite von Goo-
gle durchsuchte, fand er zufällig auf einer Seite mit Stellenangeboten die Beschreibungen
aller verfügbaren Jobs. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass Google auf der Suche nach
Ingenieuren war, deren Kompetenzen nichts mit Suchmaschinen, dafür aber mit dem Kern-
geschäft von Microsoft zu tun hatten. Mit der Vorwarnung, dass Google eine Geschäftsaus-
194
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4.4 Marketing Intelligence
weitung über Suchmaschinen hinaus vorbereiten könnte, verschickte Bill Gates einige
E-Mails an Microsoft-Führungskräfte, um mitzuteilen, dass man Google „im Auge behalten
müsse“ und „es danach aussieht, dass sie etwas aufbauen, um mit Microsoft zu konkurrie-
ren“. Ein Marketing-Intelligence-Berater merkt an, dass Unternehmen „häufig überrascht
sind, wenn sie feststellen, wie viel es da draußen zu erfahren gibt. Sie sind zu sehr mit ihren
täglichen Aktivitäten beschäftigt, dass sie nicht erkennen, wie viele Informationen man mit
nur wenigen strategischen Tastatureingaben erlangen kann.“
Informationssuchende haben die Möglichkeit, in einer Vielzahl von Onlinedatenbanken zu
recherchieren. Auch über die Onlineauftritte von Wirtschaftszeitungen lassen sich aktuelle
Wirtschaftsinformationen beziehen. Einige davon sind kostenlos, andere erheben mittler-
weile eine Gebühr oder erfordern ein Abonnement: Wall Street Journal (wsj.com), Financial
Times (ft.com), The Times (timesonline.co.uk), Handelsblatt (handelsblatt.com) etc. Darüber
hinaus bieten Börsenberichte wichtige Informationen. Das Deutsche Patent- und Markenamt
(dpma.de) ermöglicht Onlinerecherchen zu Patenten, Gebrauchsmustern, Marken und
Designs von Wettbewerbern. Gegen eine Gebühr können Unternehmen eine von mehr als
3.000 Onlinedatenbanken und Informationssuchdienste abonnieren, wie z. B. Kompass, Hoo-
ver’s, LexisNexis, Creditreform oder Bürgel.
Doch die Informationssuche geht in beide Richtungen. Da Wettbewerbsinformationen zuneh-
mend systematisch gesammelt werden, ergreifen die meisten Unternehmen heutzutage Maß-
nahmen, um ihre eigenen Informationen vor dem Ausspionieren durch die Konkurrenz zu
schützen.
Apple beispielsweise ist besessen von Geheimniskrämerei und gibt dieses Bestreben an seine
Mitarbeiter weiter. „Bei Apple ist alles vertraulich“, sagt ein Insider. „Apple hält bei seinen
neuen Geräten bis zum Verkaufsstart alles unter Verschluss.“ Werden Informationen über
neue Produkte vor der Markteinführung bekannt, gibt dies den Wettbewerbern Zeit, darauf
zu reagieren. Die Kundenerwartungen werden gesteigert, Marktmacht und Umsätze von
bestehenden Produkten können geschmälert werden. So werden die Mitarbeiter von Apple
in einer Art „Feind-hört-mit“-Mentalität geschult: Ein T-Shirt, das im firmeneigenen Geschäft
angeboten wird, trägt die Aufschrift: „I visited the Apple campus, but that’s all I’m allowed to
say“ (Ich war auf dem Apple-Campus, aber mehr darf ich darüber nicht sagen).2
In vielen Unternehmen mit hochtechnologischen Produktionsverfahren werden keine
Betriebsführungen mehr durchgeführt. Eingeschleuste Spezialisten von weltweiten Wettbe-
werbern könnten die letzten Geheimnisse des eigenen Produktionsverfahrens erkennen.
Der Schaden, der in Deutschland jährlich durch Wirtschaftsspionage entsteht, ist immens. So
warnte der Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) davor, dies zu unterschätzen und
verkündete: „Ich gehe davon aus, dass der Schaden, der deutschen Unternehmen durch Wirt-
schaftsspionage entsteht, mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr beträgt“.
Die zunehmende Anwendung von Marketing Intelligence wirft eine Reihe ethischer Fragen
auf. Obwohl die meisten Methoden legal sind und als Teil eines Konkurrenzkampfes angese-
hen werden können, sind manche auch moralisch fragwürdig. Selbstverständlich können
Unternehmen die Vorteile öffentlich verfügbarer Informationen wahrnehmen. Sie sollten
sich jedoch nicht herablassen, die Konkurrenz auszuspionieren. Aufgrund vieler öffentlich
2 Siehe Adam Lashinsky, „The secrets Apple keeps“, Fortune, 6. Februar 2012, S. 85–94 und Megan
Rose Dickey, „The most extreme examples of secrecy at Apple“, Business Insider, 22. Juli 2013,
www.businessinsider.com/the-most-extreme-examples-ofsecrecy-at-apple-2013–7.
195
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4 Marktforschung
zugänglicher Quellen sind Unternehmen nicht darauf angewiesen, das Gesetz und ethische
Grundsätze zu brechen, um sich Informationen zu beschaffen.
Europäische Unternehmen liegen bezüglich der Sammlung von Wettbewerbsinformationen
hinter ihrer japanischen und amerikanischen Konkurrenz zurück. In japanischen Unterneh-
men hat es eine lange Tradition, Informationen über die Konkurrenz zu beschaffen. Dies wird
deutlich durch das unternehmensweite Motto von Mitsui: „Informationen sind der Lebens-
nerv des Unternehmens.“
Bislang handeln viele europäische Unternehmen nach der Regel „Was du nicht willst, dass
man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ und bleiben dabei auf der moralischen Seite der
Beschaffungsmaßnahmen von Wettbewerbsinformationen. Doch das europäische Bild ist
heute nicht mehr einheitlich. Der Geschäftsführer eines britischen Wirtschaftsprüfungsunter-
nehmens nennt Frankreich und Italien neben den USA im Zusammenhang mit der Durch-
führung von Wirtschaftsspionage.
Eine Branchenspezialistin ist der Auffassung, dass es grundlegende Unterschiede zwischen
US-amerikanischen und europäischen Unternehmen gibt. Sprachliche und kulturelle Hür-
den hemmen eine grenzüberschreitende Informationsbeschaffung. Eine Annäherung an die
Mitarbeiter von Wettbewerbern ist eine spitzfindige Angelegenheit, da diese häufig auf der
Hut sind, sobald sie jemand aus einem anderen Land anspricht. Die Spezialistin berichtet
zudem, dass Europäer eine größere Loyalität ihrem Unternehmen gegenüber verspüren als
ihre amerikanischen Kollegen.
196
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4.5 Marktforschung
Darüber hinaus kann man beim Patentamt regelmäßig überprüfen lassen, welche Patente die
wichtigsten Wettbewerber registrieren ließen.
Informationen von Geschäftspartnern der Wettbewerber Man kann auch versuchen, Liefe-
ranten, Großhändler und Kunden der Wettbewerber als Informationsquelle zu nutzen.
Ein Unternehmen, das weltweit Nassrasiersysteme anbot, teilte einem Großkunden den Start-
termin für eine wichtige Produktneueinführung mit, in der Hoffnung, dass dieser Kunde bei
der Aktion mitziehen würde. Dieser Großkunde ging daraufhin direkt zu dem Hauptkonkur-
renten, zu dem man ebenfalls gute Beziehungen unterhielt, und erörterte dieses Projekt mit
ihm. Der Wettbewerber witterte die große Chance, bündelte alle Kräfte innerhalb des Unter-
nehmens und kam fast gleichzeitig mit einem Parallelprodukt auf den Markt.
Informationen von Bewerbern und Mitarbeitern der Konkurrenz Unternehmen können
Informationen über Wettbewerber in Einstellungsgesprächen oder Gesprächen mit Mitarbei-
tern der Konkurrenz gewinnen. Fachleute sind jedoch der Ansicht, dass auf diesem Gebiet
erhebliche Unterschiede zwischen europäischen und amerikanischen Unternehmen beste-
hen. Unterschiede in Mentalität und Sprache erschweren die gegenseitige Durchdringung
national oder regional geprägter Unternehmensstrukturen. Es ist generell eher schwierig, ver-
trauliche Informationen von Mitarbeitern anderer Unternehmen zu erhalten.
Auch Profile auf Business-Plattformen, wie beispielsweise Xing oder LinkedIn, können als
Informationsquelle genutzt werden. Sie geben Auskunft über die vorhandenen Kompetenzen
und Erfahrungen der Führungskräfte der Wettbewerber, wenn diese gepflegt und von den
jeweiligen Personen öffentlich zugänglich gemacht werden.
4.5 Marktforschung
Zusätzlich zu den Informationen der Marketing Intelligence über Kunden, Wettbewerber und
das Umfeld des Marketings benötigen Marketingverantwortliche oftmals Studien, die ihnen
Customer und Market Insights zu spezifischen Marketingfragestellungen liefern und zur Ent-
scheidungsfindung herangezogen werden können. Meistens geht es um genau definierte Fra-
gestellungen, zum Beispiel wie viele und welche Konsumenten und Unternehmen einen
bestimmten neuen Computer kaufen würden. Oder Heineken N.V. und die UniCredit Group
möchten wissen, welche Darstellungsformen der Fußball-Werbung bei der UEFA Champions
League am wirksamsten sind. Ein anderes Beispiel wäre die Analyse, wie Internetnutzer auf
verschiedene Versionen für die Neugestaltung einer Website reagieren. Da die Verantwortli-
chen im Marketing in der Regel weder die Zeit noch die Mittel haben, alle nötigen Informati-
onen dazu selbst zu beschaffen, greifen sie oftmals auf die Methoden der Marktforschung
zurück.
Die Marktforschung stellt die Verbindung von der Marketingabteilung zu den Verbrauchern,
den Kunden und zur Öffentlichkeit her. Ihre Informationen werden gebraucht, um
Marketingchancen und Marketingprobleme zu erkennen,
Marketingaktionen zu konzipieren/optimieren und auf Wirksamkeit zu überprüfen,
die Marketingleistung zu messen und
das Marketinggeschehen zu verstehen.
197
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4 Marktforschung
Die Marktforschung definiert den Informationsbedarf für eine bestimmte Maßnahme, schlägt
das Untersuchungsdesign für die Datenerhebung vor, leitet und führt sie durch, analysiert
die Ergebnisse, bereitet diese auf und leitet Handlungsempfehlungen ab.
Die Marktforschung arbeitet der Marketingabteilung in vielerlei Hinsicht zu. Sie liefert Prog-
nosen für Marktpotenziale und künftige Marktanteile. Sie untersucht Kundenzufriedenheit
und Kaufabsichten. Marketing ohne Marktforschung wäre undenkbar. Marktforschung kann
im Unternehmen selbst durchgeführt werden oder teilweise oder komplett an ein externes
Institut vergeben werden. Obwohl die meisten Großunternehmen eigene Marktforschungsab-
teilungen besitzen, greifen sie für spezielle Fragestellungen oder spezialisierte Studien häu-
fig auf externe Marktforschungsinstitute zurück. Ein Unternehmen, das keine eigene Markt-
forschungsabteilung unterhält, wird grundsätzlich auf externe Institute zurückgreifen
müssen, da die benötigten Kompetenzen intern nicht zur Verfügung stehen.
Marktforschung ist keineswegs immer ein langwieriger und komplizierter Prozess, der gro-
ßen Unternehmen vorbehalten ist. Deshalb nutzen viele kleine Unternehmen und Non-Profit-
Organisationen ebenfalls Marktforschung. Mit etwas Geschick kann fast jede Organisation
preisgünstige Alternativen zu den formalen und komplexen Marktforschungstechniken der
großen Unternehmen finden.
Eine Marktforschungsstudie läuft in vier Schritten ab:
Definition von
Entwicklung Datenerhebung Interpretation
Problemstellung und
eines und und Kommunikation
Ziel der Markt-
Untersuchungsplans Datenanalyse der Ergebnisse
forschungsstudie
198
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4.5 Marktforschung
die aktuelle Werbung die richtigen Leute mit der richtigen Botschaft zum richtigen Zeitpunkt
erreichte. Für den Umsatzeinbruch gab es eine andere Erklärung: Das Angebot hielt einfach
nicht, was die Werbung versprach. Hätten die Marketing-Manager das zugrunde liegende
Problem der negativen Verbraucherreaktion auf die Produkte, den Kundendienst und die
Preise vorher erkannt, hätten sie dem Unternehmen die kostspielige Werbewirkungsanalyse
ersparen können.
Nachdem die Aufgabe sorgfältig definiert ist, müssen die Ziele der Erhebung festgelegt wer-
den. Ein Marktforschungsprojekt kann drei Arten von Zielen verfolgen:
Das Ziel einer explorativen Studie ist es, erste vorbereitende Informationen zu sammeln,
die dabei helfen, das Problem zu definieren und Hypothesen zu bilden.
Eine deskriptive Studie zielt darauf ab, bestimmte Fragestellungen des Marketings
genauer zu beschreiben. Beispiele dafür sind das Marktpotenzial für ein Produkt oder die
Demografie und Einstellungen von Käufern eines bestimmten Angebots.
Die dritte Gruppe ist die sogenannte Ursachenforschung. Hier steht der Test von Hypothe-
sen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im Vordergrund. Würde z.B. eine zehnpro-
zentige Senkung der Studiengebühren an einer Privatschule dazu führen, dass eine höhere
Zahl an Einschreibungen die geminderten Gebühren wieder wettmacht? Manager begin-
nen häufig mit Vorabforschungen und schließen daran eine beschreibende Forschung oder
Ursachenforschung an.
Die Definition der Aufgabe und der Forschungsziele bestimmt den gesamten Marktfor-
schungsprozess. Um sicherzugehen, dass Einigkeit zwischen den Verantwortlichen aus dem
Marketing und der Marktforschung in allen relevanten Punkten herrscht, sollten die Aufga-
ben- und die Zieldefinition schriftlich festgehalten werden.
199
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4 Marktforschung
für Energydrinks. Vor einiger Zeit wurde das Portfolio dann unter anderem durch die Einfüh-
rung von Red Bull Cola erweitert. Das Unternehmen war der Meinung, dass Red Bull Cola
eine passende Ergänzung zu den Energydrinks sei, da die Red Bull Cola ebenso stark und
natürlich sei wie die Energydrinks. Eine neue Produktlinie Vitaminwasser könnte dabei hel-
fen, die starke Markenposition weiter auszubauen. Daraus ergibt sich folgender Informations-
bedarf:
Die demografischen, wirtschaftlichen und Lifestyle-Merkmale der Kunden von Red Bull
– Konsumieren die aktuellen Kunden auch Vitaminwasser?
– Passt ein solches Getränk zu ihrem Lifestyle?
– Oder müsste Red Bull damit eine neue Zielgruppe ansprechen?
Die Charakteristika und das Konsumverhalten der Vitaminwasser-Konsumenten
– Welche Ansprüche und Erwartungen haben sie an ein solches Getränk?
– Wo kaufen sie Vitaminwasser?
– Wann und wie konsumieren sie dieses?
– Welche Marken sind beliebt und wie ist das Preisniveau? (Das neue Red Bull Vitamin-
wasser würde eine starke und klare Positionierung im wettbewerbsintensiven Vitamin-
wasser-Markt erfordern.)
Händler-Reaktion auf das geplante Red Bull Vitaminwasser
– Würden sie es in ihr Sortiment aufnehmen und den Abverkauf unterstützen?
– Wo würden sie es platzieren? (Fehlende Unterstützung der Händler würde einen starken
Abverkauf gefährden.)
Prognosen über die geplanten und bestehenden Red-Bull-Getränke
– Würde das Vitaminwasser zu zusätzlichen Umsätzen führen oder vielleicht auch das
bestehende Angebot kannibalisieren?
– Könnte durch das Vitaminwasser der Gesamtgewinn von Red Bull erhöht werden?
Die Marketingverantwortlichen von Red Bull würden diese und weitere Informationen benö-
tigen, um zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wie sie das neue Vitaminwasser am Markt
einführen sollten.
Um den Informationsbedarf von Unternehmen zu bedienen, kann der Marktforscher Primär-
daten, Sekundärdaten oder eine Mischung aus beiden nutzen. Unter Sekundärdaten versteht
man Daten, die zunächst für einen anderen Zweck gesammelt wurden und schon zur Verfü-
gung stehen. Als Primärdaten bezeichnet man solche, die speziell für eine bestimmte Frage-
stellung erhoben werden.
200
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4.5 Marktforschung
Daten laufend für bestimmte Branchen ermitteln und diese zu vergleichsweise günstigen
Preisen zur Verfügung stellen.
The Nielsen Company (nielsen.com) ist weltweit führend bei der Erfassung und Analyse von
Verbraucherverhalten, Verbrauchereinstellungen und Marktentwicklungen. In Deutschland
erforscht das Nielsen Haushaltspanel (nielsen-partner.de) gemeinsam mit 20.000 Nielsen-
Partnerhaushalten die Wünsche der Verbraucher. Das Marktforschungsinstitut erstellt daraus
Insights über Trends und Gewohnheiten, die Unternehmen helfen, vielfältige Fragen zu
beantworten: Was wollen die Konsumenten? Was möchten sie sehen? Was teilen sie? Wofür
begeistern sie sich?
Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK, gfk.com) gehört zu den größten Marktfor-
schungsunternehmen weltweit und ist in über 100 Ländern aktiv. Sie analysiert beispiels-
weise Reichweiten und das Mediennutzungsverhalten von Verbrauchern auf sämtlichen
technischen Geräten (TV, Radio, Laptops, Tablets, Smartphones). Seit 1986 betreibt die GfK
einen bundesweit einzigartigen Testmarkt, das sogenannte Haushaltspanel in Haßloch. Der
kleine Ort in Rheinland-Pfalz ist repräsentativ für Deutschland, weshalb neu entwickelte
Produkte dort auf ihre Marktchancen getestet werden.
Zahlreiche Daten werden von nationalen oder internationalen Organisationen zum Teil kos-
tenlos zur Verfügung gestellt, z.B. von der Weltbank, der Europäischen Kommission oder
dem Statistischen Bundesamt.
201
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4 Marktforschung
Internet-Daten
ClickZ (clickz.com) vereint eine Fülle von Informationen über das Internet und die Nutzer, Verbraucher und E-Com-
merce.
Interactive Advertising Bureau (iab.net) liefert Statistiken zu Onlinewerbung.
comScore (comscore.com) misst das Verbraucherverhalten in der digitalen Welt und wandelt diese Informationen in
Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen um.
Internet World Statistics (internetworldstats.com) liefert Statistiken zur globalen Durchdringung des Internets.
BITKOM (bitkom.org/de) liefert Daten und Statistiken rund um den ITK-Markt.
Tabelle 4.1: Ausgewählte externe Informationsquellen (Forts.)
202
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4.5 Marktforschung
203
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4 Marktforschung
Methodischer Ansatz
Beobachtung Bei der Datenerhebung durch Beobachtung werden Personen, Situationen und
Handlungen beobachtet. Hier einige Beispiele:
Ein Lebensmittelhersteller lässt in Supermärkten ermitteln, zu welchen Preisen die Kon-
kurrenzprodukte angeboten werden und wie viel Regalplatz und Aktionsflächen seinen
Produkten und denen der Konkurrenz eingeräumt werden.
Ein Hersteller von Kosmetikprodukten testet seine Werbespots, indem er sie Versuchsper-
sonen vorführen lässt und deren Augenbewegungen, Pulsschlag und andere körperliche
Reaktionen messen lässt.
Eine Kaufhauskette schickt Testkäufer in die Filialen, um das jeweilige Umfeld und die
Kundenfreundlichkeit der Verkäufer zu testen.
Oftmals werden Beobachtungen mithilfe spezieller Geräte durchgeführt. Diese werden
immer leistungsstärker, kleiner und intelligenter. Testhaushalte haben an ihren Fernsehemp-
fängern Geräte angeschlossen, die aufzeichnen, welche Programme und welche Werbung
gesehen werden. Diese Technik ist inzwischen bis zur Onlineübermittlung weiterentwickelt
worden. Mithilfe dieser Daten lassen sich Informationen über die Anzahl und die demografi-
sche Struktur der Zuschauer unterschiedlicher Programme gewinnen. Die Fernsehsender
nutzen diese Daten, um die Beliebtheit von Programmen zu beurteilen und die Preise für
Werbezeiten entsprechend festzulegen. Werbetreibende können sich an den Sehgewohnhei-
ten ihrer Zielgruppen orientieren.
Die Scannerkassen in Supermärkten zeichnen die Einkäufe der Konsumenten detailliert auf.
Sowohl der Handel als auch die Hersteller von Konsumgütern nutzen diese Informationen,
um den Produktabsatz besser abschätzen und optimieren zu können und um das Ergebnis
der Geschäftsstätte zu verbessern.
Die Erhebung durch Beobachtung vermittelt auch Informationen, die befragte Personen nicht
geben können oder möchten. Unter diesem Gesichtspunkt ist manchmal die Beobachtung der
einzig mögliche Weg. Andererseits hat auch die Beobachtung ihre Grenzen, denn Gefühle,
Einstellungen oder Motive können nicht (oder nicht hinreichend) beobachtet werden. Lang-
fristig angelegtes oder unregelmäßiges Verhalten ist ebenfalls schwer zu beobachten. Aus die-
sem Grund wird die Erhebung durch Beobachtung häufig mit anderen Methoden der Date-
nerhebung kombiniert.
So lassen Marketingverantwortliche nicht nur das Verhalten von Konsumenten beobachten,
sondern auch deren Kommunikation. Wie bereits erwähnt, sollte die Interaktion auf Blogs,
sozialen Netzwerken und Websites selbstverständlicher Teil der Beobachtung sein. Durch
das Monitoring von Internet-Buzz, also dem unstrukturierten Austausch von Konsumenten
über Unternehmen, Produkte und Marken, erhalten Marketingverantwortliche ein natürli-
ches Feedback und möglicherweise Erkenntnisse, die durch andere Erhebungsformen so
nicht gewonnen werden können.
Eine Vielzahl an Unternehmen nutzt nunmehr ethnografische Forschung. Ethnografische
Forschung besteht darin, gut ausgebildete Beobachter zu nutzen, die das „natürliche Lebens-
umfeld“ von Verbrauchern beobachten und dort mit ihnen interagieren. Dies lässt sich am
Beispiel der hochpreisigen Hotelkette Marriott erläutern. Die Hotels befinden sich in der
Regel in bester City-Lage in großen Städten oder Urlaubsorten und beherbergen vor allem
Business-Kunden, häufig mit einem hohen Anteil an internationalen Gästen.
204
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4.5 Marktforschung
Marriott beauftragte das Münchener Büro der Design-Firma IDEO, um der Hotelkette dabei
zu helfen, einen unvoreingenommenen Blick auf Geschäftsreisende zu werfen und bisherige
Erfahrungswerte für eine zunehmend wichtige Kundengruppe zu überdenken: die jungen,
technikversierten Geschäftsleute. Anstatt der üblichen Kundenbefragungen und Gruppenin-
terviews entsendete IDEO ein Team von Beratern, darunter ein Designer, ein Anthropologe,
ein Schriftsteller und ein Architekt, auf eine sechswöchige Reise, um mit Geschäftskunden
in Kontakt zu treten und sich einen möglichst intensiven und persönlichen Eindruck von
ihnen zu verschaffen. Die Gruppe bereiste zwölf Städte, hielt sich dort in Empfangshallen
von Hotels, in Cafés und Bars auf und bat die Gäste, aus ihrem Reisealltag zu erzählen.
Dadurch erfuhren die Berater, dass die Hotels im Allgemeinen nicht gut auf kleinere Grup-
pen von Geschäftsreisenden eingestellt sind. Die Eingangshallen der Hotels sind zumeist zu
dunkel und mehr dafür geeignet, die Zeit totzuschlagen, als zwanglose geschäftliche Gesprä-
che zu führen. Marriott besitzt keine Orte, an denen die Gäste Arbeit und Vergnügen außer-
halb des Zimmers bequem kombinieren können. Ein Berater entsinnt sich, dass er eine weib-
liche Geschäftsreisende dabei beobachtet hatte, wie diese in der Lobby Wein trank und dabei
bemüht war, dass nichts auf ihre Papiere und den Tisch tropfte. „Es gibt nur sehr wenige
Hotels, die sich um solche Probleme kümmern“, sagt er. Das Ergebnis war: Marriott hat die
Eingangshallen seiner Hotels neu gestaltet und einen „sozialen Bereich“ mit kleinen Tischen,
heller Beleuchtung und Wireless-Internetzugang eingerichtet, der sich besser eignet, um dort
Meetings abzuhalten. Ein weiterer Bereich ermöglicht Alleinreisenden, in größeren, ruhigen
Räumlichkeiten zu arbeiten und zu entspannen, ohne sich dabei Sorgen über verschütteten
Kaffee auf ihren Laptops oder ihren Akten machen zu müssen.
Mittlerweile betreiben viele Unternehmen darüber hinaus auch „webnografische“ For-
schung, bei der auch die Onlineinteraktion der Verbraucher in ihrem gewohnten Umfeld im
Internet untersucht wird. Die Beobachtung der Verbraucher, wie sie online interagieren, kann
hilfreiche Insights sowohl für die Online- als auch die Offlinekaufmotive und das Kaufverh-
alten liefern.
Ethnografische Forschung liefert häufig die Art von Information, die sich nicht aus Befragun-
gen oder Fokusgruppen abzeichnet. „Das Schöne an der Ethnografie“, so sagt ein Forschungs-
experte, „ist die Gewinnung eines umfassenden Verbraucherverständnisses, mehr als es die
traditionelle Forschung bietet. Natürlich nutzen Unternehmen nach wie vor Fokusgruppen,
Umfragen und demografische Daten, um einen Einblick in die Gedanken der Verbraucher zu
gewinnen. Menschen jedoch in ihrem gewohnten Umfeld, in dem sie leben und arbeiten, zu
beobachten, ermöglicht Unternehmen auch unausgesprochene Kundenwünsche zu ergrün-
den.“
Im Gegensatz dazu können einige Dinge schlicht nicht beobachtet werden, wie z.B. Stand-
punkte, Motivation oder persönliches Verhalten. Langfristiges oder seltenes Verhalten ist
ebenfalls sehr schwer zu beobachten. Und letztlich sind die Beobachtungen auch sehr
schwierig zu interpretieren. Aufgrund dieser Begrenzungen wenden Marktforscher das Inst-
rument der Beobachtung zusammen mit anderen Datenerfassungsmethoden an.
Befragung Die Erhebung mittels Befragung ist die Methode der Wahl, wenn es darum geht,
deskriptive, also beschreibende Informationen zu beschaffen. Ein Unternehmen, das etwas
über den Wissensstand, die Gewohnheiten, die Präferenzen oder das Kaufverhalten der Men-
schen wissen möchte, kann dies am besten herausfinden, indem es die Betroffenen direkt
fragt. Eine Umfrage kann strukturiert oder unstrukturiert sein. Eine strukturierte Befragung
benutzt formale Fragenkataloge, auf die jeder in der gleichen Weise antworten muss. Bei der
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4 Marktforschung
unstrukturierten Befragung lässt der Interviewer sich auf die Befragten ein und deren Ant-
worten bilden die Leitlinie für das Interview.
Bei Befragungen sind direkte oder indirekte Fragestellungen möglich. Bei der direkten Frage-
stellung heißt es zum Beispiel „Warum kaufen Sie Ihre Bekleidung nicht bei Primark?“, bei
der indirekten Fragestellung heißt es „Welche Leute kaufen Kleider bei Primark?“. Durch die
Beantwortung der indirekten Frage kann der Marktforscher erkennen, aus welchen Gründen
dieser Käufer nicht bei Primark kauft und warum er bei anderen Unternehmen kauft. Dabei
mögen durchaus Gründe zutage kommen, die dem Käufer gar nicht bewusst sind.
Die Befragung ist die am häufigsten angewandte Methode bei Primärdatenerhebungen und
häufig die einzige. Der Hauptvorteil dieser Methode ist Flexibilität. Man kann in den unter-
schiedlichsten Marketingsituationen sehr viele verschiedene Arten von Informationen auf
einmal sammeln. Je nach Gestaltung des Erhebungskonzepts können Informationen schneller
und kostengünstiger beschafft werden, als es durch Beobachtung oder experimentelle Metho-
den möglich ist.
Aber auch diese Methode hat ihre Grenzen. Manchmal können Verbraucher Fragen nicht
beantworten, weil sie sich nicht erinnern oder niemals darüber nachgedacht haben, was sie
bzw. warum sie etwas machen. Gerade bei echten Innovationen fehlt Verbrauchern zudem
oftmals das Vorstellungsvermögen. Dies wird durch ein Zitat des Automobilherstellers Henry
Ford deutlich: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt
schnellere Pferde.“ In anderen Fällen wollen Testpersonen keine Auskunft geben, weil sie
Dinge als privat betrachten und nicht mit dem ihnen unbekannten Interviewer darüber zu
sprechen bereit sind. Andere Testpersonen wiederum geben bereitwillig Auskunft, auch
wenn sie sich nicht auskennen, um informierter und cleverer zu wirken, oder sie geben
erwünschte Antworten, um dem Interviewer zu helfen. Andere sind nicht bereit, sich die
Zeit für die Beantwortung der Fragen zu nehmen. Einige, aber nicht alle diese Probleme kön-
nen durch eine sorgfältige Fragebogengestaltung behoben werden.
Experiment Experimentelle Marktforschung zielt auf Kausalzusammenhänge ab. Es werden
Experimente durchgeführt, bei denen man Testpersonen in vergleichbare Gruppen einteilt.
Eine Gruppe wird einer bestimmten Behandlung unterzogen, die andere nicht. Die dabei
beobachteten unterschiedlichen Reaktionen der Gruppen werden analysiert. In der Regel
sind Schlüsse im Sinne eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs möglich.
Dazu ein Beispiel: Eine Supermarktkette denkt darüber nach, hochwertige Parfums in ihr
Sortiment aufzunehmen. Die experimentelle Marktforschung könnte dazu beitragen, die fol-
genden Fragen zu beantworten:
Um welchen Prozentsatz könnte sich der Umsatz erhöhen?
Wie könnte sich das Angebot der Parfums auf den Absatz anderer Produkte auswirken?
Welche Werbung wäre für die Einführung der Parfums am besten geeignet?
Wie würden sich unterschiedliche Preisstellungen auf den Absatz der Produkte auswirken?
Wie wird sich das Angebot von Parfums auf das Image des Unternehmens insgesamt aus-
wirken?
Um zum Beispiel die Wirkung zweier unterschiedlicher Preise zu testen, könnte das Unter-
nehmen ein einfaches Experiment durchführen. Es könnte eine Markteinführung der Par-
fums mit einem Preis A in einer Stadt und mit einem Preis B in einer anderen Stadt vorneh-
men. Wenn die beiden Städte ähnlich sind und die Werbung für das Parfum in beiden
Städten gleich ist, würde der Preisunterschied einen beobachteten Absatzunterschied zwi-
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4.5 Marktforschung
schen den beiden Städten erklären. Nach diesem Grundschema lassen sich auch komplexe
Untersuchungsdesigns im Rahmen der experimentellen Marktforschung entwerfen.
Kommunikationsform
Die Antworten auf eine Befragung können schriftlich (per Post), telefonisch, online oder im
persönlichen Interview erhoben werden. Tabelle 4.3 zeigt die wichtigsten Vor- und Nachteile
dieser Methoden auf.
Schriftlicher Persönliches
Telefoninterview Internet
Fragebogen (per Post) Interview
Flexibilität – ++ +++ ++
Umfang der ermittel- ++ + +++ ++
baren Daten
Vermeiden der +++ + – +
Beeinflussung durch
den Interviewer
Steuerung der Stich- + +++ ++ +++
probe
Geschwindigkeit der – +++ ++ +++
Erhebung
Beantwortungsrate – + ++ ++
Kosten ++ + – +++
Tabelle 4.3: Die Stärken und Schwächen von vier wichtigen Methoden der Kontaktaufnahme
Fragebögen per Post haben viele Vorteile. Umfangreiche Sachverhalte können kostengünstig
abgefragt werden. Wahrscheinlich antworten die Befragten auf sehr persönliche Fragen ehrli-
cher als gegenüber einem unbekannten Interviewer oder über das Telefon. Ein Interviewer
kann das Ergebnis nicht beeinflussen oder verfälschen.
Aber es gibt neben den Vorteilen auch Nachteile: Fragebögen sind nicht sehr flexibel, sie
erfordern einfache und eindeutig formulierte Fragen. Alle Befragten antworten auf die glei-
chen Fragen in der gleichen Reihenfolge, spontanes Nachfragen wie bei einem Interview ist
nicht möglich. Das Ausfüllen der Fragebögen erfordert viel Zeit und daher sind die Rück-
laufraten häufig sehr niedrig. Zudem lässt sich in der Regel nicht erkennen, welche Person
innerhalb eines Haushalts den Fragebogen beantwortet hat. Deshalb greifen heute immer
mehr Marketingverantwortliche auf schnellere, flexiblere und kostengünstigere E-Mail- und
Onlineumfragen zurück.
Telefoninterviews sind eine der am besten geeigneten Methoden, wenn man Informationen
schnell erhalten möchte. Beim Telefoninterview kann man situationsbezogen reagieren und
verfügt daher über eine höhere Flexibilität als beim Fragebogen. Der Interviewer kann Fragen
erläutern, soweit sie nicht sofort verstanden werden. Je nachdem, wie die befragte Person
reagiert, können Fragen ausgelassen oder zusätzliche Fragen gestellt werden. Das Telefonin-
terview erlaubt zudem eine genauere Identifizierung der befragten Person, indem zu Beginn
des Gesprächs nach bestimmten Merkmalen oder nach dem Namen gefragt wird. Die Antwor-
trate liegt tendenziell über der von Umfragen per Post.
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4 Marktforschung
Die Fortschritte in der Computer- und Kommunikationstechnologie haben auch die Technik
der Informationserhebung beeinflusst. Heute verwenden viele Marktforschungsinstitute die
sogenannten computergestützten Telefoninterviews (CATI: Computer Assisted Telephone
Interviewing). Zunächst werden mögliche Interessenten angerufen, häufig als Zufallsstich-
probe. Der Interviewer liest seine Fragen vom Bildschirm und gibt die Antwort des Befragten
sofort in den Computer ein. Diese Methode erfordert zunächst größere Investitionen in die
Ausstattung mit Computern und in das Training der Interviewer, macht sich aber schnell
bezahlt, da das Aufbereiten und Codieren der Daten entfällt, Fehler vermieden werden und
Zeit gespart wird.
Aber auch diese Methode hat ihre Nachteile. Die Kosten pro Antwort sind höher als bei
Befragungen per Post und viele lehnen es ab, einem unbekannten Interviewer sehr persönli-
che Fragen am Telefon zu beantworten. Einen Interviewer einzusetzen bedeutet einerseits
Flexibilität, andererseits aber kann es durch diesen zu einer Verfälschung der Ergebnisse
(Bias) kommen. Die Art, wie ein Interviewer spricht, oder feine Unterschiede in der Formu-
lierung der Fragen können die Antworten der Testpersonen beeinflussen. Schließlich können
auch unterschiedliche Interviewer die Antworten unterschiedlich auslegen und dokumentie-
ren. Unter Zeitdruck kann es sogar dazu kommen, dass Antworten einfach fingiert werden.
Im Zeitalter von „Do-not-call“-Listen und Verbrauchern, die sich von Telefonmarketing
belästigt fühlen, verweigern Angerufene außerdem zunehmend das Gespräch mit Intervie-
wern und beenden häufig das Gespräch, noch bevor es zu einem Interview kommt.
Persönliche Interviews lassen sich als Einzelinterview oder Gruppendiskussion durchfüh-
ren. Beim Einzelinterview werden Personen zu Hause, in ihrem Büro, auf der Straße oder in
Einkaufszentren befragt. Der Interviewer muss zunächst um ihre Kooperation werben. Die
Zeit, die solch ein Gespräch in Anspruch nimmt, kann zwischen einigen Minuten und meh-
reren Stunden liegen. Manchmal erhalten die Testpersonen eine kleine Vergütung für die
geopferte Zeit. Die Methode des persönlichen Interviews ist flexibel und mit ihr lassen sich
umfangreiche Informationen beschaffen. Geschulte Interviewer können relativ lange die Auf-
merksamkeit der Befragten an sich binden und mit ihnen auch schwierige Fragen klären. Sie
sind in der Lage, überraschende Äußerungen der Testpersonen spontan zu vertiefen und ent-
sprechend der Situation zu reagieren. In einem persönlichen Interview kann jeder Fragebo-
gentyp verwendet werden. Die Interviewer können den Testpersonen aktuelle Produkte vor-
stellen, Werbeanzeigen oder Verpackungen zeigen und deren Reaktionen und Verhalten
beobachten. Die größten Probleme dieser Methode sind die hohen Kosten und Schwierigkei-
ten bei der Stichprobenauswahl. Persönliche Interviews kosten drei- bis viermal so viel wie
Telefoninterviews. Da die Interviewer einen größeren Spielraum haben, ist auch die Gefahr
der Beeinflussung größer.
Gruppeninterview oder Fokusgruppe Gruppeninterviews sind eine Form der explorativen
Forschung, deren Absicht darin besteht, neue oder versteckte Marktcharakteristika und
Bedürfnisse aufzudecken. Beim Gruppeninterview werden in der Regel sechs bis zehn Perso-
nen eingeladen, um unter Anleitung eines Moderators über ein Produkt, eine Dienstleistung
oder eine Organisation zu diskutieren. Der Moderator benötigt Objektivität, Kenntnis des
untersuchten Objekts und der Branche und ein gewisses Verständnis von Gruppendynamik
und Konsumentenverhalten. Diese Gruppengespräche finden in angenehmer Umgebung
statt, kleine Erfrischungen werden serviert. Normalerweise erhalten die Personen eine Auf-
wandsentschädigung für ihre Teilnahme. Der Moderator beginnt mit allgemeinen Fragen,
bevor er spezifische Themen anspricht. Ein geschickter Moderator wird versuchen, eine ent-
spannte Atmosphäre zu schaffen, in der Hoffnung, dass durch das Gruppenverhalten auch
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4.5 Marktforschung
verborgene Gefühle und Gedanken ausgesprochen werden. Er versucht dabei, die Diskussion
auf das zu untersuchende Objekt zu fokussieren – daher auch der Name Fokusgruppen-Inter-
view.
Marktforscher und Marketingentscheider verfolgen die Diskussionen hinter einer Glaswand,
die so beschaffen ist, dass die Teilnehmer ihre Beobachter nicht sehen können, die Beobach-
ter jedoch die Teilnehmer. Während der Sitzung werden entweder schriftliche Aufzeichnun-
gen angefertigt oder es wird ein Video für die spätere Auswertung mitgeschnitten. Immer
häufiger kommen auch Videokonferenzen über das Internet zum Einsatz, um Marketingent-
scheider an entfernten Standorten live an Fokusgruppen teilhaben zu lassen. Mit Kameras
und Sound-Systemen können Marketing-Manager in weit entfernten Sitzungsräumen alles
sehen und hören und nach Belieben mit einer Fernbedienung die Gesichter der Teilnehmer
näher heranholen und beobachten.
Abbildung 4.4: Fokusgruppenforschung mit Kameras und Zwei-Wege-Sound-Systemen, Marketingentscheider können orts-
unabhängig live an Forschungsgruppen teilhaben.
(Quelle: Cultura RM / Alamy Stock Photo)
209
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4 Marktforschung
Obwohl Gruppeninterviews weit verbreitet sind, beschäftigen sich viele Marktforscher mit
dem Forschungsdesign und ändern es ab. Zum Beispiel bevorzugen einige Unternehmen
sogenannte „Immersion Groups“ – vier bis fünf Personen, die mit Produktdesignern infor-
mell sprechen, ohne dass ein Moderator anwesend ist. Auf diesem Weg können die Designer
direkt mit ausgewählten Nutzern über die Entwicklung neuer Programme und Produkte spre-
chen. Das Ergebnis ist fundierter, weil sich die Testpersonen in den Prozess integriert und
nicht nur beobachtet fühlen.
Andere Marktforscher verändern die Umgebung, in der sie Gruppeninterviews abhalten. Um
den Kunden dabei zu helfen, sich zu entspannen und authentische Antworten zu geben,
gestalten sie die Umgebung möglichst komfortabel und dem zu untersuchenden Produkt ent-
sprechend. Zum Beispiel werden Gruppeninterviews für ein Küchenprodukt in einer Küche
und Fokusgruppen für Wohnmöbel in einem Wohn-, Spiel- oder Badezimmer durchgeführt.
So haben sich in den letzten Jahren viele Unternehmen von traditionellen, eher formalen
und zahlenorientierten Forschungsansätzen und Kontaktmöglichkeiten wegbewegt. Stattdes-
sen gehen sie neue Wege, um Verbrauchern zuzuhören, und setzen dabei weniger auf tradi-
tionelle Fragebogenformate.
„Marktforscher sollten sich stärker auf das Zuhören und die Entwicklung von Ideen aus Ver-
brauchersicht konzentrieren und weniger das „Statistik-Monster“ mit immer mehr Zahlen
füttern. Forscher sollten insbesondere ihre Sozialkompetenz einsetzen“, gibt ein Marketing-
verantwortlicher zu bedenken.
Datenerhebung über das Internet Die Fortschritte der Kommunikationstechnologien haben
eine hohe Relevanz für die Marktforschung. Immer mehr Marktforscher sammeln Primärda-
ten mittels Onlinemarktforschung, der Datenerhebung über das Internet. Die gängigen
Methoden sind hierbei die Durchführung von Umfragen im Internet, Onlinepanels, Experi-
menten und Onlinefokusgruppen.
Die Onlinemarktforschung umfasst verschiedene Instrumente. Das gängigste ist das Einbin-
den eines Fragebogens in die Webseite eines Unternehmens und die Schaffung von Anreizen
zum Ausfüllen des Fragebogens. Um Teilnehmer zu einer Befragung einzuladen, dienen
Links in E-Mails oder in Pop-up-Fenstern. Neben dem Ausfüllen von Onlinefragebögen nut-
zen Unternehmen Chatrooms und initiieren Chat-Sessions, um Fragen zu stellen und Live-
Diskussionen oder Onlinefokusgruppen durchzuführen. Man kann durch das Verhalten der
Onlinekunden lernen, indem man die Klicks der Kunden nachverfolgt, während diese die
unternehmenseigene Webseite besuchen oder zu anderen Internetseiten wechseln. Um mehr
über die Wirkung von Angeboten zu lernen, experimentieren Anbieter mit verschiedenen
Preisen, nutzen unterschiedliche Headlines oder bieten verschiedene Produkteigenschaften
auf verschiedenen Webseiten oder zu verschiedenen Zeiten an. Sie nutzen so „Versuchsbal-
lons“, um neue Produktkonzepte zu testen. Andere Unternehmen errichten extra Online-
shops, um neue Produkte und Marketingkampagnen zu testen. Dadurch können sie viel über
das Verhalten von Onlinekunden erfahren, indem sie ihre Klickverläufe, Verweildauer und
Bewegungsmuster etc. auf der Website auswerten.
Das Internet eignet sich besonders gut für die quantitative Forschung. Die meisten Europäer
haben mittlerweile Zugriff auf das Internet, sodass man einen breiten Querschnitt der Ver-
braucher erreicht. Gerade aufgrund der sinkenden Rücklaufquoten und steigenden Kosten
bei traditionellen Umfragen wird Marktforschung über das Internet immer beliebter.
Onlinebefragungen haben mittlerweile etwa einen Anteil von 50 Prozent an allen Befragun-
gen.
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4.5 Marktforschung
211
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4 Marktforschung
pen oder durch das Auswerten von Blogs und sozialen Netzwerken. Das Internet bietet eine
schnelle und kostengünstige Möglichkeit, auch qualitative Customer Insights zu erhalten.
Onlinefokusgruppen können sehr unterschiedlich gestaltet werden. Meist erfolgen sie in
Echtzeit, in Form von Diskussionen in Chatrooms, bei denen die Teilnehmer und ein Mode-
rator an einem „virtuellen Tisch“ sitzen und Kommentare austauschen. Alternativ können
Forscher Onlineforen einrichten, über die die Befragten im Laufe von mehreren Tagen oder
wenigen Wochen interagieren. Die Teilnehmer kommentieren dabei täglich die Themen der
Fokusgruppen.
Obwohl sie kostengünstig und einfach zu verwalten sind, kann Onlinefokusgruppen die
Dynamik des realen, persönlichen Austauschs fehlen. Um diesen Nachteil zu kompensieren,
ergänzen einige Forscher zusätzliche Interaktionsmöglichkeiten über Sprache und Webcams,
sodass sich der Moderator und die Teilnehmer sehen und hören können. Diesen Ansatz ver-
folgt zum Beispiel das Online-Marktforschungsunternehmen Channel M2.
Die Teilnehmer werden mit traditionellen Methoden rekrutiert und erhalten dann eine Web-
cam, sodass sowohl verbale als auch nonverbale Reaktionen aufgezeichnet werden können.
Sie erhalten Anweisungen per E-Mail mit einem Link zum „virtuellen Interviewraum“ und
eine kostenlose Rufnummer für Telefonkonferenzen. Zur verabredeten Zeit wählen sie sich
ein und betreten den virtuellen Interviewraum mit Live-Videos der anderen Teilnehmer. Für
den weiteren Austausch stehen ein Text-Chat, das Teilen von Bildschirmansichten und Prä-
sentationen und ein Whiteboard zur Verfügung. Wenn die Gruppendiskussion im vollen
Gange ist, entsteht eine bemerkenswert lebendige Atmosphäre. Die Teilnehmer melden sich
spontan zu Wort, schreiben Textbeiträge oder tun beides. Forscher können der Fokusgruppe
unmittelbar beiwohnen oder zu einem späteren Zeitpunkt eine aufgezeichnete Version aus-
werten.
Onlinemarktforschung hat jedoch auch einige Nachteile. Ein großes Problem liegt in der
Überwachung der Onlinestichprobe. Ohne die physische Präsenz der Befragten ist es schwie-
rig zu überprüfen, wer tatsächlich an der Befragung teilgenommen hat. Um solche Stichpro-
ben- und Antwortprobleme zu bewältigen, nutzen viele Online-Marktforschungsunterneh-
men Opt-in-Verfahren (bei denen der Befragte die ausdrückliche Zustimmung für eine
Teilnahme gibt) bzw. Panelbefragungen.
Das Internet wurde in den letzten Jahren zu einem wichtigen neuen Werkzeug für die Markt-
forschung und die Gewinnung von Customer Insights. Heute gehen Marktforscher noch
einen Schritt weiter, als strukturierte Onlineumfragen durchzuführen und Fokusgruppen
und Web-Communitys zu beobachten. Zunehmend analysieren sie auch unstrukturierte Kun-
deninformationen, die im Internet kursieren. Dies beinhaltet auch das Scannen von Kunden-
bewertungen und Kommentaren auf unternehmenseigenen Marken-Websites oder auf den
Websites großer Online-Handelsplattformen wie Amazon oder Ebay. Darüber hinaus werden
sehr anspruchsvolle Webanalyse-Tools eingesetzt, um Massen von Kundeninformationen
und Beiträgen in Blogs oder sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter auszuwerten.
Die vielleicht brisanteste Frage im Rahmen der Onlinemarktforschung betrifft die Privat-
sphäre der Konsumenten. Es wird befürchtet, dass skrupellose Marktforscher E-Mail-Adres-
sen und vertrauliche Antworten, die durch Befragungen gewonnen wurden, verwenden wer-
den, um Produkte zu verkaufen, nachdem die eigentliche Umfrage beendet ist. Man ist über
den Einsatz elektronischer Agenten (wie Spambots oder Trojaner) besorgt, die persönliche
Daten ohne Zustimmung der Befragten sammeln. Wichtig ist es daher, dieses Problem offen
zu kommunizieren, da es andernfalls zur Verärgerung der Verbraucher und strikteren Regu-
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4.5 Marktforschung
lierungen kommen kann. Trotz dieser Bedenken prognostizieren die meisten Branchenken-
ner ein weiteres Wachstum für die Onlinemarktforschung.
Behavioural und Social Tracking sowie Targeting Daher ist das Internet in den letzten Jah-
ren zu einem wichtigen Instrument für die Marktforschung und zur Entwicklung von Custo-
mer Insights geworden. Doch die modernen Marktforscher gehen noch weiter – über Online-
Studien, Zielgruppen und Internet-Communitys hinaus. Sie hören den Kunden verstärkt zu
und beobachten deren Verhalten durch aktive Nutzung der Fülle an freiwilligen, unstruktu-
rierten, noch ungeordneten Informationen, die bereits im Internet kursieren. Wo traditionelle
Marketingforschung schlüssigere Kundenantworten auf strukturierte und manipulative Fra-
gestellungen bieten, kann das sogenannte Online-Listening (Hinhören) auch die Emotionen
und Spontaneität der freiwilligen Verbrauchermeinungen erfassen. Verbrauchern online zu
folgen, kann ebenso einfach sein wie das Durchsuchen von Kundenbewertungen und Kom-
mentaren auf der aktuellen Marken-Webseite oder auf Shopping-Seiten wie Amazon oder
BestBuy. Ebenso kann es die Anwendung anspruchsvoller Instrumente zur Online-Analyse
beinhalten, um die Unmengen an Verbraucherkommentaren zur Marke und die in den Blogs
oder sozialen Medien wie Facebook, Yelp, YouTube oder Twitter geposteten Inhalte genauer
auszuwerten. Den Kunden zuzuhören und sie online einzubinden, kann wertvolle Einblicke
schaffen, wie sich Verbraucher über eine Marke äußern oder ihr gegenüber eingestellt sind.
Auch kann es die Möglichkeit bieten, positive Markenerfahrungen und Kundenbeziehungen
aufzubauen.
Informationen darüber, was Verbraucher tun, während sie durch die Weiten des Internets
surfen – wonach sie suchen, die angeklickten Seiten, wie und was sie einkaufen –, sind für
Marketingverantwortliche Gold wert. Und die modernen Marketing-Manager sind sehr damit
beschäftigt, dieses Gold zu schürfen. Mit einer Praxis, die man Behavioural Targeting nennt
(die gezielte Ansprache eines Nutzers im Internet, basierend auf der Analyse seines Surfver-
haltens), nutzen Marketingverantwortliche die Online-Daten für gezielte Werbung und Ange-
bote an bestimmte Kunden. Legen Sie beispielsweise ein Smartphone in Ihren Einkaufswa-
gen bei Amazon, kaufen es aber nicht, erscheinen auf Ihrem PC möglicherweise immer
wieder Werbeanzeigen für genau dieses Handymodell, sobald Sie das nächste Mal Ihre Lieb-
lings-Sportseite aufrufen, um sich über aktuelle Sportergebnisse zu informieren.
Inzwischen haben sich die „Abhörmethoden“ mithilfe von Web-Analytik und Targeting noch
weiterentwickelt – vom Behavioural Targeting zum Social Targeting. Während das Behaviou-
ral Targeting die Bewegungen der Verbraucher über Webseiten verfolgt, nutzt das Social Tar-
geting auch die einzelnen sozialen Netzwerke und Konversationen aus den sozialen Medien.
Forschungen zeigen, dass Verbraucher sich beim Shoppen an ihren Freunden orientieren
und wahrscheinlich auf die gleichen Anzeigen reagieren. So taucht also nicht einfach eine
Werbung für Laufschuhe von SportDirect.com auf, weil Sie kürzlich online nach Laufschu-
hen gesucht haben (Behavioural Targeting), sondern eine Werbung für ganz bestimmte Lauf-
schuhe, weil ein Freund, mit dem Sie über Twitter vernetzt sind, gerade diese Schuhe auf
SportDirect.com gekauft hat (Social Targeting).
Online-Listening, Behavioural Targeting und Social Targeting helfen Marketingverantwortli-
chen, die Massen an Verbraucherdaten im Internet für ihre Zwecke zu nutzen. Da Marketer
inzwischen auch geschickter in sogenannten Troll-Blogs, sozialen Netzwerken und anderen
Internet-Domains agieren, sind Kritiker um die Privatsphäre der Nutzer besorgt. Wo über-
schreitet gezielte Onlinemarktforschung die Grenze zum Verbraucher-Stalking? Befürworter
halten dagegen, dass Behavioural und Social Targeting mehr nutzen als schaden, da Verbrau-
cher Werbung und Produktinformationen bekommen, die für ihre Interessen relevant sind.
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4 Marktforschung
Bei vielen Kunden und Verbraucherschützern rufen die Onlineverfolgung und das Stalking
von Kunden durch Werbung jedoch mehr als nur ein unheimliches Gefühl hervor. Regulie-
rungsbehörden und andere Organisationen werden hier aktiv. Mittlerweile haben große Inter-
net-Browser und soziale Medien durch „Do-not-Track“-Funktionen (einer Internet-Entspre-
chung des „Anrufe unerwünscht“-Registers) in ihren Diensten auf die Bedenken reagiert.3
Stichprobenplan
In der Marktforschung werden gewöhnlich Schlüsse über das Verhalten großer Konsumen-
tengruppen gezogen, indem man kleine Stichproben der Grundgesamtheit untersucht. Als
Stichprobe bezeichnet man eine Teilmenge der Bevölkerung, die ausgewählt wurde, um die
Bevölkerung insgesamt abzubilden. Idealerweise soll diese Stichprobe repräsentativ sein,
sodass der Marktforscher die Einstellungen und das Verhalten der Bevölkerung insgesamt
möglichst genau abschätzen kann.
Die Auswahl der Stichprobe verlangt drei Entscheidungen:
1. Wer soll befragt werden? Die Antwort ist nicht immer eindeutig. Wen befragt man bei-
spielsweise, um den Entscheidungsfindungsprozess im Fall des Kaufs eines Familienau-
tos zu verstehen: den Ehemann, die Ehefrau, weitere Familienmitglieder – oder sogar
alle?
2. Größe der Stichprobe: Wie viele Personen sollen befragt werden? Große Stichproben lie-
fern zuverlässigere Ergebnisse als kleine. Trotzdem muss man in der Regel nicht die Ge-
samtheit oder eine sehr große Anzahl als Stichprobe ziehen. Wenn die Stichprobe sorg-
fältig ausgewählt ist, kann ein Anteil von weniger als einem Prozent der
Grundgesamtheit bereits zu verlässlichen Ergebnissen führen.
3. Mit welchem Verfahren soll die Stichprobe gezogen werden? Dem Marktforscher stehen
zufallsorientierte Verfahren wie die einfache, die geschichtete Zufallsauswahl oder das
Flächenauswahlverfahren und nicht zufallsorientierte Verfahren wie die willkürliche,
die Beurteilungsauswahl oder das Quota-Verfahren zur Verfügung. Beim Einsatz zufall-
sorientierter Verfahren hat jedes Mitglied der Grundgesamtheit eine bekannte Chance, in
die Stichprobe aufgenommen zu werden, und der Marktforscher kann Konfidenzinter-
valle für den Stichprobenfehler berechnen. Tabelle 4.4beschreibt einige gängige Verfah-
ren der Stichprobenziehung. Wenn zufallsorientierte Verfahren zu kosten- oder zeitin-
tensiv sind, greifen Marktforscher häufig auf nicht zufallsorientierte Verfahren zurück –
auch wenn der Stichprobenfehler in diesen Fällen nicht berechnet werden kann. Die
verschiedenen Arten der Stichprobenziehung haben unterschiedliche Beschränkungen,
was Kosten und Zeit angeht, aber auch, was die unterschiedlichen Gütekriterien und
statistischen Maße betrifft.
3 Zu den Themen Online Behavioral und Social Tracking sowie Targeting siehe Amit Avner, „How so-
cial targeting can lead to discovery“, Adotas, 7. Februar 2012, www.adotas.com/2012/02/how-social-
targeting-can-lead-to-discovery/; Thomas Claburn, „Microsoft finds people want more privacy cont-
rol“, Informationweek-Online, 24. Januar 2013, www.informationweek.com/windows/security/
microsoft-finds-people-want-more-privacy/240146932; Lisa M. Thomas, „We know where you’ve be-
en: emerging rules in online behavioral advertising“, Computer and Internet Lawyer, Februar 2013,
S. 16–19 und Somini Sengupta, „When privacy becomes a business imperative“, International New
York Times, 3. März 2013, www.nytimes.com/2013/03/04 /technology/amiddo-not-track-effort-web-
companies-race-to-look-privacyfriendly.html?_r=0
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4.5 Marktforschung
Zufallsorientierte Verfahren
Einfache Zufallsauswahl Jedes Element der Grundgesamtheit hat eine bekannte und gleiche Chance,
in die Stichprobe aufgenommen zu werden.
Geschichtete Zufallsauswahl Die Grundgesamtheit wird in Schichten aufgeteilt, die sich gegenseitig aus-
schließen (wie beispielsweise Altersklassen), und aus jeder Schicht wird
dann eine Zufallsstichprobe gezogen.
Flächenauswahlverfahren Die Grundgesamtheit wird in Gruppen aufgeteilt, die sich gegenseitig aus-
schließen (wie beispielsweise Postleitzahlen-Gebiete), und eine Stichprobe
wird aus den für die Untersuchung relevanten Gruppen gezogen.
Erhebungsinstrumente
Bei der Erhebung von Primärdaten können Marktforscher im Wesentlichen zwischen zwei
Arten von Instrumenten wählen: dem Fragebogen und rein technischen Methoden.
Fragebogen Der Fragebogen ist das mit Abstand am weitesten verbreitete Instrument der
Marktforschung. Grob gesagt, geht es hier um eine Liste von Fragen, die von Befragten per-
sönlich, telefonisch, postalisch, per E-Mail oder online beantwortet werden. Der Fragebogen
ist ein flexibles Instrument und es gibt viele Möglichkeiten, bestimmte Fragen zu stellen. Er
sollte sorgfältig entwickelt und getestet werden, bevor er in großem Maßstab eingesetzt wird.
Bei der Erarbeitung eines Fragebogens muss der Marktforscher entscheiden, welche Fragen
in welcher Form gestellt werden und in welchem Wortlaut und in welcher Reihenfolge sie
auf dem Fragebogen erscheinen. Jede Frage sollte daraufhin überprüft werden, ob sie einen
Beitrag zu den Forschungszielen leistet. Es kommt häufig vor, dass relevante Fragestellungen
fehlen, während solche, die nicht beantwortet werden können oder müssen, enthalten sind.
Die Form, in der eine Frage gestellt wird, kann die Antwort beeinflussen. Man unterscheidet
geschlossene und offene Fragen. Geschlossene Fragen umfassen alle Antwortmöglichkeiten
und der Befragte kann zwischen ihnen auswählen. Dazu gehören auch Multiple-Choice-Fra-
gen und Fragen, die auf eine Bewertungsskala abzielen. Offene Fragen geben dem Probanden
die Möglichkeit, in eigenen Worten zu antworten. Bei einer Befragung von Fluggästen könnte
die Fluggesellschaft Singapore Airlines einfach danach fragen: „Was halten Sie von Sin-
gapore Airlines?“ Sie könnte die Probanden aber auch darum bitten, einen Satz zu vervoll-
ständigen: „Wenn ich mich für eine Fluggesellschaft entscheide, sind die wichtigsten Krite-
rien ...“ Diese und andere Arten von offenen Fragen offenbaren häufig mehr Informationen
als geschlossene Fragen, da die Befragten in ihrem Antwortverhalten nicht eingeschränkt
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4 Marktforschung
werden. Besonders nützlich sind offene Fragen in der explorativen Forschung, wenn der
Marktforscher herauszufinden versucht, was Menschen denken, und nicht, wie viele
Befragte einer bestimmten Meinung sind. Geschlossene Fragen haben auf der anderen Seite
den Vorteil, dass ihre Antworten einfacher zu interpretieren und auszuwerten sind.
Die Formulierung der Fragen sollte einfach, direkt und unmissverständlich sein. Auch die
Reihenfolge der Fragen ist wichtig. Die erste Frage sollte ein gewisses Interesse beim Intervie-
wpartner wecken. Schwer zu beantwortende oder sehr persönliche Fragen sollten erst am
Ende des Interviews gestellt werden, damit der Proband nicht von vornherein eine defensive
Haltung einnimmt. Die Fragen sollten in logischer Reihenfolge gestellt werden. Sehen wir
uns mögliche Frageformen am Beispiel einer Fluggesellschaft an.
A. Geschlossene Fragen
Ja-/Nein-Frage Mögliche Antworten „Ja“ oder Haben Sie diesen Flug selbst gebucht?
„Nein“ Ja
Nein
Multiple-Choice-Frage Drei oder mehr Antworten Wer begleitet Sie auf diesem Flug?
möglich Keine Begleitung
Ehegatte
Ehegatte und Kinder
Nur Kinder
Geschäftspartner
Mitarbeiter
Freunde
Verwandte
Likert-Skala Aussage, zu der Zustimmung Aussage: „Kleine Fluglinien bieten besseren
oder Ablehnung anhand einer Service als große.“
Skala ausgedrückt werden soll 1 Stimme vollkommen zu
2 Stimme zu
3 Unentschieden
4 Lehne ab
5 Lehne vollkommen ab
Semantisches Differential Bipolare Skala, auf der der Stimulus: „Die Fluglinie SAS ist ...“
Befragte den Punkt auswählt, 3 modern
der am ehesten die Richtung 2
und Stärke seiner Einschätzung 1
widerspiegelt 0
1
2
3 altmodisch
Tabelle 4.5: Mögliche Frageformen bei der Fragebogengestaltung
216
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4.5 Marktforschung
A. Geschlossene Fragen
Bedeutungsskala Antwortskala von „überhaupt „Die Verpflegung während eines Flugs ist
nicht wichtig“ bis „extrem für mich ...“
wichtig“ 1 extrem wichtig
2 sehr wichtig
3 ziemlich wichtig
4 nicht sehr wichtig
5 überhaupt nicht wichtig
Bewertungsskala von „hervorragend“ bis „Die Verpflegung auf den Flügen der SAS ist
„schlecht“ ...“
1 hervorragend
2 sehr gut
3 gut
4 ausreichend
5 schlecht
Kaufabsichtsskala Skala, mit der der Befragte „Wenn man vom Flugzeug aus telefonieren
seine Kaufabsicht abbildet könnte, würde ich das ...“
1 bestimmt tun
2 wahrscheinlich tun
3 kann ich nicht sagen
4 wahrscheinlich nicht tun
5 ganz bestimmt nicht tun
B. Offene Fragen
Vollständig unstrukturiert Lässt sich auf unendlich viele „Welche Meinung haben Sie über die Flugli-
Arten beantworten nie SAS?“
Assoziationsfrage Worte werden genannt und die „Was fällt Ihnen ein, wenn Sie Folgendes
Probanden sollen ihre ersten hören:“
Assoziationen mit diesen Fluglinie
Begriffen benennen. SAS
Reisen
Satz ergänzen Der Befragte soll einen unvoll- „Wenn ich mich für eine Fluglinie ent-
ständigen Satz zu Ende führen. scheide, ist meine wichtigste Überlegung,
...“
Geschichte abschließen Eine Geschichte ist unvollstän- „Vor einigen Tagen flog ich mit SAS. Das
dig wiedergegeben. Die Ver- Flugzeug war außen und innen in sehr hel-
suchsperson wird gebeten, sie len und freundlichen Farben gehalten.
abzuschließen. Dadurch kamen mir folgende Gedanken und
Gefühle in den Sinn: ...“ Schließen Sie diese
Geschichte ab!
217
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4 Marktforschung
Die ausgefüllten Fragebögen werden auf Fehlerfreiheit und Vollständigkeit hin überprüft und
die enthaltenen Antworten für die weitere elektronische Verarbeitung codiert. Mithilfe
mathematisch-statistischer Verfahren werden Häufigkeiten, Mittelwerte und andere statisti-
sche Größen berechnet.
Technische Methoden Obwohl Fragebögen das am häufigsten verwendete Instrument sind,
werden auch andere, rein technische Methoden eingesetzt, um Erkenntnisse über das Ver-
braucherverhalten zu gewinnen. Durch sie lassen sich beispielsweise Informationen zur
Reichweite und Kontakthäufigkeit von Kampagnen über das Fernsehen, Internet und mobile
Endgeräte erheben. Marktforschungsunternehmen wie Nielsen (nielsen.com) erfassen scan-
nerbasierte Verkaufszahlen in Tausenden von Einzelhandelsgeschäften, um Erkenntnisse
über das Kaufverhalten zu gewinnen.
Andere Methoden messen die physikalischen Reaktionen der Probanden. Scanner-Kassen
geben zwar Auskunft darüber, was Kunden gekauft haben, nicht aber darüber, warum sie
etwas gekauft oder eben nicht gekauft haben. Um diese Informationen zu erhalten, setzen
Marktforscher immer häufiger Blickregistrierungssysteme ein.
Spezielle Blickregistrierungssysteme (Eye-Tracker) helfen Marktforschern, das Einkaufs-,
Such- und Orientierungsverhalten von Verbrauchern am Point of Sale zu verstehen. Dadurch
lassen sich wichtige Erkenntnisse zur Optimierung von Produktplatzierungen, Verpackungs-
designs oder auch die Wahrnehmung und Auswirkung von PoS-Materialien (Displays, Regal-
Stopper, Preisauszeichnungen etc.) gewinnen.
Probanden erhalten zu Beginn ihres Einkaufs eine Eye-Tracking-Brille, die sämtliche Blickbe-
wegungen digital aufzeichnet, indem die Pupillenbewegungen über Infrarotstrahlen erfasst
werden. Dadurch lässt sich anschließend analysieren, welche Produkte und visuellen Ele-
mente im Regal wahrgenommen werden und welchen Einfluss dies auf die unterschiedli-
chen Phasen im Kaufentscheidungsprozess hat.
218
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4.5 Marktforschung
Abbildung 4.5: Blickregistrierungssysteme helfen Marktforschern, das Einkaufs-, Such- und Orientierungsverhalten von Ver-
brauchern am Point of Sale zu verstehen.
(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von © www.delphin-media.de)
Der große Vorteil des Eye-Trackings ist, dass jede noch so kleine Blickbewegung dokumen-
tiert und visualisiert werden kann. Diese Erkenntnisse ließen sich durch Befragungen nicht
erheben. Probanden wären schlichtweg nicht in der Lage, sich an einzelne Blickverläufe zu
erinnern und könnten keine detaillierte Auskunft darüber geben, was sie innerhalb einer
Kaufentscheidung wahrgenommen und vor allen Dingen nicht wahrgenommen haben.
Marketing-Highlight: Eye-Tracking
Menschen geben Werbemaßnahmen oder Webseiten häufig nur wenige Sekunden oder
gar nur Sekundenbruchteile Zeit, eine Botschaft zu überbringen. Bilder werden nur kurz
betrachtet und Texte meist nur flüchtig gelesen. Gleichzeitig steigen sowohl analoge als
auch digitale Reize in unserer Umgebung – sei es durch eintreffende Nachrichten am
Mobiltelefon, Werbebotschaften auf Websites als auch zum Beispiel Plakatwände ent-
lang unserer Straßen.
Werbetreibende Unternehmen haben es folglich immer schwerer, die Aufmerksamkeit
der Verbraucher für ihre Botschaft zu gewinnen.
Doch wie wirkt Werbung und was sind die Erfolgsfaktoren bei der Gestaltung von Wer-
bemedien, Unternehmenswebsites, mobilen Apps oder auch unterschiedlichen Pro-
duktplatzierungen in den Regalen der Einzelhändler vor Ort?
219
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4 Marktforschung
Durch die Eye-Tracking-Methode lassen sich die fixierten Punkte (Fixationen) und
Blickbewegungen (Sakkaden) des Gesehenen der Probanden digital abbilden und analy-
sieren, indem die Pupillenbewegungen mit der Hilfe von Infrarotstrahlen durch Infra-
rotkameras erfasst werden. Bei der Durchführung solcher Experimente sitzen Proban-
den entweder vor einem stationären Eye-Tracker oder tragen ganz bequem eine mobile
Eye-Tracking-Brille, mit der sie sich während der Aufzeichnung ihres Blickverlaufs frei
bewegen können. So lassen sich aufschlussreiche Erkenntnisse darüber gewinnen, wel-
chen Objekten besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird und welche gegebenenfalls
gar nicht wahrgenommen werden. Die Kenntnis liefert für werbetreibende Unterneh-
men und forschende Institutionen wichtige Informationen.
Die Relevanz dieser Untersuchungen für die Unternehmenspraxis lässt sich an einem
einfachen Beispiel darstellen. Es wurde untersucht, wie Banner auf einer Website wahr-
genommen werden und wie sich die Wahrnehmung auf die Kaufintention des beworbe-
nen Produkts auswirkt. Um eine möglichst realistische Situation zu erzeugen, erhielten
die Testpersonen eine Ablenkungsaufgabe: Sie mussten auf der Seite eine bestimmte
verbale Phrase finden. Während der Aufgabenerfüllung wurden mithilfe eines Eye-Tra-
cking-Systems die Blickverläufe aufgezeichnet. Es stellte sich dabei heraus, dass ca. 75
Prozent der Testpersonen den Banner nicht einmal kurzzeitig fixierten. Dieses Ergebnis
wurde auch auf Basis vorhandener Forschungsevidenz erwartet. Überraschend war
jedoch, dass sich bei einem darauffolgenden Produktauswahltest herausstellte, dass der
Banner die spontane Produktwahl beeinflusste, dies aber völlig unabhängig davon war,
ob man den Banner vorher bewusst oder unbewusst wahrgenommen hatte. Ohne
Blickaufzeichnungsgerät hätte man dieses Ergebnis nicht ermitteln können.
Abbildung 4.6: Website mit Banner (Happy-Day als Banner-Produkt) – rechts mit einzelnen Blickpfaden
(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der FH Oberösterreich, Prof. Auinger/Prof. Kindermann)
Eine weitere relevante Anwendung ist der Verpackungstest. Im Regal eines Lebensmit-
telgeschäfts muss ein Produkt wahrgenommen werden, damit es gekauft wird. Aus die-
sem Grund sollte die Verpackung so gestaltet sein, dass es im Mitbewerbsumfeld auch
gesehen wird. Dies kann ebenfalls mit einem Blickaufzeichnungsgerät getestet werden.
220
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4.5 Marktforschung
Somit zeigt sich, wie wichtig es für Unternehmen ist, ihre Kommunikationsmaßnahmen
auch einmal tatsächlich mit der „Kundenbrille“ zu betrachten. Eye-Tracking bietet dabei
vielfältige Möglichkeiten, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und Kontaktpunkte zwi-
schen Unternehmen und Kunden optimal zu gestalten.
Marktforscher aus dem Bereich Neuromarketing gehen noch einen Schritt weiter und bedie-
nen sich der Methoden der Gehirnforschung und medizinischen Diagnostik. Sie nutzen bei-
spielsweise die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) zur bildhaften Darstellung
von Gehirnaktivitäten oder die Elektroenzephalografie (EEG) zur Messung der elektrischen
Gehirnströme von Probanden. Auch Hautwiderstandsmessungen werden durchgeführt, um
die Stärke der psychischen Aktivierung eines Probanden zum Beispiel beim Betrachten eines
Werbespots oder eines Anzeigenmotivs zu messen.
So können unbewusst ablaufende Prozesse und emotionale Zustände erfasst werden, die sich
auf die Kaufentscheidung und Markenwahrnehmung auswirken, aber von Probanden nicht
formuliert werden können. Viele große Unternehmen arbeiten eng mit Marktforschungsun-
ternehmen zusammen, um über Neuromarketing zusätzliche Erkenntnisse darüber zu erlan-
gen, was in den Köpfen der Verbraucher vor sich geht.
eBay nutzt das Neuromarketing, um herauszufinden, was die stärksten positiven Assoziatio-
nen der Verbraucher bei der Verwendung des Online-Zahlungsservice PayPal sind. Die
Gehirnwellen-Forschung hat gezeigt, dass die schnelle Geschwindigkeit von Transaktionen
beim Verbraucher positivere Assoziationen hervorruft als Argumente über Schutz und
Sicherheit von PayPal, die eBay bei vorherigen Werbekampagnen hervorgehoben hat. Durch
diese Erkenntnisse konnte eBay die Kampagnen noch stärker auf die Bedürfnisse der Ver-
braucher ausrichten.
221
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4 Marktforschung
Ein weiteres Beispiel ist die Fachzeitschrift New Scientist. Die Redaktion ließ drei verschie-
dene Designs des Covers einer Ausgabe testen und konnte durch die Erkenntnisse des Neuro-
marketings zwölf Prozent mehr Zeitschriften gegenüber dem Vorjahr verkaufen.
Neuromarketing-Methoden sind durchaus geeignet, Verbraucherverhalten und emotionale
Reaktionen detailliert zu messen. Jedoch liegt die Schwierigkeit in der Interpretation der
Gehirnströme. So sollte Neuromarketing in der Regel in Kombination mit anderen For-
schungsansätzen verwendet werden, um ein vollständigeres Bild von dem, was in den Köp-
fen der Verbraucher vorgeht, zu gewinnen.
222
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4.5 Marktforschung
Die Interpretation ist eine wichtige Phase im Marketingprozess. Die beste Marktforschung wäre
sinnlos, wenn die Verantwortlichen falsche Schlussfolgerungen blind akzeptieren würden.
Ähnlich verhält es sich, wenn die Interpretationen des Marketingverantwortlichen verzerrt
sind, d.h. er akzeptiert Untersuchungsergebnisse, die seine Erwartungen bestätigen, und weist
solche zurück, die er entweder nicht erwartet oder nicht erhofft hat. Aus diesem Grund sollten
Marktforscher und Marketing-Manager eng zusammenarbeiten und gemeinsam die Verantwor-
tung tragen für den Marktforschungsprozess und die daraus abgeleiteten Ergebnisse.
Bevor man sich blind auf die Meinung von Experten verlässt, sollte man sich vor Augen
führen, wie stark ihre Vorhersagen von der Realität abweichen können.
Technologie
„Alles, was erfunden werden konnte, ist bereits erfunden worden.“ (Der Direktor des
US-Patentamtes 1899)
„Zugfahrten mit diesen hohen Geschwindigkeiten sind nicht möglich, weil die Rei-
senden nicht atmen können und sofort ersticken würden.“ (Dr. Dioysy Larder, briti-
scher Arzt, 1828 – in dem Jahr, als Stephensons „Rocket“ den Betrieb aufnahm)
„Kein großes Dampfschiff wird jemals den Atlantik überqueren können, weil es mehr
Kohle brauchen würde, als es transportieren kann.“ (Dr. Dioysy Larder 1859 – zwei
Jahre später überquerte der Dampfer „Great Eastern“ den Atlantik)
„Ein Flug mit Maschinen schwerer als Luft ist wahrscheinlich nicht möglich.“
(Simon Newcomb, amerikanischer Astronom, 1901 – 18 Monate später gelang den
Gebrüdern Wright der erste Flug mit einem motorgetriebenen Flugzeug)
„Flugzeuge sind hübsche Spielzeuge, aber ohne jede militärische Bedeutung.“ (Der
französische Marschall Foche 1911)
„Die Energie, die man aus einem Atom gewinnen könnte, ist zu vernachlässigen.
Jeder, der glaubt, dass man damit eine Energiequelle gefunden hätte, ist ein Träumer.“
(Ernest Rutherford, einer der ersten Atomphysiker nach der Entdeckung der Kern-
spaltung 1919)
„Meiner Schätzung nach beträgt der Weltmarkt für Computer etwa fünf Geräte.“ (J.
Watson, Chef der IBM im Jahr 1943)
„Bei einem Unterseeboot kann ich mir nichts anderes vorstellen, als dass die Mann-
schaft erstickt und das Boot zerbricht.“ (H. G. Wells, englischer Schriftsteller, 1902)
„Für etwa 1980 kann die Menschheit erwarten, dass die gesamte Energie (elektrische
Energie, Atomenergie und Solarenergie) nahezu kostenlos geliefert wird.“ (Henry
Luce, Gründer und Herausgeber der großen US-Zeitschriften Time, Life und Fortune
im Jahre 1956)
„Nachdem wir schon über 50 ausländische Automarken hier auf dem Markt haben,
wird sich die japanische Autoindustrie sicher keine große Scheibe mehr aus dem
Kuchen des US-Automarkts schneiden können.“ (So kommentierte die Wirtschafts-
zeitschrift Business Week das erste Auftreten japanischer Automobile auf dem US-
Markt 1958)
223
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4 Marktforschung
Unterhaltung
„Das Fernsehen wird sich auf keinem Markt länger als sechs Monate behaupten kön-
nen. Den Leuten wird es langweilig werden, jeden Abend in so eine kleine Holzkiste
zu starren.“ (Daryl F. Zanuck, Chef der Filmgesellschaft 20th Century Fox, 1946)
„Er ist ausgesprochen untalentiert und vulgär, was will man uns denn noch alles
anbieten!“ (John Crosby, amerikanischer Fernsehkritiker, über Elvis Presley, 1954)
„Wir mögen ihren Sound nicht. Gruppen mit Gitarre sind heutzutage einfach out.“
(Die Schallplattenfirma Decca, als sie die Beatles 1962 ablehnte. Auch andere dama-
lige Plattenfirmen lehnten die Beatles ab, bevor sie einen Vertrag mit EMI bekamen)
„Wenn die siebte Symphonie von Beethoven nicht irgendwie gekürzt wird, wird sie
bald nicht mehr gespielt werden.“ (Philip Hale, Musikkritiker im 19. Jahrhundert)
Customer-Relationship-Management
Das Gestalten von Kundenbeziehungen ist eine zentrale Aufgabe des Marketings. An dieser
Stelle bezieht sich das Customer-Relationship-Management (CRM) insbesondere auf das Dat-
enmanagement und somit auf die Erfassung und Nutzung von Kundendaten aus verschiede-
nen Quellen, um Kundenkontaktpunkte zu gestalten und Kundenbeziehungen aufzubauen.
Es ist sinnvoll, Informationen über sämtliche Kundenkontaktpunkte (Customer-Touchpoints)
zu erfassen. Dies sind beispielsweise Kaufhandlungen, Vertriebskontakte, Service- und Sup-
port-Anrufe, Websitebesuche, Zufriedenheitsumfragen, Zahlungsvorgänge und Markt-
forschungsstudien, also jeder Kontaktpunkt zwischen Kunden und Unternehmen.
Die Frage, wie man diese individuellen Kundendaten am besten analysiert und nutzt, stellt
Unternehmen vor gewisse Herausforderungen. Die meisten Unternehmen werden mit Infor-
mationen über ihre Kunden überflutet. Zudem sind diese Informationen in der Regel über
die gesamte Organisation verstreut und in separaten Datenbanken unterschiedlicher
Unternehmensbereiche abgelegt. Um die Informationen unternehmensweit zugänglich zu
machen, verfolgen heute immer mehr Unternehmen den Ansatz des Customer-Relationship-
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4.6 Analyse und internes Management von Informationen
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4 Marktforschung
226
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4.8 Marktforschung in kleinen und mittleren Unternehmen und Non-Profit-Organisationen
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4 Marktforschung
Hochschulen und bei berufsständischen Zusammenschlüssen wie zum Beispiel dem VDI
(Verein Deutscher Ingenieure, vdi.de) oder dem HDE (Handelsverband Deutschland, einzel-
handel.de) erhältlich. Eine Übersicht der deutschen Verbände findet man auf dem Informati-
onsportal „Deutsches Verbände Forum“ (verbaende.com). Statistiken und umfangreiche Pub-
likationen lassen sich außerdem über Destatis (Statistisches Bundesamt, destatis.de) und
Eurostat (ec.europa.eu) beziehen.
Auch kleinere Unternehmen und Non-Profit-Organisationen können somit erkenntnisreiche
Customer und Market Insights durch Beobachtungen oder informelle Umfragen gewinnen.
Außerdem können sie sich viele Informationen kostengünstig über das Internet beschaffen,
indem sie z.B. Webseiten von Konkurrenten oder Kunden besuchen oder über Suchmaschi-
nen zielgerichtet nach bestimmten Themen recherchieren. Das lässt sich auch durch kosten-
lose oder günstige Software automatisieren. Durch einen WebSite-Watcher lassen sich Websi-
tes von Wettbewerbern oder Kunden automatisch auf Updates und Änderungen (z.B. News,
Pressemitteilungen etc.) überprüfen. So können effizient Hunderte Websites im Auge behal-
ten werden, ohne diese ständig selbst zu überwachen.
Abbildung 4.8: Kleinere Unternehmen und Non-Profit-Organisationen können auf Websites recherchieren, Suchmaschinen
oder auch entsprechende Software einsetzen.
(Quelle: JohnnyGreig / shutterstock.com)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erhebung von Sekundärdaten und das Durch-
führen von Beobachtungen, Umfragen oder Experimenten auch für kleinere Organisationen
mit geringem Budget möglich sind. Doch auch wenn Komplexität und Kosten hier geringer
sind, müssen die Verantwortlichen sich im Vorfeld sorgfältig über Ziele, Forschungsfragen
und den Untersuchungsplan Gedanken machen und systematisch vorgehen.
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4.9 Internationale Marktforschung
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4 Marktforschung
nicht nur teuer, sondern birgt auch viele Fehlerquellen in sich. Selbst innerhalb eines Landes
kann die Sprache zum Problem werden. In Indien zum Beispiel ist Englisch zwar die
Geschäftssprache, aber die Menschen dort könnten eine der 14 Sprachen jeweils mit ver-
schiedenen Dialekten als „Erstsprache“ sprechen.
Die Übersetzung von Fragebögen ist nicht einfach. Feinheiten gehen verloren, weil viele Aus-
drucksweisen oder Redensarten in unterschiedlichen Kulturen abweichende Bedeutungen
haben. Ein dänischer Marktforscher empfiehlt einen Test, um sich dies zu veranschaulichen,
indem unterschiedliche Übersetzer den Fragebogen in die fremde Sprache und zurück in die
heimische Sprache übersetzen. Bei der dänisch-englisch-dänischen Übersetzung auf diese
Art sei beispielsweise aus der Redensart „Aus den Augen, aus dem Sinn“ („out of sight, out
of mind“) die Formulierung „Unsichtbare Dinge sind ungesund“ („invisible things are
insane“) geworden.
Die Rolle der Käufer und der Ablauf des Kaufentscheidungsprozesses sind von Land zu Land
sehr unterschiedlich. Auch die Einstellung gegenüber der Marktforschung mag variieren: In
einem Land kann große Bereitschaft bestehen, eine Frage zu beantworten, in einem anderen
könnte die Bevölkerung sehr verschlossen gegenüber derartigen Fragestellungen sein.
Wie sollte zum Beispiel eine Umfrage zu Hygiene und Kosmetik bei jungen Frauen in einem
orthodox islamischen Land durchgeführt werden? In anderen Ländern empfindet man Fra-
gen zu Shampoo und Deodorant als zu persönlich, um mit Fremden oder in der Öffentlich-
keit darüber zu sprechen. Aber selbst wenn eine Antwortbereitschaft besteht, sind z.B. Men-
schen auf Märkten mit einem hohen Anteil an Analphabeten oft einfach nicht in der Lage zu
antworten. Bevölkerungsgruppen, die sich selbst als Mittelklasse ansehen, machen bei Befra-
gungen oft falsche Angaben, um sich besser darzustellen. Bei einer Marktstudie in Indien
gaben beispielsweise 70 Prozent der Befragten mit mittlerem Einkommen an, bestimmte nati-
onale Teemarken zu konsumieren. Die Anbieter wussten, dass diese Zahl nicht richtig sein
konnte, lag doch ihr Marktanteil deutlich darunter, der überwiegende Teil des in Indien ver-
kauften Tees sind marken- und namenlose Produkte.
Trotz dieser Schwierigkeiten hat mit dem Wachstum des internationalen Handels auch die
internationale Marktforschung beträchtlich zugenommen. Global tätige Unternehmen haben
keine andere Wahl, als Marktforschung, soweit sie möglich ist, zu betreiben. Trotz hoher Kos-
ten und großer Anstrengungen werden offensichtliche Fehlentscheidungen und versäumte
Gelegenheiten als noch teurer als die aufwendige Marktforschung eingeschätzt. Mit zuneh-
mender Praxis und Erfahrung können die nunmehr erkannten Schwierigkeiten immer häufi-
ger vermieden oder überwunden werden.
230
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4.10 Marktforschung und Ethik
231
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4 Marktforschung
Bereits 1977 wurde als gemeinsamer Standard der Internationalen Handelskammer (ICC) und
ESOMAR der „ICC/ESOMAR Internationale Kodex für die Markt- und Sozialforschung“ ver-
öffentlicht (vgl. Exkurs ICC/ESOMAR: Internationaler Kodex für die Markt- und Sozialfor-
schung).
Die meisten großen Unternehmen (darunter Shell, Siemens, Deutsche Telekom, IBM und
Microsoft) haben einen Chief Privacy Officer (CPO), dessen Aufgabe es ist, die Privatsphäre
der Kunden zu schützen, die geschäftlich mit dem Unternehmen zu tun haben. IBMs CPO
weist darauf hin, dass ihre Arbeit „multidisziplinäres Denken und Verhalten“ erfordert. Sie
arbeitet mit sämtlichen Unternehmensbereichen zusammen, um Kundendaten zu schützen.
Letztendlich hängt es davon ab, ob es Marktforschern gelingt, einen tatsächlichen Mehrwert
für den Austausch von Informationen zu liefern. Erst dann werden Kunden diese auch
bereitwillig zur Verfügung stellen. Zum Beispiel haben die meisten Kunden von Amazon
nichts dagegen, wenn das Unternehmen die Daten ihrer gekauften Produkte analysiert, um
zukünftig relevante Produktempfehlungen abzugeben. Sie sparen dadurch Zeit und empfin-
den dies als nützlich für weitere Kaufentscheidungen. So lässt sich auch die Vielzahl der
freiwilligen Bewertungen und Rezensionen über bereits getätigte Kaufhandlungen erklären.
Selbst konkrete Fragen zu einzelnen Produkten werden von Kunden bereitwillig beantwor-
tet, was dazu führt, dass sich andere Kunden – selbst wenn sie nicht dort kaufen – auf dem
Portal informieren. Marktforscher erhalten dadurch eine aktive Rückmeldung zur Akzeptanz
der eigenen und der konkurrierenden Produkte und somit auch Anregungen für mögliches
Verbesserungspotenzial.
Grundsätzlich lässt sich zusammenfassen: Marktforscher sollten nur die für sie wirklich rele-
vanten Informationen erfragen, diese verantwortungsbewusst nutzen, um Kunden einen
Mehrwert zu liefern und keinerlei personenbezogene Daten ohne die Einwilligung der
Befragten weitergeben.
232
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4.10 Marktforschung und Ethik
dien, die von der Stoffwindel-Industrie bezahlt wurden, kommen zu dem Schluss, dass Stoff-
windeln umweltfreundlicher sind, während die anderen beiden Studien, bezahlt von der
Papierwindel-Industrie, genau das Gegenteil folgern. Trotzdem scheinen beide Studien ange-
sichts der zugrunde liegenden Annahmen korrekt zu sein.
Aufgrund der Tatsache, dass Umfragen auch missbraucht werden können, haben mehrere
Organisationen – darunter die European Society for Opinion and Market Research (ESO-
MAR), die European Marketing Association (EMAC), die Academy of Marketing, die Ameri-
can Marketing Association (AMA), die Marketing Research Association (MRA) und der
Council of American Survey Research Organizations (CASRO) – ethische Grundsätze, For-
schungsstandards und Verhaltensnormen entwickelt.
So beinhaltet der Verhaltenskodex „Code of Standards and Ethics for Survey Research“ des
CASRO unter anderem Hinweise zur Verantwortung der Forscher gegenüber Kunden, den
Probanden und der Öffentlichkeit und gibt entsprechende Richtlinien zur Gewährleistung
der Privatsphäre und Vertraulichkeit sowie zur Vermeidung von Belästigungen vor. Auch der
Kodex der ICC/ESOMAR (siehe Exkurs) erfordert die verbindliche Anerkennung und Einhal-
tung der Richtlinien als Grundvoraussetzung einer Mitgliedschaft.
Letztendlich lässt sich unethisches oder unangemessenes Verhalten durch die Vorgabe von
Verhaltensrichtlinien jedoch nicht ganz ausschließen. Jedes Unternehmen muss sich der
eigenen Verantwortung zur Überwachung bei der Durchführung von Marktforschungsstudien
und der Verarbeitung der Daten bewusst sein. Dies sollte nicht nur zum Schutz der Verbrau-
cher, sondern im ureigenen Interesse der forschenden Unternehmen erfolgen.
Die 1948 gegründete ESOMAR (European Society for Opinion and Marketing Research)
ist eine weltweite Vereinigung professioneller Markt- und Meinungsforscher. Dazu zäh-
len 4.900 Mitglieder in über 130 Ländern, die sich sowohl aus Anbietern als auch aus
Nachfragern von Marktforschung zusammensetzen. Die Mission der ESOMAR ist es, die
Markt- und Meinungsforschung weltweit zu fördern, um die Entscheidungsfindung in
Unternehmen und in der Gesellschaft zu verbessern.
Marktforschung ist in hohem Maß vom Vertrauen der Öffentlichkeit abhängig, d.h. dem
Vertrauen darauf, dass Marktforschung in redlicher und objektiver Art und Weise betrie-
ben wird und dass sie dem Befragten keine Nachteile bringt, sondern vielmehr auf des-
sen freiwilliger Mitarbeit basiert. Um diesen Kriterien gerecht zu werden, hat ESOMAR
einen professionellen Verhaltenskodex für die Praxis der Markt- und Sozialforschung
veröffentlicht. Dieser Kodex wurde in erster Linie als ein Rahmen für die Selbstregulie-
rung entwickelt. Er wird international von über hundert nationalen Verbänden der
Markt- und Sozialforschung anerkannt und wurde 1986, 1994 und zuletzt 2008 überar-
beitet und aktualisiert, um den neuen technologischen Entwicklungen sowie den Anfor-
derungen des Datenschutzes gerecht zu werden.
233
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4 Marktforschung
Der neue Kodex deckt alle Bereiche der Markt-, Meinungs- und Sozialforschung ab, von
persönlichen Interviews bis zu Onlinebefragungen. Zudem fordert er die klare Trennung
der Marktforschung von nicht forschenden Tätigkeiten und allen kommerziellen Tätig-
keiten, die auf Einzelpersonen abzielen (z.B. Werbung, Verkaufsförderung, Direktmarke-
ting, Direktverkauf usw.). Es werden klarere Standards gesetzt, die für mehr Verbrau-
cherschutz und Vertrauen sorgen sollen. Besonders wertvoll könnte der Kodex auch für
Schwellenländer sein, insbesondere dann, wenn bisher keine gesetzlichen Regelungen
zu Daten- oder Verbraucherschutz bestehen.
Als Voraussetzung für eine Mitgliedschaft bei ESOMAR muss eine Markt- oder Sozial-
forschung treibende Organisation bzw. Person diesen internationalen Kodex verbind-
lich anerkennen und sich zur Einhaltung der darin aufgestellten Regeln verpflichten.
Der erste Kodex dieser Art erschien 1948. 1976 kamen die Internationale Handelskam-
mer (ICC) und ESOMAR zu der Überzeugung, dass ein einheitlicher internationaler
Kodex sinnvoll wäre, und publizierten 1977 einen gemeinsamen ICC/ESOMAR-Kodex,
der mehrfach überarbeitet und aktualisiert wurde, um den Veränderungen des Marketin-
gumfelds und der Marktforschungspraxis gerecht zu werden. Die aktuelle vierte Auflage
aus dem Jahr 2008 beinhaltet Grundprinzipien und Richtlinien, nach denen sich die
Markt- und Sozialforschungstreibenden richten müssen.
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4.10 Marktforschung und Ethik
235
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4 Marktforschung
ZUSAMMENFASSUNG
236
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Zusammenfassung
237
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
4 Marktforschung
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Literatur und Quellen
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4 Marktforschung
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Das Kaufverhalten der
Konsumenten
ÜBERBLICK
5.4 Der Kaufentscheidungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... definieren, was ein Konsumentenmarkt ist, und ein einfaches Modell des Konsu-
mentenverhaltens skizzieren.
... zeigen, wie Kultur, Subkulturen und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen
Klasse/Schicht das Kaufverhalten beeinflussen können.
... beschreiben, wie Persönlichkeit und psychologische Faktoren die Kaufentschei-
dungen der Verbraucher beeinflussen können.
... erläutern, weshalb die Kaufentscheidungsfindung von der Art des Kaufs abhängt.
... die einzelnen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses und die daraus resultie-
rende Entscheidungsumsetzung erklären.
... den Adaptions- und Verbreitungsprozess neuer Produkte beschreiben.
5.1 Einführung
Wir haben nun erfahren, wie Marketer Informationen sammeln, analysieren und anwenden,
um Customer Insights zu gewinnen und Marketingprogramme zu entwickeln. In diesem
Kapitel werfen wir einen näheren Blick auf das wichtigste Element im Markt – die Kunden.
Ziel des Marketings ist es, Kunden einzubinden und sich zunutze zu machen, wie sie denken
und handeln. Um das Was, Wann und Wie des Konsumentenverhaltens zu beeinflussen,
müssen Marketingmanager zunächst das Warum verstehen. In diesem Kapitel betrachten wir
die Einflüsse und Prozesse des Kaufverhaltens von Endverbrauchern. Im nächsten Kapitel
analysieren wir dann das Kaufverhalten von Geschäftskunden. Wir werden sehen, dass das
Verstehen von Kaufverhalten eine ebenso bedeutende wie schwierige Aufgabe ist.
Um ein besseres Verständnis zu erlangen, wie wichtig es ist, das Konsumentenverhalten zu
verstehen, starten wir mit einer Fallstudie zur Automobilmarke Porsche und sehen uns die
Kaufentscheidungsprozesse von Porsche-Kunden genauer an.
Porsche ist ein einzigartiges Unternehmen. Es war schon immer eine Nischenmarke für
eine kleine und besondere Gruppe von Autokäufern. Im Jahr 2017 verkaufte Porsche
rund 155.000 Fahrzeuge weltweit und etwa 50.000 in Europa. In diesem Sinne sind Por-
sche-Besitzer ebenso selten wie ihre Fahrzeuge. Daher verbringen die Top-Manager bei
Porsche sehr viel Zeit damit, über ihre Kunden nachzudenken. Sie wollen wissen, wer
ihre Kunden sind, was sie denken und wie sie fühlen. Sie wollen wissen, warum diese
Kunden einen Porsche kaufen und nicht einen Jaguar, Ferrari oder ein großes Mercedes
Coupé. Dies sind die wichtigen Fragen – dabei kennen die Porsche-Fahrer selbst den
Grund für ihren Kauf nicht immer genau. Angesichts des geringen Volumens von Por-
sche und des zunehmend aufgeteilten Automobilmarkts ist es aber zwingend, dass die
Manager ihre Kunden und deren Antrieb verstehen.
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5.1 Einführung
Das Profil eines Porsche-Besitzers Das Unternehmen wurde 1931 von Ferdinand Por-
sche gegründet – jenem Mann, dem man den Entwurf des original VW Käfer, Adolf Hit-
lers „Volkswagen“, zuschreibt und der als einer der erfolgreichsten Autodesigner aller
Zeiten gilt. Über den Großteil der ersten zwei Jahrzehnte baute das Unternehmen VW
Käfer für die deutsche Bevölkerung sowie Panzer und Käfer für das Militär. Als die Por-
sche AG in den 1950er- und 1960er-Jahren mit dem Verkauf von Fahrzeugen unter der
eigenen Marke begann, entwickelten sich einige Konstanten. Die Firma verkaufte nur
wenige Modelle und schuf sich ein exklusives Image. Die frühen Modelle hatten eine
runde und kurvige Form, die auf dem Original-Käfer basiert, das Design entwickelte
sich mit den berühmten Modellen 356 und 911 jedoch zunehmend unverwechselbar für
Porsche. Schließlich bekamen die Fahrzeuge die typischen luftgekühlten Vier- und
Sechszylinder „Boxer“-Motoren (Zylinder in gegenüberliegender Anordnung) im Heck
des Wagens.
Von Beginn an reizt Porsche ein sehr kleines Segment finanzstarker Käufer. Es sind
erfolgreiche Menschen, die sich selbst als unternehmerisch bezeichnen, selbst wenn sie
als Angestellte tätig sind. Sie stecken sich selbst hohe Ziele und arbeiten ehrgeizig
daran, diese auch zu erreichen. Nicht weniger erwarten sie von der Kleidung, die sie tra-
gen, den Restaurants, in denen sie essen, oder den Autos, die sie fahren. Diese Men-
schen verstehen sich nicht als Teil der normalen Welt, sondern als deren Ausnahme. Sie
kaufen Porsche, da das Fahrzeug ihr eigenes Bild von sich widerspiegelt – es steht für
alles, was die Besitzer in sich selbst und ihrem Leben sehen. Die meisten von uns kau-
fen Fahrzeuge, die Porsche-Manager als Alltagsfahrzeuge bezeichnen. Also Wagen, mit
denen wir zur Arbeit fahren, die Kinder chauffieren und Einkäufe erledigen. Weil wir
die Autos zur Erfüllung dieser täglichen Pflichten benötigen, gründen unsere Kaufent-
scheidungen auf Merkmalen wie Preis, Größe, Sparsamkeit im Spritverbrauch und
anderen praktischen Überlegungen. Porsche aber ist mehr als ein Alltagsfahrzeug.
243
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Die Besitzer wollen es genießen, nicht nutzen. Die meisten Porsche-Kunden interessie-
ren sich nicht für reine Daten, sondern für Emotionen. Ein Porsche ist wie ein Klei-
dungsstück, das der Besitzer trägt und mit dem er gesehen wird. Porsche-Fahrer entwi-
ckeln eine persönliche Beziehung zu ihrem Auto, die mehr von Klang, Vibration und
Fahrgefühl geprägt ist als von der Anzahl der Becherhalter oder der Nutzlast. Sie
bewundern ihren Porsche als Kraftfahrzeug, das ohne Prunk und Protz eine große Leis-
tung bringt.
Menschen kaufen Porsche, weil sie gern fahren. Bräuchten sie nur ein Fahrzeug, das sie
von A nach B bringt, könnten sie ohne Weiteres preiswertere Modelle erwerben.
Von der Nische zur Masse In den ersten zwei Jahrzehnten lebte die Porsche AG nach
der Philosophie von Ferdinand Porsches Sohn Ferry. Dieser schuf den Porsche 356, weil
niemand sonst ein Auto nach seinen Vorstellungen baute. „Es gab keine Marktfor-
schung, wir hatten keine Verkaufsprognosen, keine Berechnungen für Investitionsge-
winne. Nichts. Ich habe einfach mein Traumauto gebaut und stellte mir vor, dass auch
andere Menschen meinen Traum teilten.“ So war die Porsche AG von Anfang an ziem-
lich genau wie seine Kunden: Ein Macher, der nur das Allerbeste erreichen will. Doch
im Laufe der Jahre wurde das Management von Porsche mit einem bedeutenden Prob-
lem konfrontiert: Gab es auch genug Käufer, um die Firma am Leben zu halten? Sicher
hatte das Unternehmen nie die Illusion, die Verkaufszahlen von Peugeot oder BMW
anzupeilen. Um Innovationen zu finanzieren, muss aber sogar ein Nischenhersteller
etwas wachsen. Und Porsche begann sich zu sorgen, dass die Eigenwilligkeit der Por-
sche-Fahrer eines Tages ein Auslaufmodell werden könnte.
Deshalb entwickelte Porsche seine Marke über den Tellerrand hinaus. Anfang der
1970er-Jahre führte Porsche den 914er ein, einen kastigen, mittelmotorigen Zweisitzer,
der weit weniger kostete als der 911er. Damit konnte sich nun auch eine andere Kund-
schaft einen Porsche leisten. Wenig überraschend wurde der 914er zu Porsches bestver-
kauftem Modell. Bis Ende der 1970er-Jahre ersetzte Porsche den 914er durch ein Coupé
mit Schrägheck, das mit etwas aufwartete, das kein anderes reguläres Porsche-Modell je
besessen hatte: einen vorne eingebauten Motor. Für weniger als 16.000 Euro und damit
über 8.000 Euro günstiger als der 911er wurden die 924er- und später die 944er-Modelle
wieder einmal zu Porsches Symbolen für Bezahlbarkeit. Mit 60.000 Fahrzeugen pro Jahr
übertraf Porsche das eigene Verkaufsziel um fast 50 Prozent.
Obwohl diese Fahrzeuge in vielerlei Hinsicht als Verkaufsschlager gelten, waren treue
Porsche-Fahrer empört. Für sie waren diese Einstiegsmodelle viel zu billig und nicht leis-
tungsstark genug. Die meisten loyalen Porsche-Käufer erkannten diese Modelle nie als
„richtige“ Porsche an. Tatsächlich waren viele nicht sehr glücklich damit, ihre Marke nun
mit Kunden teilen zu müssen, die dem Profil des Porsche-Fahrers gar nicht entsprachen.
Sie störten sich an einer Unternehmensstrategie, die sich ihrer Ansicht nach nun auf das
Marketingkonzept „Masse statt Klasse“ konzentrierte. Dieses befleckte Image wurde noch
von der Tatsache verstärkt, dass Nissan, Toyota, BMW und andere Hersteller ihr Angebot
an hochklassigen Sportwagen ausgebaut und damit einen harten Wettbewerb geschaffen
hatten. In der Tat waren der Datsun 280-ZX und der Toyota Supra nicht nur preiswerter
als der Porsche 944er, sie waren auch schneller. Die schwächelnde Wirtschaft streute Por-
sche noch mehr Sand ins Getriebe. Bis zum Jahr 1990 waren die Absatzzahlen von Por-
sche abgestürzt und das Unternehmen stand kurz vor der Insolvenz.
244
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5.1 Einführung
Zurück zu den Wurzeln? Doch Porsche hatte nicht vor, kampflos unterzugehen. Es
erkannte die Fehler der bisherigen Vorgehensweise rasch und stoppte die Produktion
der Einstiegsmodelle. Das ramponierte Image wurde aufpoliert, indem man sich wieder
auf die Luxus-Sparte und sportlichere Technologien konzentrierte. Um das gute Verhält-
nis zu seinen Kunden wiederherzustellen, zielte Porsche bei Preis und Leistung seiner
Modelle wieder auf das obere Ende der Skala. Das Unternehmen setzte sich bescheidene
Verkaufsziele und entschied, dass ein moderates Wachstum mit höheren Spannen auf
lange Sicht profitabler wäre. Es sollte genau ein Porsche weniger gebaut als nachgefragt
werden. Wie ein Manager ausdrückte: „Wir schauen nicht auf die Menge, wir wollen
Exklusivität.“ Porsches Bemühungen hatten die gewünschte Wirkung. Bis Ende der
1990er-Jahre war die Marke wieder der Liebling jener Käuferschicht, die das Auto über
Jahrzehnte hinweg so geschätzt hatte. Die Fahrzeuge galten wieder als exklusiv, das
Unternehmen lag wieder in der Gewinnzone. Doch schon Anfang der 2000er-Jahre
stellte sich Porsche erneut die vertraute Frage: Genügte es, nur auf die treuen Porsche-
Fahrer zu setzen, um die langfristige Existenz zu sichern? Laut dem damaligen Vor-
standsvorsitzenden Wendelin Wiedeking konnte „Porsche sich eben nicht auf das unbe-
ständigste Marktsegment verlassen, um die Unabhängigkeit zu wahren. Wir wollen
nicht irgendwann zur Marketingabteilung eines Großherstellers werden. Wir müssen
eine ausreichende Profitabilität gewährleisten, damit wir unsere künftigen Entwicklun-
gen selbst finanzieren können.“
Also tat Porsche im Jahr 2002 das Undenkbare. Als einer der letzten Autohersteller
betrat es den unersättlichen SUV-Markt. Mit rund 2,5 Tonnen war der Porsche Cayenne
schwerer als jedes andere je von Porsche gebaute Modell, mit Ausnahme einiger Panzer-
Prototypen während des Zweiten Weltkriegs. Auch bei diesen neuen Modellen befand
sich der Motor vorn. Und als erster Porsche war der Cayenne mit fünf Sitzgurten ausge-
stattet. Als sich die Neuigkeit über die Entwicklung dieses Fahrzeugs verbreitete,
konnte man die treuen Käufer der Marke bereits aufstöhnen hören.
Doch dieses Mal befürchtete Porsche offenbar nicht, seine loyalen Kunden zu verschre-
cken. Hatte das Unternehmen etwa schon vergessen, was beim letzten Mal passiert war,
als man sich vom Gewohnten abwandte? Scheinbar nicht. Nachdem einer der ersten
Cayennes vom Band gerollt war, notierte ein Journalist: „Ein Tag hinter dem Steuer
eines Cayenne Turbo mit 444 PS hinterlässt zwei gewaltige Eindrücke. Erstens verhält
und fährt sich der Cayenne nicht wie ein SUV, zweitens fährt er sich wie ein Porsche.“
Dies war kein Einstiegsmodell. Porsche hatte ein zweieinhalb Tonnen schweres Tier
entwickelt, das in etwas über fünf Sekunden von null auf hundert beschleunigte, wie
auf Schienen in die Kurven fuhr und in der Spitze rund 265 km/h erreichte. Dabei bot es
fünf Erwachsenen jeden Komfort in den prächtigen Ledersitzen, ohne dass auch nur die
Windgeräusche von außen nach innen drangen. Zur Krönung des Ganzen konnte es der
Cayenne außerhalb asphaltierter Wege auch noch mit einem Land Rover aufnehmen.
245
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Porsche hat den Porsche unter den SUVs gebaut Doch Porsche erhöhte den Einsatz
noch einmal und enthüllte Pläne für ein weiteres Großfahrzeug. Doch dieses Mal han-
delte es sich um eine tief liegende, fünftürige Luxuslimousine. Wieder ungläubiges
Staunen bei den treuen Porsche-Kunden und der Presse. Doch sobald der Panamera auf
den Straßen rollte, bewies Porsche einmal mehr, dass die loyale Kundschaft nicht zu
kurz kam. Fast so groß wie der Cayenne kann der Panamera bei einer Spitzengeschwin-
digkeit von gut 300 km/h vier Erwachsene transportieren und von null auf hundert in
3,6 Sekunden beschleunigen. Obwohl einige Porsche-Traditionalisten niemals in einen
Porsche mit Frontmotor und mehr als zwei Türen einsteigen würden, bleibt Porsche
dabei, dass zwei Trends diese neuen Modelle nachhaltig machen werden. Erstens hat
ein Teil der Porsche-Fahrer mittlerweile eine neue Lebensphase erreicht, in der sie
unweigerlich andere Bedürfnisse haben – mehr Personen müssen befördert, mehr Dinge
transportiert werden. Dies betrifft nicht nur bestimmte regelmäßige Porsche-Käufer, son-
dern auch neue Kunden, die früher nie die Räume eines Porsche-Händlers betreten hät-
ten. Der Unterschied ist nur, dass die Preisschilder dieses Mal nur die wohlhabenden
Interessenten anlocken und Porsche seine Exklusivität bewahrt. Diese Käufer entspre-
chen auch scheinbar dem Profil der typischen Porsche-Fahrer.
Der zweite Trend liegt im Wachstum der Schwellenländer. Während Europa als Binnen-
markt gilt und die USA lange Zeit der weltweit größte Abnehmer für Porsche waren,
geht das Unternehmen nunmehr davon aus, dass sich China kurzfristig zum größten
Auftraggeber entwickeln wird. Vor zwanzig Jahren machten die USA etwa 50 Prozent
des weltweiten Absatzes von Porsche aus, mittlerweile sind es weniger als 25 Prozent.
In China beschäftigen viele Kunden, die sich ein teures Fahrzeug wie einen Porsche
leisten können, auch einen Chauffeur. Der Cayenne und der Panamera sind bestens
geeignet für Menschen, die sich stilvoll fortbewegen möchten, aber auch spontane
Kurzurlaube einlegen wollen.
Unter dem letzten wirtschaftlichen Abschwung hatten die Absätze fast jedes Herstellers
von hochwertigen Fahrzeugen gelitten. Sind die Zeiten schlecht, gehört der Kauf eines teu-
ren Autos wie Porsche zu den Anschaffungen, die man am längsten aufschiebt. Doch mit
dem erneuten wirtschaftlichen Aufschwung gelingt es Porsche besser denn je, die Bedürf-
nisse seiner Kunden zu befriedigen. Auch ist Porsche heute mehr als je zuvor in der Lage,
sein Markenimage bei den treuen Fahrern und auch neuen Kunden zu pflegen. Porsche-
Kunden zu verstehen, ist noch immer eine schwierige Aufgabe. Doch ein ehemaliger Por-
sche-Manager fasste es so zusammen: „Wenn man seine Kunden wirklich verstehen will,
muss man folgenden Satz verstehen: Wenn ich ein Auto wäre, wäre ich ein Porsche.“
Fragen
1. Analysieren Sie den Kaufentscheidungsprozess eines traditionellen Porsche-Kun-
den.
2. Vergleichen Sie den Kaufentscheidungsprozess traditioneller Porsche-Kunden mit
dem der Käufer von Cayenne oder Panamera.
3. Erläutern Sie, wie sich sowohl eine positive als auch eine negative Einstellung zu
einer Marke wie Porsche entwickelt. Wie kann Porsche die Einstellung von Ver-
brauchern gegenüber der Marke verändern?
4. Welche Rolle spielt die Marke Porsche bei der Selbsteinschätzung der Käufer?
246
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5.2 Modell des Konsumentenverhaltens
Der Erfolg von Porsche zeigt, dass das Konsumentenverhalten viele unerwartete Dimensio-
nen aufweist. Da das menschliche Denken äußerst vielschichtig ist, überrascht es nicht, dass
das Verhalten der Menschen als Konsumenten und Käufer nicht einfach ist. Doch gerade das
Aufdecken der komplexen Struktur des Konsumentenverhaltens ist zentrale Aufgabe des
Marketing-Managements. Ziel des Marketings ist letztendlich Konsum, daher muss das Mar-
keting-Management beim Verstehen des Kunden und seiner Denkprozesse ansetzen.
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Kaufverhalten und dem Konsumentenmarkt. Der
Begriff Konsumentenverhalten bezieht sich auf das Kaufverhalten der Endverbraucher – Ein-
zelpersonen und Haushalte, die Güter und Dienstleistungen zum persönlichen Gebrauch kau-
fen. Die Gesamtheit dieser Endverbraucher bildet den Konsumentenmarkt. In Europa besteht
dieser Markt aus mehr als 500 Millionen Menschen, die jährlich Waren und Dienstleistungen
im Wert von über 8.000 Milliarden Euro konsumieren, was den europäischen Markt zu einem
der attraktivsten Konsumentenmärkte macht. Weltweit besteht dieser aus fast sieben Milliar-
den Menschen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die in Nordamerika, Westeuropa und Japan
lebende Bevölkerung von etwa einer Milliarde Menschen über 70 Prozent der Kaufkraft ver-
fügt. Seit einigen Jahren gewinnen allerdings wohlhabende Schichten in den BRIC-Staaten
schnell an Kaufkraft und Bedeutung für das Marketing. Doch auch innerhalb dieser wohlha-
benden Konsumentenmärkte existieren große Unterschiede bezüglich Alter, Einkommen, Bil-
dungsniveau und Geschmack. Wie die unterschiedlichen Konsumenten ihre Wahl zwischen
den verschiedenen Produkten, Dienstleistungen oder Unternehmen treffen, ist ein komplizier-
tes Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren. Im Folgenden wird genauer beleuchtet, wie
sich diese auf das Konsumentenverhalten auswirken oder es beeinflussen.
247
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Die dem Marketing zur Verfügung stehenden Stimuli lassen sich den Bereichen Produkt,
Preis, Distribution und Kommunikation zuordnen.
Das nachfolgende Highlight beleuchtet am Beispiel von Heimtierfutter, wie ein Verkaufsförde-
rungsprogramm als Kommunikationsmaßnahme den Erfolg eines Produkts beeinflussen kann.
Portugals Markt für Heimtierfutter mit einem Volumen von 350 Millionen Euro pro Jahr
hat durch jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich 22 Prozent 60 Marken entste-
hen lassen. Mars Portugal (vormals Effem, dann Masterfoods), zu dessen Marken Sheba,
Whiskas und Pedigree Pal gehören, hat insgesamt einen Marktanteil von mehr als 50
Prozent. Trotzdem sind nicht alle Marken des Unternehmens gut positioniert.
Mars hat dabei eine wichtige Rolle bei der Marktentwicklung gespielt. Ein großer Teil
des Unternehmenserfolgs rührt daher, dass man das Verhalten der Tierhalter und der
Tiere gleichermaßen zu verstehen versuchte. So weiß man, dass Katzen wählerische
Tiere sind. Sie fressen nur, was sie mögen, was ihnen nicht schmeckt, lassen sie einfach
stehen. Wenn man einer Katze ein Futter vorsetzt, das sie nicht mag, wird sie nach
Alternativen suchen. Ganz anders Hunde: Ein hungriger Hund frisst fast alles und er
wird es schnell fressen. Bei Katzenfutter liegt das Hauptaugenmerk auf Genuss und
Abwechslung, wohingegen es bei Hunden wichtig ist, dass sie schnell, viel und mit
wenig Anstrengung fressen können.
248
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5.2 Modell des Konsumentenverhaltens
Weitere Stimuli sind bedeutende Ereignisse im Umfeld des Käufers, z.B. in den Bereichen
Wirtschaft, Technologie, Politik und Kultur. Alle diese Anreize gehen in die „Black Box“ des
Käufers ein, wo sie in beobachtbare und messbare Käuferreaktionen umgesetzt werden:
Wahl eines Produkts
Wahl einer Marke
249
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Kulturelle Faktoren
Soziale Faktoren
Persönliche
Kultur Faktoren
Gruppen Psychologische
Alter und Faktoren
Lebensphase
Familie Beruf Motivation
Subkulturen Wahrnehmung Käufer
Finanzielle
Situation Lernen
Rollen und Lebensstil Überzeugungen
Status Persönlichkeit und Einstellungen
Soziale Schicht
und Selbstbild
Kultur
Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur ist das grundlegende Motiv für die Wünsche
und das Verhalten einer Person. Menschliches Verhalten ist überwiegend erlernt. Wenn ein
Kind in einer Gesellschaft aufwächst, lernt es von der Familie und anderen wichtigen Institu-
tionen Grundwerte, Wahrnehmungen, Bedürfnisse und Verhalten. Ein Kind in westlichen
Kulturen lernt bestimmte Wertvorstellungen über Leistung, Erfolg und Engagement, Effizienz
und Durchführbarkeit, Fortschritt, materiellen Reichtum, Individualismus, Freiheit, Mensch-
250
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
lichkeit, Jugendlichkeit, Fitness und Gesundheit. Manchmal nehmen wir diese Wertvorstel-
lungen als selbstverständlich an, aber sie gelten nicht unbedingt in allen Kulturen.
Marketingfachleute versuchen immer, kulturelle Änderungen auszumachen, damit sie neue
Produkte erschaffen können, welche in der neuen Situation gebraucht werden. Ein solcher kul-
tureller Wandel ist beispielsweise der Trend zu Gesundheit und Fitness. Dieser hat eine Indus-
trie hervorgebracht, die Sportausrüstung und -bekleidung, gesünderes und natürlicheres Essen
und Gesundheits- und Fitnessdienstleistungen bietet. Genauere Untersuchungen dieses Wan-
dels belegen die Komplexität des Konsumentenverhaltens und zeigen die Unterschiede im
internationalen Vergleich. Der Wandel zu mehr Freizeit hat zu einer höheren Nachfrage im
Bereich von Convenience-Produkten und Dienstleistungen geführt, z.B. Mikrowellengeräte
und Fast-Food-Restaurants. Weltweit wird immer mehr auf eine gesündere Ernährung geachtet.
Gleichzeitig wird jedoch immer weniger Zeit zum Kochen aufgewendet. Während der letzten
20 Jahre ist die durchschnittliche Dauer zur Zubereitung einer Mahlzeit von einer Stunde auf
20 Minuten zurückgegangen. Viele Verbraucher äußern Vorbehalte gegenüber Nahrungsmittel-
zusätzen und gentechnisch veränderten Produkten, dennoch finden Lebensmittel, die zum Bei-
spiel gezielt fettarm sind oder den Cholesterinspiegel senken, breite Akzeptanz.
Sozialversicherungspflichtig beschäftigte
Personen
ausländische Arbeitnehmer in Deutschland
Ausländische Arbeitnehmer insg. (Juni 2016) 3.133.874 (entspricht 10,0% aller Beschäftigten)
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.), „Arbeitsmarkt für Ausländer Juni 2018“, unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/
Statistikdaten/Detail/201807/analyse/analyse-d-arbeitsmarkt-auslaender/analyse-d-arbeitsmarkt-auslaender-d-0-201807-
pdf.pdf [17.12.2018].
Subkulturen
Jede Kultur enthält kleinere Subkulturen oder Gruppen von Menschen, welche ein auf gemein-
samen Lebenserfahrungen und -situationen basierendes Wertesystem teilen. Subkulturen sind
z.B. unterschiedliche Nationalitäten, Religionen, ethnische Gruppen oder geografische Regio-
nen. Viele Subkulturen stellen wichtige Marktsegmente dar und Unternehmen entwerfen häu-
fig maßgeschneiderte Produkte und Marketingmaßnahmen für die Bedürfnisse dieser Gruppen.
Innerhalb von Europa existiert eine Vielzahl von Subkulturen – von Mitgliedern der Cyber-
goth-Szene über Bodybuilder und Motorradfahrer bis zu fundamentalen Christen.
251
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Abbildung 5.4: Mehr als 50 Prozent der Deutschen sind einer Studie zufolge Gamer.
(Quelle: Steve Shott (Foto), Pearson Education Ltd. (mit freundlicher Genehmigung))
Eine weitere Subkultur: das Marktsegment „55+“ Aufgrund der älter werdenden Gesell-
schaft werden die reifen Konsumenten zu einer immer attraktiveren Zielgruppe. Seit 2015
252
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
sind die geburtenstarken Jahrgänge über 50, sodass die 50- bis 75-Jährigen 40 Prozent der
erwachsenen Konsumenten ausmachen. 2030 werden die über 65-Jährigen bereits einen
Anteil von 20 Prozent der Bevölkerung einnehmen. Während 1960 in den meisten europäi-
schen Ländern auf jede Person über 65 noch drei Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren kamen,
wird 2060 nur noch ein Kind zwei über 65-Jährigen gegenüberstehen.
In allen Industriestaaten nimmt der Anteil der Senioren zu. Das Segment 50+ ist inzwischen
für fast 50 Prozent aller Ausgaben der Privathaushalte verantwortlich, mehr als bei jeder vor-
herigen Generation. Diese Gruppe hat zweieinhalb Mal so viel verfügbare Mittel wie die 18-
bis 34-Jährigen.
Trotz finanzieller Rückschläge, die aus Wirtschaftskrisen resultierten, stellen die über 55-Jäh-
rigen eine wichtige Gruppe für das Marketing dar, da viele von ihnen über ausreichend Ein-
kommen verfügen und sie Zeit für Konsum, Reisen und Freizeitaktivitäten haben. Sie sind
somit ideale Kunden für exotische Reisen, Restaurants, Hightech-Geräte für den Haushalt,
Freizeitprodukte und -dienstleistungen, Designermöbel und -kleidung, Finanz- und Gesund-
heitsdienstleistungen.
Jahrzehntelang haben Marketingfachleute diese Generation als arm und verbittert betrachtet
und nicht bereit, Marken zu wechseln. Ein Problem liegt darin, dass Markenmanager und
Werbetexter zunehmend jünger werden. „Beauftragen Sie eine Werbung für die Generation
50 plus“, beklagt ein Werbe-Experte, „und Sie bekommen einen grauhaarigen Senior am
Strand in Begleitung eines alternden Golden Retrievers.“
Reife Konsumenten sind jedoch alles andere als engstirnig. Eine Studie fand heraus, dass
diese Generation eher dazu bereit ist als jüngere Menschen, technische Produkte wie Stereo-
anlagen, Computer oder Handys zu vergleichen und Marken zu wechseln. So wurden 25 Pro-
zent der Apple iPhones, die als cool und supermodern gelten, von Leuten über 50 gekauft.
Der Wunsch der Älteren, so jung auszusehen wie sie sich fühlen, macht sie zunehmend auch
zu Abnehmern von Kosmetika, Körperpflegeprodukten, Bio-Nahrungsmitteln, Fitness- und
anderen Produkten, die die Zeichen des Alterns bekämpfen. Der Appell an die aktive und
vielseitige Lebensweise der Zielgruppe ist hier die erfolgreichste Werbestrategie. Kellogg sen-
dete einen Fernsehspot, in dem Menschen im Alter von 53 bis 81 gezeigt wurden, die Eisho-
ckey spielten, Wasserski fuhren, einen Hürdenlauf absolvierten und Baseball spielten. Dazu
wurde als Hintergrundmusik „Wild Thing“ von den Troggs eingespielt. Ein Werbespot eines
Dienstleisters im Gesundheitsbereich zeigt einen Rentner, der sich nach seinem Rückzug aus
der Anwaltstätigkeit seinen Lebenstraum erfüllt und Archäologe wird. Die reiferen Konsu-
menten bilden auch eine attraktive Zielgruppe für Reiseagenturen und Urlaubsanbieter, ins-
besondere weil sie längere und teurere Reisen buchen als junge Menschen.
Soziale Schicht
Nahezu jede Gesellschaft hat eine Art Klassenstruktur. Soziale Klassen oder Schichten sind
zeitlich relativ stabile Teile einer Gesellschaft, deren jeweilige Mitglieder ähnliche Werte,
Interessen und Verhaltensweisen haben. Eine Einteilung der Gesellschaft in sieben Klassen –
in Anlehnung an die Verhältnisse in Großbritannien – ist weitgehend akzeptiert, obwohl die
meisten Staaten ihre eigenen Strukturen aufweisen.
253
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Beschäftigung des
Sozialer Status Beschreibung Anteil
Haushaltsvorstandes
Soziale Klassen werden nicht nur über ein einziges Merkmal, zum Beispiel das Einkommen,
festgelegt, sondern als eine Kombination verschiedener Kriterien wie Beruf, Einkommen,
Ausbildung, Vermögen und weiterer Variablen angesehen.
In einigen sozialen Systemen sind unterschiedlichen Klassen spezielle Rollen zugeteilt und
ein Übergang von einer zu einer anderen Klasse ist kaum möglich. In Europa jedoch sind die
Grenzen zwischen den einzelnen Schichten offen, d.h., die Menschen können in eine höhere
soziale Schicht auf- oder auch in eine tiefere absteigen.
Nicht nur die Klassensysteme an sich unterscheiden sich in den verschiedenen Gesellschaf-
ten der Welt, auch der Anteil der jeweiligen Schichten variiert je nach Wohlstand des Lan-
des. Eine karoförmige Struktur (wenige Menschen ganz oben und ganz unten und viele Men-
schen in der Mitte) ist für die meisten Industriestaaten typisch. In weniger entwickelten
Ländern Lateinamerikas und Afrikas ist die Struktur pyramidenförmig, wobei ganz unten
eine breite Masse ärmerer Bevölkerungsteile steht. Wenn sich Länder weiterentwickeln, neh-
men sie zunehmend die karoförmige Struktur an, obwohl es in letzter Zeit Anzeichen dafür
gibt, dass sich der Abstand zwischen Arm und Reich in den Englisch sprechenden Staaten
vergrößert.
254
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
Geschlecht
Alter
Geburtsland
Demografische Variablen Staatsangehörigkeit (zur Zeit der Datenerfassung)
Offizieller Ehe- und Familienstand
Tatsächlicher Ehe- und Familienstand/Partnerschaftsverhältnis
Größe und Zusammensetzung des Haushalts
Wohnort
Geografische Variablen Region
Grad der Urbanisierung
Erwerbsstatus (selbst angegeben)
Stellung im Beruf
Ausgeübte Tätigkeit
Sozioökonomische Variablen Ökonomischer Sektor der ausgeübten Tätigkeit
Höchster Schulabschluss
Monatliches Nettoeinkommen des Haushalts
Tabelle 5.2: Europäische Standardkriterien für sozioökonomische Analysen
Marketingfachleute interessieren sich für die Klassensysteme, weil die Menschen innerhalb
einer sozialen Schicht zu einem ähnlichen Kaufverhalten tendieren. Dies zeigt sich deutlich
bei Produkt- und Markenpräferenzen in den Bereichen Kleidung, Inneneinrichtung, Frei-
zeitaktivitäten und Autos.
Bestimmte Klassensysteme haben größeren Einfluss auf das Kaufverhalten als andere. In den
westlichen Industriestaaten gibt es das Phänomen der „Aufwärts-Mobilität“. Das bedeutet,
dass die „unteren Klassen“ in ihrem Kaufverhalten den höheren Schichten nacheifern. In
anderen Kulturen ist das Kaufverhalten stärker an die soziale Klasse gebunden, z.B. in
Gesellschaften mit einem Kastensystem, wo die Rollen streng verteilt sind. Meist weisen die
Oberklassen unterschiedlicher Gesellschaften untereinander mehr Ähnlichkeiten auf als
zum Rest ihrer eigenen Gesellschaft. Wenn sie bezüglich Produkten und Dienstleistungen,
darunter Nahrung, Kleidung, Haushaltsgüter oder Körperpflegeprodukte, eine Wahl treffen,
sind ihre Entscheidungen weniger kulturgebunden als in den unteren Schichten. Diese Ten-
denz erklärt den weltweiten Erfolg von Luxusgüterherstellern wie Burberry, Tag Heuer oder
Mont Blanc. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die unteren Schichten stärker an die Kul-
tur gebunden sind. Für die jungen Menschen aller Klassen gilt das nicht unbedingt, was
anhand globaler Jugendmarken wie Adidas, Coca-Cola und Swatch zu erkennen ist.
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Öffentliche Private
notwendige Güter notwendige Güter
schwach Armbanduhr Matratze
Auto Lampen
Kleidung Kühlschrank
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
Wenn jemand ein öffentlich sichtbares Luxusgut wie zum Beispiel eine Yacht kaufen will,
wird er im Allgemeinen stark durch andere beeinflusst. Viele werden den Kauf einer Yacht
bemerken, denn nur wenige besitzen eine und der Besitz einer Yacht fällt auf. Wer sich aus-
kennt, wird den Hersteller der Yacht erkennen, denn diese wird öffentlich sichtbar benutzt.
In diesem Falle sind daher sowohl das Produkt selbst als auch die Marke unübersehbar und
die Meinung anderer kann sehr stark Entscheidungen darüber beeinflussen, ob man über-
haupt eine Yacht besitzen und welche Marke man kaufen sollte. Das andere Extrem bilden
die Güter und Dienstleistungen, die ein Außenstehender nicht bemerkt und bei deren Kauf es
keinen Gruppendruck gibt.
Einfluss von „Word-of-mouth“ und „Buzz Marketing“ Der Einfluss von Mundpropaganda
spielt eine wichtige Rolle beim Konsumverhalten. Persönliche Ratschläge und Weiteremp-
fehlungen vertrauter Freunde, Kollegen und anderer Konsumenten sind glaubwürdiger als
diejenigen aus kommerziellen Quellen, wie Werbung oder durch Verkäufer. Dieser Einfluss
geschieht meist unbewusst, zum Beispiel, wenn sich Konsumenten über Marken unterhalten
oder informieren. Anstatt es dem Schicksal zu überlassen, können Marketingfachleute es
jedoch auch bewusst steuern, ihre Marken ins Gespräch zu bringen.
Hersteller von Produkten, die starken Gruppeneinflüssen unterliegen, sollten herausfinden,
wie sie die Meinungsführer erreichen können. Meinungsführer sind Personen innerhalb
einer Referenzgruppe, die aufgrund besonderer Fähigkeiten, ihres Wissens, ihrer Persönlich-
keit oder anderer Eigenschaften einen besonders starken Einfluss auf die anderen Gruppen-
mitglieder ausüben. Wenn sie reden, hören die Konsumenten zu. Daher versucht das Marke-
ting-Management, Meinungsführer für seine Produkte zu identifizieren und seine
Marketingleistungen auf sie auszurichten. Zum Beispiel breiten sich die angesagtesten
Trends in den Bereichen Musik, Mode und Jugendsprache meist von den Großstädten in die
umliegenden ländlichen Gegenden aus. Aus diesem Grund untersuchen Bekleidungsunter-
nehmen, die eine jugendliche, modebewusste Zielgruppe ansprechen wollen, gezielt das Ver-
halten und den Stil der städtischen Meinungsführer.
Buzz Marketing bedeutet das Anwerben oder Erfinden neuer Meinungsführer, damit diese
als Markenbotschafter die Bekanntheit und Beliebtheit von Produkten erhöhen. Viele Unter-
nehmen schaffen inzwischen Programme für Markenbotschafter und versuchen, aus einfluss-
reichen, aber alltäglichen Konsumenten „Marken-Evangelisten“ zu machen. Eine Studie fand
heraus, dass solche Programme die Wirksamkeit des „Word-of-mouth-Marketing“ um mehr
als 50 Prozent steigern können. So hat die Marke Procter & Gamble beispielsweise mit
„Vocalpoint“ eine aus 500.000 Müttern bestehende „Word-of-mouth-Marketing“-Gemein-
schaft kreiert. Die Mitglieder von „Vocalpoint“ haben ein enormes Netzwerk an Freunden
und reden gerne und viel über alle möglichen Dinge. Die Mütter werden allerdings nicht von
P&G bezahlt oder in ihrer Meinungsfindung beeinflusst, sondern sie bekommen lediglich
Produktinformationen und Gratisproben, mit der Bitte, ihre ehrliche Meinung zu teilen.
Somit erhält ein neues Produkt wie von selbst unzählige persönliche Weiterempfehlungen.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
In den vergangenen Jahren hat sich explosionsartig eine neue Art der sozialen Interak-
tion ausgebreitet – soziales Netzwerken im Internet – kommuniziert wird über Internet-
medien wie Blogs oder Netzwerkseiten wie Facebook, Twitter, Google+, Instagram und
Snapchat. Diese Begeisterung für internetbasiertes Networking hat große Auswirkungen
auf das Marketing.
Das Marketing vieler Unternehmen arbeitet deshalb daran, diese sozialen Netzwerke für
die Kommunikation und den Aufbau engerer Beziehung zum Kunden zu nutzen.
Anstatt dem Konsumenten mehr Einweg-Werbebotschaften zukommen zu lassen, versu-
chen Unternehmen über das Internet und soziale Netzwerke auf Konsumenten einzu-
wirken und Teil ihres täglichen Lebens zu werden. Sie veröffentlichen beispielsweise
regelmäßig Werbespots oder Kundenvideos auf Seiten wie YouTube.
Adidas hat vor einiger Zeit seinen Schuh adicolor wieder auf dem Markt eingeführt. Es
handelt sich um einen weißen Sneaker, der mit sieben Filzstiften verkauft wird. Adidas
engagierte verschiedene Agenturen, um innovative Videos für Smartphones zu entwer-
fen. Die Kreativen bekamen absolut freie Hand und konnten die ihnen zugeteilte Farbe
nach Belieben umsetzen. „Die Kreativen, die wir ausgesucht haben, haben unserer Mei-
nung nach ein gutes Gespür für die Szene“, sagt ein adidas-Manager. Das Projekt war
nicht an das Produkt gebunden, sondern die Kreativen wurden vielmehr gebeten‚ „die
Farben, die Anpassung des Produkts an den Kunden und den Ausdruck der eigenen
Persönlichkeit zu zelebrieren“. Jede Woche wurde einer der Kurzfilme über E-Mails und
Internetseiten wie YouTube veröffentlicht. Innerhalb der ersten drei Wochen sahen 2,1
Millionen Menschen diese Filme. Nach den ersten beiden Monaten waren es 20 Millio-
nen. Mit jeder weiteren Veröffentlichung stiegen die Zahlen exponentiell an.
Marken von Guinness und IKEA bis hin zu Real Madrid nutzen Twitter. H&M steht mit
seinen Kunden über firmeneigene Facebook- und YouTube-Seiten in Verbindung, hat
eine spezielle H&M-iPad/iPhone-App und jede Menge begeisterte Gruppen. Benetton
unterstützt „the united blogs of Benetton“ mit Blogs aus den Niederlanden bis nach Por-
tugal, Italien, Mexiko und sogar China. Die Firma Cadbury postete mehrere Werbeanzei-
gen, die hinter die Kulissen blicken lassen, um ihre Schokolade zu vermarkten.
Wann immer sich das Marketing jedoch soziale Netzwerke im Internet zunutze macht,
gilt es vorsichtig zu sein. Die Wirkungen sind schwer zu messen und zu kontrollieren.
Letztendlich kontrollieren die Nutzer den Inhalt der Seiten. Marketing im Internet kann
daher auch „nach hinten losgehen“.
Familie
Familienmitglieder können das Kaufverhalten sehr stark beeinflussen. Man kann zwei Fami-
lienarten im Leben eines Menschen unterscheiden. Die Eltern des Käufers bilden die erste
Familie, die sogenannte Herkunftsfamilie. Eltern vermitteln ihren Kindern zum einen
bestimmte Einstellungen gegenüber Religion, Politik und Wirtschaft und zum anderen per-
sönlichen Ehrgeiz, Selbstwertgefühl und Liebe. Selbst wenn eine Person nicht mehr mit
ihren Eltern in Beziehung steht, ist deren Einfluss auf ihr Kaufverhalten immer noch stark.
Gerade in Ländern, wo Großfamilien bestehen und alle Generationen unter einem Dach
leben, kann der Einfluss der Eltern entscheidend sein. Die zweite Familie ist die mit dem
258
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
Lebenspartner gegründete Lebenspartner-Familie. Diese hat einen noch größeren und direk-
teren Einfluss auf das tägliche Kaufverhalten. Dieser Familientyp ist die wichtigste Einkaufs-
organisation in unserer Gesellschaft und intensiv erforscht worden. Die Studien beziehen
sich auf die Rollenverteilung und den Einfluss von Ehemann, Ehefrau und Kindern auf die
Kaufentscheidungen bei bestimmten Produkten und Dienstleistungen.
Der Entscheidungsanteil von Mann und Frau variiert sehr stark je nach Produktkategorie und
Stufe des Kaufentscheidungsprozesses. Mit der Veränderung von Lebensgewohnheiten wan-
delt sich auch die Rollenverteilung beim Kauf. Fast überall auf der Welt ist die Frau traditio-
nellerweise der wichtigste „Einkäufer“ für die Familie, besonders bei Lebensmitteln, Haus-
haltsprodukten und Kleidung. Heutzutage gilt diese Rollenverteilung jedoch immer weniger,
da bereits mehr als 70 Prozent der Frauen in den Industriestaaten einer Berufstätigkeit nach-
gehen und ihre Ehemänner bereit sind, mehr für den Haushalt zu tun. Eine Studie fand her-
aus, dass 65 Prozent der Männer regelmäßig einkaufen gehen und mindestens einmal pro
Woche das Essen zubereiten. Gleichzeitig beeinflussen rund 65 Prozent der Frauen Kaufent-
scheidungen bezüglich eines neuen Autos, 91 Prozent beeinflussen den Kauf eines neuen
Hauses und 92 Prozent der Frauen haben Einfluss auf die Wahl des Urlaubs. Frauen treffen
rund 85 Prozent aller Kaufentscheidungen und kontrollieren ungefähr 73 Prozent aller Haus-
haltsausgaben. „Die heutige Frau ist ... der ernannte leitende Geschäftsführer des Zuhauses“,
so ein Analytiker. Diese Veränderungen lassen annehmen, dass Marketingfachleute, deren
Produktwerbung bisher nur auf den Verkauf an entweder Männer oder Frauen ausgelegt war,
nun auch das jeweils andere Geschlecht umwerben müssen. Beispielsweise machen Frauen
heute 50 Prozent beim Einkauf von Technik aus. Deshalb entwickeln Elektronikhersteller
inzwischen Produkte, die einfacher zu bedienen sind und sich eher an Frauen wenden.
In Westeuropa wird die Mehrheit aller Autos von Frauen gekauft, daher auch der Markt für
hochwertige Kleinwagen. Gleichzeitig hat die Werbeagentur Euro RSCG Worldwide ein
neues Wachstumssegment identifiziert, die sogenannten Metrosexuellen, deren bekanntester
Vertreter David Beckham ist. Dabei handelt es sich um heterosexuelle Männer, die sich für
typisch weibliche Dinge wie Shopping oder Pflegeprodukte interessieren. Ihnen ist der stei-
gende Anteil an Männerpflegeprodukten zu verdanken. Beim Erwerb kostspieliger Produkte
und Dienstleistungen neigen Männer und Frauen dazu, die Entscheidungen gemeinsam zu
treffen.
Gruppenmitglieder können den Kauf auf viele Arten beeinflussen. Zum Beispiel kaufen
Männer ihre Zeitung selbst und Frauen erstehen ihre Strumpfhose ohne Rücksprache mit
dem Partner. Bei anderen Produkten ist jedoch die Kaufentscheidung komplexer und es
ergibt sich eine Rollenverteilung, ähnlich dem Buying Center eines Unternehmens:
Initiator (Initiator) Die Person, die zuerst den Vorschlag macht oder die Idee hat, ein
bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung zu erwerben.
Influencer (Beeinflusser) Eine Person, deren Ansicht oder Ratschlag die Kaufentschei-
dung beeinflusst, zum Beispiel ein Bekannter oder ein Verkaufsberater.
Decider (Entscheider) Die Person, welche letztendlich die Entscheidung über den Kauf
trifft oder an einem Teil der Kaufentscheidung mitwirkt: ob gekauft wird, was gekauft
wird, wie gekauft wird und wo gekauft wird.
Buyer (Käufer) Die Person, die den tatsächlichen Kauf durchführt. Wenn der Entscheider
seine Wahl getroffen hat, kann auch jemand anderes den Kauf tätigen.
User (Nutzer) Die Person, die das Produkt benutzt oder die Dienstleistung in Anspruch
nimmt.
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
Ausgaben zu tätigen. Mehr als in jedem anderen Segment werden hier Onlinesuchen durch-
geführt, bevor Waren im Bereich Elektronik, Geräte, Wohndekoration oder Schmuck gekauft
werden. Daher sollten Händler in den betreffenden Warengruppen über eine starke Online-
präsenz verfügen, die Informationen über Preise, Eigenschaften und Besonderheiten sowie
die Warenverfügbarkeit bietet. Die verschiedenen Lebensphasen-Segmente sind auch mit
unterschiedlichen Kaufgewohnheiten verbunden. Die Unterteilung in Lebensphasen ist ein
starkes Marketinginstrument für Marketer aller Branchen, um ihre Zielgruppen besser zu fin-
den, zu verstehen und an sich zu binden. Mit dieser Fülle an Daten über die Besonderheiten
der Lebensphasen der Verbraucher können Marketer praxisnahe, persönliche Kampagnen
schaffen, die auf dem Kaufverhalten sowie dem Austausch mit Marken und dem Umfeld der
Menschen aufbauen.
Beruf
Auch der ausgeübte Beruf spielt beim Kauf von Gütern und Dienstleistungen eine Rolle.
Arbeiter haben einen größeren Bedarf an Arbeitskleidung, während Angestellte oder Beamte
mehr Anzüge kaufen. Aufgabe des Marketings ist es, die Berufsgruppen zu identifizieren, die
ein überdurchschnittliches Interesse an den eigenen Produkten und Dienstleistungen haben.
So sind manche Unternehmen auf Produkte für einen bestimmten Berufszweig spezialisiert.
Dies gilt z.B. für Software-Hersteller, die jeweils individuell zugeschnittene Produkte und
Dienstleistungen für Produktmanager, Buchhalter, Ingenieure, Anwälte oder Ärzte anbieten.
Finanzielle Situation
Natürlich hängt das Kaufverhalten in hohem Maße von der finanziellen Situation des Käu-
fers ab.
Marketing-Manager beobachten Trends bei den Ausgaben, persönlichen Einkommen, Spar-
quoten und Zinssätzen. In der heutigen Zeit der Sparsamkeit haben die meisten Firmen Maß-
nahmen ergriffen, um mehr Kundennutzen durch die Anpassung, Neuausrichtung und neue
Preisgestaltung ihrer Produkte und Dienstleistungen zu erzeugen.
Gemäß dem weltweiten Trend bieten Smartphone-Hersteller, die einst nur hochpreisige
Geräte produzierten, heute eine Reihe günstiger Modelle sowohl für Kunden im Inland als
auch für die Schwellenmärkte an. Die Motorola-Abteilung von Google brachte das ultra-
preiswerte Moto G Phone mit den gleichen Eigenschaften wie die teureren Geräte. Apple
brachte eine einfachere, günstigere Version des iPhone heraus, das iPhone SE. Weil die rei-
chen westlichen Märkte gesättigt und stärker umkämpft waren, hoffen Mobiltelefon-Herstel-
ler, dass die günstigeren Geräte ihnen Vorteile im Wettbewerb und beim Wachstum in weni-
ger wohlhabenden östlichen Schwellenmärkten wie China und Südost-Asien verschaffen.3
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Lebensstil
Menschen aus der gleichen Subkultur, sozialen Schicht und Berufsbranche können höchst
unterschiedliche Lebensstile aufweisen. Der Lebensstil beschreibt die Lebensweise einer Per-
son gemäß der psychografischen Segmentierung. Diese beinhaltet eine Messung der wichtigs-
ten AIO-Werte – Aktivitäten (Arbeit, Hobbys, Einkaufen, Sport, soziale Ereignisse), Interes-
sen (Kochen, Mode, Familie, Freizeit) und Meinungen (Opinions) (eigene Themen, Soziales,
Wirtschaft, Produkte). Der Begriff Lebensstil erfasst sehr viel mehr als die soziale Schicht
oder Persönlichkeit eines Menschen. Er steht für das gesamte Verhaltensmuster eines Men-
schen bei seinem Vorgehen und im Austausch mit anderen.
Mit Sorgfalt angewendet kann das Marketingkonzept rund um den Lebensstil Marketern ein
besseres Verständnis für sich ändernde Werte von Verbrauchern und deren Einfluss auf das
Kaufverhalten vermitteln. Verbraucher kaufen nicht nur Produkte; sie kaufen die Werte und
Lebensstile, die diese Produkte verkörpern. So verkauft Triumph nicht einfach Motorräder,
sondern den unabhängigen Lebensstil, seinen eigenen Weg zu gehen. Smirnoff Wodka rät
den Menschen: „Be there“ und adidas fordert seine Kunden auf: „Own the game“. Ein Marke-
tingexperte meint: „Die Produktwahl der Menschen hat immer mehr mit der Wahl von Wer-
ten zu tun. Sie denken nicht: ‚Ich kaufe dieses Wasser, weil es mir schmeckt‘. Sie entschei-
den sich für ein Auto oder eine Fernsehsendung, weil sie damit ausdrücken, wer sie sind.“4
Sinus-Milieus®: Reason Why Der soziokulturelle Wandel stellt das Marketing ständig
vor neue Herausforderungen. Sowohl die Fragmentierung der Märkte als auch die im
Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien zu beobachtenden Integra-
tions- und Substitutionsprozesse führen zu Streu- und Effizienzverlusten in der Marke-
tingkommunikation. Erfolgreiche Produktplanung und Kommunikation setzt deshalb
heute eine umfassende und zugleich differenzierte Zuwendung zum Verbraucher voraus
und macht es nötig, Zielgruppen über die herkömmlichen soziodemografischen Merk-
male hinaus präziser zu klassifizieren. Die Sinus-Milieus bieten dafür einen bewährten
Ansatz, der den Wertorientierungen und Lebensstilen der Verbraucher gerecht wird.
Seit drei Jahrzehnten erforscht das SINUS-Institut den Wertewandel und die Lebenswel-
ten der Menschen. Daraus entstanden sind die Sinus-Milieus, eines der bekanntesten
und einflussreichsten Instrumente für die Zielgruppen-Segmentation. Als wissenschaft-
lich fundiertes Modell, das kontinuierlich durch Begleitforschung und Beobachtung
soziokultureller Trends aktuell gehalten wird, spiegeln die Sinus-Milieus die Verände-
rungen in der Gesellschaft wider.
4 Beth J. Harpaz, „New book connects political and lifestyle choices“, 4. November 2006, www.seatt-
lepi.com/lifestyle/291052_lifestylevote04.html; Zu weiteren Informationen zum Lebensstil und Kon-
sumverhalten siehe Michael R. Solomon, Consumer Behavior: Buying, Having, and Being (Upper
Saddle River, NJ: Prentice Hall, 2011), S. 226–233.
262
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
263
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Formale Gemeinsamkeiten, eine vergleichbare soziale Lage, vielleicht sogar eine ähnliche
Einstellung zur Produktkategorie, kann mit ganz unterschiedlichen Lebensstilen und Wert-
orientierungen verbunden sein. Konsum- und Markenpräferenzen werden von Lebenszie-
len, Lebensstilen und ästhetischen Präferenzen deutlich mehr bestimmt als von der Sozio-
demografie. Nur die ganzheitliche Betrachtung des Individuums führt also zu realistischen
Beschreibungen der Alltagswirklichkeit, zu Zielgruppen, die es wirklich gibt.
Das Positionierungsmodell „Kartoffelgrafik“ Die folgende Grafik zeigt die aktuelle
Milieulandschaft und die Position der verschiedenen Milieus in der deutschen Gesell-
schaft nach sozialer Lage und Grundorientierung. Seit vielen Jahren ist die Landkarte der
Sinus-Milieus als „Kartoffelgrafik“ bekannt. Wie man sieht, ergeben zehn „Kartoffeln“,
eine für jedes Milieu, ein modellhaftes Abbild der sozialen Schichtung und der Wertes-
truktur unserer deutschen Gesellschaft in ihrer Wechselwirkung. In dieser „strategischen
Landkarte“ können Produkte, Marken und Medien positioniert werden.
Je höher ein bestimmtes Milieu in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener sind Bil-
dung, Einkommen und Berufsgruppe; je weiter es sich nach rechts erstreckt, desto moder-
ner im soziokulturellen Sinn ist die Grundorientierung des jeweiligen Milieus. Was die
Grafik auch zeigt: Die Grenzen zwischen den Milieus sind fließend; Lebenswelten sind
nicht so (scheinbar) exakt eingrenzbar wie soziale Schichten. SINUS nennt das die
„Unschärferelation der Alltagswirklichkeit“. Wäre das nicht der Fall, könnte man schwer-
lich von einem lebensechten Modell sprechen. Berührungspunkte und Übergänge zwi-
schen den Milieus sind deshalb ein grundlegender Bestandteil des Milieukonzepts.
Sinus B1
Oberschicht / Sinus C1
Liberal-intellektuelles
Obere 1 Sinus AB12 Milieu Milieu der
MiƩelschicht
KonservaƟv- 7% Performer
etabliertes Sinus C12
8% ExpediƟves
Milieu Sinus B12
10% Sozialökologisches Milieu
Sinus C2 8%
Milieu
MiƩlere AdapƟv-
MiƩelschicht 2 7%
pragmaƟsches
Sinus B23
Milieu
Sinus AB23 Bürgerliche MiƩe 10%
TradiƟonelles Milieu 13%
13% Sinus BC23
HedonisƟsches
Untere
Milieu
MiƩelschicht / 3 Sinus B3 15%
Unterschicht
Prekäres Milieu
9%
© SINUS 2018
264
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
265
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Internationalisierung Die Sinus-Milieus haben sich als strategisches Tool für Marke-
ting und Kommunikation so praktisch erwiesen, dass es entsprechende Ansätze heute
in Deutschland, Schweiz, Österreich und 15 weiteren Ländern gibt. Mit den Sinus-
Meta-Milieus steht zusätzlich ein länderübergreifendes Zielgruppenmodell auf Milieu-
basis für das internationale Marketing zur Verfügung, bis dato entwickelt und eingesetzt
in 44 Ländern.
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
Abbildung 5.9: Sinus AB12 „Konservativ-etabliertes Milieu“ – das klassische Establishment: Verantwortungs- und
Erfolgsethik; Exklusivitäts- und Führungsansprüche, Standesbewusstsein; zunehmender Wunsch nach Ordnung und Balance
Abbildung 5.10: Sinus B1 „Liberal-intellektuelles Milieu“ – die aufgeklärte Bildungselite: kritische Weltsicht, liberale
Grundhaltung und postmaterielle Wurzeln; Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstentfaltung
267
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Abbildung 5.11: Sinus C1 „Milieu der Performer“ – die multi-optionale, effizienz-orientierte Leistungselite: globalöko-
nomisches Denken; Selbstbild als Konsum- und Stil-Avantgarde; hohe Technik- und IT-Affinität; Etablierungstendenz,
Erosion des visionären Elans
Abbildung 5.12: Sinus C12 „Expeditives Milieu“ – die ambitionierte kreative Avantgarde: Transnationale Trendsetter
– mental, kulturell und geografisch mobil; online und offline vernetzt; nonkonformistisch, auf der Suche nach neuen
Grenzen und neuen Lösungen
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
Abbildung 5.13: Sinus C2 „Adaptiv-pragmatisches Milieu“ – die moderne junge Mitte mit ausgeprägtem Lebensprag-
matismus und Nützlichkeitsdenken: leistungs- und anpassungsbereit, aber auch Wunsch nach Spaß und Unterhaltung;
zielstrebig, flexibel, weltoffen – gleichzeitig starkes Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit
Abbildung 5.14: Sinus B12 „Sozialökologisches Milieu“ – engagiert gesellschaftskritisches Milieu mit normativen Vor-
stellungen vom „richtigen“ Leben: ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen; Globalisierungs-Skeptiker, Ban-
nerträger von Political Correctness und Diversity (Multikulti)
269
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Abbildung 5.15: Sinus B23 „Bürgerliche Mitte“ – der leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream:
generelle Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung; Wunsch nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten
und harmonischen Verhältnissen; wachsende Überforderung und Abstiegsängste
Abbildung 5.16: Sinus AB23 „Traditionelles Milieu“ – die Sicherheit und Ordnung liebende ältere Generation: verhaf-
tet in der kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur; Sparsamkeit und Anpassung an die Notwen-
digkeiten; zunehmende Resignation und Gefühl des Abgehängtseins
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
Abbildung 5.17: Sinus BC23 „Hedonistisches Milieu“ – die spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht /
untere Mitte: Leben im Hier und Jetzt, unbekümmert und spontan; häufig angepasst im Beruf, aber Ausbrechen aus den
Zwängen des Alltags in der Freizeit
Abbildung 5.18: Sinus B3 „Prekäres Milieu“ – die um Orientierung und Teilhabe („dazu gehören“) bemühte Unter-
schicht: Wunsch, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten Mitte – aber Häufung sozialer Benachteili-
gungen, Ausgrenzungserfahrungen, Verbitterung und Ressentiments
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
Motivation
Eine Person hat zu einem bestimmten Zeitpunkt viele verschiedene Bedürfnisse. Einige sind
rein biologisch wie Hunger oder Durst. Andere sind psychologisch und rühren aus dem
Bedürfnis nach Anerkennung oder Zugehörigkeit her. Die meisten dieser Bedürfnisse sind in
der Regel nicht stark genug, um eine Person dazu zu bringen, sofort eine Reaktion zu zeigen.
Ein Bedürfnis wird dann zum Motiv, wenn es einen bestimmten Grad an Intensität erreicht.
Ein Motiv (oder ein Antrieb) ist ein derartig starkes Bedürfnis, das die Person veranlasst,
eben dieses Bedürfnis zu befriedigen. Einige Psychologen haben Theorien zur menschlichen
Motivation entwickelt. Zwei der bekanntesten Theorien stammen von Sigmund Freud und
Abraham Maslow. Sie haben allerdings ganz unterschiedliche Konsequenzen für Konsumen-
tenforschung und Marketing.
Motivationstheorie nach Freud Sigmund Freud unterstellt, dass den Menschen die tatsächli-
chen psychologischen Motive ihres Handelns weitgehend unbewusst bleiben. Er geht davon
aus, dass Menschen viele ihrer Bedürfnisse unterdrücken, wobei diese Bedürfnisse nie ganz
beseitigt oder kontrolliert werden können. Vielmehr offenbaren sie sich in Träumen, Verspre-
chern, neurotischem oder zwanghaftem Verhalten oder schlimmstenfalls in Psychosen. Gemäß
Freud ist eine Person also niemals in der Lage, die eigene Motivation gänzlich zu verstehen.
Konsumenten wissen oft nicht oder können nicht erklären, warum sie sich für ein spezielles
Produkt entscheiden. In der Motivationsforschung werden eingehende Informationen aus
kleinen Konsumentengruppen gewonnen, um die tieferen Motive für die Produktwahl aufzu-
decken. Es werden indirekte Befragungsmethoden und Tiefeninterviews durchgeführt und
projektive Techniken angewandt. Dabei kommen Wortassoziations-, Satzergänzungs- und
Bildinterpretationstests sowie Rollenspiele zur Anwendung, um Emotionen und Einstellun-
gen gegenüber Marken und Kaufsituationen aufzudecken.
Diese Methoden haben im Hinblick auf das Konsumentenverhalten viele interessante, aber
auch einige seltsame Ergebnisse hervorgebracht. Beispielsweise ergab eine Studie, dass
einige Konsumenten keine Trockenpflaumen kaufen, da sie diese aufgrund ihrer runzligen
Oberfläche an Alter und Krankheit erinnern. Trotz ungewöhnlicher Rückschlüsse ist die
Motivationsforschung auch heute noch ein wichtiges Instrument, um das Konsumentenver-
halten besser zu begreifen.
Einige Unternehmen stellen Teams aus Psychologen, Anthropologen und anderen Sozialwis-
senschaftlern zusammen, um Motivationsforschung zu betreiben. Manche Werbeagenturen
führen routinemäßig persönliche Gespräche durch, um sich ins Innere eines Konsumenten ver-
setzen zu können, andere bitten die Verbraucher, ihre favorisierten Marken mit Tieren oder
Autos zu vergleichen, um bewerten zu können, welches Ansehen mit den verschiedenen Mar-
ken assoziiert wird. Wieder andere vertrauen auf Hypnose, Traumtherapie, sanftes Licht und
stimmungsvolle Musik, um in die Tiefen der Konsumentenpsyche vorzudringen. Solche Tech-
niken werden von einigen Experten als Hokuspokus abgetan. Was inzwischen als „interpretive
consumer research“ bezeichnet wird, nutzen jedoch immer mehr Marketingfachleute, um tiefer
in die Verbraucherpsyche vorzudringen und bessere Strategien zu entwickeln.
Motivationstheorie nach Maslow Abraham Maslow wollte erklären, warum Menschen zu
bestimmten Zeitpunkten von bestimmten Bedürfnissen angetrieben werden. Man könnte
sich z.B. fragen, weshalb eine Person sehr viel Zeit für die persönliche Sicherheit aufbringt,
während eine andere nach Anerkennung strebt. Maslow liefert als Erklärung, dass menschli-
che Bedürfnisse in einer Hierarchie vom dringendsten bis zum schwächsten angeordnet
sind. Seine Hierarchie der Bedürfnisse ist in Abbildung 5.19 wiedergegeben.
273
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Bedürfnis
nach Selbst-
verwirklichung
Ästhetische Bedürfnisse
(Ordnung, Schönheit)
Kognitive Bedürfnisse
(Verstehen, Verständnis)
Bedürfnis nach Anerkennung
(Selbstwertgefühl, Status)
Soziale Bedürfnisse
(Zugehörigkeitsgefühl, Liebe)
Bedürfnis nach Sicherheit
(Sicherheitsgefühl, Schutz)
Elementare Bedürfnisse (Hunger, Durst)
Die Bedürfnisse sind von unten nach oben entsprechend ihrer Wichtigkeit angeordnet. Eine
Person erfüllt zuerst das wichtigste Bedürfnis. Wenn dieses befriedigt ist, wirkt es nicht mehr
als Antrieb und das nächstwichtige Bedürfnis tritt an seine Stelle. Zum Beispiel hat ein hun-
gernder Mensch (Hierarchie-Ebene 1) kein Interesse an der Kunstszene (Hierarchie-Ebene 6).
Es interessiert ihn auch nicht, wie andere ihn sehen und einschätzen (Hierarchie-Ebenen 3
und 4), und auch nicht, ob er saubere Luft einatmet (Hierarchie-Ebene 2). Doch sobald das
wichtigste Bedürfnis (Hunger) befriedigt ist, drängt sich das nächste nach vorn (Obdach,
Schlafgelegenheit).
Die von Maslow entwickelte Hierarchie ist nicht für alle Kulturen gültig. Wie die Helden der
Hollywoodfilme vorführen, stehen in der angelsächsischen Kultur Individualität und Selbst-
verwirklichung an oberster Stelle. Dahingegen sind in Japan und den deutschsprachigen Län-
dern das ästhetische Bedürfnis nach Ordnung und das soziale Bedürfnis nach Zugehörigkeit
von großer Bedeutung und in Frankreich, Spanien, Portugal und verschiedenen Ländern
Lateinamerikas und Asiens zählen besonders die Bedürfnisse nach Sicherheit und Zugehö-
rigkeit.
Wahrnehmung
Eine Person, die motiviert ist, ist auch bereit zu handeln. Wie sie handelt, hängt aber von
ihrer Wahrnehmung der Situation ab. Zwei Personen, die dieselbe Motivation haben und
sich in derselben Situation befinden, können sich ganz unterschiedlich verhalten, weil sie
die Situation unterschiedlich wahrnehmen.
Die zentrale Frage ist, weshalb zwei Personen die gleiche Situation unterschiedlich wahrneh-
men. Alle Menschen nehmen Informationen über ihre fünf Sinne auf: Sehen, Hören, Rie-
chen, Ertasten und Schmecken. Allerdings empfängt, organisiert und interpretiert jeder die
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens
sensorischen Informationen auf individuelle Art und Weise. Wahrnehmung ist also der Vor-
gang, bei dem Personen Informationen auswählen, organisieren und interpretieren, um sich
ein sinnvolles Bild von der Situation zu machen. Es lassen sich drei Arten des Wahrneh-
mungsvorgangs unterscheiden: selektive Wahrnehmung, selektive Verzerrung und selektives
Erinnern.
Selektive Wahrnehmung Jeder von uns ist täglich unzähligen Anreizen ausgesetzt. Im Durch-
schnitt stürmen jeden Tag zwischen 3.000 und 5.000 Werbebotschaften auf uns ein. Es ist
unmöglich, allen Aufmerksamkeit zu schenken. Studien zeigen, dass die meisten Menschen
sich nur an drei oder vier Werbespots pro Tag erinnern. Dieses Phänomen der selektiven
Wahrnehmung, also das Ausblenden der meisten Informationen, bedeutet für das Marketing,
dass es sehr schwierig ist, die Beachtung der Konsumenten zu erlangen. Eine Werbebotschaft
geht bei den Konsumenten, die keine Käufer der beworbenen Produktkategorie sind, meist
ganz verloren. Selbst diejenigen, die schon Käufer sind, nehmen eine Botschaft möglicher-
weise nicht wahr, es sei denn, diese sticht aus der Vielzahl anderer Werbeanzeigen hervor.
Deshalb müssen Marketingfachleute besonders hart daran arbeiten, die Aufmerksamkeit der
Kunden auf sich zu ziehen.
Selektive Verzerrung Selbst wenn ein Werbestimulus wahrgenommen wird, ist nicht sicher,
dass er die beabsichtigte Wirkung zeigt. Jede Person fügt neue Informationen einem bereits
existierenden geistigen Raster hinzu. Die selektive Verzerrung beschreibt die Tendenz, Infor-
mationen entsprechend der persönlichen Bedeutung abzuwandeln.
Menschen tendieren dazu, Informationen so zu interpretieren und damit zu verzerren oder
anzupassen, dass sie das unterstützen, was sie schon wissen. Aufgrund dieser selektiven Ver-
zerrung ist es für das Marketing wichtig, die bereits bestehenden Präferenzen aufzudecken
und in positiver Weise für die Werbung zu nutzen.
Selektives Erinnern Viel von dem, was Menschen erfahren und lernen, geht durch Vergessen
wieder verloren. Informationen, welche den eigenen Einstellungen und Überzeugungen ent-
sprechen, werden eher im Gedächtnis behalten.
Die Phänomene der selektiven Wahrnehmung, der selektiven Verzerrung und des selektiven
Erinnerns erschweren es dem Marketing, Konsumenten durch eine Werbebotschaft zu errei-
chen. Dies erklärt, weshalb in der Werbung so viele auffällige Effekte und Wiederholungen
eingesetzt werden. Während einige Verbraucher besorgt sind, durch Werbebotschaften beein-
flusst zu werden, ohne es überhaupt zu merken, haben die meisten Marketingfachleute
Bedenken, dass ihre Werbung überhaupt wahrgenommen wird.
Lernen
Menschen lernen durch Handeln. Lernen bezeichnet das Ändern des eigenen Verhaltens auf-
grund von Erfahrungen. Einige Wissenschaftler behaupten, dass der Großteil menschlichen
Handelns erlernt ist. Lernen erfolgt aus dem Zusammenspiel von Antrieb, Stimuli, Impulsen,
Reaktionen und Bestätigung.
Ein Antrieb ist ein starker innerer Stimulus, der zum Handeln veranlasst. Dieser Antrieb
wird zum Motiv, wenn er sich auf ein bestimmtes Stimulus-Objekt richtet. Ihr Antrieb zur
Selbstverwirklichung könnte Sie zum Beispiel dazu motivieren, eine Kamera zu kaufen. Ihre
Reaktion auf die Idee des Kamerakaufs wird von bestehenden Impulsen bedingt. Impulse
sind schwächere Stimuli, die bestimmen, wann, wo und wie eine Person reagiert. Solche
Hinweise liegen beispielsweise vor, wenn Sie Kameras in einem Schaufenster sehen oder
von einem Sonderangebot hören. Dadurch wird die Reaktion, nämlich eine Kamera zu kau-
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
fen, beeinflusst. Angenommen, Sie kaufen eine Nikon-Kamera und sind damit sehr zufrie-
den. Dann werden Sie diese vermutlich häufig nutzen und somit wird Ihre Reaktion (also der
Kauf) positiv bestätigt. Wenn Sie das nächste Mal eine Kamera, ein Fernglas oder ein ähnli-
ches Gerät kaufen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Sie wieder ein Produkt von
Nikon kaufen. Sie generalisieren Ihre Reaktion, also den positiven Kauf, und übertragen Ihre
Erfahrungen auf andere ähnliche Stimuli. Das Gegenteil der Generalisierung ist die Diskrimi-
nierung. Sie sehen sich z.B. ein Fernglas von Olympus an und entdecken dabei, dass dieses
leichter und kompakter ist als das von Nikon. Diskriminierung bedeutet, dass jemand gelernt
hat, Unterschiede zu erkennen und daraus seine Reaktion abzuleiten.
Die praktische Relevanz der Lerntheorie liegt darin, dass Nachfrage für ein Produkt erzeugt
werden kann, indem man es mit starken Antrieben in Verbindung bringt, motivierende
Impulse nutzt und positive Bestätigung vermittelt.
276
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess
versuchen, neue Gruppen von Kunden zu gewinnen. Neue Kunden dazuzugewinnen und
damit den Markt zu vergrößern war schwieriger und kostspieliger, denn viele Menschen hat-
ten Motorrädern gegenüber eine negative Einstellung. Motorräder wurden mit schwarzen
Lederjacken, Klappmessern und Außenseitern assoziiert. Trotz dieser ungünstigen Grundein-
stellung entschloss sich Honda zu einer umfassenden Werbeaktion. In der groß angelegten
Kampagne wurde das Motorradfahren als positive und saubere Freizeitbeschäftigung propa-
giert. Das Leitthema „Sie treffen die nettesten Leute auf einer Honda“ kam gut an und viele
Menschen entwickelten eine neue Einstellung gegenüber dem Motorradfahren. Anfang der
1990er-Jahre stand Honda jedoch wieder vor einem ähnlichen Problem. Von der großen
Motorradfahrergemeinde war nur ein harter Kern übrig geblieben. Honda machte sich ein
zweites Mal daran, die Einstellungen der Konsumenten zu verändern. Die neue Kampagne
„Komm fahr mit uns!“ sollte die Einstellung gegenüber dem Motorradfahren wieder dahin
gehend verändern, dass es allgemein als Spaß bringend und aufregend angesehen würde.
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Geringe
Unterschiede Dissonanz
Habitualisiertes
zwischen reduzierendes
Kaufverhalten
Marken Kaufverhalten
Komplexes Kaufverhalten
Komplexes Kaufverhalten liegt vor, wenn sich der Konsument in einer High-Involvement-
Situation befindet und wenn zwischen den verschiedenen Marken große Unterschiede beste-
hen oder wenn das Produkt kostspielig und risikoreich ist oder wenn es nur selten gekauft
wird. Typisch für das komplexe Kaufverhalten ist, dass sich der Käufer zunächst einmal
intensiv über die Produktkategorie informieren wird. Als Beispiel betrachten wir eine Per-
son, die entschlossen ist, ein Notebook zu kaufen. Anfangs weiß sie vielleicht nicht, welche
Ausstattungs- und Leistungsmerkmale für sie relevant sind.
Der Kaufinteressent durchläuft jedoch einen Lernprozess, wobei er als Erstes Überzeugungen
und anschließend Einstellungen zum Produkt entwickelt, um schließlich eine wohl bedachte
Kaufentscheidung zu treffen. Die Anbieter von High-Involvement-Produkten müssen die Vor-
gänge der Informationssuche und der Beurteilung beim Kunden begreifen. Ihr Marketing
sollte den Käufern dabei helfen, die Ausstattungsmerkmale des Produkts und deren Wichtig-
keit erkennen zu lernen. Dabei weisen sie natürlich darauf hin, über welche besonderen
Eigenschaften die eigenen Produkte verfügen. Hilfreich ist hierbei beispielsweise die Bereit-
stellung von Broschüren, die dem Käufer die für seine Wahl benötigten Informationen lie-
fern. Aufgabe des Marketings ist es also, die Vorzüge der eigenen Marke herauszustellen.
Außerdem kann das Verkaufspersonal in den Fachgeschäften sowie das persönliche Umfeld
der Käufer dazu motiviert werden, die Kaufentscheidung zugunsten der eigenen Marke zu
beeinflussen.
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess
über ein anderes Produkt, das man nicht gekauft hat, erfährt. Um solche Dissonanz zu ver-
meiden, müssen in der Nachkaufphase Marketingmaßnahmen betrieben werden, die dem
Käufer versichern, dass er eine gute Entscheidung getroffen hat.
Habitualisiertes Kaufverhalten
Das habitualisierte Kaufverhalten findet bei den alltäglichen Gewohnheitskäufen in einer
Low-Involvement-Situation statt. Ein geringes Engagement der Käufer geht mit wenigen
Unterschieden zwischen den Marken einher. Nehmen wir als Beispiel den Kauf von Salz. Die
Verbraucher haben hierfür meist keine bestimmte Markenpräferenz, sie gehen in den Super-
markt und greifen ins Regal. Wenn sie mehrere Male hintereinander die gleiche Marke kau-
fen, geschieht dies eher aus Gewohnheit als aus Markentreue. Im Allgemeinen trifft diese Art
des Kaufverhaltens für günstige und regelmäßig gekaufte Produkte zu.
Für diese Produkte suchen die Verbraucher weder intensiv nach Informationen, um die
Unterschiede der einzelnen Marken zu vergleichen, noch überlegen sie lange, welche Marke
sie kaufen sollen. Stattdessen nehmen die Konsumenten eher passiv Produkt- und Markenin-
formationen über die Werbung im Fernsehen und in Zeitschriften auf. Häufige Wiederholung
der Anzeigen führt vielmehr zu Markenbekanntheit als zu Markentreue. Die Verbraucher bil-
den keine Einstellungen zugunsten einer bestimmten Marke, sondern wählen eine Marke,
die sie kennen, und bewerten nur selten ihre Entscheidung in der Nachkaufphase. Folglich
beinhaltet der Kaufprozess einen gewissen Markenglauben, der durch passives Lernen ent-
steht und ein spezielles Kaufverhalten zur Folge hat.
Da Käufer bei Low-Involvement-Produkten keine starke Markenbindung aufweisen, setzt das
Marketing häufig auf Sonderangebote und Verkaufsförderungsaktionen, um die Kunden dazu
zu bewegen, die Marke auszuprobieren. Für derartige Produkte sind eine hohe Distributions-
rate und eine vorteilhafte Platzierung im Supermarktregal von großer Bedeutung. Die Wer-
bung sollte sich auf einige Schlüsselbotschaften beschränken, die durch Symbole und Bilder
eine leichte Wiedererkennung begünstigen. Auch sollten Werbekampagnen aus kurzen, häu-
fig wiederholten Botschaften bestehen. Das Fernsehen ist dafür besser geeignet als Printme-
dien, da es passives Lernen ohne eigene Anstrengungen ermöglicht. Eine einfache Methode
ist es, gemäß der Konditionierungstheorie das Produkt mit einem einprägsamen Symbol zu
versehen, sodass es der Konsument im Supermarkt schnell identifizieren kann.
Um sich als Marke abzusetzen, bietet Charmin Toilettenpapier z.B. die Sorten Ultrastrong,
Ultrasoft und Freshmate (feucht), die so saugfähig sind, dass man viermal weniger Papier
braucht und dadurch die Haut schont. Außerdem fördert Charmin das Involvement mit sei-
ner Webseite „Sit or quat“ sowie einer Smartphone-App, über die Reisende unterwegs sau-
bere öffentliche Toiletten finden und im Internet bewerten können.
Variety Seeking
In einer Low-Involvement-Situation bei gleichzeitig deutlichen Markenunterschieden liegt
das Kaufverhalten des Variety Seekings vor, d.h. Verbraucher wechseln häufig die Marke.
Wenn man zum Beispiel oft die Tee- oder Keksmarke wechselt, so hat das weniger mit Unzu-
friedenheit als vielmehr mit dem Wunsch nach Abwechslung zu tun. Jemand kauft zum Bei-
spiel, ohne lange zu überlegen, eine Packung Kekse, beim Verzehr bewertet er sie dann. Beim
nächsten Kekskauf wählt er eine andere Marke, nur um zu wissen, wie diese Kekse schme-
cken. Dies bedeutet allerdings nicht, dass er mit seinem vorherigen Kauf unzufrieden war.
279
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Offensichtlich beginnt der Kaufvorgang lange vor dem tatsächlichen Kauf und wirkt noch
lange nach. Das veranlasst das Marketing dazu, sich mit dem gesamten Kaufentscheidungs-
prozess auseinanderzusetzen und nicht nur mit der eigentlichen Kaufentscheidung.
Das Modell geht davon aus, dass der Verbraucher diese fünf Phasen bei jedem Kauf durch-
läuft. Doch bei den schon angeführten Gewohnheitskäufen überspringen Konsumenten
manchmal einige Stufen oder gehen in einer anderen Reihenfolge vor. Der eigentlichen Ent-
scheidung zum Kauf der gewohnten Zahnpastamarke geht lediglich die Wahrnehmung des
Bedarfs voraus, nämlich wenn man feststellt, dass die alte Tube leer ist. Bei dieser Entschei-
dung werden also die Stufen Informationssuche und Vergleich der Alternativen weggelassen.
Dennoch ist das Modell sehr gut geeignet, da es alle Phasen aufzeigt, die ein Verbraucher in
einer für ihn neuen und komplexen Kaufsituation durchläuft.
Zur Veranschaulichung kehren wir noch einmal zum Kamerabeispiel zurück. Es ist zu klä-
ren, wodurch das Interesse für eine Digitalkamera geweckt wurde und welche Vorgänge die
Person durchlaufen hat, bevor sie schließlich ihre Kaufentscheidung getroffen hat.
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess
Ein Bedürfnis kann aber auch durch externe Stimuli geweckt werden. Zum Beispiel kommen
Sie an einer Bäckerei vorbei und der Duft frisch gebackener Brötchen verursacht bei Ihnen ein
Hungergefühl. Vergleichbare Reaktionen können entstehen, wenn man das neue Auto des
Nachbarn sieht oder einen Fernsehwerbespot für Ferien in der Karibik. In diesem Stadium
muss das Marketing diejenigen Faktoren und Situationen erkennen, die normalerweise die
Bedarfswahrnehmung hervorrufen. Marktforscher befragen Verbraucher, um herauszufinden,
welche Arten von Bedürfnis entstehen und warum der Verbraucher zur Bedürfnisbefriedigung
auf ein bestimmtes Produkt zurückgreift. Möglicherweise antworten Sie, dass Sie das Bedürf-
nis verspürten, eine Kamera kaufen zu müssen, nachdem Ihre Freunde Urlaubsfotos gezeigt
hatten. Indem Marktforscher solche Informationen sammeln, können sie die Anreize bestim-
men, die am häufigsten das Interesse an einem bestimmten Produkt wecken. Darauf aufbauend
können sie dann Marketingmaßnahmen entwickeln, die genau diese Anreize nutzen.
Im Vergleich zu Tieren sind Menschen besonders für visuelle Stimuli anfällig. Jüngst haben
Psychologen und Marktforscher allerdings festgestellt, dass der eher unbewusst funktionie-
rende Geruchssinn ebenfalls eine wichtige Rolle bei Kaufentscheidungen spielt. Dies nutzen
Lebensmittelgeschäfte z.B. aus, wenn sie eine Bäckerei in ihre Geschäftsräume aufnehmen.
Informationssuche
In der Regel sucht ein potenzieller Käufer nach Produktinformationen. Wenn jedoch der Kau-
fantrieb stark und ein geeignetes Produkt leicht zu bekommen ist, wird es der Konsument
häufig ohne Informationssuche kaufen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand keine
Zigaretten mehr hat, er aber rauchen möchte und vor seinem Haus ein Zigarettenautomat
angebracht ist. Es ist ziemlich sicher, dass er sich eine Schachtel Zigaretten aus dem Automa-
ten ziehen wird. Ist das erwünschte Produkt nicht so leicht zu bekommen oder ist der
Antrieb nicht so stark ausgeprägt, wird die Person das Bedürfnis nur im Gedächtnis behalten
oder aber mit der Informationssuche in Bezug auf das Bedürfnis beginnen. So zum Beispiel,
wenn sich jemand dazu entschließt, ein neues Auto zu kaufen. Er wird vermutlich in nächs-
ter Zeit der Autowerbung, den Autos von Freunden und Gesprächen über Autos mehr Auf-
merksamkeit schenken als sonst. Oder er wird im Internet recherchieren, mit Freunden über
sein Vorhaben reden und Informationen auf anderen Wegen suchen.
Unter bestimmten Umständen zeigt eine Person eine erhöhte Aufmerksamkeit. Sie sind zum
Beispiel viel aufmerksamer, wenn jemand von Digitalkameras spricht, Sie sehen sich Wer-
bung für Kameras an und achten darauf, welche Kamera Freunde und Bekannte benutzen.
Möglicherweise beginnen Sie dann auch eine aktive Informationssuche, bei der Sie sich Bro-
schüren von Kamera-Anbietern besorgen, sich mit Freunden darüber unterhalten und sich
auch auf andere Arten Informationen zum Thema verschaffen. Die Suchintensität hängt
davon ab, wie ausgeprägt Ihr Antrieb ist, wie viele Informationen Sie schon haben und wie
leicht weiteres Informationsmaterial zu beschaffen ist. Weitere Kriterien sind, wie wichtig
Ihnen mehr Informationen sind und ob Ihnen die Recherche Spaß macht. Je komplizierter
die Kaufentscheidung ist, desto intensiver fällt die Informationssuche des Konsumenten aus.
In der Regel kann sich ein Verbraucher folgender Informationsquellen bedienen:
Persönliches Umfeld: Familie, Freunde, Nachbarn, Bekannte, Kollegen
Hersteller und Handel: Werbung, Verkaufspersonal, Verpackungen, Schaufenster, Internet
Allgemein zugängliche Quellen: Massenmedien, Stiftung Warentest und ähnliche Institu-
tionen
Produkterfahrungen: Betrachten, untersuchen und nutzen des Produkts
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Der Einfluss dieser Informationsquellen hängt vom Produkt und vom Käufer ab. Im Allge-
meinen lässt sich sagen, dass ein Verbraucher den größten Anteil der Information von den
Herstellern und aus dem Handel bezieht, also aus Quellen, die durch das Marketing beein-
flusst werden können. Doch üben Quellen aus dem persönlichen Umfeld, also Familie,
Freunde, Nachbarn usw., den größten Einfluss aus. Beim Erwerb von Dienstleistungen (z.B.
Reisen) ist der Einfluss der persönlichen Quellen besonders hoch. Es scheint eine Funktions-
teilung dahin gehend zu geben, dass Hersteller und Handel den Kaufinteressenten informie-
ren, während das persönliche Umfeld den beabsichtigten Kauf prüft und bei der Bewertung
der Produkte mitwirkt.
Nur wenige Werbekampagnen sind so effektiv wie Unterhaltungen zwischen Nachbarn, die
über den Gartenzaun hinweg ihre Erfahrungen mit neuen Produkten austauschen. Der
„Nachbarzaun“ wird dabei zunehmend digital. Moderne Verbraucher teilen ihre Meinungen,
Fotos und Erfahrungen kostenlos in den sozialen Medien. Und Käufer können neben Infor-
mationen über das infrage kommende Produkt eine Fülle an Nutzerbewertungen auf Seiten
wie Trivago, TripAdvisor oder Yelp finden. Während einzelne Nutzerbewertungen qualitativ
stark abweichen, bietet eine ganze Gruppe oftmals zuverlässige Einschätzungen – Erfahrun-
gen aus erster Hand von Menschen wie Ihnen, die das Produkt tatsächlich gekauft und aus-
probiert haben.
Je mehr Informationen vorliegen, desto besser weiß der Verbraucher über Marken und Pro-
dukteigenschaften Bescheid. Diese Informationen haben dazu beigetragen, einige Marken
auszuschließen. Ein Unternehmen sollte seinen Marketing-Mix so gestalten, dass die Ver-
braucher die Vorteile deutlich erkennen und positive Kenntnisse über das Produkt erwerben.
Falls dies nicht gelingt, scheitert der Anbieter beim Absatz seiner Produkte.
Ein Marketer muss deshalb wissen, welche anderen Marken die Konsumenten beim Produkt-
kauf berücksichtigen und welche Strategien die Wettbewerber verfolgen. Das Marketing
sollte auch die für die Kaufinteressenten relevanten Informationsquellen und deren Wichtig-
keit kennen. Dazu muss ermittelt werden, wie die Käufer zum ersten Mal von einer Marke
erfahren haben, welche Informationen sie darüber erhalten haben und welche Bedeutung sie
den einzelnen Informationsquellen beimessen. Auf Basis dieser Informationen kann man
dann die eigene Marketingplanung durchführen.
282
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess
Attribute
Kamera
Bildqualität Handhabung Kameragröße Preis
Sony 9 6 6 3
Ricoh 6 8 6 6
Nikon 8 7 8 6
Canon 4 6 8 9
Tabelle 5.3: Markenerwartungen bei Kameras
Dieser Konsument ist davon überzeugt, dass die Sony-Kamera die Punktzahl von 9 bei der
Bildqualität erreicht, nicht ganz einfach in der Handhabung ist (6 Punkte) sowie mittelgroß
(6 Punkte) und recht teuer ist (3 Punkte). Dieses Erwartungsschema wendet er auch für die
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
anderen Marken an. Um vorhersagen zu können, welche Kamera der Verbraucher kaufen
wird, sind weitere Überlegungen erforderlich. Die Vorhersage wäre denkbar einfach, wenn
ein Kameratyp bei allen Attributen am besten abschneiden würde. Liegen aber wie hier
unterschiedliche Ausprägungen vor, kann der Käufer sich die Entscheidung erleichtern,
indem er nur eine einzige Eigenschaft berücksichtigt. Wenn also der Preis am wichtigsten ist,
wird derjenige die Canon kaufen. Wenn jemand eine besonders einfache Handhabung
wünscht, entscheidet er sich für die Ricoh oder Nikon. Die meisten Käufer machen ihre Ent-
scheidung allerdings von mehreren Attributen abhängig, wobei sie jedem eine bestimmte
Wichtigkeit zuordnen. Kennt man die Gewichtung der einzelnen Produkteigenschaften, kann
man vorhersagen, welche Kamera der Verbraucher kaufen wird. Angenommen, er misst der
Bildqualität eine Wichtigkeit von 40 Prozent zu, der Handhabung 30 Prozent, der Größe 20
Prozent und dem Preis zehn Prozent, so ergibt sich durch Multiplikation daraus folgendes
Nutzenprofil:
Sony: 0,4(9) + 0,3(6) + 0,2(6) + 0,1(3) = 6,9
Ricoh: 0,4(6) + 0,3(8) + 0,2(6) + 0,1(6) = 6,6
Nikon: 0,4(8) + 0,3(7) + 0,2(8) + 0,1(6) = 7,5
Canon: 0,4(4) + 0,3(6) + 0,2(8) + 0,1(9) = 5,9
Daraus kann man folgern, dass dieser Konsument die Kamera von Nikon kaufen wird. Dieses
Modell bezeichnet man als Erwartungswertmodell der Konsumentenentscheidung. Es han-
delt sich dabei nur um eines von vielen möglichen Entscheidungsmodellen, das beschreibt,
wie Konsumenten bei der Auswahl vorgehen. Die Beurteilung von Alternativen kann sich
auch auf andere Art vollziehen. Zum Beispiel könnte jemand nur solche Kameras berück-
sichtigen, die ein bestimmtes Merkmal oder mehrere Merkmale unbedingt erfüllen müssen.
In diesem Fall muss die Kamera einen TV-Anschluss haben. Da dies nur auf die Sony-
Kamera zutrifft, entscheidet er sich dafür. Dies nennt man konjunktives Modell der Konsu-
mentenentscheidung. Oder aber derjenige legt Mindestwerte für die jeweiligen Attribute fest.
Zum Beispiel muss die Bildqualität mindestens 7 sein oder die Handhabung einen Wert von
mindestens 9 aufweisen. Dieser Konsument würde entweder die Kamera von Sony, Ricoh
oder Nikon wählen, da sie alle drei die gewünschten Anforderungen erfüllen. Dieses Modell
wird als disjunktives Modell der Konsumentenentscheidung bezeichnet.
Auf welche Weise Verbraucher Kaufalternativen vergleichen und bewerten, kommt auf den
einzelnen Käufer und die jeweilige Kaufsituation an. In einigen Fällen wenden Konsumenten
sorgfältige Berechnungen und logisches Denken an. In anderen Fällen unternehmen sie
kaum etwas oder gar nichts, um Alternativen zu vergleichen. Stattdessen vertrauen sie auf
ihre Intuition und tätigen einen Impulskauf. Manchmal trifft ein Verbraucher seine Kaufent-
scheidung allein, ein anderes Mal befragt er Freunde, Testzeitschriften oder das Verkaufsper-
sonal.
Aufgabe von Marketern ist es, herauszufinden, in welcher Weise Käufer die einzelnen Mar-
ken- und Produktalternativen vergleichen und bewerten. Wenn sie wissen, welche Auswahl-
und Vergleichsvorgänge sich abspielen, können sie Schritte zur Beeinflussung der Kaufent-
scheidung unternehmen. Nehmen wir einmal an, dass ein Verbraucher aufgrund der guten
Bildqualität sehr stark dazu neigt, die Kamera von Sony zu kaufen. Welche Strategien könnte
ein anderer Hersteller, zum Beispiel Nikon, jetzt noch einschlagen, um diesen Verbraucher
zu beeinflussen? Es gibt mehrere Möglichkeiten. Nikon könnte sein Kameramodell modifi-
zieren und eine leichtere und günstigere Version herausbringen, bei der dafür einige Ausstat-
tungsdetails fehlen. Nikon könnte versuchen, die Überzeugungen und Einstellungen der
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess
Kaufentscheidung
In der Bewertungsphase bringt der Käufer die einzelnen Marken in eine bestimmte Reihen-
folge und bildet daraus Kaufabsichten. Im Allgemeinen fällt die Kaufentscheidung des Kon-
sumenten so aus, dass er die von ihm bevorzugte Marke kauft. Zwei Faktoren können jedoch
zwischen Kaufabsicht und Kaufentscheidung noch stören (siehe Abbildung 5.22).
Einstellungen
anderer Personen
Bewertung Kauf-
möglicher Kaufabsicht
Alternativen entscheidung
Unerwartete
situative Faktoren
Abbildung 5.22: Kaufentscheidungsfindung – Phasen von der Bewertung möglicher Alternativen bis zur eigentlichen Kauf-
entscheidung
Zum einen sind dies die Einstellungen anderer Personen. Wenn zum Beispiel jemand, der
Ihnen nahesteht, der Ansicht ist, dass Sie die billigste Kamera kaufen sollten, nimmt die
Wahrscheinlichkeit ab, dass Sie eine teure Kamera kaufen werden. Dabei hängt der Einfluss
durch andere Personen davon ab, wie stark die Einstellungen dieser Personen einwirken und
wie groß die Bereitschaft ist, sich der Meinung dieser Personen anzuschließen bzw. unterzu-
ordnen.
Zum anderen unterliegt die Kaufabsicht auch noch unerwarteten situativen Faktoren. Der
Konsument bestimmt seine Kaufabsicht aufgrund bestimmter Faktoren wie z.B. erwartetes
Familieneinkommen, erwarteter Preis oder erwarteter Nutzen durch das gekaufte Produkt.
Steht der Käufer kurz vor dem Kauf, können unerwartete Situationen eintreten und die Kauf-
absicht ändern. So könnte sich ein anderer Kauf als viel dringender erweisen, zum Beispiel
wenn der Kühlschrank oder die Waschmaschine plötzlich nicht mehr funktioniert. Oder ein
Freund von Ihnen berichtet, dass er mit der ausgesuchten Kamera schlechte Erfahrungen
gemacht hat. Dementsprechend münden Präferenzen und sogar konkrete Kaufabsichten
nicht immer in einen tatsächlichen Kauf. Präferenzen und Kaufabsichten geben die Tendenz
für das Kaufverhalten vor, aber nur selten bestimmen sie allein das Ergebnis.
Die Entscheidung eines Konsumenten, seine Kaufabsicht zu ändern, aufzuschieben oder
nicht mehr durchzuführen, wird stark vom wahrgenommenen Risiko bestimmt. Viele Käufe
sind mit einem gewissen Risiko behaftet. Wenn die Verbraucher sich über den Erfolg des
Kaufs nicht sicher sind, können sich Bedenken und Angst einstellen. Die Intensität des wahr-
genommenen Risikos hängt von der Höhe der Ausgabe, vom Grad der Unsicherheit und vom
Selbstvertrauen des Konsumenten ab. In dieser Phase unternehmen viele Kaufinteressenten
285
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
absichernde und risikomindernde Maßnahmen wie zum Beispiel die Verschiebung des
Kaufs, das Einholen zusätzlicher Informationen oder aber die Bevorzugung von Produkten,
die eine umfassende Garantie bieten. Eine gute Marketingabteilung kennt die Risiko auslö-
senden Faktoren und bietet dem Konsumenten daher geeignete Informationen und Unterstüt-
zungsmöglichkeiten, die das wahrgenommene Risiko senken sollen.
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess
Ein unzufriedener Kunde reagiert anders. Während ein zufriedener Kunde drei Personen von
seinen guten Erfahrungen erzählt, berichtet ein unzufriedener Kunde elf Personen von seiner
Unzufriedenheit. Eine Studie ergab sogar, dass 13 Prozent der Personen, die mit einem
Unternehmen Probleme hatten, sich darüber bei mehr als zwanzig Personen beklagten. Es ist
klar zu erkennen, dass sich negative Mundpropaganda schneller und weiter verbreitet als
positive. Dies schadet dem Unternehmen insofern, als sich negative Einstellungen gegenüber
dem Unternehmen und dessen Produkten aufbauen.
Daher tun Unternehmen gut daran, die Kundenzufriedenheit regelmäßig zu messen. Sie kön-
nen sich schließlich nicht darauf verlassen, dass sich die unzufriedenen Käufer mit ihren
Beschwerden und Klagen an sie wenden. Ganz im Gegenteil, man weiß, dass sich 96 Prozent
der unzufriedenen Käufer nie beim Unternehmen melden. Aus diesem Grund sollten Unter-
nehmen Maßnahmen einführen, welche die unzufriedenen Kunden dazu ermutigen sollen,
ihre Beschwerden einzureichen. Auf diese Weise erfährt das Unternehmen, wie seine Pro-
dukte beurteilt werden und wo Verbesserungen nötig oder möglich sind.
In vielen Fällen versuchen unzufriedene Käufer, die empfundene kognitive Dissonanz durch
verschiedene Handlungen zu reduzieren. Falls Sie mit dem Kauf einer Kamera von Nikon
unzufrieden sind, können Sie diese umtauschen. Sie können sich aber auch Werbeanzeigen
von Nikon anschauen, in denen die Vorzüge der Kamera betont werden, oder aber Sie zeigen
die Kamera Ihren Freunden, die Ihnen daraufhin bestätigen, wie toll sie diese finden. Viel-
leicht vermeiden Sie es gänzlich, über Kameras zu lesen, um nicht auf ein besseres Angebot
zu stoßen.
Neben einem funktionierenden Beschwerde-Management können Unternehmen weitere
Dinge tun, um die Unzufriedenheit in der Nachkaufphase zu senken und den Kunden hin-
sichtlich ihres Kaufs ein gutes Gefühl zu verschaffen. Beispielsweise schreibt Toyota Neuwa-
genbesitzer an und gratuliert ihnen zum Kauf eines tollen Wagens. Außerdem wirbt das
Unternehmen mit zufriedenen Toyota-Fahrern, die positiv über ihr Auto sprechen, und
nimmt Anregungen und Verbesserungsvorschläge der Kunden entgegen.
Die Bedürfnisse des Kunden und den Kaufentscheidungsprozess als Ganzes zu verstehen, ist
die Grundlage für erfolgreiches Marketing. Wenn man die Phasen Bedarfswahrnehmung,
Informationssuche, Bewertung von Alternativen, Kaufentscheidung und Verhalten in der
Nachkaufphase begreift, kann man wertvolle Hinweise darauf erhalten, wie man die Bedürf-
nisse der Konsumenten besser befriedigen kann. Durch die Kenntnis der Kaufakteure und
deren jeweiligen Einfluss auf die Kaufentscheidung können effiziente Marketingpläne und
attraktive Angebote für den Zielmarkt entwickelt werden.
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Als Adoptionsprozess bezeichnet man den mentalen Vorgang, den ein Individuum vom ers-
ten Kontakt mit einem neuen Produkt bis hin zu dessen endgültiger Annahme, d.h. seiner
regelmäßigen Nutzung, durchläuft.
Individuelle Adoptionsbereitschaft
Bei der Bereitschaft, Neuheiten anzunehmen, bestehen große Unterschiede. In jeder Produkt-
kategorie gibt es sogenannte Innovatoren. Dies sind Verbraucher, welche die Neuheiten sehr
früh annehmen. Andere Konsumenten akzeptieren Neuheiten erst viel später. Dies hat zu
einer Unterteilung der Verbraucher entsprechend ihrem Grad an Innovationsbereitschaft und
ihren Adoptionszeiten geführt, wie in Abbildung 5.23 veranschaulicht wird.
Abbildung 5.23: Adoptionskurve: Unterschiede des Käuferverhaltens bei der Einführung von neuen Produkten
Nach einem verhaltenen Start nimmt die Anzahl der Personen, die das neue Produkt verwen-
den, schnell zu. Nach Erreichung eines Höhepunkts fällt die Kurve wieder ab, da nun ledig-
lich ein kleiner Anteil übrig ist, der das Produkt nicht angenommen hat. Die ersten 2,5 Pro-
zent, die das neue Produkt akzeptieren, sind die Innovatoren. Die nächste Gruppe der frühen
Adopter (oder Nachahmer) beläuft sich auf 13,5 Prozent. Dann folgen zunächst die frühe
Mehrheit, also der schnellere Teil der Mehrheit, dann die späte Mehrheit, also der langsa-
mere Teil der Mehrheit, und zum Schluss die Nachzügler.
288
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess
289
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
5 https://www.vprt.de/hdtv/content/tv-monitor-2017-deutliches-wachstum-beim-hdtv-empfang,
16.04.2018
290
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Zusammenfassung
Z US A M M EN FA SSU N G
Bevor Marketingstrategien entwickelt werden, muss der jeweilige Markt als Ganzes ver-
standen werden. Der Konsumentenmarkt besteht aus Gütern und Dienstleistungen für
den persönlichen Verbrauch, wobei sich die Konsumenten sehr stark in Bezug auf Alter,
Einkommen, Bildung, Geschmack und andere Faktoren unterscheiden. Das Marketing
muss verstehen, wie die Konsumenten Marketingmaßnahmen und andere Stimuli in
Kaufreaktionen umsetzen. Das Konsumentenverhalten wird durch die Charakteristika
des Käufers und seinen Kaufentscheidungsprozess beeinflusst. Die Charakteristika des
Käufers setzen sich aus vier Hauptfaktoren zusammen: kulturelle, soziale, persönliche
und psychologische Größen.
Die Kultur ist der ausschlaggebende Faktor für die Wünsche und das Verhalten einer
Person. Dazu gehören Grundwerte, Wahrnehmungen, Präferenzen und das Verhalten,
das eine Person in der Familie und in weiteren Schlüsselinstitutionen erlernt. Marke-
tingfachleute suchen dabei besonders nach kulturellen Veränderungen oder Verschie-
bungen, woraus neue Arten, Kundenbedürfnisse zu befriedigen, resultieren. Soziale
Klassen sind Gruppen, deren Mitglieder ähnliche Positionen in der Gesellschaft einneh-
men. Die Einordnung basiert auf Berufstätigkeit, Einkommen, Bildung, Vermögen und
anderen Variablen. Es ist davon auszugehen, dass Menschen, die unterschiedlichen Kul-
turen, Subkulturen und sozialen Klassen angehören, auch unterschiedliche Produkt-
und Markenpräferenzen aufweisen.
Soziale Faktoren beeinflussen ebenfalls das Konsumentenverhalten. Die Referenzgruppen
einer Person wie Familie, Freunde, Vereine oder Berufsverbände haben einen starken Ein-
fluss auf die Produkt- und Markenwahl. Die Position einer Person innerhalb einer derarti-
gen Gruppe kann als Rolle und Status definiert werden. Ein Konsument bevorzugt diejeni-
gen Produkte und Marken, die seiner Rolle und seinem Status entsprechen.
Weiterhin beeinflussen Alter und Lebensphase, berufliche Tätigkeit, finanzielle Situa-
tion, Lebensstil und Persönlichkeit des Verbrauchers neben weiteren persönlichen und
psychologischen Faktoren die Kaufentscheidung. Die Bedürfnisse junger Käufer unter-
scheiden sich erheblich von denen älterer Käufer, frisch Verheiratete haben andere
Bedürfnisse als ältere Paare im Ruhestand und Verbraucher mit hohem Einkommen kau-
fen anders ein als solche, die finanziell eher eingeschränkt sind.
Mit zunehmender Komplexität einer Kaufsituation steigen auch die Anzahl der am Kauf
beteiligten Personen und der Grad an Involvement. Die wichtigsten Arten von Kaufver-
halten sind: komplexes Kaufverhalten, Dissonanz reduzierendes Kaufverhalten, habitu-
alisiertes Kaufverhalten und Variety Seeking.
Wenn etwas gekauft werden soll, durchläuft der Konsument einen mehrstufigen Ent-
scheidungsprozess, der aus Bedürfniswahrnehmung, Informationssuche, Bewertung
von Alternativen, Kaufentscheidung und Aufarbeitung des Kaufs in der Nachkaufphase
besteht. Aufgabe des Marketings ist es, das Konsumentenverhalten und die jeweiligen
Einflüsse darauf in jeder dieser Stufen nachzuvollziehen. Damit wird die Grundlage
geschaffen, für jeden Zielmarkt ein funktionierendes Marketingprogramm zu entwi-
ckeln. In Bezug auf neue Produkte lässt sich sagen, dass die Verbraucher darauf unter-
schiedlich schnell reagieren, was von den persönlichen Charakteristika der Konsumen-
ten und von den Produktmerkmalen abhängt. Die Anbieter sollten gezielt versuchen, die
Aufmerksamkeit der Innovatoren und frühen Adopter – insbesondere der Meinungsfüh-
rer in den Gruppen – auf ihre Produkte zu lenken.
291
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Das Kaufverhalten einer Person ist das Ergebnis eines komplizierten Zusammenspiels
all dieser kulturellen, sozialen, persönlichen und psychologischen Faktoren. Obwohl
das Marketing die wenigsten davon beeinflussen kann, sind sie doch bei der Identifizie-
rung potenzieller Käufer hilfreich. Mit diesem Wissen kann man Strategien entwickeln,
um Konsumenten vom eigenen Produkt zu überzeugen.
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Literatur und Quellen
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten
Schiffman, Leon G., Kanuk, Leslie Lazar: Consumer Behavior, Upper Saddle River, Prentice Hall
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Smithers, Rebecca: „How much does it cost to raise a child?“, in: Guardian (23.02.10), unter:
www.guardian.co.uk/news/datablog/2010/feb/23/cost-raising-child?intcmp=srch [01.10.2011].
Solomon, Michael R.: Consumer Behavior: Buying, Having, and Being, Upper Saddle River, Pren-
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Solomon, Michael, Bamossy, Gary, Askegaard, Søren: Konsumentenverhalten: Der europäische
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Story, Louise: „Anywhere the eye can see, it’s now likely to see an ad“, in: New York Times
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The Software Unit Sales and Sales Value estimates are provided by Screen Digest (Dezember
2009), in: Video Gamers in Europe 2010, vorbereitet für: The Interactive Software Federation of
Europe von Game Vision Europe, Webseite unter: www.isfe-eu.org/index.php?oidit=t001:
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Tremor, Webseite von Tremor unter: www.tremor.com/revealing-case-studies/crest-weekly-clean
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Trommsdorff, Volker, Teichert, Thorsten: „Konsumentenverhalten“, 8., vollständig überarbeitete
Auflage, Stuttgart 2011.
UNITED BLOGS OF BENETTON, Webseite der United Blogs of Benetton unter: http://blog.benet-
ton.com [01.10.2011].
Woodyard, Chris; Horvitz, Bruce: „GM, Ford are latest offering help to those hit by job loss“, in:
USA Today (01.04.09)
294
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Märkte für Industriegüter –
Besonderheiten des Business-
to-Business-Marketings
ÜBERBLICK
6.4 Handel von Industriegütern über das Internet . . . 319
6.5 Der öffentliche Sektor als Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . 322
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... Märkte für Industriegüter definieren und diese von Konsumgütermärkten unter-
scheiden.
... die wichtigsten Faktoren aufzählen, die das Kaufverhalten von Unternehmen und
Organisationen prägen.
... die Schritte des Kaufentscheidungsprozesses in einem Unternehmen oder in einer
Organisation beschreiben.
... Unterschiede bei Kaufentscheidungen öffentlicher Institutionen und staatlicher
Stellen formulieren und erklären, wie diese ihre Kaufentscheidungen treffen.
6.1 Einführung
Im letzten Kapitel haben wir uns mit dem Kaufverhalten von Endverbrauchern beschäftigt
und den Faktoren, die dieses beeinflussen. In diesem Kapitel werden wir das Gleiche für
Geschäftskunden machen – also solche Kunden, die Waren und Dienstleistungen kaufen, um
damit eigene Waren und Dienstleistungen herzustellen, die sie wiederum an andere verkau-
fen. Ähnlich wie beim Verkauf an Endkunden müssen Unternehmen beim Marketing für
Geschäftskunden deren Aufmerksamkeit gewinnen und profitable Kundenbeziehungen auf-
bauen, indem sie einen außergewöhnlichen Kundennutzen schaffen.
Starten wir mit einer Fallstudie zur Firma UPS, die Sie wahrscheinlich als Unternehmen für
die Paketlieferung in Ihrer Nachbarschaft kennen. Es zeigt sich allerdings, dass der größte
Anteil des Geschäfts von UPS nicht auf solche Kunden entfällt, sondern auf Geschäftskun-
den wie große Unternehmen. Um im B2B-Markt erfolgreich zu sein, muss UPS mehr leisten,
als lediglich Pakete abzuholen und auszuliefern. Es geht um eine enge Zusammenarbeit mit
den Kunden, um deren bevorzugter Logistikpartner zu werden.
Erwähnt man UPS, denken die meisten Menschen sofort an die vertrauten braunen Lkw
mit freundlichen Fahrern, die durch die Nachbarschaft rumpeln und Pakete verteilen.
Mit der europäischen Zentrale in Brüssel und seinem Hauptumschlagplatz am Flugha-
fen Köln/Bonn ist UPS einer der großen Akteure in der europäischen und globalen
Logistik. Allein in Europa bedienen rund 44.000 Beschäftigte etwa 11.500 Kontroll-
punkte mit fast einer halben Million Quadratmeter an Lagerfläche. Weltweit liefern die
Fahrer in ihren braunen Uniformen mehr als 4,3 Milliarden Pakete pro Jahr aus. Dabei
gehen rund 400 Flüge ab und nach Europa – und das täglich.
296
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6.1 Einführung
Ein Großteil der Umsätze von UPS stammt jedoch nicht aus der Belieferung von Privat-
kunden, sondern von Geschäftskunden, die die Pakete versenden. Und für die
Geschäftskunden leistet UPS mehr als für die pünktliche Zustellung von Omas Paket
aus dem Urlaub. Für Unternehmen ist der Paketversand nur ein Teil eines wesentlich
komplexeren Logistikprozesses, der Bestellungen, Inventuren, Auftragsstatus-Kontrol-
len, Rechnungen, Zahlungsverkehr, Rücksendungen von Ware, Lieferfahrzeug-Flotten
und sogar internationale grenzüberschreitende Transaktionen beinhaltet. Unternehmen
brauchen zeitnahe Informationen über ihre ausgehenden und eintreffenden Pakete –
was enthalten sie, wo befinden sie sich gerade, an wen sind sie adressiert, wann kom-
men sie an und wie hoch ist die Rechnung. UPS weiß, dass solche Logistikprozesse für
viele Firmen ein echter Albtraum sein können.
Hier kommt UPS ins Spiel. Denn Logistik ist genau das, was UPS am besten kann. Im
Laufe der Jahre entwickelte sich UPS zu weit mehr als nur einem Paketlieferdienst für
die Nachbarschaft. Heute ist UPS ein 44 Milliarden Euro schweres Großunternehmen,
das eine Vielzahl globaler Logistiklösungen bietet. Während viele Geschäftskunden den
Umgang mit Logistikprozessen scheuen, wirbt UPS mit dem Slogan: „We ? logistics“.
Nach Ansicht von UPS ist „die neue Logistik die stärkste Kraft im modernen Geschäfts-
leben“. Es geht um mehr, als Waren auf effiziente Weise und pünktlich dorthin zu brin-
gen, wo sie gebraucht werden. „Bei Logistik geht es um die Bewegung von Waren als
Wettbewerbsvorteil“, sagt das Unternehmen. „Sie erleichtert Ihnen das Tagesgeschäft.
Sie können Ihre Kunden besser bedienen. Und Logistik kann Ihrem Unternehmen beim
Wachsen helfen. Es ist eine völlig neue Denkweise.“
297
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
Wenn es also um die neue Logistik überall auf der Welt geht, ist UPS wahrscheinlich kom-
petenter als jedes andere Unternehmen. UPS bietet seinen Geschäftskunden effiziente
multimodale Verpackungen sowie Dienstleistungen im Post- und Frachtversand. Darüber
hinaus kann es Kunden bei der Rationalisierung des Einkaufs, der Verschlankung der
Inventurprozesse, der Auftragsabwicklung, der Lagerhaltung, der Zusammenstellung und
sogar der Anpassung von Produkten unterstützen und die Garantieleistungen für Repara-
turen und Rücksendungen nach dem Verkauf steuern. Im Geschäftskundenfeld leistet
UPS also mehr als nur die reine Paketauslieferung. Als Logistikpartner arbeitet das Unter-
nehmen Hand in Hand mit den Geschäftskunden und unterstützt sie bei der Gestaltung
und Verfeinerung ihrer gesamten Logistikstrategie und Betriebsführung.
UPS ist bestens ausgestattet, um die logistischen Bedürfnisse für quasi alle Unterneh-
mensgrößen zu regeln. Das Unternehmen beschäftigt fast 400.000 Mitarbeiter, verfügt
über eine Flotte von fast 100.000 Lieferfahrzeugen, betreibt die neuntgrößte Airline der
Welt und hat 1.907 Standorte in über 220 Ländern. Der Vertriebsriese ist gleichzeitig der
größte internationale Zollspediteur. Mit rund 882 internationalen Flügen pro Tag zu
oder von weltweiten Bestimmungsorten kann UPS seine Geschäftspartner auch bei der
Abwicklung des komplexen internationalen Frachtwesens begleiten.
Auf einer allgemeinen Ebene kann UPS einfach für den Paketversand eines Unterneh-
mens eingesetzt werden. Auf einer tiefer gehenden Ebene kann UPS die Firmen jedoch
auch bei der Verbesserung der eigenen gesamten Logistikabwicklung beraten. Es kann
Großkunden bei der Neuausrichtung der Logistiksysteme unterstützen, um den Fluss
von Waren, Finanzen und Informationen in beide Richtungen der Lieferkette besser zu
synchronisieren. Geht man noch eine Ebene tiefer, können die Unternehmen UPS auch
mit der Übernahme und Abwicklung eines Teils oder auch des gesamten Logistikbe-
triebs beauftragen. Der Elektronikhersteller Toshiba hat beispielsweise den gesamten
Bereich der Reparaturabwicklungen von PCs und Laptops an UPS übertragen – mit
allem Drum und Dran. Die Logistikprozesse von UPS halfen Toshiba bei der Lösung
eines der größten Probleme, nämlich der Durchlaufzeit bei Laptop-Reparaturen. Mike
Simons von Toshiba meint dazu: „Als wir UPS beauftragten, waren sie für uns (nur) ein
Paketdienst, der einen PC aus der Fabrik zum Kunden transportiert. Als wir uns dann
aber mit ihnen zusammensetzten und unsere gesamte Lieferkette betrachteten, dabei
auch über Reparaturabwicklungen und Ersatzteilverwaltung sprachen, entwickelte sich
aus der Zusammenarbeit sehr viel mehr.“ Heute schicken Kunden ihre reparaturbedürf-
tigen Laptops an eine besondere UPS-Stelle in der Nähe des Worldport-Luftfrachtzent-
rums. Hier nehmen UPS-Mitarbeiter die Pakete in Empfang, ermitteln die Probleme zur
Feststellung des Reparaturbedarfs, entnehmen die benötigten Ersatzteile, führen die
Dienstleistung rasch aus und senden die Geräte an die Besitzer zurück. UPS kann einen
Laptop mittlerweile in nur einem Tag reparieren und versenden und damit einen Repa-
raturdienst, der seinerzeit vom Versand bis zum Wiedereintreffen beim Kunden zwei bis
drei Wochen beanspruchte, auf vier oder weniger Tage verkürzen. Gemeinsam haben
UPS und Toshiba die Erfahrungen, die Kunden mit dem Reparaturdienst machen,
erheblich verbessert.
298
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6.1 Einführung
Und was tut der „große Braune“ nun für seine Kunden? Die Antwort hängt davon ab,
wer der Kunde ist. Für die Menschen in der Nachbarschaft bietet UPS mit seinen
bekannten Fahrzeugen den einfachen und effizienten Abhol- und Lieferdienst. Im
Geschäftsbereich jedoch entwickelt das Unternehmen immer tiefer gehende Kundenbe-
ziehungen. UPS-Mitarbeiter arbeiten tatkräftig und eng mit den Geschäftskunden
zusammen, um ein weitreichendes Angebot an Logistikdiensten zu bieten. Diese erlau-
ben es dem Kunden, die eigenen Logistikprozesse zu verfeinern, Kosten zu senken und
bessere Dienstleistungen zu erbringen. UPS leistet mehr als nur Paketversand, es wird
zu einem strategischen Logistikpartner. „Etwas, das wir über UPS gelernt haben, ist ihre
Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit“, sagt Simon von Toshiba. „Sie
haben das Erlebnis, das wir für unsere Kunden schaffen möchten, wirklich verstanden.“
Fragen
1. Wodurch unterscheidet sich UPS’ Markt für Privatkunden von jenem für Geschäfts-
kunden?
2. Wie reagiert UPS auf die Faktoren der unterschiedlichen Märkte?
3. Wie kann die Zusammenarbeit von UPS mit Geschäftskunden charakterisiert wer-
den?
Die meisten großen Unternehmen verkaufen ihre Produkte überwiegend an andere Unterneh-
men und nicht an den Endverbraucher. Die Produkte gehen als Vorleistungen in die Produkte
und Dienstleistungen ihrer Kunden ein. Dies gilt sowohl für Unternehmen der Elektroindus-
trie (Siemens) und der chemischen Industrie (BASF) als auch für solche der Bauwirtschaft
(Bilfinger), der Computerbranche (IBM) und Zulieferer der Automobilhersteller (Continen-
tal). Auch große Unternehmen der Konsumgüterindustrie verkaufen ihre Produkte zunächst
als Industriegüter an andere Unternehmen oder als Handelsware an den Groß- und Einzel-
handel.
Im Folgenden werden die Verkäufe an Unternehmen als Verkäufe von Industriegütern
bezeichnet, ungeachtet dessen, ob sie als Industriegüter in die Produktion eingehen oder
Käufe des Handels sind. Industriegütermärkte umfassen alle Organisationen, die Güter und
Dienstleistungen nachfragen, um sie in der eigenen Produktion von anderen Erzeugnissen
und Dienstleistungen zu verwenden, sie weiterzuverkaufen oder zu vermieten, zu verleasen
oder auf andere Weise gewerblich zu verwenden. Die zugehörigen Kaufentscheidungsvor-
gänge können als Kaufentscheidungsprozesse in Unternehmen und anderen Institutionen
bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um die Entscheidungsprozesse, bei denen instituti-
onelle Käufer einen Bedarf feststellen und anschließend Produkte alternativer Marken und
Lieferanten identifizieren, überprüfen und auswählen. Unternehmen, die den Absatz an
andere Wirtschaftsunternehmen anstreben, müssen alles tun, um die Märkte für Industriegü-
ter und das Kaufverhalten der Institutionen (Unternehmen, Organisationen) zu verstehen,
um ihnen größtmöglichen Nutzen stiften zu können und profitable Kundenbeziehungen auf-
zubauen.
299
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
Kaufentscheidungsprozess
Am Beschaffungsprozess sind mehrere Personen beteiligt.
B-to-B-Käufer treffen komplexere Kaufentscheidungen.
Der Kaufprozess von Industriegütern ist stärker formalisiert und erfolgt professionell.
Im B-to-B-Markt arbeiten Verkäufer und Abnehmer eng zusammen und bauen langfristige Beziehungen auf.
Tabelle 6.1: Charakteristika von Industriegütermärkten
300
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6.2 Märkte für Industriegüter
Der Kaufentscheidungsprozess
Unternehmen und Organisationen stehen gewöhnlich komplexeren Kaufentscheidungen
gegenüber als Endverbraucher. Beim Kauf von Industriegütern ist eine große Anzahl von Per-
sonen am Entscheidungsprozess beteiligt und die Käufer verfügen in der Regel über eine
höhere Professionalität. Häufig werden die Käufe von gut ausgebildeten Einkäufern durchge-
führt, die in ihrem ganzen Berufsleben nichts anderes gemacht haben als zu lernen, wie man
am günstigsten einkauft. Je komplexer der Kauf ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass meh-
rere Personen in die Kaufentscheidung einbezogen werden. Für einen umfangreichen Ein-
kauf von Rohstoffen und Vorprodukten setzen sich in der Regel Projektgruppen aus Kaufleu-
ten, Technikern und Mitgliedern der Geschäftsleitung zusammen. Die Anbieter von
Industriegütern müssen über ein gut ausgebildetes Verkaufs- und Außendienstpersonal ver-
fügen, um mit den geschulten Einkäufern der Kunden erfolgreich verhandeln zu können.
Mit den Käufen sind häufig hohe Ausgaben, komplexe technische und wirtschaftliche Über-
legungen und das Zusammenwirken zwischen vielen Beteiligten auf allen Ebenen der kau-
fenden Organisation verbunden. Aufgrund dieser Komplexität benötigen Unternehmen und
301
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
Organisationen oftmals viel Zeit, bis sie ihre Kaufentscheidung treffen. Der Kauf eines großen
Computersystems kann sich zum Beispiel über mehrere Monate bis zu mehr als einem Jahr
erstrecken und mehrere Millionen Euro kosten. Vor und während der Installation gilt es,
viele technische und organisatorische Einzelheiten zu klären. Innerhalb der kaufenden Orga-
nisation sind viele Mitarbeiter an diesen Arbeiten beteiligt, von der Geschäftsleitung über
mittlere Führungskräfte bis hin zu den Computernutzern.
Das nachfolgende Highlight zeigt am Beispiel des Kaufs eines eigenen Geschäftsjets, auf wen
sich das Marketing richten sollte und wer in derartige Entscheidungsprozesse eingebunden
werden sollte.
Das Wort „Jet Set“ wurde einst benutzt, um Reiche und Berühmte zu bezeichnen, die
sich in den ersten Jahren des Düsenzeitalters regelmäßig die Reise mit einem Flugzeug
leisten konnten. Heute ist dies nichts Besonderes mehr, nahezu jeder kann sich Flugrei-
sen leisten, wenn er möchte.
Die Reise mit dem eigenen Flugzeug ist hingegen etwas Besonderes geblieben und war
bisher Berühmtheiten wie Bill Gates oder Madonna vorbehalten. Obwohl die Finanz-
krise nachhaltige Spuren in der Business-Jet-Branche hinterlassen hat und mittlerweile
das Geschäftsmodell, Geschäftsjets im Teileigentum zu erwerben, – bspw. bei NetJets –
besteht, gibt es nach wie vor einen Markt für unternehmenseigene Flugzeuge. Zwar
bleibt die Zahl an jährlich verkauften Business-Jets auf konstantem Niveau, es gibt aber
einen Trend zu größeren langstreckentauglichen – und damit teureren – Business-Jets.
Business-Jets kosten mehrere Millionen Euro, doch bei näherer Betrachtung erweisen
sich unternehmenseigene Flugzeuge als sinnvolle Investition:
Die Kosten für Geschäftsreiseflugzeuge gehen zurück. Die typischen Betriebskosten
einer mit acht bis 19 Sitzen ausgestatteten Dassault Falcon 900EX betragen noch
1.500 Euro pro Betriebsstunde bei 1.000 Betriebsstunden jährlich. Schon bei vier Mit-
reisenden liegt der Anteil pro Person unter 400 Euro, das entspricht ungefähr dem
Preis der Businessklasse im Linienverkehr. Wenn acht Personen fliegen, sinkt der
Preis pro Person schon auf das Niveau der Economy Class, bei 16 Passagieren auf das
Niveau einer Last-Minute-Buchung.
Geschäftsreiseflugzeuge ermöglichen es, die knappste Ressource eines Unternehmens
– die Zeit der leitenden Mitarbeiter – sinnvoll einzusetzen. Richard Gaona von Air-
bus Industries dazu: „Es ist nicht die Geschwindigkeit eines Flugzeugs, die hier
zählt, es ist die Geschwindigkeit, mit der man sich an die Spitze des Wettbewerbs set-
zen kann.“ Diese Feststellung gewinnt immer mehr an Bedeutung, da verstärkte
Sicherheitsvorkehrungen sowie zunehmendes Verkehrsaufkommen den Linienflug
belastend und sehr zeitintensiv machen.
In einem eigenen Geschäftsflugzeug werden Sicherheit und Vertraulichkeit von
Daten und Informationen gewahrt, wie es auf einem Linienflug und selbst in einer
First-Class-Lounge nicht möglich ist. Auch während der Reise sind Besprechungen
möglich, die Maschine dient als Konferenzraum und als mobiles Büro.
302
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6.2 Märkte für Industriegüter
Am oberen Ende der Modellskala stehen große Maschinen wie der Airbus A319 oder
Boeing BBJ als fliegende, voll ausgestattete Apartments, die es ermöglichen, in nur
vier Tagen New York, Paris, Moskau, Peking und Tokio zu bereisen und dort
Geschäftstreffen durchzuführen.
Aus Sicht des Marketings ist es eine leichte Aufgabe, die möglichen Kunden auszuma-
chen. Die wenigen Organisationen, die es sich leisten können, einen Jet zu kaufen und
zu unterhalten, sind schnell identifiziert. Schwieriger ist es, die Hauptentscheidungsträ-
ger persönlich zu erreichen und ihre Motive sowie die Entscheidungsprozesse in ihrer
Organisation zu verstehen, um anschließend zu analysieren, welche Faktoren bei ihrer
Entscheidung wichtig sein werden. Für jeden Kaufinteressenten oder potenziellen Käu-
fer ist schließlich ein individueller Marketingansatz zu entwickeln.
In die Kaufentscheidung gehen sowohl rationale als auch subjektive Faktoren ein. Ein
Unternehmen, das einen Geschäftsjet kauft, wird zunächst die Qualität, die Leistungsfä-
higkeit, den Preis, die Unterhaltskosten und den Kundendienst beurteilen. Um den Auf-
trag zu erhalten, reicht es jedoch nicht aus, ein herausragendes Produkt anzubieten. Der
Anbieter muss auch den Faktor Mensch berücksichtigen, der auf die Kaufentscheidung
einwirkt. Laut Gulfstream, einem führenden US-Anbieter von Geschäftsflugzeugen,
kann der Kaufprozess von unterschiedlichen Personen angeregt werden:
dem Vorstandsvorsitzenden als dem eigentlichen Nutzer,
einem anderen Vorstandsmitglied, das die Sicherheit oder die Effizienz in einem
international tätigen Unternehmen verbessern will,
dem leitenden Piloten des Unternehmens,
durch Verkaufsbemühungen des Flugzeuganbieters wie zum Beispiel Werbung in
Zeitschriften, ein persönliches Anschreiben oder den Besuch eines leitenden Verkäu-
fers.
Der Vorstandsvorsitzende nimmt eine zentrale Stellung bei der Kaufentscheidung ein,
er wird aber beeinflusst durch:
den oder die Piloten des Unternehmens in allen flugtechnischen Fragen,
den Finanzvorstand des Unternehmens,
die übrigen Mitglieder des Vorstands.
Jeder Teilnehmer an diesem Kaufvorgang wirkt durch seine Rolle und seine Bedürfnisse
auf die Entscheidung ein. Ein Verkäufer, der den Finanzvorstand mit günstigen Konditi-
onen beeindruckt und den Piloten mit technischen Details überzeugt, wird das Flug-
zeug nicht verkaufen können, solange er die psychologischen und emotionalen Kompo-
nenten in dieser Kaufentscheidung übersieht. „Für einen solchen Verkauf brauchen Sie
alle auf Ihrer Seite. Wenn Sie das Kind im Manne nicht entdecken, das sich für die
Schönheit Ihres neuen Jets begeistert, werden Sie die Maschine nicht verkaufen. Erst
wenn Sie dem Kunden Abenteuer und Aufregung vermitteln, werden Sie den Jet auch
verkaufen“, so ein erfahrener Verkäufer von Gulfstream.
303
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
Der Pilot des Unternehmens hat in der Regel nicht nur ein Mitspracherecht, sondern ein
Vetorecht in allen Fragen, was die Ausrüstung angeht. Faktisch kann er den Kauf einer
bestimmten Maschine verhindern, wenn er sich zum Beispiel negativ über die Schlecht-
wetter-Flugeigenschaften einer Maschine äußert. Er beeinflusst also nicht nur, sondern
dient als „Informationsselektierer“ für diese Investition. Die Mitarbeiter der Rechts- und
der Einkaufsabteilung haben, obwohl sie für den Kaufvertrag zuständig sind und die
Beschaffung des Jets abwickeln, vergleichsweise wenig Mitspracherecht in Bezug auf
die Auswahl eines Flugzeugtyps. Die Nutzer des Flugzeugs, also das mittlere Manage-
ment und vielleicht auch wichtige Kunden, haben zumindest ein geringes Mitsprache-
recht.
Die Mitsprache derart vieler Personen bei der Kaufentscheidung lässt eine Gruppendy-
namik entstehen, die vom Anbieter schwer zu durchschauen ist.
Wer bildet das eigentliche Buying Center?
Welche Prioritäten haben die einzelnen Personen?
Wie findet die Abstimmung unterschiedlicher Interessen im Hause statt?
Wer dominiert die Entscheidungen, wer muss sich fügen?
Quellen:
Oliver Sutton, 'Buzjet business still buzzing', Interavia (September 1999), S. 30-3; Richard Lof-
thouse, 'Business jet is business sense', Interavia (September 1999), S. 121-4 und 'If you need to
know the price . . .', Interavia (September 1999), S. 127-30; 'Bombadier catches up with itself',
Interavia (September 1999), S. 147-8; 'When security is the issue', Interavia (September 1999), S.
154; EuroBusiness (August 2000); Bill Sweetman, 'Quiet supersonics in sight', Interavia (November
2001), S. 19-20; Kevin Done, 'Business jets "hold key to supersonic travel'' ', Financial Times (28.
Juli 2000), S. 8; Special Report, 'Corporate aviation', Financial Times (7. Mai 2003), S. I-IV; 'Con-
corde Special', The Independent (21 Oktober 2003); Ann Treneman, 'The part-time jet set', The
Times Magazine (8. November 2003), S. 48-52; Mariko Sanchanta, Companies International:
'Honda begins selling business jets', Financial Times (19. Oktober 2006); 'Boeing business jets sales
momentum continues with seven new orders', M2 Presswire (21. Mai 2007); Kevin Done, Compa-
nies International: 'Demand for business jets increases to record level', Financial Times (13. Feb-
ruar 2007); IQJETS, Webseite von IQJETS unter: www.iqjets.com/pages/investors [20.03.2015].
www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/dassault-bombardier-embraer-gulfstream-busi-
nessjets-beliebter-a-1012557.html [04.02.2018]
https://www.netjets.com/de-de/ [04.02.2018]
304
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6.2 Märkte für Industriegüter
triegütern arbeiten dagegen in allen Stadien des Kaufprozesses eng mit ihren Kunden
zusammen. Sie helfen ihnen dabei, Probleme zu benennen und optimale Lösungen zu finden
und unterstützen sie auch nach dem Kauf. Die Lieferanten passen die Produkte häufig genau
an den Bedarf des Kunden an. Auf kurze Sicht sind Produktbedarf und -lieferfähigkeit sowie
Kundendienstbedarf sicherlich die ausschlaggebenden Kriterien für die Auswahl des Liefe-
ranten. Aber in Industriegütermärkten spielen darüber hinaus insbesondere die Perspektiven
für eine langfristige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Anwender und Lieferant eine
entscheidende Rolle.
In den vergangenen Jahren änderte sich deshalb die Beziehung zwischen Lieferanten und
Anwendern in vielen Branchen von geradezu feindselig zu eher freundschaftlich. Immer
mehr Unternehmen bemühen sich, ein partnerschaftliches Verhältnis zu ihren Lieferanten
aufzubauen und ein dichtes und verlässliches Netz an Lieferanten zu schaffen (Lieferante-
nentwicklung). So ging Volkswagen neue Wege beim Aufbau von Lieferbeziehungen für das
Werk der Marke „Škoda“, indem kleine Produktionseinheiten der Zulieferer direkt im Werk
angesiedelt wurden. Hinterachsen, Sitze und Innenausstattung werden unter unternehmeri-
scher Führung der Lieferanten im Škoda-Werk hergestellt. Ein derartiges Modell geht noch
deutlich weiter als „Just-in-time“-Konzepte oder die Ansiedlung von Zulieferern in der Nähe
eines Werks.
305
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
Abbildung 6.3: Ein Modell des Käuferverhaltens beim Kauf von Industriegütern
Ähnlich wie beim Absatz von Konsumgütern bestehen die Anreize des Marketings, die auf
die Entscheidungsträger wirken, aus den vier Ps: Product, Price, Place, Promotion.
Andere Anreize aus dem gesellschaftlichen Umfeld beeinflussen ebenfalls die Entschei-
dungsträger im Buying Center und damit den Kaufentscheidungsprozess: Wirtschaft, Tech-
nik, Politik, Kultur sowie Wettbewerber und deren Aktionen und Reaktionen.
Diese Anreize werden von außen in die Organisation hineingetragen und dort in Käuferreak-
tionen umgesetzt:
Auswahl des Produkts oder der Dienstleistung
Auswahl des Lieferanten
Festlegung der Bestellmengen und der Lieferzeitpunkte
Vorgaben für Liefer-, Zahlungs- und Servicebedingungen
Innerhalb einer Organisation umfassen die Kaufaktivitäten zwei große Bereiche:
das Buying Center, bestehend aus allen Personen, die auf irgendeine Weise zur Kaufent-
scheidung beitragen
den Kaufentscheidungsprozess, das heißt den Gesamtablauf einer Kaufentscheidung
Um erfolgversprechende Marketing-Mix-Strategien zu entwerfen, müssen Marketingverant-
wortliche die Abläufe einer Kaufentscheidung innerhalb eines Unternehmens und die daran
beteiligten Akteure kennen. Nur so kann man erfolgreich Anreize setzen, die schließlich zum
Kauf führen.
306
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen
307
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
Abbildung 6.4: Drei Varianten der Kaufsituation beim Kauf von Industriegütern
Der Erstkauf Ein Unternehmen, das ein Produkt oder eine Dienstleistung zum ersten Mal
kauft, wird mit der Situation des Erstkaufs und einer noch nicht da gewesenen Aufgabe kon-
frontiert. Die Anzahl der Entscheidungsteilnehmer und die Intensität der Bemühungen,
genaue Informationen zu erhalten, wird umso größer sein, je größer die Kosten und vor allem
die zu erwartenden Risiken aus dieser Entscheidung für das Gesamtunternehmen sind. Die
Situation des Erstkaufs stellt die größte Herausforderung und Chance für einen Marketer dar.
Er kann versuchen, die Entscheidung an so vielen Punkten wie möglich zu beeinflussen und
Hilfe und Informationen für die Kaufentscheidung zu geben.
Die beschaffende Organisation trifft die wenigsten Entscheidungen bei einem identischen
Wiederkauf und die meisten bei einem Erstkauf. Bei Letzterem müssen die Käufer Entschei-
dungen treffen in Bezug auf Produktspezifikationen, Lieferanten, Preisgrenzen, Zahlungsbe-
dingungen, Bestellmengen, Lieferzeitpunkte und Kundendienstverpflichtungen. Die Reihen-
folge dieser Entscheidungen variiert mit jeder Kaufsituation und unterschiedliche
Entscheidungsträger beeinflussen jede der Teilentscheidungen.
Viele Käufer bevorzugen es, eine komplette Lösung für ein Problem von einem einzigen Ver-
käufer zu erwerben, anstatt Produkte und Dienstleistungen selbst über mehrere Lieferanten
zusammenstellen zu müssen. Der Auftrag geht in der Regel an den Anbieter, der das System
zu liefern vermag, welches den Bedarf des Käufers am besten deckt und sein Problem am
ehesten löst. Ein solcher Systemverkauf (oder Lösungsverkauf) ist oft eine Schlüsselkompo-
nente im Business-Marketing und entscheidend für das Gewinnen und Halten von Kunden.
Im Bereich der Anlagegüter spielt das Systemangebot als Marketinginstrument eine große
Rolle, wie der folgende Exkurs zeigt.
308
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6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen
Wenn zum Beispiel ein Staat oder heute ein privatisiertes Telekommunikationsunter-
nehmen in einem Schwellenland den Aufbau oder die Modernisierung eines Telefon-
netzes in Auftrag gibt, stellt der Anbieter, der hier Generalunternehmer genannt wird,
ein Paket aus den in Tabelle 6.2 genannten Bestandteilen zusammen:
Endgeräte (Telefon/Fax/Modem) liefern; im Bereich der Endgeräte eine nationale Produktion oder ein Gemein-
schaftsunternehmen (Joint Venture) starten
Kommunikationstechnische Infrastruktur: Verbindungszentralen für Städte und Regionen, große Anlagen in
Unternehmen und Dienststellen, Richtfunkstrecken, technische Voraussetzungen für internationale Übergänge
Energieversorgung aller Anlagen und Netze einschließlich Notstromversorgungen
Bauarbeiten für Telefonzentralen und Organisation, Richtfunktürme, Tiefbau für Kabelverlegungen
Kabel- und Glasfaserverbindungen einschließlich der Bauarbeiten
Satellitenübertragungsstationen einschließlich der Bauarbeiten
Computerausrüstung für Verbindungen, Verbindungsregistrierung, Gebührenerfassung und automatisierte
Fakturierung der Dienste
Ergänzende oder verwandte Dienste wie Mobilfunknetz, Datenübertragung, Wetterdatenübertragung, Flugsi-
cherung, Marine- und Küstenfunk, Geodäsie
Ausrüstung für Wartung, Erweiterungen und Aufnahme weiterer Dienste
Aushandeln internationaler Verträge und Kooperationen
Eventuell Verkauf von Überleitungsdienstleistungen an Nachbarstaaten
Schulung aller Mitarbeiterkategorien direkt und/oder indirekt über Fortbildung von Ausbildern und Multiplika-
toren
Unterstützung beim Marketing für bestehende und neue Produkte
Internationale Vermarktung der Produkte der aufgebauten Kommunikationsindustrien, Image-Aufbau als ver-
lässlicher Partner
Tabelle 6.2: Das Systemangebot als Instrument im Industriegütermarketing; Angebot eines Generalunternehmers für
den Aufbau eines Telefon- und Telekommunikationsnetzes in einem Schwellenland
Viele Anbieter des Anlagenbaus erkannten, dass die Käufer beziehungsweise Käufer-
staaten solche Angebote honorieren. Sie haben das Systemangebot als Marketinginstru-
ment entdeckt und entwickelt. Es umfasst zwei Stufen: Zunächst bietet der Verkäufer
nicht nur ein Produkt, sondern eine Gruppe in Zusammenhang stehender Produkte an.
Ein Hersteller von Industrieklebstoff bietet nicht nur den Klebstoff an, sondern auch
Klebepistolen und geeignete Klebeflächentrockner. Im nächsten Schritt ergänzt dieser
Hersteller sein Angebot zum kompletten branchentypischen Produktions- und Distribu-
tionssystem.
309
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
310
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen
In dem folgenden Fallbeispiel hat die indonesische Regierung den Bau einer Zementfab-
rik in Jakarta ausgeschrieben. Ein amerikanischer und ein japanischer Anbieter haben
ihre Angebote mit den entsprechend enthaltenen Teilleistungen eingereicht.
Den Zuschlag erhielt das japanische Unternehmen aufgrund der Gesamtbeurteilung des
Angebots.
Die Japaner waren kreativer und haben mehr angeboten als die amerikanische Konkur-
renz. Da die Unterstützung beim Absatz und der Vorschlag, Straßenbau und Hochbauten
durchzuführen, als Beitrag zur Regionalentwicklung gewertet wurden, erhielten die
Japaner trotz des höheren Angebotspreises den Zuschlag.
Bei diesem Vorhaben hat der japanische Anbieter den engen Blickwinkel des Systeman-
gebots (eine Zementfabrik anbieten) verlassen und Vorschläge gemacht, wie diese Fab-
rik auch einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes leisten kann. Er hat
sich eine weite Perspektive der Bedürfnisse seines möglichen Kunden zu eigen
gemacht. Dies ist als Systemmarketing im besten Sinn anzusehen.
311
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
312
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6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen
Teambestrebung, obgleich die Unternehmen beider Länder strukturell sehr ähnlich sind. Bei
Kaufentscheidungen verlassen sich schwedische Unternehmen in höherem Maße auf Techni-
ker, sowohl auf die eigenen als auch auf die der Anbieter, als es Unternehmen in anderen
Ländern tun.
Jedes Buying Center enthält normalerweise Teilnehmer, die zwangsläufig in die Kaufent-
scheidung einbezogen werden. So wird bei der Anschaffung eines Geschäftsjets der künftige
Pilot vermutlich immer zurate gezogen werden. Diesem Buying Center gehören neben dem
Piloten vermutlich ein Einkäufer, Mitglieder der Rechtsabteilung, ein Vorstandsmitglied und
weitere Personen, die formell mit der Kaufentscheidung zu tun haben, an. Manchmal sind
selbst für Mitglieder des Buying Centers nicht alle am Einkauf Beteiligten offen erkennbar.
Zum Beispiel kann ein Vorstandsmitglied, das selbst großes Interesse am Fliegen hat und
sehr viel von Flugzeugen versteht, im Buying Center mitwirken. Es könnte im Hintergrund
wirken und die Entscheidung in seinem Sinne beeinflussen. Viele Kaufentscheidungen von
Unternehmen und Organisationen werden auf diese Weise entscheidend durch die kompli-
zierten Interaktionen und die ständig wechselnden Zusammenhänge und Koalitionen im
Buying Center bestimmt.
313
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
Abbildung 6.6: Die wichtigsten Einflüsse auf das Kaufverhalten beim Industriegüterkauf
Umfeldbezogene Faktoren
Die Käufer in Unternehmen und Organisationen werden stark durch Größen aus dem gegen-
wärtigen und aus dem zu erwartenden wirtschaftlichen Umfeld beeinflusst, wie zum Bei-
spiel der Primärnachfrage, den wirtschaftlichen Aussichten und Aktivitäten der Wettbewer-
ber. Sobald die wirtschaftliche Unsicherheit zunimmt, schränken Unternehmen neue
Investitionen ein und versuchen, ihre Lagerbestände zu reduzieren.
Ein wichtiger Faktor sind Engpässe bei Rohmaterialien. Viele Unternehmen unterhalten
heute wieder größere Lagerbestände, um eine stabile Versorgung zu gewährleisten. Auch Ver-
änderungen aus den Bereichen Technologie, Politik oder Verhalten konkurrierender Unter-
nehmen wirken sich auf Mitglieder eines Buying Centers und deren Kaufentscheidungen
aus. Daneben können kulturelle Einflüsse und Sitten das Einkaufsverhalten von Unterneh-
men und Organisationen stark beeinflussen, dies gilt insbesondere im internationalen Marke-
ting. Marketingfachleute müssen diese Faktoren beobachten und in ihre Entscheidungen ein-
beziehen.
Innerorganisationale Faktoren
Jede Organisation, die als Käufer auftritt, hat ihre eigenen Zielvorstellungen, Richtlinien,
Prozesse, Strukturen und Systeme, die der Anbieter akzeptieren und verstehen muss. Für
diesen stellen sich folgende Fragen: Wie viele Personen sind an der Kaufentscheidung betei-
ligt? Wer sind die Personen? Was sind ihre Bewertungs- und Auswahlkriterien? Welche
Richtlinien und Limits setzt die Organisation ihren Einkäufern?
Interpersonelle Faktoren
Das Buying Center besteht aus vielen Teilnehmern, die sich gegenseitig beeinflussen. Für
einen Außendienstmitarbeiter des Anbieters ist es oft schwer, herauszufinden, welche inter-
personellen Beziehungen und gruppendynamischen Prozesse in die Kaufentscheidung ein-
gehen. Häufig sind die wirklich Mächtigen bei einer Kaufentscheidung für einen Außenste-
henden nicht zu erkennen. Der Teilnehmer des Buying Centers mit der höchsten Stellung hat
nicht zwangsläufig den größten Einfluss auf die Kaufentscheidung. Es gibt mehrere Gründe,
warum die einzelnen Personen im Buying Center eine Machtstellung haben und Einfluss auf
314
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen
die Kaufentscheidung nehmen: Sie können sanktionieren und belohnen, sie werden von
anderen Teilnehmern besonders geschätzt, sie besitzen spezielle Sachkenntnis oder es ver-
bindet sie eine besondere Beziehung mit anderen Teilnehmern, die ebenfalls ein großes Inte-
resse an der Angelegenheit haben. Diese interpersonellen Beziehungen sind oft sehr subtil.
Marketingverantwortliche müssen das Zusammenwirken der einzelnen Personen verstehen
und bei der Planung von Strategien berücksichtigen.
Für den Paket- und Brief-Express-Dienst DHL sind zum Beispiel Sekretärinnen und Assisten-
ten eine wichtige Zielgruppe. Sie erhalten von ihrem Chef den Auftrag, ein Paket zu verschi-
cken, haben aber oft die Ermessensfreiheit, das Kurierunternehmen auszuwählen. Aus die-
sem Grund versucht DHL in speziell auf diese Zielgruppe ausgerichteten Zeitschriften und
Magazinen zu werben.
Intrapersonelle Faktoren
Jede der an einer Kaufentscheidung mitwirkenden Personen bringt persönliche Motive,
Sichtweisen und Präferenzen in den Entscheidungsprozess ein. Diese Faktoren werden wie-
derum durch Charakteristika wie Alter, Einkommen, Bildung, berufliche Identifikation, Per-
sönlichkeit und Risikobereitschaft bestimmt. Darüber hinaus hat jeder Teilnehmer seinen
persönlichen Stil, mit dem er die Kaufentscheidung angeht. Einige mögen sehr analytisch
vorgehen und präzise Bewertungen der konkurrierenden Angebote vornehmen, bevor sie
ihre Empfehlung aussprechen. Andere wiederum gehen intuitiv vor und schrecken auch
nicht davor zurück, vor der Kaufentscheidung die Verkäufer gegeneinander auszuspielen.
Kaufsituationen
Modifizierter Identischer
Phasen des Kaufprozesses Erstkauf
Wiederkauf Wiederkauf
1. Problemerkennung ja vielleicht nein
2. Beschreibung des Bedarfs ja vielleicht nein
3. Festlegung der Produkteigenschaften ja ja ja
4. Suche nach Lieferanten ja vielleicht nein
5. Einholung von Angeboten ja vielleicht nein
6. Auswahl und Festlegung der Lieferanten ja vielleicht nein
7. Festlegung des Bestellverfahrens ja vielleicht nein
8. Überprüfung von Qualität und Leistungsfä- ja ja ja
higkeit der Lieferanten
Tabelle 6.5: Kaufentscheidungsprozess und Art des Kaufs
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
1. Phase: Problemerkennung
Ein Kaufvorgang wird eingeleitet, wenn jemand im Unternehmen ein Problem oder ein
Bedürfnis erkennt, das mit einem bestimmten Produkt oder einer bestimmten Dienstleistung
gelöst beziehungsweise befriedigt werden kann. Die Problemerkennung kann von internen
oder externen Anreizen ausgelöst werden. Ein interner Auslöser kann der Beschluss im
Unternehmen sein, dass ein neues Produkt angeboten werden soll. Möglicherweise verlangt
dieses neue Produkt neue Produktionsanlagen oder den Kauf bisher nicht bezogener Roh-
stoffe. Interne Auslöser sind zum Beispiel auch der Bedarf an Ersatzteilen für eine defekte
Maschine oder wenn ein Einkäufer die Lieferungen eines Zulieferers aus Gründen der Quali-
tät, des Services oder wegen des Preises negativ beurteilt und einen neuen Lieferanten sucht.
Externe Auslöser können sein: neue Ideen eines Einkäufers, der eine Messe besucht hat, oder
der Besuch eines Vertreters, der bessere Produkte oder niedrigere Preise anzubieten hat.
Industrielle Marketingexperten weisen die Kunden mit ihren Werbemaßnahmen häufig auf
mögliche Probleme hin und zeigen ihnen, wie ihre Produkte und Dienste bei der Lösung helfen
können. Ein Beispiel ist die ausgezeichnete Kampagne der Beratungsfirma Accenture mit dem
Titel: „High performance. Delivered“ (Starke Leistung. Abgeliefert). B-to-B Werbung verfährt
ebenso. Eine Anzeige von Accenture hebt die Notwendigkeit hervor, dass Unternehmen mit
der Entwicklung mobiler Technologien Schritt halten. „Ziehen Sie Ihre Kunden an?” fragt die
Werbung und zeigt Motten, die das helle Licht eines Smartphone-Displays umschwirren. Die
Lösung: „Wir helfen Kunden, Mobilität nicht nur zur Vernetzung mit Kunden einzusetzen –
sondern auch mit Mitarbeitern, Firmen und Maschinen auf webfähigen Geräten aller Art. Das
ist starke Leistung. Abgeliefert.“ Andere Kampagnen erzählen die Erfolgsgeschichte, wie
Accenture seinen Kunden bei der Ermittlung und Lösung vielfältiger Probleme helfen konnte.
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
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6.4 Handel von Industriegütern über das Internet
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
Eine gewisse Zeit lang galt B2B-Marketing als farblos, langweilig und wenig kreativ im
Vergleich zum B2C-Marketing für Marken wie Apple, Coca-Cola und Zara. Man hielt
B2B-Marketing für das einfallsloseste Gebiet im Bereich der kreativen Werbung. Das von
General Electric beworbene neue „Big Data“-Konzept – das Industrielle Internet –
beweist jedoch, dass dieses Vorurteil nichts mit der Realität zu tun hat, und steht für die
Revolutionierung sowohl des B2B als auch des Marketings.
The General Electric Company (GE) wurde 1892 in New York gegründet, hat eine lange
und weitschweifige Produkthistorie, die Düsentriebwerke, Turbinen, Lokomotiven,
elektrische Übertragungssysteme und Verteilungsmotoren sowie medizinische Bildtech-
nik umspannt (www.ge.com). In seiner Veröffentlichung „Industrial Internet: Pushing
the Boundaries of Minds and Machines“ aus dem Jahr 2012 legt GE eine umfangreiche
Agenda für die Zukunft seiner Geschäftstätigkeit fest: „Mit dem Aufstieg des Industriel-
len Internets steht die Welt an der Schwelle einer neuen Ära der Innovation und des
Wandels. Dieser vollzieht sich durch die Konzentration auf das globale Industriesystem,
das dank des Internets über die Macht fortschrittlicher IT, Analytik, kostengünstiger
Messverfahren und neuer Ebenen der Konnektivität verfügt.“ Die Forschungs- und Ent-
wicklungsabteilung von GE prägte den Begriff „Industrielles Internet“. Dabei wird eine
Vielzahl verbundener Maschinen und Geräte aus der Produktion von GE um verschie-
dene Sensoren ergänzt. Hierdurch soll eine Fülle an Daten gesammelt werden, die es
dem Hersteller ermöglichen, die Effizienz von GE-Produkten durch Verbindung des
Gerätenetzwerks mit der digitalen Welt zu verbessern.
Die Idee, Geräte mit Sensoren zur Kommunikation und Datenerfassung auszustatten, ist
nicht neu (dies wird oftmals als „Internet der Dinge“ bezeichnet); das Ausmaß jedoch,
in dem GE dieses Konzept als Industrielles Internet umsetzt, übersteigt alle bisher unter-
nommenen Ansätze. Das Ausstatten von Menschen und Objekten mit Sensoren ermög-
licht es Computern, riesige Datenmengen zu sammeln.
GE schuf die fiktionale Welt von „Datalandia“, um das Industrielle Internet zu veran-
schaulichen und zu bewerben. Dazu produzierte das Unternehmen eine Reihe von
Kurzfilmen, in denen „sexy“ Vampire neben „bedrohlichen“ Aliens und Werwölfen auf-
treten. Das digitale Marketing-Team von GE produzierte die Serie in Hamburg auf der
größten Modellbahnanlage der Welt. In Datalandia – „Big Data rettet kleine Stadt“ – stel-
len die Filme den möglichen Nutzen des Industriellen Internets heraus. Hier kommuni-
zieren Züge mit dem Internet, Düsentriebwerke liefern Informationen an die Wartungs-
crew, Krankenwagen stehen mit dem Klinikpersonal in Verbindung und Windturbinen
verbreiten Daten in Echtzeit.
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6.4 Handel von Industriegütern über das Internet
In mancher Hinsicht können B2B-Firmen das Industrielle Internet analog zur Kommer-
zialisierung des Internets selbst Anfang der 1990er-Jahre betrachten. Viele der ersten
Unternehmenswebseiten und E-Marktplätze waren B2B-Seiten, über die Chemikalien
und Metalle verkauft wurden. Sie waren die Vorreiter der Internetnutzung zu einer Zeit,
als viele Firmen für Verbrauchsgüter noch versuchten, die Nutzung dieses neuen Kanals
zu verstehen. In gleichem Maße müssen B2B-Firmen nun lernen, wie sie vom Industri-
ellen Internet profitieren können. Forrester Research schätzt, dass bis 2020 der E-Com-
merce im B2B-Bereich einen weltweiten Absatz von 1,3 Billiarden Dollar erreichen
wird, was weitaus mehr ist als der Umsatz des E-Commerce in B2C-Märkten. Daher bie-
tet die Nutzung des Internets und des E-Commerce den B2B-Firmen neue Möglichkeiten
über Online-Plattformen und vernetzte Computer. Das Industrielle Internet wird wahr-
scheinlich ebenfalls neue Märkte und Geschäftsmodelle schaffen, die zwingend neue
Arten des Marketings fordern.
Insgesamt dürften die möglichen Auswirkungen des Industriellen Internets auf B2B-
Märkte und Marketingstandards erheblich sein. Geschäftskunden gründen ihre Kaufent-
scheidungen eher auf Vorteile denn auf Besonderheiten. Für das Industrielle Internet
könnten dies z.B. Produkte sein, die bestehende Standards für das Flugwesen verbes-
sern, wovon auch Kunden in den B2C-Märkten profitieren. Beispiele dafür sind weniger
Flugverspätungen und die Beibehaltung günstiger Angebote. Auf diese Art können B2B-
Lösungen auch Geschäftskunden dabei unterstützen, einen Mehrwert für ihre Endkun-
den zu erzeugen.
Quelle: Adaptierte Version einer Unternehmensfallstudie von Andrew Pressey, Birmingham Busi-
ness School
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
Generell nutzen die modernen Marketer im Bereich B2B eine Bandbreite an digitalen und sozi-
alen Marketingansätzen – von Webseiten, Blogs und Smartphone-Apps bis hin zu den großen
sozialen Netzwerken wie Facebook, LinkedIn, YouTube und Twitter, um Geschäftskunden zu
erreichen und überall, jederzeit Kundenbeziehungen aufzubauen. Das digitale und Social-
Media-Marketing wurde rasch zu dem neuen Raum für die Einbindung von Kunden.
Richtig aufgesetzt bringt Business-to-Business-E-Procurement viele Vorteile mit sich. Grund-
sätzlich werden Transaktionskosten minimiert, was zu einer effizienteren Abwicklung für
Kunden und Lieferanten führt. E-Procurement reduziert die Zeit zwischen Auftragseingang
und Warenlieferung. Webbasierte Einkaufsprogramme eliminieren die mit traditionellen
Bestellabläufen verbundene Papierarbeit und schaffen Transparenz über die Bestellhistorie.
Die durch elektronische Beschaffungsverfahren erlangten Zeit- und Kosteneinsparungen
ermöglichen dem Einkaufspersonal eine stärkere Konzentration auf strategische Fragestel-
lungen wie die Identifizierung von besseren Lieferquellen oder die Zusammenarbeit mit Lie-
feranten zur Minimierung von Kosten und Entwicklung neuer Produkte.
Dennoch birgt die elektronische Beschaffung weiterhin auch Probleme. Das Internet macht es
zwar möglich, dass Lieferanten und Kunden Geschäftsdaten miteinander austauschen und
sogar die Produktentwicklung gemeinsam betreiben, jedoch kann es auch jahrelang aufge-
baute Lieferanten-Kunden-Beziehungen zerstören, da immer mehr Unternehmen im Internet
nach neuen und besseren Lieferanten suchen. Darüber hinaus weisen elektronische Beschaf-
fungsverfahren vereinzelt auch heute noch Mängel in Bezug auf die Datensicherheit auf.
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6.5 Der öffentliche Sektor als Käufer
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
realisiert werden. Anbieter dürfen diese Vorgänge nicht außer Acht lassen, wenn sie sich um
Aufträge staatlicher Stellen bemühen.
Staatliche Stellen vergeben ihre Aufträge meistens über Ausschreibungen. Bei diesen ist in
der Regel der Bieter mit dem niedrigsten Preis zu berücksichtigen. Gelegentlich dürfen
begrenzte Preiszugeständnisse für überlegene Qualität und Zuverlässigkeit bei der Terminer-
füllung gewährt werden. Es gibt auch die sogenannten beschränkten Ausschreibungen für
qualifizierte Bieter, wo zum Beispiel im Bereich von Entwicklungsaufträgen die Unterneh-
men zuerst ihre Eignung nachweisen müssen, derartige Projekte durchzuführen. Nach wie
vor besteht eine starke Tendenz bei den Regierungen, nationale Bieter gegenüber ausländi-
schen Unternehmen zu bevorzugen, auch wenn ausländische Unternehmen günstigere Ange-
bote abgeben. Die Wettbewerbsaufsicht (Bundeskartellamt und EU-Wettbewerbskontrolle)
versucht jedoch, diese Verzerrungen zu reduzieren. In der Europäischen Union müssen Auf-
träge ab einem bestimmten Volumen europaweit im „Amtsblatt der Europäischen Union“
bekannt gemacht werden.
Die Einkaufspraktiken staatlicher Stellen mögen für Außenstehende, die nur Klagen gehört
haben, kompliziert und frustrierend erscheinen. Geklagt wird über zu viel Bürokratie, unnö-
tige Vorschriften, eine zu hohe Bedeutung des Preises, lange Entscheidungswege, häufige
Änderungen bei Personal und Verantwortlichkeiten und unvorhersehbare Richtlinienände-
rungen. Trotz dieser Hindernisse sollte nicht verkannt werden, dass die Formalitäten in der
Regel in kurzer Zeit erledigt werden können. Staatliche Einkaufsstellen sind im Allgemeinen
hilfsbereit, wenn es darum geht, Informationen über Bedürfnisse und Einkaufsverfahren zu
erhalten. Häufig ist eine staatliche Einkaufsstelle genauso eifrig dabei, einen neuen Lieferan-
ten zu finden, wie der Lieferant neue Kunden gewinnen möchte.
Zahlreiche Unternehmen verfügen heute über eigene Marketingabteilungen für die Betreu-
ung von Kunden der öffentlichen Hand, wie zum Beispiel GE, Boeing oder Goodyear. Diese
Unternehmen haben erkannt, dass Angebote für den öffentlichen Sektor nicht nur eine Reak-
tion auf eingehende Anfragen sein dürfen, sondern in erster Linie Vorschläge, wie die öffent-
liche Hand ihre Aufgaben besser erfüllen kann. Die Angebote müssen die Beiträge der einzel-
nen Unternehmensbereiche in geeigneter Weise darstellen und eine gemeinschaftliche
Leistungserstellung vorbereiten. Gut ausgearbeitete Angebote sind eine hervorragende Visi-
tenkarte für das Unternehmen, auch für spätere Geschäfte oder solche in anderen Regionen
oder mit anderen Partnern des öffentlichen Sektors.
Im letzten Jahrzehnt erfolgte ein Großteil der von Regierungen getätigten Käufe online. Im Ver-
einigten Königreich zum Beispiel hat die Efficiency and Reform Group (Teil des Cabinet Office)
ein eigenes Online-Beschaffungsportal. Für ganz Europa hat die EU das Projekt PEPPOL gestar-
tet – Pan-European Public Procurement OnLine – und im September 2012 OpenPEPPOL einge-
führt. Hierbei handelt es sich um einen internationalen Non-Profit-Verband aus privaten und
öffentlichen Mitgliedern. Ziel von OpenPEPPOL ist die Schaffung zahlreicher Vorteile: z.B.
neue Geschäftsmöglichkeiten und höhere Wettbewerbsfähigkeit für Wirtschaftsbetriebe, beson-
ders für kleine und mittelständische Unternehmen, mit gleichzeitiger Kostensenkung durch
automatisierte Ausschreibungsverfahren; deutliche Einsparungen bei den Verwaltungs- und
Verfahrenskosten für öffentliche Auftraggeber durch standardisierte, zügige und rationalisierte
Abläufe; eine schnellere Entwicklung sowie ein Kapazitätsausbau in der ICT-Branche durch
eine stärkere Nachfrage nach neuen, nutzerfreundlichen IT-Lösungen.2
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Zusammenfassung
Z US A M M EN FA SSU N G
Der Markt zum Verkauf an Unternehmen, Institutionen und staatliche Dienststellen ist
sehr groß. In vielen Punkten ähneln sich dieser Markt und jener für Konsumgüter. Auf
dem Markt für Industriegüter hat man es jedoch mit wenigen, dafür zumeist größeren
Kunden zu tun, die zudem regional häufig stärker konzentriert sind.
Die Nachfrage ist in der Regel eine abgeleitete Nachfrage, sie ist unelastisch und starken
Schwankungen unterworfen. In der einkaufenden Organisation sind viele Mitglieder in
den Entscheidungsprozess eingeschaltet, die für den Einkauf Verantwortlichen sind gut
ausgebildet und agieren professioneller als Endverbraucher. Die Kaufentscheidungen
sind im Allgemeinen komplexer und der Kaufvorgang ist stark formalisiert.
Zu den Nachfragern von Industriegütern gehören Unternehmen, die Güter und Dienst-
leistungen beschaffen, um daraus Produkte und neue Dienstleistungen herzustellen und
zu verkaufen. Weiterhin gehören die Unternehmen des Groß- und Einzelhandels dazu,
die Güter kaufen, um sie mit Gewinn weiterzuverkaufen. Die Käufer auf diesem Markt
sehen sich drei Kaufsituationen gegenüber: identischer Wiederkauf, modifizierter Wie-
derkauf und Erstkauf. Die Entscheidungseinheit der kaufenden Organisation, das
Buying Center, kann aus vielen Personen bestehen, die unterschiedliche Rollen und
Aufgaben übernommen haben. Ein Anbieter auf diesem Markt muss Folgendes über das
Buying Center wissen: Wer sind die wichtigsten Mitglieder? Bei welchen Entscheidun-
gen üben sie Einfluss aus? Wie stark ist ihr Einfluss? Welche Auswahl- und Prüfkriterien
wenden die einzelnen Entscheidungsträger an? Der Anbieter muss auch die Einflüsse
des Umfelds, jene aus dem Zusammenwirken der Personen und die in der Person lie-
genden Einflüsse auf den Kaufvorgang erkennen und verstehen.
Der Entscheidungsfindungsprozess besteht aus acht Phasen:
1. Problemerkennung
2. Beschreibung des Bedarfs
3. Festlegung der Produkteigenschaften
4. Suche nach Lieferanten
5. Einholung von Angeboten
6. Auswahl und Festlegung der Lieferanten
7. Festlegung des Bestellverfahrens
8. Überprüfung von Qualität und Leistungsfähigkeit der Lieferanten
Da der Einkauf in Unternehmen, in Organisationen und bei staatlichen Dienststellen
zunehmend professionalisiert wird, müssen sich die Anbieter darauf einstellen und die
Mitarbeiter in Marketing und Vertrieb gut auf ihre Aufgabe vorbereiten.
Der Teilmarkt der öffentlichen Institutionen besteht aus Schulen, Hochschulen, Kran-
kenhäusern, Pflegeheimen, Kirchen, Gefängnissen und vielen anderen Einrichtungen,
welche die Personen in ihrer Obhut mit Gütern und Dienstleistungen versorgen.
Begrenzte Budgets und relativ strikte, häufig einengende Vorschriften für die jeweiligen
Einkäufer sind charakteristisch für diesen Markt.
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings
Der Markt mit staatlichen Stellen als Käufern ist ein sehr großer und wichtiger Teil-
markt. Dienststellen des Staats auf allen Ebenen kaufen Produkte und Dienstleistungen
für die Verteidigung, für die Ausbildung, für soziale Aufgaben und andere Bedürfnisse
der Öffentlichkeit. Charakteristisch für die Einkaufspraktiken der öffentlichen Hand
sind vielfältige Formalitäten und genaue Liefervorgaben, häufig zusammen mit öffentli-
chen Ausschreibungen oder Verträgen für besondere Aufgaben. Die Einkäufe der öffent-
lichen Hand finden unter den wachsamen Augen der Parlamente, der Medien und vieler
weiterer Institutionen statt. Aus diesem Grund sind häufig mehr Formulare und mehr
Unterschriften als bei Verkäufen an Privatpersonen oder Privatunternehmen nötig.
Außerdem sind typischerweise längere Bearbeitungszeiten zwischen Angebotseinho-
lung und Auftragserteilung zu erwarten.
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Literatur und Quellen
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TEIL III
Strategische Optionen
und Marketing-Mix
ÜBERBLICK
7.4 Differenzierung und Positionierung. . . . . . . . . . . . . . 358
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... die vier wichtigsten Schritte zur Entwicklung einer kundenorientierten Marke-
tingstrategie beschreiben: Marktsegmentierung, Auswahl von Zielmärkten, Differen-
zierung und Positionierung.
... die wichtigsten Segmentierungskriterien für Konsumgüter- und Industriegüter-
märkte benennen und erläutern.
... erklären, wie Unternehmen Marktsegmente entsprechend ihrer Attraktivität aus-
wählen und eine Marktabdeckungsstrategie entwickeln.
... erklären, wie Unternehmen ihre Produkte positionieren können, um größtmögliche
Vorteile gegenüber der Konkurrenz aufzubauen.
7.1 Einführung
Sie kennen nun die Definition von Marketing und wissen, wie wichtig es ist, Verbraucher
und das Marktumfeld zu verstehen. Mit diesem Hintergrundwissen können Sie nun tiefer in
die Marketingstrategien und -maßnahmen einsteigen. Dieses Kapitel befasst sich näher mit
den wichtigsten kundenbezogenen Marketingstrategie-Entscheidungen – die Unterteilung
von Märkten in sinnvolle Kundengruppen (Segmentierung), die Wahl der Zielgruppen (Tar-
geting), die Schaffung von Marktangeboten, die auf die Zielgruppen zugeschnitten sind (Dif-
ferenzierung) und Positionierung des Angebots im Bewusstsein der Verbraucher (Positionie-
rung). Die nachfolgenden Kapitel untersuchen dann die taktischen Marketinginstrumente –
die vier P –, mit denen Marketingverantwortliche diese Strategien in die Praxis umsetzen.
Als Einstieg in unsere Diskussion rund um Segmentierung, Zielgruppen, Differenzierung
und Positionierung beschäftigen wir uns mit dem Online-Modehändler Asos, der bereits von
Beginn an eine konsequente Ausrichtung auf seine Zielgruppe verfolgte und damit Erfolg
hatte – auch wenn das Geschäftsmodell einer mehrfachen Änderung unterzogen wurde.
Von Beginn an irritierte der Onlinemodehändler Asos seine Kritiker durch eine konse-
quente Ausrichtung auf seine Zielgruppe und beständige Anpassung seines Geschäfts-
modells. Asos teilte seinen Markt sehr sorgfältig auf und achtete darauf, seine Kunden
besser zu bedienen als der Wettbewerb. Durch die Konzentration auf seine Zielgruppe
und eine konstante Feinjustierung des Geschäftsmodells werden dem Kunden viele Vor-
teile geboten. Doch es lief nicht immer so reibungslos für das Unternehmen und auch in
der Zukunft liegen noch große Herausforderungen.
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7.1 Einführung
Der erste Anlauf Als das ursprüngliche Unternehmen As Seen On Screen (Asos) im
Jahr 2001 an der Londoner Börse notiert wurde, war es für seine Repliken vom Roten
Teppich bekannt – es verkaufte Kopien der Kleider von Filmstars. Das Konzept war ein-
fach – gefiel einem das Outfit einer Schauspielerin im Fernsehen oder in einem Film,
konnte man die preiswerte Version davon auf der Asos-Webseite finden. Das erste
Geschäftsmodell bestand darin, die von den Stars getragenen Modelle zu zeigen und zu
verraten, wo diese zu haben sind – etwa durch eine Verlinkung auf die Webseite des
Anbieters gegen Gebühr (eine Gebühr, die die Markeninhaber auch oft nicht zahlen
wollten). Echte Modefans blickten sofort verächtlich auf das Start-up herab, Stars moch-
ten die Idee ebenfalls nicht und so war dem Geschäftsmodell kein großer Erfolg beschie-
den.
Die zweite Version Asos ersetzte das Geschäftsmodell und verkaufte dann selbst die
Produkte von Drittanbietern, statt die Kunden einfach mit fremden Webseiten zu verlin-
ken. Für das Geschäft ging es rasch aufwärts – 2011 gehörte Asos zu den größten Mode-
anbietern in Großbritannien, dessen Seite jeden Monat von 11 Millionen Einzelkunden
besucht wurde. Eine Hälfte des Umsatzes wurde in Großbritannien erlöst, die zweite
Hälfte auf internationalen Märkten. Ein Onlinemodehändler kann nie groß werden,
behaupteten Kritiker und unterschätzten die internetaffine Generation, welche mit 16
bis 34 Jahren die Kernkundschaft von Asos bildet. Daher ist seit der Gründung alles,
was Asos tut, auf den imaginären 22-jährigen Kunden ausgerichtet – das Durch-
schnittsalter der Käufer. Diese lassen sich in drei Zielgruppen einteilen: sogenannte Fas-
hion Forwards, damit sind Trendsetter gemeint. Die Fashion Passengers folgen den
Trends, während die Functional Fashions weniger trendbewusst sind.
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Kundenkommunikation wird in erster Linie in Blogs, Tweets oder auf Facebook geführt.
Dabei passen die meisten Asos-Mitarbeiter genau in das demografische Profil der Kun-
denbasis: jung, modisch und überwiegend weiblich. Es ist möglicherweise die größte
Stärke des Unternehmens, genau zu wissen, wer seine Kunden sind. Mitarbeiter einzu-
stellen, die genau dem Typus der Käuferschicht entsprechen, scheint der Garant dafür
zu sein die Kundenbedürfnisse genau zu kennen. Eine Folge dieses Vorgehens ist die
getarnte Marketingstrategie in den sozialen Netzwerken. Teenager glauben, sie hätten
Asos über diese Blogs und Tweets „entdeckt“ und haben nicht das Gefühl, von einer raf-
finierten Verkaufsmasche geködert worden zu sein.
Immer bereit, seine Kritiker zu verwirren, wurde der Fashion Finder gegründet – ein
Dienst, über den Marken beworben werden, die Asos selbst nicht im Angebot hat. In
Anlehnung an die US-amerikanischen Mode-Portaldienste Plyvore und ShopStyle soll
dieser Dienst Asos zu einer „ersten Anlaufstelle für Mode“ statt eines einfachen
Onlinestores machen. „Wenn man bei einem Modemagazin arbeitet, besteht die Aufgabe
darin, den Leser durch die Welt der Mode zu führen und diese auf den Seiten aufzube-
reiten. Warum können Händler das nicht auch?“, so Asos-Gründer Nick Robertson.
In den darauffolgenden fünf Jahren strebte Asos ein Umsatzziel von 1 Milliarde Pfund
sowie die Vertretung in fünf Märkten an. Die fünf Zielländer sollten die USA, Frank-
reich, Großbritannien, Deutschland und China sein. Sollte Asos der Durchbruch in
Asien gelingen, dürfte die Erfolgsgeschichte eine neue Dimension erreichen.
Der Absturz – ein wahrer Sturm der Ereignisse Im Jahr 2014 wurde Asos aber von
einer echten Krise getroffen, alles schien gleichzeitig schiefzulaufen. Die Gewinne bra-
chen in sechs Monaten um ein Fünftel ein, Analysten begannen bereits über eine neue
Onlineblase zu sprechen. Ein Kostenanstieg um 45 Prozent durch den teuren Marktein-
tritt in China und herbe Verluste bei diesem Unterfangen legten nahe, dass die Expan-
sion zu schnell vorangetrieben worden war. Das chinesische Wagnis kostete das Unter-
nehmen 8 Millionen Pfund, die Belieferung des Landes erwies sich als schwierig.
Mittlerweile wurden 60 Prozent des Umsatzes im internationalen Geschäft erzielt,
wobei dort höhere Margen als in Großbritannien erzielt wurden. Doch das Unternehmen
verkaufte über eine einzige Website und hatte dadurch keinen Mechanismus, um län-
derspezifische Preiserhöhungen oder Ermäßigungen umzusetzen. Die allgemeinen
Preisnachlässe auf breiter Front und parallel über alle Länder führten zum weiteren
Rückgang der Profitabilität – etwa zehn Prozent der Produkte waren jederzeit von Preis-
nachlässen betroffen. Das Unternehmen führte daraufhin eine „Preisgestaltung nach
Zonen“ ein und versuchte damit, in verschiedenen Märkten mit unterschiedlichen Prei-
sen zu reagieren.
Bricht für Asos ein neues Zeitalter an? Der Absturz war spektakulär, doch trotz der
Probleme im Jahr 2014 setzte Asos sein Wachstum fort und blieb in der Gewinnzone.
Alle relevanten Kriterien scheinen positiv – aktive Kunden, neue Kunden, Auftragsfre-
quenz, Artikelanzahl je Warenkorb. Noch immer verfügt das Unternehmen über eine
große globale Wachstumskapazität. Natürlich bleibt Nick Robinson bei seinem Ansatz,
dass man sich „voll und ganz auf den globalen Ausbau des Geschäftsmodells als welt-
weit führende Modeseite für Kunden in den Zwanzigern konzentrieren“ will. Er glaubt,
dass sich das Unternehmen von den Erschütterungen im Jahr 2014 erholt und wieder
Fahrt aufgenommen hat, besonders in den Übersee-Märkten.
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7.1 Einführung
Doch die Konkurrenz erfasste rasch das Potenzial von Onlinemode. Verkauften andere
Unternehmen in der Vergangenheit ihre Ware noch gern über Asos, wollten sie jetzt
mehr Kontrolle über ihre eigenen Marken und besonders über ihre Kundenbeziehungen.
Einst war Asos der einzige Onlineanbieter für preiswerte Mode, heute gibt es massen-
haft neue Wettbewerber wie Boohoo oder Missguided. Traditionelle Händler wie
Topshop und sogar M&S rüsten ihre Onlinegeschäfte auf. Die Marke Next, deren Direc-
tory-Versandgeschäft die Konkurrenz längst überholt hat, steigert die Umsätze bei Dritt-
marken. Auch Amazon hat den attraktiven Online-Modehandel im Blick. In der Realität
sind niedrige Preise und schnelle Leistungen mittlerweile für alle Kernbereiche von
Asos in Großbritannien und Europa zur Gewohnheit geworden und stellen keinen
besonderen Wettbewerbsvorteil mehr dar.
Fragen
1. Wie hat Asos anfänglich den Modemarkt aufgeteilt und seine Zielgruppen be-
stimmt?
2. Wie teilt Asos den Markt heute auf und wie werden die Zielgruppen heute ange-
sprochen? Sollte eine Neuausrichtung in Erwägung gezogen werden?
3. Hat Asos noch einen Wettbewerbsvorteil?
Ein Unternehmen, sei es im Konsum- oder im Industriegütergeschäft, kann in der Regel nicht
für alle Käufer im gleichen Maß attraktiv sein. Zu zahlreich, zu weit verteilt und zu unter-
schiedlich sind diese in ihren Bedürfnissen und in ihrem Kaufverhalten. Man sollte deshalb
nicht versuchen, einen Markt in seiner Gesamtheit zu bedienen, sondern jene Teile eines
Markts identifizieren, die man am besten bearbeiten kann. Segmentierung ist daher ein Kom-
promiss zwischen der Annahme des Massenmarketing, dass alle Menschen gleich behandelt
werden können, und der entgegengesetzten Vermutung, dass jede Person eine maßgeschnei-
derte Einzellösung benötigt. Es müssen kundenorientierte Marketingstrategien entwickelt
werden, die die richtige Beziehung zum richtigen Kunden aufbauen.
Der Schwerpunkt im Marketing verlagert sich immer mehr weg vom Massenmarketing hin zu
einer zielgruppenorientierten Vorgehensweise. Hierbei geht es um die Identifizierung von
Marktsegmenten, die Auswahl eines oder mehrerer Segmente und die Ausarbeitung eines
entsprechenden Marketing-Mix. Für eine effiziente Zielgruppenansprache wird ein zielgrup-
pengerechtes Produkt entwickelt und die Preise, Vertriebswege und Kommunikationsmaß-
nahmen werden entsprechend angepasst.
Zielgruppenmarketing hilft den Anbietern, ihre Absatzchancen besser zu identifizieren und
zu entwickeln, d.h. sie können das richtige Produkt für jeden Zielmarkt entwickeln und den
Preis, die Distributionskanäle und die Werbung genau auf den Zielmarkt abstimmen. Wäh-
rend beim Massenmarketing breit gestreute Maßnahmen, vergleichbar einem Schuss aus der
Schrotflinte, ohne große Wirkung verpuffen können, lassen sich beim Zielgruppenmarketing
die Marketingbemühungen auf genau definierte Kaufinteressenten mit speziellen Kaufab-
sichten konzentrieren.
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Segmentierung Differenzierung
Unterteilung des Differenzierung des Markt-
Gesamtmarkts in angebots, um einen höheren
kleinere Segmente Kundenwert zu erzielen
Wert für Zielkunden
schaffen
Targeting Positionierung
Auswahl des Zielsegments Positionierung des
oder der Zielsegmente Marktangebots in den
Köpfen der Zielkunden
Aus Abbildung 7.2 wird die Vorgehensweise des Zielgruppenmarketings ersichtlich. Im Rah-
men der Kundensegmentierung teilt man den Markt in Käufergruppen mit unterschiedlichen
Bedürfnissen, Eigenschaften oder Verhaltensweisen ein, die unterschiedliche Produkte und
einen differenzierten Marketing-Mix erfordern. Hierfür wendet man verschiedene Methoden
der Marktsegmentierung an und erarbeitet dann Profile für die daraus resultierenden Markt-
segmente. Bei der Marktauswahl wird jedes Marktsegment auf seine Attraktivität hin bewer-
tet und es werden eines oder mehrere Zielsegmente ausgewählt. In den beiden letzten Schrit-
ten entscheidet man, welches Nutzenversprechen man gegenüber den potenziellen Kunden
abgeben möchte und wie man Kundennutzen schaffen und vermitteln kann. Im Rahmen der
Differenzierung und Positionierung wird für jedes Zielsegment eine klare Abgrenzung und
Positionierung des Produkts gegenüber dem Wettbewerb bestimmt und ein detaillierter Mar-
keting-Mix entwickelt. Im Folgenden gehen wir näher auf die einzelnen Schritte ein.
7.2 Kundensegmentierung
Märkte bestehen aus Nachfragern, die sich unter anderem durch ihre Wünsche, ihre Ressour-
cen, ihre Wohnorte, ihre Einstellung zum Kauf und ihre Kaufgewohnheiten unterscheiden.
Mittels Kundensegmentierung teilt man große heterogene Märkte in kleinere, in sich homo-
gene Segmente auf. Diese lassen sich dann effizient bearbeiten, indem man Produkte und
Dienstleistungen entwickelt, die ihren einzigartigen Bedürfnissen entsprechen.
In den folgenden Abschnitten werden diese Themen behandelt:
Segmentierung von Konsumgütermärkten
Multivariate Segmentierung
Segmentierung von Industriegütermärkten
Segmentierung internationaler Märkte
Anforderungen an eine effiziente Segmentierung
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7.2 Kundensegmentierung
Geografische Merkmale
Großregionen in der Bundesrepublik zum Beispiel Bayern, Südwesten mit Baden-Würt-
temberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Westen mit Nordrhein-Westfalen,
Norden mit Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, neue Bundes-
länder und Berlin
in Großbritannien England, Wales, Schottland und Nordirland, in den
USA die Pazifikküste, die Gebirgsregionen, der mittlere Nordwesten, der
mittlere Südwesten, der mittlere Nordosten und die Großen Seen, der
mittlere Südosten, die südlichen Atlantikstaaten, die mittleren Atlantik-
staaten, die Neuenglandstaaten usw.
Stadt- und Gemeindegrößenklassen unter 5.000 Einwohner, 5.000–20.000, 20.000–50.000, 50.000–
100.000, 100.000–250.000, 250.000–500.000, 500.000–1.000.000,
1.000.000–4.000.000, über 4.000.000 Einwohner
Siedlungsdichte und Siedlungsform Dorf, Kleinstadt, Mittelstadt, Großstadt, Ballungsraum
Klima landesspezifisch tropisch, subtropisch, gemäßigtes Klima, kaltes Klima
Demografische Merkmale
Lebensalter unter 6 Jahre, 6–11, 12–19, 20–34, 35–49, 50–64, über 65 Jahre
Geschlecht männlich, weiblich
Position im Familienlebenszyklus jung/allein lebend, jung/als Paar lebend und ohne Kinder, jung/verheira-
tet und Kleinkind im Haushalt, mittleres Alter/verheiratet und größere
Kinder im Haushalt, mittleres Alter/Kinder aus dem Haus, ältere Perso-
nen/alleinstehend oder als Paar, sonstige Fälle
Haushaltseinkommen (in €) < 10.000, 10.000–15.000, > 15.000–20.000, > 20.000–30.000,
> 30.000–50.000, > 50.000–75.000, > 75.000–100.000, > 100.000
Berufliche Tätigkeit Kaufmännischer oder handwerklicher Beruf, Angestellter, Arbeiter,
Beamter, Landwirt, Rentner oder Pensionär, Vollzeitbeschäftigter, Teil-
zeitbeschäftigter, Arbeitsloser
Schulabschluss Hauptschule, Realschule, Fachschule, Gymnasium/Abitur, Fachabitur,
Fachhochschulabschluss, Universitätsabschluss
Religion evangelisch, katholisch, islamisch, jüdisch, ohne Religionszugehörigkeit
Staatsangehörigkeit derzeit ca. 200 Staatsangehörigkeiten
Psychografische Merkmale
Zugehörigkeit zu sozialer Klasse Unterschicht, obere Unterschicht, Arbeiterschicht, Mittelschicht, obere
Mittelschicht, untere Oberschicht, Oberschicht
Lebensstil und Lebensziele Personen mit Aufsteigermentalität, Gleichgültige, Erfolgreiche, Resig-
nierte
Persönlichkeit zwanghaft, gesellig, autoritär, anspruchsvoll etc.
Tabelle 7.1: Segmentierungsmerkmale für Konsumgütermärkte und Beispiele für mögliche Ausprägungen
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Verhaltensorientierte Merkmale
Kaufanlass Routinekäufe, besondere Kaufanlässe
Gesuchter Nutzen Qualität, umfassende Bedienung, niedriger Preis
Käuferstatus Nichtkäufer, früherer Käufer, Erstkäufer, regelmäßiger Käufer
Nutzungsintensität niedrig, durchschnittlich, stark
Treueverhalten keine Kundentreue, durchschnittliche, starke, absolute Treue zum Pro-
dukt
Stadien der Kaufbereitschaft Produkt unbekannt, bekannt, genauere Kenntnisse, interessiert, Kauf-
entscheidung steht fest
Einstellung gegenüber dem Produkt begeistert, positiv, gleichgültig, ablehnend, feindlich
Tabelle 7.1: Segmentierungsmerkmale für Konsumgütermärkte und Beispiele für mögliche Ausprägungen (Forts.)
Geografische Segmentierung
Die geografische Segmentierung wird anhand geografischer Kriterien vorgenommen. Dabei
handelt es sich je nach Aufgabenstellung um Staaten, Bundesländer oder vergleichbare Ein-
heiten, Landkreise, Städte oder Stadtteile. Ein Unternehmen trifft eine Entscheidung, ob es
nur ein Segment oder wenige derart definierte Segmente oder ob es alle bedienen will, um
dann aber unter Umständen auf bestehende Unterschiede zwischen den Segmenten einzuge-
hen. Viele Unternehmen lokalisieren heute Produkte, Werbung, Kampagnen und Verkaufsför-
derungen, um sich dem Bedarf individueller Regionen anzupassen.
Die großen Klimaunterschiede innerhalb Europas bedingen z.B. unterschiedliche Lebensge-
wohnheiten und Esskulturen. Im Süden (Italien, Spanien, Frankreich) findet ein größerer
Teil des täglichen Lebens im Freien statt als im Norden. So hat z.B. das Ignorieren unter-
schiedlicher Küchengrößen zu vielen Marketingfehlern geführt. Außerdem gibt es andere
Mahlzeiten, andere Zubereitungen von Speisen und andere Verpackungsgrößen bei vielen
Nahrungsmitteln.
Coca-Cola nahm in Spanien seine Zwei-Liter-Flaschen wieder vom Markt, nachdem man
festgestellt hatte, dass diese nicht in die Kühlschränke passten. Philips erzielte auf dem japa-
nischen Markt erst Gewinne, nachdem es kleine Kaffeemaschinen anbot, die den beengten
Platzverhältnissen angepasst waren.
Auch in vielen Kulturtechniken wie zum Beispiel beim Hausbau sind geografisch erhebliche
Unterschiede festzustellen. Von regional verwurzelten Unternehmen wie Handwerksbetrie-
ben werden diese speziellen Techniken beherrscht, überregionale und international tätige
Anbieter (zum Beispiel Fertighaushersteller) müssen diese Kenntnisse häufig erst gemeinsam
mit regionalem Fachpersonal erwerben.
Demografische Segmentierung
Demografische Segmentierung bedeutet, den Gesamtmarkt in Gruppen aufzuteilen, die durch
Variablen wie Alter, Geschlecht, Familiengröße, Position im Familienlebenszyklus, Einkom-
men, Beruf, Bildung, Religion, ethnische Gruppe und Nationalität bestimmt sind. Demografi-
sche Kriterien sind die wichtigste Basis der Marktsegmentierung. Dafür gibt es zwei Gründe:
Zum einen sind Bedürfnisse, Wünsche und Verbrauchsgewohnheiten eng mit demografi-
schen Kriterien verbunden. Zum anderen lassen sich diese vergleichsweise einfach messen.
338
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7.2 Kundensegmentierung
Selbst wenn andere Kriterien zur Segmentierung herangezogen werden sollen, müssen die
demografischen Kriterien ermittelt werden, um Aussagen zur Größe des Markts und zur
Erreichbarkeit der Käufer treffen zu können.
Segmentierung nach Altersgruppen Die Wünsche und Bedürfnisse von Konsumenten
ändern sich mit deren Alter. Einige Unternehmen verwenden eine Segmentierung nach Alter
und Position im Lebenszyklus, um spezifische Produkte anzubieten oder um spezielle Mar-
ketingmethoden für unterschiedliche Alters- und Lebenszyklusgruppen anwenden zu kön-
nen. Marketer müssen allerdings hinsichtlich Alter und Stellung im Lebenszyklus beachten,
dass sie nicht in ein Denken in Stereotypen verfallen.
Vitaminpräparate werden beispielsweise in unterschiedlichen Zusammensetzungen für fol-
gende Segmente angeboten:
vier- bis zwölfjährige Kinder (in Form von Kaudragees)
Teenager
Erwachsene (eine Zusammensetzung für Männer und eine für Frauen)
Senioren
schwangere Frauen
Auch McDonald’s nimmt eine Segmentierung vor und adressiert Kinder, Jugendliche,
Erwachsene und Senioren mit unterschiedlicher Werbung. Bei den Programmen der privaten
Fernsehanbieter lässt sich eine zielgruppenorientierte Ausrichtung von Programmen und
Werbezeiten ausmachen. Inzwischen sind auch komplette Fernsehstationen auf bestimmte
Zielgruppen ausgerichtet wie zum Beispiel der Kinderkanal und der Musikkanal MTV.
Beim Spielwarenhersteller LEGO wird eine besonders genaue Segmentierung im Bereich des
Markts für Kinder angestrebt:
Produkteigenschaften und
Alter (Geschlecht) Serie
Motive
1½ bis 5 Jahre LEGO Duplo altersentsprechend großer Maßstab,
Themen wie Stadt, Bauernhof, Flugha-
fen, Burg und Piraten
4 bis 7 Jahre LEGO Juniors vielfältig einsetzbare Steine und Ele-
mente zum freien Bauen
4 bis 14 Jahre LEGO Creator thematisierte Einzelmodelle in verschie-
denen Maßstäben
5 bis 12 Jahre (Mädchen) LEGO Disney Princess und LEGO Friends Märchen zum Nachspielen und Themen
rund um Haus und Pferde
5 bis 14 Jahre LEGO Spielthemen realitätsnahe und Fantasie-Spielthe-
men, wie z.B. Stadt (Polizei, Feuerwehr,
Baustelle), Weltraum, Burg, Piraten und
Abenteurer
außerdem Lizenzthemen, wie LEGO Star
Wars, The Hobbit oder Minecraft
Tabelle 7.2: Segmentierung nach Altersgruppen beim Spielwarenhersteller LEGO
339
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Produkteigenschaften und
Alter (Geschlecht) Serie
Motive
7 bis 16 Jahre LEGO Technic sehr detaillierter, realistischer Modell-
bau
10+ Jahre LEGO Mindstorms detaillierter Modellbau & Programmie-
rung des NXT-Steins
12+ Jahre LEGO Architecture detaillierte Modelle bekannter Sehens-
würdigkeiten
Tabelle 7.2: Segmentierung nach Altersgruppen beim Spielwarenhersteller LEGO (Forts.)
Segmentierung nach Geschlecht Unterschiedliche Produkte für Männer und Frauen sind
immer schon üblich gewesen bei Kleidung, Haarpflege- und Kosmetikprodukten oder Zeit-
schriften. Inzwischen hat man weitere Segmentierungsmöglichkeiten entdeckt. Lange haben
Männer und Frauen die gleichen Deodorants benutzt. Inzwischen wurden Produkte mit star-
ker Betonung des Femininen ebenso entwickelt wie zum Beispiel ein Deodorant für Männer
von Nivea.
Auch die Autoindustrie hat begonnen, eine Segmentierung nach Geschlecht vorzunehmen.
So gibt es einige kleine Pkws, die überwiegend von Frauen gekauft und für deren Bedürfnisse
entwickelt werden (Audi A1, Opel Corsa, Peugeot 208). Bei Fahrzeugen für die Familie geht
man davon aus, dass Frauen den Argumenten für Sicherheit (steife Karosseriezelle, elektro-
nische Sicherheitssysteme) besonders aufgeschlossen gegenüberstehen, dass Türen leicht
aufgehen müssen (damit Einkäufe und Kinder leicht ins Auto gelangen) und dass auch geräu-
mige Fahrzeuge leicht zu bedienen sein sollten.
Ein vernachlässigtes Segment bezüglich des Geschlechts kann neue Chancen eröffnen. So
hatte Harley-Davidson sein Produktdesign und sein Marketing ausschließlich auf Männer
zwischen 35 und 55 Jahren ausgelegt. Doch inzwischen sind Frauen im Motorradbusiness
eines der am schnellsten wachsenden Kundensegmente. Die Zahl der Harley-Davidson-Besit-
zerinnen hat sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Das Unternehmen bemüht sich nun,
Frauen vom Rücksitz auf den Fahrersitz zu bewegen und reizt mit dem Bild einer starken,
unabhängigen Frau, die das Gefühl des Abenteuers liebt. Grundsätzlich bleibt Harley-David-
son jedoch seinem Image treu. „Ich glaube nicht, dass wir pinke Harley-Davidson-Maschinen
auf der Straße sehen werden. Die Harleys sollen an Frauen verkauft werden, und zwar an die
Frauen, die auch wirklich eine Harley fahren wollen“, so ein Analytiker.
340
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7.2 Kundensegmentierung
Segmentierung nach Einkommen Die Segmentierung nach Einkommen wird häufig für Pro-
dukte wie Pkw, Kleidung, Kosmetikartikel und Reisen verwendet. Viele Unternehmen spre-
chen die Zielgruppe der wohlhabenden Käufer mit Luxusgütern und besonderen Dienstleis-
tungen an, so z.B. die Marken der französischen Unternehmensgruppe LVMH: Louis Vuitton-
Taschen, Moët & Chandon-Champagner und Hennessy-Cognac. Luxushotels bieten z.B. spe-
zielle Programme an, um besonders wohlhabende Reisende anzusprechen.
Auch viele Händler haben ihre Strategien an die Jagd nach der „Platinwährung“ angepasst –
sie wollen eine breitere, jüngere, internationalere Zielgruppe sehr wohlhabender Käufer in
ihre Geschäfte an Standorten wie London oder Birmingham locken. Persönliche Kaufbera-
tung steigert die Attraktivität der Läden für die Käufer, die viel Geld, aber wenig Zeit haben.
Und russisch- sowie chinesisch-sprachiges Personal zieht verstärkt reiche Kunden aus die-
sen Ländern in die Geschäfte.
Dennoch wachsen nicht alle Unternehmen dadurch, dass sie sich auf das Segment mit dem
höchsten Einkommen konzentrieren. Indem etablierte Einzelhändler immer anspruchsvol-
lere Ladenlokale mit größerer Auswahl und zusätzlichen Dienstleistungen entwickeln, schaf-
fen sie auch einen Markt für solche Anbieter, die weniger wohlhabende Marktsegmente
bedienen wollen. Unternehmen wie ALDI oder Lidl haben aus dieser Möglichkeit einen Vor-
teil gezogen, indem sie mit einer schlanken Organisation, einer eingeschränkten Produktaus-
wahl und einer günstigen Lage ihre Preise niedrig halten.
341
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Organisatoren oder „Macher“, die Aktivitäten für Freunde und Verwandte organisieren
Teilnahmslose, die zu nichts Lust haben (ihnen ähnlich ist die nächste Kategorie)
Sich selbst Bedauernde („Wir armen Alten“)
Ängstliche
Bequeme (häufig aufgeschlossene Kunden für Komfort im und um das Haus)
Die Status-quo-Gruppe, die nichts verändern will
Eine andere Marktstudie beschäftigte sich mit dem Verzehr von Schokolade zu verschiede-
nen Anlässen. Dabei stellten sich zwei Typen heraus:
Junge Frauen, die an einsamen Abenden Schokolade naschen, um sich zu trösten.
Junge Männer, die nach der Arbeit und nach dem Sport noch etwas essen wollen, ohne
sich Zeit für die Zubereitung einer Mahlzeit zu nehmen.
Für den Typ der „depressiven Schokoladenascherin“, wie er in der Studie genannt wurde, sind
Geschmack und Aufmachung wichtig. Hier müssen einzeln fein verpackte Schokoladenstücke
mit besonderem Geschmack angeboten werden, die dann ruhig etwas mehr kosten dürfen.
Für die Männer des zweiten Typs eignen sich die feinen, elegant verpackten Schokoladen
nicht. Sie kaufen gerne im Vorübergehen einen Schokoriegel, den sie dann schnell zwischen
verschiedenen Aktivitäten essen.
Segmentierung nach Persönlichkeit Besonders findige Marketingfachleute nutzen Persön-
lichkeitsmerkmale zur Marktsegmentierung, indem sie ihren Produkten Persönlichkeiten zur
Seite stellen, die jenen ihrer Käufer entsprechen. Beispiele für diese Vorgehensweise finden
sich bei Zigaretten (die Freiheit, die der Cowboy erleben kann), Kosmetik (Identifikation mit
schönen, erfolgreichen Menschen), Versicherungen und alkoholischen Getränken.
Im Motorradmarkt nutzte Honda die Segmentierung nach Persönlichkeit, um sich auf dem US-
Markt zu behaupten. Mittlerweile sind auch Vespa und Triumph diesem Beispiel gefolgt. Ein
Werbespot von Honda zeigt ein Kind, das vergnügt auf seinem Bett auf und ab springt, wäh-
rend der Sprecher kommentiert: „Dein ganzes Leben hast du versucht, genau hierhin zu kom-
men“. Die Werbung erinnert den Zuschauer an das euphorische Gefühl, das er empfand, als er
sich zum ersten Mal von Autoritäten gelöst hat und genau das tat, was die Eltern immer unter-
sagt hatten. Anklang findet diese Werbung daher vor allem bei Trendsettern und Unabhängig-
keit liebenden Persönlichkeiten aller Altersstufen, sie spricht das rebellische, unabhängige
Kind in jedem von uns an. Die Zweiräder des Wettbewerbers Vespa ziehen in erster Linie coole
Individualisten an. Diese Strategie wird durch Vespa-Boutiquen unterstützt. Die dort vermit-
telte Art der Individualität unterscheidet sich von derjenigen, die durch die Darstellung von
Triumph-Motorrädern in dem Kinofilm „Mission Impossible 2“ oder durch das rebellische Bild
der gesetzlosen Biker in „The Wild One“ mit Marlon Brando verkörpert wird.
Segmentierung nach Marken-„Stämmen“ Marketing-Manager bezeichnen markenfokus-
sierte, psychografische Segmente manchmal als Marken-„Stämme“ – Gruppen von Kernver-
brauchern mit gemeinsamen Merkmalen, Markenerfahrungen und einer starken Affinität zu
bestimmten Marken.1 Der Apple-„Stamm“ z.B. setzt sich aus modernen, technikaffinen Indivi-
dualisten zusammen; der Nike-„Stamm“ vereint leistungsstarke Athleten. Marken derselben
1 Weiteres zu Marken-„Stämmen“ finden Sie bei Tina Sharkey, „What’s your tribe?“, Forbes, 25. Januar
2012, www.forbes.com/sites/tinasharkey/2012/01/25/whats-your-tribe-tap-into-your-core-consumers-
aspirations-like-nike-gatorade-babycenter-and-rei-do/; Seth Godin, Tribes: We Need You to Lead Us
(Portfolio, 2008)
342
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7.2 Kundensegmentierung
Verhaltensorientierte Segmentierung
Die verhaltensorientierte Segmentierung teilt die Kaufinteressenten in Gruppen ein, basierend
auf Wissensstand, Einstellungen, der Nutzung und den Reaktionen auf ein Produkt. Viele Mar-
ketingfachleute sind der Meinung, dass Verhaltensvariablen die beste Ausgangsbasis für die
Schaffung von Marktsegmenten bilden. Eine Segmentierung kann erfolgen anhand von:
Kaufanlässen
Nutzenerwartungen
Nutzerstatus
Nutzungshäufigkeit
Produktloyalität
Segmentierung nach Kaufanlässen Käufer können danach gruppiert werden, wann sie ein
Produkt planen zu kaufen, tatsächlich kaufen oder benutzen. Die Segmentierung nach Kauf-
anlässen kann einem Unternehmen helfen, bestimmte Verwendungsanlässe zu schaffen.
Orangensaft z.B. wird meist zum Frühstück getrunken, wohingegen die Produzenten damit
werben, dass Orangensaft ein kaltes Erfrischungsgetränk für den ganzen Tag ist. Für einige
Feiertage, wie Muttertag, werden spezielle Marketingstrategien entwickelt, um den Verkauf
von Schokolade, Blumen, Karten und anderen Geschenkartikeln zu fördern. Es gibt spezielle
Angebote und Werbemaßnahmen für diesen und andere Feiertage.
Segmentierung nach Nutzenerwartungen Eine besonders zielführende Methode der Segmentie-
rung ist die Einteilung der Kaufinteressenten nach ihren Nutzenerwartungen an das Produkt.
Die Segmentierung nach Nutzen erfordert zunächst, dass die Hauptvorteile, die Konsumenten
von einer Produktklasse erwarten, identifiziert werden. Dann sind die Konsumententypen, die
den jeweiligen Nutzen verlangen, sowie die Marken, die diesen bieten, zu bestimmen.
Durch eine Segmentierung nach Nutzenerwartungen können Unternehmen verdeutlichen,
warum die Käufer ausgerechnet ihre Produkte kaufen sollen. Sie können die Haupteigen-
schaften herausstellen und aufzeigen, wie sich das Produkt von anderen Produkten auf dem
Markt abhebt. Große und stark kontrastierende Segmente können zum Anlass genommen
werden, um neue Produktlinien zu entwickeln. Es lassen sich auch völlig neue Nutzenerwar-
tungen definieren und Marken aufbauen, die diese erfüllen.
Segmentierung nach Nutzer- bzw. Käuferstatus Hier wird die Segmentierung darauf ausge-
richtet, ob der Interessent bereits Käufer war oder nicht und wie oft er gekauft hat. Es lassen
sich folgende Kategorien unterscheiden:
Nichtkäufer
Ehemalige Käufer
Potenzielle Käufer
Erstkäufer
Regelmäßige Käufer
Die Marktposition eines Unternehmens beeinflusst dessen Fokus auf diese Gruppen. Wäh-
rend Marktführer darauf abzielen, potenzielle neue Käufer zu werben, beschränken sich klei-
nere Unternehmen tendenziell darauf, regelmäßige Käufer von der Konkurrenz abzuwerben.
343
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
2 Andrew Ward, „Retailer still strong on the home front“, Financial Times, 14. Januar 2011, S. 19; Sean
Poulter, „This flatpack nation“, Daily Mail, 7. Oktober 2010, S. 25.
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7.2 Kundensegmentierung
Ein Unternehmen kann durch die Analyse von Verhaltensmustern der Konsumenten in seinem
Markt sehr viel lernen. Zuerst müssen die eigenen, treuen Konsumenten analysiert werden. So
kann beispielsweise Apple durch die Analyse von Mac-Fanatikern seinen Zielmarkt genauer
bestimmen und das Marketing weiterentwickeln. Durch eine Analyse der weniger treuen Kun-
den kann das Unternehmen herausfinden, welche Marken am stärksten im Wettbewerb zur
eigenen Marke stehen. Werden zusätzlich noch Konsumenten analysiert, die die eigene Marke
meiden, so kann das Unternehmen Rückschlüsse auf seine Marketingschwächen ziehen.
345
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
innerhalb des Berufsstands als Meinungsführer und Forschertypen angesehen. Daraus ergab
sich allerdings, dass sie stets viel beschäftigt waren und sich selten die Zeit nahmen, einen
Pharmaberater zu empfangen. Für den Außendienst sind diese Ärzte schwierige Partner, aber
sie sind der Schlüssel zu einem andauernden Erfolg eines neuen Medikaments. Aufgrund
dieser Erkenntnisse wurde ihre Betreuung umstrukturiert. Sie erhielten besonderes, auf ihre
Ansprüche zugeschnittenes, forschungsorientiertes Informationsmaterial.
Kinderschreck So wurden Ärzte bezeichnet, die viele Medikamente verschrieben und sich
auch die Zeit nahmen, einen Pharmaberater zu empfangen. Andererseits hatten diese Ärzte
fast niemals Kinder als Patienten. Es wäre daher sinnlos für Marketing und Außendienst
gewesen, ihnen Medikamente für Kinder oder für die Behandlung von Babys und Kleinkin-
dern vorzustellen.
Hausfrauenpraxen Vereinzelt gab es Ärztinnen, die ihren eigenen Haushalt und ihre eigene
Familie hatten und die Praxis nicht in Vollzeitbeschäftigung betrieben. Wegen dieser zeitli-
chen Einschränkungen hatten sie nur wenige Patienten. Sie verschrieben auch kaum Medika-
mente. Für den Außendienst des Pharmaunternehmens waren diese Praxen keine lohnenden
Ziele.
Diese Erkenntnisse führten dazu, dass die Gesamtheit aller Arztpraxen segmentiert, Kampag-
nen auf die einzelnen Segmente zugeschnitten und so dem Außendienst ein geeignetes Steu-
erungsinstrument an die Hand gegeben wurde.
Mehrstufige Segmentierung
Häufig ist eine mehrstufige Segmentierung nötig. International tätige Unternehmen segmen-
tieren ihre Märkte zunächst nach Regionen oder Staaten (Makrosegmentierung) und segmen-
tieren dann innerhalb der Gebiete weiter (Mikrosegmentierung). Dies reflektiert entweder
unterschiedliche Bedürfnisse der einzelnen Regionen oder die Autonomie, die den regiona-
len Managern eingeräumt wird. Häufig nutzt man bei der Makrosegmentierung demografi-
sche und bei der Mikrosegmentierung psychografische oder verhaltensorientierte Kriterien.
Eine schwedische Studie über Industriegütermärkte belegt diese Vorgehensweise:
Makrosegmentierung benutzt zumeist die geografische Lage, die Unternehmensgröße, die
Unternehmensstruktur und das Alter der Unternehmen als Segmentierungskriterien.
Die bei der Mikrosegmentierung genutzten Kriterien sind vielfältiger: Unternehmensziele,
Marktnischen, Wettbewerbsverhältnisse, Wettbewerbsvorteile, Expansionsvorhaben, per-
sönliche Bedürfnisse, Produktionsverfahren, bediente Kundengruppen, Größe der Kunden.
Gelegentlich existieren auch mehr als zwei Segmentierungsebenen. Im Industriegütermarke-
ting kann auf einer dritten Ebene beispielsweise anhand der Personen innerhalb eines
Buying Centers segmentiert werden. Personen in verschiedenen Positionen erhalten unter-
schiedliche Ansprachen und Informationsmaterialien. So verläuft ein Gespräch mit dem
Nutzer einer Maschine anders als eines mit dem Finanzdirektor, der das Budget im Auge
behält.
346
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7.2 Kundensegmentierung
Märkten mit Unternehmen als Käufern kommen jedoch noch einige Segmentierungsvariab-
len hinzu:
Charakteristika des Unternehmens
Kriterien der Nutzung
Organisation und Durchführung der Beschaffung
Situative Faktoren
Einflüsse der handelnden Personen und aus der Organisation
Tabelle 7.4 führt einige wichtige Fragestellungen auf, die Anbieter bei der Entscheidung,
welche Kunden sie bedienen wollen, berücksichtigen sollten.
347
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Situative Faktoren
Dringlichkeit Sollen wir Abnehmer suchen, die schnelle und zuverlässige Liefe-
rungen und Services benötigen?
Einsatzbedingungen für unser Produkt Sollen wir uns auf bestimmte Verwendungen unseres Produkts
konzentrieren oder sollen wir alle Einsatzbedingungen abdecken?
Größe der Bestellungen und Lieferlose Sind für uns große oder kleine Bestellungen interessanter? Häufig
wird es beides geben: Großaufträge für Verwendung als Vorpro-
dukt und Kleinbestellungen für Nachrüstung und Ersatzbedarf.
348
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7.2 Kundensegmentierung
Venezuela von Argentinien genauso unterscheidet wie Sizilien von Norwegen. Viele Süd-
amerikaner sprechen gar kein Spanisch, so die 200 Millionen Menschen in Brasilien, die Por-
tugiesisch sprechen.
Andere internationale Segmentierungsansätze knüpfen an wirtschaftlichen Kennzahlen wie
dem Pro-Kopf-Einkommen oder dem Wirtschaftswachstum an. Die wirtschaftliche Struktur
prägt die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Produkten und Dienstleistungen und damit die
Möglichkeiten, die sich dem Marketing bieten. Einige Länder wie zum Beispiel die „Gruppe
der Acht“ (USA, Großbritannien, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Japan,
Kanada, Italien und Russland) weisen hoch industrialisierte Volkswirtschaften auf. Eine
andere Gruppe lässt sich als Schwellenländer bezeichnen (an der Schwelle zur Industriali-
sierung). Zu ihnen zählen beispielsweise Brasilien, China, Mexiko, Malaysia und Taiwan.
Auch Kriterien aus Politik und Rechtsordnung wie Typ und Stabilität der Regierung, Aufge-
schlossenheit gegenüber ausländischen Unternehmen, Freiheit oder Regulierung des Zah-
lungsverkehrs und der Grad der vorhandenen Bürokratie können zu einer Segmentierung
von Ländern führen. Solche Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Auswahl der zu
bedienenden Auslandsmärkte und der Art des Markteintritts. Gleiches gilt für kulturelle Fak-
toren. Internationale Märkte können anhand gemeinsamer Sprachen, Religionen, Werte und
Einstellungen, Sitten und Verhaltensmuster gruppiert werden.
Wenn internationale Märkte anhand geografischer, wirtschaftlicher, politischer, kultureller
und anderer Faktoren in Segmente eingeteilt werden, geht man davon aus, dass sich aus
unterschiedlichen Ländern Gruppen bilden lassen. Die neuen Kommunikationstechnologien
jedoch, wie Satellitenfernsehen und das Internet, vernetzen Kunden in aller Welt; die Marke-
tingverantwortlichen können die Segmente gleichgesinnter Kunden also überall auf der Welt
ermitteln und erreichen. So können sie weltweite Zielgruppen über alle nationalen Markt-
grenzen hinweg definieren, z.B. anhand von Einkommens- und Verhaltenskriterien. Herstel-
ler hochwertiger Pkw oder von Luxusgütern wenden sich auf allen internationalen Märkten
an die Wohlhabenden, ungeachtet dessen, in welchem Land diese Menschen leben. Im Rah-
men einer solchen Cross-Market-Segmentation werden Konsumenten mit identischem
Bedarf und Kaufverhalten gruppiert, auch wenn sie aus unterschiedlichen Ländern kommen.
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
findet heraus, dass männliche und weibliche Singles mit einem aktiven Leben und vielen
sozialen Kontakten eine wichtige Kundengruppe sind. Sofern diese Gruppe nicht an
bestimmten Orten lebt oder einkauft bzw. nicht in bestimmten Medien aktiv ist, werden
diese Kunden nur schwer zu erreichen sein.
Bedeutung des Segments Die einzelnen Segmente müssen eine Mindestgröße aufweisen oder
Mindestgewinne in Aussicht stellen können. Ein Segment sollte die größtmögliche homo-
gene Gruppe sein, die mit einem auf sie abgestimmten Marketingprogramm bedient werden
kann. Bestimmte maßgeschneiderte Sonderausführungen wie zum Beispiel ein Auto für Per-
sonen mit einer Körpergröße unter 1,40 Meter würden einfach nicht genug Käufer finden, um
die hohen Entwicklungskosten zu rechtfertigen.
Differenzierbarkeit Die Segmente sind begrifflich unterscheidbar und reagieren unterschied-
lich auf verschiedene Marketingelemente bzw. -programme. Wenn Männer und Frauen auf
Marketingmaßnahmen für Softdrinks gleich reagieren, so bilden sie keine unterschiedlichen
Segmente.
Durchführbarkeit und Umsetzbarkeit Marketingprogramme müssen in der Lage sein, die
identifizierten Marktsegmente individuell zu adressieren. Eine kleine Fluggesellschaft iden-
tifizierte sieben unterschiedliche Kundensegmente. Als es dann an die Umsetzung ging,
stellte man jedoch fest, dass man gar nicht die Ressourcen hatte, sieben Segmente mit eige-
nen Marketingprogrammen zu bedienen.
350
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7.3 Auswahl von Zielmärkten
weniger attraktiv, wenn aktuelle oder potenzielle Ersatzprodukte existieren, die den Preis-
spielraum und die Gewinnerwartungen beschneiden. Entscheidend ist auch die Machtposi-
tion der Käufer, die bei einer entsprechenden Konstellation Preise drücken, mehr Qualität,
Leistungen oder Service zum gleichen Preis verlangen und die Konkurrenten gegeneinander
ausspielen können.
Eine weitere zu berücksichtigende Größe stellt die Macht der Lieferanten dar. Für einen Pro-
duzenten verliert ein Segment an Attraktivität, wenn er von seinen Zulieferern für Rohstoffe,
Ausrüstung oder Dienstleistungen unter Druck gesetzt werden kann oder wenn nicht genü-
gend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Dominieren bei den Zulieferern große
Unternehmen, besteht ein hoher Konzentrationsgrad, existieren keine Ersatzprodukte oder
Ausweichlieferanten oder handelt es sich um ein wichtiges Schlüsselprodukt, so können die
Lieferanten tendenziell höhere Preise durchsetzen oder bei der Qualität und den verbunde-
nen Leistungen (Fracht, Verarbeitungsgrad, Reinheit usw.) Abstriche machen.
Auch wenn ein Segment die richtige Größe und das richtige Wachstum aufweist und deshalb
als attraktiv beurteilt werden kann, sollte ein Unternehmen seine Zielvorstellungen und
seine Ressourcen für dessen Bedienung sorgfältig überprüfen. Auch ein vermeintlich attrakti-
ves Segment ist zu ignorieren, wenn es mit den langfristigen Zielen des Unternehmens nicht
vereinbar ist oder die Aufmerksamkeit und Energien von den Hauptzielen ablenkt. Manch-
mal handelt es sich dabei um Segmente, die zwar schnelle Gewinne versprechen, aus
umweltpolitischen Gesichtspunkten, aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung oder
wegen politischer Grundüberzeugungen jedoch äußerst problematisch erscheinen. In den
letzten Jahren kam häufig Kritik an einzelnen Unternehmen auf, die mit fragwürdigen Pro-
dukten und Taktiken Segmente wie Kinder, Senioren und Bevölkerungsschichten mit niedri-
gem Einkommen ansprachen.
Selbst starke Unternehmen können in Schwierigkeiten geraten, wenn sie in einem neuen
Segment einen schwachen Start haben. Bevor man sich für den Eintritt in ein neues Segment
entscheidet, sollte zunächst die Position auf dem Gesamtmarkt überprüft werden. Ein konti-
nuierlich steigender Marktanteil beispielsweise ist ein Indiz für unternehmerische Stärke,
während ein sinkender Marktanteil auf strukturelle Schwächen hindeutet, die durch den
Eintritt in ein weiteres Segment zumeist nicht behoben werden können. Man sollte daher kri-
tisch prüfen, ob genug Energie, Ausdauer und Ressourcen vorhanden sind, um in einem
neuen Marktsegment ein wirtschaftlich profitables Niveau zu erreichen. Ein Segmenteintritt
ohne bestehende Vertriebsstrukturen beispielsweise könnte sich als sehr kostenintensiv
erweisen.
Die Entscheidung, ein Segment zu bedienen, wird auch von außerhalb des Marketings liegen-
den Faktoren beeinflusst. Wie ist die Kostensituation des Unternehmens? Besteht die Mög-
lichkeit, Kapazitäten besser auszulasten? Ergänzt das neue Segment die technologischen
Stärken des Unternehmens, sind Synergie-Effekte zu erwarten?
351
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
auf ähnliche Weise ihren Bedarf definieren und auf Marketinganreize reagieren. Die Band-
breite der Marktsegmentierung reicht vom Massenmarketing (man nimmt keine Segmentie-
rung vor) bis hin zum Mikromarketing (jeder Kunde ist ein Segment). Dazwischen existieren
Formen wie das Zielgruppenmarketing (die Bearbeitung ausgewählter Segmente) oder das
Nischenmarketing.
Breite Enge
Zielgruppenansprache Zielgruppenansprache
Abbildung 7.3: Abstufungen der Marktsegmentierung
Massenmarketing
Beim undifferenzierten Marketing (oder Massenmarketing) sind Produkte, Distribution und
Werbung für alle Käufer gleich konzipiert. Man ignoriert die Unterschiede zwischen den ein-
zelnen Segmenten und bedient den Markt mit einem Einheitsangebot. Dies kann sinnvoll
sein, wenn die Unterschiede als gering und unbedeutend einzuschätzen sind und man zu der
Überzeugung gelangt, dass das Produkt den Ansprüchen mehrerer Segmente genügt. Das
Angebot konzentriert sich auf die Gemeinsamkeiten bei den Bedürfnissen der Kaufinteres-
senten und nicht auf die Unterschiede. Man entwickelt ein Produkt und ein Marketingpro-
gramm, das den größten Teil der Kaufinteressenten anspricht.
Coca-Cola zum Beispiel produzierte lange Zeit nur ein einziges Produkt, in einer einzigen
Flaschengröße, und erwartete, dass dies jedermann gefallen würde. Henry Ford präsentierte
den Konsumenten lediglich ein Auto, das T-Modell, und dieses war auch nur in einer Farbe
erhältlich, in Schwarz. Ford verlor jedoch im Laufe der Zeit aufgrund dieser Strategie die
Marktführung. Argumente für das Massenmarketing sind die geringen Kosten, die niedrige
Preise und damit die Erschließung breiter Käuferschichten ermöglichen sollen. Eine einheit-
liche Produktlinie bedeutet geringe Kosten für Produktion, Lagerhaltung, Transport und Wer-
bung. Wenn von vornherein auf Marktforschung für Segmentierung verzichtet wird, sinken
auch die Kosten für Marktanalyse und Produktmanagement.
Heutzutage erschweren viele Faktoren das Massenmarketing. Die einstigen Massenmärkte
sind in eine Vielzahl kleinerer Segmente zersplittert. Dies macht das Massenmarketing mit
nur einem Produkt in den meisten Bereichen unmöglich, wenn dieses zum Beispiel von den
Tropen bis in die Arktis oder für verschiedene ethnische und gesellschaftliche Gruppen
angeboten werden müsste. Es ist zunehmend schwieriger, ein Produkt oder ein Produktpro-
gramm zu entwickeln, das alle diese Gruppen anspricht. Auch das Entstehen neuer Werbe-
medien und Vertriebskanäle hat die Praxis des „Eines passt für alle“-Ansatzes erschwert.
Somit ist es nicht verwunderlich, dass sich immer mehr Unternehmen aus dem Massenmar-
keting zurückziehen und sich dem Zielgruppenmarketing zuwenden.
Zielgruppenmarketing
Ein Unternehmen, das differenziertes Marketing (oder Zielgruppenmarketing) betreibt, berück-
sichtigt die unterschiedlichen Bedürfnisse, Wahrnehmungen und das Kaufverhalten der Käufer.
Es versucht, Segmente, die einen homogenen Markt bilden, zu isolieren, und passt sein Angebot
so an, dass es mit den Bedürfnissen eines oder mehrerer Segmente übereinstimmt.
352
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7.3 Auswahl von Zielmärkten
Bei diesem Marketingansatz bietet der Hersteller zwei oder mehr Produkte an, die sich in
Bezug auf Ausstattung, Aussehen, Qualität, Verpackung, Größe usw. unterscheiden. Coca-
Cola zum Beispiel ging in einem späteren Schritt dazu über, sowohl die Verpackungsgrößen
zu variieren als auch andere Produkte wie Fanta (Orange) oder Sprite (Zitrone) einzuführen.
Das Argument für das Marketing mit Produktvarianten ist, dass die Verbraucher einen unter-
schiedlichen Geschmack und unterschiedliche Bedürfnisse haben, die sich im Laufe der Zeit
durchaus ändern können und bedient werden sollten.
Durch das Angebot segmentspezifischer Produkte oder Dienstleistungen hofft ein Unterneh-
men auf höheren Absatz und eine stärkere Position in jedem der bedienten Märkte. Häufig
zielt man auch darauf ab, Käufer bei einem Wiederholungskauf mit geänderten Bedürfnissen
nicht zu verlieren (Pkw: erst Zweisitzer, dann Familienkombi).
Differenziertes Marketing schafft in der Regel mehr Umsatz als undifferenziertes Marketing.
Eine Fluggesellschaft hat auf einer Transatlantikstrecke in einem Airbus A340 folgende Tarif-
struktur:
Passagiere in der Economyclass mit Tickets zwischen 500 Euro (Reisebüro/Vorausbu-
chung) und etwa 1.000 Euro (freies Economy-Ticket)
Passagiere der Businessclass mit mehr Komfort und mit Tickets für ca. 3.000 Euro
Passagiere in der First Class, von denen jeder etwa 5.000 Euro bezahlt hat
Die Fluggesellschaft hätte keine Probleme, alle Sitze eines Fluges zum Preis von ca. 500 Euro
zu verkaufen. Mit diesem Preis wäre jedoch nicht einmal Kostendeckung erreicht. Anderer-
seits ließe sich mit den Preisen der Businessclass oder der First Class das Flugzeug nicht bis
zur hundertprozentigen Auslastung füllen und es wäre ebenfalls keine Kostendeckung
erreicht. Möglicherweise müssten auf lange Sicht kleinere Maschinen eingesetzt werden. Da
einige Passagiere offensichtlich immer bereit sind, für Komfort und Flexibilität bei der
Buchung mehr zu bezahlen, und andere Passagiere sich den Flug nur dann leisten können,
wenn er preiswert ist, wird über das Instrument des differenzierten Angebots beiden Grup-
pen gegenseitig die Reise ermöglicht.
In vieler Hinsicht bietet Zielgruppenmarketing einige Vorteile gegenüber dem Massenmarke-
ting. Ein Unternehmen kann seine Produkte und Dienstleistungen, seine Distributionskanäle
und seine Kommunikation auf die Interessenten ausrichten, die es optimal bedienen kann,
und arbeitet dadurch effizienter. Es kann auch sein, dass sich das Unternehmen gegenüber
einer geringeren Anzahl an Konkurrenten behaupten muss, weil sich andere Wettbewerber
möglicherweise entschlossen haben, das ausgewählte Segment nicht zu bedienen.
Differenziertes Marketing erhöht jedoch die Kosten. Für ein Unternehmen ist es im Normalfall
teurer, zehn Einheiten von zehn unterschiedlichen Produkten zu entwickeln und zu produzie-
ren, als hundert Einheiten eines einzelnen Produkts. Unterschiedliche Marketingpläne für ver-
schiedene Segmente umzusetzen, erfordert zusätzliche Marktforschung, Prognosen, Ver-
kaufsanalysen, Kommunikationsplanung und ein Management der Absatzkanäle. Um sich für
eine differenzierte Marketingstrategie zu entscheiden, muss ein Unternehmen zusätzliche Ver-
käufe gegenüber den erhöhten Kosten abwägen.
Nischenmarketing
Marktsegmente sind normalerweise große erkennbare Gruppen innerhalb des Gesamtmarkts.
Der Automobilmarkt beispielsweise kann grob in einen Markt für Luxusfahrzeuge, für Sport-
wagen, für die obere und untere Mittelklasse und für Kleinwagen segmentiert werden. Das
353
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
7 Marktsegmentierung und Positionierung
Mikromarketing
Unternehmen, die Segmente oder Nischen bedienen, richten ihr Angebot und ihr Marketing-
programm genau auf die in diesen identifizierten Bedürfnisse aus. Dennoch passen sie ihr
Angebot nicht an die Kundenwünsche eines jeden einzelnen Käufers an. Zielgruppenmarke-
ting und Nischenmarketing stellen vielmehr die Mitte zwischen den beiden Extremen Mas-
senmarketing und Mikromarketing dar. Letzteres ist darauf ausgerichtet, die Produkte und
Marketingprogramme an den Geschmack und die Bedürfnisse einzelner Personen und an
bestimmte Standorte anzupassen. Mikromarketing beinhaltet lokales und individuelles Mar-
keting:
Lokales Marketing Zum lokalen Marketing gehört es, Produkte und Marketingaktionen auf
lokal begrenzte Kundengruppen wie die Bevölkerung einer Stadt oder eines Stadtteils auszu-
richten. Das lokale Marketing hilft einem Unternehmen, regional oder lokal bestehende
3 Siehe dazu Jack Neff, „Making the case for the Titans“, Advertising Age, 7. Oktober 2013, S. 14.
354
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7.3 Auswahl von Zielmärkten
Unterschiede bezüglich Demografie und Lebensstilen in seinem Sinne mit einem genau dar-
auf abgestimmten Angebot zu nutzen. Die lokalen Händler als „Kunden vor Ort“ begrüßen
derartige Bemühungen, weil dadurch auch ihre Position gestärkt wird. So richtet IKEA
bestimmte Promotion-Aktivitäten am lokalen Umfeld seiner Möbelhäuser aus. Ähnlich ver-
fährt Tesco in Großbritannien. Die Analyse der geodemografischen Charakteristika seiner
Kunden und die Nutzung weiterer Kundendaten ermöglicht Tesco die Anpassung der Ver-
kaufsfläche an das jeweilige Umfeld und die spezifischen Bedürfnisse der lokalen Kunden.
Fortschritte in der Kommunikationstechnologie ermöglichen mittlerweile das gezielte
Ansprechen von Kunden, die sich der Filiale eines Händlers nähern. Diese werden über die
Ortungsfunktion des Smartphones zunächst identifiziert und dann mittels SMS oder Apps
über spezielle Anzeigen oder Angebote motiviert, das Geschäft zu besuchen – und beispiels-
weise den Coupon für einen Cappuccino bei Starbucks einzulösen. Man spricht hier von
sogenannten Location based services.
Lokales Marketing hat aber auch einige Nachteile. Es kann zu einer Erhöhung der Produk-
tions- und Marketingkosten kommen, da die Kostenvorteile der Massenproduktion geschmä-
lert werden. Zudem tauchen möglicherweise Probleme in der Logistik auf, wenn Unterneh-
men versuchen, die unterschiedlichen Anforderungen verschiedener regionaler und lokaler
Märkte zu berücksichtigen. Das Image einer Marke kann verwässern, wenn an unterschiedli-
chen Orten verschiedene Produkte angeboten und Botschaften kommuniziert werden. Den-
noch wiegen die Vorteile des lokalen Marketings seine Nachteile oftmals auf, da sich Unter-
nehmen immer häufiger fragmentierten Märkten gegenübersehen und sich zunehmend neuer
Technologien zu deren individueller Bearbeitung bedienen können.
Individuelles Marketing Im Extremfall wird das Mikromarketing zum Marketing für jeden
einzelnen Käufer, d.h. Produkt- und Marketingprogramm werden auf die Bedürfnisse und
Vorlieben jedes einzelnen Kunden abgestimmt. Individuelles Marketing wird auch als „One-
to-One-Marketing“, „Customised Marketing“ oder „Segment-of-one-Marketing“ bezeichnet.
Die Dominanz des Massenmarketings, die ein Ergebnis der Industrialisierung war, hat die
Erinnerung daran verwischt, dass individuelles Marketing über viele Jahrhunderte die vor-
herrschende Form war. Die Kunden wurden als Individuen bedient: Der Schneider lieferte
einen maßgeschneiderten Anzug, der Schuhmacher die Schuhe dazu und der Schreiner fer-
tigte Möbel genau nach den Vorgaben seiner Kunden an.
Gerade heute erlauben es die neuen Technologien auch großen Unternehmen wieder, zum
individuellen Marketing zurückzukehren und damit genau auf die Wünsche der einzelnen
Käufer einzugehen. Leistungsfähige Computer, detaillierte Datenbanken, automatisierte Pro-
duktionsstraßen und Kommunikationstechnologien haben dazu beigetragen, eine individua-
lisierte Massenproduktion, die sogenannte Mass Customization, zu ermöglichen. Hierunter
versteht man die Fähigkeit, im Rahmen der Massenproduktion den Wünschen einzelner
Kunden entsprechende, individuell konfigurierte Produkte zu fertigen.
Auf den Märkten für Konsumgüter findet man solche individualisierten Produkte, angefan-
gen bei Pauschalreisen, Kleidung und Möbeln bis hin zu Computern und manufakturgefertig-
ten Fahrrädern. Durch das One-to-One-Marketing wurden die Beziehungen zu den Kunden
wichtiger als je zuvor. War Massenproduktion das Marketingprinzip des 20. Jahrhunderts, so
ist seit Beginn des 21. Jahrhunderts das interaktive Marketing in den Mittelpunkt gerückt.
Marketing-Manager suchen auch neue Wege, um die Werbebotschaften zu personalisieren.
Plasma-Bildschirme, die weltweit in Einkaufszentren stehen, können heute z.B. die Gesich-
ter der Käufer analysieren und auf das Geschlecht, das Alter oder die Ethnologie der Kunden
zugeschnittene Anzeigen schalten. Die Gesichtserkennungstechnologie geht noch einen
355
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Schritt weiter, indem sie die Person wahrnimmt und Botschaften wie Angebote an ihre Inter-
essen und Kaufverhalten anpasst. Auch Marketingexperten im Bereich B2B entdecken neue
Möglichkeiten, ihre Angebote entsprechend zu gestalten. Auf dem Weltmarkt für Landwirt-
schaftsmaschinen produziert John Deere beispielsweise Ansaat-Geräte, die in mehr als 2 Mil-
lionen Versionen zu haben sind und so den individuellen Kundenanforderungen entspre-
chen. Die Sämaschinen werden mit jedem Arbeitsablauf und in einem Produktionsbereich
einzeln hergestellt. Die massenweise Anpassung an Kundenwünsche ermöglicht so eine
Abgrenzung von der Konkurrenz.
356
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7.3 Auswahl von Zielmärkten
100
S = Segment
S6
S1
Attraktivität des Marktsegments
S9
S3
S 13
50
S 17
S2
S 12
0
0 50 100
Relative Stärke des Unternehmens
Abbildung 7.4: Portfolio von Kundensegmenten eines Maschinenbau-Unternehmens
357
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
leicht zu erkennen und kontrollieren sind. In digitalen Medien ist die Werbung jedoch subtil
in den Inhalt eingebettet und kann von Kindern auf eigenen, kleinen Geräten angesehen wer-
den, die sich der Aufmerksamkeit der Eltern entziehen. Ein solches Marketing kann die Form
integrierter „Advergamers“ annehmen – Videospiele, die speziell entwickelt wurden, um
Kinder an das Produkt zu binden. Oder es besteht aus eingebetteten Anzeigen, Quizzen oder
Produktplatzierungen, mit denen Marketingexperten Markenprodukte, TV-Sendungen,
beliebte Charaktere oder verkaufsfähige Objekte übergreifend bewerben können.
Nicht jeder Versuch, Kinder, Minderheiten oder andere spezielle Segmente zu erreichen, ruft
direkte Kritik hervor. Zumeist profitieren die anvisierten Konsumenten von den ihnen offe-
rierten Produkten. Samsung wendet sich mit einem einfach zu bedienenden größeren Telefon
mit besserem Lautsprecher direkt an Senioren. Colgate bietet eine große Auswahl an Zahn-
bürstenformen und Zahncremes unterschiedlicher Geschmacksrichtungen speziell für Kin-
der; angefangen mit einer Zahnpasta, die den Kleinen beim Entfernen der Plaque-Monster
hilft, bis hin zu Bürsten im Spiderman- oder Barbie-Design. Solche Produkte zielen darauf
ab, Kindern zu zeigen, dass das Zähneputzen Spaß macht.
Die wachsende Popularität des Internets und anderer zielgerichteter, direkter Medien hat
neue Bedenken über möglichen Missbrauch des Zielgruppenmarketings entfacht. Das Inter-
net ermöglicht eine viel genauere Ansprache und so können die Macher fragwürdiger Pro-
dukte oder irreführender Werbung ungehindert ein schutzloses Publikum erreichen. Skru-
pellose Marketing-Manager können heute spezifische, irreführende Werbung direkt per E-
Mail an Millionen argloser Verbraucher senden. Marketingexperten nutzen heute raffinierte
Analysemethoden, um die digitalen Bewegungen der Kunden nachzuverfolgen und detail-
lierte Kundenprofile zu erstellen, die höchst persönliche Informationen enthalten. Solche
Profile dienen dann der massiven Ansprache einzelner Verbraucher mit personalisierten
Markenbotschaften und Angeboten. Das sogenannte Hyper-Targeting kann Marketingverant-
wortlichen und Verbrauchern nutzen, wenn die richtige Markeninformation zu den richtigen
Kunden gelangt. Zu weit getrieben oder falsch angewendet kann Hyper-Targeting den Kun-
den jedoch mehr schaden als nutzen. Marketing-Manager müssen diese neuen Instrumente
des Zielgruppenmarketings daher verantwortungsvoll einsetzen.
Wesentlich beim Zielgruppenmarketing ist nicht, wer erreicht wird, sondern vielmehr wie
und wofür jemand erreicht wird. Kritik wird dann geäußert, wenn Marketingexperten aus-
schließlich versuchen, Profit zu erzielen, indem sie benachteiligte Segmente gezielt oder
durch fragwürdige Produkte oder Strategien ansprechen. Ein sozial verantwortliches Marke-
ting sollte nicht nur die Interessen des Unternehmens verfolgen, sondern insbesondere auch
jene der angesprochenen Zielgruppen.
358
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7.4 Differenzierung und Positionierung
Hat ein Unternehmen sich ein genaues Bild vom Markt und von den dort anzutreffenden
Zielgruppen verschafft, gilt es, eine Strategie zur Marktbearbeitung zu bestimmen. Die Her-
ausforderung besteht darin, die Stärke des Unternehmens und die Anforderungen und Chan-
cen des Markts bzw. einzelner Segmente aufeinander abzustimmen. Hierzu sind zwei
Schritte erforderlich: erstens die Identifizierung einer Kundengruppe, aus deren Sicht man
mit seinem Angebot einen besonderen, von anderen Anbietern differenzierenden Vorteil bie-
tet und zweitens die Positionierung dieses Angebots in den Köpfen der Verbraucher. Diffe-
renzierung und Positionierung müssen die Antwort liefern auf die Frage des Kaufinteressen-
ten: „Warum soll ich gerade Ihr Produkt kaufen?“.
Wie wichtig die genaue Positionierung eines Unternehmens und seines Angebots ist, um
Erfolg am Markt zu haben, zeigt das nachfolgende Highlight am Beispiel der TRUMPF-
Gruppe und der Schott AG.
359
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
360
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7.4 Differenzierung und Positionierung
Direkt an der Nahtstelle zum Kunden schließt sich der Kreis. Für Interessenten und
Kunden – zu 90 Prozent besteht die Klientel aus mittelständischen Unternehmen mit
bis zu 50 Mitarbeitern – leistet sich TRUMPF in Ditzingen, London, Paris und anderen
Standorten Vorführzentren mit dem aktuellen Maschinenpark. Wer dort hinkommt,
erwartet das Außergewöhnliche, will die innovative Problemlösung. Die größte Heraus-
forderung ist dabei die Live-Präsentation – der Praxisbeweis der Leistungsfähigkeit von
Maschine und Maschinenbedienern. Hier werden an einem Tag und im Beisein des
Kunden Blechteile programmiert, anschließend gestanzt oder mit Laser geschnitten
sowie gebogen und lasergeschweißt, tägliche Innovation zum Anfassen sozusagen.
Quellen:
Geschäftsberichte der TRUMPF-Gruppe;
Pressemitteilung unter: http://www.trumpf.com/nc/de/presse/pressemitteilungen/pressemittei-
lung/rec-uid/60668.html [31.03.2015];
Webseite der TRUMPF-Gruppe unter: http://www.trumpf.com. [04.02.2018]
CERAN-Kochflächen der SCHOTT AG: Positionierung hin zum Erfolg Richtige Positi-
onierung war das Marketinginstrument, das die deutsche SCHOTT AG anwendete, als
sich bei der Markteinführung der CERAN-Kochflächen auf dem US-Markt der Erfolg
nicht sofort einstellen wollte. Alle Voraussetzungen für einen Erfolg schienen gegeben.
Das Material hatte eine absolut geschlossene Oberfläche, es war leicht zu reinigen und
versprach eine lange Lebensdauer. Bei CERAN findet keine mechanische Ausdehnung
statt, wenn die Beheizungstechnologie eingeschaltet ist. Damit gibt es keine Verspan-
nungen und die Wärmeleitung ist derart minimal, dass die Kochfläche kühl bleibt, auch
wenn Kochzonen eingeschaltet sind. Selbst nach zehn Jahren Benutzung sehen
CERAN-Kochflächen noch wie neu aus.
Als man sich bei SCHOTT entschloss, auch den amerikanischen Markt zu bedienen,
hatte man mit einigen Schwierigkeiten gerechnet. Man müsste mit dem Produkt ameri-
kanische Hersteller von Elektroherden überzeugen, die dann bei Absatzmittlern, wie
zum Beispiel Händlern, Architekten und Bauträgern, CERAN−Kochflächen einführen
müssten. Diese Absatzmittler sollten dann die Endverbraucher als Käufer gewinnen.
Schott machte sich daran, CERAN an 14 ausgesuchte Hersteller von Küchen und Elek-
troherden zu verkaufen. Die Repräsentanten dieser Hersteller hörten bei den Vorführun-
gen aufmerksam zu, bestellten erste Muster und Prototypen und dann geschah lange
Zeit nichts.
Eine daraufhin durchgeführte Marktuntersuchung machte zwei Problemkreise sichtbar:
Zum einen hatte SCHOTT es versäumt, CERAN nicht nur bei den Herstellern, son-
dern auch bei den Absatzmittlern und bei den Endverbrauchern zu positionieren.
Zum anderen war die Positionierung über Produkteigenschaften versucht worden,
die für den Verbraucher auf den ersten Blick nicht so interessant erschienen. Die
Kunden hätte es interessiert, wie dieses neue Produkt aussieht, während die Einfüh-
rungskampagne den Schwerpunkt auf technische Aspekte legte.
Auf diesen Ergebnissen aufbauend führte die SCHOTT AG eine Neupositionierung von
CERAN durch. Der Schwerpunkt der Werbung lag jetzt bei der Eleganz und Schönheit
des neuen Materials und den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten beim Produktde-
sign.
361
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Die Werbung titulierte nun die schwarz glänzenden CERAN-Kochflächen als den
„Abendanzug für Ihre Küche“ in einem Anzeigenmotiv mit einem Frack als Hinter-
grund. Eine intensive Kampagne übermittelte die neue Position an Absatzmittler und
Endkäufer. Dort positionierte Schott CERAN als „mehr als nur ein Kochfeld, vielmehr
ein wertvolles und edles Instrument für ausdrucksvolle Küchengestaltung“. Um diese
Position der Eleganz und der Schönheit zu unterstreichen, zeigten einige Werbemotive
eine CERAN-Kochfläche mit einer eingeschalteten rot glühenden Kochzone. Zusätz-
lich zur Werbung wurde intensive Öffentlichkeitsarbeit betrieben, die viele Berichte in
Fachpublikationen für Bauen und Wohnen, Heimwerken und Architektur zur Folge
hatte. Ein Video wurde produziert und von 150 lokalen Fernsehsendern übernommen.
Für die zusätzliche Aktivierung nachgelagerter Absatzmittler wurde ein weiteres Video
erstellt, das den Verkäufern und Außendienstmitarbeitern erklärte, wie sie den Kunden
die Vorteile der CERAN-Kochflächen vermitteln sollten. Heute verkaufen sich die
CERAN-Kochflächen auch in den USA sehr gut. Alle namhaften Hersteller, mit denen
man zusammenarbeitet, kaufen die Kochflächen zum Einbau in ihre Produkte. Die
SCHOTT AG ist mit ihrem Produkt CERAN Weltmarktführer.
7.4.1 Positionierungsmodelle
Im Rahmen der Planung einer Differenzierungs- und Positionierungsstrategie erstellen Mar-
ketingverantwortliche Positionierungsmodelle. Anhand dieser Modelle kann die Kunden-
wahrnehmung der eigenen Marken derjenigen der Konkurrenzmarken gegenübergestellt wer-
den, um so die unterschiedlichen Positionierungen abzubilden. Abbildung 7.5 zeigt ein
Positionierungsmodell für verschiedene Geländewagen (Sport Utility Vehicles, SUVs). Die
Positionen der Kreise verdeutlichen, wie Konsumenten einzelne Marken innerhalb der bei-
den Dimensionen Preis und Nutzenversprechen (Luxus versus Leistung) einschätzen. Die
Kreisgröße bildet den relativen Marktanteil der Marke im jeweiligen Segment ab.
So betrachten Kunden den marktführenden Cadillac Escalade als preiswertes, großes, luxuri-
öses Allrad-Fahrzeug, bei dem Luxus und Leistung im Gleichgewicht sind. Der Escalade
wird als urbaner Luxus positioniert, und „Leistung“ bezieht sich in diesem Fall wahrschein-
lich auf Kraft und Sicherheit. In der Werbung für den Escalade findet sich jedenfalls kein
Hinweis auf Offroad-Fahrspaß.
Im Gegensatz dazu werden der Range Rover und der Land Cruiser als Luxus-Fahrzeuge mit
Offroad-Leistungen positioniert. Der Toyota Land Cruiser beispielsweise kam 1951 als All-
rad-Fahrzeug, ähnlich einem Jeep, auf den Markt und wurde entwickelt, um die härtesten
Gelände und Klimazonen der Welt zu erobern. In den letzten Jahren hat der Land Cruiser
seine Positionierung auf Abenteuer und Leistung bewahrt, jedoch den Luxus-Anspruch hin-
zugefügt. Die Webseite prahlt mit „legendärer Offroad-Fähigkeit“ mit entsprechenden Tech-
nologien wie dem Acoustic Control Induction System, um das meiste aus der Drehzahl her-
auszuholen. „Machen Sie Berge zu Maulwurfshügeln“. Das Unternehmen weist jedoch
darauf hin, dass die Robustheit des Fahrzeugs durch „die verfügbare Bluetooth-Freispre-
cheinrichtung, DVD-Entertainment und aufwendige Ausstattung einen weicheren Charakter“
bekommen hat.
362
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7.4 Differenzierung und Positionierung
85
1) Cadillac Escalade
6 2) Infiniti QX56
3
75
Preis (in Tsd. US-$)
3) Lexus LX570
4) Lincoln Navigator
2 4
55
45
Luxus Leistung
Nutzenversprechen
Abbildung 7.5: Positionierungsmodell für verschiedene Geländewagen
363
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
M a r k e t in g - H ig h lig h t :D ie u n t e r s c h ie d lic h p o s it io n ie r t e n E ig e n m a r k e n
der REWE Group
Die REWE Group verfügt über ein breites Spektrum an Eigenmarken im Food-, Near
Food- und Non-Food-Bereich. Die Marken stehen für unterschiedliche Produktverspre-
chen und erfüllen damit im Sortiment unterschiedliche Funktionen. Das Angebot
umfasst beispielsweise die Marke „ja!“ im Preiseinstiegsbereich, „REWE Beste Wahl“,
mit preisgünstigen Produkten auf dem Qualitätsniveau von Herstellermarken, die Pre-
mium- Marke „REWE Feine Welt“, die für Spezialitäten oder andere besondere Pro-
dukte steht, „REWE Bio“ mit dem Angebot von Bioprodukten oder die Marke „REWE
Regional“, die über ein regionales Produktangebot verfügt. Zusätzlich bietet „REWE frei
von“ spezielle Produkte ohne Lactose oder Gluten an, umfasst die Marke „Wilhelm
Brandenburg“, ein breites Angebot an Fleisch und Wurst, und werden Non Food-Artikel
unter der Marke „Vivess“ vermarktet. Tiernahrung wird unter der Marke „Zoo Royal“
vermarktet. Gesunde, genussfertige Snacks werden als Marke „REWE to go“ angeboten.
Beispiel- Waren-
Marke Positionierung Artikelanzahl
produkt gruppe
ja! ja! Früchte- Qualitäts- und Preiseinstieg; Food, Ca. 600
Müsli Alternative zum Discounter Near Food,
Non Food
REWE Pizza Produkte auf Qualitätsniveau von Marken- Food, Ca. 1200
Beste Capricciosa artikeln, jedoch zu günstigeren Preisen; Near Food
Wahl breites Sortiment mit großer Sortenvielfalt
REWE Aprikosen im Premium-Produkte mit Spezialitäten aus Food Unter 200
Feine Welt Speckmantel Deutschland und aller Welt;
besondere Produkte hinsichtlich Herkunft,
Herstellungsverfahren, Zutaten oder Rezeptur
REWE Bio Naturreis Bio-Produkte nach EU-Richtlinien und zusätz- Food Ca. 450
lich ca. die Hälfte der Produkte vom Öko-
Verband Naturland zertifiziert;
Bio-Produkte, bei denen die Faktoren Gesund-
heit, Nachhaltigkeit und Genuss im Einklang
stehen
REWE frei H-Vollmilch Laktose- und glutenfreie Produkte, die für Food Ca. 35
von laktosefrei Genuss ohne Verzicht stehen
REWE Äpfel National eingeführte Regionalmarke, die Pro- Food: Schwer- Durchschnittlich
regional dukte aus der Region für die Region bietet; punkt auf 40 Produkte je
Gebietsclusterung umfasst 21 Regionen Obst und Region
Gemüse
Tabelle 7.5: Eigenmarken der REWE Group
364
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7.4 Differenzierung und Positionierung
Beispiel- Waren-
Marke Positionierung Artikelanzahl
produkt gruppe
Wilhelm Gemischtes Marke steht für Frische, Kompetenz und Food: Erhält- Ca. 500
Branden- Hackfleisch Metzgertradition im Bereich Fleisch, Geflügel lich am
burg und Wurst; großer Teil aus eigener Produktion Selbstbedie-
nungsregal
oder an der
Bedienungs-
theke
VIVESS Topfreiniger Produkte aus den Warengruppen Schreib- Non Food Ca. 700
waren, Haushaltswaren, Textilien, Elektro,
Sport- und Spielwaren, Qualität auf Marken-
artikelniveau; festes Listungssortiment und
zusätzlich monatlich wechselndes Aktion-
ssortiment zu diversen Themenwelten
REWE TO Tomate Mozza- gesunde, frische, genussfertige Snacks und Food Ca. 1.200
GO rella Sandwich Mahlzeiten, Convenience
ZooRoyal Vital Menü Qualitätssortiment zum fairen Preis Tiernahrung 60
(für Katzen)
Tabelle 7.5: Eigenmarken der REWE Group (Forts.)
Quellen:
https://www.focus.de/finanzen/news/unternehmen/neues-shop-konzept-aral-tankstellen-setzen-auf-rewe-to-go-
shop_id_6859475.html [04.02.2018]
https://www.rewe.de/marken/eigenmarken/ [04.02.2018]
365
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
366
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7.4 Differenzierung und Positionierung
Wartung und Reparaturen sind ein weiterer wichtiger Teilbereich. Für einen wirklich erst-
klassigen Reparaturservice würden viele Autofahrer gerne etwas mehr ausgeben und längere
Wege in Kauf nehmen.
Schulungen und Beratung Einige Unternehmen differenzieren ihre Produkte, indem sie Trai-
ning, Schulung und Weiterbildung ergänzend zu ihrem Produkt anbieten. Komplizierte elek-
tromedizinische Geräte wie Röntgengeräte oder Computertomografen verlangen eine Einwei-
sung des Bedienungspersonals. Andere Unternehmen bieten kostenlose oder separat zu
bezahlende Beratungsleistungen an. Eine Rückversicherung, also eine Versicherung, bei der
die Versicherungen ihre Risiken versichern können, bietet ihren Mitgliedsunternehmen Bera-
tung für das tägliche Geschäft an und gibt Anregungen, wie neue Geschäftsfelder erschlossen
werden können.
Kreative Unternehmen haben immer wieder neue Einfälle, um einen höheren Kundennutzen
zu bieten und sich damit vom Angebot der Konkurrenz abzuheben. Das US-Unternehmen Mil-
liken ist ein Beispiel dafür. Milliken liefert Handtücher an Großwäschereien, die sie im Rah-
men eines Komplettservices an Industriekunden vermieten und laufend auswechseln und
waschen. Obwohl Milliken das teuerste Unternehmen der Branche ist, hat es den höchsten
Marktanteil. Wie ist es möglich, dass dieses Unternehmen einen höheren Preis durchsetzen
kann? Die Antwort liegt darin, dass Milliken zahlreiche Zusatzleistungen anbietet, weshalb das
rein materielle Produkt „Handtuch“ einen relativ geringen Anteil an der Gesamtleistung aus-
macht, während die Zusatzleistungen einen beträchtlichen Anteil darstellen.
Milliken stellt Prospekte und Material für Werbekampagnen bereit und trainiert das Außen-
dienst- und Verkaufspersonal der Geschäftspartner vor Ort. Die Bestellungen werden online
angenommen, die Geschäftspartner werden mit Marketinginformationen versorgt und Quali-
täts-Management-Programme werden gefördert. Weiterhin bietet Milliken Unterstützung
durch Außendienstmitarbeiter für Sonderkampagnen an.
Schnelligkeit der Leistungserbringung Geschwindigkeit ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil
geworden. Anbieter für schnelle Mahlzeiten („fast food“) oder für Fotografien, Schuhabsätze,
Kleiderreinigung oder Brillenreparatur in einer Stunde („Express-Service“) haben sich über-
all, gerade auch in bevorzugten zentralen Lagen, niedergelassen. Diese Dienstleistungen brin-
gen dem Kunden den Vorteil, dass er auf einer einzigen Einkaufstour seine Auftragsarbeiten
abgeben und auch sofort wieder mitnehmen kann und somit nur einmal wegen derartiger
Erledigungen unterwegs ist.
Schnelligkeit begünstigt auch eine rasche Entscheidung bei kostspieligen Käufen. In England
und den USA erprobte Toyota ein Konzept, bei dem ein gut ausgestatteter „Lexus“ innerhalb
von zwei Tagen geliefert werden konnte, im Gegensatz zu einem Zeitraum von mehreren
Wochen, den die Konkurrenz von der Auftragsannahme bis zur Auslieferung benötigte.
Differenzierung über Vertriebskanäle Unternehmen, die sich über Vertriebskanäle differen-
zieren, gewinnen Wettbewerbsvorteile über die Art und Weise der Gestaltung ihres Vertriebs-
wegs. Amazon.com beispielsweise hebt sich mit seinem reibungslos funktionierenden
Direktkanal von anderen ab.
Differenzierung über Mitarbeiter Unternehmen haben die Möglichkeit, einen starken Wett-
bewerbsvorteil zu erzielen, wenn sie besseres Personal als die Konkurrenz einstellen und
dieses intensiver schulen und trainieren. Wer je mit Singapore Airlines geflogen ist,
schwärmt von der Anmut der Flugbegleiterinnen. McDonald’s ist für aufmerksames Personal
bekannt, IBM für Professionalität und hohes Fachwissen. Nahezu alle großen Handelsunter-
nehmen legen heute viel Wert darauf, durch sorgfältig ausgewähltes und gut ausgebildetes
Personal einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu erreichen.
367
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Differenzierung über die Mitarbeiter erfordert, dass ein Unternehmen zunächst sein Personal
für den Kundenkontakt gezielt auswählt und dann sorgfältig schult. Das Personal muss kom-
petent sein, über das für die Aufgabe erforderliche Fachwissen verfügen und sich höflich,
freundlich und korrekt verhalten. Darüber hinaus sollten die Mitarbeiter eigene Initiative für
ein besseres Kundenverständnis ergreifen, klar mit ihnen kommunizieren und schnell auf
Fragen, Wünsche oder Probleme eingehen.
Differenzierung über Image Selbst wenn sich konkurrierende Angebote sehr ähnlich sind,
können Kaufinteressenten allein aufgrund des Images eines Unternehmens oder einer Marke
einen Unterschied empfinden. Daher arbeiten Unternehmen daran, sich ein Image zu schaf-
fen, das sich von dem der Wettbewerber unterscheidet. Idealerweise sollte das Image einer
Marke aus einer einzigartigen, unverwechselbaren Botschaft bestehen, welche die Hauptvor-
teile und die Positionierung des Produkts übermittelt. Ein Image lässt sich jedoch nicht über
Nacht oder mit einigen Anzeigen aufbauen. Wenn „IBM bedeutet guten Service“ als wahr
und gültig empfunden werden soll, muss dies von allen Aussagen und Aktivitäten der Zent-
rale und der Organisation von IBM unterstützt und bestätigt werden.
Hilfreich für die Imagedifferenzierung sind Symbole und Logos mit hohem Wiedererken-
nungseffekt. Unternehmen entwerfen deshalb Markenzeichen und Schriftzüge, die für eine
unmittelbare Wiedererkennung sorgen. Sie assoziieren sich selbst mit Objekten und Eigen-
schaften, die Qualität oder andere Attribute symbolisieren, z.B. der Mercedes-Stern, die
Johnnie-Walker-Figur, das Michelin-Männchen oder das Lacoste-Krokodil.
Marken und deren Image lassen sich auch mithilfe bestimmter Personen aufbauen. So wird
Nespresso mit Georg Clooney in Verbindung gebracht, das Internet-Reiseportal Ab-in-den-
Urlaub mit Michael Ballack, Braun mit Sebastian Vettel oder Nivea mit Joachim Löw. Einige
Unternehmen werden mit Farben assoziiert, so z.B. T-Mobile mit Magenta, Milka mit Lila
oder Ferrari mit Rot.
Kult-Positionierung Kult-Positionierung ist stark im Bereich von Kinderprodukten verbreitet.
Für J. R. R. Tolkien wäre es angesichts seines Lebenswerks „Herr der Ringe“ undenkbar gewe-
sen, dass dieses jetzt den Verkauf von Vesperdosen und Kartoffelchips unterstützt. Kult-Posi-
tionierung kann hohe Umsätze generieren, wenn Merchandising an einen wirklichen Bestsel-
ler anknüpft, jedoch stellen sich nur ein oder zwei Filme pro Jahr als Kassenschlager heraus
und das Interesse an Merchandising-Produkten variiert sehr stark. So bescherte z.B. der Ver-
kauf von Star-Wars-Artikeln der Spielzeugindustrie große Verluste, während Harry-Potter-
Bücher und -Filme eine wahre Hysterie auslösten.
Es gilt auch zu bedenken, dass der Kult-Status eine unvorhersehbare Wirkung und Dauer hat.
Hinzu kommt, dass die Loyalität und das Bewusstsein dem Kult und nicht dem Produkt gel-
ten. Wollen Anbieter Kult-Positionierung einsetzen, müssen sie jeden Trend frühzeitig erken-
nen, regelmäßig Merchandising-Rechte erwerben und ständig bereit sein, einen neuen Kult
zu bedienen, je nachdem, welcher gerade in Mode kommt.
Differenzierung über Herkunft Die Herkunft positioniert ein Produkt, indem es mit dem Ort
der Herstellung in Verbindung gebracht wird. Das Mineralwasser Perrier wird gezielt mit
Champagner und französischer Lebensart in Verbindung gebracht. Audi positionierte sich
mit „Vorsprung durch Technik“ als deutsches Produkt, Renault reklamiert mit dem Untertitel
„Créateur d’Automobiles“ das Renommee Frankreichs für Kreativität, Mode usw. für sich.
Foster’s Bier möchte mit australischem Ungestüm, Männlichkeit und Naturverbundenheit in
Verbindung gebracht werden. Der nachfolgende Exkurs zeigt, wie ein europäisches Unter-
nehmen eine Reihe seiner Biere über die Herkunft positioniert hat.
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7.4 Differenzierung und Positionierung
369
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
370
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7.4 Differenzierung und Positionierung
Die Konkurrenten bieten derartiges nicht an oder das Unternehmen kann es in unver-
Markant wechselbarer Weise liefern.
Überlegen Der Unterschied ist die beste Lösung, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Vermittelbar Der Unterschied kann den Käufern erklärt und sichtbar gemacht werden.
Nicht imitierbar Die Verbesserung kann von den Wettbewerbern nicht einfach kopiert werden.
Bezahlbar Die Käufer können es sich leisten, für den Unterschied zu zahlen.
Tabelle 7.6: Kriterien für die Bedeutung von Unterschieden für die Positionierung
Immer wieder unterlaufen Unternehmen Fehler bei der Differenzierung, weil die ausgemach-
ten Unterschiede eines oder mehrere dieser Kriterien nicht erfüllen:
Das Westin Stamford Hotel in Singapur warb einst damit, das höchste Hotel der Welt zu
sein. Für die Gäste war das nicht wichtig, sie sahen keinen Vorteil darin, wohl eher Nach-
teile.
Der Baumarkt Praktiker hat mit seinen Rabattaktionen („20 Prozent auf alles“) jahrelang
konsequent die tatsächlichen Bedürfnisse (Beratung, Service, großes Sortiment und nicht
zuletzt das emotionale Erlebnis, etwas selbst zu gestalten) der Baumarktkunden ignoriert
und es nicht geschafft, die preissensiblen Neukunden an sich zu binden. Als Billiganbie-
ter konnte sich der Baumarkt zwar positionieren (obwohl er kein Kostenführer war), bei
Beliebtheitsumfragen kam Praktiker dadurch allerdings nicht auf die vordersten Plätze.
Dies führte dazu, dass Kunden – insbesondere bei sehr günstigen Angeboten – zwar in die
Filialen kamen, ihren sonstigen Bedarf aber eher beim Wettbewerb befriedigten.
Der Drogeriemarkt dm beschäftigt sich intensiv mit dem Einkaufserlebnis und dem rele-
vanten Zusatznutzen für seine Kunden. So finden diese in den großzügig ausgelegten Fili-
alen Wasserspender, Kinder-Spielecken, Babywickeltische, Kundentoiletten mit kostenlo-
sen Hygieneartikeln, Lupen an den Einkaufswagen für ältere Menschen und breite Gänge,
die auch das gleichzeitige Passieren mit Kinderwagen ermöglichen. Selbst für angebro-
chene Produkte gibt der Drogeriemarkt eine Rücknahme-Garantie. Schlecker dagegen
setzte auf kleine Verkaufsflächen mit wenigen Mitarbeitern, begrenztem Sortiment und
engen Gängen. Ein deutlicher Unterschied, der den Kunden beim Einkauf nicht verborgen
blieb und dazu beitrug, dass Schlecker 2012 Insolvenz anmeldete.
Einige Vorteile gegenüber der Konkurrenz mögen zu gering sein, andere in der Entwicklung
zu kostspielig oder mit dem Gesamtprofil des Unternehmens nicht vereinbar. Nehmen wir
an, dass ein Unternehmen eine Positionierungsstrategie entworfen und die Liste der mögli-
chen Wettbewerbsvorteile auf vier reduziert hat. Jetzt wäre eine Methode nötig, um den Wett-
bewerbsvorteil auszuwählen, der für die weitere Entwicklung das größte Potenzial böte.
Tabelle 7.7 zeigt eine systematische Vorgehensweise, mehrere mögliche Wettbewerbsvorteile
zu beurteilen und den richtigen auszuwählen.
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
In der Übersicht vergleicht das Unternehmen vier Attribute, nämlich Technologie, Kosten,
Qualität und Service, mit der aktuellen Situation bei dem Hauptkonkurrenten. Nehmen wir
an, dass beide Unternehmen bei den Technologien auf 8 stehen (1 Punkt = schlecht, 10
Punkte = gut). Dies bedeutet, dass beide Unternehmen einen guten Stand hinsichtlich der
Technologie haben. Das Unternehmen stellt sich nun die Frage, ob es sich lohnt, die neuen
Technologien weiterzuentwickeln, speziell im Hinblick auf die hohen Kosten.
Der Konkurrent steht bei den Kosten besser da (8 anstelle von 6). Dies kann das Unterneh-
men in Bedrängnis bringen, falls sich der Markt als sehr preisempfindlich erweisen sollte.
Das Unternehmen bietet höhere Qualität als der Hauptkonkurrent (8 statt 6). Abschließend
bleibt festzuhalten, dass beide Unternehmen einen Service bieten, der unter dem Durch-
schnitt liegt (4 beziehungsweise 3).
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob das Unternehmen zunächst bei den Kosten und
beim Service Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Konkurrenzunternehmen erreichen
könnte. Trotzdem müssen auch andere Faktoren betrachtet werden. Wie wichtig sind die Ver-
besserungen bei jedem dieser Kriterien für die Zielgruppe? Die dritte Zeile zeigt, dass Verbes-
serungen sowohl bei den Kosten als auch beim Kundendienst für die Kaufinteressenten
wichtig wären. Kann das Unternehmen sich diese Verbesserungen leisten? Wenn ja, wie
schnell können sie umgesetzt werden? Aus der vierten Zeile lässt sich ablesen, dass das
Unternehmen den Kundendienst schnell und kostengünstig organisieren und verbessern
könnte. Aber, sollte man sich dazu entschließen, wäre der Konkurrent fähig, seinen Kunden-
dienst ebenfalls zu verbessern? Die fünfte Zeile zeigt, dass der Wettbewerber nur eine geringe
Fähigkeit zur Verbesserung des Kundendienstes hat. Dies könnte daher kommen, dass dort
niemand den Kundendienst für wichtig hält oder dass keine Mittel für den Ausbau des Kun-
dendienstes vorhanden sind. In der letzten Zeile ist beschrieben, welche Maßnahmen bei
jedem Attribut zu treffen wären.
Für das Unternehmen ist es in diesem Fall am sinnvollsten, in die Verbesserung des Services
zu investieren, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Der Kundendienst ist den Kunden
372
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7.4 Differenzierung und Positionierung
wichtig, das Unternehmen kann sich eine Verbesserung finanziell leisten, sie schnell umset-
zen und der Konkurrent wird möglicherweise nicht in der Lage sein, dasselbe zu tun.
Preis
373
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Im Folgenden wollen wir auf die fünf Positionen, die ein Unternehmen zum Gewinner
machen können, eingehen:
Mehr für mehr
Mehr zum selben Preis
Das Gleiche für weniger
Weniger für weniger
Mehr für weniger
„Mehr für mehr“ Diese Positionierung bedeutet, dass man das bestmögliche Produkt oder die
beste denkbare Dienstleistung anbietet und einen hohen Preis durchzusetzen versucht, um die
erhöhten Kosten der Leistungserstellung wieder hereinzuholen. Anbieter, die „nur das Beste“
anbieten, finden sich in allen Produkt- und Dienstleistungssparten, angefangen bei Hotels,
Restaurants, Nahrungsmitteln und Mode bis hin zu Automobilen, Möbeln und Küchenein-
richtungen. Die Hotelkette Ritz-Carlton, Schreibgeräte von Montblanc oder Automobile von
Mercedes-Benz beanspruchen für sich überlegene Qualität, handwerkliches Können, Langle-
bigkeit, Leistung und Stil und setzen einen entsprechenden Preis an. Zum Angebot gehört
nicht nur höchste Qualität, sondern auch ein gewisses Prestige für den Käufer. Durch diese
Produkte werden Status und Lebensstil ausgedrückt. Daher ist es nicht erstaunlich, dass in
vielen Fällen der Preisunterschied jenen in der Qualität bei Weitem überschreitet.
Die Verbraucher erscheinen manchmal überrascht, sogar begeistert, wenn ein neuer Anbieter
mit ungewöhnlich teuren Produkten den Markteintritt wagt. In den Massenmärkten für Kaf-
fee oder Tee gibt es ungewöhnlich teure Angebote. Mit Häagen-Dazs wurde eine Super-Pre-
mium-Eiscreme zu Preisen eingeführt, die niemals zuvor für ein Produkt dieser Kategorie
gefordert worden waren. Starbucks trat als eine vergleichsweise teure Marke in den Kaffee-
markt ein. Im Allgemeinen sollte ein Unternehmen immer die Augen dafür offen haben, ob
Produkte entsprechend dem Motto „viel mehr zu einem viel höheren Preis“ in bestimmten,
wenig entwickelten Produkt- oder Dienstleistungskategorien eingeführt werden können.
Jedoch können sich Marken, die ganz auf die Strategie „Mehr für einen hohen Preis“ setzen,
im Nachhinein als sehr verletzbar erweisen. Häufig treten Nachahmer auf, welche die gleiche
Qualität zu einem niedrigeren Preis versprechen. So reichen die Mitbewerber von Starbucks
als Premium-Kaffeeanbieter von Costa Coffee und Café Nero bis hin zu McDonald’s. Bei
Luxusgütern, die sich in der Hochkonjunktur gut verkaufen, kommt es häufig zu Absatzein-
brüchen, wenn sich eine allgemeine Rezession abzeichnet und die Konsumenten vorsichtiger
bezüglich ihrer Ausgaben werden.
„Mehr zum selben Preis“ Unternehmen können die Position eines Konkurrenten, der „Viel
zu einem hohen Preis“ anbietet, mit Produkten angreifen, die vergleichbare Qualität zu
einem niedrigeren Preis bieten. In den USA führte Toyota die Marke „Lexus“ mit dem Ansatz
„Mehr für das gleiche Geld“ ein. In der Werbung hieß es: „Zum ersten Mal in der Geschichte
ist es möglich geworden, ein 72.000-Dollar-Auto gegen ein 36.000-Dollar-Auto in Zahlung zu
geben und trotzdem noch aufzusteigen.“ Man versuchte, den hohen Qualitätsanspruch des
neuen Lexus durch Besprechungen in Automobilzeitschriften, durch die großzügige Vertei-
lung eines Videos, auf dem ein Mercedes und ein Lexus verglichen wurden, und durch
Berichte über einen besseren Kundendienst bei den Lexus-Händlern bekannt zu machen und
zu unterstreichen. Viele Mercedes-Besitzer wechselten zu Lexus. Die Wiederkaufrate bei
Lexus ist inzwischen auf 60 Prozent gestiegen, doppelt so hoch wie der Branchendurch-
schnitt.
374
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7.4 Differenzierung und Positionierung
„Das Gleiche für weniger“ Das Gleiche für weniger Geld anzubieten, dürfte eine schlagkräf-
tige Positionierung nach dem Preis-Leistungs-Prinzip darstellen – wer macht nicht gerne ein
gutes Geschäft? Der Erfolg von Amazon.com in Großbritannien beruht zu einem großen Teil
auf Preisunterbietungen gegenüber dem stationären Buchhandel (in der Bundesrepublik
Deutschland ist diese Positionierung wegen der Preisbindung für Bücher nicht ohne Weiteres
möglich). Discounter wie ALDI wenden diese Positionierung an. Sie behaupten nicht, andere
oder bessere Produkte anzubieten. Sie führen teilweise die gleichen Marken wie alle anderen
Geschäfte, aber sie geben die Kostensenkungen, die sie aus ihrer Marktmacht beim Einkauf
und durch eine konsequente Rationalisierung in den Ladenlokalen und bei der Logistik
erwirtschaften, an die Kunden weiter.
Andere Unternehmen entwickeln Marken, unter denen sie ähnliche Produkte wie der jewei-
lige Marktführer zu niedrigeren Preisen anbieten, in der Hoffnung, damit Kunden von die-
sem wegzulocken. Beispiele dafür sind die Prozessoren von AMD und Cyrix, die vergleich-
bare Funktionen wie die Chips des Marktführers Intel bieten.
„Weniger für weniger“ Es wird immer einen Markt für Produkte geben, die weniger zu einem
entsprechend niedrigeren Preis bieten. Nur sehr wenige Menschen möchten oder können
sich bei allem das Allerbeste leisten. In vielen Fällen sind die Käufer mit weniger als der
potenziellen Höchstleistung sehr glücklich, wenn diese Einschränkung durch einen günsti-
geren Preis ausgeglichen wird. Viele Reisende zum Beispiel verzichten gerne auf ihrer
Ansicht nach unnötige Dinge wie ein Schwimmbad im Hotel, Kabelfernsehen, ein teures Res-
taurant oder Pfefferminztaler auf dem Kopfkissen, wenn die Übernachtung entsprechend
preisgünstiger ist.
Eine Positionierung nach der Regel „Weniger für weniger Geld“ bedeutet, dass man reduzier-
ten Leistungs- oder Qualitätsansprüchen der Käufer mit deutlich herabgesetzten Preisen
begegnet. Billigfluglinien wie EasyJet und Ryanair versuchen, den Markt dort zu bedienen,
wo die Deregulierung es zulässt. Es ist sicher ein Irrtum anzunehmen, dass diese Positionie-
rung nur diejenigen Käufer anspricht, die über wenig Geld verfügen. Auch Geschäftsrei-
sende, deren Unternehmen die Reiseausgaben konsequent senken möchten, nutzen heute
Billigfluglinien. Zu deren Stammkunden gehören Menschen, die über große Entfernungen
zur Arbeit pendeln, ebenso wie die Besitzer von Ferienhäusern im Süden, die für kurze Trips
oder für die Anreise in die Sommerferien diese günstigen Reisemöglichkeiten nutzen.
Ebenso häufig findet man auf diesen Billigflügen Leute, die mal schnell zum Shopping nach
Paris, London oder Mailand fliegen, und Golfspieler, die ein Wochenende mit Gleichgesinn-
ten in Schottland und ein anderes in Spanien verbringen.
„Mehr für weniger“ Das beste Angebot besteht natürlich darin, „Mehr für weniger Geld“
anzubieten. Viele Unternehmen nehmen für sich in Anspruch, genau dies zu schaffen. Einige
Waschmittelhersteller beanspruchen für ihre Produkte die beste Waschleistung und den
niedrigsten Preis. Auf kurze Sicht kann ein Unternehmen sicherlich eine derartige Positio-
nierung vornehmen.
Auf lange Sicht dürfte es jedoch sehr schwierig werden, diese Position zu halten. Wenn man
mehr anbieten möchte, ist dies in der Regel mit höheren Kosten verbunden. Dies macht es
auf Dauer schwierig, auch die zweite Bedingung, nämlich „für weniger Geld“ zu erfüllen.
Unternehmen, die sich auf eine derartige Strategie einlassen, riskieren, den Markt an diejeni-
gen zu verlieren, die von vornherein eine klare Aussage machen.
375
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass für jede Marke eine Positionierungsstrategie gefun-
den werden muss, die den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Zielmärkte gerecht wird.
„Mehr für mehr“ wird einen bestimmten Zielmarkt ansprechen, „Weniger für weniger“ einen
anderen. Trotzdem ist in der Regel auf jedem Markt Platz für viele unterschiedliche Anbieter,
von denen jeder seine Position behaupten kann.
Das Entscheidende ist, dass jedes Unternehmen eine eigene Positionierungsstrategie findet,
die es für seine Zielgruppe als etwas Besonderes hervorhebt. Wer nur „das Gleiche zum glei-
chen Preis“ anbietet, schafft damit keinen Wettbewerbsvorteil und lässt das Unternehmen als
eines unter vielen ohne besonderes Profil mitlaufen. Unternehmen, die auf eine der drei Ver-
liererpositionen („Das Gleiche für mehr“, „Weniger für mehr“ oder „Weniger für das Glei-
che“) zurückfallen, werden unausweichlich scheitern. Die Käufer merken sehr schnell, dass
sie ein schlechtes Geschäft gemacht haben, sie berichten anderen Menschen davon und mei-
den künftig diese Marke.
4 Siehe Stuart Elliott, „With the car industry in trouble, Nissan rolls out the mobile device“, New York
Times, 6. April 2009, www.nytimes.com; Dan Neil, „Nissan’s cube is coolness in a box“, Los Angeles
Times, 6. März 2009, S. 1 und www.nissanusa.com/cube, Zugriff August 2015.
376
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7.4 Differenzierung und Positionierung
377
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
ZUSAMMENFASSUNG
378
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Literatur und Quellen
379
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7 Marktsegmentierung und Positionierung
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Literatur und Quellen
381
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Produkte, Dienstleistungen
und Marken
8.1
8.2
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
Der Produktbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
8
8.3 Produktentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
ÜBERBLICK
8.4 Services-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
8.5 Markenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
8.6 Weitere Überlegungen zu Produkten . . . . . . . . . . . . 437
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... definieren, was ein Produkt ist, einschließlich der Begriffe Kernprodukt, reales
Produkt und erweitertes Produkt.
... die wesentlichen Klassifikationen von Produkten darstellen.
... die Entscheidungen nachvollziehen, die Unternehmen bezüglich Produktlinien
und Produktfamilien zu treffen haben.
... erklären, warum Unternehmen Marken aufbauen und managen.
... definieren, was eine Dienstleistung ist.
... die besonderen Charakteristika beschreiben, die beim Marketing für Dienstleistun-
gen bestimmend sind.
... erklären, welche Überlegungen beim Marketing für Dienstleistungen zusätzlich
anzustellen sind.
... für ein Dienstleistungsunternehmen Marketingstrategien entwickeln und dabei
aufzeigen, wo Sie Potenziale für eine Differenzierung des Angebots, für Qualitätsver-
besserungen und für eine Erhöhung der Produktivität sehen.
8.1 Einführung
Nach der Betrachtung der auf Kundennutzen fokussierten Marketingstrategien gehen wir nun
näher auf den Marketing-Mix ein: die taktischen Instrumente, die Marketing-Manager zur
Umsetzung ihrer Strategien, Einbindung von Kunden und Schaffung des größtmöglichen
Kundennutzens einsetzen. In diesem und im nächsten Kapitel lernen wir, wie Unternehmen
ihre Produkte und Marken entwickeln und steuern. In den dann folgenden Kapiteln befassen
wir uns mit Preisgestaltung, Vertrieb und Marketing-Kommunikationsinstrumenten. Das Pro-
dukt ist in der Regel der erste und grundlegendste Marketingaspekt. Wir beginnen mit einer
scheinbar einfachen Frage: Was ist ein Produkt? Es wird sich zeigen, dass diese Frage gar
nicht so einfach ist.
Ehe wir in diesem Kapitel darauf eingehen, können wir uns eine interessante Produktge-
schichte ansehen. Beim Marketing geht es um den Aufbau von Produkten und Marken, zu
denen Kunden eine starke Beziehung entwickeln. Wenn Sie also an Top-Marken denken,
welche kommt Ihnen zuerst in den Sinn? Vielleicht eine der bekannten, weltweiten Kultmar-
ken wie Coca-Cola, Nike oder McDonald’s. Vielleicht auch ein Technologieunternehmen wie
Google, Facebook oder Amazon. Eine der faszinierendsten Entwicklungen der letzten Jahre
war jedoch der Taxi-Dienst Uber und sein Einfluss auf die Städte in der ganzen Welt.
384
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8.1 Einführung
Die Welt wird Zeuge eines Kampfs um die Zukunft des Personentransports – er wird
genau vor unseren Häusern und Büros ausgetragen, und er ist im vollen Gang. Uber und
eine wachsende Zahl finanziell gut ausgestatteter Start-ups (wie der konkurrierende Mit-
fahrdienst Lyft) wollen erreichen, dass ein Taxi zu bekommen ebenso einfach wird wie
online einen Tisch im Restaurant zu reservieren oder einen Preis auf Amazon nachzuse-
hen. Eine Taxifahrt ist dann einfach nur ein weiteres Angebot, das man über sein Smart-
phone abrufen kann. Doch all diese Unternehmen haben ein noch ehrgeizigeres Ziel – sie
wollen das private Auto in den modernen Städten komplett überflüssig machen.
Im Jahre 2009 brachte Uber die Idee auf den Markt, dass Passagiere die nächste Mitfahr-
gelegenheit über ihr Smartphone buchen und den Weg des Fahrzeugs zum Abholpunkt
nachverfolgen können. Nach der Fahrt erfolgt die Zahlung automatisch über die Abbu-
chung von der Guthabenkarte des Kunden – peinliches Trinkgeldzählen entfällt. Uber
bietet eine einfache Bedienung und macht es damit wesentlich angenehmer, ein Taxi zu
buchen als eines auf der Straße anzuhalten. Um Teil des Netzwerks zu werden, erhalten
Uber-Fahrer eine etwa einstündige Einarbeitung, ein kostenloses iPhone mit der Uber-
App, etwas Ausstattung für die Windschutzscheibe und schon sind sie im Geschäft. Sie
sind keine Angestellten, sondern freiberufliche Fahrer. Uber besitzt keine eigenen Fahr-
zeuge, es vermittelt die Passagiere über die Smartphone-App an eine bereits bestehende
Flotte – und das genau ist das Produkt von Uber.
Uber wurde von Travis Kalanick und Garret Camp in San Francisco gegründet – beide hat-
ten schon Erfahrung mit Start-ups. Die Idee bestand darin, Kunden mehr Komfort und das
Gefühl einer stilvollen Fahrt zu ermöglichen (Uber setzte zu Beginn große und luxuriöse
Fahrzeuge ein). Zu der Zeit begrenzte San Francisco wie viele andere Städte die Zahl der
lizenzierten Taxis ungeachtet der schnell wachsenden Bevölkerung – in der Folge muss-
ten Fahrgäste sehr lang warten und Taxis waren schwer zu bekommen. Die begrenzte
Anzahl verfügbarer Taxis führte auch dazu, dass große Taxi-Unternehmen sich nicht
besonders um einen zügigen Kundendienst bemühten, da sie ihre Einnahmen mit der Ver-
mietung von Fahrzeugen an die Fahrer sicherten. Uber startete das Geschäft mit 307 Milli-
onen US-Dollar, das es von Geldgebern wie Google Ventures (dem Investment-Bereich von
Google) und Amazon-Gründer Jeff Bezos erhalten hatte. Im Jahr 2013 konnte das Unter-
nehmen 1 Milliarde US-Dollar für Taxifahrten in 70 Städten weltweit, in denen es den
Dienst bis dahin gab, in Rechnung stellen. Bis 2015 hatte Uber einen Marktwert von 40
Milliarden US-Dollar erreicht. Im Lauf der Geschäftsentwicklung wurde Uber zu einem
der beliebtesten und gleichzeitig meistgehassten Start-ups der Smartphone-Ära. Kunden
liebten die Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Annehmlichkeit des Diensts, beschwer-
ten sich jedoch bitterlich über die sprunghafte Preisgestaltung – in den Spitzenzeiten der
Nachfrage stieg auch der Preis. Über die Preise regelt Uber Angebot und Nachfrage. Die
Anhebung der Beförderungsentgelte zu den Stoßzeiten ist ein Anreiz für die Fahrer, sich
auf den Weg zu machen und ihre Dienste anzubieten. Von den 10 US-Dollar Fahrpreis, die
bei normaler Auslastung berechnet werden, bleiben dem Fahrer etwa 8 US-Dollar. In
Stoßzeiten, wenn die Preise bis zu vier Mal so hoch liegen – zum Beispiel an Feiertagen
oder bei schlechtem Wetter – kann der Gesamtfahrpreis schon mal 40 US-Dollar betragen,
wovon der Fahrer 32 US-Dollar erhält. Uber gibt seinen Kunden Gelegenheit, dem höhe-
ren Fahrpreis zuzustimmen, ehe sie das Taxi besteigen.
385
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
In vielen Ländern wurde Uber von Marktregulierern blockiert, welche die „Interessen
von Kunden schützen“ wollten, dabei aber insbesondere das Geschäft der herkömmli-
chen Taxibetriebe im Sinn hatten. In Paris blockierten lizenzierte Taxifahrer die Aus-
fahrten zu den wichtigsten Flughäfen und sorgten in der Stadt für einen Verkehrskol-
laps, um ihren Widerstand gegen diese neue Art des Wettbewerbs auszudrücken. In
London versammelten sich 2014 massenhaft Taxifahrer auf dem Trafalgar Square und
brachten den Verkehr mit ihrem Protest gegen die Konkurrenz von Uber zum Erliegen.
Die Proteste weiteten sich von Paris und London bis nach Berlin und Madrid aus. Es gab
mehrere Versuche, Uber aus den europäischen Städten zu verbannen, trotz der Begeiste-
rung der Kunden für diesen neuen Dienst. Empörte Gegner des Unternehmens warfen
Uber vor, das Leben der Passagiere durch unerfahrene Fahrer in den Taxis zu riskieren,
fragwürdige Versicherungen im Fall eines Schadens anzubieten und die Preise mit dem
Ziel der Ausschaltung von Konkurrenten zu senken. Tatsächlich räumte Uber eine über-
mäßig aggressive Verkaufsstrategie in einigen Fällen ein. Bei Beschwerden der Taxifah-
rer-Gewerkschaften – die häufig vorkommen – rief Uber seine Kunden dazu auf, E-Mails
oder Tweets an die Regulierungsbehörde zu senden und das Unternehmen zu unterstüt-
zen. Betrachtet man die Geschichte von Uber, ist diese auch immer von Auseinanderset-
zungen geprägt: Zu nennen sind hier der Streit mit den deutschen Regulierungsbehör-
den über das dortige Verbot eines der angebotenen Dienste, das raffinierte Abwerben
von Fahrern von dem aufstrebenden Rivalen Lyft, das Umgehen von Aufsichtsbehörden
und anderen Regierungseinrichtungen, um die eigene Personenbeförderungs-Revolu-
tion auf den Markt zu bringen. Uber ist in eine Menge Auseinandersetzungen verwi-
ckelt, insgesamt aber bereit für die Konfrontation.
Bis zum Jahr 2012 hatte Uber Konkurrenz von neuen Start-ups wie Sidekick und Lyft
bekommen. Auch diese Unternehmen brachten ihre Kunden und Fahrzeuge über eine
Smartphone-App zusammen, gingen jedoch noch einen Schritt weiter und erlaubten
jedem Fahrer mit einem freien Platz, Passagiere aufzunehmen, die über ihr Smartphone
eine Fahrt angefragt hatten. Die Reaktion von Uber bestand in einem eigenen Fahrge-
meinschafts-Angebot – UberX – in dem die Fahrer ihre privaten Wagen einsetzten. Uber
verzeichnet eine rasante weltweite Expansion und ist mittlerweile in den größten Städ-
ten Indiens, Chinas sowie Europas vertreten. Im Jahr 2014 umfasste die internationale
Expansion 246 Städte in 46 Ländern. Der Begriff „Uber-Nomics“ wurde für die Tatsache
geprägt, dass Uber als Teil einer neuen „Sharing Economy“ entstanden ist, die ständig
neue Uber-ähnliche Geschäftsmodelle für so ziemlich jeden Bereich hervorbringt – für
Wäschereien (Washio), Massagen (Zeel), Alkohol (Minibar). Das Fortune-Magazin glaubt
jedoch, dass die Uber-Manie nur ein Symbol für etwas weitaus Größeres ist. Es ist eine
neue Art „Plattform“-Produkt, das Unternehmen und Markt künstlich erzeugt – Ange-
stellte werden zu Unternehmern, Lieferketten werden zu Marktplätzen und Nutzer
erhalten Macht. Die Sharing Economy ermöglicht die Miete eines zusätzlichen Zimmers
oder einer Urlaubsunterkunft auf Airbnb oder HomeAway. Bei Guesty oder Urban Bell-
hop kann die Begrüßung der Gäste und die Endreinigung nach deren Abreise gebucht
werden. Eine Flut neuer Produkte und Dienste von neuen Start-ups im Bereich der Sha-
ring Economy ist im Entstehen, die in vielen traditionellen Märkten eine Menge radikal
verändern werden.
386
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8.1 Einführung
Abbildung 8.1: Protest von Taxifahrern gegen die Verschiedenheit der Regulierung von Taxis und der Regulierung der
Uber-Konkurrenz, in Portland, USA, 2015
(Quelle: Aaron Parecki (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Uber_Protest_Portland_(15652884204).jpg), „Uber
Protest Portland (15652884204)“, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode))
Fragen
1. Definieren Sie Ubers Produkt.
2. Charakterisieren Sie die Produktdimensionen von Ubers Produkt.
Wie die Geschichte von Uber zeigt, müssen Marketing-Manager für den Aufbau von Kunden-
beziehungen Produkte, Dienstleistungen und Marken schaffen und managen, die sie mit den
Kunden vernetzen und den größtmöglichen Kundennutzen bringen – selbst wenn damit die
Aufspaltung eines traditionellen Markts verbunden ist.
Dieses Kapitel beginnt mit einer trügerisch einfachen Frage: „Was ist ein Produkt?“ Nachdem
wir diese Frage beantwortet haben, werden wir untersuchen, wie wir eine Aufteilung in Pro-
dukte für Endverbraucher und Produkte für Industriegütermärkte vornehmen können. Wir
werden dann die wichtigen Entscheidungen diskutieren, die Unternehmen hinsichtlich ein-
zelner Produkte, Produktlinien und des Sortiments treffen. Bezüglich einzelner Produkte
werden wir ergänzende Entscheidungen analysieren, die über den Produktentwurf im enge-
ren Sinn hinausgehen. Dazu gehören Entscheidungen aufgrund des Markennamens, der Ver-
packung und Kennzeichnung und eines Konzepts produktunterstützender Dienstleistungen.
Auf die Dienstleistungen als eigenständiges Produkt wird im Speziellen noch einmal einge-
gangen. Anschließend widmen wir unsere Aufmerksamkeit dem Aufbau und Management
von Marken.
387
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
8 .2 Der Produktbegriff
Ein Paar Sportschuhe von adidas, eine Frisur von Udo Walz, ein Konzert von Lady Gaga, ein
Nutzfahrzeug von Mercedes, Volvo oder Iveco, ein Pauschalurlaub, eine medizinische Bera-
tung oder ein Politiker, der sich zur Wahl stellt – all dies sind Produkte.
Wir definieren ein Produkt wie folgt:
Ein Produkt ist jedes Objekt, das auf einem Markt zur Beachtung oder Wahl, zum Kauf, zur
Benutzung oder zum Verbrauch oder Verzehr angeboten wird und geeignet ist, damit Wün-
sche oder Bedürfnisse zu befriedigen.
Zu den Objekten, die wir auf diese Weise als Produkt definieren, gehören:
alle gegenständlichen Objekte (z. B. ein Auto oder ein Schreibblock)
Dienstleistungen
Personen (z. B. ein Kandidat im Wahlkampf)
geografische Orte
Organisationen und Ideen (z.B. politische Parteien oder Organisationen wie Greenpeace)
Dienstleistungen sind Produkte, bestehend aus Aktivitäten, Nutzen oder Bedürfnisbefriedi-
gungen, die keine gegenständliche Komponente haben und deren Kauf nicht ihren Besitz
bedingt. Beispiele sind Bankdienstleistungen, ein Haarschnitt oder die Arbeit von Handwer-
kern.
388
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8.2 Der Produktbegriff
Erweitertes
Aufbau, Einbau Produkt
und Installation
Reales
Verpackung Produkt
Produkt-
Marken- funktionalität
Kernprodukt
name
Frei-Haus- Kernnutzen
Kunden-
Lieferung des Produkts
dienst und
und oder der
Reparatur-
Zahlungs- Dienstleistung
möglich-
ziel oder keiten
Teilzahlung
Qualität Produktdesign
kostenlose
Telefon- Schulungen
Hotline
Gewährleistung
Abbildung 8.2: Die drei Produktdimensionen: Kernprodukt, reales Produkt und erweitertes Produkt
Aus diesem Grunde muss eine Produktdefinition mit dem Basisnutzen, den das Produkt für
den Käufer bietet, beginnen.
Auf der nächsten Ebene muss der Basisnutzen ergänzt und in ein reales Produkt verwandelt
werden. Fünf Charakteristika machen das reale Produkt aus:
die Qualität
die Produktfunktionalität
das Design
die Marke des Produkts
die Verpackung
389
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Das iPad beispielsweise ist ein konkretes Produkt. Sein Name, die Bestandteile, Stilmerk-
male, Verpackung und andere Eigenschaften wurden sorgfältig zusammengestellt, um den
wesentlichen Kundennutzen zu schaffen: in Verbindung zu bleiben.
In der Dimension des erweiterten Produkts müssen das Kernprodukt und das reale Produkt
um weitere Dienstleistungen und Bedürfnisbefriedigungen für den Käufer ergänzt werden. Es
genügt beispielsweise nicht, nur ein Tablet wie das iPad anzubieten. Dieses muss eine voll-
ständige Lösung für mobile Kommunikation bieten. Wenn sich der Interessent zum Kauf
eines derartigen Geräts entschließt, erwartet er in der Regel Zusatzleistungen wie eine Garan-
tie, einen schnellen Reparaturservice oder eine kostenlose Telefon-Hotline. Für den Käufer
sind diese Ergänzungen wichtige Bestandteile des Gesamtangebots. Apple bietet auch ein rie-
siges Sortiment an Apps und Zubehör sowie einen iCloud-Dienst, der Fotos, Musik, Doku-
mente, Apps, Kalender, Kontakte und andere Inhalte der Nutzer von jedem Standort aus auf
sämtliche Geräte integriert.
Der Endverbraucher neigt dazu, das von ihm erworbene Produkt als ein Bündel von Nutzen
anzusehen, das seine Bedürfnisse zu befriedigen verspricht. Das Marketing legt zunächst fest,
welche Kernbedürfnisse der potenziellen Käufer befriedigt werden sollen und können, dar-
aus wird das reale Produkt entwickelt und schließlich um die Elemente des erweiterten Pro-
duktbegriffs ergänzt. Man strebt an, ein Nutzenbündel zu schaffen, das die Kaufinteressenten
zufriedenstellt.
Heutzutage hat sich der Wettbewerb in vielen Branchen überwiegend auf das Niveau des
erweiterten Produkts verlagert. Durchschlagender und nachhaltiger Erfolg eines Produkts
ergibt sich häufig erst daraus, dass ein Angebot die Käufer nicht nur zufriedenstellt, sondern
darüber hinaus mitreißt, entzückt und begeistert.
Wenn Hotelgäste hochwertige Kosmetikartikel im Bad, aktuellen Lesestoff und ein „Betthup-
ferl“ auf dem Kopfkissen vorfinden, handelt es sich um eine Ergänzung zum Angebot der
Übernachtung.
Bedacht werden muss allerdings, dass jede Produktergänzung zusätzliche Kosten verursacht.
Es sollte daher exakt kalkuliert werden, ob potenzielle Mehrerlöse durch die Produktergän-
zung die zusätzlichen Kosten decken. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass jede Produkter-
gänzung schnell zu einer Selbstverständlichkeit wird, die immer und überall erwartet wird.
Hotelgäste erwarten heutzutage beispielsweise ein Angebot an Kabelfernsehen und Internet-
zugang. Anbieter, die sich hervorheben wollen, müssen deshalb ständig nach neuen Wegen
suchen.
8.2.3 Produktklassen
Auf der Suche nach Marketingstrategien für die einzelnen Produkte und Dienstleistungen
haben Marketingfachleute verschiedene Vorschläge für Produktklassifikationen gemacht, die
an bestimmte Charakteristika der Produkte anknüpfen. Im Folgenden untersuchen wir zwei
dieser Einteilungen, ihre Begründung und Konsequenzen.
390
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
8.2 Der Produktbegriff
Gebrauchsgüter oder langlebige Wirtschaftsgüter werden über längere Zeit genutzt und
überleben normalerweise viele Nutzungen. In diese Kategorie gehören z.B. elektrische Haus-
haltsgeräte, Möbel, Computer und Fahrzeuge. Im Bereich der Wirtschaft gehören alle Maschi-
nen, Fahrzeuge und Anlagen als sogenannte Investitionsgüter in diese Kategorie.
Konsumgüter
Güter, die Endverbraucher für ihren persönlichen Gebrauch oder Verbrauch kaufen, werden
als Konsumgüter bezeichnet. Diese lassen sich anhand der Kaufgewohnheiten der Konsu-
menten in weitere Untergruppen einteilen (siehe: Tabelle 8.1).
Güter des täglichen Bedarfs Als Güter des täglichen Bedarfs werden solche bezeichnet, wel-
che die Verbraucher regelmäßig kaufen, für deren Vergleich und Kauf sie sich nicht viel Zeit
nehmen und die sie bei Bedarf sofort erwerben. Die meisten dieser Produkte kosten nicht viel
und sind überall erhältlich. Beispiele für diese Kategorie sind Zigaretten, Zeitungen, Papier-
taschentücher oder Eis aus der Tiefkühltruhe.
Bei dieser Kategorie ist noch eine weitere Unterteilung üblich in:
Regelmäßiger Bedarf: Diese Güter werden von den Verbrauchern regelmäßig gekauft, wie
zum Beispiel Ketchup, Zahnpasta oder Brot.
Gelegentlicher und ungeplanter Bedarf: Einem Kauf von Gütern dieser Produktkategorie,
auch Impulsgüter genannt, liegen von vornherein keine Planung oder Kaufabsichten
zugrunde. Viele Geschäfte führen sie, aber kaum ein Kunde hat sie auf seinem Einkaufs-
zettel stehen. In den Wartezonen vor den Kassen sind sie aufgestellt: Schokoladenriegel,
Zeitschriften, Zigaretten und Tabak.
Dringender Bedarf in Sondersituationen: Diese Güter werden gekauft, wenn ein dringen-
des Bedürfnis nach ihnen besteht. Aspirin bei plötzlichem Kopfschmerz, eine Packung
Pflaster, wenn man sich in den Finger geschnitten hat, Schneeschieber und Winterreifen,
wenn einmal ein harter Winter früh einsetzt. Die Hersteller dieser Güter müssen ihren
Absatz vorbereiten, indem sie vor der Saison möglichst viele ihrer Partner reichlich mit
Lagerbeständen ausrüsten. Wenn dann die spezielle Bedarfssituation eintritt, sind die Pro-
dukte überall sofort erhältlich.
Suchgüter Hierbei handelt es sich um Konsumgüter, die weniger häufig gekauft werden. Ver-
braucher betreiben erheblichen Aufwand, um Informationen über Zweckmäßigkeit, Qualität,
Preis und Design zu sammeln, Produktalternativen zu ermitteln und zu vergleichen. Möbel,
Bekleidung, Gebrauchtwagen und große Haushaltsgeräte gehören zu dieser Kategorie. Such-
güter werden vorzugsweise selektiv vertrieben, ausgewählte Händler bieten den Konsumen-
ten Unterstützung hinsichtlich der Informationsbeschaffung und Auswahlentscheidung.
„Speciality“-Güter Bei „Speciality“-Gütern handelt es sich um Konsumgüter mit einzigarti-
gen Charakteristika oder um herausgehobene Markenprodukte, für die eine größere Käufer-
gruppe bereit ist, besondere Bemühungen für den Kauf auf sich zu nehmen. Hierbei kann es
sich um besondere Marken oder Typen von Automobilen handeln, um Unterhaltungselektro-
nik der Spitzenklasse, um eine professionelle Fotoausrüstung oder Musikinstrumente. Wenn
391
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
eine Musikbox aus den 50er-Jahren angeboten wird, ist dies eine solche Spezialität, denn
jeder Liebhaber wäre bereit, viele Kilometer zu fahren, um sie zu erstehen.
Unberücksichtigte Güter Die Kategorie „Unberücksichtigte Güter“ besteht aus Konsumgü-
tern, von denen die Verbraucher entweder nicht wissen, dass es sie gibt, oder die sie kennen,
deren Kauf sie jedoch normalerweise nicht in Erwägung ziehen würden. Die meisten grund-
legenden Innovationen sind den Konsumenten zunächst unbekannt und werden erst durch
Werbung bewusst wahrgenommen. Klassische Beispiele von Produkten, die zwar bekannt
sind, aber nicht unmittelbar einen Kaufwunsch auslösen, sind Lebensversicherungen,
Alarmanlagen im Haus und große, kostspielige Nachschlagewerke. Aufgrund der besonderen
Charakteristika benötigen diese Güter sehr viel Werbung, persönlichen Verkauf und andere
Marketinganstrengungen.
Konsumgüter
392
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8.2 Der Produktbegriff
Industriegüter
Grundsätzlich nehmen wir die Unterscheidung von Gütern entsprechend der Verwendung
vor, für die das Gut gekauft wurde. Wenn zum Beispiel ein Rasenmäher für den Garten zu
Hause angeschafft wird, sehen wir ihn als Konsumgut an. Wird derselbe Rasenmäher für den
Einsatz in einem Garten- und Landschaftspflegebetrieb oder für einen Restaurantvorgarten
gekauft, wird er als Industriegut bezeichnet. Industriegüter werden von Unternehmen und
Organisationen gekauft, um dort weiterverarbeitet oder genutzt zu werden.
Sie können in drei Hauptkategorien eingeteilt werden:
Rohmaterial und Zulieferteile
Anlagegüter
Betriebs- und Hilfsstoffe, Dienstleistungen
Industriegüter –
Güter und Dienste
als Vorleistungen
Betriebs- und
Rohmaterial und Hilfsstoffe,
Anlagegüter
Zulieferteile Dienstleistungen
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
nerz usw.). Landwirtschaftliche Produkte werden von vielen kleineren Produzenten gelie-
fert, die sie zum weitergehenden Absatz an Marketinginstitutionen (zum Beispiel
landwirtschaftliche Genossenschaften) abgeben, wo sie teilweise aufbereitet und weiter-
verarbeitet werden (Milch, Käse, Fleisch) und bei denen sich die Bedarfsträger (Nahrungs-
mittelindustrie, Gastronomie) eindecken können. Die Rohstoffe aus der Natur (Erdöl, Erze,
Holz) haben häufig ein großes Volumen und unbearbeitet noch geringe Preise pro Volu-
men- oder Gewichtseinheit. Aus diesem Grund ist der Anteil der Transportkosten sehr
hoch.
Bearbeitete Materialien und Zulieferteile: Die zweite Gruppe dieser Kategorie sind bear-
beitete Materialien und Zulieferteile. Zu den Materialien gehören Eisen und Metalle in
allen Formen, Zement, Garne und Stoffe, Klebstoffe und Chemikalien. Zulieferteile sind
beispielsweise kleine Motoren, Getriebe, Reifen, Glühlampen und was sonst noch in ein
fertiges Produkt eingeht. Bearbeitete Materialien werden normalerweise weiterverarbeitet,
Roheisen wird zu Stahl verarbeitet, und Garn wird zu Gewebe gesponnen. Die Zuliefer-
teile gehen als eigener Bestandteil vollständig in das Fertigprodukt ein, ihre äußere Form
bleibt unverändert und ist auch im Endprodukt erkennbar. Elektro-Kleinmotoren werden
in Staubsauger eingebaut, DVD-Laufwerke in Computer und Reifen, Sitze, Scheiben und
Radios in Automobile.
Die meisten dieser Industriegüter werden direkt vom Hersteller an die industriellen Verwen-
der verkauft. Preis und Zuverlässigkeit sind die wichtigsten Faktoren im Marketing. Werbung
und Marke des Produkts treten auf diesem Markt in ihrer Bedeutung zurück.
Anlagegüter Anlagegüter werden eingesetzt zur Durchführung und Unterstützung des Pro-
duktionsprozesses.
Bauten und Anlagen sind langlebige Güter wie Büro- und Produktionsbauten sowie fest
installierte große Maschinen und Anlagen (zum Beispiel Fließbänder oder Pressen).
Einrichtungen sind mobile Ausrüstungsgegenstände für Fertigung und Verwaltung wie
Handbohrmaschinen, Büromöbel, Gabelstapler, Telefone und Faxgeräte. Diese Produkte
haben eine kürzere Lebensdauer als die Bauten und Anlagen und unterstützen lediglich
den Fertigungsprozess.
Betriebs- und Hilfsstoffe, Dienstleistungen Die Produkte der dritten Kategorie sind Industrie-
güter, die nicht in das Endprodukt eingehen und die alle Tätigkeiten im Unternehmen
ermöglichen und unterstützen.
Betriebs- und Hilfsstoffe werden benötigt, um den täglichen Betrieb aufrechtzuerhalten
(Schmierstoffe, Kohle, Papier, Bleistifte) bzw. für Erhaltung und Reparatur (Farbe, Nägel,
Besen). Diese Produkte entsprechen den Gütern des regelmäßigen Kaufs bei den Konsum-
gütern, weil sie fast immer mit einem Minimalaufwand an Aufmerksamkeit und oftmals
ohne Vergleich beschafft werden.
Dienstleistungen (besser: Produktivdienstleistungen) umfassen Erhaltungs- und Repara-
turarbeiten (Fensterputzen, Computerreparatur) sowie spezifische Beratungsleistungen in
Marketing oder Recht (Vertretung durch einen Anwalt, Entwurf einer Werbekampagne).
Für wiederkehrende Dienstleistungen wird häufig ein Vertrag über lange Zeiträume für die
regelmäßige Durchführung der Arbeit abgeschlossen.
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8.2 Der Produktbegriff
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Zähne vor Karies schützen könnte. Hier jedoch wollen wir das Marketing für gesellschaftli-
che Ziele und Ideen betrachten. Es geht dabei um gesundheitsorientierte Kampagnen, das
Rauchen und den Alkohol- oder Drogenmissbrauch einzuschränken oder den sexuellen
Missbrauch von Kindern und Heranwachsenden zu bekämpfen, umweltorientierte Kampag-
nen für den Natur- und Artenschutz, für Luft- und Wasserreinhaltung oder um Kampagnen
für eine Bildungsreform, Organspende, Familienplanung, Menschenrechte oder Gleichbe-
handlung. Im englischen Sprachraum hat sich dafür der Begriff „Social Marketing“ durchge-
setzt. Ein umfassendes und überzeugendes „Social Marketing“ sollte sich jedoch nicht auf
das Instrument der Werbung beschränken. Viele Kampagnen enden als Fehlschlag, weil sie
einer aufwendigen Werbekampagne Priorität zuweisen und es versäumen, die übrigen Instru-
mente eines ausgewogenen Marketing-Mix zu entwickeln und einzusetzen.
8.3 Produktentscheidungen
Produktentscheidungen können auf drei Ebenen getroffen werden: Entscheidungen über ein-
zelne Produkte, über Produktlinien und bezüglich der Zusammensetzung des Sortiments.
Produkt-
Produkt- Marken- u
unterstützende
Verpackung K
Kennzeichnung
eigenschaften management Dienst-
leistungen
Produkteigenschaften
Ein Produkt zu entwickeln bedeutet, den Gesamtnutzen zu definieren, den es bieten soll.
Dieser Gesamtnutzen drückt sich aus in greifbaren Produkteigenschaften wie Qualität, Aus-
stattung und Design. Die Entscheidungen über diese Produkteigenschaften sind besonders
bedeutsam, da sie die Reaktionen der Kaufinteressenten gegenüber dem Produkt stark beein-
flussen.
Die Qualität eines Produkts ist eines der wichtigsten Positionierungsinstrumente des Marke-
tings und eine bedeutende Determinante des Kundennutzens und der Kundenzufriedenheit.
Qualität lässt sich in die beiden Dimensionen Qualitätsniveau und Beständigkeit der Qualität
unterteilen. Bei der Produktentwicklung muss zunächst ein Qualitätsniveau festgelegt wer-
den, das die Position des Produkts auf dem entsprechenden Zielmarkt bestimmt. Der Begriff
Produktqualität steht für die Fähigkeit des Produkts, seine Funktion zu erfüllen und ist der
Oberbegriff für die Summe aller positiven Eigenschaften wie Langlebigkeit, Zuverlässigkeit,
Präzision, einfache Handhabung oder leichte Reparatur. Obwohl einige dieser Eigenschaften
objektiv gemessen werden können, sollte für die Zwecke des Marketings die Qualität so beur-
teilt werden, wie sie der Kaufinteressent empfindet. Das Unternehmen Siemens definiert
396
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8.3 Produktentscheidungen
Qualität für sich zum Beispiel wie folgt: „Qualität liegt dann vor, wenn unsere Kunden
zurückkommen und nicht unsere Produkte.“1
In der Vergangenheit sind Qualität und Zuverlässigkeit immer stärker ins Zentrum des Inter-
esses und der Anstrengungen der Industrie in Japan, den USA und Westeuropa gerückt. Nach
japanischem Vorbild wurden auch in den USA und in Westeuropa „Qualitätszirkel“ einge-
richtet oder ein „umfassendes Qualitätsmanagement“ (englisch: Total Quality Management,
TQM) eingeführt. Gute Qualitätssicherungsprogramme gehen jedoch über neue Prüfungsme-
chanismen der Endkontrolle oder Klebeetiketten mit Qualitätsslogans auf der Ware hinaus.
Das ganze Unternehmen muss sich für eine kontinuierliche Verbesserung der Qualität einset-
zen. Alle Hierarchieebenen müssen dahin gehend geschult und motiviert werden, der Quali-
tät oberste Priorität einzuräumen. Beim umfassenden Qualitätsmanagement geht es nicht
darum, Fehler zu entdecken und zu beheben, nachdem sie geschehen sind. Fehler sollen
durch geeignete Konstruktion und verbesserte Fertigungsmethoden gar nicht erst entstehen.
Neben der Vermeidung fehlerhafter Produkte ist es die zentrale Aufgabe des umfassenden
Qualitätsmanagements, den Nutzen für den Käufer zu erhöhen. Wenn die Qualität aus der
Perspektive des Kunden definiert wird und wenn Produktdefekte in Beziehung zu den
Bedürfnissen und Erwartungen der Käufer gesetzt werden, kann ein absoluter Qualitätsan-
spruch nicht mehr nur als eine Errungenschaft moderner Fertigung angesehen werden. Sie
ist vielmehr ein wichtiges und eindrucksvolles Argument auf dem Weg zur vollständigen
Überzeugung und Zufriedenstellung des Kunden.
Kaum ein Unternehmen bietet jedoch die technisch höchstmögliche Qualität an. Nur wenige
Kunden könnten sich diese hohe Qualität leisten, die in Produkten wie in einem Rolls-
Royce, einer Leica-Kamera oder einer Rolex-Uhr realisiert ist. Stattdessen suchen die Unter-
nehmen ein akzeptiertes Qualitätsniveau als vernünftigen Kompromiss zwischen den Kosten
auf der einen und den Bedürfnissen der Zielgruppe und der Qualität konkurrierender Pro-
dukte auf der anderen Seite.
Ungeachtet dessen, wie hoch das angestrebte Qualitätsniveau ist, sollten alle Unternehmen
auch Qualitätsbeständigkeit anstreben. Unter dieser Größe verstehen wir eine gleichblei-
bende Qualität der gelieferten Produkte. In diesem Sinne kann ein Unternehmen wie Nissan
die gleiche Qualität anbieten wie Rolls-Royce, und zwar wenn kontinuierlich die Qualität
geliefert wird, die der Kunde erwartet und für die er bezahlt.
Für viele Unternehmen hat das Versprechen absoluter Qualität die Rolle einer wichtigen
Marktstrategie übernommen. Der Begriff strategische Qualität bedeutet, dass man auf lange
Sicht und absolut zuverlässig Produkte und Dienstleistungen anbietet, die den Wünschen
und Notwendigkeiten der Käufer nach Qualität entsprechen. Ein Unternehmen, das konse-
quent diese strategische Qualität anbietet, wird stets einen Wettbewerbsvorteil gegenüber
den Konkurrenten haben. Qualität ist nicht nur eine Aufgabe, die gelöst werden muss, Quali-
tät ist auch eine hervorragende Gelegenheit, sich im Wettbewerb zu profilieren. Darüber hin-
aus ist aber Qualität zu einer Notwendigkeit im Wettbewerb geworden. Die höchstmögliche
Qualität wurde in weiten Bereichen zum Standard, und nur noch Produkte, die diesem Stan-
dard genügen, finden ihren Markt.
1 Zitate und Definitionen übernommen aus Philip Kotler, Marketing Insights from A to Z (Hoboken,
NJ: Wiley, 2003), S. 148.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Produktausstattung Ein Produkt kann dahin gehend variiert werden, dass verschiedene Aus-
führungen mit unterschiedlicher Ausstattung angeboten werden. Ein Basismodell, ohne
jeden Luxus, bildet meistens den Grundstock des Produktspektrums. Davon ausgehend wer-
den Eigenschaften hinzugefügt und Modelle höheren Niveaus entwickelt. Die Produktaus-
stattung ist ein geeignetes Wettbewerbsinstrument, um das Produkt eines Unternehmens
gegenüber denen der Konkurrenz hervorzuheben. Der erste Produzent zu sein, der neuartige
und nützliche Produkteigenschaften anbietet, ist eine der besten Methoden, sich im Wettbe-
werb durchzusetzen.
Um den Bedarf für neue Produkteigenschaften zu identifizieren und zu entscheiden, welche
davon die Produkte des Unternehmens künftig aufweisen sollten, kann das Unternehmen
regelmäßig Befragungen bei den bisherigen Käufern durchführen. Dabei sollten Fragen wie
diese gestellt werden: Wie gefällt Ihnen unser Produkt? Welche Eigenschaften des Produkts
mögen Sie am meisten? Was sollten wir mit dem Produkt mitliefern, um es zu verbessern?
Wie viel Geld wäre Ihnen die vorgeschlagene Produkteigenschaft wert? Die Antworten kön-
nen dem Unternehmen eine Vielzahl von Ideen liefern. Von diesen Ideen sollte jede darauf-
hin geprüft werden, welchen Nutzen sie den Kunden bietet und wie viel sie das Unterneh-
men kosten würde. Eine solche Analyse sollte Einsicht geben, welche Produkteigenschaften
die Verbraucher im Verhältnis zu ihren Kosten sehr hoch einschätzen und die Wettbewerbs-
position des Produkts tatsächlich entscheidend verbessern könnten.
Design Eine wichtige Methode, ein Produkt von anderen abzuheben und den Kunden zusätz-
lichen Nutzen zu stiften, ist es, ihm ein unverwechselbares Aussehen mitzugeben. Einige
Unternehmen haben ihr Design als Bestandteil ihrer Unternehmenskultur etabliert, wie Bang
und Olufsen in der Unterhaltungselektronik oder Braun bei Rasierapparaten und kleinen
Haushaltsgeräten. Sie haben erkannt, dass Design im Konkurrenzkampf ein mächtiges Werk-
zeug des Marketings darstellen kann. Die Unternehmenskultur von der schwedischen Möbel-
kette IKEA ist beispielsweise „småländsk“: Sparsamkeit ist eine Tugend, Verschwendung
wird nicht geduldet. Diese Überzeugung spiegelt sich sowohl im einfachen (aber ansprechen-
den) IKEA-Design wider als auch in der Auswahl der Werkstoffe, traditionelle skandinavi-
sche Materialien wie helles Holz, Leinen und Baumwollstoff.
„Design“ ist ein umfassenderer Begriff als „Stil“. Der Begriff „Stil“ beschreibt die äußere
Erscheinung eines Produkts. Ein sensationelles Aussehen mag die Aufmerksamkeit auf sich
ziehen, dies bedeutet jedoch nicht, dass das Produkt auch optimal funktioniert, manchmal
verschlechtert sich die Funktionalität sogar. Ein großer Sessel mag gut aussehen, er kann
dabei jedoch sehr unbequem sein. Design bezieht sich nicht nur auf die Oberfläche, es reicht
bis in den Kern des Produkts. Gutes Design unterstützt nicht nur das Aussehen, sondern
auch Nutzen und Funktionalität. Ein erfolgreicher Designer strebt nicht nur nach gutem Aus-
sehen des Produkts, sondern beachtet bei der Konstruktion auch die leichte, sichere und kos-
tengünstige Benutzung sowie die wirtschaftliche Produktion und Distribution.
Dass sich Investitionen in das Design lohnen, ist von einigen weltweit tätigen Unternehmen,
die dem Design einen hohen Stellenwert eingeräumt haben, erkannt worden. Apples iMac-
Computer, der 1998 eingeführt wurde, kombiniert Stil und Funktionalität. Als Antwort auf
die Projektanforderung, einen Computer für Endverbraucher zu gestalten, der einfach, benut-
zerfreundlich und kostengünstig ist, entwickelte Jonathan Ive, Chefdesigner von Apple, den
preisgekrönten iMac. Seine Pfiffigkeit und unverwechselbare Farbgestaltung haben dem
Computer seinen Erfolg beschert, er wurde der am schnellsten verkaufte Computer in der
Geschichte Apples. Auch Apples MP3-Player iPod verdankt seinen Erfolg zu einem großen
Teil dem Design, ebenso wie das iPhone. Auch andere Unternehmen wie Canon (Kameras),
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8.3 Produktentscheidungen
Markenmanagement
Eine der wichtigsten Fähigkeiten von Marketern ist es, eine Marke zu schaffen, sie am Leben
zu erhalten, sie zu schützen und zu stärken. Eine Marke ist ein Name, ein Begriff, ein Zei-
chen, ein Symbol, ein spezielles Design oder eine denkbare Kombination aus diesen, die
dazu verwendet wird, Produkte oder Dienstleistungen eines Anbieters oder einer Gruppe
von Anbietern zu markieren. Eine Marke identifiziert den Produzenten oder den Lieferanten
des Produkts. Verbraucher sehen die Marke als einen wichtigen Teil des Produkts an. Die
Marke besitzt das Potenzial, die Unterscheidung der Produkte eines Unternehmens von
denen der Konkurrenz zu schärfen. Zudem trägt eine starke Marke dazu bei, dass nicht nur
die grundlegenden funktionalen Bedürfnisse des Käufers befriedigt werden, sondern auch
den psychologischen Wünschen und Bedürfnissen entgegengekommen wird. Der Beitrag
einer Marke zum Nutzen für den Kunden ist allerdings nur schwer greifbar und messbar.
Kaum ein Produkt wird heute noch markenlos angeboten. Selbst Salz oder Zucker sind
zumeist in Tüten verpackt, die einen Markennamen tragen. Schrauben, Nägel und Kleinteile
tragen den Namen des Händlers auf der Verpackung und in Automobilen sind Teile wie
Zündkerzen, Reifen und Filter verarbeitet, die andere Markennamen haben als das Fahrzeug.
Auch bei Agrarprodukten und Früchten sind Marken die Regel, wie zum Beispiel Kartoffeln
von Pfanni, Ananas von Dôle und Bananen von Chiquita.
Mitte der 1980er-Jahre begann der Handel mit der Einführung von Produkten, die er als
namenlos („No Names“) oder „Weiße Ware“ markierte. Es handelte sich dabei um Basispro-
dukte, die etwas einfacher verpackt waren, und preisgünstigere Versionen von Massenpro-
dukten wie Spaghetti, Papiertaschentüchern, Schokolade oder Pfirsiche in Dosen darstellten.
Damit hat der Handel den namenlosen Produkten seine Marke mit auf den Weg gegeben und
sich dem Käufer gegenüber für die Qualität der Produkte verbürgt. Es handelt sich somit
auch um Markenprodukte – jedoch um Handelsmarken und nicht um solche von Herstellern.
Mit diesen Eigenmarken im Preiseinstiegssegment konnten die Handelsunternehmen den
preissensiblen Verbrauchern entgegenkommen und ein Gegengewicht zu den Angeboten der
Discounter schaffen.
Nutzen der Marke für den Käufer Die Markengebung nützt dem Käufer auf folgende Weise:
Eine Marke ist zugleich eine Qualitätsaussage. Käufer, die immer die gleiche Marke kau-
fen, wissen, dass sie bei jedem Kauf die gleiche Qualität erhalten.
Marken erhöhen die Effizienz des Käufers, er kauft schneller und zielgerichteter ein. Ein
Käufer, der seinen Warenkorb ausschließlich mit namenlosen Produkten füllen möchte,
muss sich viel intensiver informieren, kauft mit größerer Ungewissheit und geht größere
Risiken ein.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Eine Marke bewirkt, dass sich ein Kaufinteressent mit einer Produktneuheit beschäftigen
kann, die ihm nutzen könnte. Der Markenname ist die Basis, auf der die Beschreibung der
Qualitäten eines neuen Produkts aufbauen kann.
Nutzen der Marke für den Anbieter Dem Anbieter bietet ein Markenname folgende Vorteile:
Markenname und gewerbliche Schutzrechte (z.B. Warenzeichen oder Patente) schützen
den Entwickler und Produzenten vor unautorisierten Imitationen.
Ein Markenname hilft dem Anbieter, eine loyale Stammkäuferschaft aufzubauen.
Markennamen ermöglichen Marktsegmentierung und Positionierung der Produkte.
Mit einem Markennamen ist der Lieferant für den Handel leichter zu finden, wenn Ware
beschafft werden soll oder wenn es zu Reklamationen kommt.
Der Anbieter kann aufgrund des Markennamens einen höheren Preis (Preispremium) ver-
langen.
Der Aufbau und das Management von Marken ist eine der wichtigsten Aufgaben des Marke-
tings. Markenstrategien werden wir deshalb im späteren Verlauf des Kapitels noch einmal im
Detail aufgreifen.
V erpackung
Viele der Produkte, die auf dem Markt angeboten werden, müssen verpackt werden. Sicher-
lich ist die Verpackung in der Regel eng an das Produkt gebunden, sie kann aber auch zu
einem wichtigen Instrument des Marketings werden.
Zum Prozess der Verpackung gehören schon alle Tätigkeiten, die sich mit dem Entwurf und
der Herstellung des Behälters und der Etiketten für das Produkt beschäftigen. Die Verpa-
ckung übernimmt wichtige Schutz- und Steuerungsfunktionen für das Produkt. Sie schützt
es vor Beschädigungen und Verschmutzungen vor dem Kauf, hilft insbesondere bei Lebens-
mitteln dabei, dass sie frisch bleiben, und transportiert und präsentiert viele wichtige Infor-
mationen zum Produkt und seiner Handhabung.
Obwohl es die ursprüngliche Funktion der Verpackung war, das Produkt zu umhüllen und
zu schützen, hat sich die Verpackung zu einem wichtigen Marketinginstrument entwickelt.
Die wachsende Dominanz von Handelsformen mit Selbstbedienung führte zu neuen Funktio-
nen der Verpackung:
Die Verpackung soll die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Die Verpackung soll das Produkt beschreiben.
Die Verpackung soll anpreisen und den Verkauf einleiten.
Es wird ein stilles Einverständnis unterstellt, dass die Endverbraucher bereit sind, etwas
mehr zu bezahlen, wenn die Verpackung für Bequemlichkeit, Schutz, Sicherheit, Zuverläs-
sigkeit, Information und Prestigegewinn steht.
Eine gute Verpackung lässt den Kunden sofort erkennen, welche Marke er vor sich hat. Der
typische Käufer in einem Supermarkt geht in einer Minute an 300 Artikeln vorbei. Bei mehr
als 60 Prozent aller Käufe fällt die Entscheidung, welches Produkt gekauft wird, erst unmit-
telbar am Regal, wenn die Ware in den Einkaufswagen gelegt wird. An diesem Punkt inten-
sivsten Wettbewerbs kann die Verpackung die allerletzte Chance des Anbieters sein, noch
eine Entscheidung zugunsten seines Produkts herbeizuführen.
400
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8.3 Produktentscheidungen
401
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
sen ist es ratsam, Verpackungen alle zwei oder drei Jahre einer gründlichen Überprüfung zu
unterziehen. Eine eingeführte Verpackung auf dem aktuellen Stand zu halten, erfordert in
den meisten Fällen nur geringfügige Anpassungen, welche die Käufer häufig nicht einmal
bemerken. Diese Anpassungen sollten regelmäßig erfolgen, um den Anschluss nicht zu ver-
lieren. Gelegentlich gibt es aber Veränderungen, die dramatisch sind, komplexe Entscheidun-
gen verlangen und mit hohen Kosten und Risiken verbunden sind.
Aus Sicht des Marketings müssen die entstehenden Kosten in Beziehung zu dem Nutzen, der
durch die Verpackung entsteht, gesetzt werden. Der Nutzen liegt darin, dass der dem Käufer
gelieferte Wert mit einer zweckmäßigen Verpackung steigt und dass dies vom Käufer
honoriert wird.
Bei den Entscheidungen über die Verpackung sind je nach Produktkategorie der Umwelt-
schutz und die relevante Gesetzgebung in der Bundesrepublik beziehungsweise der EU zu
beachten.
Tetra Pak beispielsweise, ein schwedischer multinationaler Hersteller von Verpackungen, ist
bekannt für seine innovativen Lösungen. Tetra Pak entwickelte eine antiseptische Verpa-
ckung, die bei Milch, Fruchtsäften und anderen leicht verderblichen flüssigen Nahrungsmit-
teln eine Lagerung und Lieferung ohne Kühlung ermöglicht. Nicht nur, dass dieses Verpa-
ckungssystem umweltfreundlich ist, es bietet auch wirtschaftliche und distributive Vorteile.
Die antiseptische Hülle erlaubt es Molkereien, ihre Produkte über ein größeres Gebiet hinweg
zu vertreiben, ohne in Kühlsysteme für Lkw und Gebäude zu investieren. Supermärkte kön-
nen die Produkte in normalen Regalen anbieten und sparen so den wertvollen Platz in den
Kühlregalen. Tetra Pak wirbt für den Nutzen seiner Verpackung direkt bei den Endverbrau-
chern und initiiert Recycling-Programme zum Schutz der Umwelt.
Bei der Gestaltung der Verpackung sollte man auch darauf achten, wie leicht sie zu öffnen ist.
Lässt sie sich zu leicht öffnen, verliert die Verpackung ihren Schutz- und Transportcharakter
und öffnet sich möglicherweise von allein, was gerade bei Lebensmitteln, Getränken, Medi-
kamenten und Produkten, die sich leicht verteilen, wie Streichhölzer oder Blumenerde, sehr
ungünstig sein kann. Lässt sich die Verpackung aber selbst mithilfe einer Schere und ande-
rem Werkzeug nur äußert schwer und mühselig öffnen, führt das beim Kunden zu Frust und
Ärger. Derartige Verpackungen sind nur für sehr wenige Produkte tatsächlich sinnvoll, wer-
den aber von Herstellern trotzdem allzu häufig genutzt. Amazon arbeitet zusammen mit
Microsoft, Fisher-Price und anderen Unternehmen daran, frustfreie Verpackung zu entwi-
ckeln, um dem Ärger beim Auspacken entgegenzuwirken.
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8.3 Produktentscheidungen
ckungen mit Rezepten im Lebensmittelbereich oder bei Küchengeräten, Fotos bei Medien
(z.B. ein Buchumschlag oder ein Karton für Software) und bei Spielwaren.
Labels und Markenlogos können die Markenpositionierung unterstützen und der Marke Cha-
rakter verleihen. Markenlabels und Logos können sogar ein entscheidendes Element beim
Aufbau der Marken-Kunden-Beziehung sein. Kunden fühlen sich häufig sehr von den Logos
als Symbole für die Marke angezogen, für die sie stehen. Denken Sie an die Emotionen, die
Logos von Unternehmen wie Coca-Cola, Google, Twitter, Apple und Nike hervorrufen. Logos
müssen zu gegebener Zeit überarbeitet werden. Unternehmen müssen bei der Veränderung
solcher wichtigen Markensymbole jedoch vorsichtig sein. Als der Bekleidungseinzelhändler
Gap z.B. ein moderneres Design des vertrauten Logos herausbrachte – mit dem bekannten
weißen Text auf dem blauen Quadrat – gingen Kunden auf die Barrikaden und übten online
enormen Druck aus. Nach nur einer Woche führte Gap das altbekannte Logo wieder ein.
Die Kennzeichnung und Etikettierung der Produkte sah sich in der Vergangenheit stets der
Kritik ausgesetzt, dass Anbieter nur das am Produkt anbrachten, was sie für nötig oder für
nützlich hielten. Aus diesem Grunde wurden in nahezu allen nationalen oder supranationa-
len Rechtsordnungen Kennzeichnungspflichten eingeführt. Dies können Angaben über den
Preis pro Einheit, Haltbarkeitsdatum oder Nährwertangaben im Nahrungsmittelbereich sein.
Neben allen Marketinggesichtspunkten ist daher auch sicherzustellen, dass die Kennzeich-
nung der Produkte diesen Vorgaben entspricht.
Produktunterstützende Dienstleistungen
Ein weiteres Element der Produktstrategie ist der Kundendienst oder Service. Es geht hierbei
um Dienstleistungen, die als Ergänzung zu einem Produkt angeboten werden. An späterer
Stelle im Kapitel gehen wir auf die Besonderheiten von Dienstleistungen ein, die eigenstän-
dig als Produkt vermarktet werden. Hier beschäftigen wir uns mit Dienstleistungen, welche
die materiell angebotenen Produkte ergänzen oder ihre Nutzung erst ermöglichen. Diese wer-
den auch als produktunterstützende oder produktergänzende Dienstleistungen bezeichnet.
Mehr und mehr Unternehmen bedienen sich solcher Dienstleistungen, um ihrem Produkt
mit einer sinnvollen und willkommenen Ergänzung einen weiteren Wettbewerbsvorteil zu
verschaffen. Je nach Ausgestaltung können sie zum kaufentscheidenden Faktor und für
Unternehmen zur zentralen Einnahmequelle werden.
Beispiele für produktergänzende Dienstleistungen sind Zustellung, Aufstellung und
Anschluss beim Kauf einer Waschmaschine oder das Verpacken von Geschenken und Liefe-
rung ins Haus bei Einkäufen im Einzelhandel, Lounges von Fluggesellschaften oder die Vor-
Ort-Reparatur eines Laptops.
Guter Kundendienst ist eine sinnvolle Investition zur Abrundung des Angebots, die von den
Käufern gerne angenommen und auch honoriert wird. Außerdem ist es auch von der Kosten-
seite günstiger, vorhandene Kunden ein wenig zu verwöhnen und dadurch zu binden, als
immer wieder neue Kunden zu werben oder zu versuchen, verlorene Kunden zurückzuge-
winnen. Bei zwei gleichartigen Unternehmen wird stets dasjenige im Wettbewerb die Nase
vorn haben, das bei gleichen Angeboten den besseren Kundendienst und die bessere Unter-
stützung anbietet. Unternehmen mit besserem Serviceangebot wachsen schneller, können
höhere Preise durchsetzen und machen größere Gewinne. Diese These wurde durch Studien
der letzten Jahre eindeutig bestätigt.
Ein Unternehmen muss seine Produkte und seine ergänzenden Dienstleistungen so definie-
ren, dass sie den Vorstellungen und Bedürfnissen der Zielgruppen entsprechen. Für die For-
403
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
mulierung einer Strategie sollte zunächst ermittelt werden, welche Dienstleistungen die Ziel-
gruppe benötigt und wünscht und welche Bedeutung sie ihnen beimisst. Selbstverständlich
unterscheiden sich die Kunden bezüglich ihrer Präferenzen. Für den einen mögen Kreditge-
währung und Finanzdienstleistungen wichtig sein, für den anderen schnelle und zuverläs-
sige Belieferung oder schnelle Installation. Andere Käufer sehen die Schwerpunkte bei tech-
nischer Information und kompetenter Beratung, bei einer gründlichen Einweisung für den
täglichen Betrieb oder bei der Betreuung nach dem Kauf und bei Reparaturdiensten. Um den
Bedarf der Käufer zu ermitteln, genügt es nicht, nur Beschwerden über Kommentarkarten
oder Anrufe auf einer kostenlosen Hotline abzuwarten. Das Unternehmen sollte von sich aus
Käufer- und Nutzerbefragungen durchführen, um sowohl eine Beurteilung des aktuellen Ser-
vices zu erhalten als auch Ideen für neue Angebote zu schöpfen.
Sobald man den Wert der einzelnen Dienstleistungen für den Kunden ermittelt hat, gilt es,
die Kosten für deren Umsetzung auszuloten. Man versucht dann, ein Bündel von Leistungen
anzubieten, das sowohl den Konsumenten erfreut als auch Umsatz für das Unternehmen
generiert.
Zusätzliche Dienstleistungen können ebenfalls wichtige Innovationen sein, um die Kunden-
beziehung zu stärken. In den USA hat Starbucks auf das Problem des unschlüssigen Kunden
reagiert, der dringend Koffein braucht, aber von der Warteschlange zwischen ihm und dem
begehrten Kaffee abgeschreckt ist. Das Unternehmen hat eine Smartphone-App für Vorbestel-
lungen eingeführt, sodass der Kaffee beim Eintreffen des Kunden schon fertig ist. Fast-Food-
Ketten testen und entwickeln ebenfalls Bestell-Apps dieser Art. Solche Bestell-Apps stellen
offenbar eine neue Dienstleistung dar, die sowohl die Effizienz im Restaurant als auch die
Umsätze erhöht.2
2 Siehe Olga Kharif, „The end of the coffee line“, Bloomberg BusinessWeek, 26. November 2014, S. 33–
34.
404
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8.3 Produktentscheidungen
Preis
Preis
405
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
freien Position angezogen werden. Möglicherweise vermutet man das künftige Wachstum in
den unteren Preissegmenten. Mercedes führte deshalb zunächst die C-Klasse, dann die A-
Klasse und schließlich den Smart ein.
Ein Risiko der Produktlinienerweiterung nach unten ist der Effekt, dass bei einem preisgüns-
tigeren Angebot der gleichen Marke häufig der Absatz am oberen Ende der Skala deutlich
zurückgeht. Die Tatsache, dass der Absatz eines Produkts nicht aufgrund der Einführung
eines Konkurrenzprodukts, sondern wegen eines neuen Produkts der eigenen Marke zurück-
geht, wird als Markenkannibalismus bezeichnet.
Andererseits kann es auch ein Fehler sein, die unteren Bereiche des Markts nicht zu bedie-
nen. Rollei baute keine preiswerten Fotoapparate und Xerox bot keine kleinen Kopierer an.
Es entstanden Lücken in der Produktlinie, welche die japanischen Anbieter schnell und
erfolgreich schließen konnten.
Simultane Produktlinienerweiterung
Für Unternehmen, deren Betätigungsfeld die Mitte des Markts ist, kann eine Produktliniener-
weiterung in beide Richtungen sinnvoll sein. Sony als Erfinder des kleinen Kassettenabspiel-
geräts Walkman führte diese Geräte zunächst in einer mittleren Qualität und Preislage ein.
Als die ersten Billigimitationen auf den Markt kamen, erweiterte Sony diese Produktlinie
auch in den Niedrigpreismarkt. Da Sony dort zwar einfache, aber zuverlässige und qualitativ
hochwertige Geräte anbot, errang die Marke auch hier einen hohen Marktanteil. Gleichzeitig
bediente Sony die Wünsche derer, die nicht nur abspielen, sondern auch aufnehmen wollten
oder an besonders hochwertigen Musikaufnahmen Interesse hatten. Für diesen Teil der
Nachfrage entwickelte man Geräte der oberen Preisklassen.
406
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8.3 Produktentscheidungen
leichten Geräten für Sportler, die mit einem zusätzlichen Schweißband ausgestattet sind.
Wenn eine solche Produktlinienerweiterung jedoch übertrieben wird, kann dies zu Mar-
kenkannibalismus und Verunsicherung der Käufer führen. Man sollte daher sicherstellen,
dass sich die neu eingeführten Produkte von den bisherigen deutlich unterscheiden.
Gemeinsamkeiten Produkte
gemeinsame Produktion gemeinsame Grundstoffe, Fertigungsabläufe oder Fertigungstechnologien
gemeinsame Verwendung z.B. Kaffee, Kaffeemaschinen, Kaffeesahne, Kaffeefilter, Kaffeegeschirr, Gebäck
zum Kaffee (z.B. Melitta)
gemeinsamer Absatz z.B. Autobatterien, Reifen, Räder, Autowerkzeuge, Autoradios, Autotelefone
oder Sportkleidung, Sportschuhe, Sportgeräte, Sportuhren, Sportkosmetik (z.B.
Adidas)
Tabelle 8.2: Synergien aus Produktion, Verwendung oder Absatz
Bei Unternehmen wie Henkel, Beiersdorf oder Procter & Gamble sind Mehrfach-Synergien
über viele Produktfamilien in der Produktion (gemeinsame Basis bei Kosmetik, Seifen und
Waschmitteln) sowie im Vertrieb zu beobachten. Bei der Gruppe Kraft (Käse und Lebensmit-
tel), Jacobs (Kaffee) und Suchard (Kakao und Schokolade) besteht Synergie im wichtigsten
Vertriebskanal Lebensmittelhandel.
407
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Die hier angeführten Dimensionen des Sortiments bilden die Grundlage für die gegenwärti-
gen und zukünftigen Produktstrategien. Um Wachstum zu erreichen, kann ein Unternehmen
nach vier Konzepten Expansionsstrategien entwickeln (siehe Tabelle 8.3).
Expansionsstrategien
Neue Produktlinien = Verbreiterung des Produkt- Die neu einzuführenden Produktlinien profitieren vom
portfolios guten Ruf des Gesamtunternehmens und seiner Marken
Erweiterung bestehender Produktlinien = Verlängerung Das Unternehmen ist etablierter Anbieter und expan-
des Produktportfolios diert auf das volle Sortiment seiner Produktkategorie.
Angebot von ergänzenden Versionen der Produkte = z. B. Fahrzeuge mit Allrad-Antrieb, Cabrios, Kombis etc.
Vertiefung des Produktportfolios
Homogenität erhöhen oder senken Kostenersparnis und Erhöhung des Marktanteils
(Beispiel: Händler von Kleintransportern nimmt
Wohnmobile ins Angebot auf).
Tabelle 8.3: Expansionsstrategien
8.4 Services-Marketing
Einer der zentralen Trends in unserer Wirtschaft über die letzten beiden Jahrzehnte war das
Wachstum des Dienstleistungssektors. In den großen Staaten Westeuropas, in Amerika und
Japan sind inzwischen mehr Personen im Dienstleistungssektor beschäftigt als in allen ande-
ren Sektoren der jeweiligen Wirtschaften zusammen. Öffentliche und privatwirtschaftlich
erbrachte Dienstleistungen erreichen hier zwischen 60 und 75 Prozent der gesamten Leis-
tungserstellung in den nationalen Volkswirtschaften. In den internationalen Handelsbezie-
hungen beträgt der Anteil der Dienstleistungen inzwischen fast ein Viertel aller Exporte. Zu
den Branchen, die zum Dienstleistungssektor gezählt werden, gehören Tourismus, Finanz-
dienstleistungen oder Logistik. Produktorientierte Unternehmen wie zum Beispiel die Auto-
mobilindustrie ergänzen ihr Angebot mit produktbegleitenden Dienstleistungen wie Repara-
tur und Wartung, Mobilitätsgarantien, komfortablen Ausstellungsräumen, Finanzierung und
weiteren Diensten. Für viele Länder gilt, dass das gesamte Wachstum des Arbeitsmarkts aus-
schließlich durch den Dienstleistungsbereich getragen wird.
Zwischen den verschiedenen Anbietern von Dienstleistungen bestehen Unterschiede. Der
Staat selbst ist ein wichtiger Anbieter von Dienstleistungen durch z.B. öffentliche Kranken-
häuser und Schul-/Hochschulbildung. Im „Non-Profit“-Sektor finden wir Dienstleistungsins-
titutionen wie z.B. Museen, Kirchen oder karitative Organisationen.
408
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8.4 Services-Marketing
Dienstleistungen
In den folgenden Abschnitten gehen wir genauer auf diese Merkmale ein.
1. Immaterialität
Immaterialität bedeutet, dass Dienstleistungen nicht greifbar sind. Sie können vor dem Kauf
nicht ausgestellt werden und man kann sie nicht anfassen, fühlen oder hören, bevor sie
erbracht werden. Der Käufer einer Stereoanlage kann das Gerät in Ruhe ansehen und anhö-
ren, bevor er es kauft. Der Käufer einer Flugreise bekommt zunächst nur eine Bordkarte und
das Versprechen, er werde zum gewünschten Zeitpunkt mit dem Flugzeug an den Zielort
transportiert.
Da es bei Dienstleistungsangeboten wenig Materielles gibt, das der Käufer überprüfen kann,
ist die Ungewissheit groß. Um seine Ungewissheit zu reduzieren, sucht der Kaufinteressent
nach Indizien für die Qualität der Dienstleistung. Er wird aus dem, was er als Geschäftslokal
vorfindet, wer dort bedient, welche Ausrüstung vorhanden ist und welche Kommunikations-
mittel dort genutzt werden, seine Schlüsse ziehen. Daher ist es für den Dienstleistungsanbie-
ter wichtig, die Dienstleistung auf irgendeine Art greifbar und messbar zu machen. Während
die Anbieter von materiellen Produkten versuchen, sich Wettbewerbsvorteile durch immate-
rielle Ergänzungen zu verschaffen (schnelle Lieferung, verlängerte Garantie, Finanzierung
oder Leasing, Kundenbetreuung nach dem Kauf), müssen die Anbieter der Dienstleistungen
materiell greifbare Ergänzungen suchen, die als Indizien für die Qualität ihrer immateriellen
Leistung dienen.
Da Dienstleistungen nicht greifbar sind und dies für den Käufer ein erhöhtes Risiko bedeutet,
spielt Mund-zu-Mund-Propaganda (eine Empfehlung oder ein Abraten) bei Dienstleistungen
eine größere Rolle als bei materiellen Angeboten. Aus diesem Grund ist es beim Marketing
für Dienstleistungen besonders wichtig, Meinungsführer zu gewinnen und zufriedene Kun-
den zu veranlassen, das Angebot bei Freunden und Kollegen und in der Familie weiter-
zuempfehlen.
Ein weiteres aus der Immaterialität resultierendes wichtiges Instrument des Marketings für
Dienstleistungen ist eine einfache und klare Preisgestaltung.
409
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
410
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8.4 Services-Marketing
Bei einer gleichmäßig verteilten Nachfrage resultieren für die Anbieter von Dienstleistungen
aus der Nichtlagerfähigkeit in der Regel keine Probleme, dies ändert sich jedoch, wenn die
Nachfrage und damit die Auslastung starken Schwankungen unterliegen. Öffentliche Ver-
kehrsbetriebe richten beispielsweise Fahrzeuggrößen und Fahrzeugbestand häufig am Bedarf
der Hauptverkehrszeiten (Berufsverkehr) aus, aus diesem Grund sieht man in den verkehr-
sarmen Zeiten große, jedoch schwach ausgelastete Fahrzeuge. Viele Dienstleistungsunterneh-
men versuchen jedoch Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen. So verlangen
Hotels beispielsweise niedrigere Preise in der Vor- oder Nachsaison, um mehr Gäste anzuzie-
hen, oder Restaurants arbeiten in Spitzenzeiten mit Teilzeitkräften.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Abbildung 8.8: Desserts für Fluggäste werden von Hand dekoriert. Dabei ist es wichtig, dass ein Dessert dem anderen
gleicht. (Quelle: (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:LH_LSG_Z7B4576_k.jpg), „LH LSG Z7B4576 k“, https://crea-
tivecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode)
(Quellen: Geschäftsbericht 2016: http://lsg-group.com/app/uploads/lsg_ar2016_digital/#p=41 [06.02.2018]
www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schweizer-gate-group-uebernimmt-kontrolle-bei-servair-14596795.html [06.02.2018])
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8.4 Services-Marketing
ment positionieren sich hingegen Fluglinien wie Singapore Airlines und Lufthansa. In der
Gastronomie findet man ein von Fast-Food-Restaurants wie „McDonald’s“ bis hin zu
anspruchsvollen Sternerestaurants reichendes Spektrum. Diese und andere Unternehmen
bauen ihre Positionierung durch den Einsatz traditioneller Marketinginstrumente auf, wel-
che sich nicht wesentlich von jenen der Anbieter materieller Produkte unterscheiden. Wegen
der oben genannten Besonderheiten von Dienstleistungen sind jedoch auch spezielle
Ansätze und Maßnahmen im Marketing für Dienstleistungen erforderlich.
3 Siehe James L. Heskett, W. Earl Sasser Jr. und Leonard A. Schlesinger, The Service Profit Chain: How
Leading Companies Link Profit and Growth to Loyalty, Satisfaction, and Value (New York: Free Press,
1997); Heskett, Sasser und Schlesinger, The Value Profit Chain: Treat Employees Like Customers and
Customers Like Employees (New York: Free Press, 2003); Christian Homburg, Jan Wieseke und Way-
ne D. Hoyer, „Social identity and the service-profit chain“, Journal of Marketing , März 2009, S. 38–
54 sowie Rachael W. Y. Yee et al., „The service-profit chain: a review and extension“, Total Quality
Management & Business Excellence, 2009, S. 617–632.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Unternehmen
Internes Externes
Marketing Marketing
Mitarbeiter Kunden
Interaktives
Marketing
Abbildung 8.9: Drei Teilbereiche des Marketings in Dienstleistungsunternehmen
Internes Marketing
Unter internem Marketing ist zu verstehen, dass der Dienstleistungsanbieter in die Leistungs-
fähigkeit und Überzeugungskraft seiner Mitarbeiter investieren sollte. Es gilt, insbesondere
die Mitarbeiter, die mit den Kunden Kontakt haben, zu trainieren und zu motivieren.
Anzustreben ist, dass alle Mitarbeiter des Unternehmens als ein Team arbeiten, damit der
Kunde zufriedengestellt werden kann. Es reicht nicht aus, eine Marketingabteilung traditio-
nelles Marketing betreiben zu lassen, während der Rest der Mitarbeiter seine eigenen Wege
geht. In einem Dienstleistungsunternehmen muss jeder Einzelne marketingorientiert han-
deln. Diese Überzeugungsarbeit, die dem externen Marketing vorausgeht, ist das eigentliche
interne Marketing. Es würde keinen Sinn ergeben, wenn ein Dienstleistungsunternehmen in
der Werbung erstklassige Dienste anbieten würde und die Mannschaft des Unternehmens
noch nicht bereit, noch nicht willens oder nicht in der Lage wäre, die angebotenen Dienste
auch wirklich erstklassig durchzuführen.
Im Einzelhandel beispielsweise kann schon eine einfache Sache wie ein Lächeln und eine
höfliche Begrüßung durch das Verkaufspersonal den Unterschied machen. In der Regel geben
Kunden, die sich über ein herzliches Willkommen freuen, mehr Geld aus. Untersuchungen
in den Mothercare-Geschäften im Vereinigten Königreich zeigen, dass Käufer, die auf die
freundliche Begrüßung des Personals mit einem Lächeln reagieren, 67 Prozent mehr ausge-
ben als andere Kunden. Für Händler in diesem Bereich hat der verbesserte Umgang des Per-
sonals mit den Kunden eine positive Wirkung auf die Umsätze.4 Eine Ausnahme sind schein-
bar Luxusgüter und Designer-Marken, bei denen das hochnäsige Verhalten der Verkäufer in
den teuren Geschäften die Umsätze tatsächlich ankurbeln kann. Forschungen in Kanada zei-
gen, dass Kunden, die sich von Verkäufern in Designer-Geschäften „herabgewürdigt“ fühlten,
die Marke höher schätzten und bereit waren, mehr Geld dafür auszugeben, als Kunden, die
höflich behandelt wurden.5 Marketingverantwortliche für den Service müssen die verschie-
denen Wege, wie Angestellte die Markenbotschaft „leben“ können, sorgsam prüfen.
4 Sean Poulter, „We spend more if shop staff greet us with a smile“, Daily Mail, 27. Mai 2013, S. 21.
5 Fiona Macrae, „So Mrs Slocombe was right all along – being snooty DOES help shop assistants sell
more in fancy stores“, Daily Mail, 29. April 2014, www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-2616199/
So-Mrs-Slocombe-right-snooty-DOES-help-shop-assistants-sell-fancystores.html, Zugriff August
2015.
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8.4 Services-Marketing
Interaktives Marketing
Der Begriff interaktives Marketing soll darauf hinweisen, dass die empfundene Qualität der
Dienstleistung hauptsächlich auf der Käufer-Verkäufer-Beziehung beruht. Beim Marketing
materieller Produkte spielt es oft keine große Rolle, unter welchen Umständen das Produkt
in Empfang genommen wird. Für das Marketing von Dienstleistungen gilt jedoch etwas ganz
anderes: Die Qualität, die der Kunde empfindet, beruht ganz entscheidend darauf, wie die
Dienstleistung erbracht wird, da sie erst in der Wechselwirkung zwischen Käufer und Ver-
käufer entstehen kann. Dies gilt insbesondere für Dienstleistungen, die auf hervorgehobenen
Qualifikationen des Dienstleisters beruhen (Arzt, Anwalt, Architekt, Reisen). Der Kunde
beurteilt die Qualität der Dienstleistung nicht nur nach technischen Kriterien („Hatte die
Operation den gewünschten medizinischen Erfolg?“), sondern auch nach funktionalen und
emotionalen Kriterien („Hat sich der Chefarzt ausreichend um den Patienten gekümmert?“).
Für den Anbieter ist der Zeitraum der Leistungserstellung insofern besonders wichtig, als
sich in diesen Momenten der Käufer nicht nur ein Bild über die Qualität der Dienstleistung,
sondern über die Organisation insgesamt bildet. Wenn also Dienstleistungen dieser Art
erbracht werden, muss der Dienstleistungsanbieter wissen, dass der Kunde mit einer ledig-
lich technisch korrekten Lösung nicht zufriedengestellt ist. Mittels des interaktiven Marke-
tings muss bei dem Kunden noch die Überzeugung aufgebaut werden, dass er mit der Inan-
spruchnahme dieser Dienstleistung das Richtige getan hat.
In heutigen Zeiten sollten Unternehmen Interaktionen bieten, die nicht nur „high-touch“,
sondern auch „high-tech“ sind. Dank der Internettechnologie können sich Kunden beim
Onlinebanking zum Beispiel auf der Webseite ihrer Bank einloggen, selbstständig ihre Konto-
informationen abfragen, Überweisungen durchführen und neue Finanzprodukte kaufen.
Kunden, die stattdessen den persönlichen Kontakt bevorzugen, können gleichermaßen das
Servicepersonal anrufen oder bei der lokalen Zweigstelle der Bank vorbeigehen. Auf diese
Weise bewältigen Unternehmen interaktives Marketing auf allen drei Stufen: per Telefon,
über das Internet und durch persönlichen Kontakt.
Heutzutage ist in vielen Branchen ein steigernder Wettbewerbsdruck bei steigenden Kosten
zu beobachten, während Produktivität und Qualität in vielen Bereichen abzunehmen schei-
nen. Die Instrumente des Marketings sind daher noch professioneller auszugestalten und ein-
zusetzen. Anbieter von Dienstleistungen sehen sich drei Aufgaben gegenüber: Sie müssen
sich von der Konkurrenz abheben und sowohl die Qualität ihrer Dienstleistungen als auch
ihre Produktivität erhöhen.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
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8.4 Services-Marketing
Ein Unternehmen kann sich insbesondere dadurch positiv abgrenzen, dass es mehr und
besser ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, die einfühlsamer als jene der Kon-
kurrenz auf die Wünsche der Kunden eingehen. Auch die Begeisterungsfähigkeit und ein
kompetentes Auftreten des Personals helfen, sich von den Mitbewerbern positiv zu unter-
scheiden.
Das Unternehmen kann ein harmonisches, entspanntes und Vertrauen erweckendes Umfeld
schaffen, in dem die Dienstleistung entsteht und vom Kunden in Anspruch genommen wird.
Hotels und Restaurants legen beispielsweise großen Wert auf die Inneneinrichtung und das
Ambiente, um ihren Kunden ein überragenden Service-Erlebnis zu bieten. Einzelhändler wie
beispielsweise „The Body Shop“ schaffen ein angenehmes physisches Umfeld, indem sie
ihren Verkaufsstellen durch eine besondere Einrichtung eine unverwechselbare Identität ver-
leihen.
Auch durch einen überlegenen Auslieferungsprozess kann sich ein Dienstleistungsanbieter
differenzieren. Banken bieten ihren Kunden z.B. die Möglichkeit des Homebankings. Hierbei
entfallen für den Kunden der Weg zur Bank sowie die Wartezeit in einer Warteschlange. Eine
Reinigung kann die gesäuberten Kleidungsstücke dem Kunden nach Hause liefern. Viele
Dienstleistungsunternehmen können zwischen verschiedenen Betriebsabläufen wählen, um
ihre Leistung zu erbringen: Bei Restaurants reicht dies von Fast Food und Selbstbedienung
über ein Büffet bis hin zu mehrgängigen Menüs mit Bedienung. Immer häufiger setzen
Dienstleistungsanbieter neue Technologien ein, um sich in der Leistungserbringung zu unter-
scheiden. Beispiele hierfür sind Automaten zum Einchecken bei Beginn einer Flugreise oder
Bahntickets, die über das Internet gebucht und selbst ausgedruckt werden können, sowie
mittels E-Learning oder Blended Learning zu absolvierende Studiengänge.
Image Wegen der besonderen Charakteristika von Dienstleistungen ist es hier noch schwieri-
ger als bei materiellen Produkten, sich einen Namen und ein konsistentes Markenimage zu
schaffen. Wenn es allerdings gelingt, nach langer Anlaufzeit ein derartiges Image aufzubauen,
kann dies nicht leicht von der Konkurrenz imitiert werden. Dienstleistungsanbieter, denen es
gelang, über Symbole oder über ihre Marke ein positives Image bei ihren Nutzern zu veran-
kern, haben bleibende Wettbewerbsvorteile errungen. Häufig werden sie als Maßstab für ihre
jeweiligen Branchen angesehen, wie die Beispiele Ritz Hotels, Hard Rock Cafe, Thai Air,
Lufthansa, Citibank und CNN zeigen. Sie alle haben ihr heutiges Ansehen über viele Jahre
aufgebaut und verfügen über eine herausragende Positionierung.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Einige Unternehmen oder Organisationen haben ihr Image dadurch aufgebaut, dass sie neben
konsequenter Leistungsbereitschaft intensiv Symbole oder Farben eingesetzt haben. Bei-
spiele dafür sind das „Rote Kreuz“, der durchgehende Einsatz der Farbe Gelb bei der Deut-
schen Post, die Farbe Rot bei der Sparkasse und die Farben Blau und Gelb sowie das Symbol
des Kranichs bei der Lufthansa.
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8.4 Services-Marketing
wicht zwischen diesen beiden Punkten stellt eine Qualitätsdiskrepanz dar. Es gibt fünf Qua-
litätsdiskrepanzen, sogenannte Gaps, die eine missglückte Dienstleistungserbringung
verursachen können:
1. Die Diskrepanz zwischen den Kundenerwartungen und deren Wahrnehmung durch
das Management Es kann vorkommen, dass ein Unternehmen nicht richtig erkennt, was
seine Kunden wollen. Dienstleistungsanbieter für Mobiltelefone könnten denken, dass
Kunden anspruchsvolle Technologie wünschen, Kunden hingegen aber eher von niedri-
gen Preisen und Schlichtheit angezogen werden.
2. Die Diskrepanz zwischen den vom Management wahrgenommenen Kundenerwartun-
gen und deren Umsetzung in Spezifikationen der Dienstleistungsqualität Das Unterneh-
men könnte die Wünsche der Kunden richtig erkennen, aber keinen Leistungsstandard
setzen. Der Geschäftsführer eines Restaurants könnte der Belegschaft vorgeben, den
Kunden einen „schnellen“ Service zu liefern, dies jedoch nicht in Minuten festlegen.
3. Die Diskrepanz zwischen den Spezifikationen der Dienstleistungsqualität und der tat-
sächlich erstellten Leistung Das Personal könnte schlecht ausgebildet, unfähig oder
nicht willens sein, dem gesetzten Standard zu entsprechen. Oder es könnte nach wider-
sprüchlichen Regeln arbeiten, wie z.B. sich Zeit zu nehmen, um den Kunden zuzuhö-
ren, und sie gleichzeitig schnell bedienen zu müssen.
4. Die Diskrepanz zwischen tatsächlich erstellter Dienstleistung und der an den Kunden
gerichteten Kommunikation Die Werbung und die Präsentationen des Dienstleisters
durch seine Außendienstmitarbeiter beeinflussen die Erwartungen der Kunden. Eine
Hotelbroschüre betont eine große Auswahl an Serviceleistungen und schönen Schlaf-
zimmern, der Gast jedoch findet heraus, dass das ihm zugeteilte Zimmer einfach und
schäbig aussieht, während gerade die Leistung, die er nutzen möchte – der Fitnessraum
– wegen Instandhaltungsarbeiten bis auf Weiteres geschlossen ist. Hier hat die externe
Kommunikation zu hohe Erwartungen beim Kunden geweckt.
5. Die Diskrepanz zwischen Kundenerwartung und -wahrnehmung einer Dienstleistung
Kunden könnten Dienstleistungsqualität falsch wahrnehmen. Zum Beispiel kann die
hilfreiche Bedienung in einem Bekleidungsgeschäft dem Kunden im Laden hinterher-
laufen, um ihn auf die „neuesten Wareneingänge“ hinzuweisen, während sie den Kun-
den ständig fragt, ob sie ihm bei der Auswahl helfen könne. Der Kunde erwartet im
Grunde, in Ruhe gelassen zu werden, während er sich umsieht. Obwohl die Verkäuferin
versucht, Achtsamkeit zu zeigen, wird der Kunde dieses Maß an Aufmerksamkeit als be-
lästigend und ärgerlich empfinden.
Das Ziel des Qualitätsmanagements besteht darin, die beschriebenen Diskrepanzen möglichst
klein zu halten. Besondere Bedeutung kommt hierbei Gap Nummer 5 zu, es resultiert aus den
übrigen Gaps und dient als Messgröße für die Dienstleistungsqualität.
Um eine Erhöhung der Qualität vorzunehmen, muss man als Dienstleistungsanbieter zunächst
herausfinden, welches die wichtigsten Kriterien sind, nach denen die Kunden die Qualität der
Dienstleistung bewerten, welche Erwartungen die Zielgruppe überhaupt hat und wie die Kun-
den die aktuellen Leistungen in Relation zu dem, was sie erwartet haben, bewerten.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Qualitäts-
kriterien
Wissen
Zuverlässigkeit
Sicherheit
Kompetenz Erwartungen an
die angebotene
Kommunikation Dienstleistung
Umfeld Tatsächliche
Inanspruchnahme
der Dienstleistung
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8.4 Services-Marketing
Die von den Kunden geschätzten Eigenschaften „Höflichkeit“ und „Eingehen auf die Wün-
sche des Kunden“ sowie die Fähigkeit, zuverlässig und gleichmäßig gute Dienstleistungen zu
erbringen, können durch internes Marketing und kontinuierliche Investitionen in Schulung
und Training der Mitarbeiter erreicht werden. Der Ruf und die Glaubwürdigkeit des Dienst-
leistungsanbieters und ein empfundenes Risiko des Kunden hängen eng zusammen. Wenn
der Kunde dem Dienstleistungsanbieter Vertrauen entgegenbringt, erwartet er, dass die
Dienstleistung frei von Gefahren ist, und empfindet kaum ein Risiko. Die Glaubwürdigkeit
kann durch Werbung und durch zufriedene Kunden im Laufe der Zeit auf hohem Niveau sta-
bilisiert werden.
Die Erreichbarkeit der Dienstleistung kann durch die Eröffnung weiterer Betriebe oder Filia-
len erleichtert werden (Vermietstationen bei Autovermietungen, Restaurants bei Systemgast-
ronomie, Filialen oder Geldautomaten bei Banken, Tankstellen). Wartezeiten der Kunden
sollten durch die Synchronisation von Angebot und Nachfrage und/oder innerorganisatori-
sche Maßnahmen auf ein Mindestmaß reduziert werden.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
richtig erfassen und in der Folge befriedigen können. Dieses Vorgehen führt zu hoher
Kundentreue. Es wird darauf geachtet, nicht mehr Aufträge anzunehmen, als man wirk-
lich ohne Qualitätsabstriche bewältigen kann. Man weiß, dass man leicht zu viel ver-
sprechen oder zu wenig leisten kann und daraus resultierend schnell unzufriedene Kun-
den haben würde. Marketing und Leistungspotenzial werden daher sorgfältig
aufeinander abgestimmt.
2. Qualitätsverpflichtung der Geschäftsleitung Die Geschäftsleitungen der besten Dienst-
leistungsunternehmen fühlen sich der Qualität ständig verpflichtet. Bei Unternehmen
wie Marks & Spencer, American Express oder McDonald’s prüfen die Vorstände die
Leistung nicht nur anhand von Zahlen, sondern auch anhand der erreichten Qualitäts-
standards. Sie entwickeln eine qualitätsbewusste Unternehmenskultur, welche gute
Leistungen des Personals fördert und honoriert.
3. Hohe Qualitätsstandards Die besten Dienstleistungsunternehmen setzen hohe Quali-
tätsstandards für ihre Dienstleistungen. Eine Genauigkeit von 98 Prozent klingt auf den
ersten Blick gut. 98 Prozent würde jedoch bedeuten, dass Federal Express jeden Tag
64.000 Pakete verlieren würde, dass auf jeder Seite dieses Buchs zehn Wörter falsch ge-
schrieben wären, dass vielleicht jeden Tag in Deutschland 20.000 Arztrezepte falsch
ausgestellt würden und dass an sieben Tagen im Jahr das Trinkwasser nicht in Ordnung
wäre. Wäre das gut? Sicherlich nicht! In vielen Bereichen ist eine Null-Fehler-Quote an-
zustreben.
4. Selbstbedienungstechnologien Serviceunternehmen nutzen Selbstbedienungstechnolo-
gien, um ihre Servicequalität zu verbessern. Selbstständiges Auschecken in Hotels,
Selbst-Check-in auf Flughäfen und das Selbst-Ausdrucken von Tickets im Internet sind
nur einige Beispiele, wie persönliche Interaktionen durch Selbstbedienungstechnolo-
gien ersetzt werden. Immer mehr Fluglinien führen einen mobilen Buchungs- und
Check-in-Service ein. Unternehmen sind jedoch gut beraten, wenn sie ihren Kunden an-
bieten, dass sie Ansprechpartner für weitere Informationen kontaktieren können. So fin-
det sich auf Reise- und Hotelreservierungswebseiten häufig die Telefonnummer eines
Servicemitarbeiters.
5. Monitoring Führende Dienstleistungsunternehmen erfassen ihre Dienstleistungsquali-
tät. Dabei beobachten sie ganz genau ihre eigene und die der Wettbewerber. Sie melden
den Mitarbeitern ihre Bedenken in Bezug auf die Qualität der Leistungserbringung zu-
rück und geben ihnen Feedback. Dabei nutzen sie Methoden wie Mystery Shopping,
also den Einsatz von Testkäufern, Kundenbefragungen, Vorschlagsformulare und Be-
schwerdeprogramme.
6. Beschwerdemanagement Kunden wünschen sich, dass von Anfang an alles stimmt. Im
Gegensatz zu Herstellern von Produkten, die ihre Maschinen und ihr Material so lange
einstellen und optimieren können, bis alles perfekt ist, wird Servicequalität immer in
Abhängigkeit von der Kunden-Mitarbeiter-Interaktion variieren. Auftretende Probleme
und Fehler werden sofort sichtbar. Wenn Unternehmen jedoch auf ihre Kunden einge-
hen, Kritik ernst nehmen und es schaffen, ihren Service unmittelbar und effektiv zu ver-
bessern, können sie Vertrauen und Treue ihrer Kunden zurückgewinnen. Sie müssen
also lernen, nicht nur jederzeit guten Service zu bieten, sondern auch Fehler schnell
wiedergutzumachen, wenn sie doch einmal passiert sind.
Der erste Schritt liegt darin, dem Servicepersonal ausreichend Kompetenzen, Verant-
wortungsgefühl und Anreize zu geben, damit sie die Bedürfnisse und eine eventuelle
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8.4 Services-Marketing
Unzufriedenheit der Kunden erkennen und auf diese eingehen können. Eigenverant-
wortliche Mitarbeiter können so schnell und effektiv handeln, um einer Kundenabwan-
derung durch Serviceprobleme vorzubeugen.
Viele Unternehmen führen ein Beschwerdemanagement ein, um Beschwerden unzufrie-
dener Kunden zu erleichtern und diese optimal zu bearbeiten. Studien zur Kundenun-
zufriedenheit zeigen, dass ungefähr 25 Prozent der Kunden unzufrieden sind, sich aber
nur 5 Prozent tatsächlich beschweren. Die restlichen glauben entweder, dass sich die
Mühe, sich zu beschweren, nicht lohnt, oder wissen nicht, an wen sie sich wenden kön-
nen. Da nur eine Minderheit der unzufriedenen Kunden ihre Probleme von sich aus mit-
teilt, sollten Unternehmen selbst die Initiative ergreifen und das Gespräch mit ent-
täuschten Kunden suchen. Kommunikationskanäle sollten bekannt sein, um den
Kunden ein einfaches Feedback zu ermöglichen. Heutzutage haben Kunden viele Mög-
lichkeiten, ihre Beschwerden loszuwerden, durch persönlichen Kontakt, über Telefon,
per Brief oder per E-Mail. Einige benutzen auch Blogeinträge, Foren oder Onlinenetz-
werke, um ihre schlechten Service-Erfahrungen publik zu machen. Dies kann das Image
eines Dienstleisters nachhaltig schädigen. Unternehmen brauchen daher Richtlinien,
Systeme und Verfahren, die im Fall einer Beschwerde ein hohes Maß an Kundenservice
und -freundlichkeit sicherstellen.
Wichtig ist auch, dass eine dienstleistungsorientierte Organisation eine Kultur entwi-
ckelt, in der unbeabsichtigte „Fehler“ nicht bestraft werden. Stattdessen sollten die Mit-
arbeiter ermutigt werden, Beschwerden auf den Grund zu gehen, Fehlerquellen zu be-
seitigen und daraus zu lernen.
7. Zufriedenheit von Mitarbeitern und Kunden Gut geführte Dienstleistungsanbieter be-
mühen sich nicht nur um ihre Kunden, sondern auch um ihre Mitarbeiter. Sie sind der
Überzeugung, dass gute Beziehungen zu den Mitarbeitern gute Beziehungen zu den
Kunden zur Folge haben. Ungeachtet dessen, welche Dienstleistung angeboten werden
soll, ist es wichtig, dass die Geschäftsleitung die Aufgaben und Ziele klar definiert und
zuerst den Mitarbeitern erläutert. Erst dann sollte den Kunden über das Marketing mit-
geteilt werden, welche Leistung sie zu erwarten haben. In einem Dienstleistungsunter-
nehmen sollte ein Umfeld bestehen, in dem herausragende Leistungen erkannt und be-
lohnt werden, in dem die Mitarbeiter gerne arbeiten und die Geschäftsleitung ein
harmonisches Miteinander unterstützt.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
8.5 Markenmanagement
Starke Marken stellen für Unternehmen einen Wert dar, der oftmals höher ist als der ihrer
Grundstücke, Gebäude oder Anlagen. Dieser Wert resultiert aus der Loyalität der Kunden. In
der Praxis bedeutet das, dass ein großer Anteil der regelmäßigen Käuferschaft immer wieder
diese Marke verlangt und Ersatzmarken ablehnt, auch wenn die konkurrierenden Produkte
etwas günstiger zu kaufen sind. Anbieter, denen es gelingt, für ihre Marken eine starke Käu-
ferbindung aufzubauen, schaffen damit einen Schutzwall gegen die Marketingstrategien der
Konkurrenz. Da Marken einen so elementaren Vermögenswert darstellen, müssen sie mit
Bedacht entwickelt und geführt werden. In diesem Abschnitt untersuchen wir Schlüsselstra-
tegien für das Branding – den Aufbau und die Führung von Marken.
8.5.1 Markenwert
Marken sind mehr als nur Namen und Symbole. Sie sind ein Schlüsselelement in der Bezie-
hung eines Unternehmens mit seinen Kunden und repräsentieren deren Wahrnehmungen
und Gefühle bezüglich Produkten und ihrer Leistungsfähigkeit.
Eine starke Marke hat einen hohen Markenwert. Der Markenwert ist der entscheidende
Effekt, den die Marke auf die Resonanz der Kunden gegenüber einem Produkt und seinem
Marketing hat. Er ist ein Maß für die Fähigkeit einer Marke, bei der Zielgruppe Kaufpräferenz
und Loyalität hervorzurufen. Eine Marke hat einen positiven Markenwert, wenn Konsumen-
ten auf diese Marke wohlwollender reagieren als auf eine Gattungsmarke oder ein anonymes
Produkt. Demgegenüber hat die Marke einen negativen Markenwert, wenn Konsumenten das
anonyme Produkt dem Markenprodukt vorziehen.
424
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8.5 Markenmanagement
Marken unterscheiden sich jedoch in hohem Maße bezüglich ihrer Stärke und des Werts, den
sie am Markt haben. Es gibt Marken, die die meisten Verbraucher und Kaufinteressenten
nicht einmal kennen, solche mit ziemlich hohem Bekanntheitsgrad bei den Verbrauchern,
und dann gibt es noch solche Marken wie Ferrari, Chanel oder The Ritz, für die bei vielen
Verbrauchern absolute Markenpräferenz besteht.
Manche Marken – zum Beispiel Coca-Cola, Nike, Disney, GE, McDonald’s, Harley-Davidson
– werden überlebensgroß in der Vorstellung der Kunden und halten diese Vorstellung über
Jahre, manchmal über Generationen am Leben. Andere Marken sind wie ein frischer Wind
im Markt und erzeugen Begeisterung und Loyalität. Beispielhaft dafür sind Marken wie Goo-
gle, YouTube, Apple, eBay, Twitter und Wikipedia. Diese Marken stechen nicht nur durch
einmalige Vorteile und zuverlässigen Service heraus, vielmehr schaffen sie tiefe Beziehungen
zu den Kunden.
Die Werbeagentur Young & Rubicam misst Marktstärke anhand von vier Dimensionen:
1. Differenzierung: Was macht die Marke besonders?
2. Relevanz: Wie bedient die Marke den Bedarf des Kunden?
3. Wissen: Wie informiert sind die Kunden über die Marke?
4. Ansehen: Welches Ansehen genießt die Marke beim Kunden?
Ein hoher Markenwert besteht, wenn die Marke in allen vier Dimensionen hohe Wertungen
erzielt. Eine Marke muss hervorstechen, sonst gibt es keinen Grund bei der Marke zu bleiben.
Die Marke muss die Bedürfnisse des Kunden decken, denn selbst wenn sie heraussticht, wird
sie nicht nachgefragt, wenn sie dem Kunden nichts nützt. Aber auch eine herausstechende
Marke, welche die Kundenwünsche perfekt bedient, ist nicht unbedingt ein Sieger, denn die
Kunden müssen zunächst wissen, dass es die Marke überhaupt gibt und was sie bedeutet.
Diese Bekanntheit muss schließlich zu einem bleibenden positiven Ansehen beim Kunden
führen und starke Markenloyalität generieren.
Eine Möglichkeit, den Markenwert zu messen, besteht in der Bestimmung des Mehrpreises,
den Konsumenten für eine Marke zu zahlen bereit sind. In einer Studie hat man herausgefun-
den, dass 72 Prozent der Probanden 20 Prozent Aufpreis für ihre Lieblingsmarke zahlen wür-
den, 40 Prozent würden sogar 50 Prozent mehr zahlen. Unternehmen streben danach, den
Wert ihrer Marken in monetären Größen auszudrücken. Eine genaue Messung des Marken-
werts gestaltet sich jedoch schwierig. Nichtsdestotrotz existieren Rankings mit Markenwer-
ten, wie z.B. von Interbrand. Das nachfolgende Marketing-Highlight zeigt daraus die 20 wert-
vollsten Marken der Welt.
Da eine exakte Messung so schwierig ist, wird der Kapitalwert einer Marke normalerweise
nicht in der Bilanz angesetzt. Doch obwohl eine Bilanzierung des Markenwerts große Prob-
leme bereitet, zwingen Rechnungslegungsstandards (z.B. UK Financial Reporting Standard,
FRS 10 und sein internationales Äquivalent IAS 38) Unternehmen dazu, zugekaufte Marken
in ihren Bilanzen als Aktivposten auszuweisen.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Es sind nicht zuletzt die hohen Investitionen in den Aufbau und die Führung von Mar-
ken, die die Frage nach dem Wert einer Marke aufwerfen. Dieser Wertunterschied, der
zwischen einem Produkt mit einem bestimmten Markennamen oder Logo und einem
physikalisch-technisch gleichen Produkt ohne diese Markierung wahrgenommen wird,
lässt sich jedoch nur schwer greifen. Annäherungen liefern Markenwertberechnungen,
die teilweise jährlich von Marktforschungsunternehmen wie z.B. Interbrand erstellt
werden. Die unterschiedlichen Rankings basieren auf verschiedenen Modellen zur Mes-
sung des Markenwerts und führen damit zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Tabelle 8.7 zeigt die 20 wertvollsten Marken der Welt anhand des Rankings von Interbrand.
426
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8.5 Markenmanagement
8.5.2 Markenführung
Die Markenführung erfordert eine Reihe grundlegender strategischer Entscheidungen. Diese
sind aus Abbildung 8.11 ersichtlich.
Markenpositionierung
Eine Marke muss in den Köpfen der Zielkunden bezüglich der folgenden Dimensionen klar
positioniert sein.
Produkteigenschaften werden als Erstes mit einer Marke assoziiert. Wer zum Beispiel den
Namen Mercedes hört, denkt an Eigenschaften wie ,gut durchdacht‘, ,sorgfältig gebaut‘, ,dau-
erhaft und langlebig‘, ,prestigeträchtig‘, ,schnell und sicher‘, ,teuer‘ und ,hoher Wiederver-
kaufswert‘. Das Unternehmen kann eine oder mehrere dieser Produkteigenschaften für die
Werbung des Produkts nutzen. Mercedes-Benz hatte lange Zeit den Slogan „konstruiert wie
kein anderes Auto der Welt“, Audi weist mit „Vorsprung durch Technik“ auf seine Stärken
hin. Aufbauend auf solch zentralen Botschaften lassen sich weitere Produkteigenschaften
kommunizieren.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Nutzen des Produkts Kunden kaufen nicht Produkteigenschaften, sie kaufen Nutzen. Aus
diesem Grund müssen die vorhandenen Produkteigenschaften übersetzt werden in funktio-
nale und emotionale Nutzenbestandteile.
Wertvorstellungen Bei Autos von Audi, BMW oder Mercedes sind Leistung, Sicherheit und
Prestige wichtige Werte. Seit einigen Jahren gewinnt zusätzlich die Umweltverträglichkeit an
Bedeutung. Wer eine Werbekampagne starten möchte, sollte die Gruppe der Kaufinteressen-
ten genau identifizieren, damit deren Wertvorstellungen mit dem durch das Produkt geliefer-
ten Nutzenbündel übereinstimmen.
Kultur Eine Marke verkörpert auch immer eine bestimmte Kultur. Die Marke Mercedes reprä-
sentiert die „Deutsche Kultur“, die für hohe Leistung, Effizienz und hohe Qualität steht.
Persönlichkeit Eine Marke stellt auch eine Persönlichkeitsprojektion dar. Marktforscher stel-
len Konsumenten z.B. folgende Frage: „Wenn die Marke XY eine Person wäre, welche Art
von Person wäre sie dann?“ Konsumenten stellen sich Mercedes beispielsweise als wohlha-
benden Geschäftsmann mittleren Alters vor. Die Marke wird vor allem diese Käufer anzie-
hen, deren momentanes oder angestrebtes Selbstbild dem Ansehen und Image der Marke ent-
spricht.
Aus all dem geht hervor, dass die Marke als umfassendes Symbol für das steht, was Herstel-
ler oder Anbieter und Produkt für den Käufer und Nutzer in Bezug auf Funktion, Nutzen,
Wert und Persönlichkeit darstellen wollen. Wenn ein Unternehmen seine Marke nur als
Namen verwendet, nutzt es nicht alle Chancen, die die Markenführung bietet. Ihre Aufgabe
und Herausforderung besteht vielmehr darin, ein positives und umfassendes Meinungsbild
über das Produkt und den Anbieter entstehen zu lassen und es in den Köpfen der Kaufinter-
essenten zu verankern.
Die Markenidentität kann auf verschiedenen Teilbereichen aufgebaut werden. Es wäre ein
Versäumnis, sie nur auf den Eigenschaften des Produkts zu begründen. Den Käufer interes-
sieren die Produkteigenschaften nur insoweit, wie sie für ihn real einen Nutzen bieten. Darü-
ber hinaus können Produkteigenschaften von allen Konkurrenten leicht imitiert werden. Pro-
dukteigenschaften, die heute wichtig sind, verlieren möglicherweise im Laufe der Zeit an
Bedeutung und schaden damit einer Marke, wenn diese zu sehr an bestimmte Eigenschaften
geknüpft ist.
Auf Dauer kann es sich auch als riskant erweisen, die Marke zu stark über ein Nutzenver-
sprechen zu definieren. Wenn eine Automarke sich lange über die Aussage „Mit unseren
Autos können Sie besonders schnell fahren“ definiert hat, gerät sie in Bedrängnis, sobald
andere Marken mit dieser Eigenschaft nachziehen oder sobald die Eigenschaft „hohe
Geschwindigkeit“ bei den Käufern beispielsweise durch gesetzgeberische Eingriffe wie
Richt- oder Höchstgeschwindigkeiten an Bedeutung verliert. Eine Marke sollte nicht aus-
schließlich auf einer einzigen Nutzendimension aufgebaut werden. Es muss die Freiheit
bestehen, dass sie bei neuen Bewertungen und Gewichtungen auf andere Nutzenfunktionen
ausgerichtet werden kann.
Erfolgreiche Marken binden ihre Kunden auf einer tiefen emotionalen Ebene ein. Die Werbe-
agentur Saatchi & Saatchi schlägt vor, dass Marken einen Status als sogenannte Lovemarks
erreichen – Produkte oder Dienste, die „Kundentreue jenseits jeder Vernunft“ erzeugen.
Lovemark-Marken treffen emotional ins Schwarze. Kunden lieben sie nicht nur, sie haben
eine starke emotionale Bindung und ihre Liebe ist bedingungslos. 39 Marken wie BMW’s
Mini, Aston Martin, Alexander McQueen, Jack Wills und Agent Provocateur sind weniger
von den greifbaren Eigenschaften der Produkte abhängig, sondern von Überraschungseffek-
428
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8.5 Markenmanagement
ten, Leidenschaft und Spannung rund um die Marke – sie haben allesamt die Anerkennung
als „coole Marke“ erlangt.6 Einige Marken richten sich z.B. an das „Innere Kind“ – jene
Zuneigung, die Erwachsene auch Kindern entgegenbringen. Marken, die unsere nostalgische
Ader ansprechen, bewegen sich in einem Balanceakt zwischen drei Anspruchsgruppen: mar-
kentreue Kunden, Verbraucher, die sich abgewendet haben, und die, die es noch tun werden.
Die Anziehung einer solchen Marke ist stark in schwierigen Zeiten oder in bestimmten
Lebensphasen wie z.B. Elternschaft, in denen Menschen sich wieder an ihre eigene Kindheit
erinnert fühlen.
Letztendlich ist die Marke das Versprechen eines Unternehmens, seinen Käufern ein
bestimmtes Bündel an Eigenschaften, Nutzenbestandteilen, Dienstleistungen und Erlebnis-
sen konsistent zu liefern. Sie kann als eine Art Vertrag für den Kunden gesehen werden,
inwiefern das Produkt oder der Service ihm Nutzen und Zufriedenheit stiften wird. Das Mar-
kenversprechen muss einfach und ehrlich sein. B&B-Hotels bietet zum Beispiel saubere Zim-
mer und niedrige Preise an, aber sicher keine hochwertigen Möbel oder geräumige Badezim-
mer. Ritz-Carlton bietet im Gegensatz dazu Luxus-Zimmer und ein wahrlich unvergessliches
Erlebnis, verspricht aber auch keine Niedrigpreise.
Aber nicht nur Produkte und Dienstleistungen können als Marke aufgebaut werden. Auch
Nationen verfügen über ein bestimmtes Image, das sie mehr oder weniger bewusst steuern.
Der folgende Exkurs zeigt das Ergebnis einer Meinungsumfrage zum Image von Nationen.
Einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung in den USA (GfK Custom Research
North America) zufolge genießt Deutschland das beste Nationenimage weltweit.
Gemeinsam mit Professor Simon Anholt, einem Experten für Länder-, Regionen- und
Städte-Branding, hat die GfK 2005 erstmals den „Nation Brand Index“ (NBI) erhoben,
der das Image der Nationen – vergleichbar mit dem Image einer kommerziellen Marke –
ermittelt. Der Index basiert auf einer Meinungsumfrage unter 20.000 Menschen in 20
Industriestaaten sowie Entwicklungsländern und misst das Image von 50 Ländern unter
den Gesichtspunkten Export, Regierung, Kultur, Menschen, Tourismus und Immigra-
tion/Investment. Die Gesamtbewertung ergibt sich aus dem Durchschnitt dieser sechs
Kategorien, zusätzlich wurde zu jedem einzelnen Bereich ein Ranking erstellt. Auf den
Plätzen hinter Deutschland folgen Frankreich, Großbritannien, ex aequo Kanada und
Japan. Zwar war Deutschland im Jahr 2016 kurzfristig auf Platz 2 hinter die USA gefal-
len, doch konnte es aufgrund bester Bewertungen in der überwiegenden Anzahl der
Subkategorien erneut die Spitzenposition einnehmen. Die USA fiel in der aktuellen
Bewertung 2017 vom vorjährigen ersten Platz gar zurück auf Platz 6. Professor Anholt
führt dies auf die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten zurück, da sich dessen Poli-
tik des „America First“ negativ auf die Wahrnehmung der USA von außen auswirke.
Unter den ersten 10 Plätzen befinden sich insgesamt 6 europäische Staaten.
6 Cool Brands, Sunday Times Supplement, 24. September 2006; Burt Helm, „For your eyes only“, Bu-
sinessWeek, 31. Juli 2006, S. 66.
429
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Mit dem NBI wurde erstmals wissenschaftlich dokumentiert, wie ein Land weltweit
wahrgenommen wird. Er lässt unter den ersten 10 Ländern einen starken Zusammen-
hang zwischen der Marke „Nation“ und dem ökonomischen Status des Landes erken-
nen, so die GfK.
Markenname
Eine der wichtigsten Entscheidungen im Marketingprozess ist die Wahl eines Markenna-
mens. Ein einprägsamer Name, der dazu noch Sympathien weckt, kann viel zum Erfolg eines
Produkts beitragen. Sich für einen Markennamen zu entscheiden ist eine schwierige Auf-
gabe. Für die Auswahl müssen noch einmal alle Überlegungen zum Produkt und seinem
Nutzen, zum Zielmarkt und zu den geplanten Marketingstrategien nachvollzogen werden.
An einen Markennamen werden folgende Anforderungen gestellt:
Der Name sollte an den Nutzen und die Vorteile des Produkts erinnern. Im Englischen
denkt man zum Beispiel bei dem Markennamen Kleenex an Sauberkeit (clean = sauber)
und bei Oasis (ein Fruchtsaftgetränk) an eine Oase.
Der Name sollte leicht auszusprechen und zu erkennen sein, und die Erinnerung an ihn
leichtfallen. Viele Markennamen entsprechen dieser Anforderung: Persil, Dove, Der Gene-
ral, iPod, Landliebe, Audi, BMW, Mercedes. Auch längere Namen können durchaus die-
sen Bedingungen entsprechen, wie z.B. Kentucky Fried Chicken.
Wenn möglich, sollte der Name eine gewisse Einzigartigkeit aufweisen: Google, Shell, Vir-
gin.
Soweit Auslandsmärkte bedient werden, sollte der Name einfach und sinnvoll übersetzt
werden können. Vor der Einführung des Namens „Exxon“ für die US-Mineralölgesell-
schaft wurde die Übertragbarkeit in die wichtigsten Sprachen getestet. Unglücklich dage-
gen verlief die Markteinführung von Coca-Cola in China. Für die Übersetzung des Pro-
duktnamens standen rund 200 chinesische Schriftzeichen zur Verfügung. Durch eine
falsche Kombination dieser Zeichen ergab sich jedoch die Bedeutung ,,Stute aus Wachs“.
Diesen Fehler korrigierte Coca-Cola und wählte als chinesisches Pendant „ke kou ke le“,
das nicht nur lautlich dem Original ähnelt, sondern auch noch „gut für den Mund, gut für
die Freude“ bedeutet und somit alle Kriterien einer optimalen Übertragung erfüllt.
430
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8.5 Markenmanagement
Es sollte möglich und zulässig sein, den Markennamen als Warenzeichen zu registrieren
und zu schützen. Die US-Brauerei Miller investierte große Beträge, um ihre Marke „Miller-
Lite“ für kalorienarmes Bier einzuführen. Ein Gericht entschied dann, dass „Light“ bezie-
hungsweise „Lite“ allgemein verwendbare Begriffe sind, die jedermann zugänglich sind
und nicht als Exklusivrecht eines Einzelnen geschützt werden dürfen. Rolls-Royce hinge-
gen wehrt sich zumeist erfolgreich gegen Unternehmen, die etwa ihr Toilettenpapier oder
ihren Nachtclub als „Rolls-Royce“ der jeweiligen Produktkategorie bezeichnen wollen.
Den Markennamen sollte man auf andere Produkte ausweiten können. Amazon.com begann
als Onlinebuchladen und wählte einen Namen, der sich auch auf andere Felder ausweiten
ließ.
Die Marken vieler erfolgreicher Produkte sind in der täglichen Umgangssprache zu Gattungs-
namen geworden, welche die ganze Produktkategorie einschließlich der Produkte der Kon-
kurrenten umfassen.
Marke Gattung
Aspirin Schmerztablette
Labello Lippenpflegestift
Pampers Babywindeln
Post-It Haftnotizzettel
Tempo Papiertaschentuch
Tesa durchsichtiger Klebefilm
Tipp-Ex Korrekturflüssigkeit
Uhu flüssiger Klebstoff
Zewa Küchenrolle
Tabelle 8.9: Beispiele für Marken, die eine Produktkategorie repräsentieren
Markeneigner
Für einen Hersteller bestehen vier Möglichkeiten, für sein Produkt eine Marke aufzubauen.
Das Produkt wird als Herstellermarke angeboten. Beispiele hierfür sind Nestlé, IBM oder
die Automobilhersteller.
Der Hersteller beliefert Wiederverkäufer, die dem Produkt eine Marke ihrer Organisation,
eine sogenannte Eigenmarke des Handels oder Handelsmarke geben.
Der Hersteller übernimmt als Lizenzmarke eine fremde Marke, die auf anderen Märkten
schon erfolgreich ist.
Hersteller können auch ihre Kräfte bündeln und eine gemeinsame Marke als Co-Brand
anbieten.
Herstellermarken oder Eigenmarken des Handels Viele Hersteller erfolgreicher Produkte
bieten einen Teil ihrer Produktion den Handelsketten an. Dabei ist es die Regel, dass die
Anlieferung der Ware verkaufsfertig mit Etikettierung und Verpackung der Handelsmarke
erfolgt. Häufig ist der Hersteller auf den ersten Blick nicht zu erkennen.
431
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Heute haben fast alle großen Handelsketten ihre eigenen Handelsmarken aufgebaut. Solche
Eigenmarken müssen den Kunden zunächst durch Werbung bekannt gemacht werden und
benötigen zusätzliche Lagerflächen und Regalplatz, trotzdem sind sie in der Regel für den
Handel gewinnbringend. Sie bieten ihm die Möglichkeit, Marken zu etablieren, die die Kun-
den nur bei ihm selbst kaufen können, dies zieht die Verbraucher in die eigenen Geschäfte
und erhöht deren Loyalität. Aufgrund ihrer Branchenerfahrung wissen große Handelsketten
außerdem oft, welche Hersteller gerade Überkapazitäten haben und bereit sind, ihre Pro-
dukte auch zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen, der dem Handel dann wieder größere
Gewinnspannen ermöglicht.
Es gibt genügend Beispiele dafür, dass der Handel Eigenmarken erfolgreich positionieren
konnte.
Die Auseinandersetzung zwischen den Herstellern und dem Handel wird gelegentlich auch
der Kampf der Marken genannt. Der Handel hat in diesem Kampf eine starke Position, denn
er hat die Verfügungsgewalt über den knappen Platz in den Verkaufsregalen. Er verlangt in
vielen Ländern Abgaben oder Mehrlieferungen, wenn bestimmten Produkten Raum in den
Regalen eingeräumt wird. Wenn der Handel Eigenmarken im Sortiment hat, kann er diesen
bevorzugte Regalplätze zuweisen und sie besser bevorraten. Die Preise der Handelsmarken
werden knapp unter den Preisen der anderen Anbieter angesetzt, um damit die preissensible-
ren Verbraucher anzusprechen.
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8.5 Markenmanagement
Im Ergebnis geht dadurch die Dominanz der Herstellermarken etwas zurück. Die Verbraucher
sehen immer größere Ähnlichkeiten zwischen den Marken, da die konkurrierenden Herstel-
ler und Händler die Eigenschaften der besten Marken zu kopieren versuchen. Weil die Eigen-
marken des Handels in der Qualität stetig verbessert wurden und weil die Verbraucher Ver-
trauen in diese Marken gewonnen haben, sind die Eigenmarken des Handels zu einer großen
Herausforderung für jene der Hersteller geworden. Es gibt Prognosen, dass die Eigenmarken
des Handels viele Marken verdrängen und sich nur die stärksten Herstellermarken behaup-
ten werden.
Damit sie gegen die Handelsmarken bestehen, investieren die Hersteller viel in Forschung
und Entwicklung, um innovative Produkte, neue Produkteigenschaften oder eine höhere
Qualität zu erreichen. Sie versuchen, durch verstärkte Kommunikationsmaßnahmen
Bekanntheit und Präferenzen zu schaffen und den Handel durch die Optimierung der Logis-
tikkette zu unterstützen.
Lizenzierung Während viele Hersteller bemüht sind, ihren eigenen Produkten einen Platz am
Markt zu verschaffen, sind parallel Lizenzvergabe beziehungsweise Lizenzerwerb für Mar-
kenprodukte weit verbreitet. Dies ist meistens eine Möglichkeit, Zugriff auf eine erfolgreiche
Marke zu bekommen, denn der Aufbau einer eigenen Marke ist sehr teuer und dauert in der
Regel Jahre, wohingegen die Produktion mit einer Lizenz sofort gestartet werden kann. Bei
Modeprodukten oder Parfüms werden hohe Lizenzgebühren bezahlt, um sich letztlich mit
dem Lizenzprodukt an den Erfolg des ursprünglichen Produkts oder seines Schöpfers anzu-
hängen (Beispiele: Calvin Klein, Gucci, Tommy Hilfiger, Giorgio Armani). Die Hersteller von
Produkten für Kinder und von Schulartikeln bewerben sich oft um Lizenzen bekannter Kin-
deridole wie Mickey Mouse, die Peanuts, Barbie, Familie Feuerstein, Puh der Bär oder die
Simpsons, oder in neuerer Zeit auch Harry Potter und die Pokémon-Figuren.
Lizenzierung von Markenrechten Den am schnellsten wachsenden Bereich der Lizenzierung
stellt die Vergabe von Markenrechten an einem Unternehmensnamen für andere Pro-
duktgruppen dar. Beispiele hierfür sind Unterwäsche, Badebekleidung und Einrichtungsge-
genstände von Cosmopolitan, Sonnenbrillen und Uhren von Porsche, Rasierwasser und Her-
renkosmetik von Adidas. Besonders vielseitig und erfolgreich war hier Coca-Cola: Es wurden
weltweit Lizenzvereinbarungen für mehr als 10.000 Produkte getroffen, darunter Badetücher,
Radios, T-Shirts, Regenjacken und Wecker. Neben zusätzlichen Einkommensströmen sorgte
dies für eine Unterstützung der unternehmenseigenen Markenführung. Inzwischen beteiligt
sich selbst der Vatikan an diesem Geschäft: Bilder aus der Kunstsammlung, Architekturfotos,
Fresken und historische Manuskripte finden sich inzwischen auf solch irdischen Objekten
wie T-Shirts, Krawatten, Gläsern und Porzellan.
Co-Branding Obwohl Unternehmen schon seit langer Zeit Produkte gemeinsam vermarkten,
lässt sich ein Wiederaufleben dieser Art von Markenführung erkennen. Co-Branding ist eine
Markenpartnerschaft, in der zwei etablierte Markennamen von unterschiedlichen Unterneh-
men für das gleiche Produkt genutzt werden. Ziel der Unternehmen ist der wechselseitige
positive Imagetransfer einer Marke auf die Partnermarke. Beispiele sind Eis von Mövenpick
und Schöller, die Kaffeemaschine Senseo von Philips und Douwe Egberts, die FC Bayern
MasterCard der HypoVereinsbank oder das Mobiltelefon Prada by LG. Co-Branding kann
jedoch auch zwischen zwei Marken eines Herstellers betrieben werden, wie das Beispiel des
Rasierapparates Gillette Mach 3 Power zeigt, der mit Batterien von Duracell geliefert wird,
beides Marken von Procter & Gamble.
Co-Branding bietet viele Vorteile. Da jede Marke in einer anderen Kategorie dominiert, kann
die vereinigte Marke einen breiteren Kaufanreiz bieten, hohe Produktqualität signalisieren und
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
den Markenwert erhöhen. Co-Branding erlaubt es Unternehmen, mit geringeren Risiken oder
Investitionen in einen neuen Markt einzutreten. Man verspricht sich Synergien durch die
gemeinsame Nutzung vorhandenen Wissens über den Markt und durch gemeinsame Werbung.
Co-Branding hat jedoch auch Grenzen. Wählt ein Unternehmen den falschen Partner oder
erleidet dieser einen Rückschlag oder Imageverlust, wirkt sich dies durch die enge Verbin-
dung auch auf das eigene Unternehmen aus. Zusätzlich erfordert ein solcher Interessenver-
band komplexe Vertragsstrukturen und Lizenzvereinbarungen. Die Markenpartner müssen
sich eng in Bezug auf Werbung, Verkaufsförderung und sonstige Marketingaktivitäten abstim-
men. Unabdingbar ist das Vertrauen jedes Unternehmens, dass der Partner gut auf die eigene
Marke achten wird.
Markenentwicklung
Ein Unternehmen hat vier Möglichkeiten der Entwicklung von Marken (siehe Abbildung 8.12):
1. Produktlinienausweitung: Ausweitung einer Produktlinie unter gleicher Marke
2. Markenausweitung: Übertragung einer Marke auf eine neue Produktkategorie
3. Mehrmarkenstrategie: mehrere Marken für eine Produktkategorie
4. Einführung einer neuen Marke: eine neue Marke in einer neuen Produktkategorie
Produktkategorie
Bestehende Neue
Erweiterung der
Bestehender Markenerweiterung
Produktlinie
Markenname
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8.5 Markenmanagement
oder Frustration sorgen. Wenn früher jemand „eine Cola“ verlangte, war für Käufer und Ver-
käufer klar, dass eine kleine Flasche Coca-Cola über den Ladentisch gehen sollte. Heute
könnte, wenn der Kunde nicht von sich aus genauer spezifiziert, der Verkäufer nachfragen:
„Hätten Sie gerne eine Flasche oder eine Dose? Möchten Sie Coke zero, ganz ohne Zucker,
aber mit dem typischen Coca-Cola-Geschmack, oder bevorzugen Sie die kalorienarme Coke
light? Bevorzugen Sie Ihre Coke light koffeinfrei oder mit dem Zusatz von Green Tea oder
Lemon C? Oder möchten Sie die klassische Coca-Cola? Wenn ja, ganz klassisch oder mit
Vanille- oder Kirschgeschmack?“ Alle diese Produkte sind Ergänzungen der Produktlinie
Coca-Cola. Der einfache Ausruf „Eine Cola, bitte!“ reicht nicht mehr zur Bestellung aus.
Ein weiteres Risiko ist, dass viele Ergänzungen einer Produktlinie nicht genug Umsatz brin-
gen, um ihre Entwicklung und die spezifische Werbung finanzieren zu können. Wenn sie
sich gut verkaufen, geht dies häufig zulasten anderer Varianten der Produktlinie. Die Ergän-
zung einer Produktlinie funktioniert dann am besten, wenn sie den Produkten der Konkur-
renz Absatz wegnimmt und nicht die anderen Produkte des eigenen Hauses ,,kannibalisiert“.
Markenausweitung Eine Markenausweitung ist der Versuch, einen erfolgreichen Markenna-
men auf Produkte in einer neuen Produktkategorie zu übertragen. Swatch, mit Uhren erfolg-
reich, übertrug den Markennamen auf Telefone. Victorinox übertrug seinen Markennamen
von den Schweizer Offiziersmessern auf Küchenmesser, Uhren, Gepäck und Kleidung.
Eine Markenausweitung bringt Vorteile mit sich. Ein anerkannter Markenname erleichtert
dem Hersteller den Einstieg in neue Produktkategorien, führt zu sofortiger Wiedererkennung
und hoher Aufnahmebereitschaft des Markts. Der japanische Anbieter Sony gibt fast jedem
neuen Produkt seine Marke und erreicht damit einen sofort wirksamen Eindruck hoher Qua-
lität und dadurch schnellere Akzeptanz für das neue Produkt. Eine Markenausweitung
erspart auch die hohen Werbeaufwendungen, die normalerweise erforderlich sind, um eine
neue Marke aufzubauen.
Trotzdem ist auch die Markenausweitung nicht ohne Risiko. Nicht alle Marken lassen sich
übertragen. Bic, als Hersteller von Rasierapparaten und Kugelschreibern bekannt, hatte mit
Strumpfhosen der Marke „Bic“ keinen Erfolg. Was würde man vielleicht denken, wenn auf
einmal Ravioli und Fertiggerichte der Marken Whiskas oder Chappi in den Regalen stünden?
Eine Markenausweitung ist in der Regel nicht auf weit entfernte Produktkategorien möglich
oder auf solche, deren Anforderungen ganz anders gelagert sind als die der ursprünglichen
Produktkategorie. Die Ausweitung der Marke Palmolive von einer pflegenden Seife auf ein
hautpflegendes Geschirrspülmittel war möglich und hatte Erfolg.
Ein Markenname kann auch seine spezielle Positionierung verlieren, wenn er zu viel und zu
breit benutzt wird. Eine solche Markenverwischung tritt ein, wenn die Verbraucher einen
Markennamen nicht mehr einem bestimmten Produkt oder einer zusammenhängenden Pro-
duktgruppe zuordnen können.
Im schlimmsten Fall kann eine Markenausweitung die Wertassoziationen des ursprünglichen
Produkts beschädigen. Schrille Werbung für jugendliche Käufer kann treue Käufer der älte-
ren Generation verunsichern. Eine Ausweitung einer bestehenden Marke auf ein neues Käu-
fersegment oder eine neue Produktgruppe erfordert deshalb viel Fingerspitzengefühl. Im Ide-
alfall stärkt die Markenausweitung die Marke als Begriff und fördert den Absatz des
existierenden ebenso wie den Absatz des neu einzuführenden Produkts.
Mehrmarkenstrategie Unternehmen wie Henkel, Unilever, Mars oder Procter & Gamble
haben viele unterschiedliche Markenidentitäten für jede ihrer Produktlinien. Der Name des
Unternehmens tritt dabei in vielen Fällen kaum in Erscheinung. Diese Hersteller sind der
435
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Ansicht, dass erst mit einer Vielzahl von Marken eine ausreichende Segmentierung des
Markts vorgenommen werden kann, um damit die Nutzenerwartungen der unterschiedlichen
Käufer gezielt anzusprechen. Auch neue Produkte können gezielter in Anlehnung an die
unterschiedlichen Marken differenziert werden. Sollte ein neues Produkt einmal nicht
erfolgreich sein, wird dabei nicht der Name des Gesamtunternehmens als Marke in Mitlei-
denschaft gezogen. Unternehmen können neue Marken einführen, um ihre wichtigste Marke
zu flankieren.
Seiko benutzt beispielsweise verschiedene Markennamen für seine höherwertigen Armband-
uhren (Seiko Lasalle) und seine preisgünstigeren Uhren (Pulsar), um das Image seiner Haupt-
marke Seiko zu schützen. Zudem schaffen Unternehmen wie Unilever, Nestlé, Masterfoods
und Procter & Gamble für jedes ihrer Produkte individuelle Markenidentitäten. So verfügt
Unilever mit Coral und Sunil über unterschiedliche Marken für Waschmittel – wobei der
Unternehmensname auf der Packung allenfalls als Absender erscheint. Auch Procter & Gam-
ble verkauft Waschmittel unter verschiedenen Marken wie Ariel, Dash oder Meister Proper.
Einige Unternehmen entwickeln eine Mehrmarkenstrategie nicht für individuelle Produkte,
sondern für verschiedene Produktfamilien. Die japanische Matsushita-Gruppe unterhält die
Marken Technics, National, Panasonic und Quasar. Beiersdorf führt NIVEA als Marke für
eine Körperpflege-Serie, Tesa für Klebefilm- und Klebstoffprodukte.
Eine Gefahr der Mehrmarkenstrategie besteht darin, dass man sich verzettelt und seine Res-
sourcen auf zu viele Marken verteilt. Sind die anvisierten Marktsegmente zu klein, so lassen
sie sich häufig nicht mehr profitabel bearbeiten. Diese Unternehmen sollten die Anzahl der
angebotenen Marken einer bestimmten Kategorie reduzieren und Prüfverfahren für neue
Marken straffen. Anfang der 2000er-Jahre kürzte Unilever sein Markenportfolio von 1.600 auf
400 Markennamen mit dem Ziel, die durch die Kostensenkung erzielten Einsparungen für
die Bewerbung der hocheinträglichen Kernmarken zu verwenden. Das Unternehmen konzen-
triert sich seitdem auf die Kernmarken in den Bereichen Lebensmittel (z.B. Ben & Jerry’s, Lip-
ton Teas), Körperpflege (z.B. Dove, Lynx) und Haushalt (z.B. Persil, Comfort).
Einführung einer neuen Marke Unternehmen, die eine Mehrmarkenstrategie betreiben, nei-
gen dazu, einem neuen Produkt immer einen neuen Markennamen zur Differenzierung mit
auf den Weg zu geben. Eine neue Marke kann nur dann empfohlen werden, wenn ein Eintritt
in eine neue Produktkategorie erfolgt, für die keine der bisherigen Marken des Unternehmens
zu passen scheint.
Toyota gab einer Produktfamilie exklusiver Fahrzeuge der Oberklasse den Namen „Lexus“.
Man wollte damit erreichen, dass diese Fahrzeuge eine eigene Markenidentität entwickeln
und sich von den Fahrzeugen der Marke Toyota, die sich an den Massenmarkt wendet, unter-
scheiden. Ist ein Unternehmen gezwungen, sein neues Produkt auf dem Markt zu differenzie-
ren, ist die Einführung einer neuen Marke die beste Möglichkeit, die Identität des Produkts
zu gestalten.
Analog zur Mehrmarkenstrategie besteht auch hier die Gefahr, zu viele neue Marken einzu-
führen, von denen jede nur einen kleinen Marktanteil erreicht. Häufig verteilen Unterneh-
men ihre Kräfte auf zu viele Marken, anstatt mit konzentrierten Bemühungen ein oder zwei
starke Marken aufzubauen. Insbesondere im Konsumgüterbereich gehen Unternehmen wie
Unilever oder Procter & Gamble im Rahmen von Megabrand-Strategien dazu über, schwache
Marken nicht weiterzuführen und ihr Budget auf jene Marken zu konzentrieren, die die
Chance haben, innerhalb ihres Markts die Nummer eins oder zwei zu werden.
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8.6 Weitere Überlegungen zu Produkten
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
neuer Produkte dem Patentgesetz beugen und können keine Produkte anbieten, die eine
unzulässige Ähnlichkeit mit einem bereits etablierten Konkurrenzprodukt aufweisen.
In jedem Land gelten spezifische gesetzliche Vorgaben bezüglich der Produktqualität und
-sicherheit, die dem Verbraucherschutz dienen und denen ein Unternehmen nachkommen
muss. Viele Gesetze beschäftigen sich zum Beispiel mit den Hygiene- und Produktionsbedin-
gungen in der fleisch- und geflügelverarbeitenden Industrie. Sicherheitsbestimmungen exis-
tieren für Chemikalien, Automobile, Spielzeuge, Medikamente und giftige Substanzen.
Unabhängig von gesetzlichen Vorgaben erwarten Konsumenten von Unternehmen zuneh-
mend ein ethischen Standards entsprechendes Verhalten. Eine Studie in der Dienstleistungs-
branche zeigte, dass ethisches Verhalten von Serviceanbietern die Zufriedenheit der Kunden
positiv beeinflusst.
Wenn Konsumenten durch ein schadhaftes Produkt verletzt werden, können sie sowohl
gegen den Hersteller als auch gegen den Händler gerichtlich vorgehen. Produkthaft-
pflichtansprüche können den Produzenten schnell Millionen von Euro kosten. Fehlerhafte
Produkte verursachen für das Unternehmen aufgrund teurer Rückrufaktionen und Ersatz-
pflicht aber auch ohne konkreten Schadensfall hohe Kosten und häufig einen deutlichen
Imageverlust.
Nach dem Rückruf von 11 Millionen Fahrzeugen aufgrund von Problemen mit dem Gaspedal
musste sich Toyota mit mehr als 100 Gerichtsverfahren und Einzelklagen auseinandersetzen
und schließlich umgerechnet etwa 1,4 Milliarden Euro an Entschädigung für die finanziellen
Verluste zahlen, die die Betroffenen infolge des Defekts erlitten hatten.7 Der Vorfall hatte
massive Auswirkungen auf die Versicherungsprämien für Produkthaftung und verursachte in
einigen Branchen große Probleme. Einige Unternehmen geben die gestiegenen Prämien
durch Preiserhöhungen an die Kunden weiter. Andere sind gezwungen, risikoreiche Pro-
duktlinien zu stoppen. Manche Firmen setzen heute „Produkt-Stewards“ ein, deren Aufgabe
es ist, Verbraucher vor Schaden und das Unternehmen vor Haftungsansprüchen zu bewah-
ren, indem mögliche Produktrisiken proaktiv ausgeschaltet werden.
7 Jaclyn Trop, „Toyota will pay $1.6 billion over faulty accelerator suit“, New York Times, 20. Juli 2013,
S. 3B.
8 Murad Ahmed, „In Silicon Valley’s shadow“, Financial Times, 22. Juli 2015, S. 11.
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8.6 Weitere Überlegungen zu Produkten
indischer Unternehmer, die nur begrenzte Mittel zur Verfügung haben. Hier liegt der Schwer-
punkt eher auf Einfachheit statt auf endlosen neuen Produkteigenschaften. Der Begriff
„umgekehrte Innovation“ bezeichnet auch die Herstellung kostengünstiger Produkte in
Schwellenmärkten, die dann in den entwickelten Märkten herausgebracht werden. So ist
Mahindra & Mahindra der größte Traktorhersteller Indiens. Die Fahrzeuge sind bezahlbar
und entsprechen dem Geschmack und dem Einkommen der Kunden in den Schwellenlän-
dern Indien und China. Doch auch in den USA verkaufen sich die Produkte mittlerweile –
gut genug jedenfalls, dass die Firma John Deere einen eigenen preisgünstigen Traktor in
Indien auf den Markt brachte. Westliche Unternehmen müssen sich scheinbar neue Tricks
aneignen und neue Produkte für Schwellenmärkte zu wesentlich günstigeren Kosten herstel-
len, um diese dann in den heimischen Märkten anzusiedeln.9
Die umgekehrte Innovation – auch bekannt als „Trickle-up Innovation“ – ist bei großen
Unternehmen wie GE und Unilever bereits bekannt. Hier werden Produkte, die ursprünglich
für Schwellenmärkte entwickelt wurden, in preiswerte Güter für Kunden in den Industrie-
ländern verwandelt. GE hat sich dem Aufwand großer neuer Produktentwicklungen im
Gesundheitswesen verpflichtet, um die Kosten deutlich zu senken, die Verfügbarkeit zu
erhöhen und die Qualität zu verbessern, indem Produkte zunächst in Schwellenländern und
anschließend in den entwickelten Märkten angeboten werden. Dies ist das Gegenteil der tra-
ditionellen Vorgehensweise, die westlichen Produkte zu verändern und sie dann in den
Schwellenländern zu verkaufen. Als GE einen preiswerten, tragbaren Ultraschall-Scanner für
Ärzte entwickelte – in und für den chinesischen Markt –, stieg der Umsatz bei der weltweiten
Markteinführung jährlich um 50 bis 60 Prozent.10 Daneben sind internationale Marketingex-
perten für Produkte und Dienstleistungen auch immer mit anderen Herausforderungen kon-
frontiert. Zunächst müssen sie herausfinden, welche Produkte und Dienstleistungen auf den
Markt kommen sollen und in welchen Ländern. Dann müssen sie entscheiden, in welchem
Ausmaß die Produkte und Dienstleistungen für die Weltmärkte vereinheitlicht oder ange-
passt werden.
Einerseits möchten Unternehmen ihre Angebote gern vereinheitlichen. Standardisierung
unterstützt ein konsistentes weltweites Image. Sie senkt auch die Kosten für das Produktde-
sign, die Herstellung und das Marketing, da eine große Bandbreite an Produkten angeboten
werden kann. Andererseits unterscheiden sich die weltweiten Märkte und Kunden erheb-
lich. Unternehmen müssen in der Regel auf diese Unterschiede reagieren, indem sie ihr Pro-
duktangebot anpassen. Der Schweizer Konzern Nestlé z.B. verkauft in Japan eine Reihe
Geschmacksrichtungen der berühmten Kitkat-Riegel, bei denen sich westlichen Kunden der
Magen umdrehen würde – grüner Tee, rote Bohnen und Rotwein.
Auch die Verpackung stellt internationale Marketingexperten vor praktische Herausforderun-
gen. Die Probleme können ganz subtil sein. Die Namen, Label und Farben können nicht ein-
fach von Land zu Land übernommen werden. Gelbe Blumen auf dem Logo kommen in den
USA vielleicht gut an, sind in Mexiko jedoch eine Katastrophe, da gelbe Blumen hier für den
Tod oder Respektlosigkeit stehen. Ähnlich kann der Name „Nature’s Gift“ ein toller Name für
Edelpilze in Großbritannien sein, wäre in Deutschland jedoch tödlich. Auch die Verpackung
muss an die physischen Merkmale der Kunden in verschiedenen Teilen der Welt angepasst
9 Siehe Vijay Govinda Rajan und Chris Trimble, Reverse Innovation: Create Far From Home, Win Ever-
ywhere, Boston MA: Harvard Business Review Press, 2012; James Crabtree, „The new markets for
low-cost and profitable ideas“, Financial Times, 12. April 2012, S. 14.
10 Jeffrey R. Immelt, Vijay Govindarajan und Chris Trimble, „How GE is disrupting itself“, Harvard Bu-
siness Review, Oktober 2009, S. 56–65.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
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Zusammenfassung
Z US A M M EN FA SSU N G
Mit dem Begriff des Produkts wird nicht nur ein Gegenstand umschrieben, sondern ein
komplexes Gesamtkonzept, das sorgfältig definiert werden sollte. Das Marketing muss
übergreifend für jedes einzelne Produkt, für unterschiedliche Produktlinien und für das
Sortiment eine schlüssige Strategie entwickeln.
Ein Produkt umfasst mehr als nur seine gegenständlichen Elemente und kann in drei
Dimensionen beschrieben werden: Kernprodukt, reales Produkt und erweitertes Pro-
dukt. Auf der Ebene des Kernprodukts finden wir den Nutzen, den der Käufer erwerben
will. Das reale Produkt ist diejenige Ausprägung eines Produkts, die bei einem Anbieter
konkret zu erhalten ist und die sich über die Produktausstattung, das Design, die Quali-
tät, den Markennamen und die Verpackung in der Regel unverwechselbar von den rea-
len Produkten anderer Anbieter unterscheidet. Das erweiterte Produkt entspricht dem
realen Produkt, jedoch erweitert um verschiedene, das eigentliche Produkt ergänzende
und unterstützende Dienstleistungen wie umfassende Garantiezusagen, Installation,
Anwenderschulungen oder Lieferung frei Haus.
Produkte können hinsichtlich ihrer Abnehmer unterschieden werden. Dies führt zu der
Einteilung in Konsum- und Industriegüter. Güter, die Endverbraucher für ihren persön-
lichen Bedarf kaufen, werden als Konsumgüter bezeichnet. Sie werden entsprechend
den Kaufgewohnheiten der Verbraucher in Güter des täglichen Bedarfs, Suchgüter,
„Speciality“-Güter sowie unberücksichtigte Güter unterteilt. Die Gruppe der Industrie-
güter wird entsprechend ihrer Verwendung bei der Leistungserstellung eingeteilt in
Rohmaterial und Zulieferteile, Anlagegüter sowie Betriebs- und Hilfsstoffe und Dienst-
leistungen.
Unternehmen müssen Strategien für die einzelnen Produkte ihrer Produktlinien entwi-
ckeln. Die Schlüsselentscheidungen, die allen weiteren Entscheidungen vorangestellt
werden, betreffen die Produkteigenschaften, das Markenmanagement, die Verpackung,
die Etikettierung und äußere Kennzeichnung und den Umfang der produktunterstützen-
den Dienstleistungen.
Bezüglich der Produkteigenschaften muss über die Produktqualität, die Ausstattung des
Produkts und über das Produktdesign entschieden werden. Entscheidungen über die
Verpackung werden anhand der konkreten Erfordernisse bezüglich Schutz des Produkts,
Haltbarmachung, Wirtschaftlichkeit, Bequemlichkeit und Präsentations- und Werbe-
möglichkeiten getroffen. Ein Unternehmen sollte sein Verpackungskonzept in Überein-
stimmung mit den konkreten funktionalen Erfordernissen und mit den vorliegenden
gesetzlichen Regelungen entwickeln und testen. Eine weitere wichtige Entscheidung ist
die Etikettierung, die eine Identifikation des Produkts und des Herstellers beziehungs-
weise Verkäufers ermöglichen soll und die weiterhin die Möglichkeit der Beschreibung,
Klassifizierung, Hervorhebung und Verkaufsförderung für das Produkt bietet. Sowohl
auf nationalen wie auch auf internationalen Märkten ist die Kennzeichnung der Pro-
dukte oftmals nicht mehr frei, sondern in vielen Bereichen wie Technik, Lebensmittel,
Spielzeug und Medikamente vielfältigen Kennzeichnungspflichten unterworfen. Dass
diese Pflichten beachtet werden, ist ebenfalls Aufgabe des Marketings. Produktunter-
stützende Dienstleistungen verschaffen den Käufern echten Zusatznutzen und gehören
zu den wichtigsten Trümpfen im Kampf um den Kunden.
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
Die meisten Unternehmen bieten nicht nur ein einziges Produkt, sondern ganze Pro-
duktlinien an. Jede Produktlinie verlangt nach einer eigenen Strategie. Aufgrund von
Aktivitäten der Wettbewerber oder sich ändernder Kundenwünsche kann die Situation
eintreten, dass Produktlinien Erweiterungen oder Ergänzungen benötigen. Es kann sich
hierbei um Produktlinienerweiterungen nach oben, nach unten, simultan nach oben
und unten (das heißt in höher beziehungsweise niedriger angesiedelte Marktsegmente
hinein) oder um das Schließen von Lücken in einer Produktlinie handeln.
Bei vielen Unternehmen findet man darüber hinaus mehrere Produktlinien, die ein Pro-
duktportfolio bilden. Die Aufgabe des Marketings besteht darin, die Dimensionen des
Sortiments, zu denen die Breite, die Länge, die Tiefe und die Zusammenhänge und Syn-
ergien zwischen den Produktlinien gehören, marktgerecht zu gestalten.
Als Produkte zählen auch Dienstleistungen, die aus zum Kauf angebotenen Tätigkeiten
oder Leistungen bestehen, die im Wesentlichen nicht greifbar sind. Dienstleistungen
werden durch vier Schlüsselmerkmale charakterisiert:
Immaterialität/Nichtgreifbarkeit: Dienstleistungen können vor dem Kauf nicht ange-
schaut, probiert, angefasst, gehört oder geschmeckt werden.
Beteiligung von Leistungserbringer und Nutzer: Dienstleistungen können nicht von
ihren Leistungserbringern getrennt werden.
Schwankungen in der Dienstleistungsqualität: Die Qualität von Dienstleistungen
hängt davon ab, wer sie wann, wo und wie durchführt.
Nichtlagerfähigkeit und Nichttransportfähigkeit: Dienstleistungen lassen sich nicht
für späteren Verkauf oder spätere Nutzung lagern.
Jede dieser Eigenschaften wirft Probleme auf und erfordert spezielle Strategien. Das
Marketing muss Wege finden, die Dienstleistungen zu materialisieren, die Produktivität
der Leistungserbringer, die von ihren Produkten nicht zu trennen sind, zu erhöhen, die
Qualität angesichts der Qualitätsschwankungen zu standardisieren und auf Nachfrage-
änderungen entsprechend zu reagieren sowie Lieferkapazitäten zu verbessern.
Erfolgreiche Dienstleistungsunternehmen richten ihre Aufmerksamkeit sowohl auf die
Kunden als auch auf die Angestellten. Sie begreifen dies als Service-Profit-Chain, wel-
che die Gewinne mit der Zufriedenheit von Mitarbeitern und Kunden eng verknüpft.
Die Dienstleistungsmarketingstrategie erfordert nicht nur externes, sondern auch inter-
nes Marketing, um die Mitarbeiter zu motivieren. Die Mitarbeiter müssen das interak-
tive Marketing beherrschen, das sie befähigt, auf den Kunden einzugehen und in Wech-
selwirkung mit dem Kunden die Dienstleistung entstehen zu lassen.
Um Erfolg zu haben, müssen sich Dienstleistungsunternehmen durch eine wettbewerbs-
fähige Differenzierung gegenüber der Konkurrenz sowie durch ein hohes Niveau an
Dienstleistungsqualität und -produktivität auszeichnen.
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Zusammenfassung
443
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
444
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken
446
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Die Entwicklung neuer
Produkte und Produktlebens-
zyklusstrategien
ÜBERBLICK
9.4 Der Produktlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... erklären, wie Unternehmen Ideen für neue Produkte generieren und wie sie diese
umsetzen können.
... die Schritte im Produktentwicklungsprozess erläutern und erklären, worauf beim
Management dieses Prozesses zu achten ist.
... den Produktlebenszyklus und seine einzelnen Phasen beschreiben.
... erklären, welche Marketingstrategien in den einzelnen Phasen des Produktlebens-
zyklus angewandt werden sollten und wie sich diese von Phase zu Phase verändern.
9.1 Einführung
Im vorherigen Kapitel haben Sie erfahren, wie Marketer Produkte und Marken steuern. In
diesem Kapitel nun untersuchen wir zwei weitere produktrelevante Themen: die Entwick-
lung neuer Produkte und das Management von Produkten während ihrer Lebenszyklen.
Neue Produkte sind die Lebensader der Unternehmen. Doch ihre Entwicklung birgt Risiken
und viele neue Produkte scheitern. Daher zeigt der erste Teil dieses Kapitels einen Prozess
auf, wie neue Produkte gefunden und entwickelt werden können. Schließlich wollen die
Marketingexperten einen möglichst langen und erfolgreichen Lebenszyklus für ihre Produkte
erreichen. Im zweiten Teil des Kapitels werden wir dann sehen, dass jedes Produkt verschie-
dene Phasen durchläuft und dass jede dieser Phasen neue Herausforderungen darstellt, auf
die mit unterschiedlichen Marketingstrategien und Methoden reagiert werden muss.
Wir starten mit Google – einem der innovativsten Unternehmen der Welt. Google bringt
einen scheinbar endlosen Strom erstaunlicher Technologien und Dienstleistungen hervor.
Wenn es um die Ermittlung, Bearbeitung und Nutzung von Informationen geht, gibt es garan-
tiert eine innovative Google-Lösung dafür. Für Google ist Innovation nicht einfach ein Pro-
zess – es ist nicht weniger als der Geist des Ortes.
Google ist extrem innovativ. In den letzten zehn Jahren hat es sich einen festen Platz
unter den besten fünf der innovativsten Unternehmen gesichert. Google gibt sich ein-
fach nicht mit dem Erreichten zufrieden. Stattdessen bringt es ständig neue Entwicklun-
gen heraus, stürzt sich in neue Märkte und nimmt es mit immer neuen Wettbewerbern
auf.
In der Folge ist Google auch extrem erfolgreich. Trotz der starken Konkurrenz von Inter-
netriesen wie Microsoft und Facebook belaufen sich Googles Marktanteile im Kernge-
schäft – der Onlinesuche – auf satte 86 Prozent, das ist das Fünffache der Marktanteile
aller anderen Wettbewerber zusammen. Das Unternehmen ist auch führend bei den
Werbeeinnahmen aus bezahlten Online- und Mobilsuchfunktionen.
448
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9.1 Einführung
Aus den Suchen generierte Google einen Großteil seiner Erlöse von 60 Milliarden US-
Dollar im letzten Jahr, von denen 20 Prozent in Gewinne flossen. Und Google hört längst
nicht auf zu wachsen – die Einnahmen haben sich in den letzten gerade einmal drei Jah-
ren mehr als verdoppelt. Aber Google entwickelt sich auch schnell zu weitaus mehr als
nur einem Unternehmen der Suchmaschinen und Werbeplatzierungen. Googles Mission
ist es, „weltweite Informationen zu organisieren und sie überall zugänglich und nutzbar
zu machen“. Nach Googles Auffassung sind Informationen eine Art Rohstoff – die geför-
dert, verarbeitet und in die Welt gesendet werden müssen. Diese Vorstellung harmoni-
siert mit den anderen, sonst offenbar sehr verschiedenen Projekten von Google, wie das
Kartografieren der Welt, die Entwicklung mobiler bzw. tragbarer Computertechnologien,
die Ansammlung der weltweit größten Onlinevideothek oder sogar Einrichtungen zur
Früherkennung von Grippe-Epidemien. Wenn es darum geht, sich Informationen nutz-
bar zu machen, hat Google das Feld bereits auf innovative Weise besetzt.
Google weiß, wie man Neuerungen einführt. In vielen Unternehmen ist die Produktent-
wicklung eine behutsame, schrittweise Angelegenheit, die sich teilweise über Jahre hin-
ziehen kann. Bei Google dagegen läuft der ungezwungene Entwicklungsprozess für neue
Produkte in Lichtgeschwindigkeit ab. Der geschickte Vorreiter setzt wichtige neue Pro-
dukte und Dienste in weit weniger Zeit um, als seine Wettbewerber für die Ausarbei-
tung und Genehmigung einer ersten Idee benötigen. Ein Geschäftsführer bei Google
erklärt: „Am schwierigsten ist es, Menschen mit unserer Firmenkultur vertraut zu
machen, wenn Ingenieure mir einen Prototyp zeigen und ich sage: ‚Ja, toll, fangen wir
an!‘ Und sie entgegnen: ‚Nein, er ist doch noch gar nicht fertig!‘ Ich sage ihnen dann,
dass es der Google-Weg ist, Dinge früh auf den Markt zu bringen (als Beta-Produkt), sie
dann schrittweise zu optimieren und zu lernen, was der Markt will – auf diese Weise
machen wir das Produkt groß.“
Wenn es um die Entwicklung neuer Produkte bei Google geht, gibt es keine Zwei-Jahres-
Pläne. Die Entwicklungsabteilung plant gerade einmal fünf Monate im Voraus. Google
ist es lieber, wenn Projekte schnell scheitern, als wenn sorgfältig geplante und ausgear-
beitete Projekte scheitern. Während sogar hoch innovative Unternehmen wie Apple die
Gewissheit vorziehen, jedes Produkt vor dem Verkauf perfektioniert zu haben, geht es
bei Google nur um „Markteinführung und schrittweise Optimierung“. Müssen sich Pro-
duktentwickler bei Google zwischen zwei Wegen entscheiden, wählen sie unweigerlich
den schnelleren. Der berühmte chaotische Innovationsprozess bei Google hat einen
scheinbar endlosen Strom der verschiedensten Produkte hervorgebracht, von denen die
meisten mittlerweile führend in den jeweiligen Marktkategorien sind. Darunter ein E-
Mail-Dienst (Gmail), ein digitaler Medienstore (Google Play), ein Onlinebezahldienst
(Google Wallet), ein Dienst zum Teilen von Fotos (Google Picasa), ein mobiles Betriebs-
system (Google Android), ein ultraschnelles Heim-Breitbandnetzwerk (Google Fiber),
ein cloudfähiger Internetbrowser (Chrome), Projekte zur Kartografierung und Erkun-
dung der Welt (Google Maps und Google Earth) und sogar ein Frühwarnsystem für die
nächste Grippewelle in Ihrer Region (Google Flu Trends).
449
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
Die jüngsten Innovationen von Google gehen weit über die einfache Organisation und
Suche nach Informationen hinaus. Das Unternehmen geht voran und macht sich die
Fähigkeit des Internets zunutze, praktisch alle Lebensbereiche miteinander zu vernet-
zen. So zahlte Google vor einiger Zeit die beachtliche Summe von 3,2 Milliarden US-
Dollar – doppelt so viel wie für YouTube – für die Übernahme von Nest Labs, Hersteller
von intelligenten Thermostaten und Rauchmeldern. Nest hat diese einfachen Geräte für
den Heimgebrauch in vernetzte, digitale Geräte verwandelt, die in das Zeitalter der
Smartphones passen und die mühelos, leicht und effizient zu bedienen sind. Auch
wenn es den Anschein hat, dass Google mit Nest wenig für sein Geld bekommt, können
die enormen Ressourcen und das Innovationsgeschick von Google schon bald dazu bei-
tragen, dass die Geräte von Nest Ihr gesamtes Heim steuern – ein riesiger potenzieller
Markt. Wie ein Analyst erklärt, geht es „darum, welcher Dienst – Google, Amazon,
Apple, Microsoft und andere – künftig die intelligenten Systeme für Ihr Zuhause koor-
diniert“.
Scheint das Konzept des mit dem Internet verbundenen „Smart Home“ für Google
schon etwas abenteuerlich, ist das noch gar nichts im Vergleich zu den nächsten großen
Ideen des Unternehmens. Die Innovationsmaschinerie ist berüchtigt für sogenannte
„Moonshots“ (dt.: Start einer Mondrakete) – bahnbrechende, futuristische Projekte, die,
sofern sie erfolgreich sind, das Leben der Menschen von Grund auf verändern. Laut
eines Ingenieurs bei Google haben die Mitgründer Larry Page und Sergey Brin die
„Überzeugung, dass schrittweise Verbesserungen nicht gut genug sind. Der Maßstab für
den Erfolg ist die Frage, ob wir diese (Moonshots) realisieren und möglichst kühne Pro-
jekte umsetzen können“.
Um diese ehrgeizigen Vorhaben zu fördern, wurde Google X gegründet – ein geheimes
Forschungslabor und eine Art Paradies für Computerfreaks, die dort Dinge entwickeln
sollen, die selbst nach Google-Maßstäben abenteuerlich sind. „Egal, worin ein massives
Problem für die Gesellschaft besteht, wir sind dabei“, sagt der Direktor der Innovations-
abteilung.
Die bislang bemerkenswerteste Innovation von Google X ist Google Glass – ein Mini-
computer, der wie eine Brille getragen wird und große Begeisterung auslöste; allerdings
wurde er nach und nach vom Markt genommen, um weiterentwickelt und optimiert zu
werden. Hinter den Türen des geheimen Labors entstehen jedoch weitere futuristische
Projekte, wie das fahrerlose Auto von Google – so etwas galt einmal als pure Fiktion,
heute ist es Realität. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen im Internet ein, dann fährt draußen
ein automatisiertes Google-Car vor und ein humanoider Google-Roboter springt heraus,
um Ihre Einkäufe ins Haus zu tragen. Weit hergeholt? Vielleicht nicht. Google ist heute
auch führend bei der Entwicklung von Robotern. Google ist offen für neue Produktideen
aus so ziemlich jeder Quelle. Doch das Unternehmen überträgt jedem Mitarbeiter auch
Verantwortung für die Innovationen. Google ist berühmt für seine Innovation des Time-
Off-Programms, das Ingenieure und Entwickler anregt, 20 Prozent ihrer Zeit – einen Tag
pro Woche – in die Entwicklung ihrer eigenen „coolen und exzentrischen“ neuen Pro-
duktideen zu investieren. Letzten Endes ist Innovation bei Google mehr als ein Prozess
– sie ist Teil der DNA des Unternehmens. Wo genau findet Innovation bei Google statt?
Überall, sagt ein Google-Forschungswissenschaftler.
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9.1 Einführung
Fragen
1. Denken Sie an den klassischen Produktentwicklungsprozess. Worin unterscheidet
sich jener von Google dazu?
2. In welcher Phase des Produktlebenszyklus befindet sich Googles klassischer Such-
maschinendienst?
3. Reihen Sie die Innovationsinitiativen von Alphabet in die Produkt-Markt-Matrix
nach Ansoff ein.
451
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
452
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9.2 Innovation und Entwicklung neuer Produkte
Großteil des Wachstums von neuen Produkten ab. So erlebte zum Beispiel Apple in den letz-
ten Jahren durch neue Produkte einen vollständigen Wandel. Das iPhone und das iPad – die
es vor einigen Jahren noch gar nicht gab – sind heute die Verkaufsschlager des Unterneh-
mens, wobei das iPhone mehr als die Hälfte der Gesamterlöse von Apple erzielt.1
Innovation kann jedoch auch kostspielig und sehr riskant sein. Neue Produkte müssen große
Widerstände überwinden. Einer Schätzung zufolge scheitern 66 Prozent aller neu eingeführ-
ten Produkte etablierter Unternehmen innerhalb von zwei Jahren. Laut einer weiteren Schät-
zung können 96 Prozent aller Produktinnovationen die Entwicklungskosten nicht erwirt-
schaften.2 Man nimmt an, dass etwa 90 Prozent der neuen Produkte in Europa nicht
dauerhaft am Markt bleiben.3
Für Microsoft ist z.B. die Windows-Software von entscheidender Bedeutung – sie macht ca.
17 Prozent der Einnahmen und ein Viertel des Unternehmensgewinns aus. Die Version Vista
war vielleicht die unbeliebteste Software der Firmengeschichte und wurde bis zu ihrer Ablö-
sung auf gerade einmal 19 Prozent der weltweiten Rechner installiert. Windows 8 war sogar
ein noch größerer Flop und Windows wird heute nur noch auf 16 Prozent aller Rechner
genutzt – im Gegensatz zum Jahr 2000, als Windows auf 97 Prozent aller Computer lief. Die
Einführung von Windows 10 im Jahr 2015 markierte einen entscheidenden Moment für
Windows, da darauf auch zukünftige Pläne basieren – besonders im Hinblick auf die Rekru-
tierung talentierter Produktentwickler für universelle Apps, die auf jedem Gerät mit
Windows betrieben werden können. Für Windows 10 hat Microsoft eine Milliarde Kunden in
drei Jahren versprochen – doch da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.4
Aber warum scheitern so viele neue Produkte? Dafür gibt es mehrere Gründe. Auch wenn die
Idee dahinter gut ist, kann das Unternehmen die Größe des Markts überschätzen. Das eigent-
liche Produkt kann schlecht gemacht sein. Oder es wurde falsch positioniert, zur falschen
Zeit herausgebracht, zu hochpreisig angesetzt oder zu gering beworben. Ein hochrangiger
Manager kann seine Lieblingsidee trotz negativer Marktforschungsergebnisse durchgesetzt
haben. Manchmal sind die Kosten der Produktentwicklung höher als erwartet, manchmal
reagieren Wettbewerber härter als gedacht.
Unternehmen haben also ein Problem. Sie müssen neue Produkte entwickeln, den Vorteilen
stehen jedoch große Risiken entgegen. Um erfolgreiche neue Produkte herauszubringen,
muss ein Unternehmen seine Kunden, Märkte und Wettbewerber verstehen und Produkte
entwickeln, die dem Kunden den größtmöglichen Nutzen bieten.
1 Austino Fontevecchia, „Apple’s strong iPhone sales mask falling revenue per unit as gross margins
contract“, Forbes, 22. Juli 2013, www.forbes.com/sites/afontevecchia/2013/07/23/applesstrong-ipho-
ne-sales-maskfalling-revenue-per-unit-as-gross-margins-contract/.
2 Marsha Lindsey, „8 ways to ensure your new-product launch succeeds“, Fast Company, 3. April
2012, www.fastcompany.com/1829483/8-ways-ensure-your-new-product-launch-succeeds sowie Vi-
jaya Kumar, „Improving the success rate of new product introduction through digital social media“,
PDMA, 27 August 2013, www.pdma.org/p/bl/et/blogid=2&blogaid=115.
3 Siehe www.scribd.com/doc/20269401/Product-Failures-and-Their-Strategies, Zugriff Juli 2015.
4 Richard Waters, „Microsoft pins hopes on Windows 10 as it challenges rivals for leading role in app
world“, Financial Times, 29. Juli 2015, S. 19; Dina Bass und Ashlee Vance, „The new old Windows“,
Bloomberg BusinessWeek, 3.–9. August 2015, S. 32–33.
453
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
Konzept-
Entwicklung einer Suche nach
Ideen-Screening entwicklung
Innovationsstrategie Produktideen
und Konzepttest
Das 1902 in den USA gegründete Unternehmen 3M produziert und vertreibt weltweit
mehr als 50.000 Produkte. Zu den bekanntesten 3M-Marken gehören die Scotch-Klebe-
bänder, die Post-it-Haftnotizen oder die Scotch-Brite-Topfreiniger. Darüber hinaus
umfasst das 3M-Produktprogramm Erzeugnisse für die unterschiedlichsten Branchen.
So enthält es beispielsweise für die Automobil- und Luftfahrtindustrie verschiedene
Klebstoffe und Schleifmittel, im Bereich Transport- und Straßenwesen werden reflektie-
rende Folien von 3M eingesetzt und auch für Medizin und Gesundheit bietet 3M eine
Reihe von Produkten, z.B. Verbands- oder Zahnfüllmaterial. Grundlage für den Erfolg
des Unternehmens ist seine besondere Innovationskultur, d.h., die ständige Entwick-
lung neuer Produkte wird als das Lebenselixier des Unternehmens angesehen.
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
Mehr als 30 Prozent des Umsatzes wird mit Produkten, die weniger als vier Jahre alt
sind, erzielt. Etwa jeder elfte 3M-Mitarbeiter ist in Forschung und Entwicklung tätig.
Besonders großen Wert legt das Unternehmen auf eine enge Zusammenarbeit mit seinen
Kunden. Deren spezielle Anforderungen und Wünsche stellen eine wichtige Quelle für
innovative Problemlösungsansätze dar. Dieser eindrucksvolle Erfolg ist mehreren Fakto-
ren zu verdanken. 3M zeichnet sich durch hohe Investitionen in Forschung und Ent-
wicklung aus. Weltweit beliefen sich 2016 die Ausgaben für F&E auf 1,7 Milliarden US-
Dollar. Dies entspricht einem Anteil von mehr als fünf Prozent am Gesamtumsatz im
Geschäftsjahr 2016 (30,1 Mrd. US-Dollar).
Die besondere Förderung von Innovationen spiegelt sich auch in der sogenannten 15-
Prozent-Regel wider. Demnach können die F&E-Mitarbeiter 15 Prozent ihrer Arbeitszeit
Projekten ihrer Wahl widmen. Dabei stellt ihnen 3M die notwendigen finanziellen Mit-
tel zur Verfügung, auch wenn das Unternehmen nicht zwangsläufig davon profitiert.
Außerdem werden informelle Arbeitsstrukturen toleriert, um neue Produkte schnell
entwickeln zu können. Dadurch sollen bürokratische Hindernisse beseitigt werden, die
eventuell einer Produktentwicklung im Weg stehen oder diese verlangsamen könnten.
Diese Innovationskultur wird auch vom Management gestützt, das jeden Mitarbeiter
ausdrücklich ermutigt, mit Ideen für neue Produkte vorzutreten. Wenn jemand eine aus-
sichtsreiche Idee vorstellt, wird bei 3M ein interdisziplinäres Kompetenzteam zusam-
mengestellt, das die Möglichkeiten in Bezug auf Produktion, Absatz, Marketing und
Rechte evaluiert. Derartige Teams, die charakteristisch für 3M sind, erleichtern den
Fluss von Ideen und Technologie innerhalb des Unternehmens. Das Fundament des
Know-hows bilden über 30 Technologie-Plattformen. Neben der Förderung der Eigenin-
itiative wird die Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter auch durch umfassende Weiterbil-
dung unterstützt. Aufgrund dieser innovationsfördernden Bemühungen kann 3M jähr-
lich 500 Patente anmelden (weltweit hält das Unternehmen rund 20.000 Patente) und
mehrere Hundert neue Produkte auf den Markt bringen. In diesem Unternehmen ist
man sich darüber im Klaren, dass man viele Anläufe starten muss, um einmal das große
Los zu ziehen. Fehler und Irrwege werden als normale Begleiter von Kreativität und
Innovation akzeptiert und als Bestandteil der Unternehmenskultur angesehen. Diese
fördert Eigeninitiative und Mut zum Risiko. Gerade derartige Irrwege haben sich häufig
im Nachhinein als Erfolge erwiesen. So ärgerte sich Art Fry, der bei 3M in den USA als
Produktentwickler tätig war, bei Auftritten und Proben seines Kirchenchores über lose
Zettel in seinem Gesangbuch, die bei jeder ungeschickten Bewegung herausfielen. Er
dachte über Markierungszettel nach, die kleben, aber sich leicht wieder ablösen lassen.
Dabei erinnerte er sich an die Versuche seines Kollegen Dr. Spencer Silver, der einen
neuen Kleber mit eben diesen Eigenschaften entwickelt hatte, für den sich aber
zunächst keine erfolgversprechende Anwendung fand. Das genau war es, wonach Art
Fry gesucht hatte. Am 6. April 1980 waren die Post-it-Haftnotizen marktreif und
begannen ihren Siegeszug.
Ähnlich liest sich die Erfolgsgeschichte des Scotch-Klebebands, das 1930 auf den Markt
kam. Ein Kunde von 3M benötigte zur Verpackung ein wasserfestes Klebeband. Der 3M-
Chemiker Richard Drew experimentierte zunächst mit einem Abdeckband, das er kurz
zuvor für Autolackierer entwickelt hatte, aber alle Versuche schlugen fehl. Das Klebe-
band war einfach nicht wasserfest und daher für dieses Kundenproblem nicht verwend-
bar. Zur selben Zeit kam ein wasserfestes Cellophan von DuPont auf den Markt.
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
Das war die Lösung des Problems. Richard Drew beschichtete das Cellophan mit dem
3M-Klebstoff und die Scotch-Transparentklebebänder waren erfunden. Durch kontinu-
ierliche Weiterentwicklung ist 3M heute Weltmarktführer in diesem Segment. Dem
innovativen Charakter des Unternehmens entsprechend wurde Ende 2004 eine Image-
kampagne unter dem Motto „3M – Die Erfinder“ lanciert. Ziel war es, die Kompetenzen
und Produktbreite von 3M besser bekannt zu machen und die Aufmerksamkeit auch auf
Geschäftsfelder zu lenken, die den meisten Kunden nicht bekannt waren.
Quellen:
Informationen auf den Unternehmens-Webseiten unter: http://solutions.3mdeutschland.de,
www.die-erfinder.de und www.3m.com [30.03.2015];
Pressemitteilung 3M: „Zwei Erfolgsprodukte feiern Geburtstag: Post-it-Haftnotizen und Scotch Kle-
beband werden zusammen 100 Jahre alt“, April 2005;
Pressemitteilung 3M: „Hoch sollen sie kleben – Scotch Transparentklebebänder, weltweit die
Nummer 1, feiern Geburtstag!“, August 2005;
Geschäftsbericht 2016: http://s2.q4cdn.com/974527301/files/doc_downloads/2017/Annual/
2016_3M_Annual_Report.pdf, Februar 2018.
Interne Quellen
Untersuchungen haben ergeben, dass nahezu die Hälfte aller Ideen für neue Produkte aus
den Unternehmen selbst kommt, häufig als Ergebnis systematischer Forschungs- und Ent-
wicklungsarbeit. Wissenschaftler, Ingenieure, Designer und Mitarbeiter der Fertigung können
mit ihren Ideen zur Innovation beitragen. Auch die Außendienstorganisation eines Unter-
nehmens ist eine Quelle guter Ideen, da sie in täglichem Kontakt mit Käufern und Kaufinter-
essenten steht. Ein Unternehmen kann ein formalisiertes oder informelles Vorschlagswesen
einrichten, um die Ideen der Mitarbeiter gezielt zur Verbesserung der Produktion, der Pro-
dukte oder des Services einzusetzen.
Einige Unternehmen haben bereits erfolgreiche „Intrapreneurial“-Programme entwickelt, die
Angestellte dazu ermutigen, Überlegungen anzustellen und neue Produktideen zu entwi-
ckeln. Die bekannte „15 Prozent-Regel“ von 3M erlaubt zum Beispiel den Angestellten des
Unternehmens, 15 Prozent ihrer Arbeitszeit mit „Bootlegging“ zu verbringen, das heißt an
Projekten von persönlichem Interesse zu arbeiten, egal ob diese dem Unternehmen unmittel-
bar zugutekommen oder nicht. Toyota berichtet, dass seine Mitarbeiter alljährlich etwa zwei
Millionen Verbesserungsvorschläge einreichen, das sind 35 pro Mitarbeiter. Etwa 85 Prozent
dieser Vorschläge sollen auch tatsächlich zur Anwendung kommen.
Onlineunternehmen wie Facebook und Twitter fördern heutzutage regelmäßige „Hacka-
thons“, in denen Mitarbeiter sich einen Tag oder eine Woche freinehmen, um neue Ideen zu
456
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
entwickeln. Das webbasierte soziale Netzwerk LinkedIn für Geschäftskontakte mit seinen
250 Millionen Mitgliedern gewährt „Hackdays“, nämlich einen Freitag im Monat. Die Mitar-
beiter können dann beliebigen Tätigkeiten nachgehen, die dem Unternehmen nutzen. Linke-
dIn ging mit dem sogenannten InCubator-Programm noch einen Schritt weiter – hier können
Mitarbeiter jedes Vierteljahr Teams bilden, die dem Vorstand innovative neue Ideen präsen-
tieren. Werden diese angenommen, erhält das Team 90 zusätzliche freie Tage, um die Ideen
in die Praxis umzusetzen. Bislang hat das Programm Vorschläge für neue Produkte und
Geschäftsfelder, interne Tools und Personalprogramme hervorgebracht, die von Mitarbeitern
des gesamten Konzerns entwickelt wurden.5
Kunden
Ungefähr 28 Prozent aller Ideen für neue Produkte stammen von Kunden. Ein Unternehmen
kann Kundenbefragungen durchführen oder Fokusgruppen einrichten und Beschwerden
auswerten, um so Ideen für neue Produkte zu bekommen und diese direkt darauf auszurich-
ten, dass sie den Anforderungen der Kunden gerecht werden. Ingenieure oder Außendienst-
mitarbeiter können Kunden einladen und mit ihnen zusammenarbeiten, um einen Eindruck
von ihren Bedürfnissen und Wünschen zu erhalten oder um sie nach Vorschlägen zu befra-
gen. Von Unternehmen wie General Electric, Sony, Toyota, Volkswagen und anderen ist
bekannt, dass ihre Entwicklungsgruppen mit Endverbrauchern zusammentreffen, um von
ihnen Ideen für neue Produkte zu erhalten.
Häufig erfinden Käufer und Verbraucher selbst Produkte, und die Unternehmen können
davon profitieren, indem sie diese aufspüren und auf den Markt bringen. Etwa ein Drittel der
Software, die beispielsweise IBM für seine Computer verwendet, wurde aufgrund von Kun-
denvorschlägen entwickelt. Einige Unternehmen stellen ihren Kunden sogar Mittel zur Ver-
fügung, um sich ihre eigenen Produkte zu entwickeln. Ein Experte dazu: „Der Kunde ist
nicht mehr nur König, sondern auch Leiter der Marktforschung, der Entwicklung und Pro-
duktmanager.“
Ein Hersteller von Computerspielen, Electronic Arts (EA), stellte fest, dass seine Kunden
neue Inhalte für bereits existierende Spiele entwickelten und diese für andere frei zugänglich
online stellten. Das Unternehmen veröffentlichte daraufhin grundlegende Tools zur Weiter-
entwicklung der Spiele und verwendete die neuen Ideen seiner Kunden bei der eigenen Pro-
duktentwicklung. „Die Fangemeinde hatte einen unglaublichen Einfluss auf unsere Spielent-
wicklung“, sagt eine der Führungskräfte von EA, „woraus noch bessere Spiele resultierten.“
Starbucks lädt Kunden auf der Webseite My Starbucks Idea ein, über neue Produkte und
Dienstleistungen zu informieren, zu diskutieren und abzustimmen. „Sie wissen besser als
jeder andere, was Sie von Starbucks erwarten“, heißt es auf der Seite. „Also sagen Sie es uns.
Was ist Ihre Starbucks-Idee? Ob revolutionär oder ganz einfach – wir wollen sie hören.“6
Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass auch Konsumenten selbst oft nicht wissen
können, welche Bedürfnisse und Wünsche sie in Zukunft haben werden oder welche Pro-
dukte sie nutzen würden, wenn sie verfügbar wären. Kunden wollen außerdem überrascht
werden mit Produkten, mit denen sie nie gerechnet hätten – iPod, BlackBerry Smartphones
oder Navigationsgeräte von TomTom sind Beispiele hierfür. Wären vor 25 Jahren Telekom-
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
munikationsnutzer nach ihrem Bedürfnis nach einem mobilen Gerät gefragt worden, hätten
ihre Antworten sicher nicht zur Entwicklung von MP3-Spielern oder des Handys geführt.
Konkurrenten
Viele Ideen für neue Produkte entstehen aus der sorgfältigen Analyse der Angebote der Kon-
kurrenz. Unternehmen verfolgen beispielsweise die Werbung der Mitbewerber aufmerksam,
um Anhaltspunkte bezüglich der Eigenschaften ihrer neuen Produkte zu erhalten. Sie kön-
nen die Produkte und Dienstleistungen der Konkurrenten auch analysieren, indem sie Kon-
sumenten darüber befragen, was sie an den Konkurrenzprodukten schätzen und was sie als
verbesserungswürdig empfinden. Meist kaufen sie selbst Konkurrenzprodukte, benutzen und
zerlegen sie, um Aufschluss über ihre Funktionsweise zu erhalten. Zusätzlich werden Ver-
kaufsdaten der entsprechenden Produkte erhoben, um zu prüfen, ob es sich lohnen würde,
ein ähnliches Produkt auf den Markt zu bringen.
458
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
Crowdsourcing
Bei der Suche nach Ideen für Innovationen kann ein Unternehmen auch auf die breite Masse
zurückgreifen. Crowdsourcing öffnet die Tore für eine Vielzahl an Gruppen wie Kunden,
Angestellte, unabhängige Forscher und Entwickler sowie die Öffentlichkeit im Allgemeinen
– alle mit ihren eigenen Vorstellungen und Ideen – und bindet sie in den Innovationsprozess
direkt ein. Der Grundgedanke ist, dass, wenn es um die Verbesserung von Produkten, Leis-
tungen oder Marketingaktionen geht, zwei Köpfe besser als einer und 2000 oder 20000 wie-
derum besser als diese zwei sind.
Crowdsourcing funktioniert in diesem Sinne primär in der Form von Wettbewerben. Sam-
sung beispielsweise führte das Programm „Open Innovation“ ein, das eine breite Vernetzung
mit externen Partnern und Unternehmen zur Entwicklung neuer Produkte und Technologien
ermöglicht. Ziel des Programms ist es, die Mauern rund um den Innovationsprozess einzurei-
ßen und die Türen für frische Ideen außerhalb des Unternehmens zu öffnen. Durch das Pro-
gramm schmiedet Samsung Allianzen mit der Spitzenindustrie und Universitätsforschern
weltweit, nimmt aktiv an branchenweiten Foren teil, arbeitet mit Lieferanten an Innovatio-
nen und sucht und investiert in vielversprechende Start-ups. „Im 21. Jahrhundert kann kein
Unternehmen die Forschungsarbeit allein bewältigen“, so ein führender Mitarbeiter von
Samsung. „Wir betrachten es als entscheidend, [mit anderen Partnern] weltweit zusammen-
zuarbeiten, um einen lebendigen Forschungsbereich auf- und auszubauen.“7
Auch andere Unternehmen wie Dell oder Procter & Gamble bedienen sich des Crowdsour-
cing, und Plattformen wie InnoCentive bringen diese Klienten, sogenannte „Sucher“, mit
einem Netzwerk von über 200.000 Wissenschaftlern, den „Problemlösern“ zusammen. So
haben bereits Unternehmen wie Audi, Microsoft und Nestlé bis zu Victorinox, Hersteller für
Schweizer Armeemesser, das jovoto-Netzwerk mit 50.000 kreativen Profis für Ideen und
Lösungen genutzt und Preisgelder von etwa 100 bis zu 100.000 Euro geboten. Victorinox
nutzt jovoto seit mehreren Jahren, um ein neues Design für eine limitierte Fashion-Auflage
des Schweizer Armeemessers zu finden. Mit diesem Fashion-Design will man jüngere Kun-
den für das Produkt begeistern. Im ersten Jahr reichten mehr als 1.000 Künstler ihre Vor-
schläge über jovoto ein. Die limitierte Auflage bestand aus zehn verschiedenen Designs, die
nach Prüfung durch die jovoto-Mitglieder und Abstimmung durch Victorinox-Fans auf Face-
book ausgewählt wurden. Sie verkaufte sich um 20 Prozent besser als jedes zuvor intern ent-
wickelte limitierte Modell.8
Setzt man die von den Unternehmen erlangte Leistung ins Verhältnis zu den gezahlten Preis-
geldern, so erscheint Crowdsourcing als ein äußerst kosteneffizientes Werkzeug. Jedoch darf
man den Aufwand auf Unternehmensseite nicht außer Acht lassen. Crowdsourcing kann
eine wahre Flut an Ideen auslösen, wenn man die Tore für alle und jeden öffnet – aber nicht
alle Ideen sind notwendigerweise gut. Die guten Ideen von den weniger guten zu trennen
und die beste unter ihnen zu identifizieren bleibt Aufgabe des Unternehmens. Und dies kann
mit einigem Aufwand verbunden sein, denn schon eine kleine Crowdsourcing-Aktion kann
Hunderte von Ideenvorschlägen generieren. Wenn man sich beispielsweise mit 20.000 Ideen-
7 „Samsung is fueling its future with open innovation“, InnoCentive, 23. Oktober 2013, www.innocen-
tive.com/blog/2013/10/23/samsung-is-fueling-its-future-with-open-innovation/.
8 Siehe „Victorinox Success!“ September 2012, www.jovoto.com/blog/2012/09/success-story-victorin-
ox/; Bastian Unterberg et al., Crowdstorm: The Future of Ideas, Innovation, and Problem Solving Is
Collaboration (Somerset, NJ: Wiley, 2013), S. 175–177 und https://www.jovoto.com/projects/victorin-
ox2018/landing, Zugriff Mai 2018.
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
vorschlägen konfrontiert sieht, stellt sich die Frage, wie man an diesen Stapel herantritt.
Cisco Systems sponserte eine Aktion, genannt „I-Prize“, bei der mehr als 1.200 unterschiedli-
che Ideen von mehr als 2.500 Entwicklern aus 104 Ländern eingereicht wurden. Der Auswer-
tungsprozess war nach eigenen Angaben weitaus arbeitsintensiver als erwartet und es waren
Zeit, Energie, Geduld und Einfallsreichtum nötig, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
Letzten Endes arbeiteten sechs Mitarbeiter drei Monate in Vollzeit, um zu entscheiden, wel-
che der Ideen in die nähere Auswahl kamen. Deshalb sollte man sich bei der Entscheidung
für Crowdsourcing stets sicher sein, dass man die mögliche Ideenflut auch bewältigen kann.
Innovative Unternehmen verlassen sich nicht auf eine einzige Quelle für neue Produktinnova-
tionen. Stattdessen entwickeln sie weitreichende Netzwerke mit vielen potenziellen Ideen-
quellen, diese reichen von Kunden und Mitarbeitern bis hin zu unabhängigen Forschern im In-
und Ausland. Auch Reckitt Benckiser, das in Deutschland bekannte Marken wie Clearasil und
Scholl (Bereich Konsumentengesundheit) und Sagrotan und Calgon (Bereich Hygiene Haus-
halt) vertreibt, setzt bei seinen vielen Produktinnovationen auf Kunden bzw. Verbraucher.
Reckitt Benckiser ist nicht unbedingt ein bekannter Name in unseren Haushalten, doch
das Unternehmen ist der Superstar unter den Herstellern von Reinigungsmitteln, der
mit seinen neuen Produkten und Marketingfähigkeiten zeitweise sogar Procter & Gam-
ble und Unilever überstrahlt. Die Stärke von Reckitt liegt darin, Nischenmärkte mit gro-
ßem Wachstumspotenzial zu finden. Statt also zu versuchen, sich beispielsweise auf
dem gesättigten Markt für Wasch- und Reinigungsmittel zu behaupten, konzentriert sich
Reckitt auf das wachsende Segment für Spülmaschinenprodukte, in dem es bereits
einen beachtlichen weltweiten Marktanteil hält. Als Vorreiter für neue Marken, häufig
in Nischenmärkten, hat sich Reckitt zu einem der erfolgreichsten europäischen Unter-
nehmen entwickelt. Reckitt Benckiser (RB) entstand 1999 durch die Fusion der hollän-
dischen Firma Benckiser mit dem britischen Unternehmen Reckitt & Colman. Im Jahr
2005 übernahm RB das Unternehmen Boots Healthcare International für 1,9 Milliarden
Pfund und baute seine Präsenz im Markt für frei verkäufliche Arzneimittel weiter aus.
2007 ermöglichte die Übernahme von Adams Respiratory Therapeutics den Zugang zum
US-amerikanischen Markt für rezeptfreie Arzneimittel. Im Jahr 2010 unterbreitete RB
dem Unternehmen SSL International, Hersteller der Marke Durex und von Scholl-
Fußpflegeprodukten, ein Angebot über 2,5 Milliarden Pfund, mit dem Ziel einer erwei-
terten geografischen Diversifikation sowie neuer Warengruppen. RB wurde weltweit
führend bei Haushalts-, Gesundheits- und Körperpflegeprodukten. Die 19 „Power-Mar-
ken“ des Unternehmens werden in mehr als 200 Ländern verkauft, darunter bekannte
Namen wie Air Wick (Lufterfrischer), Cillit Bang (Haushaltsreiniger), Dettol (Antisep-
tika), Durex (Empfängnisverhütung), Gaviscon (Mittel gegen Sodbrennen), Harpic
(Bleichmittel), Nurofen (Schmerzmittel), Strepsils (Halsschmerzmittel), Veet (Enthaa-
rungsprodukte). Bei den massiven Investitionen in die Top-Marken lag der Schwer-
punkt auf Bereichen mit großem Wachstumspotenzial, sodass mit einem Mal 16 dieser
„Power“-Marken gleichzeitig den ersten oder zweiten Platz im jeweiligen Segment des
Weltmarktes beanspruchen konnten. Tatsächlich vermarktet RB Hunderte Produkte, von
denen viele weltweit marktführend in den jeweiligen Bereichen sind.
460
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
9.3.3 Ideen-Screening
Der Zweck von Ideensuche und Ideenförderung besteht darin, eine große Anzahl Ideen zu
generieren. Das Ziel der folgenden Prozessschritte wird es dagegen sein, diese so weit wie
möglich zu reduzieren. Die erste Phase umfasst das Ideen-Screening, durch welches zukunft-
strächtige Ideen herausgefiltert und unbrauchbare Vorschläge eliminiert werden sollen. Es
soll sichergestellt werden, dass nur absolut Erfolg versprechende Ideen in den Produktent-
wicklungsprozess, der hohe Kosten verursacht, gehen.
Viele Unternehmen lassen neue Produktideen in standardisierten Formularen verfassen, die
von einem Bewertungsgremium geprüft werden. Der Entwurf beschreibt ein Produkt oder
eine Dienstleistung, ein Leistungsversprechen für den Kunden, den Zielmarkt und den Wett-
bewerb. Er enthält eine grobe Schätzung der Marktgröße, des Verkaufspreises, Zeit und Kos-
461
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
ten der Entwicklung, Herstellungskosten und Rendite. Das Gremium bewertet die Idee dann
nach einer Reihe von Kriterien. Ein Marketingexperte wendet dafür das R-W-W-Schema
(„real, win, worth doing“) mit drei Fragestellungen zu dem Produkt an. Zuallererst, ist es pra-
xisnah? Gibt es einen echten Bedarf und Wunsch nach diesem bestimmten Produkt und wird
es tatsächlich gekauft? Gibt es ein klares Produktkonzept und wird das Produkt den Markt
befriedigen? Zweitens, können wir damit gewinnen? Bietet uns das konkrete Produkt einen
bedeutenden Wettbewerbsvorteil? Verfügt das Unternehmen über die Mittel, das Produkt
erfolgreich herzustellen? Und schließlich, lohnt es sich? Passt das konkrete Produkt zur all-
gemeinen Wachstumsstrategie des Unternehmens? Bietet es ausreichend Gewinnpotenzial?
Das Unternehmen sollte alle drei Fragestellungen mit Ja beantworten können, ehe die Pro-
duktidee weiterentwickelt wird.9
Im Produktentwicklungskomitee von Kao, einem japanischen Hersteller von Konsumgütern,
werden typischerweise folgende Fragen gestellt:
Ist das neue Produkt wirklich für die Verbraucher und für die Gesellschaft nützlich?
Ist es für unser Unternehmen gut, dieses Produkt anzubieten?
Fügt sich das neue Produkt reibungslos in die Zielvorgaben und Strategien unseres Unter-
nehmens ein?
Ist die Kosten-Nutzen-Relation unseres neuen Produkts jenen der Konkurrenzprodukte
überlegen?
Kann ein bestehendes Vertriebsnetz für das neue Produkt genutzt oder ein neues Vertriebs-
netz leicht aufgebaut werden?
Sind die physische Distribution (Lagerung, Transport, Logistik, Kühlketten), der Service
und die Versorgung mit Verbrauchsmaterial und Ersatzteilen gesichert?
Können wir auf Mitarbeiter, Fähigkeiten und Ressourcen zurückgreifen, die für eine
erfolgreiche Umsetzung notwendig sind?
Sind Werbung und Markteinführung für das neue Produkt leicht durchzuführen?
Ideen für neue Produkte, die in diesem Verfahren bestehen, können einem Bewertungsver-
fahren, wie in Tabelle 9.1 wiedergegeben, unterzogen werden.
Die Kopfspalte zählt einige Faktoren auf, die für die erfolgreiche Platzierung eines Produkts
nötig sind. In der zweiten Spalte findet sich der Gewichtungsmultiplikator, den die Unter-
nehmensleitung den einzelnen Faktoren beimisst. In diesem Beispiel werden die Fähigkeiten
bezüglich des Marketings mit einem Wert von 0,25 relativ hoch, entsprechende Kompetenz
im Sektor Beschaffung und Rohstoffe wird mit einem Wert von 0,05 nur sehr schwach
gewichtet.
Im Anschluss wird die Übereinstimmung zwischen den Anforderungen, die das neue Pro-
dukt an das Unternehmen stellt, und den Kapazitäten und Fähigkeiten des Unternehmens
anhand einer Skala zwischen 0,1 und 1,0 bewertet.
9 Siehe George S. Day, „Is it real? Can we win? Is it worth doing?“, Harvard Business Review, Dezember
2007, S. 110–120.
462
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
In dem hier angeführten Beispiel erreicht die Produktidee einen Wert von 0,76 und ist damit
am aussichtsreichen Ende der Skala für neue Produkte angesiedelt. An dieser Stelle soll
jedoch betont werden, dass diese Bewertung nur eine Grundlage für einen systematischen
Vergleich der Ideen bietet und noch nicht die Entscheidungsgrundlage für die Unterneh-
mensleitung darstellt.
Konzeptentwicklung
Nehmen wir an, ein Automobilhersteller könnte ein Elektroauto bauen, das 140 Stundenkilo-
meter fahren kann, eine Reichweite von 280 Kilometern hat, bevor es nachgetankt werden
muss und 45 Minuten benötigt, um an einer Steckdose wieder aufgeladen zu werden. Der
Hersteller schätzt die Betriebskosten des neuartigen Fahrzeugs auf die Hälfte der Betriebskos-
ten eines konventionellen Pkw.
Dies bezeichnen wir als Produktidee. Die Verbraucher jedoch kaufen keine Produktidee, sie
bestellen und kaufen ein Produktkonzept. Die Aufgabe der Marketingfachleute ist es nun,
463
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
464
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
Wie hoch läge Ihrer Ansicht nach der akzeptable Preis für ein derartiges Auto?
Wer wäre bei der Kaufentscheidung für ein solches Fahrzeug in Ihrer Familie oder in Ihrem Unternehmen beteiligt?
Wer würde dieses Auto fahren?
Würden Sie selbst ein derartiges Fahrzeug kaufen? (ganz bestimmt, wahrscheinlich, wahrscheinlich nicht, ganz
bestimmt nicht)
Tabelle 9.2: Fragen im Rahmen eines Konzepttests für ein Elektroauto (Forts.)
Die Beantwortung dieser Fragen unterstützt ein Unternehmen bei der Beurteilung, von wel-
chem der Konzepte sich potenzielle Käufer am stärksten angesprochen fühlen. Die letzte
Frage bezieht sich auf eventuell vorhandene Kaufabsichten. Wenn 10 Prozent der Befragten
antworten, sie würden „ganz bestimmt“ kaufen und weitere 5 Prozent, sie würden „wahr-
scheinlich“ kaufen, so lassen sich diese Daten auf die gesamte Zielgruppe hochrechnen, um
das potenzielle Verkaufsvolumen abzuschätzen. Natürlich lassen sich aus Konzepttests nur
ungefähre Prognosen künftiger Verkaufszahlen ableiten, da geäußerte Kaufabsichten oft nicht
tatsächlich realisiert werden. So mag mancher Autofahrer von dem Konzept des Elektroautos
spontan begeistert sein, möchte später jedoch nicht auf die höhere Leistung eines Benziners
verzichten.
Dennoch tragen diese Tests wesentlich dazu bei, die Stimmung potenzieller Käufer einzufan-
gen, mögliche Reaktionen auf das neue Produkt vorherzusehen und noch vor der Entwick-
lung zu erkennen, welche Aspekte des neuen Produkts von den Kaufinteressenten besonders
angenommen oder abgelehnt werden. Aus den Testergebnissen lassen sich Anregungen ablei-
ten, wie das Konzept verbessert und wie die Attraktivität für spätere Käufer erhöht werden
kann.
465
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
für nationale und lokale Werbung eingesetzt werden. Die Werbebotschaft wird sich auf den
Fahrspaß und die niedrigen Emissionswerte beziehen. Im ersten Jahr soll eine Marktstudie
für 100.000 Euro durchgeführt werden, um den vorherrschenden Käufertypus zu identifizie-
ren und die Zufriedenheit der ersten Kunden zu ermitteln.
Der dritte Teil beschäftigt sich mit den langfristigen Verkaufs- und Gewinnzielen und der
Gestaltung des Marketing-Mix.
Auf lange Sicht möchte das Unternehmen einen Marktanteil von drei Prozent und eine Kapi-
talrendite von 15 Prozent erzielen. Produktqualität und Zuverlässigkeit sollen von Anfang an
hoch sein und im Laufe der Zeit noch verbessert werden. Soweit die Wettbewerbsverhält-
nisse es zulassen, sollen im zweiten und im dritten Jahr die Preise leicht erhöht werden. Für
die Werbeausgaben wird eine Erhöhung von zehn Prozent jährlich vorgesehen. Die Ausgaben
für Marktforschung sollen nach dem ersten Jahr auf 60.000 Euro reduziert werden.
466
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
nen aufweist und auch die entsprechenden psychologischen Charakteristika mit sich bringt.
Das elektrisch angetriebene Auto zum Beispiel sollte den Kaufinteressenten schon im Proto-
typ als solide gebaut und sicher erscheinen. Die Unternehmensleitung muss daher wissen,
anhand welcher Kriterien Kaufinteressenten entscheiden, ob ein Auto gut gebaut ist. Einige
Käufer schlagen zum Beispiel die Tür zu, um den Klang zu hören. Hat das Auto „solide klin-
gende“ Türen, denken viele Verbraucher entsprechend, dass es gut gebaut sein müsse. Für
andere bedeutet es hingegen, dass das Auto schweren Belastungen im Crashtest standhält. Es
werden Verbrauchertests durchgeführt, in denen Kunden ein Testfahrzeug fahren und die
Eigenschaften des Wagens bewerten.
Bei der Entwicklung von Windows 10 beispielsweise setzte Microsoft 5 Millionen freiwillige
Tester für die Suche nach Computerfehlern ein, bekannt als Windows Insider. Damit sollte
nicht nur das Produkt verbessert, sondern auch Kundenbindung aufgebaut werden. Im
Windows-Insider-Programm erklärte sich eine Gruppe aus privaten und geschäftlichen Kun-
den bereit, eine Reihe früher Versionen herunterzuladen und auszuprobieren. Anschließend
gaben die Mitglieder des Programms ein Feedback – so wurde Windows 10 in einem Ausmaß
perfektioniert, wie es noch bis vor wenigen Jahren bei Microsoft undenkbar gewesen wäre.10
Wenn neue Produkte konstruiert und entworfen werden, sollte darauf geachtet werden, dass
diese nicht nur den Verbraucherwünschen und -bedürfnissen entsprechen. Auch die betrieb-
lichen Belange effizienter Produktion sollten in die Planungen einbezogen werden. Häufig
entwerfen Unternehmen neue Produkte, ohne zu beachten, wie die Produktion stattfinden
soll, und fixieren sich lediglich darauf, die Wünsche der Käufer zu erfüllen. In den Ferti-
gungsabteilungen sollen Techniker dennoch optimale Lösungen für eine kostengünstige und
zuverlässige Produktion finden.
9.3.8 Testmarkterprobung
Sobald ein Produkt die funktionalen Tests und erste Konsumententests bestanden hat, folgt
die Erprobung auf einem Testmarkt, in dem das Produkt und das Marketingprogramm einer
annähernd realistischen Umgebung ausgesetzt werden.
Eine Testmarkterprobung gibt den Anbietern die Gelegenheit, Erfahrungen mit der Vermark-
tung des Produkts zu sammeln, noch bevor hohe Investitionen für einen umfassenden Markt-
eintritt getätigt werden müssen. Ein Testmarkt erlaubt es dem Unternehmen, sein gesamtes
Marketingprogramm für das neue Produkt in realen Marktsituationen zu testen. Dazu gehö-
ren die Positionierung, die Werbung, die Logistik, die Preissetzung, das Markenmanagement,
die Verpackung und die Budgetverteilung. Ein Testmarkt gibt Aufschluss darüber, wie Ver-
braucher und Händler auf die Handhabung und Anwendung der Produkte reagieren und ob
es zum Wiederkauf kommt. Ein geeigneter Testmarkt kann reichhaltige Informationen über
den zu erwartenden Erfolg von Produkt und Marketingprogramm liefern, die gewonnenen
Daten bilden die Basis für Absatz- und Gewinnprognosen.
Die Entscheidung, ob ein Unternehmen der Markteinführung eine Erprobung auf Testmärk-
ten vorausgehen lässt, ist für jedes Produkt neu zu treffen und hängt einerseits von den Kos-
ten und Risiken der Markteinführung ab und andererseits von den Kosten der Tests, dem
Zeitdruck und den Zeitlimits, die für die Markteinführung gelten. Es bedarf einer sorgfältigen
Abwägung aller Vor- und Nachteile. Die Kosten können enorm sein, und die Durchführung
10 Dina Bass und Ashlee Vance, „The new old Windows“, Bloomberg BusinessWeek, 3.–9. August 2015,
S. 32–33.
467
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
kann Zeit kosten, die es den Konkurrenten ermöglicht, mit ihren neuen Produkten aufzuho-
len. Wenn Entwicklungs- und Einführungskosten für ein neues Produkt relativ gering sind
oder die Geschäftsführung sehr zuversichtlich ist, dass das neue Produkt Erfolg haben wird,
könnte das Unternehmen ein eng eingegrenztes Testmarketing durchführen oder ganz darauf
verzichten. Geringfügige Modifikationen bestehender Produkte, Imitationen von Konkur-
renzprodukten oder Produktlinienergänzungen erfordern ebenfalls kein umfassendes Test-
programm.
Wenn jedoch die Einführung des neuen Produkts mit großen Investitionen verbunden ist
oder wenn die Geschäftsleitung von dem Produkt oder dem Marketingprogramm nicht über-
zeugt ist, sollte das Unternehmen die Möglichkeiten ausführlicher Tests nutzen.
Testmärkte können auch zur Erprobung innovativer Dienstleistungen verwendet werden.
Wenn beispielsweise eine Fluggesellschaft das Einchecken per Mobiltelefon plant, könnte
dieser Service zunächst auf inländischen Routen eingeführt werden, bevor er auf internatio-
nale Flüge ausgeweitet wird. Ebenso könnte das Angebot auf den am stärksten frequentierten
Routen oder nur mit Vielfliegern erprobt werden. Die Effektivität des Systems und die
Akzeptanz der Konsumenten kann so beobachtet werden, bevor die Entscheidung getroffen
wird, den Service auf das globale Flugnetz auszuweiten.
In der Praxis werden immer wieder Produkte und Marketingprogramme längere Zeit getestet,
dann zurückgezogen und verändert und mehrere Male nach Anpassungen und Veränderun-
gen erneut getestet, bevor sie schließlich endgültig eingeführt werden. Die Kosten der Erpro-
bung auf Testmärkten sind hoch, aber im Vergleich zu ernsthaften Fehlgriffen bei einer end-
gültigen Produkteinführung sind sie als niedrig anzusehen.
Je nach Produkt und Marktsituation kommen in der Praxis drei Arten von Testmärkten zum
Einsatz:
Standard-Testmärkte
Kontrollierte Markttests (Store-Tests)
Marktsimulationen
Der Standard-Testmarkt
Auf einem Standard-Testmarkt wird das neue Produkt in Situationen getestet, die denen
einer vollen nationalen Markteinführung so weit wie möglich entsprechen. Das Unterneh-
men sucht eine kleine Anzahl repräsentativer Städte oder Regionen aus, in denen Händler
das neue Produkt in ihr Sortiment aufnehmen. Das Unternehmen führt in diesen Gebieten
eine umfassende Marketingkampagne mit Werbung und Sonderaktionen durch und setzt zur
Erfolgskontrolle Verbraucher- und Händlerumfragen sowie andere Maßnahmen ein. Die
Ergebnisse aus Statistiken und Umfragen dienen dazu, das nationale Verkaufsvolumen und
den Gewinn zu prognostizieren, eventuelle Schwächen des Produkts noch zu korrigieren
und das Marketingprogramm für die volle Produkteinführung zu optimieren.
Die Erprobung auf derartigen Testmärkten bringt gewisse Probleme mit sich:
Die Erprobung dauert sehr lange, einige Testmarktphasen werden erst nach drei bis fünf
Jahren abgeschlossen.
Eine umfangreiche Testmarkterprobung kann sehr teuer sein.
Die offene Erprobung auf einem Testmarkt verrät Konkurrenten zu einem sehr frühen Zeit-
punkt die eigenen Absichten. Diese können das Ergebnis beeinflussen und verfälschen,
indem sie im entsprechenden Gebiet Preise senken, verstärkt Werbemaßnahmen durch-
468
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
führen oder sogar das Produkt aufkaufen. Durch Testmarkterprobung gewinnt die Konkur-
renz Zeit, Verteidigungsstrategien zu entwickeln oder mit eigenen Produkten nachzuzie-
hen.
In Großbritannien wurde das „Kaffeeweißer“-Produkt Carnation „Coffee Mate“ sechs Jahre
lang auf Testmärkten erprobt. Das warnte die konkurrierende Cadbury-Gruppe zunächst und
gab ihr dann die Gelegenheit, ein eigenständiges Produkt namens „Marvel“ noch rechtzeitig
zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Trotz dieser offensichtlichen Schwächen wird die Methode des Standard-Testmarkts häufig
angewendet. Heute jedoch gehen viele Unternehmen zu kontrollierten Testmärkten oder
Marktsimulationen über, da diese schneller und billiger durchzuführen sind.
469
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
Marktsimulation
Die dritte Möglichkeit ist die Erprobung in einer Markt- beziehungsweise Kaufsimulation.
Einer Reihe von Versuchspersonen wird Werbung für eine größere Anzahl von Produkten
vorgeführt, darunter auch das neue Produkt, auf das sich der Test bezieht. Die Versuchsperso-
nen erhalten einen kleinen Geldbetrag und werden zu einem Einkauf eingeladen, entweder
in ein wirkliches Geschäft oder in ein entsprechend gestaltetes Testlabor, in denen sie ihr
Geld behalten oder ausgeben dürfen. Die Marktforscher zeichnen nun auf, wie viele der Ver-
suchspersonen das neue Produkt oder Konkurrenzprodukte kaufen. Eine Simulation dieser
Art zeigt auch, wie sich das neue Produkt und das dazu entworfene Marketingkonzept gegen
die etablierte Konkurrenz und ihr Marketing behaupten. Nach der Kaufentscheidung erfolgt
eine Befragung der Versuchspersonen darüber, warum sie bestimmte Produkte, darunter das
neue Produkt, gekauft oder nicht gekauft haben. Einige Wochen später werden die Versuchs-
personen telefonisch interviewt und über die Handhabung des neuen Produkts, die Zufrie-
denheit oder Unzufriedenheit und über die Wahrscheinlichkeit oder Absicht eines Wieder-
kaufs befragt. Aus diesen Marktsimulationen werden die zu erwartenden nationalen
Absatzzahlen hochgerechnet.
Solche Marktsimulationen vermeiden einige der Nachteile der anderen Methoden. Sie kosten
weniger, können in nur acht Wochen durchgeführt werden und das neue Produkt bleibt der
Konkurrenz noch verborgen. Andererseits ist aufgrund der kleinen Stichproben und des
simulierten Umfelds zu befürchten, dass diese Erprobungen nicht so aussagekräftig und
zuverlässig sind wie die größeren Tests, die unter realitätsnahen Bedingungen ablaufen. Den-
noch werden diese Marktsimulationen häufig durchgeführt, oft als Vortest vor größeren Test-
marktprojekten.
Die Vorteile solcher Marktsimulationen liegen auf der Hand:
Sie sind zeitsparend und kostengünstig durchzuführen.
Ein oder mehrere Tests können sehr schnell einen Eindruck darüber verschaffen, wie ein
neues Produkt und sein Marketingprogramm voraussichtlich aufgenommen werden.
Wenn die Ergebnisse einer Marktsimulation sehr positiv ausfallen, kann riskiert werden,
das Produkt ohne weitere Tests auf dem Markt einzuführen.
Sollten die Ergebnisse eines derartigen Vortests sehr negativ ausfallen, kann das Produkt
entweder aufgegeben oder grundlegend modifiziert und dann erneut getestet werden.
Wenn das Ergebnis einige vielversprechende Tendenzen erkennen lässt, man sich aber
noch unsicher ist, können Produkt und Marketing zusätzlich mittels Standard-Testmarkt
oder kontrolliertem Testmarkt erprobt werden.
Marktsimulationen können auch in virtuellen Geschäften durchgeführt werden. Für diese
Form der Marktforschung sprechen vor allem die geringeren Kosten und Zeitersparnisse
gegenüber herkömmlichen Methoden. Gerade bei Herstellern und Verkäufern von Kon-
sumgütern wird es immer mehr zum Standard, in der Marktforschung virtuelle Läden ein-
zusetzen. Richtig durchgeführt, vermitteln sie sogar ein präziseres Bild über spontane
Kaufentscheidungen und andere Kaufgewohnheiten. Virtuelle Ladensimulationen können
helfen, das Kundenverhalten im Laden zu verstehen und Geschäfte und Merchandising-
programme genau auf die Bedürfnisse der Kunden zuzuschneiden.
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
9.3.9 Markteinführung
Die Erprobung auf Testmärkten liefert der Geschäftsleitung die notwendigen Informationen
für die Entscheidung, ob sie ein Produkt auf den Markt bringen soll. Eine umfassende Markt-
einführung geht mit enormen Kosten einher. Im Bereich der Konsumgüter können unter
Umständen im ersten Jahr mehrere Hundert Millionen Euro für Werbung, Verkaufsförderung
und weitere Marketingmaßnahmen angesetzt werden.
Auch entsprechende Produktionskapazitäten müssen bereitgestellt werden. Im Einzelfall
kann das den Aufbau, die Anmietung oder die Renovierung ganzer Fabrikanlagen bedeuten.
Es müssen ausreichende Finanzmittel vorhanden sein, um im Fall steigender Nachfrage die
Produktion auszuweiten oder zu beschleunigen, damit kein Freiraum für einen Markteintritt
der Konkurrenz entsteht.
Ein Unternehmen, das ein neues Produkt auf den Markt bringen möchte, sollte Entscheidun-
gen in vier Dimensionen treffen (siehe Tabelle 9.3).
471
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
472
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
wichtigen Märkte wurden innerhalb eines Monats nach der Einführung auf dem US-Markt
mit dem neuen Produkt bedient. Innerhalb von zwölf Monaten sollte das neue Produkt auf 90
Exportmärkten verfügbar sein. Das derart zügige Vorgehen überrumpelte die ausländische
Konkurrenz und stärkte die Position der jeweiligen Marke von Procter & Gamble, bevor die
nationalen Anbieter ihre Position aufbauen konnten. Procter & Gamble hat inzwischen bei
zahlreichen neuen Produkten die Markteinführung nach diesem Schema durchgeführt.
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
474
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte
Doch auch der Ansatz der simultanen Entwicklung hat seine Grenzen. Eine extrem beschleu-
nigte Produktentwicklung kann sich als riskanter und kostspieliger erweisen als der konven-
tionelle, ruhiger und überlegter verlaufende Prozess. Sie kann organisatorische Spannungen
und Verwirrung hervorrufen. Zudem besteht das Risiko, dass eine verkürzte Entwicklungs-
phase die Qualität des Produkts beeinträchtigt. In sehr dynamischen Branchen mit ohnehin
kurzen Produktlebenszyklen überwiegen jedoch die Vorteile einer schnellen und flexiblen
Produktentwicklung bei Weitem die Risiken. Unternehmen, die neue oder verbesserte Pro-
dukte schneller als die Konkurrenz auf den Markt bringen, können entscheidende Wettbe-
werbsvorteile erringen. Sie sind in der Lage, schneller auf Geschmacksänderungen der Käu-
fer zu reagieren und können dadurch Preisaufschläge für ihre überlegenen Produkte
durchsetzen.
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
Der Erfolg von Produktentwicklungen beruht also nicht nur auf einer speziellen organisatori-
schen Struktur. Es kommt vielmehr darauf an, dass sich die Unternehmensleitung mit der
Aufgabe der Innovation identifiziert und der stetigen Produkterneuerung Priorität einräumt.
Die Vision der Innovation muss an Mitarbeiter aller Ebenen des Unternehmens weitergege-
ben und von diesen verinnerlicht werden. Die Unternehmensleitung sollte jedoch nicht nur
die entsprechenden Werte vermitteln, sie muss auch angemessene Mittel und Ressourcen für
Produktinnovationen bereitstellen. Auch das Informations- und Kommunikationssystem des
Unternehmens sollte so beschaffen sein, dass es Lernprozesse ermöglicht und allen Beteilig-
ten des Entwicklungsprozesses Zugriff auf relevante Informationen gewährt.
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9.4 Der Produktlebenszyklus
Absatz
und Gewinn
Absatzkurve
Gewinnkurve
0
Zeit
Entwicklung
des Produkts Markt- Wachstum Reifephase Degeneration
einführung
Verluste
Abbildung 9.3: Der Produktlebenszyklus
Entwicklung des Produkts Das Stadium der Produktentwicklung beginnt, wenn das
Unternehmen eine Idee für ein neues Produkt entwickelt hat und sich entschließt, das
Produkt herzustellen. Während der Entwicklungsphase entstehen noch keine Verkaufser-
löse, das Unternehmen hat jedoch erhebliche Kosten.
Markteinführungsphase Die Markteinführung ist eine Phase, in welcher der Absatz lang-
sam wächst, während das Produkt eingeführt wird. Gewinne entstehen noch nicht, da die
Markteinführung des Produkts hohe Kosten verursacht.
Wachstumsphase Während des Wachstums kommt es zur schnellen Akzeptanz des Pro-
dukts am Markt, der Absatz steigt deutlich an und Gewinne werden erzielt.
Reifephase In dieser Phase verlangsamt sich das Wachstum, da jetzt so gut wie alle poten-
ziellen Kunden gekauft haben. Die Gewinne geraten unter Druck, da nun die Marke-
tingaufwendungen wieder steigen, um das Produkt gegen die Konkurrenz und gegen Imit-
ationen zu verteidigen.
Degenerationsphase In dieser Phase geht der Absatz zurück und die Gewinne fallen. In
vielen Fällen läuft das Produkt aus, um durch einen Nachfolger ersetzt zu werden.
Nicht alle Produkte folgen zwangsläufig dieser Grundform des Produktlebenszyklus. Einige
Produkte werden eingeführt und verschwinden schnell, ohne alle Stadien zu durchlaufen.
Andere Produkte verbleiben sehr lange Zeit im Reifestadium oder können nach Eintritt in die
Degenerationsphase durch eine Überarbeitung des Marketing-Mix, einen sogenannten
Relaunch, in eine erneute Wachstumsphase gebracht werden. Es hat zudem den Anschein,
dass eine gut geführte Marke prinzipiell ewig leben kann. Marken wie Coca- Cola, Persil,
Nivea oder Guinness bestehen und florieren seit vielen Jahrzehnten, Guinness sogar schon
seit über 250 Jahren.
477
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
Strategien
Produkt Basisprodukt anbieten Varianten anbie- Marke und Ausfüh- Produktpalette
ten, mehr Kunden- rungen diversifizie- reduzieren
dienst, Garantie ren
usw.
Preis kostenorientierter Preis Preis senken, um Reaktion auf Preis- Preisreduzierung
hohen Marktan- senkung der Kon-
teil zu erreichen kurrenz
Vertriebsnetz selektiver Vertrieb intensiven Vertrieb Intensivierung noch- Selektion: aus Kos-
aufbauen mals verstärken tengründen nur leis-
tungsfähige Partner
behalten
Werbung Produktbekanntheit Produktbekannt- Produktmerkmale auf ein Minimum
beim Handel und den heit auch auf den und Produktnutzen reduzieren, um die
frühen Adoptern her- Massenmärkten besonders hervorhe- loyalen Kunden zu
stellen herstellen ben halten
Verkaufsförde- mit Verkaufsförderung Verkaufsförde- mehr Verkaufsförde- auf unbedingt not-
rung und Sonderaktionen rung zurückneh- rung, um zum wendige Aktionen
zum Testkauf animie- men und starke Wechsel zu ermuti- reduzieren
ren Nachfrage aus- gen
nutzen
Tabelle 9.4: Merkmale, Ziele und Strategien im Verlauf der Phasen des Produktlebenszyklus
Das Konzept des Produktlebenszyklus kann auf ganze Produktklassen (zum Beispiel Autos mit
Benzinmotoren), auf eine Produktform (zum Beispiel Cabriolets), auf ein bestimmtes Modell
(VW Golf) oder auf ein einzelnes Produkt angewendet werden. Die Anwendungen des Produkt-
lebenszykluskonzepts auf eine Produktklasse, eine Produktform oder ein Einzelprodukt brin-
gen unterschiedliche Ergebnisse hervor. Produktklassen haben typischerweise die längsten
Produktlebenszyklen. Viele Produktklassen verbleiben über lange Zeiträume im Reifestadium.
478
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9.4 Der Produktlebenszyklus
Produktformen haben häufiger den typischen Verlauf eines Produktlebenszyklus. Als Beispiel
können das Wählscheibentelefon oder die Schallplatte dienen: Diese Produkte durchliefen
einen normalen Produktlebenszyklus mit Entwicklungsphase, Markteinführung, Wachstum-
sphase, Reifephase und Degeneration. Der spezifische Produktlebenszyklus einer einzelnen
Marke oder eines Produkts kann aufgrund von Angriffen oder Reaktionen der Konkurrenz sehr
schnellen Veränderungen unterworfen sein. Während beispielsweise Zahnpflegeprodukte (als
Produktklasse) und Zahnpasta (Produktform) sehr lange Produktlebenszyklen genießen, tau-
chen einzelne Zahnpastamarken am Markt auf und verschwinden schnell wieder, ihr Produkt-
lebenszyklus ist kurz.
Auch auf Stile, Moden oder Trends kann das Konzept des Produktlebenszyklus angewandt
werden. Ihre besonderen Lebenszyklen sind in Abbildung 9.4 dargestellt. Als Stil bezeichnet
man übergeordnete künstlerische, handwerkliche oder historische Ausdrucksformen wie
zum Beispiel bei Möbeln und Architektur (viktorianisch, Jugendstil, Moderne), in der Klei-
dung (Business-Kleidung, Freizeitkleidung, Trachten) oder in der Kunst. Wenn sich einmal
ein Stil gebildet hat, kann er über Generationen Gültigkeit behalten, er unterliegt dann meis-
tens kleineren Schwankungen von Desinteresse und erneutem Interesse.
Brompton, der in London ansässige Hersteller von Falträdern, hat z.B. bei Pendlern in vielen
englischen Städten sowie in Deutschland, Hongkong, Singapur, Japan und den Vereinigten
Staaten einen Kult ausgelöst und verkauft jährlich etwa 45.000 Exemplare. Das Rad, das ein
unverwechselbares Design hat, kann mit wenigen Handgriffen zusammengeklappt werden.
Dabei ist es weniger bei enthusiastischen Radfahrern beliebt als bei Berufspendlern in den
Städten, die des öffentlichen Nahverkehrs und der angespannten Verkehrslage vielerorts
überdrüssig sind. Bei seinen Nutzern hat das Faltrad zu einer fast fanatischen Loyalität und
einer starken Identifizierung innerhalb dieser Gruppe geführt.11
Eine Mode ist ein für kurze Zeit akzeptierter oder populärer Stil auf einem bestimmten
Gebiet. Die Grundtendenz der Bekleidungsmode pendelt über die Jahre meistens hin und
her, zwischen eng und weit, lang und kurz, hell und dunkel und bunt oder einfarbig. Als
Mode durchläuft sie viele Stadien. Zunächst lassen sich einige wenige Kaufinteressenten von
etwas begeistern, das ihnen besonders schick vorkommt. Es folgen andere, häufig in dem
Wunsch, die Führenden zu imitieren. Jetzt wird die neue Mode langsam populär und vom
Massenmarkt aufgenommen. Die Führungsgruppe sieht sich jetzt schon nach Neuem um. In
dem Moment, wo die Mode endlich weitverbreitet ist, beginnt ihr Abstieg. Für Modetrends
lässt sich vorhersagen, dass sie langsam wachsen, für eine bestimmte Zeit sehr beliebt sind
und dann langsam wieder verschwinden. Mit dem Produktlebenszyklus lässt sich diese Ent-
wicklung einfach und übersichtlich darstellen.
11 Brendan Greeley, „Into the fold“, Bloomberg BusinessWeek, 3. April 2014, S. 83–85.
479
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
Umsatz
Umsatz
Zeitablauf Zeitablauf Zeitablauf
Abbildung 9.4: Produktlebenszyklen für Stil, Mode und Trends
Trends sind Moden, die sehr kurzfristig eingeführt werden, schnell an Akzeptanz gewinnen,
früh ihren Höhepunkt erreichen und entsprechend schnell wieder aus der Mode kommen. Sie
sind oft kurzlebig und nur unter bestimmten Gruppen verbreitet. Meist haben Trends einen
gewissen Neuheitscharakter, wie beispielsweise der „Rubik’s Zauberwürfel“, Yo-Yos oder Bub-
ble Tea. Auch die 1997 erschienenen elektronischen Haustierchen namens „Tamagotchi“ gehö-
ren in diese Kategorie. Junge Leute, Jugendliche, Kinder und alle, die nach Abwechslung oder
Aufregung suchen, springen auf einen solchen Zug auf. Die Produkte selbst überleben nicht
lange, da sie nicht darauf ausgelegt sind, starke oder andauernde Bedürfnisse zu befriedigen.
Das Konzept des Produktlebenszyklus dient in der Praxis häufig als Erklärungsrahmen, um zu
beschreiben, wie sich Produkte und Märkte mit der Zeit wandeln. Als Grundlage für die Vor-
hersage der Erfolgsaussichten eines Produkts oder zur Entwicklung einer Marketingstrategie
eignet sich das Konzept nur bedingt. In der Regel lässt sich nicht identifizieren, in welcher
Phase des Lebenszyklus sich das Produkt zum aktuellen Zeitpunkt befindet, wann der Über-
gang in das nächste Stadium stattfinden wird und welche Kräfte das Produkt im Produktle-
benszyklus voranbringen. In der Praxis ist es sehr schwierig, konkrete Absatzzahlen, die Länge
der einzelnen Stadien und die Form der Kurve vorherzusagen. Zur Entwicklung einer Marke-
tingstrategie kann das Konzept nur unter Vorbehalt verwendet werden, da eine solche Strategie
sowohl die Ursache als auch das Ergebnis des konkreten Lebenszyklus eines Produkts darstellt.
Sind diese Einschränkungen bekannt und werden entsprechend sie respektiert, kann das
Konzept des Produktlebenszyklus allerdings unterstützend angewendet werden, um Marke-
tingstrategien zu entwickeln und umzusetzen.
Allerdings sollten Marketingverantwortliche ihre Produkte nicht blind durch die traditionel-
len Etappen der Produktlebenszyklen schieben. So erklärt ein Marketingexperte: „Solange
Vermarkter instinktiv an dem alten Lebenszyklus-Paradigma festhalten, werden sie ihre Pro-
dukte unnötigerweise dem Schicksal übergeben, der Alterungskurve zu folgen und in die
Reife- und Degenerationsphase zu gelangen.“ Kluge Marketingverantwortliche widersetzen
sich daher den alten „Regeln“ des Lebenszyklus und positionieren ihre Produkte auf unge-
wöhnliche oder besondere Weise. „Dadurch kann man Produkte vor dem Absturz in die Rei-
fephase retten und sie zurück in die Wachstumsphase holen. Andererseits lassen sich auch
neue Produkte nach vorn in die Wachstumsphase katapultieren, indem man Hindernisse
beseitigt, die die Akzeptanz der Kunden beeinträchtigen könnten.“
Nachdem wir uns die Lebenszyklusphase der Produktentwicklung angeschaut haben,
betrachten wir im Folgenden Strategien für jede der übrigen Lebenszyklusphasen.
480
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9.4 Der Produktlebenszyklus
481
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
eventuell nachhaltige spätere Gewinne und Stabilität aufs Spiel setzt. Während das Produkt
die einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus durchläuft, müssen Preis, Kommunikation und
andere Marketinginstrumente kontinuierlich angepasst werden. Ein Pionier besitzt die besten
Aussichten, eine Marktführerschaft aufzubauen und zu halten, wenn er von Anfang an syste-
matisch vorgeht und seine Strategie für den gesamten Produktlebenszyklus plant.
482
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9.4 Der Produktlebenszyklus
schwächeren Wettbewerber ausscheiden. Häufig bleiben in einer Branche dann nur noch
große finanzstarke Unternehmen übrig.
Obwohl viele Produkte den Anschein erwecken, lange Zeit unverändert angeboten worden zu
sein, sind die erfolgreichsten unter ihnen immer wieder an die sich ändernden Kundenbedürf-
nisse angepasst worden. Die verantwortlichen Produktmanager sollten in dieser Phase mehr
tun, als nur das ausgereifte oder eventuell schon veraltete Produkt zu verkaufen, eine Offensive
mit Produktinnovationen ist zumeist die beste Verteidigung der Position des Unternehmens.
Hierfür bieten sich folgende Stoßrichtungen an:
Innovation auf den Märkten (Marktentwicklung)
Innovation am Produkt (Produktentwicklung)
Änderung des Marketing-Mix
Marktentwicklung
Bei dieser Strategie versucht ein Unternehmen, den Verbrauch oder die Nutzung des vorhan-
denen Produkts durch Marketingmaßnahmen zu erhöhen. Es repositioniert die Marke, um
neue Käufer zu gewinnen oder auf einem Markt, den es bisher nicht bedient hat, Fuß zu fas-
sen. Häufig versucht ein Unternehmen, ein größeres oder schneller wachsendes Marktseg-
ment wie beispielsweise neue Altersgruppen für die Nutzung zu gewinnen. Auch auf eine
Steigerung der Nutzungshäufigkeit unter den gegenwärtigen Kunden kann man abzielen.
Zum Beispiel sendet Amazon seinen bestehenden Kunden regelmäßig E-Mail-Nachrichten,
in denen sie über Neuerscheinungen ihrer Lieblingsautoren oder Interpreten informiert wer-
den. Andere Marken wie Harley Davidson und Axe Düfte, deren Zielgruppe typischerweise
männlich ist, führen Produkte und Marketingprogramme für Frauen ein. Umgekehrt hatte
WeightWatchers bislang hauptsächlich weibliche Zielkunden, entwickelt heute jedoch auch
Produkte und Programme für männliche Kunden
Produktentwicklung
Um neue Käuferschichten zu gewinnen, kann das Unternehmen das Produkt insgesamt ver-
ändern oder verbessern. Derartige Änderungen sind möglich bei Qualität, Funktionalität,
Design usw.
Qualitätsverbesserung Die Strategie der Qualitätsverbesserung zielt darauf ab, die Leistungs-
fähigkeit des Produkts zu erhöhen. Das weiterentwickelte Produkt besitzt beispielsweise eine
längere Lebensdauer, höhere Zuverlässigkeit, höhere Geschwindigkeit oder einen besseren
Geschmack. Um die Produktlinien für die heutigen technologiebegeisterten Kinder interes-
sant zu machen, entwickeln viele traditionelle Spielzeug- und Spielehersteller zum Beispiel
neue digitale Versionen oder Ergänzungen für die alten Klassiker. Mehr als 75 Prozent der
Kinder im Alter von acht Jahren oder jünger nutzen heute mobile Geräte wie Tablets und
Smartphones. Die Spielzeughersteller modernisieren also ihre Produkte, um den Geschmack
der neuen Generation zu treffen. Bei der elektronischen Bankversion von Monopoly gibt es
zum Beispiel Kreditkarten statt Papiergeld, die Hot-Wheels-Autos können über die Hot
Wheels Apptivity App von einem iPad aus gesteuert werden und die Barbie „Photo-Fashion“
besitzt eine eingebaute Kamera.12
12 Stephanie Clifford, „Go digitally, directly to jail? Classic toys learn new clicks“, New York Times, 25.
Februar 2012; Anya Kamenetz, „Study: 75% of kids under age 8 use mobile devices“, Fast Company,
28. Oktober 2013, www.fastcompany.com/3020755/fast-feed/study-75-of-kids-under-age-8-use-mo-
bile-devices sowie http://mattelapptivity.com/app-toys-games/hot-wheels/, Zugriff September 2014.
483
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
Funktionsergänzungen Das Produkt kann um neue Funktionen erweitert werden, die seinen
Nutzen, die Sicherheit oder Bedienerfreundlichkeit steigern. Mobilfunkanbieter fügen ihren
Diensten und Telefonen regelmäßig neue Funktionen hinzu und Automobilhersteller entwi-
ckeln ihre Modelle stets weiter. Funktionsergänzungen gründen häufig auf technologischen
Innovationen, die das Produkt wiederbeleben.
Änderungen im Design und neue Varianten Diese Kategorie der Produktentwicklung zielt
darauf ab, die Attraktivität des Produkts zu erhöhen. In der Automobilindustrie bieten Her-
steller beispielsweise immer wieder neue Designs ihrer etablierten Modelle an. Auch die
Anbieter von Nahrungsmitteln oder Haushaltsprodukten führen neue Geschmacksrichtun-
gen, neue Farben, Inhaltsstoffe oder neue Verpackungen ein, um die Nachfrage zu beleben.
Änderungen im Marketing-Mix
Bei diesem Ansatz versucht man, den Absatz zu erhöhen, indem ein oder mehrere Elemente
des Marketing-Mix verändert werden. Preissenkungen zielen beispielsweise darauf ab, neue
Kunden oder die der Konkurrenz anzuziehen. Das gleiche Ziel verfolgt verbesserte und
intensivere Werbung. Gewinnspiele, Preisausschreiben oder Sonderaktionen im Handel zie-
len auf eine kurzfristige Absatzsteigerung ab. Das Erschließen neuer Vertriebskanäle kann
neue Käufer anziehen. Der Computerhersteller Dell führte zum Beispiel erfolgreich den Tele-
fonversandhandel von Computern ein. Schließlich kann ein Unternehmen auch neue oder
verbesserte Dienstleistungen anbieten.
484
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9.4 Der Produktlebenszyklus
Ein schwaches Produkt zu lange weiterzuführen, stellt aus folgenden Gründen ein gewisses
Risiko dar:
Aus diesen Gründen sollte sich das Marketing bewusst mit alternden Produkten auseinan-
dersetzen. Produkte, die sich im Stadium der Degeneration befinden, müssen durch eine ste-
tige Überprüfung von Absatzzahlen, Marktanteilen, Kosten und Gewinnentwicklung identifi-
ziert werden. Dann ist zu entscheiden, ob die einzelnen Produkte weitergeführt werden
können oder ob sie eingestellt werden müssen.
Möglicherweise entscheidet sich ein Unternehmen dafür, ein Produkt unverändert weiterzu-
führen, in der Hoffnung, dass die Wettbewerber sich vom Markt zurückziehen werden. Proc-
ter & Gamble erzielte gute Gewinne im rückläufigen Geschäft mit Flüssigseife, während
einige wichtige Konkurrenten den Markt aufgaben. Eine weitere Möglichkeit ist die Repositi-
onierung des Produkts mit dem Ziel, noch einmal in die Wachstumsphase des Produktle-
benszyklus zurückzukehren.
Die Unternehmensleitung kann auch die Entscheidung treffen, ein Produkt regelrecht „aus-
zuschlachten“. Dies bedeutet, dass alle Kosten, wie die Kosten der Fertigung, der Forschung
und Entwicklung, der Werbung und des Außendienstes, radikal reduziert werden, in der
Hoffnung, dass dennoch ein gewisser Absatz realisiert wird. Ist diese Strategie erfolgreich,
entstehen kurzfristig finanzielle Rückflüsse und zusätzliche Gewinne. Eine andere Möglich-
keit wäre, das Produkt vollständig aus der Produktpalette zu entfernen oder die Marke zu
verkaufen.
Nachdem nun die theoretischen Grundlagen behandelt worden sind, soll im nachfolgenden
Exkurs aufgezeigt werden, in welchen Lebenszyklusphasen sich typische Produkte wie Tief-
kühlkost, Kameras und Handys befinden.
485
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
1. Tiefkühlkost in Deutschland
Ein Produkt, das sich in seinem Produktlebenszyklus noch immer in der Wachstum-
sphase befindet, ist die Tiefkühlkost. Wie aus Abbildung 9.5 ersichtlich wird, ist sowohl
der Absatz als auch der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten
kontinuierlich angestiegen.
Abbildung 9.5: Absatz- und Umsatzentwicklung sowie Pro-Kopf-Verbrauch von Tiefkühlkost 1996–2016
Quelle: dti, Deutsches Tiefkühlinstitut e. V. (mit freundlicher Genehmigung)
486
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9.4 Der Produktlebenszyklus
Dem Deutschen Tiefkühlinstitut e. V. zufolge sind tiefgekühlte Produkte bei den Deut-
schen auch heute beliebt wie eh und je. Das vielfältige Angebot aus den Tiefkühlabtei-
lungen des Lebensmittelhandels ist für die tägliche Ernährung nicht mehr wegzuden-
ken. Die Deutschen schätzen das TK-Angebot vor allem, weil es Gemüse und Obst
ganzjährig und vitaminreich zugänglich macht. Zudem entspricht Tiefkühlkost in idea-
lem Maß den modernen Verbraucherwünschen nach Zeitersparnis beim Kochen und
Genuss beim Essen.
487
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
Abbildung 9.6: Absatzzahlen von Smartphones und Digitalkameras zwischen 2013 und 2017
(Quelle: GfK)
488
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Zusammenfassung
Z US A M M EN FA SSU N G
Unternehmen, die am Markt bestehen wollen, müssen ihr Produkt- und Dienstleistungs-
angebot immer wieder erneuern. Jedes Produkt hat nur eine begrenzte Lebensdauer und
muss über kurz oder lang durch neue Produkte ersetzt werden. Ein neues Produkt kann
jedoch auch scheitern. Die Risiken von Innovationen sind ebenso groß wie die Chancen.
Die Aussichten für eine erfolgreiche Innovation sind dann als günstig anzusehen, wenn
das gesamte Unternehmen in diese Aufgabe einbezogen wird und wenn die Innovation
konsequent auf die Anforderungen des Markts ausgerichtet ist. Hierzu sollte man im
Unternehmen einen systematischen Produktinnovationsprozess etablieren.
Der Entwicklungsprozess für neue Produkte erfolgt in neun Schritten:
Entwicklung einer Innovationsstrategie
Suche nach Produktideen
Ideen-Screening
Konzeptentwicklung und Konzepttest
Entwicklung einer Marketingstrategie
Analyse der Marktfähigkeit
Produktentwicklung
Testmarkterprobung
Markteinführung
Nach jedem der einzelnen Schritte erfolgt eine Entscheidung über die Weiterführung
oder die Einstellung der Produktentwicklung.
Für jedes Produkt kann ein Produktlebenszyklus aufgestellt werden. Der typische Pro-
duktlebenszyklus stellt sich als S-förmige Kurve dar, die fünf Teilbereiche aufweist:
Die Phase der Produktentwicklung
Die Markteinführungsphase
Die Wachstumsphase
Die Reifephase
Die Degenerationsphase
Der Produktlebenszyklus beginnt mit der Phase der Produktentwicklung, in welcher das
Unternehmen eine Idee für ein neues Produkt findet und in der Folge das Produkt bis
zur Marktreife entwickelt.
Die Phase der Markteinführung ist gekennzeichnet durch langsames Wachstum und
keine oder niedrige Gewinne, da das Produkt erst einen geringen Bekanntheitsgrad
besitzt und hohe Werbeaufwendungen nötig sind.
Verläuft die Markteinführung erfolgreich, erreicht das Produkt die Wachstumsphase.
Der Absatz wächst schnell und es stellen sich in der Regel Gewinne ein. Um diese Phase
zu verlängern, versucht das Unternehmen das Produkt zu verbessern und neue Markt-
segmente und Distributionskanäle zu bedienen. Geringe Preissenkungen können den
Absatz fördern.
489
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien
Tritt das Produkt in das Stadium der Reife ein, verlangsamt sich das Absatzwachstum
und die Gewinne sind relativ stabil. Das Unternehmen versucht, den Absatz zu beleben,
indem die Märkte, das Produkt und der Marketing-Mix überprüft und gegebenenfalls
angepasst werden.
Schließlich folgt die Degenerationsphase, in der Absatz und Gewinn deutlich sinken. Die
Aufgabe der Unternehmensleitung besteht darin, den Eintritt in diese Phase rechtzeitig zu
erkennen und zu entscheiden, ob das Produkt weitergeführt oder eingestellt werden soll.
490
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492
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Grundsatzüberlegungen und
Einflussgrößen der
Preissetzung
ÜBERBLICK
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... erklären, was ein Preis ist und die Relevanz der Preispolitik in den heute sich
schnell wandelnden Zeiten beschreiben.
... die wichtigsten Preisstrategien beschreiben und erklären, warum die Nutzenerwar-
tungen der Kunden, die Unternehmenskosten und die Strategien der Wettbewerber
die Preissetzung beeinflussen.
... beurteilen, wie interne und externe Einflussgrößen auf die Preisentscheidung wir-
ken.
10.1 Einführung
In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit dem zweiten großen Instrument des Marketing-Mix
– mit dem Preis. Wenn wir die effektive Produktentwicklung, die Werbung und die Distribu-
tion als Saat betrachten, die für den Geschäftserfolg gesät wurde, dann stellt eine effektive
Preisgestaltung die Ernte dar. Unternehmen, die erfolgreich darin sind, mit Maßnahmen der
drei erstgenannten Pfeiler des Marketing-Mix einen Nutzen für ihre Kunden zu schaffen, müs-
sen dennoch den Preis, den sie erhalten, in die Gestaltung miteinbeziehen. In diesem Kapitel
klären wir, wie wichtig der Preis ist, betrachten die wichtigsten Preisstrategien und schauen
uns an, wie interne und externe Einflussgrößen auf die Preisgestaltung wirken. Im darauffol-
genden Kapitel werden wir weitere Aspekte und Ansätze der Preisgestaltung betrachten.
Beginnen wir das Thema Preissetzung mit dem Beispiel Ryanair. Ryanair hat die Preisgestal-
tung im Luftfahrtbereich in den letzten zwei Jahrzehnten komplett auf den Kopf gestellt und
damit die zuvor den Markt dominierenden Fluggesellschaften gegen sich aufgebracht – wäh-
rend sein eigener Marktanteil wächst und wächst. Für Ryanair ist das Motto „Billig“ nicht
nur eine Idee, es ist eine Leidenschaft.
Für die meisten großen Fluglinien ist die Festlegung einer Preisstrategie in dieser für
das Fluggeschäft harten Zeit schwierig. Die Ansätze sind extrem unterschiedlich. Eine
Airline hat aber offenbar eine radikale neue Lösung gefunden – und die werden Kunden
ganz sicher lieben: Das Fliegen wird kostenlos! Sie lesen richtig. Michael O’Leary, Vor-
standsvorsitzender der Ryanair mit Sitz in Dublin, träumt davon, dass eines Tages alle
Ryanair-Passagiere kostenlos fliegen können. Und bei einem derzeitigen Durch-
schnittspreis von 83,45 Euro pro Ticket (im Vergleich zu 89,97 Euro beim schärfsten bri-
tischen Konkurrenten easyJet und happigen 206,76 Euro bei FlyThomasCookSouthwest)
nähert sich Ryanair diesem Ziel. Obwohl man damit noch hinter dem Branchenführer
zurückliegt – bei Pegasus kostet das Ticket im Durchschnitt 63,19 Euro – ist Ryanair
führend auf dem westeuropäischen Markt der Billigflieger.
Von sich selbst behaupten sie stolz: „Wir sind der einzige Tiefstpreis-Anbieter Europas,
und das heißt, wir bringen Sie mit unseren Flügen zu den niedrigsten Preisen an sämtli-
che Ziele – garantiert. Von dem Zeitpunkt an, da Ryanair das schnörkellose, preisgünstige
Angebot ‚Von A nach B‘ einführte, haben wir die Flugbranche weitgehend revolutioniert.
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10.1 Einführung
Wir bringen Sie von A nach B, und das billiger und zuverlässiger als jede andere Air-
line.“ Selbst ohne wirklich kostenlose Flüge wurde Ryanair zu Europas beliebtester
Fluglinie. Im letzten Jahr brachte Ryanair über 80 Millionen Passagiere an mehr als 179
europäische Ziele in 29 Ländern. Die preisgünstige Airline ist auch die profitabelste in
Europa. Während die internationale Flugbranche weltweit insgesamt fast 40 Milliarden
Euro Verlust machte, konnte Ryanair in neun der letzten zehn Jahre solide Nettoge-
winne verzeichnen. Angesichts voraussichtlich steigender Kerosinkosten, einbrechen-
der europäischer Märkte und anderer zu erwartender Schwierigkeiten für die Luftfahrt
scheint Ryanair für die turbulenten Zeiten gut gerüstet.
Worin liegt das Geheimnis? Ryanairs sparsame Kostenstruktur lässt selbst die preisbe-
wusste Airline Southwest wie einen hemmungslosen Verschwender dastehen. Daneben
erzielt die irische Fluglinie Einnahmen aus sämtlichen anderen Bereichen außer den
Ticketpreisen, von Gebühren für die Gepäckaufgabe bis hin zu Werbeflächen an der Rück-
seite der Sitze. Ryanair hat seine Kostenstruktur an der von Southwest angelehnt. Vor 20
Jahren, als Ryanair nur einer von vielen um ihre Existenz ringenden europäischen Anbie-
tern war, reiste O’Leary nach Dallas und traf sich mit Führungskräften von Southwest, um
etwas von ihnen zu lernen. Das Ergebnis war eine Generalüberholung des Geschäftsmo-
dells beim irischen Fluganbieter. Nach Maßgabe von Southwest zur Kosteneinsparung
setzte Ryanair von nun an nur noch einen einzigen Flugzeugtyp ein – die gute alte Boeing
737. Ferner konzentrierte man sich ebenso wie Southwest auf kleinere, sekundäre Flughä-
fen und bot freie Platzwahl an. Doch Ryanair führte das kostensparende Preismodell von
Southwest noch weiter. Wenn es darum geht, die Kosten niedrig zu halten, ist O’Leary –
der Jeans, Turnschuhe und ungebügelte T-Shirts trägt – ein absoluter Fanatiker. Er will
erreichen, dass man Ryanair als Walmart der Flugbranche kennt. Wie der Handelsriese ist
Ryanair ständig auf der Suche nach neuen Wegen zur Kostensenkung – so reduzieren
Hartplastiksitze ohne Tasche an der Rückenlehne sowohl Gewicht als auch Reinigungs-
aufwand. Das Flugpersonal von Ryanair kauft seine Uniformen sogar selbst und Mitarbei-
ter der Firmenzentrale bringen ihre eigenen Stifte mit.
Abbildung 10.1: Wenn möglich, nutzt Ryanair eine in das Flugzeug integrierte Fluggasttreppe (vorne), um nicht auf
vom Flughafenbetreiber bereitgestellte fahrbare Treppen (hinten) angewiesen zu sein
(Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rygge_Ryanair_2012-10-04T21-41-06.jpg)
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
O’Leary setzt jede Kostensenkung mit Vorteilen für die Passagiere gleich, da niedrigere
Ticketpreise angeboten werden können. Gäbe es in jedem Flugzeug nur noch eine Toi-
lette, würde sich der durchschnittliche Ticketpreis um 5 Cent reduzieren. Ersetzt man
die letzten zehn Sitzreihen durch einen Stehbereich, macht das wieder 20 bis 25 Cent
aus. O‘Learys manchmal absurde Ideen zur Kostensenkung – bewusst so provokant,
dass sie mit Sicherheit kostenlose Publicity bringen – beinhalten sogar Flugzeuge mit
nur einem Piloten („Wir brauchen keinen Co-Piloten. Das soll der verdammte Computer
übernehmen.“) und das Einladen von Gepäck durch die Passagiere selbst („Sie nehmen
ihre eigenen Koffer mit, bringen ihn auf das Rollfeld und laden ihn ein.“). Das alles hört
sich verrückt an, aber denken Sie noch mal über die kostenlosen Flugtickets nach.
O’Learys Traum von der kostenlosen Passagierbeförderung beruht auf der Möglichkeit,
dass Ryanair eines Tages sämtliche Einnahmen aus „Nebengebühren“ erzielt. Die knau-
serige Airline nimmt derzeit nur 20 Prozent der Erlöse außerhalb der Ticketpreise ein.
Doch Ryanair ist Branchenführer bei der Berechnung von Gebühren für praktisch jede
zusätzliche Kundenleistung. Der freche Anbieter rühmt sich damit, als erster Preise für
die Gepäckaufgabe und Erfrischungen an Bord erhoben zu haben. Solche Praktiken, die
einst von der Branche gescheut wurden, gehören heute zum Standard und bringen den
Airlines Milliardeneinnahmen ein. Doch Ryanair treibt es auf die Spitze. Kunden wird
heute der Ausdruck der Bordkarte, die Bezahlung mit EC- oder Kreditkarte oder die
Benutzung von Rollstühlen in Rechnung gestellt. Man erwog sogar Zuschläge für über-
gewichtige Kunden oder auch Gebühren für die Benutzung der einzig vorhandenen Toi-
lette.
Neben der Berechnung aller möglichen Leistungen rund um den Flug sieht Ryanair
auch enorme Einnahmen aus dem Verkauf von Produkten für andere Unternehmen. Die
Einrichtung der Ryanair-Flugzeuge ist fast ebenso mit Anzeigen zugeklebt wie die Wer-
beflächen am Times Square. Kaum in der Luft, preisen die Flugbegleiter dem aufmerksa-
men Publikum alles Mögliche an, von Rubbellosen bis hin zu Digitalkameras. Sie bieten
Croissants und Cappuccino feil, digitale Geräte und Parfum, Tombola-Lose für die von
der Airline gesponserte Wohlstätigkeitsorganisation und sogar rauchfreie Zigaretten für
6 Euro pro Schachtel. Nach Ankunft an einem normalerweise abgelegenen Flughafen
verkauft Ryanair den Passagieren Busfahrkarten für den Transfer in die Stadt. Das Unter-
nehmen bekommt auch Provisionen für Mietwagen, Hotelzimmer, Skipakete und Reise-
versicherungen. Ryanair nutzt jede Chance, um noch ein wenig mehr Geld aus den Pas-
sagieren herauszuquetschen. Die Airline entschuldigt sich weder für die zusätzlichen
Kosten noch für mangelnden Komfort. Tatsächlich sieht es das „Weniger ist weniger“-
Preiskonzept als längst überfällig in der Flugbranche an. „In vielerlei Hinsicht ist Reisen
angenehm und bereichernd“, meint O’Leary. „Doch der physische Transport von A nach
B sollte weder angenehm noch bereichernd sein. Es sollte schnell gehen, effizient,
bezahlbar und sicher sein.“ Der Erfolg von Ryanair legt nahe, dass die Kunden dem
zustimmen. Passagiere bekommen genau das, was sie verlangen – unverschämt günstige
Ticketpreise. Und die zusätzlichen Ausgaben liegen in ihrem eigenen Ermessen.
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10.1 Einführung
Trotz mangelnder Annehmlichkeiten scheinen die meisten Fluggäste den offenen und
direkten Ansatz zur Preisbemessung bei Ryanair eher zu begrüßen als zu verurteilen.
Zum Vergleich mit den sogenannten „anspruchsvollen“ Angeboten der anderen Airlines
meint ein befragter Passagier: „Mir ist die forsche Art [von Ryanair] mit den oft spottbil-
ligen Tickets und dem schamlosen [aber ungeschönten] Griff nach meiner Geldbörse lie-
ber.“ Und in Anspielung auf einen Analysten, der den Komfort bei Ryanair mit dem
eines Viehkarrens verglich, meint ein weiterer gut gelaunter Fluggast: „Nur O’Leary
nennt dich ein Rindvieh, leckt sich die Lippen und erklärt, wie er dich zum Abendessen
zubereiten will.“ O’Learys Philosophie, dass kommerzielle Fluggäste für ihre Loyalität
nicht verwöhnt werden müssen, scheint ein absoluter Widerspruch zum modernen Mar-
ketingansatz, den Kunden eine besondere Erfahrung zu bieten. Doch Ryanair beweist,
dass Unternehmen den Kunden einen Mehrwert auf viele andere Arten als früher bieten
können. Sieht man sich die sinkenden Preise und steigenden Gewinne bei Ryanair an,
scheint O’Learys Traum vom kostenlosen Fliegen gar nicht mehr so weit hergeholt.
Ryanairs Talent für Preisbewusstsein scheint nicht einmal der Himmel eine Grenze zu
setzen.
Fragen
1. Warum fliegen so viele Menschen mit Niedrigpreis-Airlines wie Ryanair?
2. Wie gelingt es Billig-Airlines wie Ryanair, die eigenen Kosten niedrig zu halten?
Und ist es tatsächlich denkbar, dass Flugtickets kostenlos angeboten werden kön-
nen?
3. Inwiefern spielt das Internet eine Rolle im Geschäftsmodell der Niedrigpreis-Air-
lines?
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
Im engsten Sinn ist der Preis diejenige Geldsumme, die für ein Produkt oder eine Dienstleis-
tung verlangt wird. Aus einer anderen Perspektive heraus betrachtet gleicht der Preis dem
Gesamtnutzen, den ein Verbraucher einem Produkt oder einer Dienstleistung beimisst. Der
Preis war lange Zeit der stärkste innerhalb der Kaufentscheidungsfaktoren. Dies gilt auch
heute noch für ärmere Nationen, ärmere Käuferschichten, für standardisierte Produkte oder
den Kauf von Rohstoffen. Nicht preisbezogene Kriterien haben jedoch in den letzten Jahr-
zehnten an Bedeutung gewonnen.
Innerhalb des Marketing-Mix ist der Preis das einzige Element, das sich auf die Einnahmen
und den Umsatz bezieht, alle anderen Elemente produzieren zunächst Kosten. Der Preis ist
auch eines der flexibelsten Elemente des Marketing-Mix. Im Gegensatz zu Produktänderun-
gen oder zu Maßnahmen in den Vertriebskanälen kann der Preis kurzfristig variiert werden.
Pricing bereitet manchen Verantwortlichen erhebliche Kopfschmerzen, weshalb sie es vor-
ziehen, sich mit anderen Marketing-Mix-Elementen stärker zu befassen.
Trotzdem kann man vielen Unternehmen keine durchdachte Preispolitik bescheinigen. Häu-
fig anzutreffende Fehler sind:
Die Preise werden zu schnell nach unten korrigiert, um den Verkauf zu steigern. Es wird
nicht versucht, den Käufer vom Nutzen des Produkts und der Angemessenheit des Ver-
kaufspreises zu überzeugen.
Die Preissetzung erfolgt kosten- statt nutzenbasiert.
Die Preise werden nicht ausreichend oft überprüft und an Marktänderungen angepasst.
Bei der Preisbildung bezieht man die übrigen Elemente des Marketing-Mix nicht angemes-
sen ein.
Die Preise sind nicht ausreichend angepasst an unterschiedliche Produkte, Marktsegmente
und Kaufsituationen.
Clevere Manager nutzen die Preissetzung als strategisches Schlüsselinstrument, um Kunden-
nutzen zu schaffen und zu nutzen. Sie wissen, dass Preise einen direkten Einfluss auf das
Unternehmensergebnis haben. Als Teil der gesamten Wertvorstellung eines Unternehmens
spielt der Preis vor allem aber eine wichtige Rolle in der Schaffung von Kundennutzen und
im Ausbau von Kundenbeziehungen.
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
zunächst die Preisobergrenze dar, die Produktkosten markieren hingegen die Preisunter-
grenze, bei deren Unterschreitung das Unternehmen einen Verlust machen würde. Bei der
Festlegung des Preises zwischen diesen beiden Extremen muss man eine Vielzahl interner
und externer Faktoren berücksichtigen, unter anderem die gesamte Marketingstrategie, die
aktuelle Marktsituation und Nachfrage sowie die Strategien und Preise der Konkurrenz.
Wenn ein Kunde ein Produkt kauft, tauscht er etwas, das von Wert ist (den Kaufpreis) gegen
etwas anderes, das für ihn einen Wert hat (nämlich den Nutzen davon, das Produkt zu besit-
zen oder nutzen zu können). Zu einer effizienten und käuferorientierten Preissetzung gehört
es, abschätzen zu können, wie viel Wert die Verbraucher auf einen bestimmten Nutzen legen,
der ihnen das Produkt vermittelt, und diesem Nutzen dann einen Preis zuzuordnen.
Nutzenbasierte Preissetzung
Immer mehr Unternehmen machen ihre Preise vom wahrgenommenen Kundennutzen
abhängig. Bei der nutzenbasierten Preissetzung (value-based pricing) werden den Preisen
nicht die Kosten des Anbieters, sondern die Nutzenwahrnehmung der Kunden zugrunde
gelegt. Nutzenbasierte Preissetzung bedeutet, dass Marketingexperten nicht zuerst ein Pro-
dukt und ein Marketingprogramm entwickeln und dann den Preis festsetzen, sondern dass
der Preis gemeinsam mit anderen Variablen des Marketing-Mix festgelegt wird, bevor das
Marketingprogramm entwickelt wird.
Abbildung 10.3 vergleicht die kostenbasierte mit der nutzenbasierten Preissetzung. Die kos-
tenbasierte Preissetzung geht vom Produkt aus. Das Unternehmen entwickelt ein seiner
Ansicht nach gutes Produkt, summiert die Herstellungskosten dieses Produkts und legt dann
einen Preis fest, der die Kosten deckt und einen bestimmten Gewinn realisiert. Dann ist es
die Aufgabe der Marketingabteilung, die Käufer davon zu überzeugen, dass der Nutzen des
Produkts seinen Preis rechtfertigt. Wenn sich der Preis als zu hoch erweist, muss sich das
Unternehmen mit kleineren Spannen oder einem niedrigeren Umsatz zufriedengeben. Beides
führt zu einer enttäuschenden Gewinnsituation.
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
Kostenbasierte Preissetzung:
Nutzenbasierte Preissetzung:
Zielpreis im Einklang Produkt entwickeln,
Kundenbedürfnisse Maximale
mit der Wertwahr- das den gewünschten
und Wertwahr- Produktkosten
nehmung des Wert zum
nehmung erkennen bestimmen
Kunden festlegen Zielpreis bietet
Abbildung 10.3: Kosten- und nutzenbasierte Preissetzung
Die nutzenbasierte Preissetzung dreht diesen Prozess um. Das Unternehmen legt den Ziel-
preis danach fest, wie der Nutzen von den Kunden wahrgenommen wird. Hier sind es der
geplante Kundennutzen und der Preis, die die Entscheidungen über das Produktdesign und
die in Kauf genommenen Kosten beeinflussen. Dies bedeutet, dass die Preissetzung mit der
Analyse der Bedürfnisse und der Wahrnehmung des Kundennutzens beginnt. Im Anschluss
daran wird ein Preis festgelegt, der dem von den Konsumenten wahrgenommenen Nutzen
entspricht.
Ein hoher Kundennutzen beruht also nicht unbedingt auf einem niedrigen Preis. Beispiels-
weise ist der Preis eines Steinway-Klaviers sehr hoch. Aber für die jeweiligen Besitzer hat ein
solches Klavier einen hohen Nutzen. Die Preise eines Steinway-Klaviers bewegen sich im
Rahmen von 28.000 Euro bis zu 117.000 Euro. Das beliebteste Modell kostet 50.000 Euro. Die
Klaviere sind von sehr hoher Qualität und deren individuelle Herstellung kann durch die
Handarbeit bis zu ein Jahr in Anspruch nehmen. Fragt man jedoch die Besitzer eines Stein-
ways, so werden sie sagen, dass der Preis eine untergeordnete Rolle spielt, viel wichtiger ist
das Erlebnis, die Steinway-Mystik, welche den Besitzer ergreift. Allein der Name ruft die
Vorstellung von klassischen Konzerten, großen Tribünen und berühmten Pianisten hervor.
Dennoch sind die Klaviere nicht nur für große Pianisten und die Reichen gedacht. 99 Prozent
der Steinway-Kunden sind Amateure, die lediglich zu Hause spielen. Für diese Kunden ist
selbst ein so hoher Preis gering im Vergleich zu dem Erlebnis, welches sie erwartet. „Ein
Steinway bringt dich in Sphären, die du nie zuvor gesehen hast“, sagt ein Besitzer. Ein ande-
rer meint: „Meine Freundschaft mit diesem Klavier ist eine der wichtigsten und schönsten in
meinem ganzen Leben.“ Wer könnte diesem Gefühl schon einen Preis geben?
Ein Unternehmen, das sich in seiner Preissetzung am wahrgenommenen Nutzen orientiert,
muss herausfinden, welchen Nutzen die Konsumenten bestimmten Produktmerkmalen und
verschiedenen Konkurrenzangeboten beimessen: Die Messung des wahrgenommenen Nut-
zens kann sich jedoch schwierig gestalten: Es ist leicht, den Materialwert der Zutaten eines
Essens in einem guten Restaurant festzustellen, aber wie sollen die anderen Komponenten
der Bedürfnisbefriedigung wie Geschmack, harmonische Umgebung („Ambiente“), Entspan-
nung, Möglichkeit zu angeregter Unterhaltung, Zufriedenheit und Statusgefühl bewertet wer-
den? Hinzu kommt, dass diese Faktoren in unterschiedlichen Situationen (Arbeitsessen,
Familientreffen am Sonntag oder an Festtagen) und bei unterschiedlichen Personen unter-
schiedlich wirken und bewertet werden.
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
In einigen Fällen werden Konsumenten gefragt, wie viel sie für ein Basisprodukt und für
jeden mit dem Angebot verbundenen Zusatznutzen auszugeben bereit wären. Manche Unter-
nehmen experimentieren auch, um den wahrgenommenen Nutzen verschiedener Produktan-
gebote zu ermitteln. Wenn der Anbieter mehr verlangt, als der Kunde an Nutzen wahrnimmt,
leidet der Umsatz. Viele Unternehmen verlangen für ihre Produkte überhöhte Preise – mit
der Folge, dass diese sich schlecht verkaufen. Andere Unternehmen setzen ihre Preise zu
niedrig an. Zu billig angebotene Produkte verkaufen sich hervorragend, aber sie bringen
weniger Gewinn, als wenn ihr Preis auf das Niveau des wahrgenommenen Nutzens angeho-
ben würde.
Süßigkeiten mit funktionellen Eigenschaften (etwa Heiserkeit zu mildern oder zu heilen, wie
zum Beispiel „Fisherman’s Friend“) versprechen Problemlösungen, für welche die Käufer zu
zahlen bereit sind. Die Herstellungskosten mögen geringfügig höher sein als bei einfachen
Süßigkeiten, aber die Käufer bewerten die Leistungsfähigkeit in Bezug auf das Versprechen.
Die Hersteller warten nicht ab, bis die Käufer die Funktion bemerken und für sich entdecken,
sondern setzen alle denkbaren Instrumente des Marketing-Mix wie Verpackung, Werbung,
Sonderaktionen oder Einflussnahme auf die Verkäufer in Drogerien und Apotheken ein, um
dem Käufer die Funktion zu vermitteln.
Die Marketingfachleute im Unternehmen müssen daher die Gründe der Käufer, das Produkt
zu erwerben, kennenlernen und die Preise entsprechend dem Nutzenempfinden der Käufer
festsetzen. Die Käufer unterscheiden sich stark darin, welchen Nutzen sie bestimmten Pro-
duktfunktionen beimessen, deshalb können unterschiedliche Preisstrategien in unterschied-
lichen Marktsegmenten angewandt werden. Es kann dasselbe Produkt mit unterschiedlicher
Betonung der einzelnen Teilfunktionen zu verschiedenen Preisen angeboten werden.
Im Folgenden stellen wir zwei Formen von nutzenbasierter Preissetzung vor.
Good-Value-Preisstrategien Seit einigen Jahren stellen immer mehr Marketingverantwortli-
che eine grundlegende Einstellungsänderung von Verbrauchern in Richtung Qualität und
Preis fest. Daher passen viele Unternehmen ihre Preissetzung den veränderten wirtschaftli-
chen Bedingungen und der sich wandelnden Preiswahrnehmung ihrer Kunden an. Immer
häufiger setzen Marketing-verantwortliche Good-Value-Preisstrategien ein, d.h. sie bieten die
richtige Kombination aus Qualität und gutem Service zu einem fairen Preis.
Dies führte in vielen Fällen zur Einführung günstigerer Versionen etablierter Markenpro-
dukte, wie die Beispiele Travelodge und Holiday Express Budget-Hotels zeigen. In anderen
Fällen, wie bei Ikea und Walmart, nutzen die Anbieter die Überarbeitung oder Neuentwick-
lung bestehender Markenkonzepte, um für einen bestimmten Preis bessere Qualität oder die-
selbe Qualität preisgünstiger anbieten zu können.
Eine wichtige Form der nutzenbasierten Preissetzung im Einzelhandel, wie zum Beispiel bei
ALDI, ist das Konzept der Dauerniedrigpreise. Dies bedeutet einen konstanten Dauerniedrig-
preis mit keinen oder nur wenigen vorübergehenden Preisaktionen und Sonderangeboten.
Unangefochtener Dauerniedrigpreis-König in den USA ist Walmart, das Unternehmen, von
dem dieses Konzept stammt. Mit Ausnahme einiger Sonderangebote pro Monat verspricht
Walmart für sein gesamtes Angebot Dauerniedrigpreise. Durch diese gleichbleibenden Preise
entfällt die Preisunsicherheit von Woche zu Woche und es kann eine klare Differenzierung
zu der High-Low-Preisstrategie aktionsorientierter Konkurrenten hergestellt werden. Beim
High-Low-Pricing verlangt der Einzelhändler normalerweise höhere Preise, führt aber häu-
fige Aktionen durch, bei denen die Preise für ausgewählte Artikel zeitweise unter das Dauer-
niedrigpreis-Niveau gesenkt werden.
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
Die Öresund-Brücke (Øresundsbron) ist die weltweit längste Schrägseilbrücke (für kom-
binierten Straßen- und Eisenbahnverkehr), welche mit einer zweispurigen Bahnstrecke
und einer vierspurigen Straße die dänische Hauptstadt Kopenhagen mit der Stadt
Malmö in Schweden verbindet. Regierungen haben keine Probleme damit, eindrucks-
volle Projekte – ob über oder unter dem Meeresspiegel – zu realisieren. Die Schwierig-
keit liegt darin, die Kosten niedrig zu halten und die Bürger von neuen Möglichkeiten
zu überzeugen. Nachdem die Öresund-Brücke ein Jahr geöffnet war, hatte es den
Anschein, als würde sie denselben Weg wie ähnliche Projekte gehen.
Es gibt typische Merkmale, wenn Länderteile verbunden werden:
Die Idee liegt ganz offensichtlich auf der Hand, dass man schon über Möglichkeiten
nachzudenken beginnt, bevor es überhaupt die nötigen Technologien zur Verwirkli-
chung des Vorhabens gibt. So stammen einige Designs für eine „Öresund-Brücke“ aus
dem Jahr 1886. Bereits Napoleon plante, Großbritannien mithilfe eines Tunnels unter
dem Ärmelkanal zu attackieren.
Regierungen beginnen solche Prestigeprojekte und leiden dann unter Kostenüber-
schreitungen.
Zu wenige Menschen nutzen die neue Anlage, um die Kosten zu decken.
Es werden ständige Subventionen benötigt.
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
Ein Beispiel ist der Eurotunnel oder Kanaltunnel. Der 50 Kilometer lange Eisenbahntun-
nel unter dem Ärmelkanal verbindet Cheriton in Kent (England) und Sangatte in Nord-
frankreich. Bei ihm hatten unzureichende Managementstrukturen dazu geführt, dass
der Bau zwei Jahre länger als geplant dauerte und 11 Milliarden Euro statt der veran-
schlagten 4,7 Milliarden Euro kostete. Die Vorhersagen bezüglich des Verkehrsaufkom-
mens waren zu optimistisch gewesen, was schließlich zu finanziellen Problemen der
Betreibergesellschaft führte.
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
Verkehrsteilnehmer, die die Brücke nur ein paar Mal im Jahr überqueren, zahlen den
Barpreis, während diejenigen, die die Brücke täglich nutzen, beträchtliche Preisnach-
lässe im Rahmen eines jährlichen oder monatlichen Abonnementtarifs erhalten. Der
dänische Finanzminister schlug zudem eine Steuersenkung für Pendler vor, die die Brü-
cke regelmäßig nutzen. Nach vielen mageren Jahren steigt der Verkehr nun endlich.
2011 konnte ein Gewinn von 211 Millionen DKK erwirtschaftet werden. 2017 fuhren
mehr als 7,5 Millionen Fahrzeuge über die Brücke – im Vergleich zu etwa drei Millionen
im Jahr 2001.
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
Variable Kosten sind Kosten, die direkt von der Produktionsstückzahl abhängen. Jeder pro-
duzierte Computer beinhaltet Kosten für eine Festplatte, eine Hauptplatine, eine Tastatur, ein
DVD-Laufwerk usw.
Die Gesamtkosten für eine bestimmte Produktionsmenge sind die Summe aus den fixen und
den variablen Kosten für die jeweils vorgegebene Produktionsstückzahl. Ein Unternehmen
muss die Kosten sorgfältig beobachten. Weist es höhere Kosten für Produktion oder Verkauf
eines Produkts auf als die Konkurrenz, muss es einen höheren Preis verlangen oder es wird
geringere Gewinne erzielen. In beiden Fällen erleidet es einen Wettbewerbsnachteil.
Kosten bei unterschiedlichen Produktionsmengen Um die richtigen Preisentscheidungen
treffen zu können, muss ein Unternehmen informiert sein, wie sich die Kosten bei unter-
schiedlichen Produktionsmengen verhalten. Dieser Zusammenhang wird im Folgenden
exemplarisch anhand der Produktion von Mobiltelefonen erläutert. Samsung plant eine neue
Produktionsstätte, und es wird überlegt, ob eine Tageskapazität von 1.000 Einheiten ausrei-
chend ist. Abbildung 10.6 (1.) zeigt die Kosten pro Stück bei unterschiedlichen Produktions-
mengen auf. Die Kosten pro Mobiltelefon sind höher, wenn Samsung nur ein paar pro Tag
herstellt. Aber wenn die Produktion auf 1.000 Mobiltelefone pro Tag gesteigert wird, verrin-
gern sich die durchschnittlichen Kosten pro Einheit. Das liegt daran, dass sich die fixen Kos-
ten auf mehr Einheiten verteilen und diese pro Einheit dann dementsprechend geringer sind.
Samsung könnte sogar versuchen, mehr als 1.000 Mobiltelefone am Tag herzustellen. Jedoch
würden die Durchschnittskosten dann wieder steigen, weil die Produktionseinrichtungen
beginnen, ineffizient zu arbeiten. Mitarbeiter müssten auf Maschinen warten und diese
müssten aufgrund der hohen Nutzung öfter gewartet werden. Überall entstehen Überschnei-
dungen und Behinderungen. Wenn Samsung davon ausgeht, dass man 2.000 Mobiltelefone
am Tag verkaufen kann, sollte man größere Anlagen und Produktionsstätten bauen. Diese
wären dementsprechend effizienter. Die durchschnittlichen Kosten für ein Mobiltelefon wür-
den niedriger sein als bei einer Produktion von 1.000 Mobiltelefonen am Tag. Dies wird in
Abbildung 10.6 (2.) verdeutlicht. Tatsächlich wäre die Herstellung von 3.000 Mobiltelefonen
am Tag am günstigsten. Bei einer Kapazität von 4.000 Mobiltelefonen am Tag wäre die Effizi-
enz aufgrund von zunehmenden Größennachteilen – Arbeitsvorgänge und Mitarbeiter behin-
dern sich wieder gegenseitig – geringer.
Kurzfristige
Durchschnittskosten
Kurzfristige 1
Durchschnittskosten 2
3
4
Stückkosten
Stückkosten
Langfristige
Durchschnittskosten
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
Die Erfahrungskurve Nehmen wir an, Samsung würde seit einiger Zeit die Produktion mit
einer Kapazität von 3.000 Einheiten pro Tag betreiben. Würde die Herstellung der Mobiltele-
fone über einen gewissen Zeitraum durchgeführt, ist zu erwarten, dass Erfahrungswerte
gesammelt werden, die zu einer Verbesserung des Produktionsprozesses und zur optimalen
Nutzung der Produktionsanlagen beitragen. Es ist zu erwarten, dass Arbeiter die Maschinen
besser und schneller bedienen können, die interne Organisation wird optimiert, Werkzeuge
und Verfahren erfahren Verbesserungen im Detail. Mit steigender Menge wird die Produktion
immer effizienter und es werden Massenproduktionsvorteile, sogenannte Skalenerträge (Eco-
nomies of Scale), erzielt. Dies bedeutet, dass die durchschnittlichen Kosten mit der kumu-
lierten Produktionsmenge sinken (siehe dazu Abbildung 10.7).
10
8
Stückkosten
508
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
Preisbildung auf Grundlage der Erfahrungskurve birgt nämlich auch erhebliche Risiken. Eine
aggressive Niedrigpreispolitik kann einem neuen Produkt schnell ein Billig-Image geben.
Außerdem geht das Modell davon aus, dass Wettbewerber einer Niedrigpreispolitik nicht mit
vergleichbaren Preissenkungen begegnen, was in der Realität aber häufig geschieht.
Es kann außerdem passieren, dass ein Unternehmen mit einer Produktionstechnologie große
Absatzzahlen erreicht, jedoch ein Wettbewerber mithilfe einer neuen Technologie und damit
einhergehenden niedrigeren Kosten in den Markt eintritt. Sobald die neue Technologie in
großem Umfang genutzt wird, kann der Marktführer, der weiterhin mit der auf der alten
Technologie basierenden Erfahrungskurve operiert, ins Hintertreffen geraten.
Kostenzuschlagskalkulation Die einfachste Methode, einen Preis zu ermitteln, ist die Kosten-
zuschlagskalkulation. Nachdem die Kosten der Herstellung des Produkts ermittelt sind, wird
dieser Wert um einen vorher festgelegten Gewinnzuschlag erhöht. Bauunternehmen beispiels-
weise kalkulieren ihre Gebote für ausgeschriebene Projekte anhand der geschätzten Realisie-
rungskosten zuzüglich eines Gewinnaufschlags. Auch die Kostensätze von Anwälten, Buchhal-
tern und anderen Dienstleistungsanbietern orientieren sich an standardisierten Zuschlägen.
Diese Preissetzungsmethode soll anhand der Produktion von Toastern demonstriert werden:
Fixe Kosten
Stückkosten = Variable Kosten +
Anzahl der Verkäufe
300.000 €
Stückkosten = 10 € + = 10 € + 6 € = 16 €
50.000 €
Der Hersteller geht nun von einem Gewinnzuschlag von 20 Prozent aus. Der Preis mit dem
Gewinnzuschlag errechnet sich wie folgt:
Nach diesen Berechnungen würde der Hersteller dem Handel für einen Toaster 20 Euro in
Rechnung stellen und einen Gewinn von 4 Euro pro Stück erzielen.
Wenn der Handel 50 Prozent seines Verkaufspreises als Gewinn erzielen will, dann wird er
den Verkaufspreis für den Toaster auf 40 Euro setzen. Dieser Preis entspricht einem Gewinn-
zuschlag von 100 Prozent auf den Einkaufspreis des Händlers (20 € + 20 €).
Die Kostenzuschlagskalkulation ist weit verbreitet. Trotzdem muss man sich die Frage stel-
len, ob die Preissetzung durch Standard-Gewinnzuschläge sinnvoll ist. Jede Preissetzung,
welche die tatsächliche Nachfragesituation und die Preispolitik des Wettbewerbs einfach
außer Acht lässt, kann nicht zu einem optimalen Preis führen.
Wenn in obigem Beispiel nur 30.000 statt der geplanten 50.000 Toaster verkauft werden, wären
die Stückkosten höher, weil die Fixkosten in Höhe von 300.000 Euro auf eine kleinere Stückzahl
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
umgelegt werden müssten. Dadurch würde der geplante Prozentsatz für den Gewinn nicht
erreicht. Diese Methode funktioniert also nur dann, wenn der geplante Absatz tatsächlich reali-
siert werden kann. Außerdem wird hier nicht berücksichtigt, wie zu verfahren wäre, wenn die
eigenen Kosten und damit der kalkulierte Preis höher wären als bei den Wettbewerbern.
Trotzdem gibt es einige Argumente, die Kostenzuschlagskalkulation anzuwenden. In der Regel
liegen in einem Unternehmen genaue Informationen über die Kosten vor. Marktdaten sind
dagegen schwieriger zu erlangen. Wenn man den Preis anhand der Kosten berechnet, verein-
facht man die Preisfindung und sie gewinnt an Kontinuität. Wenn jedes Unternehmen einer
Branche diese Art der Preissetzung nutzt, gleichen sich Preise tendenziell an und der Preis-
wettbewerb würde sich folglich auf ein Minimum reduzieren. Außerdem empfinden viele Käu-
fer diese Art der Preissetzung als gerecht. Verkäufer erzielen einen fairen Gewinn für ihre
Investitionen und eine steigende Nachfrage führt nicht zulasten der Käufer zu höheren Preisen.
Break-even-Analyse und gewinnzielorientierte Preissetzung Eine weitere Variante der kos-
tenbasierten Preissetzung ist die Break-even-Analyse bzw. eine Variation dieser, die soge-
nannte gewinnzielorientierte Preissetzung (target profit pricing).
Die Break-even-Analyse berechnet bei einem gegebenen Preis die erforderliche Absatzmenge
zur Deckung aller Kosten bzw. zur Erreichung der Gewinnschwelle. Bei der gewinnzielorien-
tierten Preissetzung wird, ausgehend von der Break-even-Darstellung, der Punkt gesucht, bei
dem ein bestimmtes Gewinnziel realisiert wird. Die gewinnzielorientierte Preissetzung wird
von Unternehmen wie beispielsweise General Motors genutzt. Sie setzen ihre Autopreise so,
dass sie einen 15- bis 20-prozentigen Gewinn auf ihre Investitionen erhalten. Diese Methode
wird auch von öffentlichen Versorgungseinrichtungen angewendet, die dazu angehalten
sind, einen fairen Ertrag ihrer Investitionen zu erzielen.
1200
Gesamtumsatz
1000
Kosten in Euro (Tsd.)
800 Gesamtkosten
600
Break-even-Punkt
(Break-even-Menge von 30.000 Stück)
400
Fixe Kosten
200
0
10 20 30 40 50
Abbildung 10.8 zeigt die Break-even-Analyse bezogen auf das Beispiel des genannten Toas-
terherstellers. Die Fixkosten betragen 300.000 Euro, ungeachtet des Verkaufsvolumens. Die
510
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
variablen Kosten werden zu den Fixkosten addiert. Daraus ergeben sich die Gesamtkosten,
die mit zunehmender Menge ansteigen. Die Gesamtertragskurve beginnt im Nullpunkt und
wächst mit jedem verkauften Produkt stetig an. Die Neigung der Gesamtertragskurve spiegelt
den Preis von 20 Euro pro Stück wider. Die Ertragskurve und die Gesamtkostenkurve kreu-
zen sich bei einer Menge von 30.000 Stück. Dieser Punkt repräsentiert die Break-even-Menge
beziehungsweise den Break-even-Punkt. Das bedeutet, bei einem Preis von 20 Euro muss das
Unternehmen 30.000 Stück verkaufen, um kostendeckend zu arbeiten (die Gesamterträge
decken die Gesamtkosten ab).
Die Break-even-Menge kann anhand der folgenden Formel berechnet werden:
Fixkosten
Break-even-Menge =
Preis − variable Kosten
300.000 €
Break-even-Menge = = 30.000 Stück
20 € − 10 €
Will das Unternehmen einen bestimmten Gewinn erreichen, muss es mehr als 30.000 Stück
zu einem Preis von 20 Euro verkaufen. Angenommen der Toasterhersteller hat 1.000.000
Euro in sein Geschäft investiert und möchte 20 Prozent oder 200.000 Euro Gewinn erzielen.
In diesem Fall muss er, bei einem Preis von 20 Euro, 50.000 Stück verkaufen. Wenn das
Unternehmen einen höheren Preis ansetzt, ist es nicht nötig, mehr Toaster als bisher zu ver-
kaufen, um den angepeilten Gewinn zu erzielen. Es könnte jedoch möglich sein, dass der
Markt nicht die gewünschte Menge aufnimmt. Dies hängt letztlich von der Preiselastizität
und den Wettbewerbspreisen ab.
Der Hersteller sollte unterschiedliche Preise in Betracht ziehen und für jeden die Break-even-
Menge, die wahrscheinliche Nachfrage sowie den jeweiligen Gewinn berechnen. Diese Vorge-
hensweise ist in Tabelle 10.2 dargestellt. Es wird deutlich, dass, wenn der Preis steigt, die
Break-even-Menge fällt (Spalte 2). Steigt der Preis, sinkt jedoch auch die Nachfrage (Spalte 3).
Bei einem Preis von 14 Euro muss eine große Menge verkauft werden, um den Break-even-
Punkt zu erreichen. Wenngleich der geringe Preis viele Käufer anspricht, wird trotzdem die
Nachfrage unter den relativ hohen Break-even-Punkt sinken und der Hersteller wird einen Ver-
lust erwirtschaften. Im anderen Extrem, bei einem Preis von 22 Euro, muss er nur 25.000 Stück
verkaufen, um den Break-even-Punkt zu erreichen. Auch bei diesem Preisniveau wird jedoch
weniger gekauft, als nötig wäre, um einen Gewinn zu erzielen. Die Tabelle zeigt, dass ein Preis
von 18 Euro den höchsten Gewinn erbringt. Zu beachten ist, dass bei keinem Preis der Zielge-
511
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
winn des Herstellers von 200.000 Euro erzielt werden kann. Um diesen zu erreichen, wird der
Hersteller nach Möglichkeiten suchen müssen, um die fixen und variablen Kosten zu reduzie-
ren. Denn diese tragen maßgeblich zur Senkung der Break-even-Menge bei.
512
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
513
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
daraus die Marketing- beziehungsweise Preisstrategie zu entwickeln. Ein Beispiel hierfür ist
das Unternehmen Toyota, das sich mit der Entwicklung des Modells „Lexus“ entschloss, mit
europäischen Herstellern im Luxussegment zu konkurrieren. Dies erfordert auch einen hohen
Preis, um damit den Wert des Autos auszudrücken. Wenn sich Hotelketten wie Travelodge in
den USA oder Ibis in Europa an preisbewusste Verbraucher wenden wollen, bedeutet das einen
niedrigen Preis für eine Übernachtung. Die Preisstrategie beruht daher zu einem großen Teil auf
der vorher festgelegten Marktpositionierung.
514
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
Zu Beginn des Geschäfts untersuchte „Swatch“ den Uhrenmarkt genau und erkannte
ein unbedientes Segment. Die identifizierte Zielgruppe wollte Uhren in Form von preis-
günstigen Modeaccessoires. Ausgestattet mit dieser Information über die Marktbedürf-
nisse entwickelte „Swatch“ Uhren, die die Käufer wünschten, und zu einem Preis, den
sie bereit waren zu zahlen. Um die Kosten gering zu halten, entwickelte „Swatch“ einfa-
chere modische Uhren, die aus Hightech-Elementen und weniger teuren Materialien
bestanden. Der Produktionsprozess wurde vollständig auf Massenproduktion hin konzi-
piert und automatisiert sowie kontinuierlich und konsequent auf seine Kosten hin kont-
rolliert. Durch die sorgfältige Kostenkontrolle war es „Swatch“ möglich, eine Uhr zu
entwickeln, die die perfekte Mischung aus Mode, Funktion und Preis darstellte. Das
Ergebnis der erfolgreichen Einführung war und ist, dass Käufer mit den „Swatch“-Pro-
dukten einen hohen Nutzen verbinden. Dies ermöglichte es dem Unternehmen, sukzes-
siv auch hochpreisigere Produkte einzuführen.
Die beste Strategie besteht häufig nicht darin, den niedrigsten Preis anzusetzen, sondern das
Marketingangebot zu differenzieren, um damit einen höheren Preis zu rechtfertigen.
Einige Marketingexperten positionieren ihre Produkte sogar als hochpreisig, wobei die Preise
einen Teil der Faszination für das Produkt ausmachen. Grand Marnier bot z.B. eine Flasche
der Jubiläumskreation Cuvée du Cent Cinquantenaire für 160 Euro an, die mit dem Slogan
„Schwer zu finden, unmöglich auszusprechen und verboten teuer“ beworben wurde. Und in
515
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
der berühmten Werbekampagne von Stella Artois werden Kunden darüber informiert, dass
das Premium-Lager „beruhigend teuer“ und auf dem Höhepunkt des anspruchsvollen euro-
päischen Zeitgeistes sei.
In Summe müssen Marketer die gesamte Marketingstrategie und den Marketing-Mix in die
Preisgestaltung einbeziehen. Und selbst wenn der Preis bei der Strategie im Mittelpunkt
steht, dürfen sie nicht vergessen, dass Konsumenten einen Kauf selten allein wegen des Prei-
ses vornehmen. Vielmehr sind sie auf der Suche nach Produkten, die ihnen den größtmögli-
chen Nutzen für den Preis, den sie bezahlen, bieten.
516
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
517
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
„De-facto-Monopol“ innehat, wie zum Beispiel Microsoft mit den „Windows“-Produkten bei
Computer-Betriebssystemen. Die Preissetzung ist in diesen Fällen unterschiedlich.
Ein staatliches Monopol kann eine Vielzahl von Preissetzungszielen verfolgen. Der Preis
kann niedrig angesetzt sein, um das Produkt vielen Verbrauchern zugänglich zu machen, die
es zum vollen Preis nicht kaufen könnten. Oder es wird ein höherer Preis angesetzt, um uner-
wünschten Konsum zu verringern oder um einen leistungsschwachen Produzenten zu schüt-
zen. In einem regulierten Monopol erlaubt die Regierung dem Unternehmen, seine Preise so
zu bestimmen, dass es einen fairen Gewinn erzielen, seine Zukunft sichern und sein Geschäft
so ausbauen kann, wie dies gewünscht oder notwendig ist.
518
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10.2 Grundlegende Preisstrategien
P2 P'2
P1 P'1
Preis
N2 N1 N'2 N'1
Nachfrage pro Periode Nachfrage pro Periode
Angenommen, die Nachfrage nach einem Produkt fiele um 10 Prozent als Folge einer Preiser-
höhung um 2 Prozent. Dann ergibt sich für die Preiselastizität der Nachfrage der Wert –5,
dies ist eine elastische Nachfragefunktion.
Das Minuszeichen kennzeichnet die gegenläufige Richtung der Änderungen, das heißt den
Nachfragerückgang (–) in Abhängigkeit von einer Preiserhöhung (+). Wenn die Nachfrage
nach einem Produkt bei einer Preiserhöhung von 2 Prozent auch um 2 Prozent fällt, hat die
Elastizität den Wert –1. Der Umsatz des Anbieters bleibt hier gleich; was er an Nachfrage ver-
liert, kommt über den höheren Preis wieder herein. Wenn die Nachfrage um 1 Prozent sinkt
bei einer Preiserhöhung von 2 Prozent, so beträgt die Preiselastizität –1/+2 = –½, diese Nach-
frageelastizität wird als unelastisch bezeichnet. Je unelastischer eine Nachfragefunktion,
desto mehr profitiert der Anbieter von Preiserhöhungen.
Was bestimmt die Preiselastizität der Nachfrage? Einzigartigkeit des Produkts, Exklusivität,
hohes Prestige oder sehr hohe Zuverlässigkeit und Qualität bewirken, dass die Käufer nicht
preisempfindlich reagieren und dass die Nachfrage auch bei Preiserhöhungen relativ stabil –
unelastisch – bleibt. Wenn Ersatz für das Produkt nicht leicht zu finden ist oder wenn man
519
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
die Gleichwertigkeit eines möglichen Ersatzes nicht leicht feststellen kann, ergibt sich eben-
falls eine unelastische Nachfragefunktion. Eine Tendenz zu einer unelastischen Nachfrage-
funktion besteht auch dann, wenn die Ausgabe für das Produkt unbedeutend im Verhältnis
zum Gesamtbudget einer Person ist oder wenn der Käufer die Aufwendungen für das Pro-
dukt gemeinsam mit anderen trägt.
Wenn die Nachfragefunktion eher elastisch als unelastisch ist, sollten die Anbieter überle-
gen, ob es sinnvoll sein könnte, den Preis zu senken. Aus einem niedrigeren Preis ergibt sich
ein höherer Umsatz. Dies ist so lange sinnvoll, wie die Kosten für Produktion und Vertrieb
der zusätzlichen Absatzmenge den zusätzlichen Umsatz nicht übertreffen.
Gleichzeitig sind die meisten Unternehmen bestrebt, Preise zu vermeiden, die ihre Produkte zu
Massenartikeln machen. In den letzten Jahren haben Entwicklungen wie die Deregulierung
und die Möglichkeit des sofortigen Preisvergleichs durch das Internet und andere Technolo-
gien zu einer erhöhten Preissensibilität der Konsumenten geführt. Als Folge wurden Produkte
von Telefonen über Computer bis hin zu neuen Autos in den Augen der Konsumenten zu Mas-
senartikeln. Marketingexperten müssen sich immer stärker einsetzen, um eine Differenzierung
ihrer Produkte zu erreichen, bieten doch häufig ein Dutzend Konkurrenten praktisch dasselbe
Produkt zu einem vergleichbaren oder niedrigeren Preis an. Unternehmen sollten deshalb ver-
stärkt die Preissensibilität ihrer Kunden und potenziellen Kunden sowie die Abwägungen
beachten, die Verbraucher zwischen dem Preis und den Produktmerkmalen anstellen.
520
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Zusammenfassung
zu der Premium-Marke Iams zu haben ist. Die Marke Iams für einen größeren Kundenkreis
erschwinglich zu machen, „ist ein großer Schritt für uns“, sagt ein Marketingleiter von P&G.
In diesen sparsamen Zeiten „stellen wir fest, dass wir viele unserer Marken etwas herunter-
stufen müssen, um noch mehr Kunden zu erreichen“. Das „So Good“-Hundefutter von Iams
wird als „100% vollwertiges Produkt“ ohne Zusatz von Zucker, Farbstoffen und künstlichen
Inhaltsstoffen beworben. Der günstigere Preis der Marke wird hauptsächlich über Plakate in
den Geschäften und auf der Verpackung ausgewiesen.1
Andere Unternehmen halten ihre Preise, definieren jedoch den Nutzen in ihrem Leistungs-
versprechen neu. Unilever zum Beispiel hat die hochwertigeren Tiefkühl-Fertiggerichte von
Bertolli als Marke neu positioniert, die es für den Kunden preiswerter macht, zu Hause statt
auswärts zu essen. Denken Sie daran, selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist der Preis
nicht das alleinige Kaufkriterium. Verbraucher wägen den Preis gegen den Nutzen ab, den sie
dafür bekommen. Einer Studie zufolge verzeichnet Nike beispielsweise die höchste Kunden-
treue im Schuhwaren-Segment, und das obwohl ein Paar Nike-Schuhe schon mal 335 Euro
kosten können.2 Die Kunden nehmen einen bestimmten Nutzen der Nike-Produkte wahr und
erleben den Besitz von Nike-Schuhen als etwas, das den Preis wert ist. Es kommt daher nicht
darauf an, ob man einen hohen oder einen niedrigen Preis veranschlagt: Unternehmen müs-
sen den Kunden das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
Das Unternehmen muss weiterhin beachten, welche Wirkung seine Preisgestaltung auf
andere Interessengruppen in seinem Umfeld hat. Welche Preise und welche Handelsspannen
erwarten die Handelspartner? Welche Vergünstigungen erhalten die Händler vom Wettbe-
werb? Das Unternehmen sollte die Preise so festlegen, dass Wiederverkäufer einen fairen
Gewinn erzielen können und zur Unterstützung und Zusammenarbeit motiviert werden.
Staat, Regierung und Gesetze sind weitere wichtige Bestimmungsgrößen des Preises. Schließ-
lich bilden auch soziale Überlegungen im Sinne von gesellschaftlicher Verantwortung eine
Bestimmungsgröße des Preises. Wir werden das Thema der öffentlichen Politik in Kapitel 19
noch genauer besprechen.
Z US A M M EN FA SSU N G
1 Siehe Stuart Elliott, „Courting thrifty shoppers with quality and value“, New York Times, 3. Juni
2013, S. B4 sowie www.iams.com/dog-food/about-so-good-dog-food, Zugriff Oktober 2015.
2 Kenneth Hein „Study: value trumps price among shoppers“, Brandweek, 2. März 2009, S. 6.
521
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung
Bei der Preissetzung stehen dem Unternehmen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
nutzenbasierte Preissetzung
kostenbasierte Preissetzung
wettbewerbsbasierte Preissetzung
Während die kostenbasierte Preissetzung vom Produkt und seinen Herstellkosten aus-
geht, dreht die nutzenbasierte Preissetzung den Prozess um und setzt beim Nutzenemp-
finden des Konsumenten an.
Die Strategie der Preissetzung wird vorwiegend von der angestrebten Zielgruppe und
von Positionierungszielen bestimmt. Der Preis ist jedoch nur eines der Instrumente, mit
denen das Unternehmen versuchen kann, seine Ziele zu erreichen. Preisentscheidungen
stehen in Wechselwirkung mit dem gesamten Marketingkonzept eines Produkts, wie
beispielsweise dem Produktdesign, der Distribution und den Werbemaßnahmen. Die
Preissetzung muss sorgfältig mit den anderen Entscheidungen innerhalb des Marketing-
Mix abgestimmt werden.
Die Unternehmensleitung legt fest, wer innerhalb der Organisation für den Preis verant-
wortlich ist. Die Preispolitik wird oftmals vom Top-Management bestimmt. Preisent-
scheidungen können jedoch auch an das mittlere Management, wie z.B. Verkaufs- und
Produktionsleiter sowie Verantwortliche des Rechnungs- und Finanzwesens, delegiert
werden.
Die Freiheit der Preissetzung variiert mit den unterschiedlichen Markttypen, welche die
Unternehmen vorfinden. Die Preisgestaltung ist insbesondere bei Märkten, auf denen
viele Anbieter vielen Nachfragern gegenüberstehen (Polypol), eine schwer zu lösende
Aufgabe.
Am Ende wird die Frage, ob ein Unternehmen den „richtigen“ Preis festgesetzt hat, vom
Verbraucher beantwortet. Der Kaufinteressent wägt den Preis gegenüber dem empfunde-
nen Nutzen des Produkts ab. Wenn der Preis den Gesamtnutzen überschreitet, wird der
interessierte Verbraucher nicht kaufen. Das Nutzenempfinden der Käufer stellt somit die
Preisobergrenze dar.
Konsumenten messen bestimmten Produktmerkmalen unterschiedlichen Nutzen bei.
Viele Anbieter haben dies erkannt und bieten differenzierte Produkte zu unterschiedli-
chen Preisen in verschiedenen Marktsegmenten an. Um den Markt und die Nachfrage
richtig einschätzen zu können, versucht das Unternehmen, eine Nachfragekurve zu
erstellen, welche die wahrscheinlichen Absatzmengen pro Periode bei verschiedenen
Preisniveaus zeigt. Je unelastischer die Nachfrage auf Preisänderungen reagiert, desto
höher kann das Unternehmen den Preis ansetzen.
522
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Literatur und Quellen
523
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Strategien der Preispolitik
11.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526
11.2 Preissetzungsstrategien für neue Produkte . . . . . . 530
11
11.3 Preisstrategien für ein Produktprogramm . . . . . . . . 531
ÜBERBLICK
11.4 Preisanpassungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
11.5 Preisänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546
11.6 Preisgestaltung und öffentliche Politik . . . . . . . . . . . 552
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... Preisstrategien für Produktimitationen und Produktinnovationen benennen und
erläutern, wie sie angewendet werden.
... erklären, wie Unternehmen einzelne Preise bestimmen, um die Profitabilität des
gesamten Produktprogramms zu optimieren.
... beschreiben, wie Unternehmen ihre Preise anpassen, um Marktchancen zu nutzen.
... Gründe für Preisänderungen nennen und Reaktionsstrategien auf solche von Wett-
bewerbern erläutern.
... beschreiben, wie soziale und rechtliche Faktoren die Preissetzung beeinflussen.
11.1 Einführung
Im letzten Kapitel haben wir gelernt, dass Preisentscheidungen ein komplexes Handlungs-
feld darstellen, mit Einflüssen aus dem Unternehmen selbst, der Umwelt und dem Wettbe-
werb. Noch umfassender wird das Thema, wenn man berücksichtigt, dass ein Unternehmen
in der Regel nicht nur einen einzigen Preis, sondern eine viele Produkte umfassende Preis-
struktur festzulegen hat. Diese wiederum verändert sich fortwährend mit dem Durchlaufen
der Produkte durch den Produktlebenszyklus. Das Unternehmen passt seine Preise an Verän-
derungen der Kostenstruktur, der Nachfragesituation sowie sonstiger Rahmenbedingungen
an. Wenn das Wettbewerbsumfeld sich ändert, muss man eventuell auf Preisänderungen kon-
kurrierender Unternehmen reagieren oder selbst solche initiieren.
In diesem Kapitel untersuchen wir Ansätze zur Bildung und Anpassung von Preisen in
unterschiedlichen Situationen. Wir wenden uns folgenden Aspekten zu: Ansätze, wie Preise
für neue Produkte in der Einführungsphase des Produktlebenszyklus festgelegt werden,
Ansätze innerhalb des Produktprogramms, Ansätze für Preisänderungen, die sich aus unter-
schiedlichem Käuferverhalten oder Kaufsituationen heraus ergeben sowie für Preiskorrektu-
ren als Antwort auf Wettbewerberreaktionen.
Wir beginnen mit der Bedeutung der Preissetzung im Sport. Unser Fallbeispiel befasst sich
mit der Preisgestaltung des erfolgreichen und beliebten Bundesliga-Vereins Borussia Dort-
mund. Hier geht es nämlich nicht nur um die heimischen Fans – die Preisstrategie berück-
sichtigt auch diejenigen, die für ein hochklassiges Fußballspiel in begeisternder Atmosphäre
eine längere Anreise in Kauf nehmen.
526
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11.1 Einführung
Der deutsche Fußball erfreut sich immer größerer Beliebtheit – und das nicht nur unter
deutschen Anhängern. Es ist dem deutschen Fußball auch gelungen, einige der schärfs-
ten Kritiker von einst für sich einzunehmen: die englischen Fußballfans. Einem BBC-
Beitrag zufolge machen sich jedes Wochenende mehr als 1.000 Fans aus England auf
den Weg, um sich Spiele der Bundesliga in einem deutschen Stadion anzusehen. Ihr
Ziel? Dortmund. Ihre Motivation? Ein hochklassiges Fußballspiel zu bezahlbaren Ein-
trittspreisen zu erleben. Mitten im Ruhrgebiet wurde der Ballsportverein Borussia 09
e.V. Dortmund (BVB) im Jahr 1909 gegründet und gehört heute zu den erfolgreichsten
Clubs in der deutschen Bundesliga. In den Jahren 2010 und 2011 gewann der Verein
zwei deutsche und einen internationalen Titel. In den folgenden zwei Jahren und 2016
belegte das Team jeweils den zweiten Platz hinter Bayern München und erreichte 2013
das Finale der Champions League (in dem die Mannschaft im ersten rein deutschen
Finale überhaupt letztlich Bayern München unterlag). Diese hervorragende sportliche
Leistung spiegelt sich auch im Aktienkurs des Vereins wider: Zwischen 2010 und 2017
stieg der Wert der BVB-Aktie um eindrucksvolle 500 Prozent! Dortmund zieht die
Zuschauer jedoch nicht nur aufgrund seiner Leistung an, sondern auch wegen der ein-
zigartigen Fankultur, die während der Spiele für eine unglaubliche Atmosphäre im Sta-
dium sorgt.
Abbildung 11.1: Die sogenannte „Wand der Liebe“ nahe des Fußballstadions Signal Iduna Park in Dortmund; Fans des
Fußballvereins Borussia Dortmund können mit den Schlössern ihre Liebe zum Verein ausdrücken
(Quelle: Friedrich Stark / Alamy Stock Photo)
527
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11 Strategien der Preispolitik
Die Borussia-Fans stehen zu dem Slogan des Vereins: Echte Liebe. Beispiel gefällig? Wie
wäre es damit: Als Dortmund 2013 das Finale der Champions League erreichte, erhielt
der Club 502.567 Anfragen für 24.042 Tickets. Nicht schlecht für eine Stadt mit 580.956
Einwohnern. Die echte Liebe der Fans zeigt sich auch in den Besucherzahlen der Bun-
desliga-Heimspiele: Mit einem Fassungsvermögen von 80.645 Plätzen zählt das Dort-
munder Stadion im Durchschnitt 80.291 Besucher pro Spiel und damit aktuell die meis-
ten weltweit. Von diesen Zuschauern stehen 25.000 während des Spiels auf der Tribüne
und bilden die berühmte „Gelbe Wand“. Die Atmosphäre, die von diesen Fans erzeugt
wird, ist wirklich legendär und wird von anderen Teams sogar gefürchtet: Danach
gefragt, ob er mehr Respekt vor Dortmunds Spielern oder dem Manager habe, antwortete
der frühere Bayern-Star und deutsche Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger: „Am
meisten Respekt habe ich vor der Gelben Wand.“ Viele Fans stehen auf der Warteliste
für eines der begehrten Saisontickets, um Teil dieser besonderen Atmosphäre bei den
Heimspielen des Vereins zu werden.
Das Ausmaß, in dem die Nachfrage das Angebot übersteigt, würde viele andere Fuß-
ballclubs der Welt zu Preiserhöhungen anregen – besonders dann, wenn die aktuellen
Preise so niedrig sind wie in Dortmund, wo Besitzer eines Saisontickets durchschnittlich
13 Euro für den Besuch eines Spiels bezahlen. Aber Dortmund tickt anders. Der Club will
sicherstellen, dass die Fangemeinde sich auch langfristig ihre Begeisterung für den Verein
leisten kann. Deshalb lehnte der Verein zum ersten Mal seit drei Jahren den Wunsch der
Stadion-Gastronomen ab, den Bierpreis zu erhöhen. Auch der Trikot-Hersteller Puma, der
erstmals seit drei Jahren auf eine Preiserhöhung für die Ausstattung drängte, erhielt eine
Absage. Der Verein hat verstanden, dass die Fans an der Schaffung eines unvergesslichen
Fußballabends für jeden Besucher mitbeteiligt sind, und räumt diesem Erlebnis mehr
Bedeutung ein als den Einnahmen. Dortmund verkauft beispielsweise während des Spiels
keine Getränke in den Logen, damit die Fans ihre Mannschaft die ganze Partie hindurch
durch Gesänge und Klatschen anfeuern können. Aus demselben Ziel bittet auch der Stadi-
onsprecher die Besucher darum, rechtzeitig zu Beginn der zweiten Halbzeit zu ihren Plät-
zen zurückzukehren. Natürlich könnte der Club seinen Besuchern ermöglichen, mehr
Geld für Essen und Getränke auszugeben, doch in den Augen der Verantwortlichen würde
darunter die Qualität des Produkts leiden. „Wir sind ein Fußballverein“, sagt Marketing-
direktor Carsten Cramer. „Läuft es im Fußball nicht rund, funktioniert auch der Rest des
Geschäftes nicht. Das Geschäft ist Teil des Zugs, aber nicht die Lokomotive.“
Es ist genau diese Geschäftsphilosophie von Dortmund, die das Erlebnis Fußball für
jedes Mitglied der Gesellschaft bezahlbar macht – nicht nur für die Reichen und Älte-
ren. Selbst die britischen Fans sind von den niedrigen Preisen begeistert: „Wir machen
ein ganzes Wochenende draus. Mit den Tickets, Unterkunft und Anreise kostet der Aus-
flug 82 Euro. Wenn man bedenkt, dass schon der Besuch eines Arsenal-Spiels in der
letzten Saison 64 Euro gekostet hat, ist der Unterschied klar.“ Die hohen Preise in Eng-
land haben die Zusammensetzung der Fans verändert, die sich die Eintrittspreise leis-
ten können. Ein Dortmund-Fan sagt: „Als ich jung war, haben wir uns alle die engli-
schen Spiele angesehen und dachten: Genau das ist Fußball! Wenn wir uns heute
englische Spiele ansehen, geht es in den Stadien ziemlich langweilig zu. Man hat Fans
durch die hohen Preise vertrieben und damit die Atmosphäre verändert. Wenn Fans
sich die Preise nicht mehr leisten können, ist es kein Volkssport mehr.“ Ein englischer
Fan stimmt dem zu: „In England sind die Preise zu hoch. Hier dagegen ist alles günstig.
Für den Fan ist es ein Erlebnis und die Atmosphäre ist einfach unglaublich.“
528
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11.1 Einführung
Fragen
1. Warum scheint ein Stadionbesuch bei Borussia Dortmund für viele Fans beliebter
zu sein als bei Arsenal London?
2. Was würde voraussichtlich passieren, würde Borussia Dortmund die Preise erhö-
hen, um den Gewinn aus dem Ticketverkauf zu maximieren?
3. Warum setzt die BVB-Führung konsequent darauf, das Stadionerlebnis auf hohem
Niveau zu halten?
Wie das Fallbeispiel Borussia Dortmund nahelegt und wie wir aus dem vorherigen Kapitel
wissen, unterliegen Preisentscheidungen komplexen Gegebenheiten im Unternehmen, im
Umfeld und im Wettbewerb. Noch komplizierter wird es dadurch, dass ein Unternehmen
nicht nur einen Preis, sondern eine Preisstruktur festlegt, die verschiedene Artikel im Sorti-
ment umfasst. Diese Preisstruktur kann sich im Laufe des Lebenszyklus der Produkte ändern.
Das Unternehmen passt die Preise an, um auf die Veränderungen bei Kosten und Anforde-
rungen zu reagieren und die Vielfalt von Käufern und Gegebenheiten zu berücksichtigen. Bei
Änderungen im Wettbewerbsumfeld prüft das Unternehmen, wann es selbst Preisanpassun-
gen vornimmt und wann es auf solche reagiert.
529
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11 Strategien der Preispolitik
11.2.1 Marktabschöpfungsstrategie
Viele Unternehmen, die mit Produktinnovationen auf den Markt treten, setzen zu Beginn
hohe Preise fest, um hohe Einnahmen Schicht für Schicht vom Markt abzuschöpfen.
Apple hat die Marktabschöpfungsstrategie in den letzten Jahren immer wieder erfolgreich
angewendet. Als Apple das erste iPhone vorstellte, lag der Preis bei 417 Euro pro Smart-
phone. Die Geräte wurden lediglich von Kunden gekauft, die dieses neue, dünne Gadget
unbedingt haben wollten und bereit waren, einen hohen Preis dafür zu bezahlen. Sechs
Monate später senkte Apple den Preis für das Modell mit 8 GB auf 278 Euro und 16 GB auf
348 Euro, um neue Käufer zu erschließen. Ein weiteres Jahr später wurden die Preise erneut
auf 138 Euro und 208 Euro gesenkt. Heute kann man das 8-GB-Modell für 69 Euro erwerben.
Auf diese Weise gelang es Apple, unter Berücksichtigung der Bedarfsstrukturen der einzel-
nen Marktsegmente, die höchstmöglichen Umsätze zu erzielen.
Eine Marktabschöpfung ist jedoch nur unter bestimmten Bedingungen sinnvoll.
1. Qualität und Image des Produkts müssen es erlauben, einen hohen Preis verlangen und
beibehalten zu können.
2. Eine ausreichende Anzahl von Kaufinteressenten muss bereit sein, das Produkt zu ei-
nem hohen Preis zu kaufen.
3. Das relativ kleine Absatzvolumen darf nicht zu Kostennachteilen in irgendeiner der be-
trieblichen Funktionen (Produktion, Distribution usw.) führen, wodurch der höhere Er-
lös neutralisiert oder zunichtegemacht werden würde.
4. Wettbewerber sollten keinen einfachen Zugang zum Markt haben, um die hohen Preise
zu unterbieten.
11.2.2 Marktdurchdringungsstrategie
In manchen Fällen bietet es sich an, nicht durch anfänglich hohe Preise nach und nach alle
kleinen und profitablen Marktsegmente abzuschöpfen, sondern eine Marktdurchdringungs-
strategie durchzuführen. Dabei setzt man zu Beginn niedrige Preise an, um eine schnelle und
tiefe Marktdurchdringung zu erreichen. Dies erfolgt vor allem, um in kurzer Zeit eine große
Anzahl von Käufern anzuziehen und einen großen Marktanteil zu erlangen. Aus dem hohen
530
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
11.3 Preisstrategien für ein Produktprogramm
Absatzvolumen ergeben sich fallende Kosten, die es dem Unternehmen wiederum ermögli-
chen, weitere Preissenkungen vorzunehmen.
Beispielsweise nutzt der schwedische Möbelgigant IKEA die Marktdurchdringungsstrategie,
um im chinesischen Markt erfolgreich zu sein. Als IKEA 2002 den ersten Laden in China
eröffnete, strömten die Menschen in Massen hinein, jedoch nicht, um Möbel zu kaufen. Viel-
mehr galt ihr Interesse den verteilten Werbegeschenken, der kühlenden Klimaanlage, den
sauberen Toiletten und den neuen Dekorationsideen. Chinesische Konsumenten sind
bekannt für ihre Sparsamkeit. Wenn sie schließlich kaufen wollen, gehen sie zu lokalen
Händlern, welche Nachahmungen des IKEA-Designs zu einem Bruchteil des dortigen Ver-
kaufspreises anbieten. Um diese heiklen Kunden dennoch in das Geschäft zu locken, bietet
IKEA seine Produkte in China bis zu 70 Prozent günstiger an als in anderen Ländern. Diese
Marktdurchdringungsstrategie hat tatsächlich funktioniert. Heute hält IKEA 43 Prozent Markt-
anteil im boomenden Möbelgeschäft in China. Der Umsatz wächst jährlich um bis zu 25 Pro-
zent. Die Filiale in Peking zieht im Jahr sechs Millionen Besucher an. Am Wochenende ist der
Andrang so groß, dass die Mitarbeiter Megafone brauchen, um die Masse in Schach zu halten.
Verschiedene Bedingungen begünstigen die Marktdurchdringungsstrategie:
Auf dem Markt muss eine starke Preissensibilität vorherrschen, damit niedrige Preise ein
größeres Marktwachstum erzeugen können.
Die Produktions- und Vetriebskosten müssen mit zunehmendem Absatzvolumen fallen.
Der niedrige Preis muss beibehalten werden und sollte dazu beitragen, den Wettbewerb
auszuschließen – ansonsten ist der Preisvorteil nur vorübergehend gegeben.
Preissetzung Vorgehensweise
innerhalb der Produktlinie Es werden Preisstufen zwischen den einzelnen Produkten der Produktlinie festge-
legt.
für Zubehör Die Preissetzung für ergänzende Produkte, wie Zubehör und Zusatzausstattung,
erfolgt in Abstimmung mit dem Hauptprodukt.
für Komplementärprodukte Komplementärprodukte, also Produkte, die zwangsläufig mit dem Hauptprodukt
verwendet werden müssen, werden preislich auf das Hauptprodukt abgestimmt.
für Koppelprodukte Bei der Herstellung fallen Koppelprodukte von meist geringem Wert an. Um diese
absetzen zu können, muss eine entsprechende Preissetzung erfolgen.
für Produktbündel Produktbündel, d.h. Produkte, die zusammen verkauft werden, erfordern eine
besondere Preissetzung.
Tabelle 11.1: Preisstrategien innerhalb des Produktprogramms
531
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
11 Strategien der Preispolitik
532
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11.3 Preisstrategien für ein Produktprogramm
Preise verlangen. So verkauft Gillette seine Rasierer günstig und erzielt beim Verkauf der
Ersatzklingen hohe Gewinne.
Käufer von Kaffeemaschinen für Einzeltassen wie den Dolce-Gusto- oder Nespresso-Geräten
von Nestlé können schon mal zusammenzucken, wenn sie den Preis für eine einzelne dieser
praktischen Kaffeeportionen berechnen. Obwohl sie im Vergleich zu den Einzelportionen bei
Costa Coffee, Starbucks, Tchibo oder Segafredo zunächst wie ein Schnäppchen aussehen,
kommen die Preise je Kapsel auf das Pfund Kaffee hochgerechnet einem Wucher gleich. Ein
Prüfer ermittelte, dass die Kosten für Kapselkaffee bei unglaublichen 40 Euro pro Pfund lie-
gen.1 Bei diesen Preisen ist es günstiger, sich eine große Kanne Premium-Kaffee aufzubrühen
und die Reste später wegzuschütten. Für viele Käufer werden die hohen Preise jedoch durch
die praktische Handhabung und die große Auswahl an Sorten wettgemacht. Diese zwangs-
läufig hohen Folgekosten führen allerdings auch dazu, dass andere Käufer sich ein solches
Gerät gar nicht erst zulegen oder sich nach dem Kauf darüber ärgern.
Handelt es sich um Dienstleistungen, wird diese Strategie zweistufige Preissetzung genannt.
Hierbei unterteilt man den Preis in einen festen und einen variablen Anteil. Dementspre-
chend berechnet ein Telefonanbieter beispielsweise für ein Smartphone eine monatliche
Grundgebühr zuzüglich einer variablen Nutzungsrate für eine bestimmte Datenmenge oder
Geschwindigkeit bei der Internetnutzung. Dienstleistungsunternehmen müssen entscheiden,
welche Leistungsmerkmale zur Grundausstattung gehören und in welcher Höhe der Grund-
preis und die Preise für variable Nutzung angesetzt werden sollen. Der Fixbetrag sollte so
niedrig sein, dass die Konsumenten dazu bewegt werden, die Dienstleistung in Anspruch zu
nehmen.
1 Oliver Strand, „With coffee, the price of individualism can be high”, New York Times, 02/2012, Seite D6;
und „$51 per pound: the deceptive cost of single-serve coffee”, New York Times, www.thekitchn.com/51-
per-pound-the-deceptive-cost-of-singleserve-coffee-the-newyork-times-165712, Oktober 2015.
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11 Strategien der Preispolitik
Preis als die Summe der Preise für die Einzelkarten. Die Deutsche Telekom und andere Kom-
munikationsanbieter verkaufen ein Bündel an TV, Telefon und High-Speed-Internet zu einem
niedrigen Bündelpreis. Preisbündelung kann den Absatz von Produkten, die der Käufer mög-
licherweise nicht sofort erwerben würde, fördern. Allerdings muss der Preisvorteil groß
genug sein, um den Konsumenten zum Kauf des kompletten Produktbündels zu veranlassen.
11.4 Preisanpassungsstrategien
In der Regel nehmen Unternehmen Preisanpassungen vor, um auf unterschiedliche Konsu-
mententypen und wechselnde Kaufsituationen einzugehen. In Tabelle 11.2 sind sieben Prei-
sanpassungsstrategien zusammengefasst.
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11.4 Preisanpassungsstrategien
„12 Flaschen kaufen, 11 bezahlen“. Derartige Rabatte sollen den Käufer dazu bringen, seinen
Bedarf bei einem einzigen Anbieter zu decken, anstatt bei vielen verschiedenen Händlern zu
kaufen.
Wie der folgende Exkurs zeigt, kann es aber auch genau andersherum sein. Das heißt, Kun-
den müssen für eine größere Abnahmemenge oder eine größere Verpackung einen Aufschlag
zahlen.
Preisaufschläge bei Abnahme größerer Mengen Aufschläge für größere Mengen erschei-
nen als Variante der Preisanpassung auf den ersten Blick wenig verbreitet. In bestimm-
ten Marktbereichen wie beispielsweise bei Veranstaltungen oder Reisen kann jedoch
eine größere Nachfragemenge schwerer zu befriedigen sein als eine kleine. Auf einem
Linienflug zum Beispiel sind kurz vor Abflug ein oder zwei Personen leichter unterzu-
bringen als eine Gruppe von 12 oder 15 Personen. Ähnliche Probleme mag es im Vorver-
kauf von großen Konzerten oder von großen Sportereignissen (zum Beispiel Fußball-
Weltmeisterschaft) geben.
Kunstgegenstände und Sammlungen: größere Ensembles und Vollzähligkeit erlauben
erhebliche Aufschläge Auf dem Flohmarkt, bei eBay oder im Antiquitätenhandel lassen
sich ein oder zwei Stühle in hochwertigem Jugendstil gewiss leichter aufspüren als eine
komplette und nach 100 Jahren noch intakte Esszimmergarnitur mit Tisch und sechs
Stühlen. Sicherlich findet man leichter ein oder zwei Messer als ein komplettes Besteck,
oder eine Tasse und einen Teller als ein vollständiges Service. Ähnliches gilt für Samm-
lungen von Münzen, Banknoten, Briefmarken oder Kunst-Editionen.
Aufwendige Sonderprodukte und Magnum-Champagnerflaschen In der Regel erwarten
Verbraucher Preisnachlässe beim Kauf größerer Einheiten. Dies ist jedoch nicht zwangs-
läufig der Fall. So können zum Beispiel mit jahreszeitlich begrenzt angebotenen
Geschmacksrichtungen bei Schokoladentafeln oder limitierten Auflagen in besonderem
Verpackungsdesign auch bei größeren Mengen höhere Preise durchgesetzt werden. Im
Vergleich zu normalen 100-Gramm-Tafeln herkömmlicher Geschmacksvarianten oder
Designs erreichen beispielsweise die 150-Gramm-Tafeln spezieller Aktionen einen
höheren Durchschnittspreis.
Auch bei Magnum-Champagnerflaschen mit drei Litern Inhalt, wie sie regelmäßig bei
den Siegerehrungen von Formel-1-Rennen wirkungsvoll versprüht werden, handelt es
sich nicht um eine einfache Großpackung, sondern um ein grundlegend verändertes
Produkt. Der große Druck des abgefüllten Champagners erfordert den Einsatz eines ganz
anderen Typs druckfester Flaschen. Der erheblich höhere Herstellungsaufwand dieses
Produktes schlägt sich in einem deutlichen Preisaufschlag im Vergleich zur Standardfla-
sche mit 0,75 Litern Inhalt nieder.
Doch auch bei vergleichsweise einfachen Produkten wie Teebeuteln kommt es häufiger
als erwartet vor, dass man sich beim Kauf einer Großpackung (mit 50 Einheiten)
schlechter stellt als beim Erwerb von zwei kleineren Packungen (mit je 25 Beuteln).
535
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11 Strategien der Preispolitik
536
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11.4 Preisanpassungsstrategien
Abbildung 11.2: Preise verschiedener Produktformen: Evian-Wasser in einer 1-Liter-Flasche und als „Evian Brumisa-
teur Gesichtsspray“ in einer 50-Milliliter-Sprühdose.
(Quelle: Photo by Jim Whitmer)
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11 Strategien der Preispolitik
Auf der anderen Seite ist dies aber auch den unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften
der Kunden für die jeweilige Gebindegröße geschuldet. Während die Kunden bei den
größeren Verpackungseinheiten, die oftmals als Vorratspackungen dienen, sehr preis-
sensitiv sind, werden kleinere Verpackungseinheiten meist bei Impulsgelegenheiten
konsumiert, etwa als 0,5-Liter-PET-Flasche „on the go“ oder als 0,33-Liter-PET-Flasche
in der Minibar. Bei diesen Konsumationsanlässen ist der unmittelbare Nutzen höher
und damit auch die Zahlungsbereitschaft.
Besonders bemerkenswert ist aber eine potenzielle Änderung der Zahlungsbereitschaft,
wenn der Nutzungsanlass gänzlich verändert wird: Evian-Wasser in einer 1-Liter-Fla-
sche mag im lokalen Supermarkt nur 15 Cent pro 100 Milliliter kosten, doch bringt das
gleiche Wasser auch 10 Euro pro 100 Milliliter ein, wenn es als „Evian Brumisateur
Gesichtsspray“ in einer 50-Milliliter-Sprühdose verkauft wird.
Quellen:
http://www.welt.de/reportage/wasser/wassergeschaeft/article153835108/abfuellen-bis-zum-letz-
ten-tropfen.html [19.02.2018]
http://www.danone.com/en/for-all/our-4-business-lines/waters/our-brands/buid/evian/
[19.02.2018]
Preissetzung nach Orten Hier lassen sich zwei Arten der Differenzierung unterscheiden:
Zum einen kommt es vor, dass für das gleiche Produkt an unterschiedlichen Stellen verschie-
dene Preise verlangt werden. So zahlt man in der Regel an Autobahntankstellen einen höhe-
ren Preis für Benzin als in der Stadt. Zum anderen lassen sich z.B. in einem Theater oder
einem Fußballstadion aufgrund der Sichtverhältnisse und der Platzpräferenzen des Publi-
kums unterschiedliche Preise für verschiedene Platzkategorien erzielen, obwohl die Kosten
der Leistungserstellung für alle Kategorien gleich sind. Die Preisgattungen Ia bis V (siehe
Tabelle 11.3) bezeichnen beispielsweise unterschiedliche Platzkategorien des Mannheimer
Nationaltheaters. Die Plätze der Gattung Ia befinden sich in der ersten Reihe vor der Bühne
bzw. in den vordersten Logen, während die Gattung V die Plätze in den letzten Reihen
umfasst. Außerdem sind die Preise des Nationaltheaters nach dem Zeitpunkt des Opernbe-
suchs gestaffelt. Die höchste Gruppe A entspricht einer Premierenvorstellung, B einer Vor-
stellung an Wochenenden und Feiertagen, C einer Veranstaltung an einem Wochentag etc.
Preisgruppe
Preisgattung
A B C D E
Ia 94,– 74,– 65,– 58,– 35,–
I 70,– 54,– 48,– 42,– 25,–
II 60,– 44,– 39,– 35,– 20,–
III 45,– 34,– 30,– 28,– 16,–
IV 32,– 24,– 20,– 19,– 12,–
V 19,– 13,– 12,– 12,– 6,60
Tabelle 11.3: Eintrittspreise des Opernhauses des Mannheimer Nationaltheaters (in Euro)
538
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11.4 Preisanpassungsstrategien
Preissetzung nach Zeit Die Preissetzung kann saisonal, monatlich, täglich und sogar stünd-
lich variieren. So bieten Nahverkehrsunternehmen außerhalb der Berufsverkehrszeiten güns-
tigere Tarife, z.B. Wochenendtarife, an. Ebenso richtet sich die Preisstruktur von Hotels nach
Spitzen- und Nebenzeiten, ähnlich verfahren Stromanbieter.
Für eine erfolgreiche Anwendung der differenzierenden Preissetzung müssen bestimmte Vor-
aussetzungen erfüllt sein:
Der Markt muss segmentierbar sein und die Segmente müssen unterschiedliche Nachfrag-
eintensitäten aufweisen.
Angehörigen von Marktsegmenten, die in den Genuss niedrigerer Preise kommen, darf es
nicht möglich sein, die Produkte an Kunden aus den anderen Segmenten weiterzuverkau-
fen, da sie damit die vorgesehene Preisstruktur untergraben würden.
Der Wettbewerb sollte ähnliche Preissetzungs- und Segmentierungskriterien einsetzen.
Ferner sollte die Konkurrenz nicht in der Lage sein, das Unternehmen im teureren Seg-
ment zu unterbieten.
Die durch die Marktsegmentierung entstehenden Kosten sollten unter den zusätzlichen,
durch Preisunterschiede erzielten Einnahmen liegen.
Die Preisdifferenzierung muss legal sein.
Die differenzierten Preise sollten die tatsächlichen Unterschiede bezüglich des wahrge-
nommenen Nutzens durch den Kunden widerspiegeln.
Die Preisdifferenzierung sollte langfristig nicht zu Unmut oder Unzufriedenheit bei den
Käufern führen.
539
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11 Strategien der Preispolitik
bestimmtes Produkt kosten sollte oder könnte. Diese Preisvorstellungen können aufgrund
eines Preisvergleichs bei mehreren Anbietern, aufgrund von Erinnerungen an frühere Käufe
oder der Einschätzung der aktuellen Kaufsituation zustande kommen. Unternehmen können
diese Referenzpreise beeinflussen oder sie für ihre Preissetzung nutzen. Ein Unternehmen
kann zum Beispiel ein Produkt neben teureren Produkten präsentieren, sodass der Eindruck
entsteht, es gehöre derselben Preisklasse an. Große Kaufhäuser bieten Damenbekleidung häu-
fig in mehreren Abteilungen nach Preisklassen getrennt an: Bei Kleidung, die in teureren
Abteilungen zu finden ist, geht man davon aus, dass sie eine bessere Qualität hat. Unterneh-
men können die Referenzpreise der Kunden auch beeinflussen, indem sie auf die höhere
„unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers“, auf den viel höheren Originalpreis oder
auf den höheren Preis eines Wettbewerbers hinweisen.
Bei den meisten Einkäufen können die Kunden aufgrund fehlender Informationen nicht ein-
schätzen, ob sie einen guten Preis für das jeweilige Produkt bezahlen. Sie haben nicht die
Zeit, die Möglichkeit oder die Bereitschaft, verschiedene Marken, Geschäfte und Preise zu
vergleichen und den bestmöglichen Kaufpreis zu finden. Vielmehr verlassen sie sich auf
bestimmte Signale, die anzeigen, ob ein Preis hoch oder niedrig ist. Interessanterweise wer-
den diese Signale hauptsächlich von den Verkäufern selbst, in Form von Reduzierungsschil-
dern, Tiefpreisgarantien und anderen Hinweisen bereitgestellt.
Dabei können selbst kleine Preisunterschiede Produktunterschiede suggerieren. Betrachtet
man die Preise für ein Fernsehgerät von 400 Euro bzw. 399 Euro, ist ein rechnerischer Prei-
sunterschied von lediglich einem Euro gegeben, doch kann der psychologische Unterschied
viel größer ausfallen. Zum Beispiel werden einige Konsumenten den Preis von 399 Euro eher
dem 300-Euro-Bereich als dem 400-Euro-Bereich zurechnen. Während der Preis von 399
Euro wie ein Sonderangebot wirkt, legt der Preis von 400 Euro eine bessere Qualität nahe.
Komplizierte Zahlen, wie zum Beispiel 347,41 Euro, wirken nicht so ansprechend wie runde
Zahlen, z. B. 350 Euro. Einige Psychologen argumentieren, dass jede Ziffer symbolische und
visuelle Qualitäten vermittelt, die bei der Preissetzung beachtet werden sollten. So ist die
Zahl Acht rund und gleichmäßig, was einen beruhigenden Effekt hat, während die Zahl Sie-
ben eckig ist und eher unangenehme Empfindungen auslöst.
540
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11.4 Preisanpassungsstrategien
Barzahlungsrabatte Unternehmen bieten oftmals Barzahlungsrabatte für Käufer an, die ein
Produkt innerhalb einer bestimmten Zeit erwerben und bar bezahlen. Solche Rabatte sind
insbesondere bei Gebrauchsgütern und Kleingeräten sehr verbreitet.
Günstige Finanzierungsmodelle, Garantieverlängerungen oder kostenlose Wartungen wer-
den angeboten, um dem Käufer das Gefühl zu vermitteln, für den bezahlten Preis mehr Leis-
tung zu bekommen. Solche Angebote findet man häufig beim Autokauf. Einige Hersteller bie-
ten sogar Null-Prozent-Finanzierungen an, um Kunden zu gewinnen.
Preisnachlässe Darüber hinaus kann ein Unternehmen Rabatte und Preisnachlässe auf die
normalen Preise einräumen, um die Verkäufe anzukurbeln und die Lagerbestände zu redu-
zieren.
Allerdings können Preisaktionen bei häufiger Anwendung und Nachahmung durch die Wett-
bewerber dazu führen, dass kostenbewusste Konsumenten, die sich für eine Marke interes-
sieren, auf eine Sonderpreisaktion warten, um „zuzuschlagen“. Ebenso können Dauernied-
rigpreise den Wert einer Marke in den Augen der Kunden mindern. Marketing-spezialisten
verwenden Preisaktionen oft als kurzfristiges Instrument, anstatt den schwierigen Entwick-
lungsprozess effektiver und langfristiger Strategien zu durchlaufen, die nötig sind, um eine
Marke aufzubauen. Wie ein Beobachter anmerkt, können Preisaktionen sowohl für das Unter-
nehmen als auch für die Kunden zu einer regelrechten Sucht werden: „Preisaktionen sind für
Marken eine Art Heroin: Es ist leicht, damit anzufangen, aber schwer, wieder davon loszu-
kommen. Sobald die Marke und ihre Kunden an den kurzfristigen Rausch einer Preissenkung
gewöhnt sind, ist es schwierig, sie zu entwöhnen und zu einem echten Aufbau der Marke
überzugehen ... Verfolgt man weiter den alten Kurs, stirbt die Marke durch ständige Preissen-
kungen.“
Preisnachlässe stellen demnach unter bestimmten Umständen ein sehr effektives Mittel dar,
um hohe Verkaufszahlen zu erreichen, dauerhaft eingesetzt können sie ein Unternehmen
jedoch schädigen.
541
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11 Strategien der Preispolitik
übernommen. Somit geht zum Zeitpunkt der Übergabe Eigentum und Verantwortung auf den
Kunden über, der für die Frachtkosten vom Werk bis zum Bestimmungsort aufkommen muss.
Da jeder Kunde seine eigenen Frachtkosten trägt, sind Befürworter der EXW-Methode der
Meinung, dass dies die gerechteste Form der Frachtkostenfestsetzung ist. Der Nachteil ist,
dass die Zusammenarbeit mit dem norwegischen Papierproduzenten für weit entfernte Kun-
den sehr kostspielig wäre.
Uniform delivered pricing – Einheitliche Frachtkosten Diese Form ist exakt das Gegenteil
von EXW. Hierbei berechnet das Unternehmen allen Kunden denselben Einheitspreis für
Fracht und Transport, unabhängig von der Lieferadresse. Der Preis wird auf Basis der durch-
schnittlichen Frachtkosten festgelegt. Angenommen, dieser beträgt 150 Nkr. Dann würde die
Lieferung eine höhere Belastung für den Kunden A aus Oslo bedeuten, der anstatt 100 Nkr
nun 150 Nkr zahlen müsste. Für den Kunden C aus Barcelona wäre es günstiger, da die Kos-
ten bei 150 Nkr statt 250 Nkr liegen würden. Einerseits könnte dies dazu führen, dass Kunde
A aus Oslo einen anderen lokalen Papierhersteller bevorzugen würde, der die Preissetzung
aufgrund von EXW vornimmt. Andererseits hätte der norwegische Papierproduzent dadurch
eine größere Chance, den spanischen Kunden C für sich zu gewinnen. Ein weiterer Vorteil
des Einheitspreises ist die einfachere Verwaltung und die Möglichkeit, mit dem gleichen
Preis auf allen Märkten zu werben.
Zone pricing – Einteilung in Preiszonen Hierbei handelt es sich um eine Zwischenform der
Preissetzung nach EXW und dem Einheitspreis. Das Unternehmen legt zwei oder mehr
Zonen mit jeweiligen Preisen fest. Zwar zahlen alle Kunden innerhalb einer Zone denselben
Preis, doch je weiter die Zone entfernt ist, desto höher ist auch der Preis. Zum Beispiel kann
der norwegische Papierlieferant eine skandinavische Zone errichten, in der alle Kunden 100
Nkr für den Transport zahlen müssen. Weiterhin gäbe es eine nordeuropäische Zone mit
einer Frachtkostenpauschale von 150 Nkr und eine südeuropäische Zone mit 250 Nkr. Auf
diese Weise erhalten die Kunden innerhalb einer vorgegebenen Preiszone keinen Preisvorteil
vonseiten des Unternehmens. So zahlen Kunden in Oslo und Kopenhagen denselben
Gesamtpreis. Der Kunde in Oslo könnte sich allerdings beschweren, dass er einen Teil der
Frachtkosten des Kunden in Kopenhagen mittragen muss. Außerdem können für Unterneh-
men unterschiedliche Preise gelten, wenn sie in unterschiedlichen Zonen liegen, obwohl sie
nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind.
Basing-point pricing – Preissetzung anhand von Basisorten Hierbei wählt das Unternehmen
eine Stadt als Basisort, von dem aus die Preise für die Transportkosten festgelegt werden. Es
spielt dabei keine Rolle, ob die Waren tatsächlich von dort verschickt werden. Zum Beispiel
könnte der norwegische Papierhersteller Oslo als seinen Basisort festlegen und allen Kunden
100 Nkr zuzüglich der Lieferkosten ab Oslo zum Zielort berechnen. Das bedeutet, dass ein
Kunde aus Kopenhagen die Frachtkosten von Oslo nach Kopenhagen bezahlt, auch wenn die
Ware direkt vom Produktionsort des Herstellers angeliefert wird. Nutzt man nicht den Werk-
standort als Basisort, hat dies zur Folge, dass der Gesamtpreis für nahe gelegene Kunden
möglicherweise höher und für entfernt gelegene Kunden niedriger ausfällt.
Wenn alle Unternehmen denselben Basisort als Berechnungsgrundlage nutzen würden, wäre
der Zustellpreis für alle Kunden gleich und daher wäre der Preiswettbewerb hinfällig. Die
Zucker-, Zement-, Stahl- und Automobilindustrie haben die Preissetzung anhand von
Basisorten jahrelang angewendet, doch mittlerweile hat diese Methode an Popularität verlo-
ren. Einige Unternehmen legen mehrere Basisorte fest, um flexibler sein zu können, d.h. sie
berechnen die Fracht- und Transportkosten von dem Basisort aus, der am nächsten beim
Kunden liegt.
542
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11.4 Preisanpassungsstrategien
Freight-absorption pricing – Lieferung frei Haus Schließlich kann ein Unternehmen, das
bestrebt ist, mit einem bestimmten Kunden oder in einem bestimmten Gebiet Geschäfte zu
tätigen, die Lieferung frei Haus anbieten. Hierbei trägt das Unternehmen die gesamten
Fracht- und Transportkosten, oder zumindest einen Großteil davon, in der Hoffnung, so den
Zuschlag für den erwünschten Geschäftsabschluss zu bekommen. Der zugrunde liegende
Gedanke ist, dass das Unternehmen langfristig mit einer besseren Auftragslage rechnet. Das
wiederum bedeutet, dass bei einem größeren Handelsvolumen die Durchschnittskosten
gesenkt und die anfallenden Mehrkosten für Fracht und Transport kompensiert werden kön-
nen. Diese Form der Preissetzung wird angewendet, um eine Marktdurchdringung erreichen
und in zunehmend wettbewerbsorientierten Märkten bestehen zu können.
543
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11 Strategien der Preispolitik
und Lieferanten verbindet, um den Lagerbestand, Kosten und Nachfrage zu steuern und
Preise bei Bedarf sofort anzupassen.
Sofortiger Preisvergleich Auch die Käufer profitieren von Internetangeboten und der dynami-
schen Preissetzung. Sie können schnell und umfassend Informationen über Produkte und ver-
schiedene Anbieter miteinander vergleichen. Portale wie idealo.de oder billiger.de geben einen
sofortigen Überblick über aktuelle Produkte und Preise der einzelnen Wettbewerber. Auf ande-
ren Seiten können Kunden eigene Produktbewertungen und Erfahrungsberichte einstellen, um
anderen Käufern eine Entscheidungshilfe zu geben. Tripadvisor.de zum Beispiel lässt die Nut-
zer nach Hotels, Restaurants und Pauschalreisen recherchieren und liefert Bewertungen und
Erfahrungsberichte von Reisenden. Es durchsucht das Web und zeigt Links zu den günstigsten
Anbietern an, geordnet nach Preis oder Kundenrezensionen. Der Kunde kann über diese Seiten
nicht nur die besten Produkte und günstigsten Anbieter finden, sondern danach auch mit Prei-
sinformationen, die er bereits hat, einen günstigeren Preis aushandeln. Unterstützt wird dies
inzwischen auch durch die Vielzahl von Apps auf Mobiltelefonen, die es Kunden ermöglichen,
im Geschäft Barcodes oder QR-Codes zu scannen. So erhalten die Käufer umfassende Informa-
tionen wie Produktbewertungen und Preisvergleiche direkt auf ihr Handy und können ent-
scheiden, ob sie das Produkt bei dem ausgewählten Händler oder bei einem Konkurrenten in
der Nähe kaufen oder direkt im Internet bestellen wollen.
Gleichwohl stellen viele Händler fest, dass die Möglichkeit des Preisvergleichs im Internet
den Verbrauchern einen zu großen Vorteil verschafft. Stationäre Einzelhändler entwickeln
heute Strategien, um der Kundengewohnheit des sogenannten Showroomings entgegenzu-
wirken: Kunden kommen mit ihrem Smartphone in die Geschäfte, lassen sich bestimmte
Artikel vorführen, vergleichen die Preise noch im Laden online und bestellen den Artikel
dann preisgünstiger im Internet. Diese Praxis wird als Showrooming bezeichnet, da die Ver-
braucher die Filialen der Händler als reale „Ausstellungsräume“ für den Einkauf bei Amazon
und Co. nutzen.
Preisverhandlungen online Der Käufer kann Preise auch auf Online-Auktions- und Tausch-
seiten aushandeln. Plötzlich ist die jahrhundertealte Kunst des Handelns wieder in aller
Munde. Wollen Sie das antike Gurkenglas verkaufen, das schon über Generationen im Keller
Staub fängt? Stellen Sie es bei eBay, dem weltweit größten Online-Flohmarkt, ein. Möchten
Sie selbst den Preis für ein Hotelzimmer oder einen Mietwagen bestimmen? Besuchen Sie
Priceline.com oder eine andere Auktionsseite dieser Art.
Die dynamische Preissetzung ist ein zweischneidiges Schwert. Viele Kunden fänden es sehr
ernüchternd herauszufinden, dass ihr Sitznachbar im Flieger von Schiphol nach Malpensa
20 Prozent weniger als sie selbst bezahlt hat, nur weil er oder sie zufällig zur richtigen Zeit
oder über den richtigen Anbieter gebucht hat. Amazon hat daraus vor einigen Jahren gelernt,
als das Unternehmen damit experimentierte, neuen Kunden günstigere Preise anzubieten,
um sie als Kunden zu gewinnen. Als Stammkunden über Internet-Chatrooms davon erfuh-
ren, dass sie generell mehr zahlen als Erstbesucher der Webseite, protestierten sie vehement
und Amazon beendete dieses Experiment.
Zudem haben Kritiker Bedenken geäußert, dass variable oder dynamische Preise ahnungslo-
sen Kunden auch Schaden zufügen könnten und die Moral bei einigen Praktiken auf der
Strecke bleibt. Die dynamische Preisregelung kann in vielen Bereichen sinnvoll sein – sie
passt Preise an verschiedene Marktkräfte an und ist häufig auch im Sinne des Kunden. Aller-
dings müssen Marketingverantwortliche aufpassen, dass sie die dynamische Preissetzung
nicht dazu missbrauchen, aus bestimmten Kundengruppen Vorteile zu ziehen, da sie damit
wichtige Kundenbeziehungen nachhaltig schädigen würden.
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11.4 Preisanpassungsstrategien
545
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11 Strategien der Preispolitik
nehmen kleinere, einfachere und bezahlbare Produktversionen für diese Märkte. Unilever
zum Beispiel – Hersteller von Marken wie Dove, Sunsilk, Lipton und Vaseline – verkleinerte
seine Verpackungsgrößen und veranschlagte dafür so niedrige Preise, dass die Produkte
selbst für die ärmsten Verbraucher bezahlbar waren. So wurden Einmalgrößen bei Shampoo,
Waschmittel, Gesichtscreme und anderen Produkten entwickelt, die sich für nur wenige Cent
pro Packung profitabel verkauften. Dadurch erwirtschaftet Unilever heute mehr als die Hälfte
seiner Umsätze in den Schwellenmärkten.2
Obwohl sich diese Strategie für Unilever lohnte, stellen die meisten Unternehmen fest, dass
ein profitables Geschäft an der Basis der Pyramide mehr erfordert als neue Verpackungsgrö-
ßen oder das Angebot vereinfachter Produkte zu günstigeren Preisen. Wie wohlhabendere
Kunden auch, wollen die Verbraucher mit wenig Kaufkraft Produkte erwerben, die sowohl
funktional als auch attraktiv sind. Unternehmen arbeiten daher heute an der Entwicklung
von Produkten, die sich nicht nur zu sehr niedrigen Preisen verkaufen, sondern den Kunden
an der Basis der Pyramide auch ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten – kein schlech-
teres.
Wir gehen auf Fragestellungen der internationalen Preissetzung noch ausführlicher in Kapi-
tel 19 ein.
11.5 Preisänderungen
Nachdem Preisstrukturen und -strategien festgelegt worden sind, stehen Unternehmen
immer wieder Situationen gegenüber, die Preisänderungen oder eine Reaktion auf Preisände-
rungen der Wettbewerber erfordern.
2 Matthew Boyle, „Unilever: taking on the world, one stall at a time“, Bloomberg Businessweek, 7. Ja-
nuar 2013, S. 18–20 und Martinne Geller, „Unilever sticks with emerging markets as sales rebound“,
Reuters, 21. Januar 2014, http://uk.reuters.com/article/2014/01/21/uk-unilever-results-idUK-
BREA0K09A20140121.
546
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11.5 Preisänderungen
senkt die Preise, in der Hoffnung, Marktanteile zu erreichen, die wiederum zu hohen Stück-
zahlen und schließlich zu Kostensenkungen führen. Lenovo beispielsweise verfolgte eine
aggressive Niedrigpreisstrategie bei gleichzeitig niedrigen Kosten, um Marktführer im PC-
Bereich zu werden.
Smirnoff, die führende Wodkamarke der USA, wurde lange Zeit von Heublein USA her-
gestellt. Zu dieser Zeit versuchte ein Konkurrent, Wolfschmidt, die Marktführerposition
von Smirnoff anzugreifen. Wolfschmidt beanspruchte, die gleiche Qualität wie Smirnoff
zu liefern, bot sein Produkt jedoch um einen Dollar pro Flasche günstiger an als Smir-
noff. Besorgt über die Vorstellung, Kunden an Wolfschmidt zu verlieren, entwickelte
Heublein mehrere Szenarien denkbarer Reaktionen: Eine Preissenkung um einen Dollar
auf den Preis der Konkurrenz; den Preis halten, aber die Werbeausgaben deutlich erhö-
hen; oder den Preis beibehalten und dabei den Verlust von Marktanteilen in Kauf neh-
men. Alle drei Vorschläge bedeuteten Gewinnrückgänge und es sah so aus, als ob sich
Heublein mit Smirnoff in der Defensive befände.
547
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11 Strategien der Preispolitik
In dieser Situation hatten die Marketing-Fachleute von Heublein die Idee, den Preis des
Wodkas Smirnoff um einen Dollar zu erhöhen (!) und die neue Marke „Relska“ einzu-
führen, die direkt mit dem Wolfschmidt-Produkt bei gleichem Preis konkurrieren sollte.
Darüber hinaus wurde für preisbewusste Käufer die dritte Marke „Popov“ eingeführt,
die das Wolfschmidt-Produkt um einen Dollar unterbot. Damit wurde „Smirnoff“ als eli-
täres, teures Produkt positioniert und von den neuen Produkten flankiert, während das
Wolfschmidt-Produkt wegen des niedrigeren Preises auf den Platz eines „gewöhnlichen
Produkts“ verwiesen wurde. Die Strategie der dreifachen Positionierung erwies sich als
überaus erfolgreich und brachte einen enormen Renditezuwachs.
Da Heublein bei der Methode und Qualität der Herstellung auch für das billigste Pro-
dukt keine Abstriche machte, wurde ein nahezu identisches Produkt, das für alle drei
Marken ähnliche Kosten verursachte, durch die Preissetzung auf drei verschiedenen
Qualitätspositionen angeboten.
Abbildung 11.3: Eine Flasche Smirnoff Wokda mit dem prägnanten roten Label.
(Quelle: Ashley Pomeroy (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Smirnoff_Red_Label_8213.jpg), https://creativecom-
mons.org/licenses/by/4.0/legalcode).
548
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11.5 Preisänderungen
Wenn möglich, sollte das Unternehmen versuchen, Kosten- und Nachfragesteigerungen ohne
Preiserhöhungen zu begegnen. Anstelle von Preiserhöhungen lassen sich möglicherweise
noch Einsparungen am Produkt vornehmen. Eine Möglichkeit wäre, das Produkt zu „verklei-
nern“, d.h. kleinere Mengen zum gleichen Preis anzubieten, wie dies beispielsweise bei Süß-
waren und Lebensmitteln häufig praktiziert wird. Ferner können teure Inhaltsstoffe ersetzt
und Einsparungen hinsichtlich bestimmter Produktmerkmale, Verpackung oder Serviceleis-
tungen vorgenommen werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Produkte und Dienst-
leistungen zu entbündeln und die einzelnen Bestandteile, die zuvor als Paket angeboten wur-
den, getrennt zu berechnen. Beispielsweise stellen EDV-Anbieter Schulung und Beratung,
die früher im Preis für die Hardware inbegriffen waren, heute als gesonderte Serviceleistun-
gen in Rechnung und führen diese unter Umständen sogar als eigene Geschäftsfelder.
549
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11 Strategien der Preispolitik
Preisänderungen zu reagieren, dürfte die Reaktion leicht vorherzusagen sein. Wenn die Wett-
bewerber jedoch jede Preisveränderung als eine neue Herausforderung ansehen und den
eigenen Interessen entsprechend reagieren, wird es schwieriger. Die Herausforderung besteht
darin, sich in die Lage des Wettbewerbers hineinzuversetzen und zu ermitteln, worin dessen
jeweiliges Hauptinteresse besteht.
Gibt es mehrere Wettbewerber, sollte man versuchen, die voraussichtlichen Reaktionen aller
einzuschätzen. Verhalten sich alle Wettbewerber in etwa gleich, genügt es oftmals, die Reak-
tion eines typischen Akteurs zu analysieren. Wenn hingegen zu erwarten ist, dass dies nicht
der Fall ist – vielleicht aufgrund der Unterschiede in Bezug auf Größe, Marktanteil und
Unternehmenspolitik –, sind individuelle Prognosen notwendig. Wie dem auch sei, zieht ein
Wettbewerber bei der Preisänderung mit, ist davon auszugehen, dass auch die übrigen ihre
Preise anpassen werden.
550
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
11.5 Preisänderungen
rung vorliegen. Für den Augenblick wird man seine „guten“ Kunden behalten, während man
die „schlechten“ Kunden an die Konkurrenz verliert.
Preis beibehalten,
Preissenkung bei der Nein
Konkurrenzverhalten
Konkurrenz?
weiterhin genau beobachten
Ja
Preissenkung
Wird diese Preissenkung Nein
Auswirkungen auf
unseren Absatz haben?
Steigerung der
Ja wahrgenommenen Qualität
Nein Qualitätsverbesserung
Sollte/kann wirksam und Preiserhöhung
darauf reagiert werden?
Ja
Einführung einer
neuen Marke
im unteren Preissegment
Abbildung 11.4: Reaktionsstrategien auf Preisänderungen
Gegen ein derartiges Abwarten spricht, dass der Wettbewerber in der Zwischenzeit durch
steigende Absatzzahlen seine Position stärken und verteidigen wird.
Wenn man den Beschluss fasst, eine entsprechende Gegenreaktion einzuleiten, sind vier ver-
schiedene Möglichkeiten denkbar:
1. Preissenkungen Wenn man davon ausgehen muss, dass die Konsumenten preissensibel
sind und dass man Marktanteile an den preisgünstigeren Wettbewerber verlieren würde,
liegt es nahe, dass man seinen Preis bis auf das Niveau des Wettbewerbers senkt. Selbst-
verständlich schmälert dies grundsätzlich den Gewinn. Man kann deshalb versuchen,
die alte Gewinnspanne wiederzuerlangen, indem man bei Produktqualität, Serviceleis-
tungen und Kommunikationsmaßnahmen Abstriche macht. Auf lange Sicht kann dies
allerdings dem eigenen Marktanteil schaden. Daher ist es ratsam, auch bei Preissenkun-
gen die Produktqualität beizubehalten.
2. Steigerung der wahrgenommenen Qualität Ein Unternehmen kann seine Preisstruktur
beibehalten, aber die wahrgenommene Qualität seines Produkts erhöhen. Zu diesem
Zweck hat es die Möglichkeit, seine Kommunikationsmaßnahmen anzupassen, um die
eigene Qualität im Vergleich zu der des günstigeren Wettbewerbers hervorzuheben. In
vielen Fällen ist es vorteilhaft, den Preis konstant zu halten und mehr Geld in die Stei-
gerung der wahrgenommenen Qualität zu investieren, anstatt den Preis zu senken und
eine niedrigere Marge zu erwirtschaften.
3. Qualitätsverbesserungen und Preiserhöhungen Das Unternehmen kann die Produktquali-
tät und gleichzeitig die Preise erhöhen und damit die eigene Marke höher positionieren.
Die bessere Qualität rechtfertigt den höheren Preis, der wiederum zu höheren Gewinnspan-
nen führt. Alternativ kann der Preis für das bisherige Produkt beibehalten und parallel eine
neue Marke eingeführt werden, die in einer höheren Preisregion angesiedelt ist.
551
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
11 Strategien der Preispolitik
3 Zu einer weiterführenden Diskussion siehe Dhruv Grewel und Larry D. Compeau, „Pricing and pub-
lic policy: a research agenda and overview of the special issue“, Journal of Public Policy and Marke-
ting, Spring 1999, S. 3–10; Walter L. Baker, Michael V. Marn und Craig C. Zawada, The Price
Advantage (Hoboken, New Jersey: John Wiley & Sons, 2010), Appendix 2 sowie Thomas T. Nagle,
John E. Hogan und Joseph Zale, The Strategy and Tactics of Pricing, 5th ed. (Upper Saddle River, NJ:
Prentice Hall, 2011).
552
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11.6 Preisgestaltung und öffentliche Politik
Produzent A Händler 1
Preisbindung Irreführende
Preisfestlegung im Einzelhandel Preisfestlegung Preisgestaltung
aggressive aggressive Konsumenten
Preisstrategien Preisdiskriminierungen Preisstrategien
Produzent B Händler 2
Irreführende Preisgestaltung
4 Siehe Tim Worstall, „Apple fined $670,000 in Taiwan for price fixing“, Forbes, 25. Dezember 2013,
www.forbes.com/sites/timworstall/2013/12/25/apple-fined-670000-in-taiwan-for-price-fixing.
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11 Strategien der Preispolitik
554
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Zusammenfassung
Z US A M M EN FA SSU N G
Bei der Preissetzung für neue Produkte kann man eine Marktabschöpfungsstrategie ver-
folgen, bei der anfänglich hohe Preise festgesetzt werden, um so in jedem Marktsegment
eine möglichst hohe Marge zu realisieren. Eine völlig andere Vorgehensweise stellt die
Marktdurchdringungsstrategie dar, bei der man anfänglich niedrige Preise festsetzt und
sich dadurch einen hohen Marktanteil sichert.
Wenn ein Produkt Teil einer Produktlinie bzw. Produktfamilie ist, wird man eine Preis-
struktur anstreben, die den Gewinn der gesamten Produktlinie maximiert. Es gilt Ent-
scheidungen zu treffen über Preisstufen zwischen den einzelnen Produkten der Produktli-
nie und über die Preise für Zubehör, für Komplementärprodukte, für Koppelprodukte
sowie für Produktbündel.
Unternehmen nutzen eine Vielzahl von Preisanpassungsstrategien, um Unterschieden in
den Käufersegmenten und verschiedenen Kaufsituationen Rechnung zu tragen. Folgende
Strategien lassen sich hierbei unterscheiden: Rabatte und Preisnachlässe, differenzierende
Preissetzung, psychologische Preissetzung, Preissetzung bei Sonderaktionen, geografisch
differenzierte Preissetzung, dynamische sowie internationale Preissetzung.
Wenn ein Unternehmen eine Preisänderung ins Auge fasst, sei es eine Preiserhöhung
oder eine Preissenkung, muss es die Reaktionen der Käufer und der Wettbewerber
berücksichtigen. Die Reaktionen der Käufer leiten sich daraus ab, wie diese die Preisän-
derung wahrnehmen. Die Reaktionen der Wettbewerber ergeben sich aus der Unterneh-
menspolitik und aus der jeweiligen Wettbewerbssituation. Das Unternehmen, das die
Preisänderung als Erstes vornimmt, muss auch die möglichen Reaktionen der Lieferan-
ten, Zwischenhändler und staatlicher Stellen antizipieren. Unternehmen, die mit einer
Preisänderung eines Wettbewerbers konfrontiert werden, sollten versuchen, die Absicht
des Konkurrenten zu verstehen sowie die voraussichtliche Dauer und den Einfluss der
Preisänderung einzuschätzen. Hat ein Wettbewerber eine Preisänderung durchgeführt,
haben die übrigen Unternehmen mehrere Möglichkeiten: Sie können abwarten und
nichts tun, ihre eigenen Preise senken, die wahrgenommene Qualität ihrer Produkte
steigern, die Produktqualität verbessern und gleichzeitig die Preise erhöhen oder sie
können eine sogenannte „Billigmarke“ einführen.
Auf Bundes- oder Länderebene oder sogar auf kommunaler Ebene legen Gesetze eine
faire Preisgestaltung fest. Ferner müssen Unternehmen ein breiteres gesellschaftliches
Preisbewusstsein berücksichtigen. Die zentralen Themen der Preisgestaltung in der
öffentlichen Politik umfassen potenziell schädliche Preispraktiken sowohl innerhalb
bestimmter Vertriebsebenen (Preisabsprachen und aggressive Preisstrategien) als auch
über verschiedene Vertriebsebenen hinweg (Preisbindungen, Preisdumping und irrefüh-
rende Preisgestaltung). Obwohl sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene zahlrei-
che Regelungen zur Preisgestaltung existieren, gehen seriöse Händler über die gesetzli-
chen Vorgaben hinaus. Kunden fair zu behandeln, ist ein wichtiger Bestandteil des
Aufbaus von starken und langfristigen Kundenbeziehungen.
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11 Strategien der Preispolitik
556
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Literatur und Quellen
Rosenbaum, Aliza, Christy, John: „Financial insight: Tiffany’s boutique risk: by breaking mall fast,
high-end exclusivity may gain touch of common“, in: Wall Street Journal (20.10.07), S. b14.
Simon, Hermann: Preismanagement: Analyse – Strategie – Umsetzung, 3. Aufl., Oktober 2006.
Simon, Hermann, Fassnacht, Martin: Preismanagement: Strategie – Analyse – Entscheidung –
Umsetzung, 3. Aufl., Wiesbaden 2008.
Sullivan, Elizabeth A.: „Stay on course“, in: Marketing News (15.02.09), S. 11–13.
Tieman, Ross: „France’s free is wired for telecoms success“, in: Financial Times (17.03.11), unter:
www.ft.com/cms/s/0/9e2bfb0e-440b-11e0-8f20-00144feab49a.html#axzz1td6um28m
[01.10.2011].
Unilever, Webseite von Unilever unter: www.unilever.com/sustainability [01.10.2011].
557
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Distribution und Logistik
ÜBERBLICK
12.7 Gesetzliche Einflüsse auf
Vertriebsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
12.8 Supply Chain Management und Logistik . . . . . . . . . 592
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... erklären, warum Unternehmen Distributionskanäle benötigen und welche Aufga-
ben diese übernehmen.
... erklären, wie die Mitglieder der Distributionssysteme zusammenwirken und auf
welche Arten sie sich organisieren.
... die grundsätzlichen Typen von Distributionssystemen erläutern.
... erklären, wie Unternehmen Partner für das Distributionssystem aussuchen, moti-
vieren und ihre Leistung bewerten.
... die Bedeutung von Marketinglogistik und „Integriertem Supply Chain Manage-
ment“ erklären.
12.1 Einführung
Wir kommen nun zum dritten Instrument des Marketing-Mix – dem Vertrieb. Unternehmen
erreichen Wertschöpfung für ihre Kunden und den Aufbau profitabler Beziehungen selten
allein. Vielmehr sind die meisten nur ein Glied in einer größeren Lieferkette oder eines Ver-
triebswegs. Der Erfolg eines einzelnen Unternehmens hängt nicht nur von der eigenen Leis-
tung ab, sondern auch davon, wie gut sich das gesamte Vertriebssystem gegenüber dem Wett-
bewerb behaupten kann. Der erste Teil dieses Kapitels befasst sich mit der Funktion von
Vertriebskanälen sowie den Entscheidungen von Marketingverantwortlichen hinsichtlich
deren Gestaltung und Steuerung. Anschließend beschäftigen wir uns mit dem physischen
Vertrieb bzw. der Logistik – ein Bereich, der massiv an Bedeutung und Anspruch gewinnt. Im
nächsten Kapitel werfen wir dann einen genaueren Blick auf zwei wesentliche Absatzmittler
im Vertrieb: Einzelhändler und Großhändler.
Beginnen wir mit Netflix. Mit seinem innovativen Vertriebssystem entwickelte sich Netflix
zum größten Video-Anbieter weltweit. Um jedoch in der turbulenten Branche des Videover-
triebs an der Spitze zu bleiben, musste Netflix seine Innovationen in halsbrecherischer
Geschwindigkeit vorantreiben oder riskieren, von anderen Anbietern überholt zu werden.
Immer mal wieder hat Netflix seinen Weg an die Spitze im Vertrieb von Video-Unterhal-
tung verändert. Anfang der 2000er-Jahre verdrängte der revolutionäre DVD-Versandser-
vice von Netflix selbst die größten ansässigen Videothekenketten vom Markt. 2007 ver-
änderte der damals bahnbrechende Schritt von Netflix in das digitale Streaming den
Zugang zu Kinofilmen und anderen Videoinhalten von Grund auf. Heute ist Netflix der
Anführer, das Videovertriebs-Geschäft ist zu einem Schmelztiegel für neue Technolo-
gien und Hightech-Wettbewerber geworden – mit hohen Risiken und unfassbaren Mög-
lichkeiten gleichermaßen.
560
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12.1 Einführung
Schauen Sie sich Blockbuster an, eine große Videothekenkette in den USA. Noch vor
wenigen Jahren gehörte der riesigen konventionellen Kette sozusagen die Branche.
Dann kam Netflix mit seinem neuartigen DVD-Versandhandel. Erst ein paar tausend,
dann Millionen Abonnenten waren von dem innovativen Vertriebsmodell begeistert –
keine Fahrten mehr zu den Videotheken, keine Zuschläge für verspätete Rückgaben und
eine Auswahl aus über 100.000 Titeln, die das Angebot jeder herkömmlichen Blockbus-
ter-Filiale in den Schatten stellte. Mehr noch: mit 5 US-Dollar für das Monats-Abo in
den USA kostete Netflix nur wenig mehr als das Ausleihen eines einzelnen Videos bei
Blockbuster. Im Jahr 2010, als Netflix in die Höhe schoss, musste das einst so mächtige
Blockbuster Insolvenz anmelden.
Der Niedergang von Blockbuster unterstreicht nur den Umbruch, der heute den Markt
des Videovertriebs markiert. In den letzten gerade einmal fünf Jahren sind Video-Anbie-
ter wie Pilze aus dem Boden geschossen. Zur selben Zeit, als Netflix aufstieg und Block-
buster abstürzte, erschien das Unternehmen Coinstar’s Redbox aus dem Nichts und
errichtete in den USA ein neuartiges Netzwerk von DVD-Verleih-Kiosken zum Preis von
1 US-Dollar pro Tag. Dann begannen junge Hightech-Anbieter wie Hulu – mit einem
hochwertigen, werbegestützten und kostenlosen Angebot an Filmen und aktuellen
Fernsehshows – das digitale Streaming über das Internet voranzubringen. Doch die
ganze Zeit über blieb Netflix mit kühnen Entscheidungen führend im Wettbewerb. Im
Jahr 2007 beispielsweise ruhte sich Netflix nicht auf dem Erfolg seines immer noch
gefragten DVD-Versandhandels aus, sondern richtete mit seinem Vorstandsvorsitzenden
Reed Hastings den Blick auf ein seinerzeit revolutionäres neues Video-Vertriebsmodell:
die Lieferung des Netflix-Dienstes auf alle mit dem Internet verbundenen Bildschirme,
vom Laptop über internetfähige Fernsehgeräte bis hin zu Mobiltelefonen und anderen
mit WiFi ausgestatteten Geräte. Obwohl dies zulasten des immer noch boomenden
DVD-Geschäfts ging, brachte Netflix seinen Dienst Watch Instantly auf den Markt, über
den Netflix-Kunden im Rahmen ihres monatlichen Mitgliedsbeitrags Filme direkt auf
ihre Computer streamen konnten.
Obwohl Netflix kein Vorreiter beim digitalen Streaming war, investierte es eine Menge
Kapital in die Verbesserung der Technologie und baute die größte Streaming-Videothek
auf. Es schuf sich eine enorme Kundenbasis, die Umsätze und Gewinne gingen durch
die Decke. Mit seinem Massenangebot an DVDs und der Streaming-Videothek mit über
20.000 Filmen in HD-Qualität, die über 200 verschiedene internetfähige Geräte zu emp-
fangen sind, scheint Netflix unaufhaltsam zu sein. Doch der erstaunliche Erfolg zog
auch eine Menge gut ausgestatteter Konkurrenten an. Im Jahr 2010 begannen auch
Video-Riesen wie Googles YouTube und iTunes von Apple mit dem Verleih von Filmen,
die heruntergeladen werden können, und Hulu brachte seinen Abo-Dienst Hulu Plus
auf den Markt. Um an der Spitze zu bleiben, ja sogar sein Bestehen zu sichern, musste
Netflix bei den Innovationen Vollgas geben. So setzte Vorstandschef Hastings im Som-
mer 2011 in einem ebenso ehrgeizigen wie riskanten Schritt alles auf die Karte des digi-
talen Streamings. Er lagerte das noch immer erfolgreiche DVD-Versandgeschäft in einen
separaten Zweig namens Qwikster aus und verlangte separate Abonnements für den
DVD-Verleih und Streaming-Dienst (für Kunden, die beides nutzten, entsprach dies
einem massiven Preisanstieg von 60 Prozent). Der Name Netflix stand nun für nichts
anderes als digitales Streaming, das im Fokus des künftigen Unternehmenswachstums
stehen sollte.
561
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik
Mochten sie auch visionär erscheinen, bei den Netflix-Kunden kamen die abrupten
Änderungen nicht gut an. Etwa 800.000 Abonnenten kündigten den Dienst, und der
Aktienkurs von Netflix stürzte um fast zwei Drittel ab. Zur Schadensbegrenzung räumte
Netflix innerhalb weniger Wochen seinen Fehler ein und machte die Entscheidung über
den separaten Qwikster-Betrieb wieder rückgängig. Trotz des Rückschlags behielt Net-
flix jedoch die separate höhere Preisgestaltung und den DVD-Versanddienst aufrecht.
Netflix erholte sich rasch, gewann die verlorenen Abonnenten zurück und sogar noch
einige neue dazu. Noch wichtiger: Mit dem 60%igen Preisanstieg erhöhten sich auch
die Einnahmen und Gewinne. Der Aktienkurs von Netflix schoss erneut in die Höhe.
Mehr denn je scheint Hastings entschlossen, den erfolgreichen Sprung des Unterneh-
mens vom DVD- auf den Streaming-Markt zu beschleunigen. Obwohl Kunden bei Net-
flix noch immer auf den weltweit größten DVD-Bestand zugreifen können, wird dieser
Dienst in der Werbung und auf der Internetseite des Unternehmens kaum erwähnt. Der
Schwerpunkt liegt eindeutig auf Video-Streaming, das von aktuell ca. 137 Millionen
Netflix-Abonnenten weltweit genutzt wird.
Trotz des beständigen Erfolgs weiß Netflix, dass die Innovations-Maschinerie nicht
brach liegen darf. Die Konkurrenz wächst in schwindelerregendem Tempo. So kann
man als Amazon-Prime-Mitglied über den Dienst Amazon Prime Instant Video tausende
von Filmen und Fernsehsendungen ohne zusätzliche Gebühren streamen. Google hat
jenseits des Verleih-Angebotes von YouTube den Dienst Google Play eingeführt, ein
multimediales Unterhaltungsportal für Filme, Musik, E-Books und Apps. In den USA
bietet Comcast Xfinity Streampix an, mit dem die Kunden ältere Filme und TV-Pro-
gramme über ihre Fernsehgeräte, Laptops, Tablets oder Smartphones streamen können.
Coinstar und Verizon haben sich gerade zusammengeschlossen und den Dienst Redbox
Instand by Verizon gegründet, der den Abonnenten das Streaming älterer Filme sowie
aktueller Inhalte aus dem Bezahlfernsehen ermöglicht. Apple und Samsung machen
Streaming-Inhalte über das Smart-TV leichter zugänglich. Während sich mittlerweile
die gesamte Branche auf Streaming-Dienste als Hauptangebot konzentriert, sind künftig
die Inhalte – und nicht nur die Bereitstellung – das wichtigste Merkmal, mit dem sich
Netflix vom Rest der Anbieter unterscheiden kann. Angesichts seines rasanten Starts
behält Netflix auch weiterhin einen Vorsprung im Rennen um die Inhalte. Amazon,
Hulu Plus und andere Konkurrenten arbeiten allerdings mit Hochdruck daran, Verträge
mit den großen Anbietern für Filme und TV-Programme abzuschließen. Netflix tut das
aber auch. So konnte Netflix eine gewisse Zeit vom exklusiven Geschäftsabschluss mit
Disney profitieren – Netflix war der einzige Dienst, der seinen Kunden die ganze Band-
breite der Disney-Filme und Neuerscheinungen von Walt Disney Animation, Marvel,
Pixar und Lucasfilm bot. Ab 2019 wird Disney seinen eigenen Streamingdienst starten.
Das Beispiel Walt Disney zeigt, dass Lizenzgeschäfte für Inhalte mit den Film- und Fern-
sehstudios immer schwieriger abzuschließen sind. Deshalb entwickeln Netflix und
seine Wettbewerber in einem komplett neuen Ansatz für den Videovertrieb eigene Origi-
nal-Inhalte in einem enormen Tempo. Wieder einmal scheint Netflix dabei die Nase
vorn zu haben. Es war beispielsweise Vorreiter mit dem Riesenerfolg House of Cards,
einer US-Version der britischen Polit-Dramaserie von den Hollywood-Größen David
Fincher und Kevin Spacey. Nach dem enormen Erfolg von House of Cards entwickelte
Netflix eine Reihe weiterer Original-Serien, darunter Hemlock Grove, Lilyhammer und
Orange is the New Black, der bislang größte Hit. Bei diesem Aufgebot hat die Konkur-
renz Mühe, mitzuhalten. Im Jahr 2018 investierte Netflix an die 8 Milliarden US-Dollar
in die Entwicklung neuer eigener Inhalte.
562
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12.1 Einführung
Fragen
1. Umreißen Sie die wesentlichen Parameter des Kundenbedürfnisses der Dienstleis-
tung „Filmverleih“.
2. Zeigen Sie mittels welcher Maßnahmen Netflix dieses Kundenbedürfnis schritt-
weise immer besser befriedigt hat.
3. Nennen Sie wesentliche Partner im Wertschöpfungsnetzwerk von Netflix.
563
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik
Wie das Beispiel von Netflix zeigt, können innovative und gut ausgestaltete Vertriebswegstra-
tegien dazu beitragen, dass der Kundennutzen erhöht wird und ein wichtiger Wettbewerbs-
vorteil für das Unternehmen geschaffen wird. Unternehmen arbeiten jedoch selten allein, um
Werte für ihre Kunden zu schaffen. Viele sind eingebunden in eine größere Liefer- und Wert-
schöpfungskette, die zahlreiche weitere Unternehmen umfasst. Daher hängt der Erfolg eines
einzelnen Unternehmens nicht nur davon ab, wie gut seine eigene Leistung ist, sondern auch
davon, wie gut sein gesamter Absatzkanal mit denen der Wettbewerber konkurrieren kann.
Mercedes kann beispielsweise die besten Autos der Welt bauen und dennoch keinen Erfolg
haben, wenn seine Händler im Verkauf und Service schlechter sind als die Händler von Ford,
Toyota, BMW oder Honda. Um einen tatsächlichen Wert für den Kunden zu schaffen, muss
ein Unternehmen seine Handelspartner sehr sorgfältig auswählen und die Beziehung zu die-
sen Partnern nachhaltig pflegen.
Entscheidungen über Distributionskanäle und die Vertriebsabwicklung gehören zu den wich-
tigsten Elementen des Marketing-Mix. Sie bestimmen, wie schnell und wie zuverlässig die
Kunden das Produkt oder die Dienstleistung erhalten können und ob das System für das
betreffende Unternehmen auch kostengünstig arbeitet.
Die Funktion der Absatzkanäle geht über die rein physische Betrachtungsweise von Trans-
port, Lagerung und Distribution hinaus und kann als Instrument im Wettbewerb eingesetzt
werden. Viele Unternehmen haben diese Chance genutzt und durch entschlossene Investitio-
nen in diesem Engpassbereich eine Überlegenheit in der Produktions-Absatz-Kette erzielt,
die einen echten Wettbewerbsvorteil darstellt.
Durch die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien ist es wie nie zuvor
möglich geworden, effiziente Distributionssysteme zu realisieren und die Bedienung der
Kundenanfragen durch folgende Faktoren zu verbessern:
Größere Kundennähe
Größere Flexibilität
Keine Mindestmengen für kosteneffiziente Produktion
Schnelle Reaktion auf Bestellungen, sofortige Belieferung
Internationale Reichweite
Kostensenkung
Höhere Gewinnspannen und attraktivere Konditionen für Großhändler oder unternehme-
risch tätige Franchise-Nehmer
Um Wert für den Kunden zu schaffen, müssen Unternehmen eng zusammenarbeiten und auf
diese Weise ein Wertschöpfungsnetzwerk aufbauen. Schauen wir uns an, wie eine solche
erfolgreiche Zusammenarbeit im Bereich der Buchproduktion und des Buchvertriebs ausse-
hen kann.
564
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12.2 Die Supply Chain und das Wertschöpfungsnetzwerk
Entlang der Supply Chain sind dem Hersteller eine Reihe von Unternehmen vorgeschaltet,
die Rohmaterialien, Komponenten, Teile, Informationen, Fachwissen und Finanzmittel lie-
fern, welche zur Produktion benötigt werden. Marketingverantwortliche haben sich jedoch
traditionellerweise auf den Teil der Supply Chain konzentriert, der nach der Produktion ein-
setzt, nämlich auf den Absatzkanal oder Distributionskanal, der zum Kunden führt. Handel-
spartner des Absatzkanals, wie z.B. Großhändler und Einzelhändler, stellen die zentrale Ver-
bindung zwischen dem Hersteller und seinen Zielkunden her.
Sowohl vor- als auch nachgeschaltete Partner können auch Bestandteil der Supply Chain
anderer Firmen sein. Es ist jedoch der einzigartige Aufbau einer Supply Chain, die es dem
Unternehmen ermöglicht, dem Kunden einen überlegenen Nutzen zu bieten. Daher hängt der
Erfolg eines Unternehmens in entscheidendem Maße von der Wettbewerbsfähigkeit seiner
Supply Chain ab.
Der Begriff „Supply Chain“ ist vielleicht zu eng gewählt, da er die herstellungsorientierte
Perspektive einnimmt. Dabei wird davon ausgegangen, dass Rohmaterialien, produktive
Inputs und die Werkskapazität den Ausgangspunkt für die Planung darstellen. Ein besserer
Begriff wäre „Nachfragekette“, denn dieser drückt eine marktorientierte Sichtweise aus. Aus
dieser Perspektive beginnt die Planung mit den Bedürfnissen der Zielkunden, auf die das
Unternehmen mit der Organisation von Ressourcen reagiert, um schließlich profitable Kun-
denbeziehungen aufzubauen.
Allerdings kann auch das Begriffsverständnis der „Nachfragekette“ noch zu begrenzt sein, da
es eine lineare, schrittweise Abfolge der Aktivitäten Einkauf/Produktion/Konsum unterstellt.
Mit der Einführung des Internets bilden Unternehmen jedoch eine Vielzahl komplexer Bezie-
hungen zu anderen Unternehmen. So führen Unternehmen wie Toyota, Mercedes und Ford
zahlreiche Supply Chains. Sie wickeln Geschäfte auch über B2B-Webseiten oder Onlinekauf-
börsen ab und betreiben diese teilweise selbst. Wie diese Unternehmen beschäftigen sich
heute viele große Firmen mit dem Aufbau und dem Management eines kontinuierlich entste-
henden Wertschöpfungsnetzwerks.
Ein solches Wertschöpfungsnetzwerk setzt sich aus dem Unternehmen, den Lieferanten, den
Distribuenten und schließlich den Kunden zusammen, die miteinander eine Partnerschaft
eingehen, um die Leistung des gesamten Systems zu optimieren. All diese unterschiedlichen
Partner müssen effektiv zusammenarbeiten, um gemeinsam einen überlegenen Wert liefern
zu können.
Dieses Kapitel konzentriert sich auf das Management der Absatzkanäle – den Teil des Wert-
schöpfungsnetzwerks, den man als nachgelagert bezeichnet. Dennoch ist es wichtig zu wis-
sen, dass dies nur ein Teil des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks ist. Um Wert für den Kun-
den zu schaffen, benötigen Unternehmen sowohl vorgelagerte als auch nachgelagerte Partner.
Um Finanzdienstleistungen zu bieten, kauft z.B. eine Bank Anlagen und Zubehör wie Geld-
automaten, vorgedruckte Einzahlungsscheine und Computer. Um ihre Dienstleistungen für
den Kunden zugänglich zu machen und Informationen über Transaktionen der Kunden zu
erhalten, unterhält die Bank einen Distributionskanal, der aus unternehmenseigenen Bankfi-
lialen und Webseiten sowie vielen Geldautomaten anderer Banken besteht. Marketingverant-
wortliche nehmen zunehmend Einfluss auf die vorgelagerten und nachgelagerten Aktivitäten
des Unternehmens. Ihre Funktion geht über die des Absatzkanalmanagers hinaus, und sie
entwickeln sich zu umfassenden Netzwerkmanagern.
In Kapitel 13 betrachten wir die Thematik aus der Perspektive des Groß- und Einzelhandels.
565
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik
566
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12.3 Die Bedeutung und Eigenschaften von Distributionskanälen
Hersteller 1 Kunde 1
Hersteller 2 Kunde 2
Hersteller 3 Kunde 3
Hersteller 1 Kunde 1
Hersteller 3 Kunde 3
Abbildung 12.2 A zeigt drei Hersteller, die jeweils in direkte Handelsbeziehungen zu je drei
Kunden eingetreten sind. Hier gibt es neun verschiedene Geschäftsbeziehungen. Abbildung
12.2 B zeigt drei Hersteller, die gemeinsam einen Distribuenten (zum Beispiel Großhändler)
gefunden haben, der die drei Kunden betreut. Hier sind nur noch sechs unmittelbare
567
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik
Geschäftsverbindungen nötig. Das System mit einem Distribuenten spart sowohl für den Her-
steller als auch für den Konsumenten Kosten und Arbeit.
Die Rolle der Marketingvermittler besteht darin, die Produktsortimente der Anbieter in die
Kaufsortimente der Nachfrager umzuwandeln. Die Produzenten möchten ausgewählte Pro-
dukte in großen Stückzahlen herstellen und absetzen, die Verbraucher hingegen benötigen
ein breites Sortiment an Produkten, jedoch in Stückzahlen, die im Verhältnis zu den Produk-
tionsstückzahlen gering sind. Innerhalb des Distributionskanals kaufen die Vermittler große
Stückzahlen von vielen Herstellern der angesprochenen Produkte, um diese in die breiteren
Sortimente und kleineren Stückzahlen, die vom Verbraucher gefragt sind, aufzuteilen. Dem
Käufer wird dadurch auch eine Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Anbietern gegeben. Die
Vermittler spielen eine wichtige Rolle dabei, Angebot und Nachfrage schließlich in Überein-
stimmung zu bringen.
568
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.3 Die Bedeutung und Eigenschaften von Distributionskanälen
Die folgenden drei Funktionen dienen der Erfüllung der abgeschlossenen Verträge:
Physische Verteilung Die Vertriebskanäle stellen bedeutende Kapazitäten für Beschaffung,
Zwischenlagerung und Verteilung an die Kunden bereit. Man denke dabei nur an die großen
Lkw-Flotten aller Handelsorganisationen oder an die Geschäfte, Supermärkte und Lagerhäu-
ser des Handels.
Finanzierung Die Vertriebskanäle stellen vor allem Finanzmittel bereit, die die Kosten der
Leistungen des Distributionskanals decken. Die Finanzierungsfunktion kann jedoch auch auf
die Produktion und den eigentlichen Absatz ausgedehnt werden. (Beispiel: Mittelbereitstel-
lung für Pkw-Kauf oder Leasing-Vertrag).
Risikoübernahme Die Distributionskanäle beteiligen sich auch an den Risiken auf dem Weg
zwischen Produzent und Abnehmer, seien es die Risiken des Transports, der Präsentation
(Diebstahl, Beschädigungen), der Veralterung oder des Wetters (Mode ist immer nur eine Sai-
son lang zum vollen Preis verkäuflich).
Von den vorgestellten Funktionen eines Distributionskanals tragen die ersten fünf dazu bei,
die Transaktionen abzuschließen, während die restlichen drei bereits abgeschlossene Trans-
aktionsvereinbarungen unterstützen.
Die grundlegende Frage ist nicht, ob diese Funktionen ausgeführt werden müssen, sondern
wer sie ausführen soll. Unternehmen müssen abschätzen, an welcher Stelle sie eigene Ange-
bote machen und wann sie auf solche der Vermittler zurückgreifen wollen. Hier gilt es, den
richtigen Weg mit einer Aufteilung zu finden, die die Funktionen denjenigen Mitgliedern des
Distributionskanals zuweist, die sie am effizientesten erbringen können. Daraus ergibt sich
dann auch die optimale Versorgung der Zielgruppen mit auf deren Bedürfnisse angepassten
Sortimenten.
569
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik
Distributions-
Hersteller Endverbraucher
kanal 1:
Distributions-
Hersteller Einzelhandel Endverbraucher
kanal 2:
Distributions-
Hersteller Großhändler Einzelhandel Endverbraucher
kanal 3:
Distributions-
Hersteller Großhändler Provisionsvertreter Einzelhandel Endverbraucher
kanal 4:
Unternehmen
Distributions- Hersteller
als Käufer
kanal 1:
570
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.4 Die Organisation eines Distributionssystems
tion direkt an die Geschäftskunden herantreten oder über dieses Netz den regionalen Groß-
handel betreuen (Distributionssysteme 3 und 4).
Sowohl bei Distributionskanälen zu Geschäftskunden als auch zu Endkunden hin lassen sich
weitere Stufen finden, diese sind jedoch nicht sehr häufig anzutreffen. Für den Anbieter gilt,
dass viele Handelsstufen seinen Einfluss mindern und eine höhere Komplexität des Distribu-
tionskanals mit sich bringen. Darüber hinaus sind alle Mitglieder eines Distributionssystems
über verschiedene Transferleistungen miteinander verbunden. Diese beinhalten:
Transfer des physischen Produkts
Übertragung des Eigentums
Transfer von Geld oder Zahlungsmitteln
Informationstransfer
Kommunikationsaktivitäten
Wegen dieser zahlreichen Transferfunktionen können auch schon Distributionssysteme mit
nur einer oder zwei Stufen sehr komplex aufgebaut sein. Auf die verschiedenen Arten von
Vermittlern in einem Distributionskanal wird später noch detailliert eingegangen.
571
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik
Herkömmlicher Vertikales
Distributionskanal Marketingsystem
Hersteller Hersteller
Großhändler
Großhändler
Einzelhändler Einzelhändler
End- End-
verbraucher verbraucher
Abbildung 12.4: Ein herkömmlich organisierter Distributionskanal und ein vertikales Marketingsystem im Vergleich
In den folgenden Abschnitten und in Abbildung 12.5 werden die wichtigsten Arten von VMS
vorgestellt.
572
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.4 Die Organisation eines Distributionssystems
Vertikales
Marketingsystem
(VMS)
Einzelhandels-
Von Großhändlern
zusammenschlüsse, Franchise-
initiierte freiwillige
Einkaufs- Systeme
Zusammenschlüsse
kooperationen
Herstellerinitiiertes Herstellerinitiiertes
Franchise-System
Franchise-System Franchise-System
im Dienstleistungs-
auf der Einzel- mit Groß- und
sektor
handelsstufe Einzelhandelsstufe
1 Siehe „Fashion forward; Inditex“, The Economist, 24. März 2012, S. 63–64; Susan Berfield, „Zara’s
fast-fashion edge“, Bloomberg Businessweek, 14. November 2013, www.businessweek.com/articles/
2013–11–14/2014-outlook-zaras-fashion-supply-chainedge sowie Informationen des Inditex Press
Dossier, www.inditex.com/en/press/information/press_kit, Zugriff September 2014.
573
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik
Das Franchising hat in den letzten Jahrzehnten ganz enorm an Bedeutung gewonnen.
Franchising beruht darauf, dass ein oder mehrere Unternehmen das Recht erwerben,
eine Marke, Know-how etc. eines anderen Unternehmens (des Franchise-Gebers) zu ver-
treiben. Der Franchise-Geber ist in der Regel das bestimmende Unternehmen im System
und verbindet durch seine Tätigkeit mehrere Stufen des Distributionskanals miteinan-
der. Normalerweise stellt der Franchise-Geber dem Franchise-Nehmer eine Markeniden-
tität und ein junges Unternehmen unterstützt ihn im Marketing und der Buchhaltung
und bietet das entsprechende Management-Know-how. Im Gegenzug erhält der Fran-
chise-Geber eine Art Vergütung, z.B. eine Anfangsgebühr und eine regelmäßige Lizenz-
gebühr, Ausleihgebühren für die erforderliche Ausrüstung und einen Gewinnanteil. Die
Bekleidungsgruppe Esprit ist beispielsweise nach einem stromlinienförmigen Distribu-
tionsmodell aufgebaut: Das Unternehmen kauft seine Ware von externen Lieferanten in
China und verkauft sie an Franchise-Nehmer in seinen Zielmärkten in ganz Europa, den
USA und Asien. Auf diese Weise minimiert es seine eigenen Betriebskosten.
574
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.4 Die Organisation eines Distributionssystems
Fast alle Branchen haben in den letzten Jahren die Einführung großer Franchise-Sys-
teme gesehen – Hotels (Holiday Inn), Mode (Esprit, Benetton), Systemgastronomie (Sub-
way, Coffee Fellows, McDonald’s), Baumärkte (Obi), Friseursalons (Klipp in Österreich),
Diskotheken (Pacha), Getränkehersteller (Coca-Cola), Reisebüros (Lufthansa City Cen-
ter), Fotogeschäfte (Photo-Porst), Augenoptikergeschäfte (Fielmann teilweise), Fitness-
zentren (clever fit), Autovermietungen (Avis, Hertz) und Beerdigungsinstitute (Novis).
Obwohl die Grundidee schon alt ist, sind einige Formen des Franchisings ziemlich neu.
575
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik
576
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.4 Die Organisation eines Distributionssystems
577
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik
erhält z.B. Samsung von den Einzelhandelsgeschäften große Unterstützung für die stark
nachgefragte Marke. Gleichermaßen können große Handelsunternehmen wie IKEA oder Wal-
mart großen Einfluss auf die Hersteller, die ihre Waren produzieren, ausüben.
Innerhalb von vier Jahrzehnten wuchs die schwedische Möbelhausgruppe IKEA von einem
einzigen Geschäft in den schwedischen Hinterwäldern zu einem der größten und erfolg-
reichsten internationalen Handelsunternehmen der Welt. Traditionell war der Markt für
Möbel aufgeteilt zwischen Kaufhäusern und kleinen Läden in Familienbesitz. Alle verkauf-
ten teure Produkte und lieferten erst zwei oder drei Monate nach der Bestellung des Kunden
aus. IKEA jedoch verkauft den Großteil seiner Möbel in zerlegten Bauteilen, die die Kunden
mit nach Hause nehmen und selbst zusammenbauen können. IKEA reduziert zwar die Kos-
ten auf ein Minimum, bietet aber dennoch Produkte an, die langlebig sind und sich durch
außergewöhnliches Design unterscheiden. Dies wird durch die globale Beschaffung und die
Zusammenarbeit mit ausgewählten Lieferanten auf der ganzen Welt, die Rohmaterialien
hoher Qualität zu günstigen Preisen liefern können, ermöglicht. Im Gegenzug erhalten die
Lieferanten technische Beratung und geleaste Anlagen von IKEA. Auch die Designer von
IKEA arbeiten eng mit den Herstellern zusammen, um von Anfang an intelligente Lösungen
zur Reduktion der Produktionskosten zu finden. Weitere Ersparnisse können durch enorme
Größenvorteile, die aufgrund des weltweiten Verkaufs der gleichen Möbelstücke und durch
günstige Standorte außerhalb der Stadt entstehen, erzielt werden. Der Erfolg von IKEA
bedeutet auch Erfolg für seine Lieferanten. Diese müssen allerdings gemäß den Bedingungen
von IKEA arbeiten und es der globalen Firma ermöglichen, ihr Versprechen gegenüber Kun-
den auf der ganzen Welt bezüglich qualitativ hochwertiger Ware zu niedrigen Preisen zu
erfüllen.
578
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12.4 Die Organisation eines Distributionssystems
Vertrags- Marktsegment 2
händler Endverbraucher
Produzent
579
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12 Distribution und Logistik
2 Zu weiteren Informationen zum Thema siehe Eleazar David Melendez, „Best buy is still alive, but
how?“, Huffington Post, 20. August 2014, www.huffingtonpost.com/2013/08/20/best-buy-turna-
round_n_3786695.html; Matthew Yglesias, „Best buy ‘still basically sucks despite successful turna-
round“, Huffington Post, 9. September 2013, www.huffingtonpost.com/2013/09/20/best-buy-
turnaround_n_3962408.html sowie Steve Knopper, „Beats enters streaming wars“, Rolling Stone, 13.
Februar 2014, S. 15.
580
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12.4 Die Organisation eines Distributionssystems
Konfliktpotenziale in Distributionssystemen
Leider haben in der Regel nicht alle Angehörigen eines Distributionskanals eine derart
umfassende Sicht der Dinge. Normalerweise sind sie eher auf ihre eigenen kurzfristigen Inte-
ressen fixiert und auf die Beziehungen mit den Partnern unmittelbar vor ihnen und nach
ihnen innerhalb des Systems. Eine Kooperation, um die globalen Ziele zu erreichen, kann im
581
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12 Distribution und Logistik
Einzelfall bedeuten, dass man bei den eigenen Unternehmenszielen etwas zurückstecken
muss. Obwohl die Mitglieder eines Distributionskanals aufeinander angewiesen sind, han-
deln sie manchmal im Alleingang. Sie sind häufig uneinig darüber, wer welche Rolle einneh-
men und welche Leistungen erbringen soll und wie diese vergütet werden sollen. Diese Aus-
einandersetzungen über Ziele und Rollen können ernste Konflikte innerhalb eines
Distributionskanals hervorrufen. Sie können auf zwei Ebenen entstehen.
Horizontale Konflikte Unter einem horizontalen Konflikt in einem Distributionskanal ver-
steht man, dass sich zwei oder mehrere Unternehmen derselben Stufe im Konflikt miteinan-
der befinden. Händler beschweren sich beispielsweise über andere Händler aus der gleichen
Stadt oder Region, dass diese ihnen Umsätze wegnehmen, indem sie eine aggressive Preis-
und Kommunikationspolitik betreiben oder über die abgesprochenen und ihnen zugewiese-
nen territorialen Grenzen hinaus Geschäfte machen. Derartige Konflikte treten immer wieder
bei Händlern hochwertiger langlebiger Konsumgüter auf, wenn es keine Exklusiv-Verkaufs-
rechte gibt.
Vertikale Konflikte Vertikale Konflikte in den Distributionssystemen sind fast noch häufiger
anzutreffen. Dabei handelt es sich um Konflikte zwischen den aufeinanderfolgenden Stufen
innerhalb der Distributionssysteme. Die Hersteller von Computern gerieten z.B. in Konflikt
mit ihren stationären Händlern, als sie anfingen, ihre Produkte online direkt an den Kunden
zu verkaufen. Um den Konflikt zu lösen, mussten die Hersteller Informationskampagnen
durchführen, die ihren Händlern zeigten, dass die Bemühungen im Internet die stationäre
Geschäftstätigkeit sogar unterstützen, anstatt ihren Absatz zu bedrohen.
Einige Konflikte in den Distributionssystemen sind zu begrüßen, fördern sie doch einen
gesunden Wettbewerb. Eine gewisse Rivalität hindert die Mitglieder eines Distributionska-
nals daran, passiv und träge zu werden, sie fördert die Suche nach stetiger Innovation. Erns-
tere Konflikte können dem Distributionskanal jedoch Schaden zufügen, denn die Effektivität
des Kanals leidet darunter und die Beziehungen zwischen den Mitgliedern werden dauerhaft
gestört.
Wenn ein Distributionskanal als Ganzes richtig funktionieren soll, sollte die Rolle jedes Mit-
glieds klar definiert und festgelegt sein. Treten Konflikte auf, müssen sie schnellstmöglich
geregelt und aufgelöst werden. Kooperation, Funktionserfüllung und Konfliktbewältigung
können durch entschlossene und starke Führung erreicht werden. Ein Distributionskanal als
Ganzes wird dann besser funktionieren, wenn ein Organisationsteilnehmer, in der Regel ein
Unternehmen oder eine staatliche Dienststelle, in der Lage ist, eine Führungsrolle auszufül-
len, und die Autorität hat, Konflikte zu regeln und Aufgaben eindeutig zuzuweisen.
582
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12.5 Das Distributionssystem gestalten
Wenn das neue Unternehmen erfolgreich ist, wird es die Erschließung weiterer Märkte
anstreben. Auf kleineren Märkten kann es vielleicht direkt an Einzelhändler verkaufen. Auf
größeren Märkten wird es sich vermutlich die bestehende Struktur der Großhandelsunter-
nehmen zunutze machen. Für regionale Teilmärkte wird man möglicherweise einen exklusi-
ven Franchise-Vertrag abschließen. In einigen Ländern könnten beispielsweise internationale
Verkaufsagenten eingesetzt werden, in anderen Ländern werden Partnerschaften mit lokalen
Unternehmen geschlossen. Eine weitere Option ist die Einrichtung eines Onlineshops, um
Kunden, die nur schwer erreicht werden können, zu bedienen. Auf diese Weise entstehen
Distributionssysteme, die den Marktgegebenheiten und -möglichkeiten entsprechen.
Um eine maximale Effektivität zu erreichen, sollten im Rahmen der Gestaltung des Vertriebs-
kanalsystems a) die Zielgruppenbedürfnisse analysiert, b) Vertriebskanalziele festgelegt und
c) Vertriebskanalalternativen identifiziert und bewertet werden.
583
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12 Distribution und Logistik
ten für den Kundenservice möglichst niedrig zu halten und gleichzeitig ihre Anforderungen
so weit wie möglich zu erfüllen.
Die Zielvorstellungen des Unternehmens in Bezug auf seine Distributionskanäle werden
außerdem durch verschiedene Einflussgrößen wie die Charakteristik der angebotenen Pro-
dukte, die Leitlinien der Unternehmenspolitik, die Partner in den Distributionssystemen, die
Konkurrenten und das Umfeld des Unternehmens beeinflusst. So bestimmt auch die Größe
und finanzielle Ausstattung des Unternehmens, welche Marketingaufgaben es selbst durch-
führen kann und welche durch Absatzmittler übernommen werden müssen. Unternehmen,
die mit verderblicher Ware wie frischen Lebensmitteln handeln, benötigen möglicherweise
mehr Direktmarketing, um Verzögerungen und zu aufwendige Abwicklungen zu vermeiden.
In einigen Fällen kann ein Unternehmen in denselben oder nahegelegenen Verkaufsstellen
den Wettbewerb mit konkurrierenden Marken suchen, um Vergleichskäufe zu fördern. In
anderen Fällen wollen Unternehmen die von Wettbewerbern genutzten Kanäle eher vermei-
den. Avon Cosmetics zum Beispiel verkauft über seine Struktur von mehr als sechseinhalb
Millionen Vertreter weltweit direkt an den Endkunden und vermeidet grundsätzlich die
direkte Konkurrenz mit anderen Kosmetikherstellern um die knappen Regalflächen in den
Läden.
Schließlich können auch Faktoren im Umfeld, wie wirtschaftliche Bedingungen und rechtli-
che Auflagen, die Zielsetzungen und Gestaltungen innerhalb der Kanäle beeinflussen. In
einer schwachen Wirtschaft versuchen Hersteller beispielsweise, ihre Produkte so kosten-
günstig wie möglich zu vertreiben, indem sie kürzere Wege nutzen und unnötige Dienstleis-
tungen vermeiden, die zu einem höheren Verkaufspreis führen würden.
584
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.5 Das Distributionssystem gestalten
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12 Distribution und Logistik
586
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.5 Das Distributionssystem gestalten
Da sich die bedeutenden Einzelhändler innerhalb nationaler Grenzen immer mehr zu Kon-
zerngiganten zusammengeschlossen haben und die heimischen Märkte gesättigter sind denn
je, wandern viele große Konzerne ins Ausland ab, um ihr Wachstumspotenzial zu erhöhen.
Es ist jedoch gar nicht so einfach, in diese eng verknüpften, traditionsreichen Distributions-
netzwerke im Ausland einzudringen. Selbst international erfahrene Konzerne wie Carrefour
oder Walmart haben große Probleme, sich im Ausland zu etablieren. In manchen Märkten ist
das Distributionssystem sehr komplex aufgebaut, da es aus vielen Stufen und einer großen
Anzahl an Vermittlern besteht. In Japan zum Beispiel umfasst es eine Vielzahl an Großhänd-
lern, Agenten, Zwischenhändlern und Einzelhändlern, die sich mehr durch ihre enorme
Anzahl als durch ihre Funktionen von ihren europäischen Pendants unterscheiden.
Als zum Beispiel die weltweit zweitgrößte Einzelhandelskette Carrefour im Jahr 2000 in den
japanischen Markt eintrat, expandierte sie innerhalb von drei Jahren rasant von einer auf sie-
ben Filialen. Allerdings sah sich der französische Hersteller von Anfang an einer enormen
Feindseligkeit seitens der Großhändler gegenüber und missinterpretierte die Bedürfnisse sei-
ner Kunden, die sich bald abwendeten, um günstige japanische Produkte zu suchen. Carre-
fours Preisforderungen und die Weigerung, das vielschichtige Liefersystem Japans zu akzep-
tieren, führten dazu, dass das Unternehmen darum kämpfen musste, überhaupt beliefert zu
werden. Nach diesem schwierigen Einstieg reagierten Carrefours Megamärkte mit der Einfüh-
rung französischer Nahrungsmittel, die auf den japanischen Geschmack abgestimmt waren.
So bot man zum Beispiel geschnittene Früchte und eine größere Auswahl an Fertiggerichten
an. Zudem knüpfte das Unternehmen Beziehungen zu kleineren Lieferanten, die zuvor oft
durch die kartellrechtlichen Strukturen des japanischen Großmarktsystems blockiert worden
waren. Die Expansion konzentrierte sich auf West-Japan, wo durch niedrige Preise mehr
Kunden angelockt werden konnten als in Tokio.
In der Zwischenzeit waren auch konkurrierende Unternehmen wie Tesco und Walmart in
den japanischen Markt eingetreten, während lokale Marktführer wie Aeon begannen, die
Preise zu drücken und mit neuen Megamarkt-Formaten zu expandieren. Trotz seiner
Anstrengungen hat es der französische Einzelhändler schließlich nicht geschafft, sich von
seinem schwierigen Einstieg in Japan zu erholen. Einige Experten meinen, Carrefour hätte
voraussehen müssen, dass es den Markteintritt in Japan allein nicht schafft und dass sich
einige der Probleme hätten vermeiden lassen, wenn das Unternehmen die konventionelle Art
gewählt hätte und den Markt zusammen mit einem Partner als Gemeinschaftsunternehmen
erschlossen hätte. Der Konzern war anfangs zu aggressiv und arrogant und musste zu der
Erkenntnis gelangen, dass in Japan einige Dinge nur auf die japanische Weise funktionieren.
2006 zog sich Carrefour aus dem japanischen Markt zurück.
Auch die Erfahrungen des weltgrößten Einzelhändlers Walmart beim Eintritt in den deut-
schen Markt sind lehrreich. Durch die Übernahme des Einzelhändlers Wertkauf im Jahr 1997
und von Interspar 1998 wurde Walmart zur viertgrößten Verbrauchermarktkette in Deutsch-
land. Obwohl dieser Schachzug anfangs ein großer Schock für den europäischen Einzelhan-
del war, etablierte sich das Unternehmen sehr schlecht und verlor jährlich zwischen 224 und
333 Millionen Euro. Walmart gesteht sich im Nachhinein seine Fehler ein. Der schlimmste
Fehler war es, die Struktur des deutschen Lebensmitteleinzelhandels zu missachten. Das
Unternehmen versuchte, durch eine zentrale Auftragsvergabe die Kontrolle über die Liefe-
rungen an die Filialen zu übernehmen, anstatt dies den Lieferanten selbst zu überlassen. Dies
führte zu Lieferchaos und vergriffenen Waren. Der Fehlmengenanteil in den Regalen belief
sich auf 20 Prozent – anstelle der sonst üblichen sieben Prozent im Branchendurchschnitt.
Obwohl Walmart einen Marktanteil von zehn Prozent im Verbrauchermarkt-Sektor eroberte,
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12 Distribution und Logistik
kam man auf weniger als zwei Prozent bei Lebensmitteln. Im Gegensatz zu inländischen
Unternehmen fehlte Walmart die Marktmacht, um Lieferanten die Bedingungen zu diktieren.
Hinzu kam, dass Walmarts Ankündigung niedriger Preise in einem Sektor, der bereits von
Discountern geprägt ist, keine neuen Anreize für die Konsumenten bot. Mit heimischen Riva-
len wie ALDI, Lidl und Kaufland, die den niedrigen Preisen standhalten konnten, sah sich
Walmart einem harten Wettbewerb gegenüber. Hohe Renovierungskosten und die Vielschich-
tigkeit der deutschen gesetzlichen Regeln und Verordnungen führten darüber hinaus zu einer
verzögerten Sanierung der Filialen, wodurch viele unattraktiv oder an ungünstigen Standor-
ten blieben.
Walmart sieht auch ein, dass es die Unternehmenskultur falsch eingeschätzt hatte. Die ameri-
kanischen Führungskräfte in den deutschen Märkten, die kein Deutsch sprachen und von
ihren Managern erwarteten, Englisch zu sprechen, veranlassten viele von ihnen, das Unter-
nehmen zu verlassen. Dies führte zu einem Verlust an lokalem Know-how. Der nächste
Geschäftsführer, ein Engländer, versuchte dann, das Unternehmen von England aus zu füh-
ren. Das Topmanagement hatte jedoch keine Ahnung von seinen deutschen Kunden. Diese
gehen nämlich lieber selbst auf Schnäppchenjagd, als sich von einem lächelnden Verkäufer
an die Hand nehmen zu lassen. Auch die vergleichsweise kurzen Öffnungszeiten in Deutsch-
land und die geschlossenen Geschäfte am Sonntag waren für das Unternehmen ungewohnt.
Walmarts Verluste mögen für seine ersten Jahre in Deutschland vielleicht noch verständlich
sein. IKEA musste zum Beispiel acht Jahre warten, bis seine US-Filiale schwarze Zahlen
schrieb. Für Walmart hat sich das Blatt allerdings nie gewendet. Ende Juli 2006 hat sich der
US-Händler schließlich aus Deutschland zurückgezogen und seine 85 Märkte an den lokalen
Marktführer Metro verkauft.
Als anderes Extrem können die Distributionssysteme in Entwicklungsländern angesehen
werden. Sie sind weit über das Land verstreut und arbeiten ineffizient oder sind gar nicht
vorhanden. So verfügen zum Beispiel die Märkte Indiens und Chinas über mehr als eine Mil-
liarde Einwohner, ihr mangelhaftes Distributionssystem führt jedoch dazu, dass Unterneh-
men nur den Teil der Bevölkerung kostendeckend erreichen können, der in den wohlhaben-
den Städten lebt. „China ist ein sehr dezentralisierter Markt“, stellt ein chinesischer Experte
fest. „Er besteht aus zwei Dutzend einzelner Märkte, die sich auf 2.000 Städte verteilen, von
denen jede ihre eigene Kultur hat. Es ist, als ob man in einem Asteroidengürtel agiert.“
Chinas Distributionssystem ist derart fragmentiert, dass seine Logistikkosten 15 Prozent des
nationalen BSPs ausmachen, viel mehr als in den meisten anderen Ländern. Nach zehn Jah-
ren großer Anstrengungen, muss sich selbst Walmart eingestehen, dass man es nicht geschafft
hat, eine effiziente Lieferkette in China aufzubauen.
Gelegentlich können internationale Marktzölle oder staatliche Regulierungen für das Unter-
nehmen zu Einschränkungen führen, wenn es seine Produkte global vertreiben möchte. In
Frankreich zum Beispiel wird die Preisfestlegung noch immer staatlich geregelt und es wer-
den Mindestpreise bestimmt, die Händler an ihre Lieferanten zahlen müssen. In Deutschland
brauchte es jahrelange Debatten, um Gesetze abzuschaffen, die das Feilschen verbieten und
Bonussysteme wie Treuekarten in bestimmten Geschäften begrenzten – diese galten
ursprünglich dem Schutz kleiner Händler im Wettbewerb mit großen Ketten. Jahrzehntelang
konnten europäische Händler die Preise nur zu bestimmten, staatlich geregelten Zeiten redu-
zieren und der Winterschlussverkauf durfte nur im neuen Jahr, nicht über Weihnachten statt-
finden. In vielen europäischen Ländern werden auch die Öffnungszeiten von den regionalen
und zentralen Regierungen geregelt – selbst in Großbritannien, einem der am meisten deregu-
lierten Märkte Europas, dürfen die Geschäften sonntags nur für sechs Stunden öffnen. Einige
588
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12.6 Distributionssystem und -partner steuern
Händler in Europa wie die Galeries Lafayette in Paris und Harrods in London verkaufen in
der Weihnachtszeit zu regulären Preisen, da Rabatte wenig sinnvoll sind, wenn die Men-
schen ein starkes Kaufinteresse haben.3
Es wird deutlich, dass sich international agierende Unternehmen einer Vielzahl von Distribu-
tionsalternativen gegenübersehen. Der Aufbau effektiver und effizienter Distributionskanäle
zwischen und innerhalb verschiedener Länder stellt eine schwierige Aufgabe dar, bei der
man sich offen gegenüber den Rahmenbedingungen auf ausländischen Märkten zeigen und
sich häufig an diese anpassen muss.
3 Cecilie Rohwedder, „European shoppers enjoy novelty: Christmas sales“, Wall Street Journal, 24.–26.
Dezember 2007, S. 1–2.
589
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12 Distribution und Logistik
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12.7 Gesetzliche Einflüsse auf Vertriebsentscheidungen
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12 Distribution und Logistik
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12.8 Supply Chain Management und Logistik
Eingangs- und
Beschaffungs- Ausgangs-
logistik logistik
Lieferanten Unternehmen Wiederverkäufer Kunden
Rücknahmelogistik
Abbildung 12.7: Das Management der Supply Chain
Die Aufgabe des Logistikverantwortlichen besteht darin, die gesamte Marketinglogistik des
jeweiligen Distributionssystems zu koordinieren. Dabei geht es um die Aktivitäten der Liefe-
ranten, der Einkäufer, des Marketing, der nachgelagerten unternehmensunabhängigen Mit-
glieder des Distributionssystems und der Kunden.
Zu den zu koordinierenden Tätigkeiten gehören:
Prognose der Absatzzahlen und -mengen
Beschaffungsfunktion
Produktionsplanung
Auftragsbearbeitung
Lagerhaltung
Bestandsmanagement
Planung aller Transporte
Aus mehreren Gründen schenken Unternehmen der Logistik heute große Beachtung:
Der Dienst am Kunden und dessen Zufriedenstellung sind für viele Unternehmen zu Eck-
punkten der Marketingstrategie geworden. Zentrale Elemente sind die Lieferung und ihre
Zuverlässigkeit, denn eine schnellere oder günstigere Lieferung stellt in vielen Märkten
einen Wettbewerbsvorteil dar. Genauso können Unternehmen aber auch Kunden verlieren,
wenn es ihnen nicht gelingt, ihre Waren zuverlässig zum geforderten Zeitpunkt zu liefern.
Die wahre Explosion der Produktvielfalt hat die Notwendigkeit eines verbesserten Logis-
tikmanagements mit sich gebracht. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts führte ein typi-
sches Lebensmittelgeschäft nicht mehr als 200 bis 300 Artikel. Den Bestand eines derarti-
gen Geschäfts konnte man auf zehn Seiten eines kleinen Notizbuchs festhalten. Heute
führt ein durchschnittlicher Supermarkt 10.000 bis 20.000 Artikel. Die Bestellung, der
Transport, das Lagern und Einräumen sowie die Kontrolle einer derartigen Vielfalt stellen
allein schon eine beträchtliche logistische Aufgabe dar.
Die Logistik stellt für die meisten Unternehmen einen bedeutenden Kostenfaktor dar. Allein
Fracht und Transport machen nicht weniger als 20 Prozent des durchschnittlichen Verkaufs-
preises eines Produkts aus. Dies übersteigt die Aufwendungen für Werbung und andere Mar-
ketingkosten bei Weitem. Mehr noch, bei einem Anstieg von Benzinpreisen und anderen
Kosten erhöhen sich auch die Kosten für die Logistik. So geben amerikanische Unternehmen
beispielsweise 1,33 Billionen US-Dollar jährlich – 8,5 Prozent des BIP – für die Verpackung,
Bündelung, Verladung, Entladung, Sortierung, Umladung und den Transport von Waren aus.
Dies ist mehr als das gesamte Bruttoinlandsprodukt fast aller Staaten der Welt (bis auf 13).4
4 Siehe Rosalyn Wilson, „24th Annual State of Logistics Report: is this the new normal?“, www.fm-
sib.wa.gov/reports/powerPoints/RosalynWilson-StateofLogisticsReport2013.pdf, 21. August 2013.
593
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12 Distribution und Logistik
Auch die Fortschritte der Computer- und Informationstechnik bergen ein Potenzial für
Produktivitätsgewinne in der Marketinglogistik. Durch den zunehmenden Einsatz von
Software zum Supply Chain Management, durch allgemeingültige einheitliche Artikel-
nummern, Strich-Codes und Scanner an der Kasse, Satellitenkommunikation, RFID-Tags,
elektronische Datenübermittlung (EDI = electronic data interchange) und elektronische
Zahlungsvorgänge können hoch integrierte Systeme für Auftragsbearbeitung, Bestandsma-
nagement und die Planung von Transportrouten geschaffen werden.
Schließlich hat die Logistik mehr als fast jede andere Marketingfunktion Einfluss auf die
Umwelt und die Nachhaltigkeitsbemühungen eines Unternehmens. Transport, Lagerhal-
tung, Verpackung und andere logistische Funktionen tragen in der Regel am meisten zum
ökologischen Fußabdruck eines Unternehmens bei. Gleichzeitig bieten sie aber auch die
größten Möglichkeiten für Kosteneinsparungen.
Lagerhaltung
Jedes Unternehmen muss einen gewissen Teil seiner materiellen Waren lagern, weil die Zyk-
len von Produktion und Bedarf fast niemals übereinstimmen. Ein Hersteller von Rasenmä-
hern produziert zum Beispiel das ganze Jahr über gleichmäßig und lagert seine Produkte für
die wenige Wochen dauernde Kaufsaison im Frühjahr und im Sommer. Durch die Lagerhal-
tung lassen sich Unterschiede in den benötigten Mengen und Herstellungs- bzw. Bedarfszeit-
räumen überbrücken.
Ein Unternehmen muss festlegen, wie viele und welche Art von Lagereinrichtungen es benö-
tigt und wo diese regional angesiedelt werden sollen. Es kann eigene Lagerhäuser unterhal-
594
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12.8 Supply Chain Management und Logistik
ten oder Lagerraum in Lagereinrichtungen anderer Eigner anmieten. Über eigene Lager haben
die Unternehmen mehr Einfluss als über angemietete. Andererseits darf nicht vergessen wer-
den, dass Lagereinrichtungen viel Kapital binden und dass die Flexibilität bei eigenen im
Vergleich zu angemieteten geringer ist. Viele Lagerhaus-Gesellschaften bieten weitere Dienste
wie Warenkontrollen, Packen und Versenden an. Bei der Anmietung hat das Unternehmen
auch die Auswahl zwischen verschiedenen Standorten und verschiedenen Typen von Lager-
kapazitäten.
Im Gegensatz zu Lagerhäusern sind Distributionszentren eher dafür vorgesehen, Waren in
Bewegung zu halten als sie zu lagern. Es handelt sich dabei um sehr große und hoch automa-
tisierte Lagereinrichtungen, häufig mit sogenannten Hochregallagern ausgestattet. Sie dienen
dazu, Produkte von zahlreichen Herstellern und Lieferanten anzunehmen und einzulagern,
Versandanweisungen entgegenzunehmen, diese effizient zu bearbeiten und die Waren
schnellstmöglich und zuverlässig an die Kunden auszuliefern.
Wie fast alles in den vergangenen Jahren, hat auch die Lagerverwaltung dramatische Verän-
derungen erfahren. Der Standard bei den technischen Beschickungs- und Lagereinrichtungen
hat in Riesenschritten ein immer höheres Niveau erreicht. Ältere Lagerkomplexe mit langsa-
men Aufzügen und überholten Handhabungsmethoden werden sukzessive gegen moderne,
eingeschossige, voll automatisierte Lagerhäuser mit fortschrittlichen, computergestützten
Warenmanagementsystemen ersetzt, die nur noch einen geringeren Personalbedarf haben.
Computer und Scanner lesen Aufträge und steuern Gabelstapler, Hebevorrichtungen oder
Roboter, die die Waren erfassen, sie zu den Verladestationen bringen und Rechnungen aus-
stellen. Wer derartige Hightech-Lieferlogistik als Hersteller nutzen möchte, muss nicht
zwangsläufig selbst in ein Hochregallager investieren. In zunehmendem Maß bieten Logistik-
spezialisten ein Komplettangebot an, mit dem zahlreiche betriebliche Funktionen in die Ver-
antwortung dieser spezialisierten Unternehmen übergeben werden.
Bestandsmanagement
Die Höhe und Vollständigkeit der Lagerhaltung hat großen Einfluss auf die Käuferzufrieden-
heit. Das Grundproblem besteht darin, das empfindliche Gleichgewicht zwischen einem zu
hohen und einem zu niedrigen Lagerbestand zu finden. Ein zu hoher Lagerbestand geht mit
hohen Kosten und dem Risiko des Veraltens (Mode) oder des Verderbs (Fleisch und Milchpro-
dukte) einher. Ein zu niedriger Lagerbestand führt zu Lieferengpässen, die häufig kostspielige
Eillieferungen oder Sonderschichten in der Produktion zur Folge haben. Solche Verzögerun-
gen verärgern zudem die Kunden, die daraufhin möglicherweise zur Konkurrenz abwandern.
Deshalb müssen Unternehmen beim Bestandsmanagement die Kosten großzügiger Lagerhal-
tung zu den sich daraus ergebenden Umsätzen und Gewinnen in Beziehung setzen.
Im Bestandsmanagement sind der Zeitpunkt der Bestellung und die Bestellmenge entschei-
dende Größen. Bei der Entscheidung über die Bestellmengen sind die Kosten von Bestellung
und Lieferung gegenüber den Kosten der Lagerhaltung abzuwägen. Größere durchschnittli-
che Bestellvolumen bedeuten weniger Einzelbestellungen, andererseits aber einen höheren
durchschnittlichen Lagerbestand und damit höhere Kosten der Lagerung.
Just-in-time-Liefersysteme Während der letzten Jahre haben viele Unternehmen die Lagerbe-
stände und die damit verbundenen Kosten stark reduziert, indem sie sogenannte Just-in-
time-Liefer- und -Logistiksysteme (JIT) einführten. Bei diesen Systemen werden beim Her-
steller oder im Handel lediglich kleine Lager geführt, die meist nur für ein paar Stunden oder
Tage ausreichen. Neue Lieferungen gehen erst dann ein, wenn sie wirklich gebraucht wer-
den. Damit vermeidet man, erst später benötigte Ware unnötig zu lagern. JIT-Systeme setzen
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12 Distribution und Logistik
genaue Bedarfsvorhersagen voraus, ebenso wie ein schnelles, flexibles und leistungsfähiges
Belieferungssystem, das die Verfügbarkeit der Ware im Bedarfsfall sicherstellt. Soweit diese
Bedingungen erfüllt werden können, ergeben sich bei diesen Systemen grundlegende Einspa-
rungen bei den Kosten der Lagerhaltung und Verwaltung.
Marketingverantwortliche sind immer daran interessiert, Warenwirtschaftssysteme effizien-
ter zu gestalten. In nicht allzu ferner Zukunft könnte das Lagermanagement sogar vollauto-
matisch ablaufen. Mit dem Einsatz der RFID-Technologie, bei der kleine Transmitter-Chips in
Produkte eingebaut oder auf der Verpackung angebracht werden, lässt sich die gesamte Lie-
ferkette automatisieren. Unternehmen, die RFID nutzen, könnten dann zu jeder Zeit sehen,
wo ein Produkt sich gerade befindet. Intelligente Regale würden nicht nur Bescheid geben,
wenn es Zeit zum Nachbestellen ist, sie würden auch die Bestellung automatisch beim Liefe-
ranten aufgeben. Solche hochinteressanten informationstechnischen Anwendungen werden
die Distribution revolutionieren. Viele große Unternehmen wie Walmart, Tesco, Metro, Proc-
ter & Gamble oder IBM sind höchst interessiert daran, das Leistungsspektrum der RFID-Tech-
nologie voll auszuschöpfen.
Transport
Die Wahl der Transportart und des Transportunternehmens beeinflusst die Preissetzung, die
Leistungsfähigkeit der Belieferung und den Zustand der Waren, wenn sie beim Kunden
ankommen. All dies sind Schlüsselfaktoren für die Zufriedenstellung der Kunden. Für den
Transport von Waren an die Außenlager, die Händler und die Kunden kann ein Unternehmen
im Wesentlichen zwischen fünf Transportarten wählen: Straßentransport, Bahntransport,
Wasserwege, Pipeline und Luftfracht. Für digitale Produkte können Unternehmen eine alter-
native Transportmethode wählen, das Internet.
Straßentransport Der Ausbau des Fernstraßennetzes in den meisten hoch entwickelten Län-
dern, aber auch zunehmend in den Schwellenländern, hat den Güterfernverkehr mit Lastwa-
gen zu einer bevorzugten Transportmethode gemacht. Lkw sind äußerst flexibel, was die
Streckenführung und den Zeitplan angeht. Sie bringen Güter von Haus zu Haus und ersparen
dem Spediteur ein Umladen zwischen Bahn und Lkw und umgekehrt, was mit Zeitverlust
und Diebstahl- und Beschädigungsrisiken verbunden ist. Der Straßentransport mit Lastwagen
ist für relativ kurze Strecken mit hochwertigen Ladungen geeignet. Große Speditionen bieten
inzwischen ein breites Spektrum an Dienstleistungen an, von GPS-Ortungsdiensten für Fahr-
zeuge und Fracht über webbasierte Transportmanagement-Systeme und entsprechende Pla-
nungssoftware bis zu länderübergreifender Verschiffung.
In der Europäischen Union wird der überwiegende Anteil der Güter auf der Straße befördert.
Die Konferenz der europäischen Verkehrsminister berichtet, dass in den letzten 20 Jahren das
gesamte Transportaufkommen in der EU um mehr als 50 Prozent zugenommen habe. Der
überwiegende Teil dieses Wachstums habe beim Straßenverkehr stattgefunden. So machen
Straßentransporte 78 Prozent aller Frachten aus. Bahntransporte umfassen etwa 7 Prozent,
während 5 bis 6 Prozent auf Wasserwegen transportiert werden. Die allmähliche Deregulie-
rung der Restriktionen im Transportwesen in der EU hat auch zu einem intensiven Transport-
wettbewerb geführt, der einen enormen Preisdruck zur Folge hat. Für internationale Spediti-
onen bestehen mittlerweile mehr Freiheiten beim Gütertransport innerhalb eines Landes,
was eine effizientere Auslastung der Lastwagen ermöglicht.
Bahntransport Der Bahntransport ist bei schweren Volumengütern über große Strecken eine
sehr kostengünstige Transportmethode. Kohle, Sand, Mineralien, landwirtschaftliche Pro-
dukte und Forsterzeugnisse sind für den Bahntransport besonders geeignet. Die EU hat sich
596
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.8 Supply Chain Management und Logistik
bemüht, die Entwicklung des Warentransports mit der Bahn und des kombinierten Trans-
ports mit der Bahn und auf der Straße in ganz Europa zu beschleunigen und auch osteuropä-
ische Bahnnetze zu erschließen. Dadurch erfährt der Schienentransport im Rahmen der
Logistik mehr und mehr Aufmerksamkeit. Um die Präsenz der Bahn auf den Hauptadern des
innereuropäischen Gütertransports zu verstärken, bedarf es jedoch der Zusammenarbeit und
der Standardisierung der europäischen Eisenbahnnetze.
Wasserwege In Ländern und Wirtschaftsregionen, die küstennahe oder inländische Wasser-
wege haben, können große Anteile schwerer Güter mit Schiffen befördert werden. Einerseits
sind die Kosten für den Wassertransport bei schweren, nichtverderblichen Massengütern wie
Kohle, Sand, Getreide, Rohöl und Erzen sehr niedrig. Der Transport mit dem Schiff ist sicher,
zuverlässig, billig und umweltfreundlich. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass
diese Transportart die langsamste ist und zudem vom Wetter beeinflusst wird. Der Anteil der
Beförderung auf den Binnenwasserwegen ist in der EU im Vergleich zum Straßen- und Schie-
nentransport verhältnismäßig gering. Das volle Potenzial der Binnenschifffahrt kann jedoch
erst realisiert werden, wenn die Schifffahrts- und Hafenpolitik in der EU harmonisiert wird
und viele unnötige und restriktive Vorschriften außer Kraft gesetzt werden.
Pipelines Pipelines sind ein sehr spezielles Transportmittel für Rohstoffe wie Petroleum,
Naturgas und Chemikalien von der Quelle zum Anwender. Die meisten Pipelines werden nur
für den Transport der Rohstoffe und Produkte der Pipeline-Eigner genutzt.
Luftfracht Obwohl die Luftfracht sich vor allem für kleine, hochwertige Güter eignet, wird
sie als Transportmethode immer häufiger eingesetzt. Die Luftfrachtkosten betragen ein Vielfa-
ches dessen, was für den Bahn- oder Lkw-Transport verlangt wird. Luftfracht ist jedoch dann
die ideale Lösung, wenn es auf Schnelligkeit ankommt oder wenn ferne Märkte erreicht wer-
den sollen. Zu den Produkten, die häufig per Luftfracht verschickt werden, gehören verderb-
liche Güter (Frischfisch, Schnittblumen, Früchte) und hochwertige Güter mit kleinem Volu-
men (Juwelen, Computerchips). Durch die Luftfracht lassen sich die Lagerbestände, die
Verpackungskosten und die Anzahl von Außenlagern reduzieren.
Internet Über das Internet lassen sich digitalisierbare Produkte direkt und zu sehr niedrigen
Kosten vom Hersteller zum Konsumenten befördern. Insbesondere Softwarefirmen, Medien,
Musikunternehmen und das Bildungswesen machen sich das Internet zunutze, um digitale
Produkte zu versenden. Obwohl diese Unternehmen auch traditionelle Transportwege für
den Vertrieb von DVDs, Zeitungen und anderen Medien nutzen, bietet das Internet Potenzial
für niedrigere Produktvertriebskosten. Während Flugzeuge, Lkw und Züge Güter und Fracht-
stücke befördern, transportieren die digitalen Technologien Informationseinheiten.
Einige Speditionen nutzen auch multimodale Transportmittel – dabei kombinieren sie zwei
oder mehrere Transportarten. Der sogenannte Huckepack-Verkehr (Piggyback) bezeichnet
den Transport auf Schiene und Straße; Fishyback den Transport auf Wasserwegen und
Straße; Trainship den Transport auf Wasserwegen und Schiene und Airtruck den Transport
in der Luft und auf der Straße. Die Kombination von Transportarten schafft Vorteile, die eine
einzelne Methode allein nicht bieten kann. Jede Kombination hat einen anderen Nutzen für
den Spediteur. So ist der Huckepack-Transport nicht nur günstiger als der Lkw-Transport
allein, sondern auch flexibler und praktischer.
Bei der Wahl des Transportmittels für ein Produkt muss ein Unternehmen verschiedene Vor-
und Nachteile gegeneinander abwägen: Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit,
Kosten, Leistungsfähigkeit und viele weitere. Ist die Geschwindigkeit der wichtigste Faktor,
sind Flugzeug und Lkw die erste Wahl. Sind hingegen die Kosten ausschlaggebend, wird
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12 Distribution und Logistik
man sich wohl eher für den Wasserweg oder, falls möglich, eine Pipeline entscheiden. In der
Praxis nutzt man häufig mehrere Transportmittel parallel oder in Kombination, um die Logis-
tikziele kosteneffizient und zielgruppengerecht zu erreichen.
Informationsmanagement
Unternehmen steuern ihre Wertschöpfungsketten mithilfe von Informationen. Die verschie-
denen Partner des Distributionskanals verknüpfen oftmals ihre Informationssysteme, um
gemeinsam bessere Logistik-Entscheidungen fällen zu können. Aus logistischer Sicht ist die
Leistung eines Distributionskanals eng mit Informationsströmen über Auftragseingänge,
Rechnungen, Warenbestände und Kundendaten verbunden. Informationen können auf ver-
schiedene Weise übermittelt und gesteuert werden, z.B. per E-Mail oder per Telefon, über
den Außendienst oder das Internet oder aber über Electronic Data Interchange (EDI), ein Sys-
tem zum Austausch von Daten zwischen Unternehmen. Handelsunternehmen stehen über
EDI in ständigem Kontakt zu ihren wichtigsten Lieferanten. Ziel ist es, schnelle, einfache und
genau definierte Prozesse zu schaffen, um die Informationen innerhalb des Distributionska-
nals optimal zu erfassen, zu verarbeiten und zu übermitteln.
In manchen Fällen werden Lieferanten gebeten, selbsttätig Aufträge für ihre Kunden auszu-
lösen und die Lieferung zu organisieren. Große Einzelhändler müssen mit ihren Hauptliefe-
ranten eng zusammenarbeiten, um Systeme wie das Vendor Management Inventory (VMI)
aufzubauen. Durch die Nutzung von VMI übermittelt der Händler dem Zulieferer Echtzeitin-
formationen über den aktuellen Verkauf und Warenbestand. Der Lieferant übernimmt dann
die volle Verantwortung für das Bestandsmanagement und die benötigten Zuliefermengen.
Einige Einzelhändler gehen sogar so weit, den Warenvorrat und die Versandkosten auf den
Lieferanten abzuwälzen. Damit Systeme wie das VMI funktionieren, bedarf es allerdings
einer sehr guten Zusammenarbeit zwischen Käufer und Verkäufer.
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12.8 Supply Chain Management und Logistik
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12 Distribution und Logistik
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.8 Supply Chain Management und Logistik
Auch P&G profitiert von der „Vendor Flex“-Partnerschaft. Durch die Einsparung der
Transportkosten an die Amazon-Bestellzentren senkt das Unternehmen seine Ausgaben;
dadurch wiederum können dem E-Commerce-Riesen wettbewerbsfähigere Preise ange-
boten werden. Und obwohl P&G im stationären Handel eine hervorragende Vermark-
tung betreibt, ist es im Onlinehandel – ein sehr wichtiges Ziel für das Unternehmen –
noch relativ neu. Durch die engere Zusammenarbeit mit Amazon erhält P&G wertvolle
Hilfe bei der Onlinevermarktung seiner Marken. Für Amazon wiederum sind verpackte
Haushaltswaren der nächste große Schritt im Internethandel. Die Präsenz innerhalb der
P&G-Lagerflächen ist für Vendor Flex nur die Spitze des Eisbergs. Amazon und P&G
begannen vor drei Jahren ohne großes Aufheben mit der gemeinsamen Lagernutzung
und der Onlinehändler betreibt in mindestens sieben weiteren P&G-Vertriebszentren
weltweit seine Stationen; unter anderem in Japan und Deutschland. Amazon befindet
sich auch mit anderen großen Herstellern von Verbraucherprodukten – wie z.B. Kim-
berly Clark – in Zusammenarbeit oder in Gesprächen über die gemeinsame Nutzung von
Vertriebsstätten. Ferner hat Amazon beträchtlich in den Ausbau der Infrastruktur inves-
tiert, um sämtliche Artikel des täglichen Bedarfs online an die Kunden verkaufen zu
können. Ende 2010 z.B. übernahm Amazon in den USA die Firma Quidsi, die über die
Seiten Diapers.com und Soap.com Baby-Produkte und Haushaltswaren verkauft. Seit
der Übernahme durch Amazon hat Quidsi ein halbes Dutzend neuer Seiten geschaltet
und verkauft unter anderem Spielzeuge (YoYo.com), Tierbedarf (Wag.com), hochwertige
Kosmetikprodukte (BeautyBar.com) und Wohnbedarf (Casa.com).
Vendor Flex scheint für alle Beteiligten ein Gewinn zu sein – für Amazon, P&G und die
Endverbraucher. Doch die enge Zusammenarbeit zwischen Amazon und P&G sorgte
auch für Unmut bei anderen wichtigen Vertriebspartnern. Nehmen wir zum Beispiel
den US-Handelsriesen Walmart, bisher der mit Abstand größte Kunde von P&G. Wäh-
rend sich der mächtige Händler online einen erbitterten Kampf mit Amazon liefert,
scheint ausgerechnet einer seiner größten Lieferanten Amazon bevorzugt zu behandeln.
Gleichzeitig kommt Amazons Werben um P&G bei anderen wichtigen Lieferanten und
Konkurrenten von P&G auf der Amazon-Webseite nicht gut an. Sowohl P&G als auch
Amazon müssen achtgeben, dass die enge „Vendor Flex“-Beziehung keine anderen
wichtigen Vertriebspartnerschaften beschädigt. Allgemein gehen einige Analysten
davon aus, dass Amazon selbst mit Vendor Flex nicht in der Lage sein wird, Produkte
wie Papiertücher, Reinigungsmittel oder Rasierschaum profitabel online zu verkaufen.
Die Spannen dieser Artikel sind nämlich zu gering, um die Frachtkosten zu decken.
Schon jetzt verliert Amazon schätzungsweise 1 bis 2 Milliarden US-Dollar jährlich
durch das „Amazon Prime“-Versandprogramm. Und, so legen die Experten nahe, könnte
man mit dem Versand schwerer Tide-Waschmittelflaschen oder sperriger Dreierpacks
der Bounty-Küchenrolle aus dem P&G-Lager direkt an den Kunden Geld verdienen,
hätte P&G dies schon längst getan.
Solche düsteren Prognosen lassen jedoch die rasanten Veränderungen im Vertriebswe-
sen außer Acht, besonders im Einzelhandel. Große Versandunternehmen wie UPS und
FedEx treiben die Kosten und Lieferzeiten für kleine Pakete immer weiter nach unten.
Und Amazon zielt in den wichtigen Märkten wie Lebensmitteln und ähnlichen Produk-
ten entschlossen auf das Angebot der Lieferung am selben Tag. Das „Vendor Flex“-Pro-
gramm scheint gut zu diesen Vertriebstrends zu passen.
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12 Distribution und Logistik
Das „Vendor Flex“-Programm zwischen P&G und Amazon ist demnach für beide Unter-
nehmen ideal. Wenn P&G seine Marken effektiver online anbieten will, welchen besse-
ren Partner könnte es dafür finden als Amazon, zweifellos der Platzhirsch im Online-
handel? Und wenn Amazon effektiver verpackte Haushaltswaren anbieten möchte, wer
wäre dafür besser geeignet als P&G, unbestrittene Nummer eins bei der Vermarktung
dieser Artikel? Zusammen können diese beiden Branchenführer unter dem „Vendor
Flex“-Programm ihre Vertriebsstärke voll ausspielen – zum eigenen Vorteil und zum
Vorteil der Kunden, die sie gemeinsam beliefern.
5 Siehe www.supplychainbrain.com/content/nc/sponsored-channels/kenco-logistic-services-third-
party-logistics/single-article-page/article/top-25-third-party-logistics-providers-extend-their-global-
reach/, Zugriff Juli 2015.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Zusammenfassung
nehmen die Dienste von Logistik-Fremdanbietern (auch ausgelagerte Logistik oder Auftrags-
logistik genannt). General Motors, P&G und Walmart nutzen jeweils 50 oder mehr Logistik-
Dienstleister.6
Die Logistik-Fremdanbieter können für Unternehmen enorm hilfreich sein, wenn es um die
Erweiterung der globalen Marktabdeckung geht. Unternehmen, die ihre Produkte z.B. in ganz
Europa vertreiben, sind mit einer verwirrenden Vielzahl von Umweltauflagen konfrontiert,
die sich auf die Logistik auswirken; darunter Bestimmungen für Verpackungsstandards, Lkw-
Größen und Gewichtsbegrenzungen sowie Lärm- und Emissionskontrollen. Durch das Ausla-
gern der Logistik kann ein Unternehmen ein vollständiges Vertriebssystem für ganz Europa
schaffen, ohne die mit dem Aufbau eines eigenen Systems verbundenen Kosten, Verzögerun-
gen und Risiken tragen zu müssen.
Z US A M M EN FA SSU N G
Um dem Käufer ein Produkt oder eine Dienstleistung verfügbar zu machen, sollte ein
Hersteller nicht nur Beziehungen zu seinen Kunden, sondern auch zu wichtigen Liefe-
ranten und zu Händlern aufbauen. Marketingverantwortliche konzentrierten sich übli-
cherweise auf den Distributions- bzw. Absatzkanal, der die Verbindung zum Kunden
herstellt. Entscheidungen über Vertriebskanäle betreffen direkt alle anderen Entschei-
dungsbereiche des Marketings. Jedes denkbare Distributionssystem erzeugt ein anderes
Niveau von Kosten und Einnahmen und erreicht andere Käufersegmente. Beim Aufbau
von Vertriebskanälen bedienen sich die Anbieter des Zusammenspiels mehrerer interde-
pendenter Organisationen, die daran beteiligt sind, das Produkt oder die Dienstleistung
zum Ge- oder Verbrauch für den Verbraucher oder den gewerblichen Nutzer verfügbar
zu machen. Durch ihre Beziehungen, ihre Erfahrung, ihre Spezialisierung oder ihre
Betriebsgröße und Reichweite vermögen derartige Vermittler häufig mehr zu erreichen,
als es ein Hersteller aus eigener Kraft könnte.
Vertriebskanäle übernehmen mehrere Schlüsselaufgaben: Informationssuche und -ana-
lyse, Kommunikation, Verkaufsförderung, Knüpfen von Kontakten, Abstimmung und
Anpassung der Angebote auf die Bedürfnisse der Kunden, Verhandeln von Konditionen,
Logistik und physische Verteilung, Finanzierung und Risikoübernahme.
Ein Vertriebskanal ist dann wirklich effizient, wenn jedes der Mitglieder die Aufgaben
übertragen bekommt, die es am besten ausführen kann, und wenn alle Teilnehmer har-
monisch zusammenarbeiten. Die Mitglieder sollten ihre Rolle verstehen und akzeptie-
ren, ihre Ziele und Aufgaben koordinieren und miteinander kooperieren, um die Ziele
des gesamten Distributionssystems zu erreichen. In den vergangenen Jahren sind neue
Organisationsformen von Vertriebskanälen entstanden, die eine stärkere Führung bei
der Rollenverteilung und Konfliktbewältigung und eine höhere Leistungsfähigkeit
sicherstellen.
6 „3PL Customers Report identifies service trends, 3PL market segment sizes and growth rates“, Arms-
trong & Associates, Inc., 11. Juli 2013, www.3plogistics.com/PR_3PL_Customers-2013.htm.
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12 Distribution und Logistik
Jedes Unternehmen muss alternative Wege identifizieren, über die es seinen Zielmarkt
erreichen kann. Dabei gibt es Variationen von Direktmarketing-Lösungen bis hin zu Ver-
triebskanälen mit ein, zwei, drei oder mehr intermediären Stufen externer Partner. Die
Vertriebskanäle unterliegen einem kontinuierlichen Wandel. Drei der wichtigsten
Trends sind die Zunahme bei den vertikalen, den horizontalen und den hybriden Mar-
ketingsystemen. Diese Entwicklungen beeinflussen die Kooperation innerhalb des Dis-
tributionskanals, mögliche Konflikte und den Wettbewerb.
Die Konzeption eines Vertriebskanals beginnt damit, dass die Anforderungen der Kun-
den ermittelt und die Ziele und Einflussfaktoren des eigenen Unternehmens bestimmt
werden. Das Unternehmen identifiziert dann die möglichen Alternativen in Bezug auf
die eingesetzten Distributionstypen, die Anzahl der Vermittler und die ihnen übertra-
gene Verantwortung.
Jede dieser Distributionsalternativen ist anhand von wirtschaftlichen Kriterien, Kontrol-
laspekten und der Flexibilität des Systems zu bewerten. Zum Management dieser Ver-
triebskanäle gehört es, qualifizierte Vermittler auszusuchen, zu motivieren und ihre
Leistungen periodisch zu überprüfen. Unternehmen sollten ihre Produkte nicht durch
die Vermittler verkaufen, sondern mit ihnen. Ziel ist es, langfristige Partnerschaften zu
den Mitgliedern der Distributionskanäle aufzubauen, um ein Marketingsystem zu etab-
lieren, das sowohl den Bedürfnissen des Herstellers als auch der Handelspartner ent-
spricht. Unternehmen, die auf internationalen Märkten tätig werden, können die Grund-
züge des Managements eines Distributionssystems zwar anwenden, müssen jedoch das
Distributionskonzept den Marktbedingungen der jeweiligen Zielregion anpassen.
Immer mehr Unternehmen schenken heute der physikalischen Distribution, auch Mar-
ketinglogistik genannt, mehr Beachtung. Zur Marketinglogistik gehören alle Aktivitäten
der sogenannten Supply Chain, der Wertschöpfungskette, die dazu dient, dem Kunden
den maximalen Nutzen zu bieten. Kein Logistiksystem kann gleichzeitig den Service für
den Kunden maximieren und die Kosten minimieren. Die Zielvorgabe ist daher, ein
angestrebtes Serviceniveau zu definieren und dieses dann mit minimalen Kosten zu rea-
lisieren. Als primäre Logistikfunktionen werden die Lagerhaltung und das Bestandsma-
nagement einschließlich Transport und das Informationsmanagement angesehen.
Zunehmend führen Unternehmen integrierte Logistikkonzepte ein. Sie erkennen, dass
eine Optimierung von Logistikstrukturen eine enge Zusammenarbeit erfordert, zum
einen zwischen den innerbetrieblichen Funktionsbereichen und zum anderen zwischen
allen externen Partnern in der Wertschöpfungskette. Unternehmen können ihre Logis-
tikstrukturen abstimmen, indem sie über die Funktionsbereiche hinweg Logistikteams
bilden, Logistikkoordinatoren einsetzen, die die logistischen Aktivitäten der einzelnen
Funktionsbereiche zusammenführen oder einen Supply Chain Manager berufen, der mit
funktionsübergreifenden Befugnissen bezüglich Entscheidungen zur Logistik ausgestat-
tet sein sollte. Die Kooperation von unterschiedlichen Akteuren eines Distributionska-
nals kann in Form von unternehmensübergreifenden Teams, gemeinsamen Projekten
und Informationsnetzwerken institutionalisiert werden. Immer mehr Unternehmen
lagern ihre Logistik aus und vergeben sie an externe Logistikspezialisten, um Kosten zu
sparen, die Effizienz zu steigern und schneller und einfacher Zugang zu internationalen
Logistikstrukturen für den Weltmarkt zu erhalten.
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Literatur und Quellen
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Einzelhandel und Großhandel
ÜBERBLICK
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... die Funktion und Bedeutung von Einzelhändlern, Großhändlern und physischer
Distribution diskutieren.
... Trends und Entwicklungen des Einzelhandels und Großhandels erklären.
... die von Groß- und Einzelhändlern zu treffenden Marketingentscheidungen erläu-
tern.
13.1 Einführung
Wir werfen nun einen genaueren Blick auf die beiden wichtigsten Absatzmittler: den Groß-
handel und den Einzelhandel. Über den Einzelhandel wissen Sie sicher schon einiges –
Händler jeder Art und Größe bedienen Sie schließlich jeden Tag, sowohl in Geschäften als
auch online. Über den Großhandel und dessen Tätigkeit hinter den Kulissen wissen Sie dage-
gen vermutlich weniger. In diesem Kapitel untersuchen wir die unterschiedlichen Arten des
Groß- und Einzelhandels, deren jeweilige Marketingentscheidungen sowie die zukünftigen
Trends.
Der Einzelhandel ist ein höchst wechselhaftes Geschäft. Obwohl wir zunächst an die ganz
großen Ketten der Branche denken, wie Walmart, Carrefour, CostCo, Metro und Tesco, wird
der Markt tatsächlich auch von anderen Akteuren gesteuert, die großen Einfluss auf den
weltweiten Einzelhandel haben. Dazu muss man sich nur ansehen, wie ALDI anstrebt, neben
seiner Marktbedeutung in Deutschland, global an Stärke zu gewinnen. Was ALDI mit ande-
ren erfolgreichen Einzelhändlern gemeinsam hat, ist der unnachlässige Fokus auf der Schaf-
fung von Kundennutzen.
ALDI war aus internationaler Perspektive nie ein so geläufiger Name, wie es Tesco,
Sainsbury’s, Asda/Walmart oder Carrefour von sich behaupten können, doch der Kon-
zern verzeichnete in den letzten Jahren beeindruckende Ergebnisse. Das Geschäftskon-
zept besteht im Verkauf von Eigenmarken zu günstigen Preisen, präsentiert in karg ein-
gerichteten Filialen. Die ersten ALDI-Märkte waren mit nackten Neonröhren
ausgestattet, die Waren lagen auf Paletten im Verkaufsraum, es gab keine Kühlartikel
und nur wenig Verkaufspersonal. Heute betreibt der ALDI-Konzern mehr als 9.000 Filia-
len in 18 Ländern der Welt, darunter Trader Joe’s in den USA. Kern des Geschäftsmo-
dells ist das begrenzte Warenangebot – ALDI listet vielleicht 1.000 bis 3.000 Artikel,
während es in einem herkömmlichen Hypermarkt bis zu 50.000 sind.
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13.1 Einführung
Die beispiellos niedrigen Preise resultieren aus hoher Effizienz. ALDI konnte unbemerkt
ein enormes Wachstum erreichen, da der Konzern ein Privatunternehmen ist – eines der
größten weltweit. Die Gruppe veröffentlicht keine Ergebnisse, doch Schätzungen gehen
von einem globalen Umsatz von 67 Milliarden Euro aus. Zudem ist ALDI einer der am
schnellsten wachsenden Einzelhändler der Welt. Das Unternehmen war Vorreiter im
Geschäft mit Waren zu günstigen Preisen, die auf Paletten gestapelt sind, und hat den
Einzelhandel in Deutschland, aber auch vielen Teilen Europas von Grund auf verändert.
ALDI nimmt von den Lieferanten große Mengen ab, die als Eigenmarken geordert wer-
den; so sind die Preise weitaus niedriger als die der Wettbewerber. Bemerkenswert:
Schon neben der Tatsache, dass das Unternehmen die Schmucklosigkeit seiner Filialen
auf die Spitze trieb, ist ALDI so billig, dass selbst das mächtige Walmart seine Geschäfte
in Deutschland schließen, sie an Metro verkaufen und auf diese Weise Milliardenver-
luste hinnehmen musste – teilweise deshalb, weil Kunden den US-Riesen im Vergleich
zu ALDI als teuer empfanden. Ursprünglich startete ALDI, Abkürzung für „Albrecht
Diskont“, als deutsche Discount-Supermarktkette. Noch heute besteht der Konzern aus
zwei unabhängigen Gruppen: ALDI Nord mit Hauptsitz in Essen und ALDI Süd mit
Hauptsitz in Mülheim an der Ruhr, die getrennt voneinander mit fest eingeteilten
Geschäftsgebieten geführt werden. Die einzelnen Gruppen wurden ursprünglich von
den inzwischen verstorbenen Brüdern Karl und Theo Albrecht geleitet; sie galten für
lange Zeit als die beiden reichsten Personen in Deutschland. Die Brüder hatten sich
stets von der Öffentlichkeit abgeschottet; selbst einige leitende Angestellte, die ihre
gesamte Laufbahn bei ALDI verbracht hatten, bekamen keinen der Brüder jemals zu
Gesicht.
In Deutschland besteht das Geschäft von ALDI Nord derzeit aus 35 Regionalgesellschaf-
ten mit etwa 2.500 Filialen in West-, Nord- und Ostdeutschland. ALDI Süd umfasst 31
Regionalgesellschaften mit 1.600 Filialen im Westen und Süden des Landes. Laut einer
Studie des deutschen Marktforschungsinstituts Forsa kaufen 95 Prozent der Arbeiter, 88
Prozent der Angestellten, 84 Prozent der Beamten und 80 Prozent der Freiberuflichen
regelmäßig bei ALDI ein. ALDI und seine Wettbewerber im Discount-Geschäft machen
rund 40 Prozent sämtlicher Lebensmittelumsätze in Deutschland aus. Auf internationa-
ler Ebene ist ALDI Nord in Dänemark, Frankreich, den Benelux-Ländern, auf der iberi-
schen Halbinsel und in Polen vertreten, während ALDI Süd in Ländern wie Irland, dem
Vereinigten Königreich, Ungarn, Griechenland, der Schweiz, Österreich, Slowenien
(hier unter dem Namen Hofer) sowie Australien aktiv ist. In den Vereinigten Staaten ist
ALDI Nord die Muttergesellschaft des Nischenhändlers Trader Joe‘s, ALDI Süd betreibt
seine Filialen hier unter eigenem Namen.
Nach einem zunächst schwierigen Markteintritt in Großbritannien Anfang der 1990er-
Jahre ging ALDI im Jahr 2009 als einer der wenigen Gewinner aus der Weltwirtschafts-
krise hervor. Dabei stiegen die Umsätze in einem einzigen Jahr um 25 Prozent. Der
Erfolg wurde noch dadurch verstärkt, dass nun auch kaufkräftigere Kunden aller demo-
grafischen Schichten (nach der ABC-Analyse) zum Kundenstamm gehörten – heute
machen diese gut die Hälfte der regelmäßigen Kunden aus. Mit einem Marktanteil von
nur rund 3 Prozent im britischen Lebensmittel-Einzelhandel war ALDI überzeugt, beim
künftigen Wachstum noch viel Luft nach oben zu haben. Schätzungen legen nahe, dass
der Anteil der Discounter am britischen Einzelhandel von weniger als 5 auf mehr als 20
Prozent anwachsen könnte.
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13 Einzelhandel und Großhandel
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13.1 Einführung
Tesco bereitete dies so große Sorgen, dass es eine Nachbildung einer ALDI-Filiale auf
dem Gelände der Firmenzentrale errichtete, in der leitende Angestellte, Marketingex-
perten und Einkäufer die Taktik des Rivalen analysieren sollten. Tesco musste bereits
auf die Discounter reagieren, indem es ein Sortiment günstiger Eigenmarken heraus-
brachte. Doch die etablierten Wettbewerber im britischen Lebensmittel-Einzelhandel
machten den Fehler, ALDI zu unterschätzen – bis es zu spät war. In der Finanzkrise
Ende der 2000er-Jahre, als die Arbeitslosenzahlen durch die Decke gingen und Haus-
halte unter der Last ihrer Kredite sparen mussten, gewannen die schmucklosen Dis-
counter (vorrangig ALDI, aber auch Lidl) scharenweise neue Kunden. Das begrenzte
Angebot hochwertiger Produkte zu niedrigen Preisen lockte die Kunden von Tesco,
Sainsbury’s, Asda und Morrisons weg, da auch die britische Mittelschicht angesichts
steigender Energie- und Lebensmittelkosten den Gürtel enger schnallen musste. ALDI
hat die Zahl seiner Filialen im Vereinigten Königreich in drei Jahren bis 2015 verdop-
pelt. Zuvor war der Kundenanteil in der kaufkräftigsten demografischen Schicht von
nur 12 Prozent im Jahr 2013 auf nunmehr 31 Prozent angewachsen.
ALDI liegt mit seinen Preisen rund ein Drittel unter denen der Wettbewerber. Die Pro-
duktauswahl ist begrenzt, doch das führt zu niedrigeren Kosten als bei der Konkurrenz
– während ALDI nur eine Sorte Tomatenketchup anbietet, listet Tesco etwa 24 Sorten.
Durch die niedrigeren Kosten konnte ALDI eine Flasche Chateau-Neuf-du-Pape zum
Preis von 7,99 Pfund anbieten, dazu leistete sich der Kunde einen kanadischen Hummer
von Lidl für 4,99 Pfund. Paul Foley, Leiter von ALDI UK, meint: „Wenn Sie den Kunden
höchste Qualität zum niedrigsten Preis bieten, überrascht es nicht, dass wir diesen
Marktanteil erreichen.“ Tatsächlich landet ALDI bei Warentests regelmäßig auf den vor-
deren Plätzen – bei einem Geschmackstest der Eigenmarken konnte ALDI im Jahr 2013
bei Schinken, Tees und Kuchen die Händler M&S und Harrods schlagen. In der Werbe-
kampagne von ALDI stellen etwas schrullige und schräge Verbraucher direkte Verglei-
che zwischen den teuren Markenprodukten und den weitaus preiswerteren Eigenmar-
ken von ALDI an und betonen dabei die Gleichwertigkeit der Qualität mit der
Feststellung, dass ALDI-Produkte „wie Marken sind. Nur billiger.“ Ein Meilenstein war
2015 die Überholung von Waitrose bei den Marktanteilen im britischen Lebensmittel-
Einzelhandel – eine halbe Million neuer ALDI-Kunden verschafften dem Unternehmen
einen Marktanteil von 5,3 Prozent, der von Waitrose lag bei 5,1 Prozent. ALDI ist heute
die sechstgrößte Einzelhandelskette im Vereinigten Königreich. ALDI und die anderen
Discounter führten die Deflation der Lebensmittelpreise an und stürzten die großen vier
Händler ins Chaos, die inmitten eines immer härter werden Preiskampfes um Umsatzge-
winne kämpfen müssen. Mehr als die Hälfte aller Familien im Vereinigten Königreich
kaufen heute bei Discountern statt bei den traditionellen Händlern. ALDI bietet einen
konstanten Preisvorteil von bis zu 30 Prozent gegenüber den „fünf großen“ Supermärk-
ten. Der Druck stieg noch weiter an, als ALDI erstmals die Bezahlung mit Kreditkarte
akzeptierte. Im Jahr 2015 befand sich ALDI mitten in einem auf zwei Jahre angelegten
Investitionsprozess mit 600 Millionen Pfund für die Eröffnung neuer Filialen und den
Umbau bestehender Märkte. Bis 2022 soll das Filialnetz 1.000 Märkte umfassen. In vier
Jahren hat ALDI seine Verkaufsdichte von 10 Pfund auf 25 Pfund pro Quadratmeter und
Woche gesteigert. Der US-Ableger von ALDI breitet sich auf dem heimatlichen Boden
von Walmart in Amerika immer weiter aus und versucht, in Zeiten der Krise Kunden in
seine spartanischen und preiswerten Läden zu locken – und sie auch nach der wirt-
schaftlichen Erholung an sich zu binden.
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13 Einzelhandel und Großhandel
Das Unternehmen nutzte den Abschwung für die Überwindung einer traditionellen
Hürde: US-Kunden zeigen eine große Markentreue. Laut einer Studie von Nielsen Co.
machen Eigenmarken generell rund 22 Prozent der Umsatzerlöse in den USA aus (fast
30 Prozent sind es in Europa), doch bei ALDI bestehen 95 Prozent des Angebots aus
Eigenmarken. Im Mittleren Westen der USA liegen die ALDI-Preise zwischen 15 und 20
Prozent unter denen von Walmart und 30 bis 40 Prozent unter denen der regionalen Ket-
ten. Tatsächlich gibt es ALDI schon seit 1976 in den USA, mehr als 1.000 Filialen wer-
den dort betrieben. Während die US-Lebensmittelhändler ALDI als „schlafenden Rie-
sen“ betrachteten, wappnet sich das Unternehmen nun für den Marktauftritt seines
Rivalen Lidl, der den Handel noch einmal ordentlich aufmischen dürfte. Gleichzeitig
rüstet ALDI seine deutschen Märkte durch verbesserte Lebensmittelsortimente und ein
Angebot hochwertigerer Aktionsartikel weiter auf, um auch die Kunden der Mittel-
schicht mit höherem verfügbaren Einkommen zu erreichen. Einst betrieb ALDI in den
USA und im Vereinigten Königreich unattraktive Geschäfte in sozial schwächeren
Gegenden, verkaufte nur wenige Produkte und kaum frische Lebensmittel. Das Erschei-
nungsbild der Filialen hat sich verbessert, auch das Angebot an Lebensmitteln wurde
verstärkt. In den USA ist ALDI heute in der Nähe von den großen Walmart-Centern
angesiedelt, um Kunden anzulocken. Ob ALDI seinen Erfolg im Vereinigten Königreich
durch das Vorrücken im riesigen US-Markt wiederholen kann, wird sich zeigen.
Fragen
1. Worin liegt das Erfolgsgeheimnis von ALDI?
2. Worin liegt die Effizienz von ALDI begründet?
3. Wie können die klassischen Retailer auf den Vormarsch von ALDI reagieren, um
nicht weitere Marktanteile zu verlieren?
Die einführende Fallstudie von ALDI dient als Grundlage für einen näheren Blick auf die
sich schnell verändernde Welt der heutigen Wiederverkäufer. Im ersten Abschnitt dieses
Kapitels betrachten wir die Struktur und Bedeutung des Einzelhandels, die wichtigsten stati-
onären und nicht stationären Händler, die Entscheidungen des Großhandels sowie dessen
Zukunft. Im zweiten Abschnitt betrachten wir dieselben Themen bezogen auf den Großhan-
del.
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13.2 Der Einzelhandel
1 Siehe zu diesem Zitat und weiteren Informationen zu OgilvyAction Katy Bachman, „Suit your shelf“,
AdweekMedia, 19. Januar 2009, S. 10–12; „Ogilvy action takes regional marketers to the last mile“,
23. Januar 2008, www.entrepreneur.com/tradejournals/article/173710015.html; Jack Neff, „Trouble
in store for shopper marketing“, Advertising Age, 2. März 2009, S. 3–4; Statistik zu Umsätzen des Ein-
zelhandels „Monthly and Annual Retail Trade“, US Census Bureau, www.census.gov/retail/, Zugriff
Februar 2010.
2 Jack Neff, „P&G pushes design in brand-building strategy“, 12. April 2010, http://adage.com/
print?article_id=143211; Gil Press, „What do CMOs want? On big data, better focus, and moments of
truth“, Forbes, 25. November 2013, www.forbes.com/sites/gilpress/2013/11/25/what-do-cmos-want-
on-big-data-betterfocus-and-moments-of-truths/.
3 Zu weiteren Aspekten des Shopper-Marketings siehe Christopher Heine, „Marketing to the om-
nichannel shopper“, Adweek, 3. Juni 2013, S. S1–S2; John Balla, „Customer l love – it’s all about the
connection“, loyalty360, 14. Februar 2014, http://loyalty360.org/loyalty-today/article/customer-
love-its-all-about-the-connection; www.shoppermarketingmag.com/home/, Zugriff Juni 2014 und
„ZMOT“, Google Digital Services, www.zeromomentoftruth.com/, Zugriff September 2014.
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13 Einzelhandel und Großhandel
Einzelhandel
Sortiment
Einzelhändler unterscheiden sich auch im Hinblick auf die Breite und Tiefe ihres Sorti-
ments.
Fachgeschäft und Spezialgeschäft Ein Fachgeschäft führt ein branchenspezifisches Sorti-
ment mit einer sehr großen Auswahl an Produkten unterschiedlicher Preis- und Qualitätsni-
veaus. Zusätzlich werden dem Kunden Serviceleistungen wie fachkundige Beratung oder
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13.2 Der Einzelhandel
Kundendienst angeboten. Typische Branchen für Fachgeschäfte sind Damen- oder Herrenbe-
kleidung, Kosmetik, Unterhaltungselektronik, Sportbekleidung und Spielwaren. Das Spezial-
geschäft konzentriert sich auf einen Ausschnitt aus dem Warenbereich des Fachgeschäfts
und bietet in diesem eine große Auswahl für die gehobenen Ansprüche seiner Kunden sowie
ergänzende Dienstleistungen an. Der zunehmende Einsatz von Marktsegmentierung, Ziel-
gruppenmarketing und sehr speziellen Produkten erfordert immer mehr Geschäfte, die sich
auf spezifische Produkte und Segmente konzentrieren.
Fachmarkt Im Vergleich zum Fachgeschäft verfügt der Fachmarkt über eine deutlich größere
Fläche und kann seine Ware so übersichtlich präsentieren. Sein Sortiment kann sich auf
einen bestimmten Produktbereich wie z.B. Schuhe, eine bestimmte Zielgruppe wie designin-
teressierte Kunden oder einen speziellen Bedarf wie beispielsweise Heimwerken ausrichten.
Die Standorte sind so gewählt, dass die Verbraucher mit dem Auto günstig dorthin gelangen
können. Typische Beispiele für Fachmärkte sind Media-Markt oder Saturn im Bereich Unter-
haltungselektronik.
Warenhäuser Anders als Fachmärkte verfügen Warenhäuser über ein sehr breites Sortiment,
das mehrere Branchen umfasst wie Bekleidung, Kosmetik, Sport, Heimtextilien, Unterhal-
tungselektronik, Hausrat, aber teilweise auch Nahrungs- und Genussmittel. Meist mehr-
stöckig befindet sich das Warenhaus häufig in Innenstadtlagen oder Einkaufszentren. In den
letzten Jahren wurden die Warenhäuser von flexiblen und fokussierten Fachgeschäften auf
der einen Seite und niedrigpreisigen Discountern auf der anderen Seite bedrängt und haben
darauf mit verschiedenen Konzepten und unterschiedlichem Erfolg reagiert. Beispiele für
bekannte Warenhäuser sind Harrods in Großbritannien, Bloomingdale’s in den Vereinigten
Staaten, El Corte Inglés in Spanien, Galeries Lafayette in Frankreich und Galeria Kaufhof in
Deutschland.
Convenience Stores/Nachbarschaftsläden sind kleine Geschäfte mit einer beschränkten Aus-
wahl an Gütern des täglichen Bedarfs mit einer hohen Umschlagshäufigkeit. Typische Bei-
spiele dafür sind Einzelhandelsgeschäfte wie Nah und Gut (Edeka), aber auch Bahnhofs-
märkte, Kioske oder Tankstellen. Sie sind häufig in Wohngebieten oder an frequenzstarken
Standorten angesiedelt. In Ländern, in denen die Gesetze für Ladenöffnungszeiten liberaler
als in Deutschland sind, haben viele Nachbarschaftsgeschäfte 24 Stunden am Tag an sieben
Tagen in der Woche geöffnet. Damit besetzen sie ein Nischensegment und erfüllen ein wich-
tiges Kundenbedürfnis: Kunden nutzen Nachbarschaftsläden für dringende Einkäufe außer-
halb der regulären Öffnungszeiten oder wenn die Zeit knapp ist. Sie sind bereit, für die güns-
tige Lage und die besonderen Öffnungszeiten zu bezahlen.
Supermärkte sind die am häufigsten besuchte Form von Einzelhandelsgeschäften. Das Sorti-
ment besteht im Wesentlichen aus Nahrungs- und Genussmitteln einschließlich Frischware
(wie Obst, Gemüse, Fleisch, Wurst) und wird durch ausgewählte Waren des täglichen Bedarfs
ergänzt. Beispiele sind Edeka- oder Rewe-Märkte. Trotzdem können Supermärkte aufgrund des
zunehmenden Wettbewerbs durch Convenience Stores, Lebensmitteldiscounter und Verbrau-
chermärkte heute nur geringe Wachstumsraten verzeichnen. Um Kunden zu gewinnen, müssen
die Supermärkte deshalb ihre Leistungen verbessern. Einige der größeren Supermärkte haben
Bäckereien, Feinkostgeschäfte und Frischfischtheken im Geschäft eingerichtet. Andere Super-
märkte versuchen, die Kosten zu senken, indem sie Vorgänge effizienter gestalten und die
Preise senken, um besser mit den Lebensmittel-Discountern konkurrieren zu können.
Verbrauchermärkte Deutlich größer als Supermärkte sind Verbrauchermärkte. Sie bieten
neben einer sehr großen Auswahl an Lebensmitteln auch Non-Food-Waren des kurz- und
mittelfristigen Bedarfs an. Verbrauchermärkte liegen gewöhnlich außerhalb von Städten,
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13 Einzelhandel und Großhandel
manchmal sind sie in Einkaufszentren integriert und verfügen in der Regel über ein großes
Parkplatzangebot. Die Waren werden fast ausschließlich in Selbstbedienung ausgewählt und
an einer zentralen Kasse am Ausgang bezahlt. Die letzten Jahre zeigten eine starke Zunahme
an Verbrauchermärkten. Viele entwickelten sich zu riesigen Fachgeschäften, die sogenannten
„Category killers“ wie z.B. Toys“R“Us. Diese Geschäfte führen ein breites Warensortiment
einer bestimmten Linie und haben sachkundiges Personal. Es gibt sie in verschiedenen Berei-
chen wie Unterhaltungselektronik, Babyprodukte, Spielwaren oder Sportartikel.
SB-Warenhaus Das SB-Warenhaus unterscheidet sich von Verbrauchermärkten vor allem
durch seine Größe. Durch das deutlich großzügigere Platzangebot führt es ein noch umfas-
senderes Sortiment mit dem Schwerpunkt auf Lebensmitteln, ergänzt durch Warengruppen
des kurz- und mittelfristigen Bedarfs wie Haushaltswaren, Heimtextilien, Kleinmöbel oder
Bekleidung. Bekannte Beispiele für SB-Warenhäuser sind Globus, real und Marktkauf.
Preisniveau
Einzelhändler können auch anhand der Preise, die sie für die angebotene Ware verlangen,
klassifiziert werden. Die meisten Einzelhändler erheben durchschnittliche Preise und bieten
qualitativ durchschnittliche Waren und Dienstleistungen an. Andere bieten höherwertige
Waren und Dienstleistungen zu höheren Preisen an. Die Geschäfte, die Ware zu niedrigen
Preisen verkaufen, nennt man Discounter oder Off-Price-Stores.
Discounter Ein Discounter vertreibt ein begrenztes Sortiment von Konsumgütern, die einen
hohen Umschlag haben, zu einem günstigen Preis. Um den Käufern diesen Preisvorteil zu
gewähren, sind die Verkaufsräume häufig einfach gestaltet, und ein möglichst großes Ein-
kaufsvolumen pro Artikel bei hoher Kundenfrequenz wird angestrebt. Aus diesem Grund
arbeiten Discounter meist nach dem Filialprinzip. Einige Discounter haben ihre Ladenge-
schäfte in den letzten Jahren aufgewertet und ihre Dienstleistungen ergänzt, während sie
gleichzeitig durch effiziente Arbeitsweise die Preise niedrig halten. Beispiele sind ALDI,
Lidl, Penny oder Norma.
Off-Price-Stores oder Niedrigpreis-Geschäfte Das Sortiment von Off-Price-Stores umfasst
meist Markenartikel des Non-Food-Bereichs und setzt sich aus nicht regulärer Ware wie Aus-
laufmodellen, Reklamationsware, Insolvenzbeständen oder Waren zweiter Wahl zusammen.
Das Preisniveau liegt unter dem im Handel üblichen. Da es sich nicht um reguläre Ware han-
delt, unterliegt das Produktsortiment einem ständigen und schnellen Wandel. Factory-Out-
lets sind eine Form von Off-Price-Stores.
Factory-Outlet In Factory-Outlets, auch Werksverkauf oder Fabrikladen, verkauft ein Herstel-
ler seine Waren zu einem Preis, der unter dem im Handel liegt, direkt an den Endverbrau-
cher. Es handelt sich dabei häufig um Überbestände, Auslaufmodelle, Retouren oder Pro-
dukte mit kleinen Fehlern. Factory-Outlets befinden sich häufig an fabriknahen oder
frequenzstarken Standorten. Oft entstehen auch ganze Factory-Outlet-Zentren mit einer gro-
ßen Anzahl an Outlet-Geschäften, die viele ihrer Artikel zu Preisen anbieten, die 30 bis 50
Prozent unter dem normalen Wiederverkaufspreis liegen. Factory-Outlet-Stores haben sich in
den letzten Jahren stark entwickelt. In Deutschland sind z.B. Wertheim-Village oder das Out-
let-Zentrum in Metzingen sehr bekannt.
Diese Outlets werden zunehmend exklusiver und versuchen den Begriff „Factory“ aus ihrer
Beschreibung zu verbannen. Die steigende Zahl der Outlets weist inzwischen Luxusmarken
wie Polo Ralph Lauren, Dolce&Gabbana, Georgio Armani, Burberry und Versace auf. Heute
werden diese Outlets nicht mehr als Absatzweg für schlecht verkäufliche Ware gesehen, son-
dern vielmehr als zusätzlicher Vertriebskanal.
616
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13.2 Der Einzelhandel
Organisationsform
Wenngleich viele Einzelhandelsgeschäfte unabhängig sind und sich in Privatbesitz befinden,
schließen sich immer mehr Geschäfte zusammen. Die wichtigsten Formen solcher Einzelhan-
delsorganisationen sind Handelsketten, freiwillige Ketten, Einzelhandelsgenossenschaften,
Franchise-Unternehmen und Einzelhandelsgruppen.
Handelsketten (Filialbetriebe) besitzen zwei oder mehr Geschäfte, die in gemeinschaftlichem
Besitz sind und gemeinschaftlich geführt werden. Ihre Größe ermöglicht es ihnen, große
Mengen zu niedrigen Preisen zu kaufen und auch bei der Werbung Einsparungen zu erzielen.
Sie sind in der Lage, Spezialisten zu engagieren, die sich mit der Preisgestaltung, Werbung,
Verkaufsförderung, Lagerhaltung und der Absatzplanung befassen.
Freiwillige Ketten Einige der Filialbetriebe gehören zu freiwilligen Ketten. Dabei handelt es
sich um einen von Großhändlern initiierten freiwilligen Zusammenschluss unabhängiger
Händler, die gemeinschaftlich einkaufen und Werbung treiben.
Einkaufsgenossenschaften Eine weitere Form vertraglich vereinbarter Kooperation sind Ein-
kaufsgenossenschaften. Dies ist eine Gruppe unabhängiger Einzelhändler, die sich zusam-
menschließt und ein gemeinsames Großhandelsunternehmen gründet, sowie gemeinsam
Werbung und Verkaufsförderungsmaßnahmen durchführt. Diese Organisationen geben unab-
hängigen Händlern die Möglichkeit, die nötigen Einsparungen bei Einkauf und Werbung zu
realisieren, um mit den Preisen der Handelsketten konkurrieren zu können.
Franchising Eine andere Form der Einzelhandelsorganisation ist das Franchising. Der
wesentliche Unterschied zwischen Franchise-Unternehmen und anderen vertraglich verein-
barten Kooperationen ist, dass das Franchise-System gewöhnlich auf einem einzigartigen
Produkt oder einer einzigartigen Dienstleistung, einer Geschäftsidee, einem Markennamen
oder einem Patent beruht, das der Franchise-Geber entwickelt hat. Das Franchising, das bei
Fastfood und Modegeschäften sowie Videotheken, Fitnesszentren und Friseurgeschäften,
Autovermietungen, Hotels und einer Vielzahl weiterer Produkte weitverbreitet ist, wurde
bereits ausführlich behandelt.
Einzelhandelsgruppen sind Zusammenschlüsse, die mehrere unterschiedliche Einzelhan-
delsformen zu einer zentral geführten Gruppe unter einem Besitzer vereinigen. Diversifi-
zierte Einzelhandelsgruppen mit einem überlegenen Managementsystem, das allen Unter-
nehmensbereichen zugutekommt, haben zukünftig gute Erfolgsaussichten.
617
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13 Einzelhandel und Großhandel
Auch eine Differenzierung über den Umfang der angebotenen Dienstleistungen ist schwieri-
ger geworden. Während viele Warenhäuser ihre Serviceleistungen reduzierten, haben einige
Discounter diese verbessert. Kunden sind zudem intelligenter in ihrem Kaufverhalten und
sehr preissensibel geworden. Für die gleiche Marke möchten Kunden grundsätzlich bei
einem Händler nicht mehr bezahlen müssen als bei einem anderen. Insbesondere sind sie
dann nicht bereit mehr zu bezahlen, wenn Unterschiede in den Serviceleistungen kaum noch
bemerkbar sind. Aus diesen Gründen überdenken mittlerweile viele Händler ihre Marke-
tingstrategien.
Aus Abbildung 13.3 wird ersichtlich, welche Marketingentscheidungen Einzelhändler zu tref-
fen haben. Diese beziehen sich auf die Segmentierung und Zielgruppenansprache, die Differen-
zierung und Positionierung der Einkaufsstätten und die Gestaltung des Marketing-Mix.
Einzelhändler Einzelhändler
Strategie Marketing-Mix
Segmentierung und Produktsortiment und
Zielgruppenansprache Dienstleistungen
Distributionspolitik
(Standort)
618
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13.2 Der Einzelhandel
die weltweit aktive Bekleidungskette Gap Inc. an? Wie lautet ihr Leistungsversprechen und
wie ist die Positionierung? Wenn Sie Probleme bei der Beantwortung dieser Fragen haben,
sind Sie nicht allein, denn das gilt scheinbar auch für das Management des Bekleidungsein-
zelhändlers.
Gap wurde 1969 von Doris und Don Fisher in San Francisco gegründet. Sie wollten es für
ihre Kunden einfacher machen, eine passende Jeans zu finden. In ihrer Blütezeit, in den spä-
ten 80er- und frühen 90er-Jahren, hat sich Gap mit dem damals modischen „Preppy-Look“
positioniert, der sich am vorherrschenden Modestil an US-amerikanischen Privatschulen der
50er-Jahre orientierte. Aber als die Kernzielgruppe älter wurde und sich weiterentwickelte,
folgte Gap seiner Zielgruppe nicht. In den vergangenen Jahren kämpfte die Kette erfolglos um
eine neue Positionierung, mit der sie auch die heute viel jüngeren Käufer erreicht. So attes-
tiert ein Branchenexperte dem Wettbewerber Abercrombie & Fitch den authentischeren
Preppy-Look und gibt weiter zu bedenken, dass die japanische Modekette Uniqlo bereits
Kaschmir-Pullover und Schals zu Niedrigstpreisen anbietet. Auch Primark, Topshop und
Zara verkaufen aktuelle Mode zu sehr günstigen Preisen. Was bleibt da für Gap übrig? Ein
anderer Experte stimmt zu und meint, dass Gap momentan für alles und nichts steht. Das
Unternehmen muss sich darüber klar werden, wer seine eigentliche Kernzielgruppe ist, und
genau diese durch außergewöhnliche Leistungen, unverwechselbare und begehrenswerte
Kleidung überzeugen.
Im Gegensatz dazu definieren andere erfolgreiche Einzelhändler ihre Zielgruppe klar und
positionieren sich eindeutig. Das Unternehmen Tesco positioniert sich beispielsweise durch
niedrige Preise und zeigt auf, was die dauerhaft niedrigen Preise für seine Kunden bedeuten.
Dies verdeutlicht Tesco seinen Kunden konsequent mit dem Slogan „Every little helps“.
Doch wenn ein Großunternehmen wie Tesco das Niedrigpreissegment dominiert, wie können
dann andere Einzelhändler auch nur hoffen, mit Tesco konkurrieren zu können? Auch hier lau-
tet die Antwort, dass Händler ihre Zielgruppe und Positionierung klar herausarbeiten müssen.
Zum Beispiel hat Waitrose in Großbritannien weniger als 300 Filialen und nur ca. fünf Prozent
Marktanteil. Dem gegenüber steht Tesco mit einem weltweiten Filialnetz verschiedener Han-
delstypen und 30 Prozent Marktanteil im britischen Markt. Wie kann so eine kleine Lebensmit-
telkette mit Tesco konkurrieren? Waitrose gelingt dies, indem sich das Unternehmen anders
positioniert und dadurch von Tesco differenziert. Die Kette richtet sich an eine ausgewählte
Gruppe von gehobenen Kunden und bietet ihnen qualitativ hochwertige (Bio-)Produkte aus
kontrollierter Herkunft an. Waitrose wächst nicht nur viel schneller als Tesco, einige der
Waitrose-Kunden boykottieren sogar die lokalen Tesco-Filialen aus Überzeugung.
Natürlich kann Waitrose bei den massiven Skaleneffekten, dem unglaublichen Einkaufsvolu-
men, der ultra-effizienten Logistik, der großen Auswahl und den schwer zu unterbietenden
Preisen von Tesco nicht mithalten. Aber das muss Waitrose auch nicht. Durch die andere
Positionierung differenziert sich Waitrose von Tesco und anderen Discountern, konnte auch
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stark wachsen und ist heute der sechstgrößte Lebensmit-
teleinzelhändler in Großbritannien.
619
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13 Einzelhandel und Großhandel
dukte zu führen, die kein anderer Wettbewerber hat (beispielsweise Eigen- oder Hersteller-
marken), diese also exklusiv anzubieten. So kann sich ein Händler z.B. exklusive Rechte am
Vertrieb der Marken eines bekannten Designers beschaffen und gleichzeitig auch eigene Pri-
vate-Label-Linien führen.
Eine weitere Strategie ist es, durch Veranstaltungen bestimmte Produkte gezielt zu bewerben.
In den USA ist das Kaufhaus Bloomingdale’s für seine spektakulären Shows und Inszenie-
rungen von Waren aus bestimmten Ländern (z.B. Indien oder China) bekannt. Auch können
Händler günstige Aktionsware anbieten, wie es ALDI oder Lidl bereits tun.
Natürlich kann sich ein Händler aber auch durch ein sehr spezielles Produktsortiment diffe-
renzieren: So bietet „Peter Hahn – Starke Mode“ extra große Konfektionsgrößen an, The Gad-
get Shop hat eine ungewöhnliche Auswahl an technischen Geräten und Geschenken.
Auch der Service-Mix kann Einzelhändlern dabei helfen, sich von anderen zu differenzieren.
Einige Händler ermuntern deshalb ihre Kunden, Fragen zu stellen oder sich persönlich, per
Telefon oder online an Kundendienstmitarbeiter zu wenden. Prof. Götz W. Werner, Gründer
und Aufsichtsrat von dm-drogerie markt, verspricht, sich die Probleme des Konsumenten zu
eigen zu machen: „Wir wollen uns beim Konsumenten – dem Wettbewerb gegenüber – mit
allen geeigneten Marketinginstrumenten profilieren, um eine bewusst einkaufende Stamm-
kundschaft zu gewinnen, deren Bedürfnisse wir mit unserem Waren-, Produkt- und Dienst-
leistungsangebot veredeln.“
Die Einkaufsstätten-Atmosphäre ist ein weiteres wichtiges Element für die Darbietung des
Produktangebots. Einzelhändler sind interessiert daran, ein einzigartiges Einkaufserlebnis zu
schaffen, das die Zielgruppe anspricht und sie zu Kaufhandlungen animiert. Einige Händler
setzen dabei auf „Erlebnishandel“, indem sie für sinnliche Erlebnisse bei der Ladengestal-
tung sorgen. So können Kunden von Globetrotter Produkte aus dem Outdoor-Bereich
zunächst „indoor“ ausprobieren, bevor sie sie kaufen. Dafür gibt es in ausgewählten Filialen
beispielsweise eine Kältekammer, eine Schneekammer, ein Wassersportbecken zum Testen
von Kanus, ein Kanu-Paternoster, eine große Kletterwand, einen Klettertunnel und Ähnli-
ches. Abgerundet wird die Erlebnis-Atmosphäre durch eine Ameisenkolonie, ein Quallenbe-
cken, eine Souvenirwand oder ein Café.
Erfolgreiche Einzelhändler inszenieren sämtliche Faktoren, die Einfluss auf das Kundener-
lebnis innerhalb der Verkaufsstätten haben, sehr sorgfältig. Dies lässt sich durchaus im
Selbstversuch überprüfen. Wenn Sie das nächste Mal ein Ladengeschäft (unabhängig davon,
ob es sich um Unterhaltungselektronik, Haushaltswaren oder Mode handelt) betreten, halten
Sie einen Moment inne und achten Sie einmal sorgfältig auf Ihre Umgebung. Denken Sie
über die Gestaltung des Ladens und die Art der Warenpräsentation nach. Achten Sie auch
auf Hintergrundgeräusche und Gerüche.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sämtliche Einflussfaktoren auf das Einkaufserlebnis sorg-
fältig aufeinander abgestimmt sind, um es einzigartig zu machen und Sie zu Kaufhandlungen
zu animieren. Inszeniert werden oftmals neben der Gestaltung der Ladenfläche und der Ein-
zelelemente auch die Beleuchtung und die musikalische Untermalung.
Die vielleicht markanteste Differenzierung gegenüber anderen Händlern erfolgt über den
Geruch der Einkaufsstätte. Viele große Handelsketten entwickeln heutzutage „einzigartige
Düfte“, die Kunden nur in den jeweiligen Geschäften wahrnehmen können:
So verwendet die US-amerikanische Kaufhauskette Bloomingdale verschiedene Essenzen in
den unterschiedlichen Abteilungen: den weichen Duft von Babypuder in der Baby-Abtei-
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13.2 Der Einzelhandel
lung, Kokosnuss-Duft im Bereich der Bademoden, frischen Duft von Flieder in der Dessous-
Abteilung und während der Ferienzeiten – je nach Saison – auch den Duft von Weihnachts-
plätzchen oder einen kräftigen Frühlingsduft. In einem Sony Style Store umweht die Kunden
der zarte Duft von Vanille und Mandarine – der exklusiv für Sony entwickelt wurde – und
sorgt für eine entspannte Wohlfühlatmosphäre. Duftstoffe können tatsächlich die Verweilzei-
ten von Kunden und somit auch den Umsatz erhöhen.
Der „Erlebnishandel“ zeigt, dass Einzelhandelsgeschäften eine weitaus vielfältigere Aufgabe
als das bloße Bereitstellen des Produktsortiments zukommt. Es sind Umgebungen, mit denen
Kunden Einkaufserlebnisse verbinden. Durch die Einkaufsstätten-Atmosphäre können sich
Einzelhändler mit ihren Geschäften somit deutlich von denen der Konkurrenz abheben.
Einkaufsstätten werden darüber hinaus auch zur Pflege sozialer Kontakte genutzt, da es Orte
sind, an denen sich Menschen verabreden und treffen. Solche Orte sind beispielsweise Kaf-
fee-Geschäfte und Cafés, Einkaufszentren, Buchläden, Supermärkte oder auch innerstädti-
sche Bio-Märkte.
So haben sich heutzutage auch viele Buchhandlungen zu einer Mischung aus Bibliothek,
Wohnzimmer und Kaffeehaus weiterentwickelt. Beim führenden britischen Filial-Buchhänd-
ler Waterstones sieht man am frühen Abend in der Café-Bar viele Schüler mit Schultaschen,
die zusammen mit ihren Freunden ihre Hausaufgaben erledigen. In unmittelbarer Nähe sit-
zen Rentner in bequemen Sesseln und blättern in Reise- oder Gartenbüchern, während Eltern
ihren Kleinkindern etwas vorlesen. Waterstones versucht mehr als nur Bücher zu verkaufen
– man bietet Komfort, Entspannung und Gemeinschaft.
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13 Einzelhandel und Großhandel
Wiederum andere Einzelhändler kombinieren hohe und niedrige Preise. Für häufig nachge-
fragte Produkte des täglichen Bedarfs setzen sie höhere Preise an und sorgen zusätzlich mit
Preisaktionen für einen größeren Zulauf in den Filialen. Dadurch suggerieren sie ein Niedrig-
preis-Image bei der Zielgruppe und sprechen durch Rabatte preissensible Kunden in der
Hoffnung an, dass diese beim Einkauf auch Produkte zu regulären Preisen kaufen.
Welche Preisstrategie am besten ist, lässt sich pauschal nicht sagen. Sie wird immer auch
durch die übergeordnete Marketingstrategie des Einzelhändlers, die Preispolitik des Wettbe-
werbs und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst.
622
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13.2 Der Einzelhandel
Einzelhändler stark an Umsatz. In den letzten Jahren haben viele Städte gemeinsam mit dem
Handel versucht, innerstädtische Einkaufsviertel wiederzubeleben.
Während in Deutschland nach wie vor neue Einkaufszentren entstehen, sagen Experten über-
einstimmend, dass die Vereinigten Staaten mit mehr als 100.000 Einkaufszentren mittler-
weile „overmalled“, also mehr als gesättigt sind. In den 90er-Jahren wuchsen die Flächen der
Shopping Center etwa doppelt so schnell wie die Bevölkerung. So deuten in jüngster Zeit
mehrere Faktoren darauf hin, dass amerikanischen Einkaufszentren harte Zeiten bevorste-
hen. Der Konsumrückgang führte nach der Rezession bei kleineren, aber auch größeren
Unternehmen zur Geschäftsaufgabe und zu gestiegenen Leerständen in Shopping Malls.
Auch der zunehmende Wettbewerb durch E-Commerce und die wachsenden Umsätze der
verkaufsflächenstarken Handelsriesen sorgten für das Ende vieler traditioneller Shopping
Center.
Gleichzeitig werden in den USA andere Arten von Einkaufszentren gebaut. Der Trend geht in
Richtung der sogenannten Power Center, also riesige, frei zugängliche Shopping Center mit
einer langen Zeile von Einzelhandelsgeschäften. Darunter befinden sich auch große, freiste-
hende Anker-Geschäfte, die auf Kunden besonders anziehend wirken. Jedes Geschäft hat
einen eigenen Eingang mit Parkmöglichkeiten davor, sodass Kunden, die nur ein bestimmtes
Geschäft aufsuchen möchten, direkten Zugang haben. Die Anzahl der Power Center hat in
den letzten Jahren stark zugenommen und stellt dadurch traditionelle Shopping Center vor
große Herausforderungen.
Im Gegensatz dazu sind Lifestyle Center kleinere, offene Malls mit exklusiven Geschäften in
verkehrsgünstiger Lage, die auch Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten bieten, wie zum Bei-
spiel einen Kinderspielplatz, eine Eislaufbahn, Hotel- und Gastronomiebetriebe oder ein
Kino. Sie befinden sich meist in der Nähe von wohlhabenden Gegenden und sind auf die
Bedürfnisse der dort lebenden Konsumenten zugeschnitten. Die ursprünglich klare Trennung
zwischen den Handelskonzepten Power Center und Lifestyle Center verschwimmt allerdings
zunehmend, da auch immer mehr hybride Formen von Lifestyle Power Centern entstehen.
Die Idee dahinter ist, die Gemütlichkeit und die Gemeinschaft von einem Dorfplatz der frü-
heren Zeit mit den Qualitätsmerkmalen moderner, städtischer Geschäfte zu kombinieren. Der
Gesamteindruck eines Stadtteilparks soll dadurch mit den großen Annehmlichkeiten eines
Strip Centers verbunden werden. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die heutigen
Center eher als Begegnungsstätten statt ausschließlich als Einkaufsstätten dienen.
Man muss berücksichtigen, dass die „Mall“ eine amerikanische Ikone ist. In den USA ist das
„hanging out in the mall“ eine weitverbreitete Freizeitbeschäftigung. In Europa dagegen ist
die Anziehungskraft großer Einkaufszentren in der Regel etwas geringer, auch wenn es von
Land zu Land natürlich Unterschiede gibt.
Nachdem auf die unterschiedlichen Arten amerikanischer Shopping Center eingegangen
wurde, soll noch ein Blick nach Europa erfolgen. Hier ist ein einheitliches Bild etwas kom-
plizierter, da sich die einzelnen Länder schon durch die geografische Größe, die Geschichte
der Urbanisierung und die einzelnen etablierten Stadtzentren sehr stark unterscheiden.
Außerdem bestehen kulturelle Unterschiede, die sich auch im Konsumverhalten und in der
Einstellung gegenüber dem Einkauf widerspiegeln.
So lässt sich nicht zwangsläufig eine direkte Nachbildung der amerikanischen Center in
jedem europäischen Land finden. Auch ist es nicht möglich, die Entwicklung von Center-
Typen europaweit zu verallgemeinern. Marketingverantwortliche müssen sehr genau auf die
Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Ländern achten und die jeweiligen Ent-
623
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13 Einzelhandel und Großhandel
Geringere Konsumausgaben
Nach vielen wirtschaftlich erfolgreichen Jahren für den Handel haben Abschwung und
Rezession den Umsatzboom vieler Einzelhändler ins Gegenteil verkehrt. Selbst nach der
wirtschaftlichen Erholung werden die Folgen des veränderten Konsumverhaltens für die Ein-
zelhändler noch lange spürbar bleiben. Dies gilt mehr oder weniger für den Großteil der ent-
wickelten Märkte in Europa.
Dennoch haben einige Einzelhändler auch vom wirtschaftlichen Abschwung profitiert. Wäh-
rend Verbraucher ihre Ausgaben einschränkten und nach Möglichkeiten für günstigere Ein-
käufe suchten, schafften die großen Discounter ein immer größeres Angebot für Schnäpp-
chenjäger. Denken Sie an Handelsketten wie ALDI oder Poundland in Großbritannien.
Ähnlich haben auch preiswerte Fast-Food-Ketten wie McDonald’s ihren Konkurrenten bei
den Schnellrestaurants das Geschäft streitig gemacht. Den meisten Händlern bereitet einge-
schränktes Konsumverhalten allerdings Probleme. In den letzten Jahren mussten einige große
und bekannte Ketten Insolvenz anmelden und ihre Filialen für immer schließen. Im Vereinig-
ten Königreich betraf dies z.B. namhafte Händler wie Woolworths, Past Times, La Senza,
Focus DIY, Oddbins und Borders, um nur einige zu nennen. Andere bleiben gefährdet. Einige
Händler haben Mitarbeiter entlassen, Kosten gesenkt und massive Rabatte sowie Angebote
eingeführt, um Kunden mit kleinem Budget zurückzugewinnen. Neben den Kostensenkun-
gen und Preisaktionen setzen viele Händler bei ihrer Positionierung auch auf neue Werte.
Wollen sie auf wirtschaftliche Schwierigkeiten reagieren, müssen Einzelhändler achtgeben,
dass ihre kurzfristigen Maßnahmen nicht das langfristige Image und die Positionen beschädi-
gen. Drastische Preissenkungen sind „ein Zeichen von Panik“, so ein Einzelhandelsstratege.
„Jeder kann seine Produkte durch Rabattaktionen verkaufen, doch damit erreicht man keine
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13.2 Der Einzelhandel
4 Kenneth Hein, „Target tries first price point driven TV ads“, Brandweek, 14. Januar 2009,
www.brandweek.com, S. 1.
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13 Einzelhandel und Großhandel
Mit der Verbindung des Vertriebs von Röstkaffee, dem Gastronomiebereich und einem
wöchentlich wechselnden Angebot an Non-Food-Gebrauchsartikeln hat Tchibo ein ein-
zigartiges Modell des Systemgeschäfts entwickelt. Die Produktion dieser Non-Food
Gebrauchsartikel erfolgt exklusiv für Tchibo und basiert auf aktuellen Markttrends und
der Analyse des Kaufverhaltens der Kunden.
Die besondere Attraktivität und hohe Kundenfrequenz ist nicht zuletzt in den wöchent-
lich wechselnden Non-Food-Sortimenten begründet. Dabei steht das Unternehmen vor
einer immensen logistischen Herausforderung. Dafür perfektioniert Tchibo seine Logis-
tik kontinuierlich: Die wichtigsten Logistik-Indikatoren wie Logistik-Stückkosten, Lie-
fertermintreue und Warenretourquote entwickeln sich seit Jahren positiv. Um dies
bewerkstelligen zu können, betreibt Tchibo ein weitreichendes Netzwerk von Distributi-
onszentren und sourct einen großen Teil der Logistikprozesse aus, um flexibel zu sein
und um auf schwankende Mengen und auf Marktveränderungen sofort reagieren zu
können.
626
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13.2 Der Einzelhandel
Als das Unternehmen 2005 den Deutschen Marketing-Preis erhielt, wurde dies von der
Jury damit begründet, dass „der nahhaltige Erfolg von Tchibo auf der einzigartigen Ver-
zahnung von ausgefeilten Marketing-Konzepten und einer integrierten Systemlogistik
basiert und damit ein herausragendes Beispiel für die ganzheitliche Verknüpfung von
Handel, Dienstleistung und Industrie im Konsumgüterbereich“ sei.
Der rasche Wechsel der Sortimente im Wochenrhythmus und die daraus resultierenden
extrem kurzen Produktzyklen sind somit wesentlich durch den Erfolgsfaktor Logistik
geprägt.
Quellen:
https://www.tchibo.com/servlet/content/309602/-/starteseite-deutsch/tchibo-unternehmen/ueber-
tchibo/vertriebssystem.html [19.02.2018]
http://www.zeit.de/news/2017-08/24/handel-tchibo-steigert-gewinn-bei-leicht-sinkendem-umsatz-
24165003 [19.02.2018]
5 Siehe Ann Zimmerman, „Can retailers halt ‚showrooming‘?“, Wall Street Journal, 11. April 2012, S.
B1; „Data points: spending it“, Adweek, 16. April 2012, S. 24–25 und „Consumers visit retailers, then
go online for cheaper sources“, Adweek, 14. März 2013, www.adweek.com/print/147777 und „60%
of US retail sales will involve the web by 2017“, Internet Retailer, 30. Oktober 2013, www.internetre-
tailer.com/2013/10/30/60-us-retail-sales-will-involve-web-2017.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13 Einzelhandel und Großhandel
völlig neue Art von Käufern und Kaufverhalten hervorgebracht. Ob es um Elektronik, Kon-
sumprodukte, Autos, Haushaltsreiniger oder Arzneimittel geht – viele Menschen können
ihren Einkauf nicht mehr tätigen, ohne sich vorab online über das Produkt zu informieren
und Fakten zu beschaffen. Und sie haben sich sehr daran gewöhnt, jederzeit und überall ein-
kaufen zu können – sei es in der Filiale, online, unterwegs oder über ein Gerät noch im
Geschäft. Sämtliche Einzelhändler setzen heute direkte und Online-Vertriebskanäle ein. Das
Internet und die mobilen Angebote des stationären Handels wie Tesco, John Lewis, Staples
und Dixons Carphone wachsen rasant. Viele namhafte reine Onlinehändler, darunter Ama-
zon oder Netflix, Online-Reiseanbieter wie Travelocity.com und Expedia.com und andere
machen im Internet das große Geschäft. Das andere Extrem sind zahlreiche kleine Nischen-
händler, die das Internet nutzen, um neue Märkte zu erreichen und ihre Umsätze zu erhöhen.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13.2 Der Einzelhandel
pen ist für viele Produzenten der einzige offene Weg zu den Konsumenten, um die Produkte
absetzen zu können. Dadurch gewinnt der Handel bei Geschäftsabschlüssen mit den Herstel-
lern immer häufiger die Oberhand.
6 Deloitte: http://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/global/Documents/Consumer-Business/dttl-
CB-GPR14STORES.pdf, Zugriff Juli 2015.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13 Einzelhandel und Großhandel
Schließlich bezahlen Sie per biometrischer Autorisierung – es sind keine Karten oder
sonstige Zahlungsmittel erforderlich. Deloitte behauptet, dass die Technologie schon
heute existiert, um dieses Szenario Realität werden zu lassen – es sei nur eine Frage der
Installation und Integration der technischen Ausstattung in die nächste Generation des
Einzelhandels.
7 Siehe dazu Peter Berlinski, „Green keeps growing“, Private Label Magazine, www.privatelabel-
mag.com/feature.cfm, Zugriff 31. März 2010, S. 1; www.jcpenney.com/jcp/default.aspx, Zugriff April
2010; www.greenbaby.co.uk, Zugriff 22. Februar 2012.
8 Siehe www.staples.com/sbd/cre/marketing/easy-on-the-planet/recycling-and-eco-services.html, Zu-
griff September 2014.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13.2 Der Einzelhandel
aufwands z.B. bei Amazon zu einer höheren Kundenzufriedenheit geführt und den „Ärger
mit dem Verpackungsmüll“ beseitigt, während gleichzeitig Kosten eingespart wurden. Und
ein umweltbewusstes McDonald’s-Restaurant ist nicht nur anziehend für Kunden und scho-
nend für den Planeten, sondern auch kostengünstiger im Betrieb. „Grüner Einzelhandel ist in
der letzten Zeit zu einem weiteren legitimen Unterscheidungsmerkmal in der Markenbewer-
tung [von Einzelhändlern] geworden und er führt zu einer signifikanten, rasch einsetzenden
Rentabilität“, schlussfolgert ein Einzelhandelsanalyst.9
Welche Bedeutung nachhaltigen Produkten inzwischen in Deutschland zukommt, zeigt der
nachfolgende Exkurs.
Ende 2017 hat das deutsche Umweltbundesamt die Neuauflage der Studie „Grüne Pro-
dukte in Deutschland: Marktbeobachtungen für die Umweltpolitik“ herausgegeben.
Nachhaltiger Konsum ist in der internationalen ebenso wie in der nationalen Politik zu
einem zentralen Handlungsfeld einer nachhaltigen Entwicklung geworden. Die von der
UN verabschiedete Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die Neuauflage der Deut-
schen Nachhaltigkeitsstrategie und nicht zuletzt das von der Bundesregierung verab-
schiedete Nationale Programm für nachhaltigen Konsum machen dies deutlich. Mit der
Agenda 2030 hat die Staatengemeinschaft das Bekenntnis abgelegt, gemeinsam für gute
Lebensgrundlagen heutiger und künftiger Generationen zu sorgen.
9 Peter Berlinski, „Green keeps growing“, op cit.; siehe auch Kee-hung Lai, T.C.E. Cheng und Ailie K.Y.
Tang, „Green retailing: factors for success“, California Management Review, Winter 2010, S. 6+.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13 Einzelhandel und Großhandel
Marktentwicklung (durchschnitt-
Marktanteil 2015
liche Wachstumsrate der Marktan-
(Niveau)
teile der vergangenen drei Jahre)
MSC-Produkte 64 % +7,2 %
632
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13.2 Der Einzelhandel
633
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13 Einzelhandel und Großhandel
Die wahrscheinlich größte Herausforderung für den internationalen Einzelhandel liegt darin,
in aufstrebenden Märkten wie Indien und China, wo sich Marktstrukturen sowie kulturelle
und gesetzliche Rahmenbedingungen deutlich von denen westlicher Märkte unterscheiden,
erfolgreich zu agieren. Trotz dieser Schwierigkeiten werden auch zukünftig immer mehr
Unternehmen nach neuen Märkten suchen. Vor allem die Top-Einzelhändler werden weiter-
hin in Schwellenländern investieren, um höhere Marktanteile zu gewinnen.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13.3 Der Großhandel
635
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13 Einzelhandel und Großhandel
bel und Einrichtungsgegenstände. Sie wollen damit dem Bedarf der Einzelhändler gerecht
werden, die ebenfalls ein derart breites Sortiment führen, und gleichzeitig auch die Fach-
händler in diesen Bereichen bedienen können.
Fach- und Spezialgroßhändler Fachgroßhändler beschränken sich auf ein enger einge-
grenztes Gebiet, haben dort aber eine größere Sortimentstiefe. Beispiele wären der Fach-
großhandel für Unterhaltungselektronik, für Sanitärbedarf oder für Mode und Bekleidung.
Daneben gibt es noch echte Spezialitäten- und Nischengroßhändler, die nur einen Aus-
schnitt eines bestimmten Angebots führen, dafür aber mit großer Sortimentstiefe. Bei-
spiele hierfür sind: Fachgroßhändler für Reformwaren, für Frischfisch und Meeresfrüchte
oder für Autoteile. Diese Fachgroßhändler bieten ihren Kunden eine große Auswahl in
ihrem Bereich und die beste Fachkenntnis und Fachberatung.
Großhändler für Industriebedarf Großhändler für Industriebedarf verkaufen vor allem an
produzierende Betriebe und weniger an Wiederverkäufer. Sie versorgen die produzierenden
Unternehmen mit maschineller Ausrüstung, Krediten, schneller Lieferung frei Haus (wichtig
bei Betriebsstörungen), technischer Beratung und weiteren ergänzenden Diensten. Ähnlich
wie die Großhändler für den Wiederverkaufsbedarf haben sie entweder ein sehr breites Sorti-
ment (bis hin zum Kantinenbedarf), ein begrenztes Sortiment oder ein sehr enges Sortiment.
Großhändler für Industriebedarf nehmen häufig eine Konzentration auf bestimmte Bereiche
vor, wie zum Beispiel Großhändler für Wartungsbedarf und Betriebsstoffe oder Erstausrüs-
tung für die laufende Produktion, für Kugellager oder Motoren. Andere Großhändler führen
Ausrüstung und Werkzeuge, wie zum Beispiel ein Großhändler für Elektro- und Druckluft-
werkzeuge oder für Gabelstapler.
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13.3 Der Großhandel
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13 Einzelhandel und Großhandel
Die Handelsmakler und -vertreter sehen ihre Hauptaufgabe darin, Geschäfte anzubahnen. Für
diese Dienste berechnen sie eine Gebühr, häufig Provision genannt, die vom Verkaufspreis
abhängt. Ähnlich wie die Großhandelsunternehmen spezialisieren sie sich oft auf bestimmte
Produkt- oder Kundengruppen. Als Spezialisten in ihrem Bereich können sie wertvolle
Dienste leisten und guten Rat erteilen.
Handelsmakler Ein Makler bringt Käufer und Verkäufer zusammen und begleitet die Ver-
handlungen. Makler werden von Zeit zu Zeit beschäftigt.
Im Gegensatz zu Maklern vertreten Handelsvertreter die Interessen des Käufers oder Verkäu-
fers nicht nur bei einem bestimmten Auftrag, sondern dauerhaft.
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13.3 Der Großhandel
Großhändler Großhändler
Strategie Marketing-Mix
Segmentierung und Produktsortiment und
Zielgruppenansprache Dienstleistungen
Distributionspolitik
(Standort)
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13 Einzelhandel und Großhandel
640
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13.3 Der Großhandel
Großhändler werden ihre Dienstleistungen, die sie für den Einzelhandel erbringen, wie z.B.
Onlinetransaktionen, Kooperationen bei der Werbung und die Bereitstellung von Marketing-
und Managementinformationen, in der Zukunft weiter verbessern. Steigende Kosten und die
Nachfrage nach besserem Service führen dazu, dass die Gewinnspannen der Großhändler
stark unter Druck geraten. Großhandelsunternehmen, die diese doppelte Herausforderung
nicht bestehen, werden sehr schnell auf der Strecke bleiben.
Gleichzeitig wird der verstärkte Einsatz von computergestützten, automatisierten und webba-
sierten Systemen fortschrittliche Großhändler unterstützen, die Kosten für die Bestellung,
den Versand und die Lagerhaltung einzudämmen und somit ihre Produktivität in einigen
Märkten stärken.
Da auf den Inlandsmärkten nur noch begrenzte Wachstumsraten zu erzielen sind, werden die
leistungsfähigsten Großhandelsunternehmen verstärkt auf die internationalen Märkte expan-
dieren. Dies schafft weltweit neue Herausforderungen für die gesamte Branche.
Das nachfolgende Highlight untersucht, wie der Großhandel auf die Herausforderung einer
zunehmenden Digitalisierung reagiert.
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13 Einzelhandel und Großhandel
Von besonderer Relevanz für die Zukunft des Großhandels ist der steigende Grad der Digi-
talisierung der Wirtschaft. Dieser Digitalisierungsprozess hat das Potenzial auch das
Geschäftsmodell des Großhandels fundamental zu verändern. Einer Studie von Roland
Berger und dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA)
zufolge, die auf der Befragung von 890 deutschen Großhändlern fußt, halten 54 Prozent der
Großhandelsunternehmen digitale Plattformen für die größte Gefahr für ihr Geschäftsmo-
dell. Dabei sehen 62 Prozent das Geschäftsmodell durch die Produktpreisgestaltung
bedroht, 43 Prozent fürchten erschwerten Zugang zu digital affinen Kunden und 37 Pro-
zent fürchten die Logistikkompetenz digitaler Plattformen. Damit werden durch die neuen
Möglichkeiten der Digitalisierung genau die bisherigen Kernkompetenzen der Großhandel-
sunternehmen direkt angegriffen. Der Druck kommt dabei gleich von zwei Seiten: Zum
einen buhlen nun auch neue digitale Konkurrenten um die Gunst der Kunden, zum ande-
ren vertreiben die Herstellerunternehmen selbst zunehmend die eigenen Produkte über
digitale Kanäle und nutzen die dabei generierten Kundendaten direkt für sich.
Selbstverständlich haben viele Großhandelsunternehmen längst mit der Digitalisierung
ihrer Geschäftsprozesse begonnen. Laut der Studie von Roland Berger setzen 67 Prozent
der befragten Unternehmen neue Technologien und Vertriebskanäle zur Kundenbin-
dung ein. Dennoch bezweifeln selbst viele der digital besonders Aktiven, dass ihre
Bemühungen ausreichen, um im digitalen Wettbewerb zu bestehen. Immerhin ist auch
in den kommenden Jahren mit einem verstärkten B2B-Ein- und -Verkauf über Online-
shops und Marktplätze zu rechnen. Klassische Vertriebswege werden an Relevanz ver-
lieren – auch im Großhandel. Um aber im B2B-E-Commerce erfolgreich zu sein, muss
das gesamte Geschäftsmodell im Kontext der „Digitalisierung“ durchdacht werden.
B2B-E-Commerce verlangt Engagement, Management Commitment, Investitionsbereit-
schaft, Ausdauer und Fachwissen.
Will der Großhandel auch in Zukunft für die Herstellerunternehmen und den nachgela-
gerten Kunden Einzelhandel interessant und nutzenbringend sein, wird er sich erneut
wandeln müssen. Nach wie vor gilt: Nur die Nutzenstiftung für den vor- und nachgela-
gerten Partner der Supply Chain sichert dem Großhandelssektor die Existenz. Mit der
Digitalisierung kommt nun die nächste Herausforderung auf den Großhandel zu. Des-
halb ist es für alle Großhandelsunternehmen an der Zeit, sich über ihre Rolle in Zeiten
fortschreitender Digitalisierung bewusst zu werden und dementsprechend das eigene
Geschäftsmodell darauf auszurichten.
Quellen:
Webseite des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. unter: https://
www.bga.de/start/ [31.03.2018].
Studie von Roland Berger: „Digitale Transformation des Großhandels“, unter: https://www.roland-
berger.com/de/press/Digitalisierung-im-deutschen-Großhandel-Drehscheibe-der-Wirtschaft-in-digi-
taler.html [31.03.2018].
Moser, P. (2010): Die nachhaltige Gestaltung strategischer Kooperationen zwischen Hersteller- und
Großhandelsunternehmen. Eine multiple Fallstudienanalyse anhand der österreichischen Haus-
technikbranche. Linz: Trauner.
Speck, A. (2016): Großhandel braucht mehr Mut zur Digitalisierung. Unter: https://www.springer-
professional.de/multichannel-vertrieb/handel/grosshandel-braucht-mehr-mut-zur-digitalisierung-/
11079174 [31.03.2018].
Wittmann, G. (2016): Digitalisierung im Großhandel – Vertriebsstrategien der Zukunft. Unter:
https://handel-mittelstand.digital/wp-content/uploads/2016-11-14-Agentur-Handel-IHK-Freiburg-
Handout.pdf [31.03.2018].
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Zusammenfassung
Z US A M M EN FA SSU N G
Die Konzeption eines Vertriebskanals beginnt damit, dass die Anforderungen der Kun-
den ermittelt und die Ziele und Einflussfaktoren des eigenen Unternehmens bestimmt
werden. Das Unternehmen identifiziert dann die möglichen Alternativen in Bezug auf
die eingesetzten Distributionstypen, die Anzahl der Intermediäre und die ihnen übertra-
gene Verantwortung.
Bei den Intermediären gibt es viele verschiedene Typen, angefangen bei Großhändlern,
Maklern, Agenten usw. bis hin zu Einzelhändlern.
Der Einzelhandel umfasst alle Tätigkeiten rund um den Verkauf von Waren oder Dienst-
leistungen, die sich für den persönlichen, nicht gewerblichen Verbrauch direkt an den
Endverbraucher richten. Einzelhandelsgeschäfte gibt es in vielfältigen Formen und Grö-
ßen und es entstehen ständig weitere neue Einzelhandelstypen, die noch stärker auf die
Bedürfnisse der Konsumenten eingehen.
Zunächst kann man den Einzelhandel in den stationären Handel und in den Direktver-
kauf ohne stationäre Ladengeschäfte gliedern. Des Weiteren können Einzelhändler nach
dem Umfang der angebotenen Serviceleistungen unterschieden werden (Selbstbedie-
nung, eingeschränkter Service, umfassender Service) oder anhand der Produkte, die sie
verkaufen (Fach- oder Spezialgeschäfte, Warenhäuser, Convenience Stores/Nachbar-
schaftsläden, Supermärkte, Verbrauchermärkte, SB-Warenhäuser), und des Preisniveaus
(z.B. Discounter, Niedrigpreis-Geschäfte/Off-Price-Stores).
Wenngleich viele Einzelhandelsgeschäfte unabhängig sind und sich in Privatbesitz
befinden, schließen sich immer mehr Geschäfte zusammen. Die wichtigsten Formen sol-
cher Einzelhandelsorganisationen sind Handelsketten, freiwillige Ketten, Einzelhan-
delsgenossenschaften, Franchise-Unternehmen und Einzelhandelsgruppen.
Einzelhändler sind immer auf der Suche nach neuen Marketingstrategien, um Kunden
zu gewinnen und an sich zu binden. Sie stehen hinsichtlich der Segmentierung, Ziel-
gruppenansprache, Differenzierung, Positionierung und der Ausgestaltung des Marke-
ting-Mix vor wichtigen Marketingentscheidungen. Einzelhändler müssen zunächst Seg-
mente bilden und ihre Zielgruppe definieren. Anschließend entscheiden sie, wie sie
sich in ihren Märkten differenzieren und positionieren können. Diejenigen, die versu-
chen, „für jeden etwas“ zu bieten, werden letztendlich keinen Markt wirklich gut bedie-
nen können. Dem gegenüber stehen sehr erfolgreiche Händler, die ihre Zielgruppe klar
definiert haben und sich stark positionieren konnten.
Einzelhandelsgeschäfte haben heute eine viel umfassendere Aufgabe als nur die Bereit-
stellung der angebotenen Waren. Über das Produkt- und Dienstleistungsangebot hinaus
inszenieren erfolgreiche Einzelhändler praktisch jeden Aspekt, der Einfluss auf das Ein-
kaufserlebnis der Konsumenten hat, sehr sorgfältig. Auf Basis ihrer Zielgruppenbestim-
mung und der Positionierung gestalten Händler ihren Marketing-Mix, indem sie
Entscheidungen hinsichtlich des Produktsortiments und Serviceangebots, der Preisge-
staltung, der Kommunikation und Distribution treffen.
643
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13 Einzelhandel und Großhandel
Die Preispolitik des Händlers muss auf die angesprochene Zielgruppe, die Positionie-
rung, das Produktsortiment und Dienstleistungsangebot und den Wettbewerb abge-
stimmt werden. Im Rahmen der Kommunikationspolitik können Händler Werbung, den
persönlichen Verkauf, Verkaufsförderungsmaßnahmen, Public Relations (PR) und
Direktmarketing einsetzen, um die Verbraucher zu erreichen. Bei der Standortwahl ist es
sehr wichtig, dass Einzelhändler eine Lage wählen, die für die Zielgruppe gut erreichbar
ist und im Einklang mit der Positionierung des Händlers steht.
Nach Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs erfährt die Einzelhandelsbranche in den
letzten Jahren einen starken Strukturwandel. So entstehen einerseits neue Handelsfor-
men, gleichzeitig bedienen aber unterschiedliche Arten von Einzelhändlern zunehmend
ähnliche Kunden mit vergleichbaren Produkten und Preisen, sodass eine echte Differen-
zierung kaum erkennbar ist.
Weitere Trends im Einzelhandel sind im Anstieg der großflächigen Händler mit umfas-
sendem Sortiment (Mega-Retailer), dem rasanten Wachstum des Onlinehandels, der
zunehmenden Bedeutung von digitalen Technologien, der wachsenden Bedeutung von
Nachhaltigkeit und der globalen Expansion großer Einzelhandelsketten zu sehen.
Unter Großhändlern versteht man Unternehmen, die Güter oder Dienstleistungen an
gewerbliche Abnehmer verkaufen, die diese für den Weiterverkauf oder den eigenen
Gebrauch einkaufen. Großhändler übernehmen viele Funktionen. Dazu gehören: Ver-
kauf, Werbung und Vorführung, Einkauf und Sortimentsaufbau, Aufteilung großer Men-
gen in kleine kundengerechte Größen, Lagerung, Transport, Finanzierung, Risikoüber-
nahme, Versorgung der Hersteller und Kunden mit Informationen und Marktdaten
sowie Managementunterstützung und Beratung für den Einzelhandel.
Bei den Großhändlern sind drei Hauptgruppen zu erkennen: Großhändler, die Produkte
kaufen und verkaufen und dabei selbst Verträge schließen und in diese Verträge eintre-
ten, Makler und Agenten, die Geschäfte nur vermitteln, Provisionen bekommen, aber
selbst zu keinem Zeitpunkt auf eigene Rechnung tätig werden, und schließlich
Geschäftsstellen und Niederlassungen, die den Produzenten selbst vertreten und die
Funktionen des Großhandels übernehmen.
Großhändler müssen genau wie Einzelhändler eine sorgfältige Zielgruppenansprache vor-
nehmen und sich selbst nachhaltig positionieren. Und – wie Einzelhändler – müssen
Großhändler Entscheidungen über das Produkt- und Dienstleistungssortiment, die Preise,
die Kommunikation und den Vertrieb treffen. Progressiv agierende Großhändler achten
auf die sich ändernden Bedürfnisse ihrer Lieferanten und Zielkunden. Sie erkennen, dass
ihre Existenzberechtigung vor allem darin besteht, einen Mehrwert zu schaffen, indem sie
die Effektivität und Effizienz des gesamten Vertriebskanals erhöhen. Ähnlich wie bei
anderen Intermediären ist es ihr Ziel, nutzenschaffende Kundenbeziehungen aufzubauen.
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13.3 Der Großhandel
645
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Integrierte
Marketingkommunikation
ÜBERBLICK
Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674
14.7 Marketingkommunikation und
gesellschaftliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . 686
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 688
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... die wichtigsten Instrumente der Kommunikation aufzählen und die Faktoren
erläutern, die den gesamten Kommunikations-Mix maßgeblich bestimmen.
... den Prozess und die Vorteile einer integrierten Marketingkommunikation zur Kom-
munikation des Kundennutzens erläutern.
... die einzelnen Schritte zur Entwicklung einer effektiven Marketingkommunikation
erklären.
... die Methoden zur Festlegung des Kommunikationsbudgets und Faktoren, die das
Design des Kommunikations-Mix bestimmen, erörtern.
14.1 Einführung
In diesem und den nächsten drei Kapiteln betrachten wir das letzte Instrument im Marke-
ting-Mix – die Marketingkommunikation. Unternehmen müssen mehr tun, als nur einen
Kundennutzen zu schaffen. Sie müssen diesen Nutzen auch klar und überzeugend kommu-
nizieren. Kommunikation besteht nicht aus einem einzelnen Instrument, sondern sie ist eher
eine Mischung verschiedener Instrumente. Idealerweise wird ein Unternehmen im Konzept
der integrierten Marketingkommunikation diese Elemente sorgfältig aufeinander abstimmen,
um Kunden zu binden und eine klare, konsequente und überzeugende Botschaft über die
Organisation und ihre Marken zu transportieren.
Wir starten mit der Einführung verschiedener Instrumente der Marketingkommunikation.
Danach untersuchen wir das sich schnell verändernde Umfeld der Kommunikation – insbeson-
dere die zusätzlichen Funktionen der neuen digitalen und sozialen Medien sowie den Bedarf
an integrierter Marketingkommunikation. Zum Schluss erörtern wir die Schritte zur Entwick-
lung von Marketingkommunikation und den Prozess der Werbebudgetierung. In den nächsten
drei Kapiteln stellen wir die konkreten Instrumente der Marketingkommunikation vor: Wer-
bung und Öffentlichkeitsarbeit (Kapitel 15); Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
(Kapitel 16) sowie direktes, mobiles Online- und Social-Media-Marketing (Kapitel 17).
Starten wir mit der Erfolgsgeschichte von Absolut Vodka, in der vor allem die Gestaltung der
Flasche und ein kreatives Marketing, um die Marke auch außerhalb von Schweden bekannt
zu machen, eine Rolle spielten.
Absolut Vodka ist mit 126 Absatzmärkten rund um den Globus die viertgrößte Spirituo-
senmarke der Welt. Die Marke ist im Besitz des schwedischen Unternehmens V&S, das
neben ABSOLUT VODKA auch Plymouth Gin, Danzka Vodka, Level Vodka, ABSOLUT
CUT und Fris Vodka herstellt und im Jahr 2008 von Pernod Ricard gekauft wurde. Der
Erfolg von Absolut ist überraschend, wenn man bedenkt, dass die Marke aus Schweden
kommt, einem Land mit sehr restriktiven Gesetzen zum Verkauf von Alkohol, wozu
auch ein Werbeverbot für Spirituosen zählt.
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14.1 Einführung
Dennoch hat sich Absolut in den letzten zwei Jahrzehnten von einer kaum bekannten
Marke aus einem Land, das nicht gerade für seinen Spirituosenmarkt renommiert ist,
zur weltweit führenden Premiummarke für Wodka gemausert. Als Lars Olsson Smith,
Schwedens „König des Wodkas“, im Jahre 1879 eine neue Art des „Absolut Rent Bränn-
vin“ (Absolutely Pure Vodka) einführte, konnte er sicher nicht ahnen, dass diese hun-
dert Jahre später zur weltweiten Nummer eins unter den Wodkas aufsteigen würde. Im
19. Jahrhundert führte der Selfmade-Man und Spirituosen-Tycoon eine revolutionäre
Filtrierungs- und Destillationsmethode ein, die noch heute bei der Herstellung von
Absolut Vodka verwendet wird. Das Ergebnis war ein klarer, hochwertiger Wodka, der
frei von gefährlichen und schlecht schmeckenden Fuselölen und unerwünschten
Inhaltsstoffen war. Auf der Homepage (www.absolut.com) kann man jeden Aspekt der
auf dem Etikett angepriesenen Eigenschaften entdecken.
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14 Integrierte Marketingkommunikation
Trotz seiner weit zurückreichenden Traditionen ließ der Erfolg von Absolut Vodka lange
auf sich warten. Im Jahre 1979 entschied das schwedische staatliche Alkoholmonopol Vin
& Spirit, den Wodka in die USA zu exportieren. Aufgrund von Einwänden der amerikani-
schen Behörden wurde der Name von Absolutely Pure Vodka in Absolut Vodka geändert.
Marktforscher hatten den US-amerikanischen Spirituosenmarkt untersucht und dabei
einen klaren Trend der Konsumenten hin zu „weißen Spirituosen“ (wie beispielsweise
Wodka, Gin und weißer Rum) im Gegensatz zu „braunen Spirituosen“ (wie Brandy,
Whisky und dunkler Rum) ausgemacht. Weiße Spirituosen wurden als unverfälschter und
gesünder betrachtet. V&S hatte keinerlei Erfahrung in den Bereichen Marketing und Pro-
duktdesign, sodass es externe Marketing- und Managementexperten engagierte, die ein
Produkt für den neu entdeckten Markt kreieren sollten. Es wurde gleich zu Beginn
erkannt, dass das Flaschendesign eine erfolgsentscheidende Rolle spielen würde. Gunnar
Broman von Absolut entdeckte in einem Stockholmer Antiquitätengeschäft alte Medizin-
flaschen aus dem 18. Jahrhundert. Die Flaschen waren elegant, ungewöhnlich, einfach
und sehr schwedisch. In der Tat wurde Wodka im 18. und 19. Jahrhundert als Medizin in
ganz ähnlichen Flaschen verkauft. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis Gunnar Bromans Idee
akzeptiert und alle Herstellungsprobleme beseitigt wurden. Die neue Absolut-Flasche hob
sich sehr stark von denen der Wettbewerber ab. Sie wurde als Meisterstück des Glasde-
signs angesehen: die zeitlose Form mit feinen Linien und das außergewöhnlich klare Glas
unterscheiden Absolut von anderen Premium-Wodkamarken.
Dennoch hatte es Absolut auf dem US-Markt nicht leicht. Als das Absolut-Team seine Idee
zum ersten Mal der New Yorker Agentur NW Ayer präsentierte, waren einige Agenturmit-
arbeiter sofort begeistert, aber die meisten schüttelten nur den Kopf und dachten sich:
„Wer will schon Wodka aus Schweden trinken?“ Doch nach einigen Treffen einigte man
sich auf den Slogan „Absolut Country of Sweden Vodka“. Die Flasche sollte aus klarem
Glas sein, versehen mit silberner Schrift. Dieser Entwurf wurde getestet, indem man die
Absolut-Flasche zwischen die Flaschen anderer Marken stellte, um zu sehen, wie sie
wirkte. Einer der Agenturmitarbeiter aus dem Absolut-Team, Myron Poloner, verliebte sich
in die Flasche. Er betrachtete die „Medizinflasche“ stundenlang und eines Nachts kam ihm
die zündende Idee: Die Flasche sollte überhaupt kein Etikett haben. Man sollte einfach hin-
durchschauen können. Die Zielgruppe für diesen Premium-Wodka waren gebildete Men-
schen, die über ein hohes Einkommen verfügen und oft auswärts essen gehen. Menschen,
die auch Partys bei sich zu Hause geben und gerne extravagante Getränke servieren.
Beim Versuch, den amerikanischen Distributoren diese neuartige Idee näherzubringen,
stieß man auf dieselbe kühle Reaktion wie bei den anfänglichen Treffen mit der Werbe-
agentur. „Hat irgendjemand schon von einem schwedischen Wodka gehört? Und außerdem
hat die Flasche nicht einmal ein Etikett. Sie wird in den Kaufhausregalen völlig unterge-
hen. Das verkauft sich niemals!“
Carillon Importers Ltd. mit Sitz in Manhattan sah das jedoch anders. Der Geschäftsführer
von Carillon, Al Singer, sah das Produkt und nahm die Herausforderung sofort an. Aller-
dings hatte das Unternehmen nur einen Vertriebsmitarbeiter, Michel Roux, der aber maß-
geblich zum Erfolg von Absolut Vodka beitragen würde. Al Singer wollte nicht mit einer
großen New Yorker Agentur zusammenarbeiten und gab stattdessen Martin Landey Arlow
den Vorzug. Zudem wollten Landey und Singer die Flasche verändern, sie sollte größer
sein und einen dickeren Flaschenhals haben. Eines Tages legte einer von Bromans Mitar-
beitern aus Spaß eine Münze auf die Flaschenschulter. Die Amerikaner liebten es und so
beschloss das Team, ein Siegel zu entwerfen.
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14.1 Einführung
Es wurden Entwürfe mit Schilden, Schwertern, Gewehren, nackten Frauen und Män-
nerprofilen gemacht. Zufällig befand sich Bromans Büro im ehemaligen Haus des Abso-
lut-Gründers Lars Olsson Smith. Und so kam ihm eines Tages der Gedanke, den „König
des Wodkas“ auf dem Siegel abzubilden. Der Präsident von V&S, Lars Lindmark, war es
schließlich, der den Schriftzug für ABSOLUT VODKA festlegte: blau für die 40-%-Vol.-
Flaschen und rot für die 50-%-Vol.-Flaschen. So entstand die Flasche, die wir heute
kennen. Unglücklicherweise musste Martin Landey seine Arbeit bei Carillon aufgrund
eines Interessenkonflikts mit einem anderen Kunden aus der Spirituosenbranche been-
den. Eine andere New Yorker Agentur, TBWA, hörte von Carillon, kontaktierte Singer
und übernahm den Kunden. Geoff Hayes und Graham Turner wurden Absolut zugeteilt.
Eines Abends machte Geoff Hayes Skizzen, während er fernsah. Er war auf der Suche
nach einem unverfälschten, puren und einfachen Symbol und zeichnete einen Heiligen-
schein. Bald schon war sein Boden übersät mit verschiedenen Entwürfen zu Werbean-
zeigen, die er am nächsten Tag Turner zeigte. Sie änderten den Namen für die „Absolut
Purity“-Anzeige in „Absolut Perfection“ um. In der „Absolut Heaven“-Anzeige war die
Flasche mit Flügeln abgebildet. Eine Viertelstunde später hatten sie ein Dutzend Anzei-
gen mit unterschiedlichen Absolut-„irgendetwas“-Motiven beisammen.
Den Mitarbeitern von Absolut, Carillon und TBWA gefiel die Idee auf Anhieb. In allen
Anzeigen sollte die Flasche im Mittelpunkt stehen, es sollte keine Assoziation des Pro-
dukts mit einem bestimmten Lebensstil geben, und das Motiv sollte einen zeitlosen, aber
dennoch zeitgemäßen Charakter haben. Zwei Merkmale treffen dabei auf alle Anzeigen
zu: die Abbildung einer Absolut-Vodka-Flasche und ein Untertitel, bestehend aus zwei
bis drei Worten, der jeweils mit dem Wort „Absolut“ beginnt. Die innovative Art der Ver-
marktung von Absolut stand in starkem Kontrast zu den Werbekampagnen der etablierten
Marken. David Wachsman zufolge wurde bei der Spirituosenwerbung in den USA
gewöhnlich eines von drei Motiven verwendet: ein Raum voller fröhlicher Menschen, ein
Prominenter, der ein Glas in der Hand hält, oder eine altmodische Szene aus dem Famili-
enleben. Dann kamen Absolut Perfection und Hunderte weiterer Anzeigen.
Absolut Vodka ist als ein Premiumprodukt aus dem oberen Preissegment positioniert. In
Anbetracht des Zielmarkts und der Printanzeigen war die Verbindung zur Kunst eine
logische Schlussfolgerung. Der erste Schritt in diese Richtung wurde 1985 unternom-
men, als der New Yorker Pop-Art-Künstler Andy Warhol beauftragt wurde, die Absolut-
Flasche zu malen. Heutzutage arbeitet Absolut mit Künstlern und Designern aller zeit-
genössischen Kunstrichtungen zusammen. „Die Unverfälschtheit und Klarheit des Pro-
dukts ist eine zeitlose Quelle der Inspiration“, erklärte dazu der damalige Geschäftsfüh-
rer der V&S-Gruppe. Inzwischen gibt es mehr als 3.000 Anzeigen aus der Absolut-Reihe.
Alle weisen als Besonderheit einen Aspekt der Flasche oder des Etiketts auf. Bei Abso-
lut war das sogar in Märkten der Fall, die eigentlich ein Alkoholwerbeverbot haben, wie
beispielsweise Schweden. Das unkonventionelle Marketing von Absolut hat zu einer
großen Nachfrage nach den Anzeigen geführt – die Werbeagentur erhält Tausende
Anfragen zu Nachdrucken bestimmter Werbemotive. Die Anzeigen sind zu modernen
Ikonen geworden. Neben der Auszeichnung mit dem Effie- und dem Kelly-Preis wurde
Absolut die Ehre zuteil, in „America’s Marketing Hall of Fame“ aufgenommen zu wer-
den. Dieses Gütesiegel bestätigte Absoluts Erfolg und seinen Einfluss auf den amerikani-
schen Lebensstil, vor allem da neben Absolut nur noch die Marken Coke und Nike mit
dieser Auszeichnung geehrt wurden.
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14 Integrierte Marketingkommunikation
Die Werke von Warhol und anderer amerikanischer Künstler sowie die Auftragsarbeiten
der französischen Künstler Bosser und Delprat wurden in der prestigeträchtigen Galerie
Lavignes-Bastille in Paris gezeigt. Von dort wanderte die Ausstellung in das Londoner
Royal College of Art, wo Werke des britischen Künstlers Peter Blake hinzukamen.
Danach war die Sammlung auch in Berlin, München und Mailand zu bewundern.
Inzwischen haben mehr als 350 Künstler und Modedesigner Absolut-Anzeigen gestaltet.
Dass diese mittlerweile Kultstatus genießen, beweisen der Absolut-Kunst gewidmete
Internetseiten wie www.absolutad.com oder Bücher wie „Absolut Book. The Absolute
Vodka Advertising Story“.
Die raffinierte Flasche und das kreative Marketing spielten eine überaus wichtige Rolle in
der Erfolgsgeschichte von Absolut, doch auch die Vertriebspartner von V&S trugen ihren
Teil dazu bei. Dennoch musste sich Absolut 1995 von Carillon, seinem ursprünglichen Ver-
triebspartner, trennen und arbeitete fortan mit Seagrams zusammen. 2001 verkaufte
Seagram das Spirituosensegment und V&S gründete eine in New York basierte Niederlas-
sung, die Absolut Spirits Company, welche der Importeur für ABSOLUT in den USA ist.
Gleichzeitig baute V&S eine neue Vertriebspartnerschaft für den amerikanischen Markt mit
Future Brands auf, einem Joint Venture zwischen V&S und Jim Beam Brands. Einen weite-
ren Baustein im Rahmen der integrierten Kommunikation von Absolut Vodka bildet die
Absolut Akademi in Åhus, Schweden. Ihr Ziel ist es, die Traditionen und das Wissen rund
um die Marke und das Produkt zu pflegen, damit Absolut Vodka seinen Spitzenplatz
behaupten kann. Die Absolut Akademie richtet sich weltweit an alle Menschen, die täglich
mit dem Produkt zu tun haben – von PR- und Werbeagenturen bis hin zu Barkeepern. Ein
weiteres Marketinginstrument ist das Magazin „Absolut Reflexions“, das in allen Märkten
vertrieben wird. „Absolut Reflexions“ fungiert als PR-Instrument und liefert den Verbrau-
chern weltweit Neuigkeiten zum Produkt, zu Werbeanzeigen und anderen Aktivitäten.
V&S wollte seinen Erfolg mit Absolut in den USA auf den europäischen, asiatischen und
pazifischen Märkten fortsetzen. Im Vergleich zu den USA wächst der europäische Markt
jedoch nur langsam, ist zudem fragmentiert und konservativ. In Europa gibt es eine Viel-
zahl von Trinkkulturen, doch unterscheiden sich diese von Region zu Region stark vonei-
nander und es existieren sehr tief verwurzelte Traditionen. Abgesehen von den Ländern,
in denen Wodka als Nationalgetränk gilt, ist der europäische Markt noch unterentwickelt.
Nur 4 Prozent der europäischen Verbraucher konsumieren Wodka, während es in den
USA 21 Prozent sind. Um seinen US-Erfolg zu wiederholen, benötigt Absolut ausgefeilte
und innovative Strategien, die speziell auf die jeweiligen europäischen Teilmärkte zuge-
schnitten sind. In Bezug auf Absoluts Chancen in Europa äußert sich V&S optimistisch.
„Wir konnten vielerlei Erfahrungen sammeln, was den Vertrieb im Ausland anbelangt,
und daher glauben wir, dass wir dem Wettbewerb standhalten können“, erklärt Margareta
Nysträm. Das Unternehmen ist davon überzeugt, dass, wo auch immer eine Nachfrage
nach Wodka besteht, Absolut Vodka die beste Wahl ist. „Absolut Vodka bewährt sich
immer wieder aufs Neue als mehr als einfach nur ein guter Wodka: Es ist vielmehr ein
Konzept. Und nichts kann ein Konzept stoppen, dessen Zeit nun gekommen ist.“ Nach
vielen Jahren als Herausforderer im Spirituosenmarkt, ist Absolut eine führende Marke,
der viele andere nacheifern. V&S verteidigt seine Marktstellung, indem das Produktsorti-
ment durch Zukäufe erweitert wird. Anfang 2004 kam in den USA Level Vodka auf den
Markt. Carl Horton, der Geschäftsführer der Absolut Spirits Company, erläutert: „Level ist
unser lang erwarteter Einstieg in das dynamische erstklassige Premium-Wodka-Segment.“
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14.1 Einführung
Level zielt auf eine perfekte Balance zwischen Weichheit und Charakter ab, welche
durch die einzigartige Kombination zweier Destillationsmethoden erreicht wird: „Ein
Schluck, und der Verbraucher wird verstehen, dass dies ein völlig neues Level von
Wodka ist.“ Neben seinen Bemühungen, mit Level Vodka das obere Premium-Segment
in Angriff zu nehmen, verknüpfte V&S die Kultmarke mit der ebenfalls kultigen Serie
Sex and the City. In der Folge „Die längste Woche“ steht eine Kampagne im Mittelpunkt,
die an die Durchschlagskraft der frühen Absolut-Anzeigen erinnert. Samantha Jones
schließt für ihren aktuellen Liebhaber einen Werbevertrag ab, im Rahmen dessen er in
einer fiktiven Absolut HUNK (ABSOLUT BLENDEND)-Anzeige erscheint. Der Mann ist
nackt, abgesehen von einer Stelle, wo zweideutig eine „Absolut Vodka“-Flasche plat-
ziert ist. Absolut zahlte nichts für dieses Product Placement. Sowohl Sex and the City
als auch Absolut profitierten in hohem Maße von der Publicity, die sich aus dem „Auf-
tritt“ ergab. Schließlich wurde aus der Fiktion Realität, als in ganz New York City die
ABSOLUT HUNK-Anzeigen erschienen, u.a ein riesiges Poster am Times Square. ABSO-
LUT HUNK wurde zum angesagten Drink in den New Yorker Bars.
Dies mag alles modern, kontrovers und künstlerisch sein, aber handelt es sich dabei
auch um Marketing? Absoluts Werbung hat sich zu einer Stilikone entwickelt. Die
Marke verfügt in der Werbebranche über eine der am meisten bewunderten und durch-
gängig kreativen Marketingkampagnen. Die Anzeigen selbst sind zu Sammlerobjekten
geworden. Trotz aller Auszeichnungen steht Absolut Vodka derweil lediglich auf Platz
fünf der meistgekauften Premium-Spirituosenmarken weltweit, hinter Smirnoff Wodka
von Diageo, Bacardi Rum, Johnnie Walker und Jack Daniels.
Reicht Stil allein also aus? Ein unerbittlicher Wettbewerb bricht von allen Seiten auf
Absolut herein. Der anfängliche Hype hat sich gelegt. Absolut ist nun eher Mainstream
als Kultmarke und die Konkurrenz innerhalb der Branche wird immer härter: Allein in
den USA wurden zwischen 1999 und 2002 etwa 90 neue Wodkaprodukte eingeführt.
Smirnoff ist durch den Erfolg des Mixgetränks Smirnoff Ice gestärkt – ein Segment, das
Absolut zu spät erkannt hat. Seit dem Jahr 2000 haben eine Reihe neuer Super-Pre-
mium-Wodkas den Markt aufgemischt, z.B. Belvedere und Grey Goose, die sich als
gehoben und erstklassig anpreisen und sich sogar oberhalb von Absolut positioniert
haben. Dies führte dazu, dass Bacardi sich engagierte und die Marke Grey Goose auf-
kaufte. Absolut befindet sich nun zwischen zwei Giganten der Spirituosenindustrie,
dem Massenprodukt Smirnoff des überaus mächtigen Unternehmens Diageo und der
Premiummarke Grey Goose aus dem Hause Bacardi.
Fragen
1. Worauf gründet der Erfolg von Absolut? Liegt es am Wodka, an der Flasche, am Ver-
trieb oder an der Werbung?
2. Wie baut das Absolut-Marketing auf den amerikanischen Trends der 80er- und
90er-Jahre auf? Ist Absolut eine Modeerscheinung, die mit der Zeit verschwinden
wird?
3. Die europäischen Kampagnen von V&S sind im gleichen Stil gehalten wie die auf
dem US-Markt so erfolgreichen Werbeanzeigen. Glauben Sie, dass der amerikani-
sche Ansatz auch in anderen Regionen funktioniert? Bitte begründen Sie Ihre Ant-
wort.
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14 Integrierte Marketingkommunikation
Quellen:
Übernommen aus: Andrew Edgecliff-Johnson, 'Drinks disposal leave Seagram with hangover',
Financial Times (20 November 2000), S. 36; John Thornhill, 'Trying to make selling spirits seriously
easy', Financial Times (1 September 2000), S. 16; 'Drink ads box clever', The Irish Times (23
August 2003); 'Level Vodka to launch nationally in 2004', Business Wire (6 November 2003); David
Ibison, 'Fortune urges state backing for V&S bid', Financial Times (16 August 2007); Richard
Wachman, Business & Media: Opinion: 'Market forces', The Observer (26 August 2007); www.abso-
lut.com.
Aktualisiert durch: o.V.: Top 10 Spirituosenmarken der Welt, Webseite der Lebensmittel Zeitung
unter: http://www.lebensmittelzeitung.net/business/daten-fakten/rankings/Top-10-Premium-Spiri-
tuosenmarken-Welt-2014_485.html [31.01.2015].
Wie das vorangegangene Fallbeispiel zeigt, bedeutet Marketing mehr, als nur ein gutes Pro-
dukt zu entwickeln, ihm einen attraktiven Preis zu geben und es der Zielgruppe zur Verfü-
gung zu stellen. Unternehmen müssen die angebotene Leistung auch kommunizieren. Dies
sollte nicht dem Zufall überlassen werden, denn gute Kommunikation ist ein entscheidendes
Element zur Etablierung von dauerhaften Beziehungen zu den Kunden.
Um eine geeignete Kommunikation zu entwickeln, wenden sich Unternehmen oft an Werbe-
agenturen, die dann eine Werbekampagne gestalten sollen.
Wichtig ist, dass alle Anstrengungen zur Kommunikation konsistent und koordiniert sind.
Daher müssen Unternehmen ein komplexes Marketingkommunikations-System managen
(siehe dazu Abbildung 14.2). Die meisten Unternehmen kommunizieren mit Händlern, Kun-
den und verschiedenen Interessengruppen. Auch der Händler und die Vertretungen kommu-
nizieren mit ihren Kunden und der Öffentlichkeit. Selbst die Endverbraucher kommunizie-
ren untereinander, sei es über soziale Netzwerke, in der Familie, am Arbeitsplatz oder über
Mundpropaganda auch im Freundeskreis. Jede dieser Gruppen gibt jeweils auch den anderen
Gruppen Feedback.
Werbung Werbung
Das Persönlicher Verkauf Mund-
Außendienst
Unternehmen Verkaufsförderung Handel Käufer propa- Öffentlichkeit
Verkaufsförderung
Öffentlichkeitsarbeit ganda
Öffentlichkeitsarbeit
Direktmarketing
654
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.3 Integrierte Marketingkommunikation
655
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation
656
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.3 Integrierte Marketingkommunikation
Die neue Welt der Marketingkommunikation kommt zunehmend ohne eine Unterbrechung
oder Belästigung der Kunden mit unpersönlichen Botschaften aus. Die neuen Medienformate
erlauben es, die Kunden auf einnehmende, interaktive Art und Weise anzusprechen. Auch
das Fernsehen hat sich verändert. Man kann nicht mehr nur über das Fernsehgerät, sondern
auch über Laptops und Smartphones, ja über nahezu alles, was einen Bildschirm hat, seine
Lieblingssendungen ansehen, wann und wo man will. So werden in zunehmendem Maße
Programme, Werbesendungen und Videos speziell für das Internet konzipiert.
Die meisten Experten sind der Meinung, dass nicht mit einem rapiden Kollaps des alten
Kommunikationsmodells zu rechnen ist und es eher zu einer schrittweisen Verschmelzung
alter und neuer Medien kommen wird. Das neue Kommunikationsmodell wird eine
Mischung aus konventionellen Massenmedien und einer breiten Auswahl an neuen, perso-
nalisierten und zielgruppenorientierten Medien sein. Die Herausforderung besteht darin, die
Kluft zwischen alten und neuen Medien zu überbrücken, seine Marke auf diese Weise best-
möglich zu kommunizieren und damit das Markenerlebnis beim Kunden zu steigern.
So wie sich das Umfeld der Marketingkommunikation verändert, so ändert sich auch die
Rolle der Verantwortlichen für die Marketingkommunikation. Statt nur „TV-Werbung“,
„Printwerbung“ oder „Facebook-Anzeigen“ zu entwickeln und zu schalten, sehen sich viele
Marketingexperten heute als Content-Marketing-Manager. Als solche kreieren und verbreiten
sie Markenbotschaften und Gesprächsthemen mit und unter den Verbrauchern und inspirie-
ren diese durch einen stimmigen Mix aus Paid, Owned, Earned und Shared Media. Diese
Kanäle beinhalten Medien, die sowohl traditionell als auch neu, kontrolliert als auch nicht
kontrolliert sind.
657
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation
Verkaufsgespräche und
Werbung Außendienstbesuch
Schlüssige, klare und
überzeugende
Aussagen zum
Unternehmen
Verkaufs- Öffentlich-
und zum Produkt
förderung keitsarbeit
Direkt-
marketing
1 Siehe dazu Jon Lafayette, „4A’s conference: agencies urged to embrace new technologies“, Broadcas-
ting & Cable, 8. März 2011, www.broadcastingcable.com/news/advertising-and-marketing/4asconfe-
rence-agenciesurged-embrace-new-technologies/52550 sowie David Gelles, „Advertisers rush to
master fresh set of skills“, Financial Times, 7. März 2012, www.ft.com/intl/cms/s/0/8383bbae-5e20–
11e1-b1e9–00144feabdc0.html#axzz1xUrmM3KK.
658
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.4 Die Struktur des Kommunikationsvorgangs
und seinen Marken in Verbindung treten kann, bekannt sind. Jeder Kontakt zieht eine Bot-
schaft nach sich, die gut, schlecht oder auch indifferent sein kann. Und mit jedem Kontakt
sollte man dem Kunden ein positives und einheitliches Bild vermitteln.
Im Konzept der integrierten Marketingkommunikation sind alle Botschaften und Bilder über
das Unternehmen und seine Leistungen verankert. Indem Botschaften, Positionierung und
Identität des Unternehmens über alle Kommunikationskanäle zusammengefasst und ver-
stärkt werden, wird eine starke Markenidentität erzeugt. TV-Werbung und Anzeigen haben
dieselbe Anmutung wie E-Mail, Onlinekommunikation und persönliche Verkaufsgespräche.
Und die Inhalte von Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit stimmen mit denen auf der
Website und denen, die über mobiles, Online- und Social-Media-Marketing verbreitet wer-
den, überein.
In der Vergangenheit war oftmals niemand dafür verantwortlich, die Rolle der einzelnen
Kommunikationsinstrumente im Kommunikations-Mix zu überdenken und zu koordinieren.
Die verschiedenen Abteilungen waren sich häufig nicht einig darüber, wie die Prioritäten für
das Kommunikationsbudget gesetzt werden sollten. Der Verkaufsleiter würde vielleicht lie-
ber drei oder vier weitere Außendienstmitarbeiter einstellen, als einige Hunderttausend Euro
allein für einen neuen Fernsehspot aufzuwenden. Und der Verantwortliche für die Öffent-
lichkeitsarbeit ist der Meinung, dass er mit wenigen Euros mehr in seinem Budget wahre
Wunder vollbringen könnte.
Um die Implementierung von integrierter Marketingkommunikation zu unterstützen, benen-
nen immer mehr Unternehmen einen sogenannten Marketingkommunikations-Direktor, der
die Gesamtverantwortung für die Kommunikation des Unternehmens hat. So werden die
Zuständigkeiten gebündelt, und ein konsistentes Image des Unternehmens, das von Tausen-
den von Aktivitäten geprägt ist, wird angestrebt.
659
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation
besuchen. Wer eine Werbekampagne entwerfen will, muss den Einfluss, den jede dieser
Kommunikationsaktivitäten auf die Kaufentscheidung hat, kennen. So lässt sich das Budget
effizient auf die einzelnen Kommunikationswege aufteilen.
Die Kenntnis des Kommunikationsprozesses spielt für Marketingverantwortliche eine große
Rolle. Zur Kommunikation gehören neun Elemente, die aus Abbildung 14.4 ersichtlich sind.
Botschaft
Sender Codierung Decodierung Empfänger
Medien
Störfaktoren
Feedback Reaktion
Zwei davon sind die Hauptteilnehmer des Kommunikationsprozesses, der Sender und der
Empfänger. Zwei weitere Elemente sind die Botschaft und die benutzten Kommunikationska-
näle. Die vier restlichen Elemente sind die Funktionen im Kommunikationsprozess: Ver-
schlüsseln (Codieren), Entschlüsseln (Decodieren), Reagieren und Feedback geben. Schließ-
lich gibt es noch gewisse Störfaktoren im System:
Sender: Der Auftraggeber, der eine Botschaft versenden möchte.
Verschlüsselung (Codierung): Die Botschaft wird als Symbol verschlüsselt. Beispielsweise
benutzen die Werbeagenturen dazu Wörter, Bilder und Musik.
Botschaft: Die Zusammenstellung aus Wörtern, Bildern und Symbolen, die tatsächlich
veröffentlicht wird.
Kommunikationskanäle: Die Kommunikationswege/Medien vom Sender zum Empfänger,
zum Beispiel Printmedien und ergänzend das Fernsehen bzw. die Programme, die das
Unternehmen für seine Werbeschaltungen auswählt.
Entschlüsselung (Decodierung): Die Vorgänge, bei denen der Empfänger den Symbolen
bestimmte Bedeutungen zuordnet; er sieht die Werbung und interpretiert die Worte und
Bilder, die er wahrnimmt.
Empfänger: Das Individuum oder die Gruppe, die die Botschaft empfängt.
Wirkung: Die Reaktionen des Empfängers auf die Botschaft, denkbar sind unzählige Vari-
anten.
Feedback: Der Teil der Wirkung, der an den Sender zurückübermittelt wird, beispiels-
weise über die Marktforschung des Unternehmens.
Potenzielle Störfaktoren („Noise“): nicht eingeplante Störungen des Kommunikationspro-
zesses, die dazu führen, dass der Empfänger eine andere Botschaft aufnimmt, als der Sen-
der abgesetzt hat. Zum Beispiel kann der Kunde während des Fernsehens abgelenkt wer-
den durch Aktionen anderer Familienmitglieder, die Türklingel, das Telefon etc.
660
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation
Damit eine Botschaft erfolgreich kommuniziert werden kann, muss der Verschlüsselungspro-
zess des Senders mit dem Entschlüsselungsprozess des Empfängers übereinstimmen. Folg-
lich sollte sich eine gute Botschaft aus Wörtern und Symbolen zusammensetzen, die dem
Empfänger gut bekannt sind. Je besser das Erfahrungsumfeld des Senders mit dem des Emp-
fängers übereinstimmt, umso effektiver wird die Botschaft wirken. Marketingspezialisten
müssen dabei nicht immer den gleichen Erfahrungshorizont haben wie die Endverbraucher.
Eine Werbeagentur kann zum Beispiel auch eine Anzeige für einen Arbeiter entwerfen,
obwohl sich alle Beteiligten eher in einem akademischen Umfeld bewegen. Um jedoch effek-
tiv zu kommunizieren, muss der Verantwortliche im Marketing den Erfahrungshorizont des
Verbrauchers verstehen.
Dieses Modell zeigt, worauf es bei einer gut funktionierenden Kommunikation ankommt. Die
Sender müssen wissen, welche Empfänger sie erreichen möchten und welche Reaktionen sie
als wünschenswert erachten. Es gilt, die Botschaft so zu verschlüsseln, dass die Zielgruppe
sie auf die gewünschte Weise entschlüsseln kann. Man sollte die Botschaft über diejenigen
Medien verbreiten, die die Zielgruppe erreichen und Feedbackkanäle vorsehen, damit man
die Reaktion der Zielgruppe auf die Botschaft überprüfen kann. Auch im modernen interakti-
ven Medienumfeld müssen sich Unternehmen darauf einstellen, den Kommunikationspro-
zess „umzudrehen” – sie müssen gute Zuhörer für die Botschaften der Kunden sein und auf
diese reagieren.
661
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation
Die Zielgruppe kann sich in einem der sechs Stadien zunehmender Kaufbereitschaft befin-
den. Potenzielle Käufer durchlaufen üblicherweise diese Schritte, wenn sie einen Kauf täti-
gen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um das Bewusstsein, dass es das Produkt gibt, also
die Bekanntheit, genauere Kenntnis über das Produkt, eine Sympathie für das Produkt, eine
Präferenz, die Überzeugung, dass das Produkt am besten geeignet ist, und schließlich den
Entschluss, das Produkt zu kaufen.
Ziel und Zweck der Marketingkommunikation ist es nun, den Kaufinteressenten durch diese
Stadien zu begleiten und schließlich zu erreichen, dass er kauft.
Bekanntheit
Die Zielgruppe einer Kampagne weiß möglicherweise überhaupt nichts über das Produkt,
kennt vielleicht nur den Namen oder hat von ein oder zwei relativ unwichtigen Eigenschaf-
ten erfahren. Wenn ein großer Teil der Zielgruppe von dem Produkt noch nichts gehört hat,
versucht der Kommunikator zunächst das Bewusstsein aufzubauen, dass es dieses Produkt
gibt. In vielen Fällen versucht man zu erreichen, dass die Mitglieder der Zielgruppe die
Marke bzw. den Produktnamen erkennen, wenn er genannt wird. Dies kann beispielsweise
mithilfe einer sogenannten Ankündigungskampagne mit ganz einfachen Botschaften ange-
strebt werden, indem vielleicht lediglich der Name des Unternehmens oder des Produkts
wiederholt wiedergegeben wird.
Kenntnis
Es mag sein, dass die Zielgruppe schon davon gehört hat, dass ein Unternehmen oder ein
Produkt existiert. Aber Genaueres ist bei den Mitgliedern der Zielgruppe nicht bekannt. Das
Unternehmen muss herausfinden, wie viele Menschen wenig, etwas oder viel über das Ange-
bot wissen.
Sympathie
Angenommen, die Mitglieder der Zielgruppe kennen das Produkt. Nun stellt sich die Frage,
ob sie es mögen. Wenn der potenzielle Kunde das Produktangebot bereits kennt, muss der
Marketer dafür sorgen, dass er damit positive Gefühle und Stimmungen verbindet. Wenn die
Zielgruppe eine schlechte Meinung über das Angebot hat, gilt es, die Gründe dafür zu identi-
fizieren. Diese sollten idealerweise vor dem Start einer Kampagne beseitigt werden, die die
neue, verbesserte Qualität kommuniziert und den Kunden dazu bringen soll, positive
Gefühle mit dem Produkt zu verbinden.
662
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation
Präferenz
Weiterhin ist es möglich, dass die Zielgruppe das Produkt mag, aber es gegenüber anderen
nicht vorzieht. In diesem Fall muss der Kommunikator versuchen, Präferenzen bei den Käu-
fern aufzubauen, indem er die Qualität und den hohen Gegenwert hervorhebt. Man kann die
Wirkung einer Werbekampagne messen, indem man die Präferenzen der Zielgruppe davor
und danach misst.
Überzeugung
Falls die Kaufinteressenten schon eine Vorliebe für ein Produkt entwickelt haben, aber noch
nicht davon überzeugt sind, dass sie das Produkt kaufen sollten, gilt es, die Überzeugung auf-
zubauen, dass das Angebot das beste auf dem Markt ist. Anfang der 1990er-Jahre beschränk-
ten sich große Anbieter wie Vodafone und Telekom darauf, lediglich Unternehmen und
Selbstständige mit Mobiltelefonen zu versorgen. Orange wollte erreichen, dass der Besitz von
Mobiltelefonen zukünftig für alle möglich ist und nicht ein Privileg für einige wenige bleibt.
Dementsprechend fokussierte sich ihre Kampagne auf die klare Kommunikation der Vorteile
der Produkte im alltäglichen Gebrauch und nicht auf die dahinterstehende Technik.
Prinzipiell sollte eine Kombination aus allen Kommunikationsinstrumenten verwendet
werden, um die Präferenz des Käufers zu bilden und ihn zu überzeugen: Anzeigen können
beispielsweise emotionale Verbindungen der Marke zum Kunden knüpfen oder die Vorteile
hervorheben, die das eigene Produkt gegenüber denen der Wettbewerber bietet. Öffentlich-
keitsarbeit kann dazu verwendet werden, die speziellen Vorzüge einer Marke zu betonen,
wie beispielsweise Innovationskraft und Leistung. Direktes Marketing über den Außendienst
kann den potenziellen Kunden von verschiedenen Service-Optionen oder dem guten Preis-
Leistungs-Verhältnis überzeugen.
Kauf
Manchmal sind Mitglieder der Zielgruppe von dem Produkt überzeugt, zögern aber noch mit
dem Kauf. Vielleicht, weil sie auf eine bessere Gelegenheit warten oder mehr Informationen
wünschen, oder weil sie planen, den Kauf erst später zu vollziehen. Der Kommunikator muss
diese Kaufinteressenten dazu bringen, auch noch den letzten Schritt zu tun. Mögliche Aktio-
nen wären zum Beispiel das Angebot des Produkts zu einem Sonderpreis oder eine spezielle
Produktvorführung.
Wenn wir die Bereitschaft des Käufers analysieren, unterstellen wir, dass Kaufinteressenten
zunächst ein kognitives Stadium (Bewusstsein, Detailwissen), dann ein affektives Stadium
(Vorliebe, Überzeugung) und schließlich ein Stadium des Handelns (Vollzug des Kaufs)
durchlaufen. Diese Abfolge „lernen, empfinden, handeln“ ist zutreffend, wenn die Kaufinter-
essenten persönlich großes Interesse an der Kaufentscheidung haben und der Ansicht sind,
dass sich die angebotenen Güter in wichtigen Punkten erheblich unterscheiden. Dieses Vor-
gehen gilt insbesondere für Käufe langlebiger Konsumgüter wie zum Beispiel Autos.
Manchmal ist die Abfolge aber auch anders und Konsumenten folgen vielleicht einer
Sequenz „lernen, handeln, empfinden“. Dies ist insbesondere bei Produkten der Fall, an
denen man ein großes Interesse hat, die Unterschiede zu anderen Produkten auf dem Markt
aber relativ gering sind, wie z.B. bei einer Zentralheizung. Und schließlich gibt es auch noch
die Sequenzabfolge „handeln, empfinden, lernen“. Diese kommt oft bei Produkten vor, an
denen der Konsument wenig Interesse hat und nur geringe Unterschiede zwischen den ein-
zelnen Anbietern erkennt. Dies ist beispielsweise beim Kauf von alltäglichen Produkten wie
663
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation
Speisesalz oder Kartoffeln der Fall. Je besser man die Phasen der Kaufentscheidung und der
Entscheidungsfindung verstanden hat, umso besser lässt sich die Kommunikation planen.
A I D A
auf Englisch Attention Interest Desire Action
auf Deutsch Aufmerksamkeit Interesse Wunsch Aktion
Tabelle 14.1: Die Merkformel „AIDA“
Das AIDA-Modell ermöglicht die Überprüfung der Qualität einer Botschaft in jedem einzel-
nen Schritt bis zum Kauf eines Produkts. Beim Entwurf einer Botschaft muss der Marketer
festlegen, was gesagt werden soll (Inhalt der Botschaft) und wie es gesagt werden soll (Struk-
tur und Format der Botschaft).
664
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation
665
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation
Gelb. Der ausgeschenkte Kaffee war identisch, aber die Versuchspersonen wussten das nicht.
75 Prozent gaben an, dass der Kaffee aus der braunen Kaffeepackung zu stark sei. Etwa 85
Prozent gaben an, dass ihnen der Kaffee vor der roten Kaffeepackung am besten geschmeckt
habe. Nahezu alle Versuchspersonen gaben an, dass der Kaffee vor der blauen Kaffeepackung
ihnen als mild und der Kaffee vor der gelben als zu schwach erschien.
Aus derartigen Experimenten lässt sich zum Beispiel ableiten, dass ein Kaffeehersteller am
besten eine rote Verpackung verwenden sollte, damit sein Produkt als aromatisch eingestuft
wird, die Wirkung der roten Farbe kann mit einer geeigneten Beschriftung verstärkt werden.
Selbst wenn ein Konsument unmittelbar mit einer Werbebotschaft konfrontiert wird, kann es
sein, dass er ihr keine Beachtung schenkt, weil die Botschaft langweilig oder irrelevant ist.
Man erhöht die Chancen der Wahrnehmung durch die Zielgruppe, wenn man folgende
Punkte beachtet:
Die Botschaft sollte einen Nutzwert für die Angehörigen der Zielgruppe enthalten. Es ist zum
Beispiel wenig aussichtsreich, schon bei Erstsemestern teure Lebensversicherungen anbieten
zu wollen, da in diesem Lebensabschnitt noch andere Interessen im Vordergrund stehen.
Die Zielgruppe muss an der Botschaft interessiert sein.
Die Botschaft sollte neue Fakten über das Produkt oder die Marke enthalten, um Interesse
zu wecken.
Die Botschaft sollte eine vor Kurzem getätigte Kaufentscheidung der Zielgruppe bestäti-
gen. Dies ist die Voraussetzung für eine positive Aufnahme. Wenn Sie beispielsweise erst
kürzlich ein neues Smartphone gekauft haben, fällt Ihnen eine Werbung für Smartphones
sofort auf.
Die Präsentation der Botschaft muss Aufmerksamkeit erregen. Wie oben erläutert, kann
dieses Ziel über das Design und mittels Kreativität erreicht werden.
Das Ziel des Anbieters oder der Werbeagentur wird es stets sein, der Werbebotschaft die größt-
mögliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Dabei sind jedoch gesetzliche Vorschriften zu beach-
ten. Es müssen Regulierungen und Selbstverpflichtungen eingehalten werden, die sich teilweise
die Branchen selbst geben, und es sollten sensibel Grenzen gewahrt werden, die durch Ethik,
Moral und guten Geschmack vorgegeben sind. Werbung, die öffentliche Betroffenheit oder Irrita-
tionen verursacht, bringt in der Regel auch für den Werbenden negative Effekte mit sich.
Persönliche Kommunikation
Bei den an Personen gebundenen Kommunikationskanälen treten zwei oder mehrere Personen
direkt miteinander in Beziehung. Sie können sich persönlich miteinander unterhalten, eine
Person kann zu einer größeren Gruppe sprechen, sie kann über soziale Netzwerke oder E-Mail
kommunizieren oder telefonieren. Diese Art der Kommunikation ist sehr effizient, da die Ziel-
personen direkt angesprochen werden und auch häufig ein sofortiges Feedback möglich ist.
Einige dieser persönlichen Kommunikationskanäle, wie z.B. der Verkaufsaußendienst, stehen
unter direktem Einfluss des Unternehmens. Andere persönliche Informationen über das Pro-
666
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation
dukt erreichen den Käufer oder Kaufinteressenten jedoch über Kanäle, die nicht unbedingt
vom Unternehmen beeinflusst werden können. Zu diesen Informationsüberbringern gehören
zum Beispiel unabhängige Experten, die aus irgendeinem Grund Aussagen gegenüber der Ziel-
gruppe machen. Dies können populäre Verbraucheranwälte sein, Berater von Verbraucherorga-
nisationen usw. Genauso gut können es die Nachbarn, Freunde, Familienmitglieder oder
Geschäftspartner sein, die mit den Kaufinteressenten über ein bestimmtes Produkt reden. Die-
ser letzte Kanal der Mundpropaganda hat in vielen Bereichen beträchtlichen Einfluss.
Interpersoneller Einfluss erzeugt großen Druck bei Kaufentscheidungen, bei denen es um
teure, riskante oder sehr gut sichtbare Produkte (etwa Mode) geht. Jemand, der ein Auto oder
ein großes Haushaltsgerät kauft, erkundigt sich unter Umständen bei Bekannten nach deren
Erfahrungen. Eine Studie zeigt, dass 90 Prozent aller Käufer sich gerne auf die Empfehlung
von Verbrauchern verlassen, wohingegen sich lediglich maximal 40 Prozent der Käufer auf
die Aussagen in einer Anzeige verlassen wollen. Das ist auch einer der Gründe für den gro-
ßen Erfolg der Strategie von Amazon zur Steigerung des Verkaufs pro Kunde. Vielleicht
haben auch Sie sich schon beim Kauf von Produkten bei Amazon auf die Meinung anderer
Verbraucher gestützt oder einfach in der Sektion „Kunden, die dieses Produkt gekauft haben,
haben auch ...“ nachgesehen.
Unternehmen haben verschiedene Möglichkeiten, bestehende interpersonelle Beziehungen
als Kommunikationswege zu nutzen:
Das Buzz Marketing bietet Unternehmen die Möglichkeit, gezielt Privatpersonen anzu-
sprechen und diese als Meinungsführer für ihre Marken oder Leistungen aufzubauen, um
dann von deren positiver Mundpropaganda zu profitieren. Als Meinungsführer bezeichnet
man Personen, die von ihren Mitmenschen um Rat oder ihre Meinung gefragt werden und
die häufig eine Vorbildfunktion haben. Sie können über Gratisprodukte oder Aufwands-
entschädigungen motiviert werden, positiv in ihrem sozialen Umfeld oder in ihren sozia-
len Netzwerken über eine Marke oder eine Leistung des Unternehmens zu berichten und
so das Image positiv zu beeinflussen. Blogger spielen in diesem Zusammenhang für Unter-
nehmen eine große Rolle.
Auch das Bemühen von Unternehmen, herauszufinden, welche Themen Konsumenten
interessieren und über welche sie sich austauschen, dient dem Versuch, die Mundpropag-
anda positiv zu beeinflussen. Sie können dieses Wissen nutzen, um relevante Inhalte oder
Informationen bereitzustellen oder Lösungen für bestimmte Probleme anzubieten.
Ob und wie stark eine Botschaft bei ihrer Zielgruppe ankommt, hängt nicht zuletzt von der
Attraktivität und der Glaubwürdigkeit desjenigen ab, der die Botschaft überbringt und ver-
breitet. Botschaften, die aus glaubwürdigen Quellen stammen, überzeugen eher. Wichtig ist
hierbei, dass die Zielgruppe oder die allgemeine Öffentlichkeit den Überbringer der Bot-
schaft als neutralen Fachmann akzeptiert und ihm abnimmt, dass er sich unparteiisch für ein
gutes Produkt auf faire Weise einsetzen will.
667
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation
Zu den wichtigsten Massenmedien zählen Printmedien wie Tageszeitungen, (Fach- und Pub-
likums-)Zeitschriften und Direktwerbung, Hörfunk und Fernsehen, Online- und elektroni-
sche Medien wie Internet, soziale Netzwerke und E-Mail sowie Plakatwerbung wie z.B. Groß-
flächenplakate, City-Light-Poster oder Plakatsäulen.
Die Umgebung können den interessierten Kunden in seiner Kaufentscheidung bestärken. Die
Räumlichkeiten von Banken, Anwaltskanzleien oder Arztpraxen sind beispielsweise so
gestaltet, dass sie Vertrauen und weitere relevante Werte kommunizieren.
Events sind (Groß-)Veranstaltungen, die durchgeführt werden, um einem Zielpublikum
bestimmte Botschaften zu kommunizieren. PR-Abteilungen oder Agenturen veranstalten
dazu beispielsweise Pressekonferenzen, feierliche Eröffnungen, Ausstellungen und Shows
oder öffentliche Führungen.
Bei der Kommunikation über Medien wird der Käufer zunächst direkt angesprochen. Außer-
dem wird er oftmals zusätzlich indirekt angesprochen, indem persönliche Kommunikation
angeregt wird. Kommuniziert wird zunächst über das Fernsehen, Zeitschriften und andere
Massenmedien an Meinungsführer und dann von diesen Meinungsführern zu allen anderen.
Meinungsführer bewegen sich zwischen Massenmedien und deren Zielgruppen und tragen
Nachrichten auch zu Personen, die diesen Medien weniger ausgesetzt sind. Marketer können
diesen Kommunikationsmultiplikator bewusst nutzen, indem sie über die Massenmedien die
Meinungsführer direkt ansprechen, damit diese dann die Nachricht an andere Personen
transportieren.
Die Pharmaindustrie beispielsweise nutzt diesen Effekt konsequent und spricht mit neuen
Kampagnen zur Einführung von Innovationen zunächst gezielt ausgewählte Ärzte und medi-
zinische Experten an. Wenn diese überzeugt sind, dann hat deren Meinung großen Einfluss
auf die Akzeptanz des neuen Produkts durch andere Ärzte. Auf diese Weise erweitern Mei-
nungsführer den Einfluss der Massenmedien. Allerdings können sie die gesendete Nachricht
auch verändern oder sie nicht weitertragen.
Schauen wir uns nachfolgend am Beispiel der erfolgreichen xDrive-Kampagne an, wie der
Automobilhersteller BMW seinen Kommunikations-Mix gestaltet und dabei neben klassi-
scher Werbung auch auf das Dialogmarketing setzt.
Wer seine Kunden langfristig an die Marke binden will, sollte auf eine wertschätzende
und qualifizierte Ansprache und Betreuung Wert legen. Kunden und Interessenten
erwarten zunehmend eine direkte Kommunikation und Interaktion mit ihrer Marke.
Beim Einsatz vernetzter Marketinginstrumente setzt BMW neue Maßstäbe in der Auto-
mobilbranche. Der Münchener Autobauer beweist höchste Professionalität bei der Kun-
denansprache und große Innovationskraft und Effizienz in der Kommunikation.
Der Schwerpunkt liegt auf klassischer Werbung, BMW geht aber zunehmend neue und
innovative Wege in der Kommunikation, um die entsprechend der Baureihen spezifi-
zierten Zielgruppen erfolgreich und effektiv anzusprechen. Daraus resultiert ein integ-
rierter Kommunikations-Mix, der sowohl aus klassischen als auch aus einer ganzen
Reihe nicht klassischer Instrumente besteht.
668
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation
Dialogmarketing z.B. ist eine der Disziplinen, auf die BMW zunehmend setzt. Die Stra-
tegie dort ist grundsätzlich anders als bei anderen Automobilherstellern: Nahezu alle
Adressen werden von BMW selbst generiert, teilweise gemeinsam mit Kooperations-
partnern, teilweise im Internet. Außerdem verzichtet das Unternehmen auf Massenmai-
lings. So werden hohe Streuverluste vermieden und die Zielgruppen persönlicher und
damit premium-adäquat angesprochen. Dabei müssen Mailings nicht immer aufwendig
und teuer sein. BMW bevorzugt intelligente und zielgruppengerechte Lösungen, die
anspruchsvoll in Bild, Text und Tonalität sind. Letztendlich kommt es weniger darauf
an, wie hoch der Response auf Mailings ist, sondern es geht darum, wie viele Fahrzeuge
de facto verkauft werden.
Um optimal arbeiten zu können und Ergebnisse zu erreichen, die den hochgesteckten
Zielen von BMW gerecht werden, ist daher eine intensive Zusammenarbeit mit den
unterschiedlichen Abteilungen der Marketingkommunikation zur Umsetzung einer
integrierten Kommunikation unerlässlich. Denn es kommt nicht nur auf einen gut abge-
stimmten Zeitplan an, sondern auch auf die nach außen wahrnehmbare Verbindung
aller Instrumente, wie es z.B. bei der groß angelegten Markenkampagne #BMWstories
der Fall ist, die individuelle Erlebnisse und Geschichten von Menschen mit ihrem
BMW porträtiert. Alle Fachteams arbeiten so eng wie möglich zusammen. Koordiniert
werden sie für die Einführung neuer Automobile oder bei themenübergreifenden Pro-
jekten durch einen sogenannten Launchmanager, der alle Aktivitäten vernetzt, die Maß-
nahmen der internationalen Märkte kennt, diese adaptiert und marktgerecht anpasst,
um Synergien und Erfahrungen zu nutzen.
Zur Kampagne
In den letzten Jahren bestimmte die größte Produktoffensive der BMW-Geschichte (Ein-
führung neuer Baureihen, wie z.B. der BMW 2er, 4er, X4) maßgeblich die Inhalte der
BMW-Kommunikation. Parallel hierzu standen seit 2011 die Stärkung der Allradkompe-
tenz und die Betonung der Innovationsführerschaft der Marke BMW in diesem Technik-
feld im Fokus. Gleichzeitig werden über den Themenschwerpunkt xDrive, so der Marke-
tingbegriff für das intelligente Allradsystem von BMW, Produkt- und Absatzimpulse
generiert. Die groß angelegte und langjährige Kampagne belegt durch die richtungswei-
sende BMW-Kompetenz den Premiumanspruch der Marke und differenziert BMW nach-
drücklich vom Wettbewerb. Die Kampagne verknüpft kommunikativ jeweils die Allrad-
kompetenz von BMW mit einer Baureihe. Dadurch erhalten die technischen Argumente
eine höhere Emotionalität und Lebendigkeit. Ziel dabei ist es, xDrive in einer besonders
anschaulichen und Baureihen-übergreifenden Kommunikation aufmerksamkeitsstark und
nutzenorientiert darzustellen und zu vermitteln. Um die Wirkungsweise von xDrive im
Vergleich zu herkömmlichen Lösungen darzustellen, nutzt BMW einen einfachen und
schnell verständlichen Leitgedanken: „Ob Schnee, Regen oder Eis – es gibt 1.000 Gründe,
zu Hause zu bleiben. Und einen dagegen: BMW xDrive“.
Die Kampagne wird im Internet mit einem Special fortgeführt – unter der Adresse
www.bmw.de/x können sich Kunden und Interessenten über die BMW-Kompetenz- und
Innovationsthemen weitergehend informieren. Eine zielgruppenorientierte Onlinekam-
pagne schaltet Banner auf frequenzstarken Internetseiten. Dadurch werden Interessen-
ten auf das Special geführt.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation
Der Erfolg der xDrive-Offensive von BMW basiert wesentlich auf ihrer starken Vernet-
zung. Dieses Konzept hat BMW auch schon für vergangene Kampagnen genutzt, bei-
spielsweise in der Einführungskampagne „Prinzip Freude“ mit Kermit dem Frosch für
den BMW 1er. Dabei ist klassische Werbung immer fester Bestandteil der Kommunika-
tion von BMW, allein schon im Hinblick auf den Aufbau einer hohen Bekanntheit, eines
positiven Images der Marke und einer Verankerung im Relevant Set der Verbraucher.
Für die TV-Kommunikation wurde ein TV-Spot rund um xDrive Mountain, den fiktiven
Ort mit 365 Jahreszeiten, neu konzipiert. Der 25 Sekunden dauernde Clip zeigt am
Anfang das Ortsschild des „xDrive Mountain“-Dorfs, ein Ort, an dem die verschiedens-
ten Wetterbedingungen aufeinandertreffen – die perfekte Umgebung für BMW xDrive.
Flankierend zu TV-Spots und klassischen Printanzeigen wurden alle Maßnahmen auf
Grundlage dieser kreativen Idee entwickelt und mit der Präsentation am PoS hin zum
Internet mit Specials und Vodcasts, Dialogmarketing, Messen mit speziellen Exponaten,
Events mit fahraktiven Bausteinen und eigens produzierten Kommunikationsmitteln in
Skigebieten der Alpen vernetzt. Diese Vernetzung der klassischen Kommunikation mit
den Below-the-line-Maßnahmen gewährleistet eine hohe Wiedererkennung und führt
den Interessenten auf die Internetseite www.bmw.de/x. Produktseitig werden diese Maß-
nahmen durch spezielle Pakete abgerundet, die an einem zentralen Innovationstag in
den Handelsbetrieben präsentiert wurden.
Ziel der xDrive-Kampagne ist es, Zielgruppen mit Inhalten anzusprechen, die für sie
gleichermaßen relevant wie attraktiv sind, und sie von der Innovationsführerschaft der
Marke BMW zu überzeugen. Das ist in hohem Maße gelungen.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation
BMW – Fakten und Zahlen Die BMW Group ist mit ihren Marken BMW, MINI und
Rolls-Royce der weltweit führende Premium-Hersteller von Automobilen und Motorrä-
dern und Anbieter von Premium-, Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen. Als interna-
tionaler Konzern betreibt das Unternehmen 30 Produktions- und Montagestätten in 14
Ländern sowie ein globales Vertriebsnetzwerk mit Vertretungen in über 140 Ländern.
Im Jahr 2016 erzielte die BMW Group einen weltweiten Absatz von rund 2,367 Millio-
nen Automobilen und 145.000 Motorrädern. Das Ergebnis vor Steuern im Geschäftsjahr
2016 belief sich auf 9,67 Milliarden Euro, der Umsatz auf rund 86,42 Milliarden Euro.
Zum 31. Dezember 2016 beschäftigte das Unternehmen weltweit 124.729 Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter.
Quelle:
Geschäftsbericht BMW 2016, Download unter: https://www.bmwgroup.com/content/dam/bmw-
group-websites/bmwgroup_com/ir/downloads/de/2016/BMW_GB16_de_Finanzbericht.pdf
[12.02.2018]
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14 Integrierte Marketingkommunikation
Wie oft denken sie, dass sie die Botschaft gesehen haben?
An welche einzelnen Punkte oder Aussagen erinnern sich die Angehörigen der Ziel-
gruppe?
Was empfanden sie, als sie die Botschaft aufnahmen (Sympathie/Antipathie usw.)?
Hat sich ihre Einstellung zum beworbenen Produkt oder Unternehmen gegenüber vorher
geändert und wie sieht diese Änderung aus?
Weiterhin wäre es wichtig zu wissen, ob die Botschaft zu tatsächlichen Aktionen oder zu Ver-
haltensänderungen geführt hat, also:
Wie viele Menschen haben das beworbene Produkt angesehen, ausprobiert oder gekauft?
Wie viele Menschen haben mit anderen über das Produkt gesprochen?
Marke A
Marke B
kennen 60%
das Produkt Von den 40%,
nicht die das Produkt
kennen, Von den 30%,
Markt die es ausprobiert
= 100% davon
haben,
haben es 70% waren 20%
nicht enttäuscht
kennen 40% ausprobiert
das Produkt
haben es 30% waren 80%
ausprobiert zufrieden
Abbildung 14.7: Die Ergebnisse der Messung der Werbewirkung von zwei hypothetischen Marken
Abbildung 14.7 illustriert die Messung der Werbewirkung von zwei hypothetischen Marken.
Für Marke A gilt, dass sie bei 80 Prozent der Marktteilnehmer auf dem Zielmarkt bekannt ist.
60 Prozent derer, die die Marke A kennen, haben diese auch schon einmal getestet. Aber nur
20 Prozent derjenigen, die das Produkt bereits probiert haben, waren damit zufrieden. Daraus
ergibt sich, dass die Kommunikationsstrategie zwar eine hohe Bekanntheit erzielt, dass Pro-
dukt A selbst es aber nicht schafft, Zufriedenheit beim Kunden hervorzurufen. Das Unterneh-
men sollte daher versuchen, die Produktqualität zu verbessern, und gleichzeitig die erfolgrei-
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14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation
Für jeden Werbenden ist es natürlich von größtem Interesse zu erfahren, wie stark der
Impact der Werbung auf die Konsumenten war. Letztlich soll auch gemessen werden, ob
das für die Werbung eingesetzte Budget die bestmögliche Wirkung entfalten konnte. Wie
steht es um die Werbeerinnerung? Wurden die Botschaften aufgenommen? Hat die Wer-
bung einen Konsumimpuls gesetzt? Diese und ähnliche Fragen stehen im Zentrum des
Interesses.
Die Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung mbH & Co. KG – kurz GiK –,
die von den Gesellschaftern Axel Springer SE, Bauer Media KG, Burda GmbH, Funke
Mediengruppe GmbH & Co KGaA, Gruner + Jahr GmbH & Co KG betrieben wird, führt
hierzu Erhebungen und Auswertungen durch. „best for tracking“ ist die Werbewir-
kungsinitiative, die damit neben „best for planning“ auch das Feld der Wirkungsfor-
schung besetzt und umfangreiche Tools für die Planung und Analyse von Kampagnen
zur Verfügung stellt. Während „best for planning“ ex ante bei der Allokation und Pla-
nung der Werbebudgets hilft, erlaubt „best for tracking“ Kampagnen ex post auf Wirk-
samkeit und Effizienz hin zu untersuchen.
Die Initiative „best for tracking“ basiert mit dem „Kreativtracking“ und dem „Marken-
tracking“ auf zwei Studiensäulen: Im Rahmen des „Kreativtrackings“ werden kontinu-
ierliche Werbemitteltests zur Messung der Aufmerksamkeitsstärke und Durchsetzungs-
kraft von Anzeigen und Online-Motiven durchgeführt. Im Rahmen des
„Markentrackings“ wird ein kontinuierliches Tracking der Werbewirkung von über 380
Marken, Modellen und Produktlinien durchgeführt. Damit kann eine Analyse der Kam-
pagnenwirkung und des Wirkungsbeitrags der eingesetzten Medienkanäle vorgenom-
men werden.
Auf der Website http://www.b4t.media sind eine Reihe von Analysen und Auswertun-
gen frei downloadbar – beispielsweise für Branchen wie Tourismus, Automobil, Food
and Beverage, Retail und Consumer Electronics –, aber auch hinsichtlich der Werbevor-
lieben von Männern und Frauen, der Werbevorlieben unterschiedlicher Generationen
und anderem mehr.
Quelle:
Unternehmenswebsite der Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung mbH & Co. KG
unter: http://www.b4t.media/b4t-startseite/ [29.03.2018]
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14 Integrierte Marketingkommunikation
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14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix
Diese Methode hat einige Vorteile. Da der Werbeaufwand in direkter Beziehung zum Umsatz
steht, ist immer eine Proportion gewahrt, die sich das Unternehmen „leisten“ kann. Außerdem
wird für die Überlegungen der Unternehmensleitung der Zusammenhang zwischen Werbeaus-
gaben, Verkaufspreis und Gewinn pro verkaufter Einheit deutlich gemacht. Und schließlich
kann man annehmen, dass diese Methode zu Stabilität im Wettbewerb führt, da konkurrie-
rende Unternehmen vermutlich ähnliche Prozentsätze ihres Umsatzes für Werbung einplanen.
Trotz dieser Vorteile gibt es wenig, was für diese Methode spricht. Die Idee, das Werbebudget
als Prozentsatz des erzielten oder geplanten Umsatzes festzulegen, ist grundlegend falsch,
weil der Umsatz in der Regel durch die Höhe der Werbeaufwendungen bestimmt wird und
nicht umgekehrt.
Der zweite Kritikpunkt ist, dass dieser Ansatz von der Verfügbarkeit von Mitteln ausgeht und
nicht von den Geschäftschancen oder von dem Bedarf an Kommunikationsaktivitäten. Bei
strenger Anwendung dieser Methode wäre es nicht möglich, einem Absatzrückgang mit ver-
stärktem Werbeaufwand gegenzusteuern beziehungsweise antizyklisch zu werben. Eine
Untersuchung, ob eine Erhöhung oder eine Absenkung der Werbeausgaben mehr Gewinn
bringen würde, findet bei diesem starren Schema nicht statt. Weil zudem das Budget auch
noch von Jahr zu Jahr schwankt, ist eine langfristige Planung des Werbeaufwands nicht mög-
lich. Und schließlich bietet diese Methode auch keinen Ansatzpunkt für die Wahl eines
bestimmten Prozentsatzes.
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14 Integrierte Marketingkommunikation
3. eine Abschätzung der Kosten für die beabsichtigten Maßnahmen. Die Summe des Auf-
wands für alle geplanten Maßnahmen ergibt dann das Budget, das beantragt werden muss.
Das Vorgehen, ein Budget anhand der Marketingziele und -aufgaben festzulegen, zwingt die
einzelnen Mitglieder der Geschäftsleitung, sich intensiv mit diesen Themen und mit dem
Zusammenhang zwischen den bewilligten Mitteln und den Absatzerfolgen zu beschäftigen.
Gerade deshalb ist diese Methode die schwierigste. Zunächst müssen Umsatz- und Gewinn-
vorgaben gemacht werden, um daran anschließend die Höhe des Werbeaufwands festzustel-
len, der für die angestrebten Absatzzahlen als erforderlich angesehen wird. Oft sind Progno-
sen darüber, welche Maßnahme mit welcher Intensität welchen Erfolg nach sich ziehen wird,
nur sehr schwer oder gar nicht zu erhalten oder sie sind nicht sehr präzise.
Nehmen wir einmal an, Samsung würde für die Einführung eines neuen Smartphone-
Modells einen Bekanntheitsgrad des Produkts von 95 Prozent innerhalb von sechs Monaten
anstreben. Welche Medien und welche Werbemittel würde Samsung benötigen, um das zu
erreichen? Was würden der Medieneinsatz und die benötigten Werbemittel kosten? Die
Geschäftsbereichsleitung von Samsung muss die Antworten auf diese Fragen für die Diskus-
sion im Gesamtunternehmen und für die dann anstehende Verteilung der Budgets liefern.
Der Hauptvorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass hier wirklich recherchiert und argumen-
tiert werden muss. Im Unternehmen kommen eigene, selbst erarbeitete Entscheidungen zum
Tragen, und man eilt nicht lediglich anderen hinterher. Es wird verlangt, dass
die Kommunikationsziele klar definiert werden,
festgestellt wird, welcher Grad der Zielerreichung zu erwarten ist, wenn bestimmte Instru-
mente angewandt werden und
festgestellt wird, was die einzelnen Alternativen zur Zielerreichung an Kosten verursachen.
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14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix
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14 Integrierte Marketingkommunikation
Käufer kann sich ganz unterschiedlich entwickeln und aufgebaut werden, von einer nüch-
ternen Partnerschaft bis hin zu tiefer persönlicher Freundschaft. Ein geeigneter Außen-
dienstmitarbeiter setzt sich so weit wie möglich für die Interessen seiner Kunden ein, um
eine auf lange Sicht angelegte vertrauensvolle Beziehung aufzubauen.
Der Besuch eines Verkaufsmitarbeiters spricht den potenziellen Käufer ganz persönlich
an. Er muss sich länger mit dem Produkt beschäftigen, als wenn ihn nur Werbung erreicht.
Selbst einem höflichen „Nein, lieber doch nicht“ geht eine intensive Beschäftigung mit
dem Produkt voraus.
Diese Vorzüge eines persönlichen Gesprächs sind für ein Unternehmen jedoch sehr kostspie-
lig. Der persönliche Verkauf erfordert einen gut aufgestellten Außendienst, was im Vergleich
zu anderen Instrumenten der Kommunikation am kostenintensivsten ist. Ein einziger Kun-
den- oder Interessentenbesuch eines qualifizierten Mitarbeiters kann mehrere Hundert Euro
kosten. Die Kosten setzen sich aus den Personalkosten, den Reisekosten und den Kosten der
Vorbereitung und Nachbearbeitung des Besuchs zusammen. Ein Verkaufsaußendienst erfor-
dert zudem ein längerfristiges Engagement als eine kurze Werbeaktion. In Werbung kann man
in einem Moment viel investieren und im nächsten Moment gar nichts, je nach Budget.
Anders sieht es bei Außendienstmitarbeitern aus, da man es hier mit Menschen und Arbeits-
verhältnissen zu tun hat. Es erfordert einen großen Aufwand, einen qualifizierten Mitarbeiter
aufzubauen und im Außendienst zum Einsatz zu bringen. Kurz- bis mittelfristig sind dann
kaum Variationen im Engagement möglich.
Verkaufsförderung Zu den Sonderaktionen gehören zahlreiche Instrumente wie Gutschei-
naktionen, Preisausschreiben, Preisnachlässe oder Zugaben. Sie zeichnen sich im Allgemei-
nen durch die folgenden Eigenschaften aus:
Sie erregen die Aufmerksamkeit der Kaufinteressenten und liefern Informationen, die
geeignet sind, einen Kauf auszulösen.
Sie bieten starke Anreize zum Kauf, indem sie zusätzlichen Nutzen im Rahmen der Son-
deraktion in Aussicht stellen.
Sie lösen spontane und schnelle Reaktionen aus. Während die Aussage der Werbung
„Kaufen Sie unser Produkt!“ lautet, ist die Aussage der Verkaufsförderung „Kaufen Sie
jetzt!“.
Unternehmen benutzen die Instrumente der Verkaufsförderung häufig, um Produktangebote
besonders zu betonen und somit sinkenden Absatzzahlen entgegenzuwirken. Die Effekte
einer solchen Sonderaktion sind häufig kurzlebig und in der Regel nicht geeignet, langfristige
Produkttreue aufzubauen. Damit das Vorgehen überhaupt funktioniert, müssen die Anbieter
den Verbrauchern echte Vorteile anbieten und bei der Aktion sorgfältig alle Einzelheiten auf-
einander abstimmen.
Öffentlichkeitsarbeit Die Öffentlichkeitsarbeit kann zu einem wichtigen Bestandteil des
Kommunikations-Mix werden. Man versteht darunter alle Aktivitäten, bei denen das Unter-
nehmen mit der Zielgruppe kommuniziert, aber nicht direkt dafür bezahlt. Eine geschickt
gestaltete Öffentlichkeitsarbeit hat die folgenden Vorteile:
Öffentlichkeitsarbeit ist glaubhaft: Berichte von Ereignissen oder über den Einsatz von
Produkten fallen oft realistischer aus als in der Werbung, werden von der Zielgruppe als
unabhängig wahrgenommen und überzeugen deshalb eher.
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14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix
Tesco ist nicht nur die Nummer eins unter den britischen Supermarktketten, sondern
auch bekannt für seine breit angelegten Marketingaktivitäten, in denen mehrere Pro-
duktlinien im Mix über verschiedene Medien beworben werden. Viele sind erstaunt,
wie es Tesco gelingt, regelmäßig seine Konkurrenten auszustechen – darunter Asda/
Walmart, Morrison und Sainsbury, ALDI und Lidl folgen dahinter. Die Antwort liegt
nahe: durch eine brillant zusammengestellte Marketing- und Kommunikationsstrategie.
Obwohl der Erfolg der Organisation auch mit dem Gesamtpaket des Marketingkonzepts
zusammenhängen kann – einschließlich einer sehr effektiven Abstimmung sämtlicher
Elemente des Marketing-Mix –, ist der Anteil der Marketingkommunikationsstrategie in
dieser Hinsicht beachtlich.
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14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix
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14 Integrierte Marketingkommunikation
Groß- und
Hersteller Einzelhandel Käufer
Marketingaktivitäten Marketingaktivitäten
des Herstellers: des Handels: Werbung,
Außendienst, Messen usw. Verkaufsgespräch,
Sonderaktionen usw.
Bei einer Push-Strategie wird das Produkt durch die Vertriebskanäle hin zum Endverbrau-
cher gewissermaßen „geschoben“. Der Hersteller richtet seine Marketingaktivitäten (haupt-
sächlich der persönliche Verkauf und Verkaufsförderungsaktionen) an andere Mitglieder des
Absatzkanals (zum Beispiel den Handel), um sie dazu zu bringen, das Produkt zu listen und
es an den Endverbraucher zu bringen. Bei der Pull-Strategie richtet der Anbieter den über-
wiegenden Teil seiner Marketingaktivitäten auf die Käufer oder Endverbraucher (hauptsäch-
lich Werbung und Verkaufsförderungsaktionen), um diese zu veranlassen, sein Produkt zu
kaufen.
Wenn die Pull-Strategie funktioniert, fragen die Kaufinteressenten das angebotene Produkt
bei Mitgliedern des Absatzkanals nach, die ihren Bedarf wiederum beim Hersteller deutlich
machen. Auf diese Weise wird das Produkt durch den Absatzkanal „gezogen“.
Einige kleinere Hersteller hoch spezialisierter Industriegüter beschränken sich auf Push-Stra-
tegien. Die großen Markenhersteller benutzen in der Regel beide Strategien. Sie betreiben
aufmerksamkeitsstarke Werbung in den Medien, damit ihre Produkte im Handel nachgefragt
werden (Pull-Strategie). Parallel dazu betreut der Verkaufsaußendienst die Handelspartner
(Push-Strategie). Zusätzlich initiieren Unternehmen oft Sonderaktionen, beispielsweise Son-
derrabatte usw., sodass für die Vertriebskanäle noch mehr Anlass besteht, den Verkauf ihrer
Produkte zu forcieren.
In den letzten Jahren ließ sich beobachten, dass insbesondere bei Konsumgüteranbietern eine
Verschiebung des Schwerpunkts von den Pull-Strategien hin zu Strategien mit Push-Kompo-
nenten stattgefunden hat. Kampagnen in Massenmedien sind teuer. Viele Unternehmen stel-
len zudem fest, dass Werbung über Massenmedien an Effektivität verliert. Als Folge davon
werden die Anstrengungen zur Segmentierung der Märkte erhöht und Marketingprogramme
konzipiert, die spezifischer auf die Zielgruppen zugeschnitten sind. Schließlich erschweren
die vielen Markenausdehnungen und „Me too“-Produkte eine Differenzierung durch die
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14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix
Werbung. Stattdessen wird eine Differenzierung häufig über Preisreduktionen, Zugaben und
andere Verkaufshilfen für den Handel angestrebt.
Maßgebend für diese Entwicklung von Pull- zu Push-Strategien ist die wachsende Macht des
Handels. Große Handelsketten in Europa oder Nordamerika haben es zunehmend leichter,
Informationen über Absatz und erzielte Gewinne zu erhalten, und bekommen daher weitge-
hend alles von den Herstellern, was sie verlangen. Und das sind vor allem höhere Spannen –
was mehr „Push“ bedeutet. Endverbraucherwerbung geht am Handel vorbei, während ihm
die Push-Maßnahmen direkt zugutekommen. Verbraucher-Promotions erhöhen kurzfristig
den Umsatz des Handels und bares Geld aus den Handelskonditionen erhöht seinen Gewinn.
Damit sind Hersteller gezwungen, sich auf Push-Strategien einzulassen, um sich einen guten
Platz im Verkaufsregal zu sichern.
Ein unerbittlicher Wettbewerb über Preise und Konditionen für den Handel führt allerdings
zu einer Spirale, an deren Ende nur wenig Geld für Produktentwicklung, Verpackung und
Werbung übrig bleibt. Gerade dies ist aber nötig, um langfristig die Kundenpräferenz für das
eigene Produkt sowie die Treue der Verbraucher sicherzustellen. Einem Produkt das Werbe-
budget zugunsten von Sonderaktionen im Handel zu streichen, kann langfristig bedeuten,
die Zukunft der Marke zugunsten kurzfristiger Vorteile zu gefährden. Push-Strategien wer-
den zwar zukünftig ihre Bedeutung beibehalten, es werden jedoch diejenigen Unternehmen
langfristig den Kampf um zufriedene und treue Verbraucher gewinnen, die es verstehen,
beide Strategien geschickt zu kombinieren, das heißt, einerseits in konsistente Werbung zu
investieren, um langfristig einen Markenwert und eine entsprechende Verbraucherpräferenz
zu schaffen, und andererseits gemeinsame Sonderaktionen mit dem Handel zu initiieren, um
dessen Engagement, aber auch eine erhöhte Aktivierung der Verbraucher zu erreichen.
Verkaufsgespräch
Werbung
(überwiegend Außendienst)
Verkaufsförderung Verkaufsförderung
Marketing für Marketing für
Konsumgüter Industriegüter
Verkaufsgespräch (Business-to- Werbung
Business-
Marketing)
Öffentlich- Öffentlich-
keitsarbeit keitsarbeit
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14 Integrierte Marketingkommunikation
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14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix
beispielsweise ist mit umfangreichen Schulungen für die Handelspartner und das Verkaufs-
personal verbunden.
In der Wachstumsphase werden Werbung und Öffentlichkeitsarbeit weiterhin auf hohem
Niveau beibehalten. Aktionen der Verkaufsförderung dagegen können zurückgenommen wer-
den, weil nicht mehr so viele Anreize nötig sind. In der Reifephase nimmt die Bedeutung der
Verkaufsförderung in Relation zur Werbung wieder zu. Den Kaufinteressenten sind Marke
und Produkt bekannt, Werbung ist gewissermaßen nur zur Erinnerung nötig. In der Phase des
Auslaufens wird die Werbung lediglich zur Erinnerung eingesetzt, Öffentlichkeitsarbeit wird
vernachlässigt und der Außendienst schenkt dem Produkt keine große Aufmerksamkeit
mehr. Verkaufsförderungsaktionen hingegen werden gelegentlich massiv eingesetzt, um bei-
spielsweise den Abverkauf von noch vorhandenen Lagerbeständen zu beschleunigen.
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14 Integrierte Marketingkommunikation
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14.7 Marketingkommunikation und gesellschaftliche Verantwortung
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14 Integrierte Marketingkommunikation
ZUSAMMENFASSUNG
Marketing verlangt mehr, als nur ein gutes Produkt zu einem attraktiven Preis zu entwi-
ckeln und es dann für die Zielgruppe verfügbar zu machen. Unternehmen müssen mit
ihren vorhandenen und mit potenziellen Kunden kommunizieren, und was sie kommu-
nizieren, darf nicht dem Zufall überlassen bleiben. Für die meisten Unternehmen lautet
die Frage nicht, ob kommuniziert werden soll, sondern wie viel die Kommunikation
kosten darf und welche Instrumente genutzt werden sollen.
In diesem Kapitel definierten wir den Kommunikations-Mix als eine geplante Mischung
aus
Werbung,
persönlichem Verkauf,
Verkaufsförderung,
Öffentlichkeitsarbeit und
digitalem Marketing und Direktmarketing.
Diesen Mix setzen Unternehmen ein, um ihre Werbe- und Marketingziele effizient zu
erreichen.
Werbung Zur Werbung gehören alle von einem Auftraggeber bezahlten (nicht persönli-
chen) Präsentationen und Darstellungen von Ideen, Produkten oder Dienstleistungen.
Persönlicher Verkauf Hierunter verstehen wir die mündlich vorgetragene Präsentation
gegenüber einem oder mehreren Kaufinteressenten oder das persönliche Verkaufsge-
spräch, mit dem Zweck, das vorgestellte Produkt oder die präsentierte Dienstleistung zu
verkaufen und eine persönliche Kundenbeziehung aufzubauen.
Verkaufsförderung Verkaufsförderungsmaßnahmen sind kurzfristige Anreize, um dem
Absatz von Produkten oder Dienstleistungen starke Impulse zu geben.
Öffentlichkeitsarbeit Öffentlichkeitsarbeit konzentriert sich darauf, gute Beziehungen
zu den Gruppen, die Interesse am Unternehmen haben, aufzubauen.
Digitales Marketing und Direktmarketing Digitales Marketing und Direktmarketing
beschreiben direkte Beziehungen des Unternehmens zu sorgfältig ausgewählten Kun-
den, um eine unmittelbare Reaktion (response) hervorzurufen und lang anhaltende Kun-
denbeziehungen aufzubauen.
Wir haben die folgenden neun Elemente und die Vorgänge des Kommunikationsprozes-
ses beschrieben:
1. Sender
2. Empfänger
3. Verschlüsselung der Botschaft
4. Entschlüsselung der Botschaft
5. Botschaft
6. Medien
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Zusammenfassung
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14 Integrierte Marketingkommunikation
Das Budget für die Kommunikation muss dann zwischen den einzelnen Instrumenten
aufgeteilt werden, was in einem konkreten Kommunikations-Mix resultiert. Die Einzel-
entscheidungen fallen aufgrund des vorliegenden Markttyps, des beabsichtigten Einsat-
zes einer Push- oder Pull-Strategie, der Kaufbereitschaft der Interessenten oder aufgrund
der Position des angebotenen Gutes im Produktlebenszyklus.
Schließlich sollten sich Marketer der vielen rechtlichen und ethischen Probleme der
Marketingkommunikation bewusst sein. Unternehmen müssen stets bemüht sein, offen
und ehrlich mit ihren Kunden und Geschäftspartnern umzugehen.
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Literatur und Quellen
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nettoumsatzentwicklung-positionen-der-werbetraeger-2013/ [27.04.2015].
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Werbung und Public Relations
(PR)/Öffentlichkeitsarbeit
15.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 15
15.2 Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696
15.3 Grundsatzentscheidungen bei
Werbemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697
ÜBERBLICK
15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema
Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721
15.5 Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . 732
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... die Rolle der Werbung und der Public Relations im Rahmen des Kommunikations-
mix definieren.
... die wichtigsten Entscheidungen bei der Entwicklung einer Werbekampagne erläutern.
... beschreiben, wie Public Relations im Kommunikationsmix die Werbung ergänzen
und unterstützen kann.
... erklären, wie ein Unternehmen Public Relations einsetzen kann, um mit seinen
Zielgruppen in Verbindung zu treten und diese zu beeinflussen.
15.1 Einführung
Nach unserer Analyse, wie eine integrierte Marketingkommunikation geplant werden sollte,
werfen wir nun einen genauen Blick auf die konkreten Instrumente in der Marketingkommu-
nikation. In diesem Kapitel untersuchen wir Werbung und Public Relations (PR) bzw. Öffent-
lichkeitsarbeit. Werbung beinhaltet die Kommunikation des Leistungsversprechens eines
Unternehmens oder einer Marke durch die Nutzung kostenpflichtiger Medien (Paid Media),
über die Verbraucher informiert, überzeugt und erinnert werden. PR beinhaltet den Aufbau
guter Beziehungen zu wichtigen Gruppen außerhalb des Unternehmens – von Kunden und
der Öffentlichkeit bis hin zu den Medien, Investoren, Geldgebern und Regierungen. Wie bei
allen Instrumenten im Kommunikationsmix müssen auch Werbung und PR in das gesamte
Kommunikationsprogramm eingefügt werden. In den Kapiteln 16 und 17 erörtern wir die
weiteren Instrumente im Kommunikationsmix: persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
sowie das digitale Marketing und das Direktmarketing.
Wir starten mit einem Fallbeispiel, das zeigt, wie Coca-Cola in der Vergangenheit mit seinen
Kampagnen immer wieder große Aufmerksamkeit bei Verbrauchern erzielen konnte und wie
es dem Unternehmen gelungen ist, Öffentlichkeitsarbeit mit den sozialen Medien erfolgreich
zu verknüpfen.
Mit seiner Öffentlichkeitsarbeit will Coca-Cola sehr viel mehr erreichen, als nur passive
„Eindrücke“ zu schaffen. Das Unternehmen will Kundenbindung erzeugen und seine
Kunden anregen, sich „auszudrücken“. Laut Joe Tripodi, Marketingchef bei Coca-Cola,
liegt das PR-Ziel darin, „eine Information zu kommunizieren, die auf sehr breiter Front
geteilt wird und im Internet eine Vielzahl von Ad Impressions erzeugt – und dann, ganz
entscheidend, zu Kommentaren von Verbrauchern führt, die sich einbringen und die
Geschichte groß machen. Schließlich wird das Produkt dann gekauft.“ Dies kann als das
„Impression-Expression-Kauf“-Prinzip bezeichnet werden. Das bedeutet, Coca-Cola
nutzt die Öffentlichkeitsarbeit zur Kundenbindung und tritt in einen Dialog mit seinen
Kunden ein, sodass diese selbst dazu angeregt werden, die Markenbotschaft „Mach dir
Freude auf“ weiterzutragen.
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15.1 Einführung
Nehmen wir nur Coca-Colas „Hug Me“-Kampagne, in der das Unternehmen über Nacht
einen „Freude-Automaten“ in einer Universität in Singapur aufgestellt hat. Der Automat
war leuchtend rot und trug die unverwechselbare weiße Wellenlinie, hatte jedoch
weder ein Coca-Cola-Logo, noch einen Geldschlitz, noch Knöpfe für die Auswahl der
Getränke. Nur die Wörter „Hug me“ (umarme mich) waren in großen weißen Buchsta-
ben mit dem typischen Coca-Cola-Schriftzug aufgedruckt. Mit versteckter Kamera fing
Coca-Cola die skeptischen Reaktionen der Passanten ein, die sich zunächst einmal wun-
derten, dann langsam auf den Automaten zugingen und ihn schließlich mit einem
Lächeln im Gesicht umarmten. Als Dank für diese einfache Form der Freude warf der
Automat wie durch Magie eine kostenlose, herrlich kalte Dose Coca-Cola aus.
Das „Hug me“-Video zeigt, wie eine Person nach der anderen den Automaten umarmt,
eine Coke bekommt und ihre Freude mit anderen Menschen teilt. Coca-Cola stellte das
Video online, zog sich dann zurück und überließ den Rest den Medien und Verbrau-
chern. Innerhalb von einer Woche hatte das Video 112 Millionen Ad Impressions
erzeugt. Angesichts der niedrigen Kosten für die Gratis-Coke und die Produktion des
Videos waren die Aufwendungen je erzeugter Ad Impression damit erstaunlich gering.
Wertvoller als das war allerdings der beträchtliche Umfang an Ausdrücken, der darauf
folgte – zum Beispiel durch „Liken“ und Teilen des Videos. „Der Hug-Me-Automat von
Coca-Cola ist eine einfache Idee, Freude zu verbreiten“, so ein Marketingfachmann bei
Coca-Cola. „Mit unserer Strategie bringen wir kleine Dosen Freude unters Volk, auf eine
unerwartete und innovative Weise … und Freude ist ansteckend.“
Die „Hug me“-Kampagne war nur die jüngste in einer ganzen Reihe ähnlich gelagerter
PR-Maßnahmen von Coca-Cola, bei der die Kunden mit eingebunden wurden. Am
Valentinstag stellte das Unternehmen einen präparierten Verkaufsautomaten mitten in
einem gut besuchten Einkaufszentrum auf. Der Automat warf kostenlose Cokes für alle
Paare aus, die ihren Beziehungsstatus durch eine Umarmung oder einen Kuss bestätig-
ten. Vor einigen Jahren spendierte ein anderer „Happiness“-Automat auf einem Univer-
sitätsgelände so ziemlich alles von gratis Coke über Popcorn, Pizza, Blumen, Händedrü-
cken bis hin zu Polaroid-Fotos. Mit regelmäßig ertönenden „Volltreffer“-Klingeltönen
gab der Automat auch Dutzende von Coke-Dosen und ein langes Blech voll bunter Cup-
cakes aus. Diese unerwarteten Aktionen sorgten bei den Menschen nicht nur für sponta-
nes Lächeln und Fröhlichkeit, die Beschenkten konnten es auch kaum erwarten, ihr
Glück und die verrückte Geschichte mit jedem zu teilen – und so die Botschaft der
Freude von Coca-Cola zu verbreiten.
Coca-Cola brachte noch viele andere PR-Kampagnen auf Basis des „Ad Impression-
Expression-Kauf“-Prinzips auf den Markt, um den Markendialog zu fördern. In seiner
„Project Connect“-Kampagne druckte das Unternehmen 150 gängige Vornamen auf die
Coke-Dosen. Mit dieser Aktion sorgte es dafür, dass Hunderttausende von Kunden die
Coca-Cola-Regale in den Supermärkten nach Dosen mit ihrem Namen durchwühlten.
Die langjährige „Arctic Home“-Kampagne von Coca-Cola nutzt die Macht der öffentli-
chen Aufmerksamkeit und sozialer Medien, um Kundenbindung durch die Integration
der Marke in einen kulturellen Bezug zu erzeugen. In dieser Kampagne arbeitete Coca-
Cola mit dem World Wildlife Fund (WWF) zusammen, um den Lebensraum von Eisbä-
ren zu schützen – ein Engagement, das hervorragend zu den digital erzeugten Eisbären
passt, die Coca-Cola schon seit vielen Jahren als „tierische Markenbotschafter“ in seiner
Werbung einsetzt.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
Fragen:
1. Wie würden Sie die PR-Strategie von Coca-Cola in diesem Fall zusammenfassen
und wie verhält sich diese zu dem Ansatz einer integrierten Marketingkommunika-
tion?
2. Welche Nachteile sehen Sie bei dieser PR-basierten Kommunikationsstrategie im
Gegensatz zum herkömmlichen Ansatz der Medienwerbung?
3. War die Kommunikationsstrategie von Coca-Cola effektiv? Begründen Sie Ihre Ant-
wort.
Wie das Beispiel Coca-Cola zeigt, müssen Unternehmen mehr leisten, als lediglich gute Pro-
dukte oder Dienstleistungen anzubieten. Sie sollten den Verbraucher über den Nutzen des
Produkts oder der Dienstleistung informieren und diesen sorgfältig im Bewusstsein des Ver-
brauchers verankern. Hierfür nutzt man zumeist Massenmedien wie Werbung und PR/
Öffentlichkeitsarbeit.
15.2 Werbung
Werbung kann bis zu den Anfängen des Handels zurückverfolgt werden. Archäologen haben
rund um das Mittelmeer immer wieder Zeichen oder Bilder gefunden, die auf besondere
Angebote oder Veranstaltungen hinweisen. Die Römer bemalten Mauern, um auf Gladiato-
ren-Kämpfe aufmerksam zu machen, die Phönizier malten ihre Handelswaren auf große Fel-
sen an den Wegen von Paraden, und in Pompeji entdeckte man das Gemälde eines Politikers,
der für Stimmen warb.
696
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
Als Werbung definieren wir alle bezahlten Formen nicht persönlicher Präsentation und För-
derung von Ideen, Gütern oder Dienstleistungen durch einen identifizierbaren Absender.
Der Werbemarkt ist ein beträchtlicher Wirtschaftsfaktor. Die globalen Werbeausgaben für das
Jahr 2019 werden auf rund 588 Milliarden US-Dollar geschätzt. Etwa 243 Milliarden US-Dol-
lar sollen allein auf die digitale Branche entfallen.1 Weltweit entfällt mit Abstand der größte
Anteil der Werbeinvestitionen auf die USA, gefolgt von den nächst größeren Werbemärkten
China, Japan, Großbritannien und Deutschland.2
Werbung wird betrieben, um bei der Zielgruppe eine bestimmte Reaktion hervorzurufen. Die
erwünschte Reaktion kann zum einen ein gewolltes Verhalten sein: Endverbraucher sollen
bestimmte Produkte kaufen oder ihren Verbrauch bei diesen Produkten erhöhen. Sie kann
aber ebenso eine Meinungsänderung sein. Zum Beispiel soll der Beworbene seine Einstel-
lung gegenüber einer Institution ändern. Werbung wird daher nicht nur von Unternehmen,
sondern auch von einer großen Anzahl von gesellschaftlichen Institutionen wie Stiftungen,
Museen, dem Roten Kreuz oder den Kirchen dazu verwendet, Aufgaben und Ziele dieser
Organisation den verschiedenen Zielgruppen deutlich zu machen. Werbung ist ein geeigne-
tes Instrument, um zu informieren oder zu überzeugen, sei es, dass man Präferenzen für eine
bestimmte Handymarke aufbauen will oder dass man Raucher darin bestärken will, ihre
Gewohnheit aufzugeben.
Werbung wird, abhängig von der Organisation, auf verschiedene Art und Weise eingesetzt. In
kleinen und mittleren Unternehmen kann der Aufgabenbereich Werbung innerhalb des Ver-
triebs angesiedelt bzw. durch dessen Tätigkeiten abgedeckt sein. Großunternehmen richten
eigene Werbeabteilungen ein, die dann das Werbebudget verwalten, ggf. Kommunikations-
maßnahmen selbstverantwortlich durchführen und als Ansprechpartner für externe Werbe-
agenturen dienen.
Werbestrategie
1 https://www.horizont.net/marketing/nachrichten/Prognose-Group-M-geht-von-geringem-Wachs-
tum-im-globalen-Werbemarkt-aus-167850, Zugriff am 10.10.2018.
2 https://weischer.media/de/de/trends-und-innovationen/news/werbeausgaben-wachsen-weltweit-
weiter/, Zugriff am 10.10.2018.
697
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
Ähnlich berichtet die IVW über zahlreiche andere Werbeträger. Der Bericht über die
Printmedien im dritten Quartal 2018 enthält folgende Zahlen:
698
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
Publikumszeitschriften Auflage
Verbreitung 94.607.205*
Verkauf 87.500.384*
Abonnement 42.756.130*
Einzelverkauf 31.638.989*
Lesezirkel 3.737.362
Bordexemplare (in Flugzeugen etc.) 1.679.867*
Sonstiger Verkauf 7.688.036*
Fachzeitschriften Auflage
Verbreitung 18.886.665*
Verkauf 9.620.289*
Abonnement 8.492.215*
Einzelverkauf 72.442*
Lesezirkel
Bordexemplare (in Flugzeugen etc.) 42.934*
Sonstiger Verkauf 1.012.698*
Kundenzeitschriften Auflage
Verbreitung 42.862.018
Verkauf 33.298.905
Abonnement 282.304
Einzelverkauf 49.575
Lesezirkel
Bordexemplare (in Flugzeugen etc.)
Sonstiger Verkauf 79.835
Tabelle 15.2: Auflagen deutscher Printmedien im dritten Quartal 2018 (* enthält ePaper-Verkäufe)
699
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
700
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
701
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
Quellen:
Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW), Webseite
unter: www.ivw.eu [01.11.2018]
http://meedia.de/2016/10/20/ivw-blitz-analyse-zeitungen-bild-welt-und-f-a-s-verlieren-mehr-als-
10-bei-den-abos-und-am-kiosk/ [12.02.2018]
http://www.ivw.eu/print/quartalsauflagen/pressemitteilungen/auflagenzahlen-des-3-quartals-2018
[01.11.2018]
http://ausweisung.ivw-online.de/index.php?i=10&mz_szm=201809&pis=0&az_fil-
ter=0&kat1=0&kat2=0&kat3=0&kat4=0&kat5=0&kat6=0&kat7=0&kat8=0&sort=vgd&suche=
[01.11.2018]
Ein Werbeziel ist eine genau umrissene Kommunikationsaufgabe, die gegenüber einer festge-
legten Zielgruppe in einem bestimmten Zeitabschnitt durchgeführt werden soll. Grundsätz-
lich lassen sich mit Werbung drei Kategorien von Zielen verfolgen, und zwar zu informieren,
zu überzeugen oder zu erinnern.
Informierende Werbung
Den Nutzen für den Kunden kommunizieren. Zusätzliche Dienstleistungen beschreiben.
Über ein neues Produkt informieren. Unrichtige Eindrücke korrigieren.
Neue Verwendungen für ein Produkt vorschlagen. Ein Unternehmensimage aufbauen.
Erklären, wie das Produkt funktioniert. Über eine Preisänderung informieren.
Überzeugende Werbung
Eine Markenpräferenz aufbauen. Zum sofortigen Kauf animieren.
Einen Wechsel zur eigenen Marke initiieren. Zum Empfang eines Außendienstmitarbeiters animie-
Einstellungen bezüglich Produktattributen verändern. ren.
Kunden davon überzeugen, anderen von ihren Erfah-
rungen zu berichten.
Erinnernde Werbung
Daran erinnern, dass das Produkt in naher Zukunft An das Produkt erinnern oder das Interesse am Produkt
benötigt werden könnte. wiederbeleben (z. B. bei Saisonprodukten, Saisonferien-
Daran erinnern, wo man das Produkt kaufen kann. orten usw.).
Produktbekanntheit auf hohem Niveau halten.
Tabelle 15.4: Mögliche Ziele der Werbung
702
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
anderen vor, dass die Anzeigen irreführend sind. Diese Vorgehensweise ist in Großbritannien
und in den USA legal, aber in den meisten europäischen Ländern nur mit starken Einschrän-
kungen erlaubt. Trotzdem verwenden in Europa insbesondere Autohersteller und -vermie-
tungen diese Art der Werbung besonders gerne. Vergleichende Werbung wird voraussichtlich
immer in der einen oder anderen Art existieren, da die meiste Werbung im Grundsatz ver-
gleichend ist – schließlich ist das Ziel der Werbung, den Konsumenten davon zu überzeugen,
dass das eine Angebot besser als ein anderes ist.
Ein anderes Beispiel kommt vom Tabletmarkt. Amazon hat 2013 sein neu auf dem Markt
erschienenes Kindle Tablet beworben. Die Werbung wirkt in den ersten Sekunden, als wäre
sie für das iPad, entpuppt sich aber schnell als Vergleich zwischen den zwei Konkurrenzpro-
dukten. „Fantastisches HD auf dem iPad“, „fantastisches HD auf dem Kindle Fire“, sagt eine
Stimme im Hintergrund, während auf beiden Tablets gestochen scharfe Bilder von Blüten-
blättern und Feuerwerk gezeigt werden. Erst am Ende des Spots wird ein Unterschied klar,
der Kindle ist gut 200 Euro günstiger. Im deutschen Fernsehen ist solche vergleichende Wer-
bung eher selten zu sehen und so verwundert es kaum, dass man sich fragt: „Dürfen die das
denn überhaupt?“ Der in Deutschland Geltung findende Kriterienkatalog für vergleichende
Werbung schreibt vor, dass die Aussagen nur nachweisbare Fakten beinhalten dürfen und
den Konkurrenten weder verunglimpfen noch herabsetzen. „Der Kriterienkatalog ist so
unklar, dass man sich bei vergleichender Werbung auf juristisches Glatteis begibt“, sagt Vol-
ker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft. Er sehe grundsätz-
lich mehr Chancen und Vorteile, mit eigenen Stärken zu werben. „Wenn bei dem Vergleich
irgendetwas schräg oder missverständlich ist, bin ich am Ende der Dumme, weil der Verbrau-
cher mir das negativ ankreidet. Oder er merkt sich möglicherweise nur das, was ich Gutes
über den Mitbewerber sage“, erläutert Nickel. Um mögliche rechtliche Folgen zu umschiffen,
hat Amazon den Spot etwas abgeschwächt. „Wahrscheinlich können Sie gar keinen Unter-
schied erkennen“, heißt es in dem überarbeiteten Spot vage, „aber ihr Portemonnaie ganz
bestimmt“. Seitens Apple ist wohl kaum ein rechtlicher Schritt gegen Amazon zu erwarten,
da das Unternehmen härtere Töne aus dem Heimatland gewohnt ist.
Erinnernde Werbung Erinnernde Werbung ist wichtig für Produkte, die schon lange auf dem
Markt sind, weil sie die Käufer wieder an das Produkt heranführen soll. Gelegentlich hat
erinnernde Werbung auch zum Ziel, Kunden, die das Produkt gekauft haben, davon zu über-
zeugen, dass sie die richtige Wahl getroffen haben.
Ziel der Werbung ist es, den Verbraucher durch die verschiedenen Stufen der Kaufbereit-
schaft zu führen, die in den vorangestellten Kapiteln diskutiert wurden. Werbung kann so
gestaltet werden, dass sie die Zielgruppe zu einer zeitnahen Aktion bewegt. Beispielsweise
soll eine Anzeige für Sonderangebote eines Supermarkts in der lokalen Zeitung zu einem
direkten Kauf animieren. Andere Maßnahmen hingegen fokussieren auf den Aufbau oder die
Stärkung lange andauernder Kundenbeziehungen. Zum Beispiel hat ein TV-Spot von Nike, in
dem berühmte Athleten Sport nach dem Motto „Just do it“ treiben, nie den sofortigen Kauf
zum Ziel. Letzteres besteht vielmehr darin, langfristig ein bestimmtes Image der Marke bei
den Konsumenten aufzubauen.
703
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
wurden schon im vorigen Kapitel besprochen. Ergänzend beschreiben wir hier noch einige
spezifische Faktoren, die bei der Festlegung des Budgets berücksichtigt werden sollten.
Position innerhalb des Produktlebenszyklus Neue Produkte benötigen umfangreiche Werbe-
budgets, um erst einmal bekannt zu werden und die Verbraucher zu veranlassen, das Produkt
auszuprobieren. Bei Produkten in der Reifephase reicht hingegen ein im Verhältnis zum
Umsatz niedrigeres Budget aus.
Marktanteil des Produkts Zum Aufbau eines neuen Markts oder zur Eroberung von Marktan-
teilen der Konkurrenten bedarf es in der Regel höherer Werbeausgaben als zum Halten eines
bestehenden Marktanteils. Produkte mit hohem Marktanteil benötigen deshalb zumeist einen
niedrigeren Prozentsatz an Werbung im Verhältnis zum Umsatz als Produkte mit niedrigem
Marktanteil.
Wettbewerbsintensität Auf einem Markt mit vielen Konkurrenten und hohen Werbeausgaben
aller Beteiligten muss vom einzelnen Unternehmen mehr für Werbung ausgegeben werden,
um von den Konsumenten wahrgenommen zu werden.
Häufigkeit der Werbung Wenn es die Werbestrategie ist, den Verbrauchern mit vielen Wie-
derholungen die Botschaft einer Marke nahezubringen, muss das Werbebudget größer sein.
Produktdifferenzierung In Märkten, in denen sich die Produkte sehr stark ähneln, sind ten-
denziell hohe Werbeaufwendungen nötig, um eine Marke besonders herauszustellen. Unter-
scheiden sich Produkte hingegen von den Produkten der Konkurrenz, wird die Werbung nor-
malerweise dafür eingesetzt, diese Unterschiede hervorzuheben.
Unabhängig von der Methode zur Festlegung des Werbebudgets ist die Aufgabe an sich nicht
leicht. Woher soll ein Unternehmen wissen, ob es genau den richtigen Betrag für Werbung aus-
gibt? Einige Kritiker sind der Ansicht, dass die großen Konsumgüterunternehmen dazu tendie-
ren, zu viel für Werbung auszugeben, und dass andererseits viele Hersteller von Industriegütern
zu wenig Werbung treiben. Sie behaupten weiterhin, dass die großen Konsumgüterunternehmen
Imagewerbung massiv einsetzen, ohne die Wirkungen genau zu kennen. Es wird einfach sehr viel
Geld für Werbung aufgewendet, um eine Art Versicherung dagegen zu haben, zu wenig auszuge-
ben. Weiterhin verlassen sich laut Meinung der Kritiker die Anbieter im Marketing von Industrie-
gütern und Vorleistungen zu sehr auf ihren Vertrieb und vernachlässigen die Chancen, die ihnen
eine gut durchdachte Werbung im Vorfeld des Verkaufs bieten könnte.
Unternehmen wie Coca-Cola, Unilever und Kraft haben komplexe statistische Modelle ent-
wickelt, um die Beziehung zwischen den Ausgaben für Werbung und dem Umsatz genauer
zu bestimmen und somit auch die optimale Mittelverteilung über die verschiedenen Medien
zu definieren. Da aber unendlich viele Faktoren die Effektivität von Werbung beeinflussen
und nur einige davon vom Unternehmen gesteuert werden können, bleibt die Messung des
Erfolgs von Werbung ein ungenaues Unterfangen.
Dies führt dazu, dass das Budget für Werbung eines der am schnellsten und leichtesten zu kür-
zenden Budgets in Krisenzeiten ist. Denn Einschnitte bei der Werbung zum Zwecke des Mar-
kenaufbaus scheinen den Umsatz auf kurze Sicht kaum zu beeinträchtigen. So fielen die Aus-
gaben für Anzeigenschaltung in den USA in Folge der Wirtschaftskrise und Rezession um 12
Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Während der Krise in der Eurozone und dem übrigen West-
europa Anfang der 2010er-Jahre sahen sich Unternehmen veranlasst, die Kosten für Anzeigen-
schaltungen zu kürzen. Auf lange Sicht jedoch wirken sich drastische Einsparungen bei der
Werbung negativ auf das Markenimage sowie den Marktanteil aus. Tatsächlich können Unter-
nehmen, die ihre Ausgaben für Anzeigenwerbung beibehalten oder sogar erhöhen, einen Wett-
bewerbsvorteil gegenüber den Unternehmen verzeichnen, die ihre Ausgaben senken.
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
So steigerte der Fahrzeughersteller Audi im Gegensatz zur Konkurrenz während der letzten
Rezession seine Ausgaben für Marketing und Werbung. Audi „hielt den Fuß auf dem Gaspe-
dal, während alle anderen anhielten“, so ein Leiter der Audi-Werbeabteilung. „Warum soll-
ten wir den Rückwärtsgang einlegen, jetzt da die Branche generell auf die Bremse tritt und
Ausgaben kürzt?“ Letztlich konnte Audi während der Rezession Rekordwerte bei der Mar-
kenbekanntheit und der Kaufabsicht der Kunden erreichen und übertraf damit BMW, Merce-
des und Lexus. Gleichzeitig positionierte sich Audi stark für die Zeit der wirtschaftlichen
Erholung. Heute gehört Audi zu den erfolgreichsten Marken auf dem Fahrzeugmarkt und
rangiert bei den Verkäufen im globalen Luxussegment gleichauf mit BMW und Mercedes.3
3 Siehe dazu Jean Halliday, „Thinking big takes Audi from obscure to awesome“, Advertising Age, 2.
Februar 2009, http://adage.com/print/134234; Chad Thomas und Andreas Cremer, „Audi feels a
need for speed in the US“, Bloomberg Businessweek, 22. November 2010, S. 1 und Kyle Stock, „Audi
swipes BMW’s luxury crown. Keeping it will be harder“, Bloomberg BusinessWeek, 11. März 2014,
www.businessweek.com/articles/2014–03–11/where-audi-will-win-or-lose-the-luxury-car-race.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
che massiven Blöcke im Fernsehen und in anderen Medien haben ein zunehmend feindli-
ches Umfeld für die Werbung geschaffen.4
Einer Studie zufolge sind mehr als 70 Prozent der Amerikaner der Ansicht, dass es zu viel
Fernsehwerbung gibt, 62 Prozent der für Werbung Verantwortlichen glauben, dass Werbe-
spots im Fernsehen an Effektivität verloren haben, und nennen dafür das Werbewirrwarr als
zentralen Grund.5
Zwar sind die Kosten für Werbung außerhalb der Vereinigten Staaten meist niedriger, aber
europäische Werbetreibende geraten aufgrund der zunehmend fragmentierten Werbemedien
unter einen ähnlichen Druck wie ihre amerikanischen Kollegen. Noch vor einiger Zeit waren
die Fernsehzuschauer den Werbetreibenden praktisch ausgeliefert. Doch angesichts der digi-
talen Revolution haben Konsumenten inzwischen eine umfangreiche Auswahl an Unterhal-
tung und Informationen. Technische Entwicklungen wie Kabel- und Satelliten-Fernsehen,
das Internet, Video on Demand (VOD), das Streamen von Videos sowie Tablets und Smart-
phones haben dazu geführt, dass die Zuschauer eine Vielzahl neuer Möglichkeiten haben.
Mithilfe digitaler Technologien können Konsumenten heute selbst bestimmen, was sie sehen
möchten und was nicht. Dank der Verbreitung von digitalen Videorekordern (DVR) können
Verbraucher sich bewusst dafür entscheiden, keine Werbung zu sehen. Die Hälfte aller ameri-
kanischen Haushalte verfügt inzwischen über ein DVR-System und zwei Drittel aller Besitzer
solcher Geräte nutzen die Möglichkeit, Werbung auszublenden. Gleichzeitig nehmen der
Download und das Streamen von Videos immer weiter zu, sodass Zuschauer selbst bestim-
men können, wann sie Unterhaltung wünschen – mit oder ohne Werbung.6
Hinzu kommt, dass die Globalisierung des weltweiten Technologiemarkts zu einer raschen
Verbreitung dieser Technologie auf der ganzen Welt geführt hat. Infolgedessen können Wer-
betreibende nicht mehr mit den alten konventionellen Werbebotschaften arbeiten, um die
Konsumenten mit traditionellen Medientypen zu erreichen. Heutige Werbebotschaften müs-
sen besser geplant sein, viel einfallsreicher und unterhaltsamer und sie müssen emotional
fesselnd sein, damit sie Aufmerksamkeit erzeugen und diese beibehalten. Es reicht nicht
mehr, Konsumenten während einer Tätigkeit einfach zu unterbrechen oder zu stören. Sofern
die heutige Werbung keine Informationen erhält, die für sie in irgendeiner Weise interessant,
nützlich oder unterhaltsam ist, werden Konsumenten sich dieser einfach entziehen.
4 „Results of 4A’s 2011 television production cost survey“, 22. Januar 2013, www.aaaa.org/news/bul-
letins/pages/tvprod_01222013.aspx; Sam Thielman, „The new hour is 43 minutes long“, Adweek,
24. Juni 2013, S. 12; Jeanine Poggi, „TV ad prices“, Advertising Age, 20. Oktober 2013, http://ada-
ge.com/print/244832 sowie „Who bought what in Super Bowl XLVIII“, Advertising Age, 3. Februar
2014, http://adage.com/print/244024.
5 „Advertising in the U.S.: Synovate Global Survey shows Internet, innovation and online privacy a
must“, 3. Dezember 2009, Zugriff auf www.synovate.com/news/article/2009/12/advertising-in-theus-
synovate-global-survey-shows-internet-innovation-and-onlineprivacy-a-must.html und Katy Bach-
man, „Survey: clutter causing TV ads to lack effectiveness“, MediaWeek, 8. Februar 2010.
6 Caleb Garling, „How television advertising deals with DVRs destroying their business“, SFGate, 27.
Dezember 2013, http://blog.sfgate.com/techchron/2013/12/27/dvr-advertisements/ und „No hard-
ware, no problem: VOD lets users time-shift with ease“, 9. September 2013, www.nielsen.com/us/en/
newswire/2013/no-hardware-no-problem-vodlets-users-time-shift-with-ease.html.
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
7 „Real beauty shines through: Dove wins Titanium Grand Prix, 163 million views on YouTube“, Goo-
gle: Think Insights, Juni 2013, www.thinkwithgoogle.com/case-studies/dove-real-beauty-sketches.ht-
ml; Nina Bahadur, „Dove ‘Real Beauty’ campaign turns 10: How a brand tried to change the
conversation about female beauty“, Huffington Post, 6. Februar 2014, www.huffingtonpost.com/
2014/01/21/dove-realbeauty-campaign-turns-10_n_4575940.tml und www.youtube.com/watch?v=
XpaOjMXyJGk, Zugriff Juni 2014.
8 Siehe Alessandra Stanley, „Commercials you can’t zap“, New York Times, 7. Juni 2009, S. MT1; Sam
Schechner und Suzanne Vranica, „IPad gets star turn in television comedy“, Wall Street Journal, 2.
April 2010, S. B8 und Rupal Parekh, „Why long-form ads are the wave of the future“, Advertising
Age, 3. Mai 2010, Zugriff auf http://adage.com/madisonandvine/article?article_id=143603.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
zeuge in der Transformers-Reihe, das überall sichtbare Purina Welpenfutter in „Marley & Me"
oder die ständig auftauchenden Marken wie Audi, Oracle oder LG in „Iron Man 2").
Sieht man genauer hin, kann man Produktplatzierungen auch in Videospielen, Comics, Bro-
adway Musicals und sogar in der Popmusik entdecken. So gibt es eine Szene mitten im zehn-
minütigen Lady-Gaga-Video zum Song „Telephone“, in der Sandwiches mit Wonder Bread
und Miracle Whip zubereitet werden (das Video wurde auf YouTube in nicht einmal einem
Monat mehr als 50 Millionen Mal angesehen).
Während sie in den US-Medien schon am weitesten entwickelt und fortgeschritten sind,
breiten sich die Kommunikationsmethoden der Produktplatzierung auch rasant nach Europa
aus. Seit der Lockerung der europäischen Gesetze im Jahr 2007 nutzen auch Unternehmen in
Frankreich, Spanien und Deutschland das Instrument der Produktplatzierung. Mit der neuen
EU-Gesetzgebung nähert sich Europa weitgehend den Regulierungen der USA zur Produkt-
platzierung an. Im Jahr 2011 wurde Produktplatzierung durch die neuen Gesetze erstmals
auch im Vereinigten Königreich zulässig. Dennoch muss auf den Bildschirmen zu Beginn
und am Ende der Sendung sowie zwischen den Werbepausen das „P“-Logo eingeblendet
werden, um die Zuschauer auf die Produktplatzierung hinzuweisen, und die britische Regu-
lierungsstelle Ofcom setzt konsequentere Regelungen und Beschränkungen durch als die
Behörden der meisten anderen Länder (Kindersendungen und religiöse Programme sind aus-
genommen, ferner sind bestimmte Produkte wie Computerspiele und Alkohol von der Pro-
duktplatzierung ausgeschlossen).9
Es gibt also eine neue Schnittstelle für die Werbe- und die Unterhaltungsbranche. Sie zielt
darauf ab, Markenbotschaften zu einem Teil der Unterhaltung zu machen, statt diese zu
unterbrechen. Wie es die Werbeagentur JWT ausdrückt: „Wir glauben, dass Werbung die
Menschen nicht länger stören darf, wenn sie ihre Interessen verfolgen, sondern sie selbst zu
einem Interesse werden muss.“ Doch Werbeverantwortliche müssen achtgeben, dass diese
neue Schnittstelle nicht überstrapaziert wird. Angesichts all der neuen Formate und Pro-
duktplatzierungen droht dieses neue Konzept sogar noch mehr Chaos zu erzeugen, als es
ursprünglich beseitigen sollte. An dieser Stelle könnten sich Verbraucher entschließen, einen
anderen Weg einzuschlagen.
9 David Gelles und Tim Bradshaw, „When props pay for production“, Financial Times, 1. März 2011,
S. 16.
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
che häufig auch „Big Idea“ genannt – vorstellen, das die Werbebotschaft in hervorstechender
und einprägsamer Weise zum Leben erweckt. Normalerweise entwickeln der Texter und der
„Art Director“ einer Kampagne gemeinsam eine Vielzahl neuer kreativer Konzepte, in der
Hoffnung, dass eines davon zum Schluss die „Big Idea“ sein wird. Das kreative Konzept ist
dann visuell, textlich oder als Kombination aus beidem umzusetzen.
Der erste Schritt zur Entwicklung einer effektiven Werbestrategie ist die Entscheidung, wel-
che generellen Botschaften an den Verbraucher kommuniziert werden sollen. Im Allgemei-
nen ist der Zweck der Werbung, die Zielgruppe zu einer bestimmten Meinung oder Reaktion
in Bezug auf das Produkt oder das Unternehmen zu bringen. Menschen reagieren prinzipiell
immer nur dann, wenn sie selbst davon einen Vorteil haben. Daher muss die Entwicklung
einer Kommunikationsstrategie mit der Identifizierung der Vorteile für den Kunden begin-
nen. Idealerweise leitet sich die Kommunikationsstrategie direkt aus der Positionierungsstra-
tegie des Unternehmens ab.
Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Typen kreativer Ansätze:
Die Werbebotschaft bezieht sich auf die Positionierung der Marke, z. B. „Vorsprung durch
Technik“ (Audi), „Freude am Fahren“ (BMW).
Die Werbebotschaft soll Motivation wecken, z. B. „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“
(Frankfurter Allgemeine Zeitung).
Die Idee für eine Werbebotschaft kann beispielsweise aus der genauen Kenntnis des Erlebnis-
ses des Kunden mit dem Produkt resultieren, insbesondere in der Phase des Kaufens oder
des Verbrauchens. Die Kreativen, die die Kommunikationsstrategie entwerfen, müssen sich
daher genau mit dem Kunden und dessen Erfahrungen mit dem Produkt befassen. Deshalb
unterhalten sich manche erst einmal mit Käufern, Händlern, Fachleuten und Konkurrenten.
Oder sie versetzen sich in die Lage von Kunden, die das Produkt benutzen, und arbeiten
dann die Vorteile heraus, die der Käufer aus dem Kauf und der Nutzung zieht.
Test und Auswahl der Werbebotschaft Bereits bei der Entwicklung der Botschaft werden ver-
schiedene Slogans getestet. In einem ersten Schritt werden allgemein gültige Aussagen in der
beauftragten Agentur einem größeren Kreis vorgestellt und diskutiert, um deren Wirkung zu
testen. Nach Präsentation beim Auftraggeber wird dann eine besonders geeignete Version
ausgesucht und weiterentwickelt.
Wie soll nun der Marketingverantwortliche die Wirkung der Werbebotschaft bei der Ziel-
gruppe messen? Grundsätzlich sollten Werbereize drei verschiedene Charakteristika haben:
Erstens müssen sie aussagekräftig sein, sodass sie den Nutzen verdeutlichen, der das Pro-
dukt für den Kunden aus der Masse hervorhebt.
Zweitens sollte die Botschaft das beworbene Produkt in besonderer Weise gegenüber dem
Wettbewerb hervorheben und die Unterschiede deutlich machen.
Und drittens muss die Werbebotschaft glaubhaft sein.
Das letztere Ziel ist besonders schwierig zu erreichen, weil viele Kunden an der Wahrhaftig-
keit der Werbung an sich zweifeln. Marketingverantwortliche argumentieren oft, dass aussa-
gefähige und glaubwürdige Vorteile nicht unbedingt die besten sind, um darauf zu fokussie-
ren. Eine Studie hat herausgefunden, dass ein Drittel der Öffentlichkeit Werbebotschaften
grundsätzlich als „unglaubwürdig“ einstuft. Die Skepsis der Verbraucher überrascht nicht,
wenn man bedenkt, dass viele Anzeigen behaupten, ihr eigenes Produkt sei größer, besser
oder würde wesentlich länger halten als das Konkurrenzprodukt. Deshalb legen immer mehr
709
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
Unternehmen bei der Entwicklung von Werbekampagnen Wert auf eine ehrliche und aufrich-
tige Kommunikation zum Endverbraucher.
Ein werbendes Unternehmen sollte daher jede einzelne Werbemaßnahme auf maximale Wir-
kung, Glaubwürdigkeit und Erregung von Aufmerksamkeit überprüfen.
Umsetzung der Werbebotschaft Der Verantwortliche muss nun die Idee („Big Idea“) in eine
Anzeige umsetzen, die die Aufmerksamkeit und das Interesse der Zielgruppe weckt. Dabei
hängt die Wirkung nicht nur davon ab, was gesagt wird, sondern auch davon, wie es gesagt
wird. Die Kreativen müssen den besten Stil, die am besten geeignete Stimmung, die besten
Worte und die beste Platzierung für die Umsetzung der Werbung finden. Die Werbebotschaft
kann mithilfe unterschiedlicher Techniken vermittelt werden:
Die „Slice of life“-Technik zeigt einen Ausschnitt aus dem Alltagsleben, in dem das Pro-
dukt in seinem „normalen“ Umfeld genutzt und gezeigt wird.
Die „Lifestyle“-Technik betont die Passung eines Produkts zu einem bestimmten Lebens-
stil.
Die Fantasie-Technik schafft eine Fantasiewelt um das Produkt oder seine Nutzung
herum.
Die Verwendung von Stimmungen verbindet das Produkt mit einem Bild oder einer Stim-
mung, wie beispielsweise Natur, Schönheit oder Liebe, und macht damit implizit eine
Aussage über das Produkt.
Durch musikalische Untermalung verbindet man das Produkt mit einem bekannten Lied
oder einer Melodie und zielt so darauf ab, die durch die Musik hervorgerufenen Emotio-
nen mit dem Produkt zu assoziieren.
Mittels der „Personality-symbol“-Technik kreiert man einen Charakter, der das Produkt
repräsentiert. Der Charakter kann animiert sein (Wüstenrot-Fuchs, Meister Proper) oder
real (Mac vs. PC, Ronald McDonald).
Die Betonung technischer Expertise verdeutlicht die spezifische Fähigkeit des Unterneh-
mens bei der Herstellung des Produkts.
Die Technik des wissenschaftlichen Beweises nutzt Umfragen oder wissenschaftliche Stu-
dien, um die Verbraucher von der Überlegenheit eines bestimmten Produkts zu überzeu-
gen.
Die „Testimonial“-Technik greift auf eine besonders glaubwürdige oder sympathische Per-
son zurück, die erläutert, warum sie das Produkt besonders schätzt. Dies können sowohl
ganz normale Verbraucher als auch Prominente sein.
Zusätzlich dazu muss für die Werbebotschaft auch eine Grundstimmung definiert werden.
Positive Stimmungen, die beispielsweise an „glücklich sein“, „Erfolg“ oder „Spaß“ erinnern,
sind im Sinne der Werbung wirkungsvoller als negative Stimmungen. Experimente haben
gezeigt, dass negative Stimmungen die Mitglieder der Zielgruppe veranlassen könnten, sich
von der Werbebotschaft abzuwenden, ohne sie wahrzunehmen.
Der Marketingverantwortliche sollte zudem insbesondere darauf achten, Worte zu verwen-
den, die bei der Zielgruppe nicht nur Aufmerksamkeit erlangen, sondern auch leicht erinnert
werden können.
Schließlich spielen noch gestalterische Elemente eine große Rolle für die Wirkung der Wer-
bebotschaft. Die Illustration ist das Erste, was der Leser wahrnimmt. Sie sollte stark genug
sein, um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu ziehen. Die Schlagzeile muss die
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
Angehörigen der spezifischen Zielgruppe anziehen und neugierig machen, den Textblock zu
lesen. Der Textblock sollte knapp, aber präzise formuliert sein und überzeugen. Darüber hin-
aus müssen diese Elemente sorgfältig aufeinander abgestimmt sein und harmonisch zusam-
menwirken.
Selbst wenn diese Forderungen alle erfüllt sind, wird eine Anzeige nur von weniger als 50
Prozent der Betrachter wahrgenommen. Nur 30 Prozent werden sich an die Aussage der
Schlagzeilen erinnern und etwa 25 Prozent werden wissen, wer geworben hat. Weniger als
10 Prozent werden sich mit der gesamten Anzeige beschäftigen und auch die Aussagen aus
dem Textblock lesen. Anzeigen, die Defizite bei der Gestaltung aufweisen, werden nicht ein-
mal diese Ergebnisse erreichen können.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
10 Brian Steinberg, „Viewer-engagement rankings signal change for TV industry“, Advertising Age, 10.
Mai 2010, S. 12.
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
gne neu festgelegt werden. Ein Media-Planer sollte die Unterschiede und die Vor- und Nach-
teile der einzelnen Medien in Bezug auf Reichweite, Kontaktfrequenz und Erinnerungsquali-
tät kennen. Tabelle 15.5 zeigt die Vorteile und Beschränkungen der verschiedenen Medien.
Wie trifft nun der Verantwortliche im Unternehmen oder in der Werbeagentur die richtige
Wahl zwischen den Medien? Media-Planer betrachten viele Faktoren, wenn sie ihre Auswahl
treffen. Die Gewohnheiten der Mitglieder der Zielgruppe werden die Auswahl ebenso beein-
flussen wie die Effektivität, mit der die Zielgruppe über ein bestimmtes Medium erreicht
wird. Außerdem spielt natürlich auch das Produkt selbst eine Rolle. Mode wird sicherlich
am besten in farbigen Hochglanzmagazinen beworben, wohingegen die Leistungsfähigkeit
eines Autos am besten im Fernsehen demonstriert wird. Verschiedene Botschaften können
auch unterschiedliche Medien erfordern: Die Botschaft, dass tags darauf ein großer Ausver-
kauf startet, erfordert eher das Radio oder eine Tageszeitung. Eine Botschaft mit vielen tech-
nischen Daten hingegen kann leichter über spezielle Zeitschriften, Direktwerbung, eine
Onlineanzeige oder eine Webseite an die Zielgruppe kommuniziert werden. Dabei spielen
auch die Kosten eine große Rolle. Während die klassische Fernsehwerbung relativ teuer ist,
können die Kunden über das Radio oder die Zeitung wesentlich günstiger angesprochen wer-
den. Der Media-Planer achtet dabei auf zwei Größen: die Gesamtkosten der Kampagne in
einem Medium und die Kosten pro 1.000 Kontakte.
Die Wirkung der Medien und ihre Kosten müssen immer wieder überprüft werden. Bei
Unternehmen, die bundesweit werben, dominierten lange Zeit Fernsehwerbung und national
713
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
verbreitete Illustrierte den Medienmix. Die Medienwahl scheint sich jedoch zu ändern. Wäh-
rend die Kosten für Massenmedien steigen, sinkt die Anzahl der Zuschauer und neue digitale
und interaktive Medien treten auf, die alternative Wege bieten, den Kunden zu erreichen. Sie
ergänzen die traditionellen Massenmedien durch spezialisierte und höchst zielgerichtete
Medien, die weniger kosten, effektiver zugeschnitten sind und Kunden umfänglicher einbin-
den. Die modernen Marketingverantwortlichen wollen einen vollständigen Mix aus Paid,
Owned, Earned und Shared Media schaffen und spannende Markeninhalte an Zielkunden
vermitteln. Neben der rasanten Verbreitung von Online-, mobilen und sozialen Medien legen
auch Kabel- und Satelliten-Fernsehsysteme wie Sky im Vereinigten Königreich oder Free-
view weiter zu. Diese Systeme ermöglichen eine Eingrenzung der Sendeformate, wie reine
Programme für Sport, Nachrichten, Ernährung, Kultur, Einrichtung und Garten, Kochen,
Reise, Zeitgeschichte, Finanzen und anderes für bestimmte Zielgruppen. Einige Betreiber tes-
ten sogar Systeme, die eine bestimmte Art von TV-Werbung in einer gezielten Umgebung
oder für individuelle Kundengruppen ermöglichen. So laufen Werbespots für einen pol-
nischsprachigen Kanal nur in polnischsprachigen Gebieten, oder Werbung für Tiernahrung
wird nur von Haustierbesitzern empfangen. Werbetreibende können diese zugeschnittenen
Formate für sich nutzen, um in spezielle Marktsegmente vorzudringen, anstatt das „Gießkan-
nenprinzip“ des Rundfunk- und Fernsehnetzes anzuwenden.
Nicht zuletzt haben Werbetreibende in ihren Bemühungen um weniger kostenintensive und
zielgerichtetere Wege zur Kundenerreichung eine überwältigende Vielzahl alternativer
Medien entdeckt. Wohin man auch geht, stößt man heutzutage auf irgendeine Form der Wer-
bung. Diese alternativen Medien scheinen vielleicht etwas weit hergeholt und bisweilen sind
Kunden der empfundenen Werbeflut überdrüssig. Für viele Werbetreibende jedoch sparen
diese Medien bares Geld und eröffnen neue Möglichkeiten, Kunden dort zu erreichen, wo sie
leben, einkaufen und arbeiten.
Das österreichische Unternehmen Red Bull machte in den vergangenen Jahren immer wieder
mit spektakulären Werbeaktionen auf sich aufmerksam. Schauen wir uns genauer an, mit
welcher Medienauswahl das Unternehmen seine Werbebotschaft transportiert.
Gut 30 Jahre nach seiner Gründung wird die Botschaft von Red Bull weit und breit
durch zahlreiche berühmte Werbeträger sowie Sponsoren aus Sport, Musik und Unter-
haltung in die Welt gesendet. Red Bull ist nicht gerade ein traditioneller Vermarkter. Das
Unternehmen verbreitet seine Markenbotschaft über einen vielseitigen Mix aus Werbe-
maßnahmen und scheut dabei weitgehend die herkömmlichen Medien. Doch die Art,
wie Red Bull seine diversen Botschaften integriert, ist ein Erfolgsmodell, das beim Auf-
bau tiefer emotionaler Kundenbeziehungen direkt ins Schwarze trifft.
Ein ungewöhnlicher Start Alles begann vor gut 30 Jahren, als der österreichische
Zahnpasta-Vertreter Dietrich Mateschitz nach Thailand reiste. Während seines Aufent-
halts dort probierte er ein „Erfrischungsgetränk“ namens Krating Daeng – zu Deutsch
„Büffelwasser“. Es schmeckte scheußlich, erlöste ihn aber sofort von seinem Jetlag. So
führte eines zum anderen und innerhalb weniger Jahre hatten Mateschitz und sein Part-
ner die Rechte zum weltweiten Verkauf der Rezeptur erworben.
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
Sie nannten sie Red Bull. Von Anfang an war bei Red Bull nichts traditionell. Die
schlanke blau-silberne Dose mit dem Emblem zweier muskelbepackter roter Bullen, die
vor einer leuchtend gelben Sonne ihre Köpfe zusammenstoßen, war mit keinem anderen
Produkt auf dem Markt vergleichbar. Der Inhalt betrug 235 ml. Mit geheimnisvollen
Zutaten wie Taurin und Glucuronolacton sowie einem extrem süßen Geschmack, der oft
mit „flüssigen Gummibärchen“ oder „Hustensaft in der Dose“ beschrieben wird, passte
das Getränk in keine bestehende Kategorie. Und mit einem Preis von 1,65 Euro pro Dose
war Red Bull das mit Abstand teuerste kohlensäurehaltige Getränk im Regal. Doch
gerade mit dieser ungewöhnlichen Kombination rief Red Bull die Sparte der Energy-
drinks ins Leben.
Ein ungewöhnliches Werbeprogramm Als Chef eines jungen Unternehmens ohne gro-
ßes Marketingbudget führte Mateschitz seine unorthodoxen Wege fort, als er Red Bull
auf die Märkte brachte (1994 im Vereinigten Königreich, 1997 in den USA und 2000 im
Mittleren Osten). Er kippte den Trend der aggressiven und exzessiven Werbekampag-
nen, die andere Start-ups in den 1990er-Jahren verfolgten. Stattdessen warf seine junge,
attraktive Armee von Werbeleuten kostenlose Dosen Red Bull aus glänzenden Gelände-
wagen mit dem Logo des Unternehmens und überdimensionalen Dosen als Verzierung
an der Ladefläche. Die Mundpropaganda erledigte den Rest. Auf diese Weise machte
Mateschitz das Produkt Red Bull überall bekannt und baute mit verschwindend gerin-
gem Aufwand ein Markenimage auf.
Schritt für Schritt wuchs nun auch das Portfolio an Werbemethoden bei Red Bull. Das
Unternehmen machte Abstecher in die TV- und Printwerbung, doch die ursprünglichen
Taktiken von Red Bull lagen in der Vermeidung solcher Mainstream-Maßnahmen. Statt-
dessen plante Mateschitz die Bewerbung der Marke in einer Weise, die außerhalb der
Reichweite und Frequenz der normalen Medienpräsenz lag. Er wollte, dass die Marke
die junge Zielgruppe direkt erreicht und sie die ganze Kraft von Red Bull zu spüren
bekommen. Er wollte seine Kunden einbinden – und zwar mit Themen, die eine so
große Bedeutung hatten, dass sie sehr schnell eine tiefe Kundenbeziehung schaffen
konnten. Aus dieser Philosophie entwickelte sich der heutige Kommunikationsmix von
Red Bull. Die folgenden Beispiele beschreiben einige der bisherigen Aktivitäten.
Sportler und Mannschaften. Mit dem Versprechen im Kern der Werbeaussage, dass Red
Bull die Leistungsfähigkeit von Sportlern verbessert, bediente sich die Marke einer
schon von Nike und Gatorade angewandten Strategie und begann früh mit dem Sponso-
ring von Sportlern als Werbeträger. Heute sponsert Red Bull über 650 Athleten in 97
meist „Extrem“-Sportarten: Langstreckenläufer, Triathleten, Rennfahrer, Skifahrer,
Paraglider, Windsurfer. Die Sponsorship-Strategie von Red Bull geht jedoch über die
Förderung einzelner Athleten hinaus. Red Bull besitzt fünf Fußballmannschaften: die
New York’s Red Bulls, Red Bull Salzburg, Red Bull Brazil, Red Bull Ghana und RB Leip-
zig. Auch ein NASCAR Team gehört dem Unternehmen, ebenso wie zwei Formel-Eins-
Rennställe, Eishockey-Mannschaften, Hockey-Teams und andere Rennställe. Viele
behaupten, dass der Besitz von Sportmannschaften für Mateschitz nur ein Hobby sei,
und merken an, dass keines dieser Teams Geld einbringt. Doch für Mateschitz geht das
am Thema vorbei. „In rein finanzieller Hinsicht sind unsere Sportmannschaften noch
nicht profitabel, aber sie sind wertvoll. Der gesamte redaktionelle Medienwert zusam-
men mit den digitalen Medienassets, die rund um die Teams geschaffen wurden – Clips,
Fotos, Social-Media-Einträge –, übersteigt die reinen Werbeaufwendungen.“
715
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716
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
Ein weiterer wichtiger Trend bei der Medienauswahl ist der rasante Anstieg der sogenannten
Medien-Multitasker, also Menschen, die mehrere Medien gleichzeitig nutzen. So ist es nicht
unüblich, dass jemand mit einem Smartphone in der Hand fernsieht, dabei mit Freunden auf
Snapchat kommuniziert und auf Google nach Produktinformationen sucht. Eine aktuelle Stu-
die fand heraus, dass 88 Prozent der Besitzer eines Tablets und 86 Prozent der Smartphone-
Nutzer ihre Geräte während des Fernsehens benutzen. Obwohl dieses Multitasking sich teil-
weise auf die Fernsehsendung bezieht – wie die Suche nach relevanten Produkt- und Pro-
gramminformationen – finden dabei auch Aktivitäten unabhängig vom Fernsehprogramm
statt. Werbetreibende müssen diese Medien-Interaktionen daher bei der Entscheidung über
den Einsatz der einzelnen Medien berücksichtigen.11
Auswahl der Werbeträger Der Media-Planer muss nun innerhalb der zuvor ausgewählten
Mediengattungen die am besten geeigneten Werbeträger bestimmen. Wenn die Grundsatzent-
scheidung fällt, in welchen Medien geworben werden soll, denkt der Media-Planer meistens
schon an bestimmte Platzierungen (bei Druckmedien) oder an Hörfunk- oder Fernsehwerbe-
zeiten im Zusammenhang mit beliebten Film- oder Unterhaltungssendungen.
Die Medien können aber nicht jeden Wunsch erfüllen. Die beste Platzierung bei Zeitschriften
zum Beispiel ist die Umschlagseite. Diese Platzierung ist in jeder Ausgabe jedoch nur einmal
verfügbar. Und deshalb ist diese Platzierung auch entsprechend teuer. Ähnlich ist es mit
Fernsehwerbezeiten innerhalb bestimmter Filme in der Hauptsendezeit zwischen 20 und 22
Uhr.
Zudem gibt es heute im Fernsehen eine Kanalvielfalt, durch die es immer schwieriger wird,
eine große allgemeine Zielgruppe umfassend zu erreichen. Selbiges gilt für die Vielfalt an
öffentlich-rechtlichen und privaten Hörfunksendern. Auf der anderen Seite lassen sich aber
auch bestimmte Segmente auf diese Weise genauer definieren und gezielter ansprechen.
Bei der Werbung in Zeitschriften müssen die Media-Planer die jeweiligen Eigenschaften wie
Auflage, Erscheinungshäufigkeit, Kosten einer Anzeige, Druckfarbe oder Platzierung detail-
liert vergleichen. Jedes Land und jede Region hat Zeitschriften, die eine relativ große Leser-
schaft erreichen (z.B. Fernsehprogrammzeitschriften) und die stark auf die jeweilige Ziel-
gruppe ausgerichtet sind (z.B. Frauenzeitschriften oder Fachzeitschriften für Manager oder
Computerinteressierte).
Der Media-Planer wird die Zeitschriften heraussuchen, mit denen er seine Zielgruppe am
genauesten erreichen kann. Dann wird er die ausgewählten Zeitschriften nochmals nach
ihrem Image bezüglich Glaubwürdigkeit und redaktioneller Qualität, nach ihrer Gestaltung
und Druckqualität überprüfen und sich nach den Erscheinungsdaten und Schlussterminen
für Anzeigen erkundigen. Häufig werden bei Abschlüssen über größere Werbevolumen und
längere Zeiträume Nachlässe eingeräumt, die unter günstigen Umständen an anderen Stellen
Erweiterungen oder Ergänzungen der geplanten Kampagnen zulassen.
Die Auftragsvergabe an andere Medien, etwa Zeitungen, erfolgt in derselben Art und Weise.
Als Maßgröße für den Preisvergleich werden normalerweise die Kosten pro 1.000 Kontakte
(Tausender-Preis oder Tausendkontakte-Preis) angegeben. Wenn zum Beispiel eine ganzsei-
tige Anzeige in Farbe im „Economist“ 90.000 Euro kostet und der „Economist“ von drei Mil-
11 Siehe hierzu und zu anderen Statistiken zur Multimedia-Nutzung „Nielsen: most tablet/smartphone
users watch TV at same time“, Electronista, 5. April 2012, www.electronista.com/articles/12/04/05/
simultaneous.use.prevalent.in.us.market/; Lucia Moses, „Second-screen effect“, Adweek, 1. April
2013, S. 16–17 und „TiVo social media and multitasking survey“, Yahoo! Finance, 23. Januar 2013,
http://finance.yahoo.com/news/tivo-socialmedia-multitasking-survey-120600364.html.
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lionen Menschen gelesen wird, kostet jeweils ein Kontakt 90.000 Euro geteilt durch
3.000.000 Leser, d. h. 30 Euro pro 1.000 Kontakte. Die gleiche Anzeige in „Business Week“
mag nur 60.000 Euro kosten, dafür aber vielleicht nur eine Million Leser erreichen. Absolut
sind das 60 Euro pro 1.000 Kontakte, also eine wesentlich teurere Variante. Bei einer voll-
ständigen Kostenschätzung müssen zudem auch die Layoutkosten für die Anzeigen bzw. bei
Fernsehwerbung die Produktionskosten für den Spot berücksichtigt werden.
Schließlich muss der Media-Planer sich auch mit der Demografie und den Kaufkraftmerkma-
len der Mediennutzer auskennen und aus integrierten Medienangeboten, der Bereitschaft der
Mediennutzer, sich mit Werbung zu befassen, und der redaktionellen Qualität des Mediums
das richtige Medium für die geplante Kampagne auswählen. Eine Anzeige für einen Kopierer
beispielsweise sollte in einem Wirtschaftsmagazin geschaltet werden, da die jeweiligen Ziel-
gruppen nahezu identisch sind. Leser von Modezeitschriften, wie beispielsweise der Vogue,
setzen sich typischerweise eher mit Werbung auseinander als dies die Leser von Wirtschafts-
magazinen tun. Werbung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wiederum ist glaubwürdi-
ger als solche in wöchentlichen Lifestyle-Magazinen wie Gala.
Festlegung des Timings der Kampagne Auch die Entscheidung über zeitliche Dauer und
Zeitpunkt der Werbung ist ein wichtiger Schritt zum Erfolg einer Kampagne. Zunächst ist zu
entscheiden, wie die Werbung auf das gesamte Jahr verteilt wird. Nehmen wir einmal an,
dass ein bestimmtes Produkt (zum Beispiel Kinderspielwaren) einen Absatzhöhepunkt im
Dezember und einen starken Absatzrückgang im März hat. Das Unternehmen kann dann aus
den folgenden grundlegenden Strategien wählen:
Das Saisongeschäft wird mit starker Werbung angeheizt.
Während der schwachen Perioden wird der Absatz belebt.
Ungeachtet der saisonalen Schwankungen wird das ganze Jahr über möglichst gleichmä-
ßig Werbung durchgeführt.
Seit das Gesetz der zeitlichen Bindung von Sommer- und Winterschlussverkäufen in
Deutschland außer Kraft getreten ist, werben die meisten Kaufhäuser und Einzelhandelsge-
schäfte nicht mehr nur zu Beginn einer neuen Jahreszeit mit besonders attraktiven Angebo-
ten, sondern hauptsächlich auch anlässlich spezieller Feiertage wie Weihnachten, Muttertag
oder Ostern.
Nicht zu vernachlässigen ist die Entscheidung über den Erscheinungsrhythmus der Wer-
bung. Eine Anzeigenwerbung kann in gleichen Zeitabständen, zum Beispiel regelmäßig an
einem bestimmten Wochentag, kontinuierlich über ein Jahr erscheinen, sie kann aber auch
pulsierend, z. B. in zehn Blöcken mit jeweils fünf Schaltungen innerhalb einer Woche, einge-
setzt werden. Eine wiederholte Konzentration der Werbung zu bestimmten Zeitpunkten bie-
tet den Vorteil, dass das Produkt besser bekannt wird und dass diese Produktbekanntheit
offensichtlich auch für längere Zeit anhält. Diejenigen, die diese Methode bevorzugen, argu-
mentieren zudem, dass hierbei mit viel niedrigeren Kosten die gleiche Wirkung wie mit kon-
tinuierlicher Werbung erzielt werden kann. Kritiker dieses Vorgehens weisen darauf hin,
dass dieses „Pulsieren“ zwar eine hohe Produktbekanntheit ermöglicht, aber eine gewisse
Tiefe der werblichen Kommunikation verloren gehen kann.
Mithilfe der modernen Online- und sozialen Medien können Werbetreibende Anzeigen
gestalten, die in Echtzeit auf bestimmte Ereignisse reagieren. So stellte der Luxus-Fahrzeug-
hersteller Lexus ein neues Modell über ein Live-Streaming von der nordamerikanischen
International Auto Show auf dem Facebook News Feed vor. Allein in den ersten zehn Minu-
ten verfolgten etwa 100.000 Menschen die Präsentation live; weitere 60.000 sahen sie in den
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen
folgenden Tagen online. Die Gebäckmarke Oreos reagierte blitzschnell auf einen Stromausfall
während des US-Super-Bowl XLVII mit dem Thema Dunkelheit und twitterte den Slogan:
„Dippen kann man auch im Dunkeln“. Diese schlagfertige Werbung wurde in nur 15 Minuten
retweeted und positiv kommentiert.12
12 Zu diesem und anderen Beispielen siehe Christopher Heine, „Lexus nabs 100K video views on Face-
book – in 10 minutes“, Adweek, 23. Januar 2013, www.adweek.com/news/technology/print/146726;
Matt McGee, „Oreo, Audi, and Walgreens Newsjack Super Bowl Blackout Bowl“, Marketing Land, 3.
Februar 2013, http://marketingland.com/oreo-audiwalgreens-market-quickly-duringsuper-bowl-
blackout-32407 und „Arby’s slayed the Grammys with this tweet about Pharrell Williams’ hat“, Ad-
week, 27. Januar 2014, www.adweek.com/print/155237.
719
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
spielsweise das Budget für ein derartiges Ziel nicht ausreichend hoch sein oder die Qualität
der Werbung war nicht gut genug bzw. die Maßnahme war nicht ausreichend auf die Ziel-
gruppe ausgerichtet. Eine genaue Messung der Effektivität von Werbung ist aber in der Regel
schwierig aufgrund der Vielfalt der die Konsumentenwahrnehmung und die Kaufentschei-
dung beeinflussenden Faktoren.
Wiederholungskauf
Zufriedenheit Langeweile
Erstkauf (Probieren)
Handlung Unzufriedenheit
Kaufabsicht
Akzeptanz Desinteresse
Aufbau einer
Präferenz
Begeisterung Gleichgültigkeit
Aufbau einer
positiven Einstellung
Lernen Ablehnung
Kenntnis über
das Produkt
Wahrnehmung Vergessen
Unkenntnis über
das Produkt
Abbildung 15.2: Die verschiedenen Ebenen der Kommunikationseffekte
Trotz der Schwierigkeit, die Wirkung von Werbung zu messen, sollte sie regelmäßig evaluiert
werden.
Abbildung 15.2 zeigt die verschiedenen Ebenen der Kommunikationseffekte, die der Marke-
tingverantwortliche im Rahmen einer Kommunikationskampagne überwachen und messen
sollte:
Die Veränderung der Markenbekanntheit ergibt sich aus der Differenz zwischen der
Anzahl an Kunden, die die Marke vor bzw. nach der Werbekampagne kennen. Wenn nur
eine kleine Erhöhung oder vielleicht sogar ein Rückgang der Markenbekanntheit stattge-
funden hat, muss der Marketingverantwortliche prüfen, ob die Gründe für den schwachen
Effekt in der Kampagne selbst oder in zu geringen Werbeaufwendungen liegen.
Die Einstellung des Verbrauchers gegenüber der Marke kann vor und nach der Kampagne
untersucht werden. Eine informative Anzeige erlaubt den Konsumenten, etwas über die
Marke und deren Vorteile zu lernen. Wenn eine Botschaft nicht zielgerichtet genug ist
oder eine unerwünschte und unglaubwürdige Information kommuniziert wird, reagieren
die Konsumenten mit Ablehnung gegenüber der Marke. Die Kreativen müssen dann ein
neues Layout für die Anzeige entwickeln, das einen größeren Einfluss auf die Endverbrau-
cher hat, oder den Text überarbeiten, um die Markenvorteile gegenüber der Zielgruppe
verständlicher zu kommunizieren.
Verbraucher, die positiv gegenüber den kommunizierten Vorteilen einer Marke eingestellt
sind, können aus ihrer positiven Meinung eine klare Markenpräferenz entwickeln. Dem-
entsprechend können vor und nach einer Kampagne Messungen durchgeführt werden, die
eine Veränderung in der Markenpräferenz deutlich machen. Auf diese Weise können auch
Gründe für die Ablehnung einer Marke erkannt werden.
720
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15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung
Eine Kampagne kann dazu verwendet werden, eine Präferenz unter den Kunden in eine
Kaufabsicht umzuwandeln. Auch diese Art der Reaktion auf Werbung kann gemessen wer-
den.
Wie bereits erwähnt, ist es sehr schwer, den Verkaufseffekt einer Kampagne zu messen.
Eine Möglichkeit ist der Vergleich der Verkäufe vor der Anzeige mit der Anzahl der Ver-
käufe nach der Anzeige. Auch die Durchführung von Experimenten eignet sich zur Mes-
sung des Verkaufseffekts. Um beispielsweise die Auswirkung von verschiedenen Anzei-
gen zu testen, hat Pizza Hut die Höhe der Werbeaufwendungen in verschiedenen, fest
voneinander abgegrenzten Märkten variiert und die Unterschiede der Verkaufsergebnisse
miteinander verglichen. Hierbei könnte beispielsweise die normale Höhe an Werbeauf-
wendungen in einen Markt investiert werden, die Hälfte der normalen Höhe in einen
anderen Markt und doppelt so viel in eine dritte Region. Wenn diese drei Märkte sich ähn-
lich verhalten und wenn alle anderen Marketinganstrengungen vergleichbar sind, dann
können die unterschiedlichen Verkaufsergebnisse in den drei Regionen auf die verschie-
denen Investitionen zurückgeführt werden. Bei noch komplexeren Experimenten könnten
weitere Variablen, wie beispielsweise eine unterschiedliche Gestaltung der Anzeige oder
der Einsatz verschiedener Medien, berücksichtigt werden.
Wenn der Kunde mit der gekauften Marke zufrieden ist, dann führt dies zu Wiederho-
lungskäufen. Das Ausmaß, in dem eine Anzeige oder eine spezielle Erinnerungskampagne
Wiederholungskäufe beeinflusst, ist aufgrund einer fehlenden Trennung von kurzfristigen
und langfristigen Effekten schwierig zu messen. Vorher-nachher-Untersuchungen oder
kontrollierte Experimente können durchgeführt werden, um Kauf- oder Verwendungsver-
änderungen zu untersuchen. Der Marketingverantwortliche sollte aber auf jeden Fall ein
Feedback von den Verbrauchern einholen, um ein besseres Verständnis davon zu bekom-
men, wie die Kommunikation die Wiederholungskäufe beeinflusst. Aufgrund der speziel-
len Charakteristika von Konsumgütern darf die Werbung jedoch nicht für schlechte Wie-
derkaufraten des Produkts verantwortlich gemacht werden. So ist es möglich, dass sich
ein Konsument langweilt, wenn er über einen längeren Zeitraum hinweg immer das glei-
che Produkt verwendet. Er wünscht sich auch Abwechslung („variety seeking“). In diesem
Fall ist eine Anzeige nicht stark genug, den Konsumenten von einem Markenwechsel
abzubringen.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
beiten, Displays und Verkaufshilfen an den Handel zu verteilen und andere Aufgaben, die
Agenturen nicht wahrnehmen, durchzuführen. Die meisten Unternehmen, ungeachtet des-
sen, ob sie groß oder klein sind, tendieren dazu, mit externen Werbeagenturen zusammenzu-
arbeiten. Aus einer solchen Zusammenarbeit erwartet man folgende Vorteile:
Agenturen haben Spezialisten, von denen man glaubt, dass sie bestimmte Aufgaben
(Marktforschung, kreative Arbeit) professioneller und besser erfüllen können.
Agenturen bringen einen neuen und frischen Standpunkt von außen in das Unternehmen
hinein, gepaart mit jahrelanger Erfahrung aus der Arbeit für ganz unterschiedliche Kun-
den und in verschiedenen Situationen.
Agenturen haben gegenüber den Medien eine bessere Position in Bezug auf die Konditio-
nen, weil sie die Nachfrage mehrerer Unternehmen bündeln. Häufig erhalten sie auch von
den Medien Provisionen, die schon einen Teil ihrer Aufwendungen tragen.
Andererseits können auch Nachteile entstehen, wenn man die Werbung an eine externe
Agentur vergibt. Hierzu gehören:
Keine vollständige Kontrolle über die eigenen Werbemaßnahmen
Geringere Flexibilität
Konflikte, wenn die Arbeitsmethoden der Agentur von denen im eigenen Unternehmen
abweichen
Keine Kontrolle über die Koordination der Kommunikationsaktivitäten
Trotz dieser zweifellos vorhandenen Problempotenziale sind die meisten Unternehmen der
Ansicht, dass die Vorteile aus der Zusammenarbeit mit einer Agentur überwiegen.
Wie arbeitet eine Werbeagentur? Die Anfänge der Werbeagenturen gehen bis in die Mitte des
19. Jahrhunderts zurück, als einige Geschäftsleute und Makler, die für die damaligen Medien
tätig waren, sich selbstständig machten und auf Provisionsbasis Anzeigen verkauften. Im
Lauf der Jahre setzte sich durch, dass diese Verkäufer den damaligen Kunden mehr und mehr
dabei behilflich waren, Werbekampagnen zu gestalten. Daraus entwickelten sich selbststän-
dige Agenturen, die ihre Aufgabe mehr darin sahen, die Interessen der Werbung treibenden
Unternehmen gegenüber den Medien zu vertreten, als dass sie Mitarbeiter der damaligen
Medien gewesen wären.
Heute sind Agenturen teilweise sehr große Unternehmen. Agenturen wie McCann, WPP oder
die BBDO-Gruppe vergeben im Auftrag ihrer Kunden jedes Jahr Werbemaßnahmen im Wert
von mehr als fünf Milliarden US-Dollar. In den vergangenen Jahren haben diese Agenturen
große Wachstumsraten verzeichnet, da sie national und international andere Agenturen auf-
gekauft und große Agentur-Holdings gebildet haben.
Die meisten großen Agenturen verfügen sowohl über die Mitarbeiter als auch über die übri-
gen Ressourcen, um alle Phasen einer Werbekampagne für ihre Kunden durchführen zu kön-
nen. Üblicherweise wird dabei mit dem Marketingplan begonnen, um dann die Kampagnen
inklusive Ausarbeitung und Platzierung von Anzeigen zu entwickeln. In der Regel sind diese
Agenturen in vier Abteilungen gegliedert:
Kreativität: Die Kreativabteilung kümmert sich um Entwurf, Konzipierung und Entwick-
lung der Werbung.
Medien: Die Medienabteilung wählt die jeweils geeigneten Medien aus und sorgt für die
Schaltung der Anzeigen, Spots etc.
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15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung
Marktforschung: Die Marktforschung beschäftigt sich mit der Charakteristik und den
Wünschen der Zielgruppen.
Abwicklung/innere Dienste: Die Abteilung Verwaltung und Abwicklung nimmt administ-
rative Aufgaben wahr.
Jeder Kunde (Account) wird von einem für ihn zuständigen Mitarbeiter umfassend betreut
(Account Executive). Die Mitarbeiter in den verschiedenen Abteilungen einer Agentur arbei-
ten für einen oder mehrere Kunden.
Traditionellerweise werden Werbeagenturen zum Teil aus Provisionen und zum Teil aus
Honoraren bezahlt. Agenturen mit großem Auftragsvolumen erzielen meistens günstigere
Konditionen und höhere Provisionen für sich selbst. Trotzdem gibt es inzwischen viele Geg-
ner des Systems, sowohl bei den Unternehmen wie auch bei den Agenturen. Großunterneh-
men mit hohem Werbeaufkommen beklagen sich, dass sie an ihre Agenturen sehr hohe Pro-
visionen bezahlen müssen und damit mehr für eine bestimmte Dienstleistung bezahlen, als
wenn sie weniger Werbung in Auftrag geben würden, und das, obwohl eine vergleichbare
Kampagne die gleiche Arbeitsleistung von der Agentur verlangt. Marketingverantwortliche
hegen gelegentlich auch den Verdacht, dass die Agenturen wegen der Provisionen lieber lang
dauernde und teure Kampagnen entwerfen würden. Andererseits argumentieren die Werbe-
agenturen, dass sie hier zusätzliche Dienstleistungen für ihre Kunden erbringen, ohne dafür
bezahlt zu werden.
Die Bezahlung auf Provisionsbasis wird insbesondere den neuen Medien, wie zum Beispiel
dem Internet, nicht gerecht. Im Ergebnis müssten sich zusätzliche Vergütungsanteile zum
Beispiel aus der Nutzungsfrequenz der Internetseiten ergeben, da eine Provision auf die rela-
tiv geringen Entgelte nicht ausreichend ist.
Alles aus einer Hand ... Viele Agenturen expandieren in benachbarte Geschäftsfelder. Diese
diversifizierten Werbeagenturen bieten einschließlich Werbung, Sonderaktionen, Marktfor-
schung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Direkt- und Onlinemarketing die komplette Liste integ-
rierter Marketingdienstleistungen unter einem Dach an. Zusätzlich dazu bieten einige auch
Marketingberatung, Produktion von Fernsehspots und Verkaufstraining an, um ihren Kunden
als kompetenter Partner für alle Fragen des Marketings gegenüberzutreten. Dies kann für das
Unternehmen durchaus vorteilhaft sein. Die Werbeagentur ist gegenüber dem Unternehmen
wegen des großen Auftragsvolumens mehr in der Pflicht. Es ist effizienter, nur einen Partner
und nicht mehrere zu haben, es vereinfacht die Abläufe, Agenturhonorare müssen nur ein-
mal ausgehandelt werden, es wird sichergestellt, dass das Marketing weltweit homogen ist,
und eine international tätige Allzweck-Werbeagentur kann der richtige Partner sein, wenn es
darum geht, gute Ideen schnellstmöglich auf viele nationale Märkte zu übertragen.
Die meisten Agenturen mussten in der Vergangenheit jedoch erfahren, dass Unternehmen
nicht viel mehr als die traditionellen Werbedienstleistungen von ihnen in Anspruch neh-
men, da sie Kernkompetenzen nicht aus der Hand geben oder den Wettbewerb zwischen den
Agenturen aufrechterhalten wollen. Gelegentlich kommen höchstens noch Direktmarketing,
Sonderaktionen und Öffentlichkeitsarbeit hinzu. Deshalb konzentrieren sich viele Agenturen
wieder auf ihre traditionellen Dienste und ihre Kernkompetenzen. Einige haben kleine „Kre-
ativbüros“ gegründet, in denen besonders geeignete Mitarbeiter ohne die Fesseln einer gro-
ßen Agenturbürokratie ihre kreativen Talente für anspruchsvolle Großkunden unter Beweis
stellen können.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
... oder Wettbewerb der Agenturen um den Kunden? Die meisten Unternehmen führen vor
der finalen Auftragsvergabe einen sogenannten „Pitch“ durch. Hierbei wird mehreren Agen-
turen die gleiche Aufgabe gestellt. Diese müssen dann ein kreatives Konzept entwickeln und
präsentieren, und anschließend werden die Ergebnisse in der Marktforschung getestet. Die
beste Idee und somit die beste Agentur gewinnt dann den Etat des Unternehmens.
Einige Unternehmen, wie zum Beispiel Coca-Cola, suchen neue Wege der Kreativität und
sichern sich über die Beteiligung einer großen Anzahl kleiner und großer Agenturen an den
Aufträgen die kreativen Potenziale vieler. Procter & Gamble, Unilever und Nestlé halten sich
einige der renommiertesten Agenturen der Welt auf Abruf, um gegebenenfalls die Schwä-
chen einer Agentur auf bestimmten Märkten oder bei bestimmten Dienstleistungen mit den
Stärken einer anderen Agentur kompensieren zu können.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung
ten großen Marketing- und Werbekampagnen beinhalten eine starke Onlinepräsenz. Ver-
netzte Verbraucher können über das Internet und die sozialen Medien ganz einfach Grenzen
überschreiten, was es für Werbetreibende schwierig macht, an das jeweilige Land angepasste
Kampagnen auf kontrollierte und strukturierte Art und Weise zu entwickeln. Im Ergebnis
nehmen die meisten globalen Konsummarken als Reaktion darauf mindestens eine internati-
onale Koordination ihrer Webseiten vor.
Vorteile der Standardisierung Soweit sich Standardisierung durchsetzen lässt, entstehen
durch sie viele Vorteile für das Unternehmen:
Große Kostenersparnis bei Entwurf und Durchführung von Werbekampagnen
Hoher Koordinierungsgrad ist selbst für weltweite Kampagnen möglich
Entstehen eines weltweit gleichartigen Produkt-, Marken- und Unternehmensimage
Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass unüberlegte Standardisierung in der Werbung
für viele Rückschläge verantwortlich ist.
Defizite der Standardisierung Eine Standardisierung ignoriert, dass jeder nationale Markt
seine Eigenheiten hat. Dies gilt nicht nur, wenn man auf anderen Kontinenten tätig wird,
sondern auch innerhalb eines Kontinents oder einer politischen Union wie Europa mit sei-
nen vielfältigen kulturellen, demografischen und wirtschaftlichen Unterschieden. Ein pan-
europäisches Werbekonzept erscheint für die meisten Produkte nahezu undenkbar, da zwi-
schen den Staaten große Unterschiede in Bezug auf Kultur, Sprachen, Traditionen, Musik,
Überzeugungen, Wertvorstellungen und Lebensstil bestehen. Briten beispielsweise haben in
vielerlei Hinsicht mehr mit Australiern gemeinsam, die am anderen Ende der Welt leben, als
mit Deutschen oder Franzosen.
Selbst wenn ein Werbekonzept, ähnlich wie das Produkt, die Dienstleistung oder die Marke
selbst, international standardisiert werden kann, ist es häufig nicht möglich, seine Ausfüh-
rung zu standardisieren. Jegliche Kommunikation wird unüberbrückbar von Sprache und
Kultur dominiert. Ein Produkt, ein Dienstleistungskonzept oder eine Marke können interna-
tional standardisiert werden. Die Werbung unterliegt jedoch der Sprache und Kultur des
Absatzmarkts.
Grundsätzliche Standardisierung mit notwendiger lokaler Anpassung Daher gilt es bei
internationaler Werbung, „global zu denken und lokal zu handeln“ („Think globally, act
locally“). Hierbei werden zunächst globale Werbestrategien entworfen, die auf Schlüssigkeit
und Effizienz ausgerichtet sind. Unter dem Dach dieser Strategie werden dann die Werbepro-
gramme für den jeweiligen regionalen oder lokalen Markt adaptiert. Selbst wenn eine stan-
dardisierte Botschaft verwendet wird, geht das Werbeprogramm dann viel genauer auf die
Bedürfnisse und Erwartungen der Käufer ein, als dies weltweit standardisierte Programme
leisten könnten.
Ein Beispiel für national angepasste Werbebotschaften waren Kampagnen für Schreibgeräte der
Marke Parker. In Deutschland sah man eine Hand, die einen Parker hielt, unter der zu lesen
stand: „So schreibt man mit Präzision“. In Großbritannien, wo Parker Marktführer ist, sah man
Fotos aus dem Herstellungsprozess hochwertiger Schreibgeräte, zum Beispiel das Polieren von
Goldfedern der Parker-Füllfederhalter. In den Vereinigten Staaten hatte sich Parker dazu ent-
schlossen, die Betonung auf Status und Image seiner Produkte zu legen. Die Bildüberschriften
lauteten: „So zeigt man, wer der Boss ist“ und „Manchmal muss es einfach ein Parker sein“.
Das Unternehmen begründete die unterschiedlichen Werbethemen mit dem unterschiedlichen
Produktimage und den unterschiedlichen Kaufmotiven auf den verschiedenen Märkten.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
Je homogener die Zielgruppe in ihren Bedürfnissen ist und je mehr das Produkt aus gleichar-
tigen Kaufmotiven erworben wird, desto eher kann international standardisierte Werbung als
das geeignete Instrument angesehen werden.
Dies gilt zumeist für das Marketing von Industriegütern. Wer eine Industriemesse wie die
Hannover Messe oder die Baumaschinenmesse „Bauma“ in München besucht, kann beob-
achten, wie große Geräte wie Baumaschinen oder Kräne den Besuchern aus Europa, Amerika
oder Asien in gleicher Weise angeboten werden. Die Motive und Beweggründe für den Kauf
sind international als gleich anzusehen: Leistungsfähigkeit, Produktivität und Störsicherheit,
Preis und günstige Folgekosten über die gesamte Lebensdauer der Investition, Verfügbarkeit
von Ersatzteilen und Service.
Werbung für Konsumgüter eignet sich weniger für eine Standardisierung über Ländergrenzen
hinweg. Trotzdem lassen sich beachtliche Ähnlichkeiten in den Segmenten, die sich aus
wohlhabenden Konsumenten zusammensetzen, finden. Diese Verbraucher fühlen sich durch
Marken wie Mont Blanc, Chanel, LVMH und Hugo Boss angesprochen. Ähnlich lassen sich
auch junge Segmente in unterschiedlichen Ländern mit einer gemeinsamen Werbebotschaft
ansprechen. Marken wie Nike, Pepsi und Jeep werden weltweit auf die gleiche Weise bewor-
ben: Jeep hat ein globales Markenimage von Unempfindlichkeit und Verlässlichkeit aufge-
baut; Nike drängt Amerikaner, Afrikaner, Asiaten und Europäer dazu, „es einfach zu tun“
(„Just do it“); Pepsi nutzt weltweit eine standardisierte Ansprache für seine jugendliche Ziel-
gruppe.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein international standardisierter Ansatz der Wer-
bung sinnvoll sein:
Der Nutzen des Produkts oder der Marke ist auf jedem der Zielmärkte gleichartig.
Die Kaufinteressenten auf jedem Zielmarkt haben ähnliche Erwartungen an das Produkt.
Ein Beispiel sind die Erwartungen von Geschäftsreisenden an ihre Fluglinie, die sich wohl
in keinem Land wesentlich unterscheiden.
Die Zielgruppen auf jedem der Zielmärkte sind homogen, sodass ein vergleichbarer
Medieneinsatz erfolgen kann.
Das beworbene Produkt befindet sich auf jedem der Zielmärkte in einer vergleichbaren
Phase seines Produktlebenszyklus.
Die angebotene Marke hat eine starke Position auf jedem der Zielmärkte mit einem großen
Werbebudget.
Die Grundidee der Werbebotschaft ist übertragbar.
In Abhängigkeit von den Gegebenheiten auf den unterschiedlichen Ländermärkten kann der
individuelle Stil der Werbung unterstützt werden oder eine Anpassung verlangen. In Nord-
amerika beispielsweise hat sich ein bestimmter „Glamour-Stil“ durchgesetzt, der in Europa
zum Teil als übertrieben und lächerlich empfunden wird. In Großbritannien werden in der
Werbung häufig Ironie, Understatement und Groteske in Anlehnung an „Monty Python“ oder
„Mister Bean“ verwendet. Frankreich ist für einen Zukunftsglauben (z. B. TGV-Züge, Con-
corde) und Eleganz, Kreativität und Schönheit bekannt (z. B. Renault: „Créateur d’automobi-
les“, L’Oréal-Gruppe: „Weil ich es mir wert bin“) und in Deutschland identifiziert man sich
gerne mit eher nüchterner Werbung zum Thema Technik, Funktionalität, Wirtschaftlichkeit
und Zukunftssicherung.
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15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung
Standardisierung durch Clusterbildung In der Praxis werden häufig Gruppen (Cluster) gebil-
det aus Ländern, die ähnliche wirtschaftliche, sozioökonomische, kulturelle oder gesetzgebe-
rische Merkmale aufweisen. Auf diese Weise kann in Ländergruppen wie beispielsweise
Deutschland – Österreich – Schweiz oder Niederlande – Belgien – Luxemburg standardi-
sierte Werbung mit Erfolg durchgeführt werden.
Die Möglichkeiten der Clusterbildung sind jedoch beschränkt, und es wäre unrealistisch
anzunehmen, dass die kulturellen Unterschiede und die verschiedenen Traditionen inner-
halb der Europäischen Union kurzfristig verschwinden würden. Trotz politischer Einheit
muss sicherlich auch weiterhin noch unterschiedlichen Bedürfnissen und Wünschen Rech-
nung getragen werden. Für Asien gilt Ähnliches. Als Konsumenten oder beispielsweise als
Köche unterscheiden sich Japaner, Koreaner und Chinesen ebenso dramatisch wie Sizilianer,
Schotten und Polen. Soweit es wirklich grenzüberschreitende Gemeinsamkeiten gibt, kann
Werbung dort vereinheitlicht werden. Dafür muss aber umso genauer bei jeder bevorstehen-
den Wiederholung von Werbung darauf geachtet werden, ob einzelne Bestandteile der Kam-
pagne aufgrund verborgener kultureller Unterschiede die gewünschte Wirkung erzielt haben.
Es gibt keine einfache und allgemeingültige Antwort darauf, ob für ein Unternehmen bezie-
hungsweise für eine Marke Standardisierung oder Differenzierung die richtige Methode ist.
Die Verantwortlichen müssen daher die Unterschiede und die Übereinstimmungen bei den
Zielgruppen auf den unterschiedlichen nationalen oder regionalen Märkten feststellen und
Gelegenheiten oder Notwendigkeiten in Bezug auf Standardisierung oder Differenzierung
erkennen.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
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15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung
Fernsehwerbung Es gibt kaum noch Länder, in denen Fernsehwerbung nicht zur Verfügung
steht. Da in vielen Ländern auch Kabel- und Satellitenprogramme empfangen werden kön-
nen, hat sich das Medium Fernsehen von einem lokal oder national orientierten Medium zu
einem internationalen Medium gewandelt. Einige Stationen wie CNN, NBC oder MTV sind
Anbieter auf diesen internationalen Märkten. Diese Fernsehsender kommen allerdings auch
nur für Unternehmen infrage, die eine derartige internationale Abdeckung anstreben. In vie-
len Ländern ist der Fernsehmarkt durch eine große Anzahl an Programmen sehr stark seg-
mentiert. Hier Werbung mit dem richtigen Sprachrohr zu machen, ist mittlerweile viel
schwieriger als noch vor wenigen Jahren.
Werbung im öffentlichen Raum Auch diese Medien stehen nahezu weltweit zur Verfügung.
Werbeträger, wie zum Beispiel Parkbänke, Wartehäuschen an Straßenbahn- und Bushaltestel-
len, Lastzüge des Fernverkehrs, große Bahnhofshallen, Stadien, Busse, Bahnen und Taxis,
unterliegen im Falle von Alkohol- und Tabakwerbung teilweise noch nicht den in vielen
Ländern geltenden gesetzlichen Einschränkungen. Die Unternehmen, die diese Art Werbung
anbieten, bemühen sich daher, immer mehr Bereiche des öffentlichen Raums als Werbeträger
nutzen zu können. In einigen Ländern, wie beispielsweise China oder Russland, ist aller-
dings die Werbung im öffentlichen Raum erst nach den gesellschaftlichen Umbrüchen in
Gang gekommen.
Elektronische Medien Die Entwicklung zur interaktiven Kommunikation über elektronische
Medien und Internet hat die Gesellschaft und damit auch die Landschaft der Werbemedien
verändert und zu einer Ausweitung der nutzbaren Medien geführt. Vor allem das Internet mit
seinen unzähligen Plattformen bietet ein breites Spektrum an potenzieller Werbefläche. Von
einfachen Bannern, die auf fast jeder Webseite zu finden sind, bis hin zu in die Webseite inte-
grierten Videos. Zu nennen sind neben dem Internet auch Mobilfunk, Pay-TV, interaktives
Fernsehen etc.
Hörfunkwerbung Als Medium für internationale Werbung ist der Hörfunk aufgrund seiner
eingeschränkten Reichweite nur bedingt geeignet und eher lokal oder regional orientiert.
Interessant ist das Medium jedoch nach wie vor, da es Autofahrer (Autoradio) erreicht.
Situationsbedingte Werbung Weltweit versucht man Werbung jeweils dort zu schalten, wo
sich der potenzielle Kaufinteressent gerade aufhält, d. h. am Arbeitsplatz, im Fitnesscenter,
im Supermarkt (besonders auch neben der Warteschlange zur Kasse mit Zeitschriften, Ziga-
retten, Schokolade), im öffentlichen Raum oder auch in Verkehrsmitteln. Ist eine derartige
Kampagne einmal konzipiert und auf einem Inlandsmarkt mit Erfolg eingeführt, kann sie
auch auf internationale Märkte übertragen werden.
Messen und Ausstellungen Hier kann man zwischen Fachmessen und Verbrauchermessen
unterscheiden. Trotz hohen Personalbedarfs und Kostenaufwands sind sie in manchen
Geschäftsfeldern (Investitionsgüter, bauma als weltweit größte Baumaschinen-Fachmesse
usw.) ein wichtiges Medium internationaler Kommunikation.
Sponsoring So wie es für ein mittelständisches Unternehmen sinnvoll sein kann, den örtli-
chen Fußballverein oder eine Jugendgruppe zu fördern, kann es für ein global tätiges Unter-
nehmen sinnvoll sein, eine internationale Großveranstaltung zu sponsern. Weltweit beach-
tete Aktivitäten, wie zum Beispiel die Olympischen Spiele oder Weltmeisterschaften, finden
nicht sehr häufig statt und erfordern hohe Investitionen. Daher sind derartige Projekte den
meisten Unternehmen nicht zugänglich.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
Sonstige Medien Werbematerial, das unmittelbar dort eingesetzt wird, wo die Ware verkauft
wird (am Point of Sale), kann für einen internationalen Einsatz kaum standardisiert werden,
weil es in der Landessprache erstellt werden muss. Ähnliches gilt für Versandhauskataloge
und Werbebriefe, die immer in der Landessprache vorgelegt werden sollten. Insbesondere
Kreditkartenunternehmen haben zum Teil globale Kundenkarteien und nutzen landesspezi-
fisch angepasste Mailings für ihre Kommunikation.
Internationale Mediaplanung
Unternehmen, die für ihre Produkte auf verschiedenen Ländermärkten werben, müssen ent-
scheiden, auf welchen Medien sie ihre Kampagne aufbauen wollen. Dies hängt von der ins
Auge gefassten Zielgruppe, vom Budget, von umfassendem Fachwissen über die Medien-
branche und von der Effizienz der eingesetzten Medien auf dem jeweiligen Markt ab.
Die internationale Werbe- und Media-Planung ist komplizierter als eine rein nationale Pla-
nung, weil Situation und Angebot der Medienbranche sich von Land zu Land unterscheiden.
Dies ist das Ergebnis von unterschiedlichen kulturellen, wirtschafts- und unternehmensge-
schichtlichen Traditionen und Entwicklungen. Die Marktforschungstechniken variieren sehr
stark von Land zu Land, in einigen Ländern gibt es keine ausgeprägte Medienforschung, in
anderen hingegen ist die Medienlandschaft sehr detailliert beschrieben. Die vergleichende
internationale Medienforschung steckt noch in den Kinderschuhen und ist relativ teuer.
Bevor zuverlässige internationale Vergleiche vorliegen, ist es für international werbende
Unternehmen schwierig, die Wirkungen der unterschiedlichen Medien auf den einzelnen
nationalen Märkten wirklich vergleichen zu können.
Innerhalb der EU arbeitet die European Association of Advertising Agencies daran, zuverläs-
sige Daten zu sammeln, um die paneuropäischen Medienforscher zu unterstützen. Es werden
vergleichende Daten generiert, die den Media-Planern helfen sollen, ihre Kampagnen sowohl
europaweit als auch in einzelnen Ländern besser zu planen.
Auch die Verfügbarkeit der einzelnen Medien unterscheidet sich stark von Land zu Land.
Einige Länder haben zu wenige Medien und können nicht alle Werbewünsche erfüllen. Oft
fehlt in solchen Ländern eine leistungsfähige Fachpresse. Jemand, der zum Beispiel ein Spe-
zialwerkzeug für eine kleine Zielgruppe anbieten möchte, könnte dann nur in eine große Zei-
tung mit nationaler Verbreitung gehen. Andere Länder haben sehr viele und stark segmen-
tierte Medien. Hier ist es dann eine Herausforderung, wirklich alle Mitglieder der Zielgruppe
kostengünstig mit Werbung anzusprechen.
Auch die Preise und die Präferenzen für Medien können sich von Land zu Land unterschei-
den In Skandinavien hat einer von drei Konsumenten eine positive Einstellung gegenüber
Printmedien, nur einer von fünf hat eine vergleichbare Meinung zu Fernsehwerbung. Die
Präferenz für das gedruckte Wort hat wichtige Auswirkungen auf die Auswahl des Kommu-
nikationsmediums.
Nichtsdestotrotz spiegeln sich kulturelle Unterschiede im Käuferverhalten wider. Beispiels-
weise ist in Italien die durchschnittliche Anzahl der Fernsehspots, die Werbende kaufen
(auch durchschnittlicher Werbedruck – average advertising weight – genannt), höher als im
restlichen Europa. Der Ursprung kultureller Unterschiede ist häufig auch eher im „Bauchge-
fühl“ der Werbeplaner zu suchen als in rationalen Gründen, mit der Folge, dass die Akzep-
tanz einer zentralisierten oder standardisierten Herangehensweise lokal verweigert wird.
Daher ist es schwierig, paneuropäische Media-Strategien zu standardisieren. Wenn die Mar-
ketingdirektorin im amerikanischen Hauptsitz ihren italienischen Kollegen vorhält, dass
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15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung
deren Werbedruck zweieinhalb Mal höher ist als der anderer europäischer Niederlassungen,
dann wird es sicher zu einer kontroversen Diskussion mit dem italienischen Marketingteam
kommen.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
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15.5 Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
arbeit kann manchmal außergewöhnliche Effekte erzielen. Schauen wir uns die Markteinfüh-
rung von Apples iPad an.
Das iPad gehört zu den erfolgreichsten neuen Produkten aller Zeiten. Das Besondere:
Während die meisten großen Markteinführungen neuer Produkte im Vorfeld von gewal-
tigen Werbekampagnen begleitet werden, verzichtete Apple in diesem Fall darauf. Über-
haupt keine Werbung. Stattdessen entfachte es einfach das PR-Feuer. Schon Monate
zuvor sorgten die ersten Testgeräte für Furore, die Print- und Online-Medien wurden
mit Appetithäppchen versorgt und Fans durften im Internet schon mal einen Blick auf
Tausende neuer iPad-Apps werfen, die mit dem neuen Modell zur Verfügung standen.
Zum Verkaufsstart fachte das Unternehmen die Glut noch mit einem Cameo-Auftritt in
der US-amerikanischen Sitcom Modern Family, einer Dauerpräsenz in Talkshows am
Tag der Markteinführung und anderen Veranstaltungen weiter an.
So erzeugte das iPad zum Verkaufsstart nur durch die PR-Maßnahmen eine grenzenlose
Aufregung bei den Verbrauchern, Ekstase bei den Medien und lange Warteschlangen vor
den Geschäften. Apple verkaufte allein am ersten Tag mehr als 300.000 der schlanken
Geräte und über 2 Millionen in den ersten zwei Monaten – und das bei einer Nachfrage,
die das Angebot überstieg. Ein Jahr später wiederholte Apple den Coup mit dem gleich-
sam erfolgreichen iPad 2, von dem am ersten Wochenende fast eine Million Geräte ver-
kauft wurden.
Quellen: Geoffrey Fowler und Ben Worthen, „Buzz powers iPad launch“, Wall Street Journal, 2.
April 2010; „Apple iPad sales top 2 million since launch“, Tribune-Review (Pittsburgh), 2. Juni
2010; „PR pros must be Apple’s iPad as a true game-changer“, PRweek, Mai 2010, S. 23 sowie
„Apple launches new iPad“, 7. März 2012, www.apple.com/pr/library/2012/03/07Apple-Launches-
New-iPad.html.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
Trotz dieser Vorteile wird das Potenzial der Öffentlichkeitsarbeit von vielen Unternehmen
nicht genutzt. Zum Teil liegt dies an der inneren Organisation der Unternehmen. Die Abtei-
lung Öffentlichkeitsarbeit ist fast immer der Konzernzentrale angeschlossen. Die Mitarbeiter
stehen ständig unter Druck, die Wünsche bestimmter Gruppen zu erfüllen: der Aktionäre,
der Mitarbeiter, der Gewerkschaften, des Staates, des Kartellamts und anderer Aufsichtsbe-
hörden. Der Abteilung bleibt keine Zeit, Programme für Öffentlichkeitsarbeit zu entwerfen
und durchzuführen, welche die Ziele des Produktmarketing unterstützen könnten. Darüber
hinaus sprechen die Verantwortlichen des Marketings und der Public Relations häufig nicht
die gleiche Sprache: Während die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit bisweilen nur die reine
Kommunikation zu ihren Aufgaben zählt, verlassen Marketingmanager sich lieber nicht auf
den langfristigen Erfolg der Öffentlichkeitsarbeit, sondern investieren eher in kräftige
Impulse durch zielgerichtete Werbung.
Die Situation ändert sich jedoch. Obwohl Öffentlichkeitsarbeit nach wie vor nur einen klei-
nen Teil des gesamten Marketingbudgets vieler Firmen ausmacht, kann sie ein starkes Mittel
zum Markenaufbau sein. Besonders im heutigen digitalen Zeitalter verschwimmen die Gren-
zen zwischen Werbung und PR zunehmend. Gehören zum Beispiel Markenwebseiten, Blogs,
Markenvideos und Aktivitäten in den sozialen Medien in den Bereich Werbung oder PR?
Alles gehört zu beidem. Und da die Nutzung geteilter digitaler Inhalte rasant wächst, könnte
PR eine größere Rolle bei der Steuerung von Markeninhalten spielen. Mehr als jede andere
Abteilung ist PR heute verantwortlich für die Entwicklung relevanter Marketinginhalte, die
die Marke für Kunden interessant machen, statt nur Markenbotschaften zu verbreiten. „Zu
wissen, wo Einfluss und Gesprächsthemen stattfinden, ist das Kapital von PR“, sagt ein
Experte. „PR-Profis sind die Regisseure einer Organisation. Kurz gesagt sie machen
Inhalte.“13 Der Punkt ist, dass PR und Werbung im Rahmen eines integrierten Marketing-
Kommunikationsprogramms Hand in Hand gehen müssen, um die Einbindung von Kunden
und den Aufbau von Beziehungen zu gewährleisten.
13 Sarah Skerik, „An emerging PR trend: Content PR strategy and tactics“, PR Newswire, 15. Januar
2013, http://blog.prnewswire.com/2013/01/15/an-emerging-pr-trend-content-pr-strategy-tactics/.
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15.5 Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
eller Veranstaltungen bis hin zur Organisation und Durchführung bundesweiter Veranstal-
tungsreihen reichen.
Informationsmaterial Die Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens erstellt auch schrift-
liches Material, in dem vergangene, gegenwärtige und künftige Aktivitäten sowie das Unter-
nehmen in seinem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhang dargestellt
werden. Hierzu gehören Geschäftsberichte, Umwelt- und Sozialbilanzen, Unternehmenszeit-
schriften usw. Die Erstellung von Informationsmaterial kann aber auch weit über gedrucktes
Material hinausgehen und sich unterschiedlicher Medien bedienen (Filme, CD-ROM, Inter-
net etc.).
Corporate Identity Für die Wiedererkennung des Unternehmens ist ein abgestimmtes
Erscheinungsbild sehr wertvoll. Hierzu gehören alle Materialien, die das Unternehmen nach
außen verwendet, wie z. B. Logos, Drucksachen (Briefköpfe, Rechnungen, Visitenkarten
usw.) und Werbemittel. Auch Gebäude, Firmenfahrzeuge und Dienstkleidung können die
Philosophie des Unternehmens widerspiegeln.
Soziales Engagement Für Unternehmen gibt es verschiedene Gelegenheiten, Sach- oder
Geldspenden zugunsten einer guten Sache zu leisten. Bei vielen Aktionen dieser Art werden
die Spender und Helfer genannt und finden in unabhängigen Berichten der Medien öffentli-
che Erwähnung.
Sponsoring bezeichnet Maßnahmen, mit denen Unternehmen bestimmte Personen oder
Organisationen durch Geld, Sachmittel oder Dienstleistungen fördern. Sie erhalten dafür von
den geförderten Institutionen eine Gegenleistung. Diese kann z. B. in der Erwähnung in Pub-
likationen, Pressemitteilungen oder Anzeigen bestehen. Wesentliche Bereiche des Sponso-
ring sind: Sport, Kultur, Bildung und Wissenschaft.
Sponsoring hat sich zu einem wichtigen Instrument für solche Unternehmen entwickelt, die
entweder ihre Marke aufbauen oder das Markenbild verbessern wollen und für solche, die
neue Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt bringen möchten. Samsung trat bei-
spielsweise erfolgreich einer kleinen, aber ausgesuchten Gruppe von Sponsoren der Olympi-
schen Spiele bei. Durch die Konzentration der Sponsoring-Aktivitäten auf wenige erstklas-
sige weltweite Ereignisse wie die Olympischen Spiele konnte das Unternehmen den
Markennamen Samsung zu einer begehrten globalen Marke entwickeln.
Internet und soziale Medien Innerhalb weniger Jahre wurde das Internet zu einem führenden
Medium und damit die Darstellung des Unternehmens auf seiner eigenen Webseite ein zent-
rales Instrument der Öffentlichkeitsarbeit. Da immer mehr Verbraucher im Internet nach
Informationen suchen, stellt das Netz ein geradezu ideales Instrument für die Öffentlichkeits-
arbeit dar. Blogs und soziale Medien wie YouTube, Facebook, Pinterest und Twitter bieten
neue Möglichkeiten, Verbraucher zu erreichen und stärker einzubinden. „Die wesentlichen
Stärken der Öffentlichkeitsarbeit – nämlich die Fähigkeit, eine Geschichte zu erzählen und
Gesprächsthemen zu initiieren – verbinden sich sehr gut mit dem Wesen der sozialen
Medien“, sagt ein PR-Experte.
Die Webseite eines Unternehmens ist ein wichtiges PR-Instrument. Konsumenten besuchen
sie, um sich zu informieren oder zu unterhalten. Webseiten können auch herausragende Inst-
rumente sein, um Krisensituationen zu bewältigen. Die direkte Verbindung zum Verbraucher
über Unternehmenswebseiten bedeutet auch, dass die PR-Abteilungen der Firmen und ihre
Agenturen eine bessere Kontrolle über die kommunizierten Inhalte haben. Vor der Internet-
Ära mussten die PR-Verantwortlichen darauf vertrauen, dass die Journalisten „Geschichten“
über das Unternehmen, seine Produkte und Mitarbeiter schreiben, die die Organisation oder
ein Ereignis glaubwürdig und berichtenswert darstellen.
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit
Ein wesentlicher Vorteil der Nutzung der Webseite des Unternehmens im Rahmen der
Öffentlichkeitsarbeit ist die Kontrolle der Konsistenz von Nachrichten. Pressemitteilungen
erreichen beispielsweise den interessierten Verbraucher direkt – und nehmen nicht den
Umweg über Journalisten.
Auch wenn das Internet die PR-Arbeit grundsätzlich verändert, ist es kein Ersatz für Journa-
listen und deren wirkungsvolle Leitartikel. Die online getätigten Anstrengungen der Öffent-
lichkeitsarbeit müssen deshalb durch persönliche Gespräche mit Journalisten und anderen
Meinungsbildnern ergänzt werden.
ZUSAMMENFASSUNG
Ein Unternehmen muss mehr tun, als nur gute Produkte und Dienstleistungen anzubie-
ten. Der Kunde muss auch über die Produktvorteile informiert werden. Um potenzielle
Kunden zielgerichtet anzusprechen, werden hauptsächlich zwei Instrumente der Kom-
munikation über Massenmedien verwendet: Werbung und PR bzw. Öffentlichkeitsar-
beit. Sie stehen im Gegensatz zu Instrumenten, die auf individuell orientierte Kontakte
ausgerichtet sind, wie beispielsweise der persönliche Beratungs- und Verkaufsbesuch.
Werbung Die Werbung ist die Nutzung bezahlter Medien durch einen Anbieter, um
bestimmte Zielgruppen über seine Produkte oder seine Organisation zu informieren, zu
überzeugen oder daran zu erinnern. Unter den Kommunikationsaktivitäten ist Werbung
das einflussreichste Instrument, und es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher For-
men. Die Entscheidungsfindung in der Werbung erfolgt in fünf Schritten:
1. Die Definition der Ziele der Werbung
2. Die Festlegung des Budgets
3. Die Entwicklung der Botschaft
4. Die Bestimmung der eingesetzten Medien
5. Die Überprüfung und Bewertung der Werbewirkung
Die Ziele der Werbung bestehen darin, zu informieren, zu überzeugen oder zu erinnern.
Das Budget kann sich daran orientieren, was sich das Unternehmen leisten möchte oder
was die Konkurrenz ausgibt. Es kann sich aber auch an bestimmten Prozentsätzen des
Umsatzes orientieren oder berechnen, wie viel Werbung nötig ist, um ein festgelegtes Ziel
zu erreichen. Bezüglich der Botschaft geht es meistens darum, effiziente und schlagkräf-
tige Aussagen zu formulieren, sie schon im Vorfeld zu prüfen und sie dann wirkungsvoll
einzusetzen. Die Entscheidung über die einzusetzenden Medien befasst sich mit Reich-
weite, Häufigkeit (Frequenz) und Zielen für deren Einsatz. Die Hauptmedien müssen
bestimmt werden, ehe eine Medienfeinplanung und schließlich eine Terminierung des
Medieneinsatzes erfolgen können. Zum Schluss muss eine Gesamtüberprüfung und -
bewertung stattfinden, die auf den Kommunikations- und Umsatzsteigerungseffekten
(Absatz vor, während und dauerhaft nach der Werbekampagne) beruht.
Unternehmen, die ihre Produkte über die Landesgrenzen hinweg anbieten, sollten die
vorhandenen Unterschiede in kultureller, sozioökonomischer, politischer und rechtli-
cher Hinsicht berücksichtigen, wenn es zu entscheiden gilt, ob man Werbung internatio-
nal standardisieren oder an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen will.
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Literatur und Quellen
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738
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Persönlicher Verkauf und
Verkaufsförderung
ÜBERBLICK
Social-Media-Tools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765
16.5 Der Prozess des persönlichen Verkaufs. . . . . . . . . . . 768
16.6 Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 782
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... erklären, welche Rolle der Vertrieb eines Unternehmens hinsichtlich Kundennut-
zen und Kundenbeziehungen spielt.
... die einzelnen Schritte der Vertriebssteuerung identifizieren und beschreiben.
... den Ablauf des persönlichen Verkaufs erläutern und dabei die Unterschiede zwischen
transaktionsorientiertem und beziehungsorientiertem Marketing herausarbeiten.
... beschreiben, wie ein Verkaufsförderungsprogramm entwickelt und durchgeführt
wird.
16.1 Einführung
In den letzten beiden Kapiteln haben Sie erfahren, wie man Kundennutzen über integrierte
Marketingkommunikation vermittelt, und zwei Elemente aus dem Kommunikationsmix ken-
nengelernt: Werbung und Öffentlichkeitsarbeit bzw. Public Relations (PR). In diesem Kapitel
untersuchen wir nun zwei weitere Elemente der integrierten Marketingkommunikation: den
persönlichen Verkauf und die Verkaufsförderung. Der persönliche Verkauf ist der zwischen-
menschliche Zweig der Marketingkommunikation, in welchem die Vertriebsmitarbeiter mit
bestehenden und potenziellen Kunden interagieren, um Beziehungen aufzubauen und
Umsätze zu erzielen. Die Verkaufsförderung besteht aus kurzfristigen Anreizen, um den Kauf
oder Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung zu erreichen. Denken Sie beim Lesen
daran, dass es in diesem Kapitel bei persönlichem Verkauf und Verkaufsförderung zwar um
zwei separate Themenbereiche geht, beide jedoch sorgfältig in die anderen Elemente des
Marketing-Mix integriert werden müssen.
Sehen wir uns zunächst das Vertriebspersonal an. Woran denken Sie zuerst, wenn Sie sich einen
Verkäufer oder Handelsvertreter vorstellen? Vielleicht an übereifrige Mitarbeiter in den Geschäf-
ten, marktschreierische Anpreisungen in der Fernsehwerbung oder den Typ „schmieriger
Gebrauchtwagenhändler“. Doch solche Stereotypen entsprechen einfach nicht der Realität des
modernen Vertriebspersonals – dies sind nämlich Verkaufsprofis, deren Erfolg nicht auf der Über-
vorteilung von Kunden beruht, sondern darauf, deren Bedürfnisse ernst zu nehmen und Lösun-
gen anzubieten. Für die meisten Unternehmen spielt der persönliche Verkauf eine wichtige Rolle
beim Aufbau profitabler Kundenbeziehungen. Denken Sie an Procter & Gamble (P&G), dessen
kundenorientierte Vertriebsorganisation schon lange als eine der effektivsten weltweit gilt.
Seit Jahrzehnten ist P&G an der Spitze fast jeder von Experten erstellten Bestenliste heraus-
ragender Marketingbetreiber. Die Fachleute heben P&Gs Portfolio an bestverkauften Ver-
brauchermarken hervor oder auch die Tatsache, dass P&G jahrein, jahraus die meiste Wer-
bung weltweit platziert. Verbraucher scheinen das genauso zu sehen. In 99 Prozent aller
amerikanischen Haushalte findet sich mindestens eine große P&G-Marke; in vielen Haus-
halten gibt es ein Dutzend oder mehr bekannter P&G-Produkte. Doch noch etwas anderes
bringt P&G großen Respekt ein – seine erstklassige, kundenorientierte Absatzorganisation.
740
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.1 Einführung
Die Absatzorganisation von P&G galt lange als Symbol für den besten Vertrieb. Wenn es
um die Auswahl, Ausbildung und den Umgang mit Verkaufspersonal geht, setzt P&G
höchste Maßstäbe. Das Unternehmen unterhält eine enorme Absatzorganisation mit
mehreren tausend Verkaufsmitarbeitern weltweit. Bei P&G jedoch spricht man selten
von „Vertrieb“. Stattdessen nutzt das Unternehmen die Bezeichnung „Customer Busi-
ness Development“ (CBD, Entwicklung des Kundengeschäfts). Und die Mitarbeiter von
P&G sind kein „Verkaufspersonal“, sondern „CBD-Manager“ oder „CBD-Großkundenbe-
treuer“. Das hört sich vielleicht sehr nach Unternehmenssprache an, doch für P&G trifft
diese Unterscheidung genau den Kern, wie Vertrieb funktioniert.
P&G weiß: Wenn es dem Kunden nicht gut geht, geht es auch dem Unternehmen nicht
gut. Für das eigene Geschäftswachstum muss P&G daher zunächst das Geschäft der Ein-
zelhändler stärken, die die Marken an den Endverbraucher verkaufen. Und für P&G liegt
die Hauptverantwortung zur Förderung des Kundenwachstums bei der Absatzorganisa-
tion.
741
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Statt einfach nur an die Groß- und Einzelhandelskunden zu verkaufen, arbeiten die
CBD-Manager strategisch mit den Kunden zusammen, um deren Geschäft in den P&G-
Produktkategorien zu stärken. „Wir brauchen sie und sie brauchen uns“, sagt ein CBD-
Manager. Durch die Zusammenarbeit schaffen P&G und seine Kunden eine Win-win-
Situation, in der beide gedeihen können.
Die meisten P&G-Kunden sind große und komplexe Unternehmen – wie z.B. Walmart,
Dollar General, Tesco, Metro oder Carrefour – mit tausenden Filialen und Milliarden-
umsätzen. Die Zusammenarbeit mit diesen Kunden und der Verkauf an sie kann sehr
komplex sein und übersteigt die Kapazität eines einzelnen Verkaufsmitarbeiters oder
Verkaufsteams. Stattdessen stellt P&G ein vollständiges CBD-Team für jeden Großkun-
den zur Verfügung. In jedem CBD-Team ist nicht nur Verkaufspersonal vertreten, son-
dern eine ganze Bandbreite von Spezialisten für jeden Aspekt des Vertriebs von P&G-
Verbrauchermarken auf Einzelhandelsebene.
Die CBD-Teams variieren in ihrer Größe je nach Kunden. Um den größten Einzelkunden
von P&G, Walmart, der beachtliche 20 Prozent des Geschäftsumsatzes ausmacht, küm-
mert sich beispielsweise ein CBD-Team aus 350 Personen. Zum Vergleich: Das Team von
P&G für die Firma Dollar General umfasst gerade einmal 30 Mitarbeiter. Unabhängig von
der Größe bildet jedes CBD-Team eine vollständige, multifunktionale Einheit für den
Kundendienst. Jedes Team hat einen CBD-Manager und mehrere CBD-Großkundenbe-
treuer (jeder davon ist zuständig für eine bestimmte P&G-Produktkategorie) und wird
von Fachleuten für Marketingstrategie, Produktentwicklung, betriebliche Abläufe, Infor-
mationssysteme, Logistik, Finanzen und Personalwesen unterstützt.
Um die Großkunden effektiv betreuen zu können, muss das Verkaufspersonal von P&G
klug, gut geschult und verhandlungssicher sein. Sie haben jeden Tag mit anspruchsvol-
len Einzelhandelskunden zu tun, die zum Teil für mehrere Hundert Millionen Dollar
pro Jahr Marken von P&G sowie von Wettbewerbern abnehmen. Es braucht mehr als ein
freundliches Lächeln und einen festen Händedruck, um mit solchen Kunden umzuge-
hen.
Doch ein einzelner P&G-Verkaufsmitarbeiter kann nicht alles wissen und dank der CBD-
Struktur muss er das auch nicht. Stattdessen verfügen sie als Mitglieder eines vollstän-
digen CBD-Teams über alle Mittel, die sie benötigen, um auch die größten Herausforde-
rungen der Kunden zu bewältigen. „Ich habe hier alles, was ich brauche“, sagt ein Kun-
denbetreuer für Haushaltspflege-Produkte. „Wenn mein Kunde Unterstützung bei der
Filialwerbung benötigt, kann ich einfach nach unten gehen und mit einem Marketing-
kollegen aus meinem Team über eine geeignete Werbemaßnahme sprechen. Ganz ein-
fach.“ CBD beinhaltet die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Kunden zur gemein-
samen Festlegung von Strategien, die Mehrwert und Zufriedenheit beim Endkunden
erzeugen und den Filialen profitable Umsätze bringen. Wenn es um den profitablen
Abverkauf von Marken wie Tide, Pampers, Gillette oder anderen P&G-Marken in den
Läden geht, sind die Vertreter von P&G und ihre Teams oft besser informiert als die Ein-
zelhändler, die sie beraten. Tatsächlich verlassen sich die Handelspartner von P&G oft-
mals darauf, dass die CBD-Teams sie nicht nur bei der Listung von P&G-Marken, son-
dern auch in allen anderen Produktkategorien einschließlich der Marken von
Wettbewerbern unterstützen.
742
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.1 Einführung
Moment mal. Ist es für P&G überhaupt sinnvoll, bei der Lagerung und Platzierung von
Konkurrenzmarken ebenso zu beraten wie bei den eigenen? Würde ein CBD-Vertreter
von P&G einem Einzelhandelskunden jemals raten, weniger P&G-Produkte und mehr
Marken von Wettbewerbern zu führen? Ob Sie es glauben oder nicht, das passiert stän-
dig. Das vorrangige Ziel der CBD-Teams ist es, dem Kunden Vorteile in jeder Produktka-
tegorie zu verschaffen. Analysen zeigen manchmal, dass die beste Lösung für den Kun-
den darin liegt, „mehr Artikel von den anderen“ zu listen. Für P&G ist das in Ordnung.
Das Unternehmen weiß, dass die beste Lösung für den Einzelhändler letztlich eine
höhere Kundenfrequenz bringt, die dann wiederum höchstwahrscheinlich auch die
Umsätze anderer P&G-Produkte in derselben Kategorie steigert. Da die meisten P&G-
Marken den jeweils größten Marktanteil haben, profitieren sie wohl eher von einer
höheren Kundenfrequenz als die der Konkurrenz. Auch hier gilt: Was gut für den Kun-
den ist, ist gut für P&G; es ist eine Win-win-Situation.
Offene und ehrliche Abschlüsse helfen auch beim Aufbau langfristiger Geschäftsbezie-
hungen. Das Verkaufspersonal von P&G wird zu vertrauten Beratern für die Handel-
spartner, ein Status, für dessen Erhalt sie hart arbeiten. „Ich brauchte vier Jahre, um die-
ses Vertrauensverhältnis mit meiner Kundin aufzubauen“, sagt ein langjähriger CBD-
Großkundenbetreuer. „Wenn ich sie überreden will, P&G-Produkte zu kaufen, die sie
nicht abverkaufen kann, oder Konkurrenzmarken auszulisten, die sie verkaufen könnte,
dann verliere ich dieses Vertrauen in einer Sekunde.“ Schließlich funktioniert die
Zusammenarbeit in beide Richtungen: P&G leistet etwas und bekommt von den Kunden
etwas zurück. „Wir helfen den Kunden bei der Platzierung von TV-Werbungen oder bei
der Durchführung von Werbeveranstaltungen, aber in der Regel lohnt sich die Investi-
tion“, erläutert ein anderer CBD-Manager. „Der Nutzen für uns liegt dann vielleicht in
der Unterstützung beim Vertrieb eines neuen Produkts oder mehr Regalfläche für Textil-
pflege. Wir sind bereit, uns anzustrengen, wenn sich die Mühe lohnt und einen Wert
sowohl für uns als auch für den Kunden und den Endverbraucher erzeugt.“ Laut P&G
„bringt das Customer Business Development Umsatz, und noch eine Menge mehr. Es ist
P&Gs ganz spezieller Ansatz, [der uns hilft] Wachstum durch die Zusammenarbeit als
‚strategischer Partner‘ mit unseren Großkunden zu erzielen, in der wechselseitige
Geschäftsvorteile im Fokus stehen. Alle Kunden wollen ihr Geschäft verbessern; es ist
unsere Aufgabe, ihnen bei der Ermittlung der besten Möglichkeiten zu helfen.“
So entsprechen die Verkaufsmitarbeiter von P&G nicht dem Stereotyp penetranter Ver-
treter, die einem in den Sinn kommen, wenn man an Verkauf denkt. Sie werden noch
nicht einmal als „Verkaufspersonal“ bezeichnet, sondern als CBD-Manager – talentierte,
gut ausgebildete, geschulte Vertriebsprofis, die alles tun, um den Erfolg ihrer Kunden zu
fördern. Sie wissen, dass Verkaufsgeschick auch die Zusammenarbeit mit den Kunden
beinhaltet, um deren Probleme zum gegenseitigen Vorteil zu lösen. Sie wissen: Hat der
Kunde Erfolg, haben auch sie Erfolg.
Fragen
1. Welche Vertriebsphilosophie verfolgt P&G?
2. Welche Rolle spielt der einzelne Kundenbetreuer im Verkaufsprozess?
743
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Die einführende Fallstudie greift einige Aspekte auf, die für eine erfolgreiche Vertriebs- und
Außendienstorganisation wichtig sind. Nachdem wir uns bereits mit zwei Bestandteilen des
Marketingkommunikations-Mix – Werbung und Öffentlichkeitsarbeit – beschäftigt haben,
werfen wir nun einen genaueren Blick auf zwei weitere Elemente: persönlicher Verkauf und
Verkaufsförderung. Beide nutzen den direkten Kontakt zum Kunden, um einen kundenspezi-
fischen Nutzen zu erzeugen und um eine langfristige Kundenbeziehung aufzubauen.
744
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.2 Der persönliche Verkauf
745
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Tatsächlich ist der Außendienstmitarbeiter für viele Kunden gleichbedeutend mit dem
Unternehmen und dessen einziges erkennbares „Gesicht“. Dies verdeutlicht, wie wichtig die
Fähigkeit, Kundenbeziehungen aufzubauen, für den Außendienstmitarbeiter ist. Starke
Beziehungen zum Außendienstmitarbeiter führen zu starken Beziehungen zum Unterneh-
men und seinen Produkten. Umgekehrt gilt, dass lockere Beziehungen wahrscheinlich zu
lockeren Beziehungen zum Unternehmen und den jeweiligen Produkten führen. Durch seine
Schlüsselrolle in der Verbindung eines Unternehmens zu dessen Kunden muss der Außen-
dienst sehr stark kunden- und lösungsorientiert agieren.
Das europäische Unternehmen Airbus mit Hauptsitz in Toulouse wurde 1970 als
Zusammenarbeit zweier Unternehmen, Aerospatiale aus Frankreich und Deutsche Air-
bus, gegründet. Gemeinsames Ziel war es, das Modell A300 zu bauen, das erste Groß-
raumflugzeug mit zwei Triebwerken, um so eine Marktlücke zu füllen und gleichzeitig
der amerikanisch dominierten Flugzeugindustrie den Kampf anzusagen. 1974 schloss
sich das spanische Unternehmen CASA an, 1979 folgte die British Aerospace. Erst 2001
wurde aus der sogenannten Groupe d’Intérêt Economique ein einheitliches Unterneh-
men, welches zu 100 Prozent der European Aeronautic Defence and Space Company
(EADS) gehört. EADS benannte sich im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen
nach seinem Tochterunternehmen neu zu Airbus Group.
746
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.2 Der persönliche Verkauf
Aufgrund des überwältigenden Erfolges der A300/A310-Baureihe in den 70er- und 80er-
Jahren konnte Airbus schon bald sein Produktprogramm ausweiten. Während der
damals unangefochtene Marktführer Boeing bereits ein vollständiges Sortiment anbot,
legte der europäische Neuling schrittweise eigene Modelle nach. 2003 gelang es Airbus
schließlich, Boeing bei bestellten und ausgelieferten Flugzeugen zu überholen. Damit
war Airbus vom belächelten Außenseiter innerhalb von drei Jahrzehnten zum größten
Hersteller ziviler Flugzeuge der Welt aufgestiegen. Der Flugzeughersteller erreichte
2016 mit rund 66,6 Milliarden Euro den höchsten Umsatz seiner Firmengeschichte.
Über viele Jahre hinweg war Boeing Marktführer auf dem Gebiet der Verkehrsflugzeuge.
Um mit einem starken Konkurrenten wie Boeing mithalten zu können, musste das
Unternehmen außerordentliche Anstrengungen unternehmen. Von Beginn an zählten
der hohe Innovationsgrad und das herausragende Verkaufs- und Kundenmanagement zu
den Stärken des europäischen Herausforderers. Der größte Teil der Verantwortung lag
dabei bei den Mitarbeitern der Vertriebsorganisation. In vielerlei Hinsicht unterscheidet
sich der Verkauf von Flugzeugen vom Verkauf anderer Industrieprodukte. Weltweit hat
man es mit 380 Kunden zu tun. Das Flugzeug als echtes Hochtechnologieprodukt in
allen Funktionen ist sehr komplex und stellt für Käufer wie für Verkäufer gleichermaßen
eine große Herausforderung dar.
In anderer Hinsicht hat aber auch der Verkauf von Flugzeugen vieles mit dem Verkauf
sonstiger Investitionsgüter gemeinsam. Die Vertriebsmitarbeiter ermitteln die Bedürf-
nisse der potenziellen Käufer und machen interne Vorgaben, was ein Produkt leisten
sollte. Anschließend wird das Produkt gemäß diesen Vorgaben entwickelt. Der Vertrieb
führt dann beim Kunden vor, wie gut das neue Produkt die Aufgaben erfüllt, und ver-
sucht, Kaufabschlüsse zu erreichen. Daraufhin folgt eine Phase einer sorgfältigen techni-
schen und kommerziellen Programmbegleitung, in der der operationale Einsatz der
gekauften Flugzeuge laufend optimiert wird, nicht zuletzt in der Hoffnung, dass sich bei
Expansion oder Ersatz Folgegeschäfte entwickeln werden.
Um die Bedürfnisse zu ermitteln, werden die Vertriebsmitarbeiter von Airbus zu Experten
für jene Fluglinien, für deren Betreuung sie die Verantwortung tragen. Dabei bleibt es aber
nicht bei oberflächlichen Kenntnissen, sondern sie arbeiten sich intensiv in die Struktu-
ren und Bedürfnisse ein, in ähnlicher Weise, wie es vielleicht nur noch die Finanzanalyti-
ker großer Anleger vor bedeutenden Börseninvestitionen tun würden. Sie streben an, her-
auszufinden, in welchen Regionen die Fluglinien ihr Wachstum suchen, wann ihre
Flugzeuge zur Erneuerung fällig sind und wie die finanzielle Situation zu beurteilen ist.
Dann entwerfen sie Möglichkeiten, wie die Wünsche und Bedürfnisse dieser bestimmten
Fluglinie erfüllt werden könnten. Die Flugzeuge von Airbus und die der Konkurrenz wer-
den Computer-Simulationen mit den Routen der Linie unterworfen, um herauszufinden,
ob die Airbus-Produkte in Bezug auf Sitzkilometer-Kosten und andere Faktoren besser
geeignet und kostengünstiger sind als die Konkurrenzprodukte. Wenn die Airbus-Ver-
triebsgruppe dann ausreichend auf alle auftretenden Fragen vorbereitet ist, meldet sie sich
als Team aus Finanzfachleuten, Planern und Technikern zu einem ersten Besuch an.
In der Regel ist dies der Beginn der Verhandlungen, in deren Verlauf die Konditionen
festgelegt und umfangreiche Schulungsprogramme für Piloten und Technik vereinbart
werden. Wenn die Verhandlungen in einem weit fortgeschrittenen Stadium angelangt
sind, kommen häufig Mitglieder der obersten Geschäftsleitungsebene der Fluglinie und
von Airbus hinzu, um das Geschäft zu einem Abschluss zu bringen.
747
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Wenn dann der Auftrag vorliegt, muss die Vertriebsmannschaft im nahezu täglichen
Kontakt mit dem Kunden dessen Ausstattungswünsche entgegennehmen und sicher-
stellen, dass der Käufer weiterhin zufrieden ist. Der Erfolg hängt davon ab, wie weit es
gelingt, stabile, langfristig angelegte Beziehungen mit dem Kunden aufzubauen, die auf
Leistung und Vertrauen basieren. Die Vertriebsmannschaft ist das wichtigste Instrument,
mit dem Airbus die Information vom Kunden erhält und auf ihn einwirkt. Nur durch
sorgfältige Teamarbeit und optimal organisierte Abläufe ist ein derart komplexer Leis-
tungstransfer möglich.
Um größtmögliche Nähe zu den Kunden zu gewährleisten, wurden aufgrund des globa-
len Charakters dieses Geschäfts mit Airbus Japan, Airbus China, Airbus America und
Airbus Middle East Unternehmen vor Ort gegründet.
Die Vertriebsmannschaft von Airbus besteht aus erfahrenen technischen Verkäufern, die
einen geradlinigen und soliden Ansatz des Verkaufens anwenden. Sie sind hoch qualifi-
ziert und dafür ausgebildet, mittels Tatsachen und Logik zu verkaufen. Sie müssen dem
Kunden die Produktvorteile überzeugend vermitteln können. Damit die Kunden wirk-
lich zufriedengestellt sind und um die Kunden langfristig zu binden und zu behalten,
muss Airbus als Unternehmen alles daransetzen, dass auch nach dem Kauf das Produkt
die gesetzten Erwartungen erfüllt.
Große Aufträge und dauerhafte Verkaufserfolge sind natürlich dazu geeignet, die Ver-
triebsmannschaft immer wieder neu zu motivieren. Das Team hat als direkte Gegenspie-
ler die Vertriebsmitarbeiter von Boeing, ebenfalls eine gut geschulte und hoch moti-
vierte Mannschaft, die lange Zeit mit dem Vorsprung des Marktführers an den Start
gehen konnte. Boeing hatte ein breiteres Programm als Airbus anzubieten, bei dem die
ganz großen Flugzeuge im Programm fehlten. Inzwischen hat auch Airbus ein vollstän-
diges Produktprogramm und besitzt mit dem doppelstöckigen A380 ein Modell, das
Boeing in diesem Größenbereich sogar überholen konnte. Zwar bleibt Boeing der
stärkste Konkurrent, doch hat Airbus inzwischen seine Marktposition in der Zivilluft-
fahrt gefestigt.
Bei der Zahl der Auslieferungen aller Flugzeugtypen blieb der US-Konzern 2016 der
größte Luftfahrtausrüster der Welt. Bei Boeing verließen 762 Flugzeuge die Produktions-
stätten, bei Airbus waren es 635 Jets. Betrachtet man aber den Geschäftsausblick so hat
Airbus die Nase vorn: Ende Oktober 2017 stand es bei der Zahl bestellter Flugzeuge in
Sachen Airbus gegen Boeing 6645 zu 5651.
Quellen:
Airbus S.A.S., Präsentationen Financial Year 2016, 2014, 2012 und 2010 sowie Airbus Order and
Deliveries unter www.airbus.com [12.02.2018]; Airbus S.A.S., Webseite unter: www.airbus.com
[24.04.2015]; Machatschke, Michael: „Champion auf Bewährung“, in: Manager Magazin, 4/2006;
o.V.:„Airbus feiert 40. Geburtstag seines ersten Verkehrsflugzeugprogramms“, Pressemitteilung von
Airbus S.A.S unter: www.airbus.com [31.10.2009]; o.V.: „EADS heißt künftig Airbus“, unter: http://
www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/eadsheisst-kuenftig-airbus-und-restrukturiert-ruestungs-
sparte-a-914000.html [24.04.2015]; Wall, Robert: „Airbus Rack Up More 2014 Jet Orders than
Boeing“, unter: http://www.wsj.com/articles/airbus-racks-up-more-2014-jet-orders-than-boeing-
1421142005 [24. 04. 15]. Bartels, Till: „Airbus versus Boeing: Wer ist die Nummer eins am Him-
mel?“, unter: https://www.stern.de/wirtschaft/news/airbus-versus-boeing--wer-ist-die-nummer-
eins-am-himmel--7700048.html [12.02.2018]
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16.3 Sales Force Management
749
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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Strategie
Jedes Unternehmen konkurriert mit anderen um die Aufträge der Kunden. Daher ist es ent-
scheidend, den Kaufentscheidungsprozess des Kunden zu verstehen und darauf die eigene
Strategie zu begründen. Ein Unternehmen kann auf unterschiedliche Methoden zurückgrei-
fen, um mit dem Kunden in Kontakt zu treten. Ein einzelner Außendienstmitarbeiter kann
einen Kunden persönlich oder telefonisch ansprechen oder die Produkte vor einer ganzen
Kundengruppe vorführen. Ebenso kann ein Verkaufsteam eine Präsentation der Produkte vor
einem oder mehreren potenziellen Kunden durchführen. Beim Konferenzverkauf (Confe-
rence Selling) bringt ein Vertriebsmitarbeiter auch andere Mitarbeiter des Unternehmens
zum Kunden mit, um dort Probleme und Möglichkeiten zu diskutieren. Beim Seminarver-
kauf (Seminar Selling) hält ein Verkaufsteam ein Fortbildungsseminar für das technische Per-
sonal des Kunden über die neuesten Entwicklungen.
Oft hat ein Außendienstmitarbeiter die Aufgaben eines Kundenmanagers (Account-Mana-
ger), der den Kontakt zwischen den Mitarbeitern des kaufenden und des verkaufenden
Unternehmens herstellt. Da Außendienstmitarbeiter dafür die Hilfe anderer Mitarbeiter benö-
tigen, ist Teamwork unerlässlich. Weitere Positionen, die den Vertrieb unterstützen, sind das
Top-Management, insbesondere wenn ein wichtiger Verkauf ansteht. Darüber hinaus wird
der Außendienst von technisch geschultem Personal unterstützt, das die Kunden mit techni-
schen Informationen versorgt. Außerdem werden weitere Dienstleistungen von verschiede-
nen Kundendienstmitarbeitern angeboten, u.a. Installation und Wartung. Und schließlich
sind auch Mitarbeiter im Innendienst am Verkaufsprozess beteiligt, z.B. Sachbearbeiter in der
Auftragsannahme und Sekretärinnen.
Wenn sich das Unternehmen auf eine Strategie festgelegt hat, muss es entscheiden, ob es
einen eigenen Außendienst aufbauen oder ob es auf externe Partner zurückgreifen will. Ein
eigener (oder direkter) Außendienst setzt sich aus teil- oder vollzeitbeschäftigten Mitarbei-
tern zusammen, die ausschließlich für das eigene Unternehmen arbeiten. Dazu gehören Mit-
arbeiter, die ihre Geschäfte telefonisch von der Unternehmenszentrale aus erledigen und dort
auch potenzielle neue Kunden empfangen. Hinzu kommt der eigentliche Außendienst, d.h.
Mitarbeiter, die zumeist unterwegs sind, um Kunden zu besuchen. Dahingegen besteht der
externe Außendienst aus Handelsvertretern oder Maklern, die auf ihrem Umsatz basierende
Provisionen erhalten.
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16.3 Sales Force Management
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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Als Beispiel mag ein Hersteller von Kopierern dienen. Intern wird eine Aufteilung in vier
Hauptgruppen vorgenommen:
Durch die Strukturierung des Außendienstes nach Kunden kann ein Unternehmen besser auf
deren Bedürfnisse eingehen. Beispielsweise hat der in der Schweiz ansässige Industriegüter-
hersteller ABB seinen Vertrieb von Produkt- auf Kundenstruktur umgestellt. Die neue Ver-
triebsstruktur hat zu einer stärkeren Kundenorientierung und zur Verbesserung der Kunden-
dienstleistungen geführt:
David Donaldson verkaufte Boiler für ABB. Nach 30 Jahren wusste Donaldson alles über Boi-
ler, aber über die übrigen Produkte des ABB-Geschäftsbereichs Kraftwerke wusste er kaum
Bescheid. Die Kunden waren etwas genervt, da bis zu zwölf Außendienstmitarbeiter von
ABB zu unterschiedlichen Zeitpunkten kamen, um ihre Produkte anzupreisen. Gelegentlich
gaben sich ABB-Mitarbeiter bei Kunden die Klinke in die Hand, ohne zu wissen, dass sie
beide vom gleichen Unternehmen kamen. Die Führungskräfte von ABB kamen zu dem
Schluss, dass sich ein Außendienst auf diese Weise nicht führen ließe. Infolgedessen beka-
men Donaldson und 27 weitere Kollegen des Geschäftsbereichs Kraftwerke ein neues Tätig-
keitsfeld. Heute verkauft Donaldson auch Turbinen, Generatoren und drei weitere Produktli-
nien. Er betreut jetzt sechs Großkunden, die alle derselben Branche angehören, anstelle von
ehemals 35 Kunden, die zwar alle sein Produkt kauften, aber ganz unterschiedlichen Bran-
chen angehörten. Seine Aufgabe besteht darin, seine Kunden möglichst genau kennenzuler-
nen, um ihnen so Produkte verkaufen zu können, die ihren speziellen Anforderungen ent-
sprechen. Donaldson selbst meint dazu Folgendes: „Mein Job ist es, dem Kunden die
Geschäftsbeziehung mit uns zu erleichtern. Wann immer ein Kunde ein Problem hat, ver-
weise ich ihn an den richtigen Ansprechpartner innerhalb von ABB.“ Der Leiter des
Geschäftsbereichs Kraftwerke von ABB erläutert die neue Philosophie so: „Um ein kunden-
orientiertes Unternehmen zu sein, muss man die Vertriebsorganisation an den einzelnen
Kunden ausrichten, und nicht an den Produkten.“
Mehrdimensionale Strukturierung des Außendienstes Für ein Unternehmen, das in einem
großen geografischen Gebiet eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte an verschiedene Kun-
dengruppen verkauft, ist häufig die Kombination unterschiedlicher Vertriebsstrukturen sinn-
voll. Die Außendienstmitarbeiter können dabei nach Kunde und Gebiet ausgerichtet sein
oder aber nach Produkt und Gebiet. Denkbar wäre auch eine Kombination von Produkt und
Kunde oder von Gebiet, Produkt und Kunde. In diesen Vertriebsstrukturen kann es durchaus
vorkommen, dass der Außendienstmitarbeiter mehreren Führungskräften Bericht erstatten
752
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.3 Sales Force Management
muss. Zwar gibt es keine bestimmte Struktur, die für jedes Unternehmen in jeder Situation
die Ideallösung bietet, doch sollte jedes Unternehmen eine Organisationsform wählen, die
den Kundenbedürfnissen entspricht und zur allgemeinen Marketingstrategie des Unterneh-
mens passt.
Eine gute Vertriebsstruktur kann den Unterschied zwischen Erfolg und Scheitern bedeuten.
Im Laufe der Zeit können Außendienststrukturen komplex, ineffizient und unempfänglich
für Kundenbedürfnisse werden. Unternehmen sollten ihre Außendienstorganisationen des-
halb regelmäßig überprüfen, um sicher zu sein, dass sie den Bedürfnissen der Kunden und
des Unternehmens dienen.
Wie wichtig eine solche Überprüfung und Anpassung der Vertriebsstrukturen für den Unter-
nehmenserfolg ist, zeigt auch das folgende Beispiel von HP.
Stellen Sie sich vor, Sie brauchen eine neue Digitalkamera. Sie sind nicht ganz sicher,
welches Modell Sie kaufen sollen oder welche Funktionen Sie benötigen. Also gehen Sie
in den nächsten großen Elektronikmarkt, um sich von einem Verkäufer beraten zu lassen.
In der Fachabteilung für Kameras ist jedoch weit und breit niemand zu sehen. Als sie
schließlich einen Verkäufer finden, gähnt dieser und lässt Sie wissen, dass er für jede Pro-
duktkategorie im Markt zuständig ist und sich mit Kameras nicht besonders gut auskennt.
Dann liest er Ihnen ein paar Informationen von der Verpackung des Modells vor, für das
Sie sich interessieren, und tut so, als hätten Sie das nicht selbst herausfinden können. Als
Nächstes schlägt er vor, dass Sie besser jemand anders fragen. Sie suchen weiter und fin-
den endlich eine Verkäuferin, die sich mit Kameras auskennt. Kaum hat sie Ihnen jedoch
einige Fragen beantwortet, muss sie sich allerdings schon wieder um andere Aufgaben
kümmern und verweist Sie an einen Kollegen. Und die Aussagen dieses Verkäufers wider-
sprechen nun all dem, was Ihnen die erste Mitarbeiterin gesagt hat. Es werden Ihnen sogar
andere Preise für die Kameramodelle genannt, die Ihnen gefallen.
So oder so ähnlich ist es Ihnen vielleicht schon einmal ergangen. Wenn ja, können Sie
sich vorstellen, was viele Geschäftskunden erleben, wenn sie von einem Großlieferan-
ten kaufen wollen. Diese Erfahrung machten jedenfalls die Firmenkunden des Techno-
logie-Riesen Hewlett-Packard, ehe Mark Hurd vor einigen Jahren als Vorstandsvorsit-
zender die Kontrolle übernahm. Zuvor stagnierten die Umsätze und Gewinne, der
Aktienwert war abgestürzt. Um die Gründe dafür herauszufinden, sprach Hurd direkt
mit den 400 Geschäftskunden. Was er hörte, waren überwiegend Beschwerden über die
Vertriebsorganisation von HP. Kunden beklagten, dass sie mit zu vielen verschiedenen
Mitarbeitern zu tun hätten und die verwirrenden Hierarchien bei HP machten es proble-
matisch, den richtigen Ansprechpartner herauszufinden. Es war schwierig, den zustän-
digen Vertriebsbeauftragten ans Telefon zu bekommen. Und sobald man ihn gefunden
hatte, verhielt sich der Mitarbeiter häufig passiv und überließ dem Kunden die Initia-
tive. Die Vertriebsbeauftragten von HP waren für eine Vielzahl komplexer Produkte
zuständig, sodass ihnen zum Teil das Fachwissen für eine bestimmte Kategorie fehlte.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Auch monierten die Kunden, dass ihnen von verschiedenen Mitarbeitern unterschiedli-
che Preise für ein Produkt genannt wurden und es oft Wochen dauerte, ehe sie auf eine
scheinbar einfache Frage eine Antwort erhielten. Insgesamt waren die Geschäftskunden
von HP frustriert und das ist nicht gerade ein günstiger Umstand für ein Unternehmen,
das 70 Prozent seiner Einnahmen mit Geschäftskunden generiert.
Doch nicht nur die Kunden waren über die schwerfällige und starre Vertriebsorganisa-
tion von HP frustriert. HP war in drei wesentliche Produktbereiche unterteilt: die Perso-
nal Systems Group (PSG), die Technology Solutions Group (TSG) sowie die Image and
Printing Group (IPG). Die Absatzorganisation von HP war jedoch in einem vierten Res-
sort untergebracht, nämlich der Customer Sales Group (CSG). Alle Vertriebsmitarbeiter
berichteten direkt an den CSG und waren zuständig für den Verkauf von Produkten aus
allen drei Bereichen. Hinzu kam die Tatsache, dass das CSG-Ressort aufgebläht und leis-
tungsschwach war. Nach Angaben eines Informanten beschäftigen sich „von den insge-
samt 17.000 Mitarbeitern in der Vertriebsorganisation nur etwa 10.000 mit dem direkten
Verkauf an Kunden. Der Rest waren Hilfskräfte oder Mitarbeiter im Management“. Die
Leiter der einzelnen HP-Ressorts waren mit der CSG-Struktur ebenfalls unzufrieden. Sie
beklagten, nur eine geringe oder gar keine direkte Kontrolle über die Vertriebsmitarbei-
ter zu haben, die die Produkte verkauften. Auch die komplexen Führungsebenen
schwächten die Entscheidungsprozesse und die Kundenansprache in der Vertriebsorga-
nisation.
Letzten Endes waren auch die Vertriebsmitarbeiter selbst durch die herrschenden Struk-
turen frustriert. Sie hatten weder die Zeit noch die Unterstützung, die sie brauchten, um
die Kunden angemessen zu betreuen. Mit administrativen Aufgaben und bürokratischen
Abläufen überlastet, verbrachten sie weniger als ein Drittel ihrer Zeit tatsächlich mit
den Kunden. Sie mussten sich durch zahlreiche bürokratische Abläufe arbeiten, um
Preisangebote und Muster für die Kunden zusammenstellen zu können. „Es fehlte ein-
fach der Kundenfokus“, sagte einer der stellvertretenden Verkaufsleiter bei HP. „Es war
schwierig, HP zu steuern. Dieser Zustand war nicht hinnehmbar.“
Als Hurd die Strukturen aufrollte, stellte sich heraus, dass die organisatorischen Prob-
leme von HP noch tiefer reichten. Das gesamte Unternehmen war derart zentralisiert
und verfügte über so viele Führungsebenen, dass es für die Kunden keine wirklich
erreichbaren Ansprechpartner gab. Als Hurd zu HP kam, stand er in dem Ruf, Kosten-
senkungen und kompromisslose Effizienz durchzusetzen. Vor seiner neuen Position war
er 25 Jahre bei NCR tätig und leitete das Unternehmen schließlich. Obwohl die Firma
natürlich wesentlich kleiner war als HP, lief sie unter Hurds Führung ohne Probleme.
Nichts machte ihm mehr Sorgen als die ineffizienten Strukturen, die er bei HP auf-
deckte. So begann nun das, was ein Beobachter als „eine der größten Herausforderungen
für Hurd“ bezeichnete: die Erneuerung der gewaltigen Vertriebsstruktur bei HP. Als Ers-
tes löste Hurd das CSG-Ressort auf und wies die Vertriebsmitarbeiter stattdessen direkt
den drei Produktbereichen zu. Er schaffte auch drei Führungsebenen ab und entließ
Hunderte unproduktiver Vertriebsmitarbeiter. Mit diesem Schritt erhielten das Sparten-
Marketing und die Verkaufsleitung eine direkte Kontrolle über einen schlankeren und
effizienteren Vertriebsprozess, was zügigere Kaufentscheidungen und schnellere Mark-
treaktionen zur Folge hatte.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.3 Sales Force Management
Hurd ergriff auch Maßnahmen, um Frustration beim Vertriebspersonal und den Kunden
abzubauen. Die Abschaffung des CSG-Ressorts bedeutete, dass nun jeder Vertriebsmitar-
beiter für den Absatz einer überschaubaren Produktanzahl zuständig war und sich
Fachwissen in dem jeweiligen Bereich aneignen konnte. Hurd drängte die Verkaufslei-
ter, den administrativen Aufwand für die Mitarbeiter zu kürzen und die Vertriebsunter-
stützung zu erhöhen, sodass die Verkäufer ihren Kunden mehr Qualitätszeit widmen
konnten. In der Folge verbrachten die Vertriebsmitarbeiter nun mehr als 40 Prozent
ihrer Zeit mit Kundengesprächen; zuvor waren es nur 30 Prozent gewesen.
Um sicherzustellen, dass die wichtigen Kunden gut umsorgt werden, teilte HP jedem
Mitarbeiter nur drei oder weniger Großkunden zu. Den 2.000 größten Geschäftskunden
wurde jeweils nur ein Vertriebsmitarbeiter zugewiesen – „sodass sie immer wissen, wer
ihr Ansprechpartner ist“. Die Veränderungen machen sich für den Kunden auch in der
Aufmerksamkeit bemerkbar, die sie nun von HP erhalten.
Sobald die neue Vertriebsstruktur Formen annahm, konzentrierte sich Hurd auf die
Rolle des Kunden im Vertriebsprozess. Die Tatsache, dass HP seine Geschäftskunden als
„Partner“ bezeichnet, sagt eine Menge über die Firmenphilosophie aus. „Wir sind sehr
[von unseren Partnern] abhängig. Wir betrachten sie als Erweiterung der HP-Vertriebsor-
ganisation“, meint Hurd. Um die Beziehungen zwischen HP und seinen Partnern zu
stärken, bindet HP die Geschäftspartner in die Großkundenplanung und strategische
Entwicklung mit ein – ein Vorgang, der die Geschäftspartner und Vertriebsmitarbeiter
sowie Verkaufsleiter von HP zu einem Team macht. Da Hurd eine enge Beziehung zwi-
schen der Vertriebsorganisation und den Geschäftspartnern anstrebt, praktiziert er seine
eigenen Vorgaben. Jährlich ist er fast 60 Prozent seiner Zeit mit verschiedenen Vertrieb-
spartnern und deren Kunden unterwegs. Einen weiteren Teil der Zeit widmet er dem
Executive-Connections-Programm von HP – Gespräche am Runden Tisch, die weltweit
organisiert werden.
Die Veränderungen, die bei HP durchgeführt wurden, haben bei fast jedem Beteiligten
zu mehr Zufriedenheit geführt. Und zufriedene Vertriebsmitarbeiter sind produktiver,
was wiederum mehr Zufriedenheit bei den Kunden erzeugt. Dies dürfte HP eine glän-
zende Zukunft versprechen. Hurd weiß, dass noch viel Arbeit vor ihm liegt. Doch mit
einem beständigen Fokus auf Vertriebspersonal und -prozesse schafft HP eine Struktur,
die vorteilhaft für die Geschäftskunden ist. Wenn der Elektronikfachmarkt in Ihrer Nähe
das nur auch hinbekäme …
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Umgang mit den Kunden verlangt wird. In einigen Fällen wurde der Außendienst sogar
durch die neuen Technologien ersetzt.
Viele Unternehmen legen die Größe des Außendienstes fest, indem sie die Arbeitsbelastung
der Außendienstmitarbeiter als Grundlage heranziehen. Man gruppiert seine Kunden nach
Größe und nach Status bzw. nach dem Aufwand, der für ihre Betreuung erforderlich ist.
Dann bestimmt man die Anzahl der Mitarbeiter, die nötig ist, um die gewünschte Zahl von
Kundenbesuchen durchzuführen. Als Beispiel dient folgende Berechnung: Die Arbeitsbelas-
tung des Außendienstes, also die Anzahl der Besuche pro Jahr, beläuft sich auf insgesamt
60.000 (36.000 + 24.000). Unter der Annahme, dass ein Außendienstmitarbeiter durch-
schnittlich 1.000 Kundenbesuche im Jahr machen kann, werden hier 60 Außendienstmitar-
beiter benötigt.
A-Kunden B-Kunden
Anzahl der Kunden 1.000 2.000
Besuche/Jahr 36 12
Besuche 36.000 24.000
Tabelle 16.2: Kundenmerkmale und gewünschte Besuchshäufigkeit als Grundlage der Außendienstplanung
756
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.3 Sales Force Management
einem Tag erzielen kann. Für viele Produktarten und Verkaufssituationen kann das Telemar-
keting genauso wirkungsvoll sein wie ein persönlicher Besuch und ist dabei noch erheblich
günstiger. Zum Beispiel verursacht ein typischer Kundenbesuch durch den Außendienst
Kosten in Höhe von 300 Euro, während ein routinemäßiger Telemarketing-Anruf je nach
Komplexität des Gesprächs zwischen 7 und 30 Euro kostet.
Insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten reduzieren deshalb viele Unternehmen
ihre persönlichen Kundenbesuche und greifen vermehrt auf den Vertrieb über Telefon, E-
Mail oder Internet zurück. Neben der Kostenersparnis sind viele Käufer im modernen
Umfeld der digitalen, mobilen und sozialen Medien einfach empfänglicher oder bevorzugen
sogar den telefonischen und Onlinekontakt gegenüber dem persönlichen, der früher bei den
Gesprächen mit Vertretern unerlässlich war. Viele Verbraucher neigen eher dazu, sich Infor-
mationen im Internet zu beschaffen – eine Studie zeigt, dass Handelsvertreter vom durch-
schnittlichen Käufer erst dann kontaktiert werden, nachdem dieser etwa 60 Prozent des
gesamten Kaufvorgangs bereits unabhängig durchgeführt hat. Die Kunden nutzen dann in der
Regel das Telefon, den Dialog über das Internet oder soziale Medien, um die Verkäufer zu
kontaktieren und den Kaufabschluss zu tätigen. „Mit virtueller Konferenz-Software wie
GoToMeeting.com und WebEx, Kommunikationsprogrammen wie Skype und den Social-
Media-Seiten wie Twitter, Facebook und LinkedIn wird ein Verkauf mit wenig bis gar keinem
persönlichen Kontakt immer einfacher“, so ein fachkundiger Verkaufsberater.1
Als Folge dieses Trends verzeichnet der Verkauf per Telefon und Internet deutlich schnellere
Zuwächse als der Direktverkauf. Eine Studie weist auch auf die zunehmende Verbreitung
von „Hybrid-Vertretern“ hin, eine moderne Mischung aus Handelsvertreter und internem
Verkaufsberater, die häufig aus der Ferne tätig sind. Etwa 41 Prozent der Verkaufsaktivitäten
im Außendienst finden heute telefonisch oder über ein mobiles Gerät statt, entweder in
einem Home-Office, einem Unternehmensbüro oder von unterwegs.2
Team Selling Da die Komplexität vieler Produkte zunimmt und Kunden größer und
anspruchsvoller werden, ist es einem einzigen Vertriebsmitarbeiter oftmals nicht mehr mög-
lich, alle Kundenanforderungen zu erfüllen und zu bearbeiten. Aus diesem Grund setzen
Unternehmen verstärkt auf das Team Selling, also auf eine Vertriebsmannschaft, insbeson-
dere für die Betreuung großer und komplexer Kunden. Solche Verkaufsteams können Prob-
leme, Lösungen und Verkaufsgelegenheiten besser ausfindig machen, als es einem einzelnen
Vertriebsmitarbeiter jemals gelingen würde. Dabei vereinen sie Mitarbeiter der unterschiedli-
chen Unternehmensbereiche und -ebenen, z.B. Vertrieb, Marketing, technische und andere
unterstützende Servicebereiche, Forschung und Entwicklung, Organisation, Finanzen etc.
In vielen Fällen spiegelt der Schritt zum Team Selling eine vergleichbare Veränderung in der
Einkaufsorganisation der Kunden wider. Vertriebsmitarbeiter treffen heutzutage zunehmend auf
Teams aus Einkäufern. Ein Verkäufer kann aber nicht alles erledigen und Experte für alle Pro-
dukte sein, die dem Kunden angeboten werden. Daher bildet man strategische Kundenteams.
Einige Unternehmen, wie beispielsweise IBM, Xerox, Unilever und Procter & Gamble, ver-
wenden bereits erfolgreich solche Teams. Vertriebsmitarbeiter sind in sogenannten Customer
1 Jeff Green, „The new Willy Loman survives by staying home“, Bloomberg Businessweek, 14.–20. Ja-
nuar 2013, S. 16–17 und Dave Stein, „The evolution of social selling“, Sales & Marketing Manage-
ment, Mai/Juni 2013, S. 14.
2 Siehe hierzu Jim Domanski, „Special Report: The 2012 B@B Tele-Sales Trend Report“, www.salesope-
dia.com/down-loads/2012%20B2B%20Tele-Sales%20Trend%20Special%20 Reportl.pdf, Zugriff
Juli 2013.
757
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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Business Development Teams (CBD) organisiert. Die Teams bestehen aus Vertriebsleitern,
Key-Account-Managern und diversen Spezialisten zu den Themen Marketingstrategie, Tech-
nik, Informationssysteme, Logistik und Finanzen. Eine solche Organisationsstruktur eignet
sich insbesondere dazu, Kunden in allen wichtigen Belangen optimal zu unterstützen. Die
Idee dahinter ist, dass Umsatz und Gewinn nur dann gesteigert werden können, wenn die
wichtigsten Kunden als strategische Partner angesehen werden. Indem ein Unternehmen sei-
nen Kunden hilft, ihren Umsatz zu steigern, kann dies auch seinen eigenen erhöhen.
Doch auch das Team Selling hat seine Fallen. Kunden, die es gewohnt sind, mit nur einem
Vertriebsmitarbeiter zu arbeiten, können sich angesichts eines Verkaufsteams verwirrt und
überfordert fühlen. Ebenso kann ein Vertriebsmitarbeiter, der gewöhnlich den Kunden ganz
für sich hat, Schwierigkeiten haben, mit anderen im Team zusammenzuarbeiten und diesen
zu vertrauen. Und schließlich sind auch die Bewertung und die daraus folgende Vergütung
der einzelnen Leistungen, die zum Gesamterfolg des Teams geführt haben, problematisch.
Key-Account-Management Für die meisten Unternehmen sind stabile Beziehungen zu Groß-
kunden besonders wichtig. Konsumgüterhersteller wie Procter & Gamble, Unilever und
Danone unterhalten Geschäftsbeziehungen zu großen Einzelhandelsunternehmen wie Rewe,
Edeka oder Metro. Die Bedeutung dieser Großkunden hat auch das Marketing in diesem
Bereich entscheidend verändert. Hierfür werden eigens Kundenbetreuer, sogenannte
Account-Manager, eingesetzt, welche für die Geschäftsbeziehung zu einem bestimmten Groß-
kunden zuständig sind. Die Aufgabe des Key-Account-Managers besteht darin, eine gute und
vertrauensvolle Geschäftsbeziehung zwischen besonders wichtigen Kunden und der eigenen
Organisation zu etablieren und zu pflegen. Manchmal koordinieren sie auch die Geschäfte
mit mehreren kleinen Kunden oder einer Kundengruppe.
Da die großen Einzelhandelsketten ständig alle wichtigen bekannten Marken im Sortiment
führen, ist es die Aufgabe des Account-Managers, den Gewinn der eigenen Marke über die-
sen Distributionskanal zu steigern. Aus diesem Grund werden häufig auf das Einzelhandel-
sunternehmen zugeschnittene Sonderaktionen und exklusive Werbemaßnahmen vereinbart.
So stärkt man nicht nur die Position der eigenen Marken, sondern auch die des Einzelhan-
dels.
Ähnlich verhält es sich im Industriegütergeschäft, mit dem wir uns ausführlich in Kapitel 6
beschäftigt haben. Selbst wenn noch keine Geschäftsbeziehung zu bestimmten Kunden
besteht, werden auf allen Unternehmensebenen regelmäßig Kontakte gepflegt. Besonders
wichtige Schlüsselkunden werden von Key-Account-Managern betreut. Sie sorgen für eine
für beide Seiten vorteilhafte Geschäftsbeziehung.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.3 Sales Force Management
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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.3 Sales Force Management
genau das Wissen aneignen, das sie benötigen, unabhängig von Zeit und Ort, und Sprachbar-
rieren in den globalen Märkten überwinden. Obwohl das E-Learning meistens webbasiert ist,
bieten viele Unternehmen heute auch bedarfsgerechte Schulungen über Smartphones und
mobile Tablet-Geräte an, die von überall aus zugänglich sind. Viele Unternehmen nutzen
heute auch einfallsreiche und anspruchsvolle E-Learning-Methoden, um Verkaufsschulun-
gen effizienter zu machen – und manchmal sogar unterhaltsamer.
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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Wenn ein Unternehmen seine Lohnkosten senken muss, so der Fachmann, sollte man statt
übergreifender Kürzungen besser „die Topleute besser bezahlen und die weniger erfolgrei-
chen Mitarbeiter entlassen“.3
3 Susan Greco, „How to reduce your cost of sales“, Inc, 5. März 2010, www.inc.com/guide/reducing-
cost-of-sales.html, Zugriff Oktober 2015.
4 Siehe dazu Louis Columbus, „Top-five focus areas for improving sales effectiveness initiatives“, Ac-
centure, 2013, www.accenture.com/SiteCollectionDocuments/PDF/Accenture-Top-Five-Improve-
ments-Sales-Effectiveness.pdf sowie „2014 sales performance optimization study“, CSO Insights,
www.csoinsights.com/Publications/.
762
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.3 Sales Force Management
nutzen. Auch kann man das Verfassen der Berichte vereinfachen, die Routen- und Besuchs-
pläne optimieren und die Außendienstmitarbeiter schon vorab mit genaueren Kundeninfor-
mationen versorgen.
13,9%
Bürotätigkeiten, 17,1%
Meetings Kundendienst
(nach dem
10%
Verkauf)
Reisezeit,
Schulungen
21,7% 37,1%
Recherchetätigkeiten Aktiver Verkauf
und Verfolgen (persönlich oder
neuer Kunden- über das Telefon)
kontakte
763
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
16.3.7 Leistungsbeurteilung
Es wurde zuvor beschrieben, wie die Unternehmensleitung den Außendienst führt und moti-
viert. Dafür sind zuverlässige Rückmeldungen erforderlich, d.h., das Management muss
regelmäßig Informationen über die Vertriebsmitarbeiter einholen, um anschließend ihre Leis-
tung beurteilen zu können.
Informationsquellen
Informationen über die Außendienstmitarbeiter werden auf verschiedene Art und Weise
gesammelt. Die wichtigste Informationsquelle ist der Verkaufsbericht. Dieser enthält einen
wöchentlichen oder monatlichen Arbeitsplan und eine langfristige Verkaufsgebietsplanung.
Der Arbeitsplan führt die geplanten Besuche und die vorgesehenen Reiserouten auf. Daraus
kann das Vertriebsmanagement entnehmen, wo sich die einzelnen Außendienstmitarbeiter
aufhalten. Zudem können auf dieser Grundlage Pläne und Leistungen der verschiedenen
Mitarbeiter miteinander verglichen werden. Im jährlichen Verkaufsgebietsplan wird darge-
legt, wie neue Kunden gewonnen und wie die Umsätze mit bereits vorhandenen Kunden
gesteigert werden können.
Darüber hinaus verfassen Außendienstmitarbeiter Besuchsberichte, in denen ihre gesamten
Aktivitäten verzeichnet sind. Die darin enthaltenen Informationen geben Aufschluss über die
jeweilige Situation bei den einzelnen Kunden, was sich für spätere Besuche als nützlich
erweisen könnte. Einige Unternehmen erwarten eine gesonderte Berichterstattung über hin-
zugewonnene bzw. verlorene Kunden sowie über die wirtschaftliche Situation und die
Geschäftstätigkeit in den besuchten Gebieten. Außerdem legen die Außendienstmitarbeiter
Spesenabrechnungen vor, aus denen sich die Rückerstattung der Auslagen ergibt. Zusätzli-
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16.4 Social Selling: Online-, mobile und Social-Media-Tools
che Informationen zieht man aus persönlicher Beobachtung, aus Kundenbriefen und Kun-
denbeschwerden, aus Kundenbefragungen und aus Gesprächen mit anderen Außendienst-
mitarbeitern.
Formale Leistungsbeurteilung
Die formale Leistungsbeurteilung der Außendienstmitarbeiter erfolgt durch das Heranziehen
von Außendienstberichten und anderen Informationen. Dabei muss das Vertriebsmanage-
ment klare und objektive Standards zur Beurteilung entwickeln und den Mitarbeitern mittei-
len. Daneben müssen über jeden Mitarbeiter die gleichen Informationen eingeholt werden.
Wichtig ist auch, dass die Außendienstmitarbeiter ein konstruktives Feedback erhalten, das
motivierend wirken und ihnen helfen soll, ihre Leistungen in der Zukunft zu verbessern.
Das Vertriebsmanagement sollte auch die Leistung der Außendienstmitarbeiter als Team
bewerten. Erfüllt die Vertriebsmannschaft ihre Ziele in Bezug auf Kundenbeziehungen,
Umsatz und Gewinn? Arbeitet sie gut mit anderen Bereichen der Unternehmensorganisation,
wie beispielsweise dem Marketing, zusammen? Stehen die Kosten für den Außendienst in
einem vernünftigen Verhältnis zu dessen Nutzen?
5 Lain Chroust Ehmann, „Sales up!“, Selling Power, Januar/Februar 2011, S. 40; siehe auch Scott Gil-
lum, „The disappearing sales process“, Forbes, 7. Januar 2013, www.forbes.com/sites/gyro/2013/01/
07/the-disappearingsales-process/ sowie Matt Dixon und Steve Richard, „Solution selling is dead:
why 2013 is the year of B2B insight selling“, Openview, http://labs.openviewpartners.com/solution-
selling-is-dead-2013-yearof-b2b-insight-selling/.
765
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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Ergebnis auch den Verkaufsprozess verändern. In der modernen digitalen Welt verlassen sich
Kunden nicht mehr wie früher auf die Information und Beratung durch den Außendienst.
Stattdessen agieren sie im Kaufprozess heute unabhängiger – insbesondere in den frühen Sta-
dien. Sie nutzen zunehmend die Quellen von Online- und sozialen Medien, um ihre Prob-
leme zu analysieren, nach Lösungen zu suchen, Ratschläge von Kollegen und Freunden ein-
zuholen und die Möglichkeiten ausloten, ehe sie überhaupt mit einem Vertreter sprechen.
Eine Studie mit industriellen Einkäufern zeigt, dass 92 Prozent von ihnen eine Onlinesuche
starten und dass durchschnittlich 60 Prozent des Kaufprozesses von den Kunden selbst
durchgeführt wird, ehe der Kontakt zu einem Lieferanten stattfindet.6
So haben die Kunden heute wesentlich mehr Kontrolle über den Kaufprozess als zu der Zeit,
als Broschüren, Preislisten und Produktberatung nur über einen Handelsvertreter erhältlich
waren. Heute können Kunden die Webseiten der Unternehmen, Blogs und YouTube-Videos
ansehen, um den richtigen Verkäufer zu finden und einzuschätzen. Sie können sich mit ande-
ren Käufern in den sozialen Medien wie LinkedIn, Google+, Twitter oder Facebook über Erfah-
rungen austauschen, Problemlösungen finden und für sie interessante Produkte bewerten.
Falls und wenn Außendienstmitarbeiter im Kaufprozess aktiv werden, wissen die Kunden also
häufig schon ebenso viel über die Produkte des Unternehmens wie die Mitarbeiter selbst.
„Nicht nur beginnen die Käufer den Kaufprozess ohne Sie“, so ein Analyst, „sondern sie erledi-
gen ihn in der Regel größtenteils ohne jeglichen Kontakt zum Außendienst. Bis zu diesem Zeit-
punkt sind die Kunden weit besser über Ihr Geschäft informiert als Sie über das der Kunden.“7
6 Siehe „The digital evolution in B2B marketing“, Marketing Leaderships Council, 2. Dezember 2012,
S. 3; Scott Gillum, „The disappearing sales process“, Forbes, 7. Januar 2013, www.forbes.com/sites/
gyro/2013/01/07/the-disappearing-sales-process/ und Alice Myerhoff, „How selling has gone social
in the last 15 years“, Salesforce Blog, 13. März 2014, http://blogs.salesforce.com/company/2014/03/
socialselling-15-years-gp.html.
7 Siehe Barbara Giamanco und Kent Gregoire, „Tweet me, friend me, make me buy“, Harvard Business
Review, Juli–August 2012, S. 88–94 und John Bottom, „Research: are B2B buyers using social me-
dia?“, Slideshare, 10. September 2013, www.slideshare.net/basebot/b2b-buyer-behaviour.
766
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16.4 Social Selling: Online-, mobile und Social-Media-Tools
Stirbt also der B2B-Handel tatsächlich aus? Werden Internet, mobile Technologien und die
sozialen Medien den uralten zwischenmenschlichen Verkaufsvorgang ersetzen? Um diese
Fragen zu beantworten, hat das Magazin Selling Power eine Kommission aus Verkaufsexper-
ten zusammengestellt und gebeten, die Zukunft des B2B-Handels zu analysieren. Die Mitglie-
der der Kommission waren sich einig, dass die Technologien den gesamten Berufszweig radi-
kal verändern. Der grundlegende Wandel in der Art, wie Menschen heute kommunizieren,
betrifft jeden Aspekt des Wirtschaftslebens. Der Verkauf bildet da keine Ausnahme. Doch, so
die Kommission von Selling Power: Technologien, das Internet und die sozialen Medien wer-
den den persönlichen Handel in absehbarer Zeit nicht ersetzen. Zwar habe sich das Verkaufs-
wesen verändert, da ist man sich einig, und die technologischen Möglichkeiten können den
Verkaufsprozess enorm weiterentwickeln. Doch sie können viele der Funktionen, die vom
Außendienst erbracht werden, nicht einfach ersetzen. „Das Internet kann Aufträge entgegen-
nehmen und Inhalte verbreiten, aber es kann keine Kundenbedürfnisse ermitteln“, so ein
Mitglied der Kommission. „Es kann keine Beziehungen aufbauen und nicht selbstständig
Neukunden akquirieren.“ Ein weiterer Teilnehmer ergänzt: „Jemand muss ja das Leistungs-
versprechen und die einzigartige Botschaft eines Unternehmens formulieren und an den
Markt kommunizieren – und diese Person ist der Handelsvertreter.“ Was allerdings ausstirbt,
ist die Funktion, die ein Teilnehmer als reine Bestandspflege bezeichnet – das einfache und
routinemäßige Entgegennehmen von Aufträgen. Ein solcher Außendienst schafft keinen Nut-
zen und kann durch automatisierte Vorgänge ersetzt werden. Die Vertriebsmitarbeiter jedoch,
die sich bei der Kundenakquise, der Pflege von Kundenbeziehungen und einem steten
Wachstum im Kundenstamm hervortun, stehen nach wie vor hoch im Kurs.
767
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
ter bei dem, was einen guten Außendienst schon immer ausgemacht hat: Aufbau von
Kundenbeziehungen durch Problemlösungen. Nur eben besser, schneller und günstiger.
Das Social Selling hat jedoch auch Nachteile. Zunächst einmal ist es nicht billig. Ferner kön-
nen derartige Systeme technisch weniger versierte Mitarbeiter oder Kunden überfordern.
Mehr noch, einiges kann man eben nicht über das Internet präsentieren oder vermitteln – für
manche Dinge braucht es den persönlichen Umgang. Daher empfehlen einige Hightech-Spe-
zialisten den Verkaufsleitern die Nutzung von Online- und Social-Media-Technologien, um
Chancen zu ermitteln, Informationen bereitzustellen, Kundenkontakte zu pflegen und Vorab-
Verkaufspräsentationen zu zeigen, ansonsten jedoch bei den herkömmlichen, persönlichen
Kundengesprächen zu bleiben, sobald der Abschluss eines wichtigen Geschäftes näher rückt.
Umgang Nachkauf-
Kaufabschluss
mit Einwänden betreuung
768
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.5 Der Prozess des persönlichen Verkaufs
denen keine Konkurrenz besteht, sowie Online- und Social-Media-Kontakte, als Informati-
onsquelle nutzen. Ferner können sich die Vertriebsmitarbeiter Organisationen und Verbän-
den anschließen, denen mögliche Käufer angehören, durch schriftliche oder mündliche Akti-
vitäten die Aufmerksamkeit neuer Kunden erregen, Newsletter und Telefonbücher nach
möglichen Käufern durchsuchen und telefonisch oder per Post versuchen, einen ersten Kon-
takt herzustellen.
Wichtig dabei ist, dass die Außendienstmitarbeiter in der Lage sind, echte Kaufinteressenten
von den nicht Interessierten zu unterscheiden in der Lage sind. Diese Einteilung lässt sich
anhand finanzieller Möglichkeiten, des Geschäftsumfangs, spezifischer Bedürfnisse, des
Standorts oder anhand des Umsatzwachstumspotenzials vornehmen.
Kontaktaufnahme
In Hinblick auf die Kontaktaufnahme sollte der Außendienstmitarbeiter wissen, wie er auf
den potenziellen Käufer zugehen will und womit er das Gespräch einleiten will, damit es
einen positiven Verlauf nimmt. Die Kontaktaufnahme kann offline oder online, persönlich
oder über digitale Konferenzfunktionen bzw. soziale Medien stattfinden. Wichtig sind hier-
bei das Erscheinungsbild des Verkäufers, seine Gesprächseröffnung und die anschließende
Gesprächsentwicklung. Die Gesprächseröffnung sollte positiv sein, sodass die Kundenbezie-
hung von Anfang an auf Wohlwollen basiert. Anschließend können einige genauere Fragen
gestellt werden, um mehr über die Kundenbedürfnisse zu erfahren. Zusätzlich sollen durch
eine Produktvorführung oder ein Produktmuster die Aufmerksamkeit und die Neugier des
Kunden geweckt werden. Wie in allen Schritten des Verkaufsvorgangs ist es auch hier ent-
scheidend, dem Kunden gut zuzuhören.
8 Die Zitate aus diesem Absatz stammen aus Lain Ehmann, „Prepare to win“, Selling Power, April
2008, S. 27–29.
769
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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Präsentation
Die Präsentation gibt dem Außendienstmitarbeiter die Gelegenheit, dem Kunden die
„Geschichte“ des Produkts oder der Dienstleistung zu erzählen. Dabei wird der Kundennut-
zen hervorgehoben und gezeigt, auf welche Weise die Probleme des Kunden gelöst werden
können. Im Gegensatz zu Druck ausübenden oder überschwänglichen, extrovertierten Ver-
käufern entspricht ein Außendienstmitarbeiter, der auf Problemlösungen eingeht, am besten
der heutigen Marketingkonzeption. Die Käufer wollen Lösungen und Resultate, sie erwarten
von einem Verkäufer, dass er ihnen zuhört, ihre Sorgen und Bedürfnisse versteht und ihnen
daraufhin die entsprechenden Produkte und Dienstleistungen anbietet.
Dieser bedürfnisorientierte Verkaufsansatz erfordert die Fähigkeiten, gut zuhören zu können
und Problemlösungen zu finden. Folgende Verkäufereigenschaften werden von den Kunden
als besonders negativ bewertet: aufdringlich/penetrant, unpünktlich, betrügerisch, unvorbe-
reitet, unorganisiert und übermäßig gesprächig zu sein. Die Eigenschaften, die Kunden am
meisten schätzen, sind Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit zuzuhören, Ehrlichkeit, Zuver-
lässigkeit, Gründlichkeit und Sorgfalt sowie konsequentes Einhalten von Absprachen. Ein
erfolgreicher Außendienstmitarbeiter weiß, wie man verkauft, aber vor allem weiß er, wie
man Kunden zuhört und stabile Kundenbeziehungen aufbaut. Ein Experte sagt: „Sie haben
zwei Ohren und einen Mund. Verwenden Sie diese in diesem Verhältnis.“ Ein anderer sagt:
„Alles beginnt mit dem Zuhören. Ich denke, die Magie heutzutage liegt darin, dass wir so
viele Wege haben, um zuzuhören.“
Schließlich müssen Außendienstmitarbeiter auch Präsentationsmethoden beherrschen. Es
kommt auf gute zwischenmenschliche Kommunikationsfähigkeiten an, wenn es darum geht,
effektive Verkaufspräsentationen zu erstellen. Allerdings birgt das heutige medienreiche und
überladene Kommunikationsumfeld viele neue Herausforderungen für den präsentierenden
Außendienstmitarbeiter. Die mit Informationen überhäuften Kunden fordern anspruchsvolle
Präsentationserlebnisse. Gleichzeitig sind Außendienstmitarbeiter während ihrer Präsenta-
tion Ablenkungen durch Mobiltelefone und mobile Internetgeräte ausgeliefert. Sie müssen
ihre Nachrichten prägnanter und überzeugender als je zuvor übermitteln. Das ehrwürdige
Flipchart wird deshalb durch hoch entwickelte Tablets, ausgeklügelte Präsentationssoftware,
Onlinepräsentationstechnologie und interaktive Whiteboards ersetzt.
Kaufabschluss
Nachdem eventuelle Bedenken ausgeräumt worden sind, versucht der Außendienstmitarbei-
ter, den Kaufvorgang zum Abschluss zu bringen. Einige Verkäufer schaffen es gar nicht so
weit oder bewältigen die Aufgabe des Kaufabschlusses nicht besonders gut. Möglicherweise
fehlt ihnen das nötige Selbstvertrauen oder sie fühlen sich schuldig, wenn sie auf die Auf-
tragserteilung oder Bestellung zu sprechen kommen, oder aber sie verpassen einfach den
richtigen Moment, um den Kauf abzuschließen. Daher sollten Außendienstmitarbeiter die
770
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.5 Der Prozess des persönlichen Verkaufs
Nachkaufbetreuung
Der letzte Schritt des Kaufvorgangs, die Nachkaufbetreuung, ist für den Außendienstmitar-
beiter in Hinblick auf Kundenzufriedenheit und Folgeaufträge besonders wichtig. Unmittel-
bar nach dem Kaufabschluss sollten dem Kunden die noch offenen Einzelheiten zu Lieferzei-
ten, Kaufbedingungen und weiteren Fragen mitgeteilt werden. Insbesondere bei Erstkunden
sollte der Außendienstmitarbeiter einen Termin für einen zusätzlichen Besuch vereinbaren,
um sicherzustellen, dass die Installation, die technische Einweisung und andere Kunden-
dienstleistungen korrekt ausgeführt wurden. Dieser Folgebesuch kann etwaige Probleme ans
Licht bringen und zeigt dem Kunden, dass sich der Verkäufer um ihn bemüht. Auch hilft die
Nachkaufbetreuung bei der Beseitigung eventueller Zweifel, die dem Kunden nach dem Kauf
noch entstanden sein könnten.
Der persönliche Verkauf ist der Teil des internationalen Marketings, der am schwierigs-
ten zu kontrollieren ist. Zahlreiche Akademiker und Berater haben Unmengen von Lis-
ten mit „Dos“ und „Don’ts“ erstellt, die auf Untersuchungen von Verkaufsverhandlun-
gen innerhalb bestimmter Kulturen basieren. Zunehmend ziehen internationale
Marketingfachleute sowohl Studien zu kulturspezifischen Verhandlungstechniken als
auch allgemeine kulturelle Untersuchungen zurate, um die kulturellen Werte zu verste-
hen, die das Verhandlungsverhalten beeinflussen, und um die eigenen Verkaufstechni-
ken bestmöglich daran anzupassen.
771
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Ein beliebtes Instrument ist das von Geert Hofstede entwickelte System der fünf Kultur-
dimensionen, um eine nationale Kultur zu definieren. Dazu zählen die folgenden
Aspekte:
Langzeitorientierung: Darunter versteht man die Wertschätzungen gegenüber lang-
fristigem Denken. Im Allgemeinen haben Asiaten eine langfristigere Zeitorientierung
als westliche Kulturen, d.h. sie neigen dazu, zu Beginn des Verhandlungsprozesses
mehr Zeit für den Aufbau einer persönlichen Beziehung zu verwenden. Aus diesem
Grund ist es von Vorteil für westliche Geschäftsleute, Karaoke-Abende zu veranstal-
ten, wenn sie in Verhandlung mit japanischen oder koreanischen Unternehmen ste-
hen! Da sich die Geschäftsbeziehung aus dem Inhalt der Verhandlungen ableitet und
sie – im Gegensatz zu den kurzfristigen Aspekten des laufenden Geschäfts – die Basis
für langfristige Nutzen bringende Geschäfte darstellt, passt der „Kundenbeziehungs-
ansatz“ besser zu asiatischen als zu westlichen Kulturen. Daraus lässt sich folgender
Schluss ziehen: Wenn man an jemanden aus einer Kultur mit langfristiger Zeitorien-
tierung verkauft, muss man damit rechnen, mehr Zeit für die Gestaltung der Kunden-
beziehung zu verwenden, anstatt sich nur auf den Vertragsabschluss zu konzentrie-
ren.
Unsicherheitsvermeidung: Die Bereitschaft der Verhandelnden, Risiken einzugehen,
ist teilweise auf den Grad der Unsicherheit, den sie in ihrer Kultur gewohnt sind,
zurückzuführen. In Ländern, in denen Menschen eine höhere Toleranz gegenüber
mehrdeutigen, unklaren Situationen besitzen, wie Großbritannien und Dänemark,
verbringt ein Verkäufer weniger Zeit damit, die Kundenbedürfnisse zu erforschen,
bevor er zum Kaufabschluss kommt. In Ländern wie Frankreich, wo die Menschen
eine niedrigere Toleranz gegenüber Mehrdeutigkeit und Unsicherheit aufweisen,
wird ein Verkäufer länger brauchen, um die genauen Kundenbedürfnisse herauszu-
finden.
Machtdistanz: Inwiefern ungleiche Machtverhältnisse im Beruf und im Privatbereich
erwartet und akzeptiert werden, beeinflusst auch die Verhandlungstaktik. In Kultu-
ren mit großer Machtdistanz tragen untergeordnete Mitarbeiter ein Problem nur dann
an Vorgesetzte heran, wenn es besonders wichtig ist. Im Gegensatz dazu ist in Kultu-
ren mit niedriger Machtdistanz die in der Unternehmenshierarchie weiter unten
angesiedelte Belegschaft eher daran gewöhnt, von ihren Vorgesetzten gleichberechtigt
behandelt zu werden, d.h. sie neigen dazu, Angelegenheiten direkt mit ihren Vorge-
setzten zu besprechen. Wenn man also mit einem Kunden verhandelt, für den der
eigene Status von großer Bedeutung ist, sollte das verkaufende Unternehmen sicher-
stellen, dass Dienstalter und Dienstgrad des Verkäufers jenem des Käufers entspre-
chen.
Individualismus vs. Kollektivismus: Damit ist das Unabhängigkeitsbedürfnis und
der Freiheitsgrad einer Person gemeint. Im Allgemeinen werden die Vereinigten Staa-
ten und Großbritannien als individualistische Gesellschaften angesehen, die Freiheit
und Unabhängigkeit schätzen. In kollektivistischen Kulturen wie Japan und China
leitet sich der persönliche Wertebegriff aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe ab.
Daher verwenden Verhandelnde, die von der letztgenannten Kultur beeinflusst sind,
mehr Zeit und Mühe darauf, eine Einigung und einen Abschluss zu erzielen.
772
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.5 Der Prozess des persönlichen Verkaufs
Maskulinität vs. Femininität: Leistung und Besitz spiegeln männliche Werte wider,
während der soziale Bereich und Hilfsbereitschaft weiblichen Werten zugeschrieben
werden. Menschen lassen sich mithilfe der Maskulinität-Femininität-Dimension
klassifizieren. In maskulinen Kulturen, in Hofstedes Studie anhand von Österreich
veranschaulicht, haben Verkäufer einen sehr klaren und bestimmten Verkaufsstil, der
in femininen Kulturen wie Dänemark als unangenehm gewertet wird. Letztere legen
mehr Wert auf Partnerschaft, um die erwünschten Ergebnisse beider Parteien zu
erreichen. Jene, die etwa in der Mitte liegen, schätzen den Aufbau guter Kundenbe-
ziehungen genauso sehr wie harte Fakten und vertragliche Details.
Diese fünf allgemeingültigen Kulturdimensionen bieten eine Basis, um die kulturellen
Rahmenbedingungen im internationalen Handel besser zu bewältigen und um die eigene
Verkaufsmethode daran anzupassen. Trotzdem legen weder Hofstede noch Befürworter
seines Modells nahe, dass erfolgreiche internationale Verhandlungen dem alten Sprich-
wort „Andere Länder, andere Sitten“ zu folgen haben. Die Experten argumentieren eher
damit, dass Verhandlungspartner mit jemandem aus ihrer eigenen Kultur nicht auf die
gleiche Art verhandeln, wie sie es mit jemandem aus einer anderen Kultur tun. Deshalb
hilft es wenig zu wissen, wie die Schweden untereinander verhandeln, will man vorher-
sagen, wie sie mit ihren japanischen Geschäftspartnern verhandeln werden. Da außerdem
eine immer größere Anzahl internationaler Führungskräfte im Ausland ausgebildet wird
oder umfangreiche Auslandserfahrung hat, können diese ihren kulturellen Stil anpassen,
um zu zeigen, dass sie mit den kulturellen Werten ihrer ausländischen Verhandlungspart-
ner vertraut sind. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht so sehr in der Nachahmung der kul-
turellen Werte des ausländischen Kunden, sondern vielmehr in der subtilen Anpassung,
um sich dem Stil des anderen Verhandlungspartners anzunähern.
773
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
ten, um Produkte und Abläufe zu optimieren und schnell Problemlösungen zu finden. Für
derartige Kunden ist der erste Kauf lediglich der Beginn einer Geschäftsbeziehung.
Leider haben sich viele Unternehmen noch nicht auf diese Entwicklungen eingestellt. Häufig
vertreiben sie ihre Produkte durch getrennte Außendienstmannschaften, die unabhängig
voneinander arbeiten. Ihre technischen Mitarbeiter wollen sich nicht damit aufhalten, einem
Kunden ein Produkt zu erklären, weil sie das als Aufgabe des Vertriebs ansehen. Das für die
Entwicklung, das Design und die Produktion verantwortliche Personal vertritt die Einstel-
lung: „Es ist unsere Aufgabe, gute Produkte herzustellen, und die Aufgabe des Vertriebs ist
es, diese an Kunden zu verkaufen.“ Der Außendienst wiederum konzentriert sich darauf, vor-
handene Produkte zu verkaufen, anstatt genau zuzuhören, was der Kunde eigentlich möchte,
und hierfür Lösungen anzubieten.
Die erfolgreicheren Unternehmen erkennen jedoch, dass die Gewinnung und Erhaltung von
Kunden mehr erfordert, als gute Produkte herzustellen und den Außendienst anzuweisen,
möglichst viele davon zu verkaufen. Wenn ein Unternehmen nur darauf fokussiert ist, kurz-
fristige Geschäfte zu generieren, kann es das einfach tun, indem es die Preise drastisch senkt,
um die der Wettbewerber zu unterbieten. Stattdessen wollen die meisten Unternehmen, dass
ihre Mitarbeiter Kundennutzen verkaufen. Überlegene Nutzenangebote aufzuzeigen und zu
liefern und dafür etwas zurückzubekommen ist in gleichem Maße vorteilhaft für den Kunden
und das Unternehmen.
Leider kommt es während Verkaufsverhandlungen, insbesondere in wirtschaftlich schwieri-
gen Zeiten, oftmals dazu, dass Außendienstmitarbeiter den einfachen Weg der Preisreduzie-
rung statt der Betonung des Kundennutzens wählen. Deshalb liegt die Herausforderung für
das Vertriebsmanagement darin, den Außendienst von Verfechtern von Preiskürzungen für
Kunden in Fürsprecher des Unternehmens für Kundenwerte zu verwandeln.
16.6 Verkaufsförderung
Ein immer wichtiger werdendes Instrument der Marketingkommunikation ist die Verkaufs-
förderung. Verkaufsförderung besteht aus einem kurzfristig bereitgestellten Zusatznutzen,
der zu den grundsätzlichen Vorteilen des Produkts hinzukommt. Durch diesen kurzfristigen
Stimulus soll der Interessent zur sofortigen Umsetzung der Kaufabsicht ermutigt und veran-
lasst werden.
Während die Werbung erläutert, warum und wieso ein Interessent ein Produkt oder eine
Dienstleistung erwerben sollte (und gegenüber den Produkten der Konkurrenz vorziehen
sollte), will die Verkaufsförderung die Interessenten motivieren, den Kauf sofort vorzuneh-
men und nicht erst in ungewisser Zukunft.
774
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.6 Verkaufsförderung
Insbesondere auf Märkten für Konsumgüter hat die Verkaufsförderung in den letzten Jahren
stark an Bedeutung gewonnen. Dies hat folgende Gründe:
Steigende Erfolgserwartungen Auf Unternehmen, insbesondere denjenigen, die auch an der
Börse notiert sind, lastet ein hoher Druck, den Gewinn und somit auch den Umsatz und die
Absatzzahlen zu erhöhen. Produktmanager sehen die Verkaufsförderung als ein effektives,
kurzfristig anwendbares Instrument an, um den Verkauf zu erhöhen.
Intensivierung des Wettbewerbs Konkurrierende Marken sind in immer mehr Bereichen
nicht ausreichend differenziert, um eine Marktführerrolle zu erringen. Dennoch wird alles
getan, um sich von Konkurrenzprodukten abzugrenzen, mit dem Effekt, dass sich der Wettbe-
werb verschärft. Viele Unternehmen versuchen, mit relativ kostengünstigen Verkaufsförde-
rungsaktionen einen Vorsprung zu erlangen.
Nachlassende Effizienz der Werbung Aufgrund von steigenden Kosten, Streuverlusten und
gesetzlichen Auflagen sinkt die Produktivität der Werbung. Für viele Unternehmen ist der
Markteintritt über eine Kampagne im Werbefernsehen nicht mehr möglich, da die Kosten
hierfür den zu erwartenden Nutzen deutlich übertreffen. Die Verkaufsförderung in Verbin-
dung mit anderen Kommunikationsinstrumenten, wie z.B. Werbebriefen, kann sich beim
Erschließen neuer Märkte als erheblich kostengünstiger erweisen.
Angebotsorientierung der Konsumenten Bedingt durch den ökonomischen Abschwung und
die Rezession in Europa wurden Konsumenten angebotsorientierter. In der heutigen Wirt-
schaft verlangen sie niedrigere Preise und bessere Angebote. Die Verkaufsförderung kann
dabei helfen, die sparsameren Konsumenten zum Kauf zu bewegen.
Macht des Handels Der Handel erwartet heute massive Verkaufsunterstützung jeder Art von
den Herstellern. Eine individuelle Verkaufsförderung eignet sich hierfür besonders gut.
Geschieht dies nicht, so wird ein Produkt unter Umständen nicht mehr gelistet.
Leistungsstarke IT Die neuesten Entwicklungen in der Datentechnik, wie beispielsweise die
Reduktion der Kosten bei Datenspeicherung und verfeinerte Techniken zur zielgerichteten
Datensuche, erleichtern heute die Durchführung großer Kampagnen. Sie ermöglichen auch
Wirkungsmessungen und Kontrollen der Verkaufsförderungsmaßnahmen.
Der ungebremst häufige Einsatz von Maßnahmen zur Verkaufsförderung hat jedoch bereits
dazu geführt, dass Kaufinteressenten die Verkaufsförderung kaum mehr beachten. Um wie-
der mit größerer Aufmerksamkeit bei den Kunden rechnen zu können, suchen die Anbieter
neue Wege, um sich aus der Masse der Aktionen hervorheben zu können. Dazu gehören wert-
vollere Geschenke bei Preisausschreiben, kreative Displays und Dekorationen am Verkaufsre-
gal (Point of Sale) oder Fördermaßnahmen über interaktive Medien wie beispielsweise das
Internet und Mobiltelefone. Laut einer Studie sehen 88 Prozent der Einzelhändler die digi-
tale Werbung – wie mobile Coupons, Kunden-E-Mails und Onlineangebote – als wichtigen
Teil ihrer Strategien im Shopper-Marketing an.9
Bei der Entwicklung von Verkaufsförderprogrammen muss ein Unternehmen zuerst die Ziele
der Verkaufsförderung definieren und dann die besten Instrumente auswählen, um diese
Ziele zu erreichen.
9 Kantar Retail, Making Connections: Trade Promotion Integration across the Marketing Landscape, S. 6.
775
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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
776
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.6 Verkaufsförderung
Bezeichnung Charakteristik
Rabatte, Coupons oder Nachlass beim Kauf eines bestimmten Produkts, ggf. durch Coupons, Gutscheine
Gutscheine gewährt; kann gleichermaßen den Absatz reifer Produkte stimulieren wie das Probie-
ren neuer Produkte anregen; Verteilung per Post, über Printmedien; Zugabe zu ande-
ren Produkten; neue Formen: Coupon-Spender am Regal, automatischer Drucker am
Point of Sale.
Muster, Proben Kostenlose Produktproben in Kleinmengen; effizientester, aber zugleich teuerster
Weg, ein neues Produkt vorzustellen; Verteilung als Postwurfsendung, über den Han-
del, Zugabe zu anderem Produkt, in eine Werbeanzeige integriert.
„Geld zurück“-Angebote Nach erfolgtem Kauf sendet der Käufer einen Beleg an den Hersteller und erhält eine
Barvergütung; Ermäßigung findet also nicht am Point of Sale statt, sondern nach
dem Kauf; in Deutschland weniger bekannt.
Sonderpreispackungen, Größerer Packungsinhalt zum gleichen Preis; Doppel- oder Mehrfachpackungen zu
Doppelpackungen einem günstigeren Preis; kurbelt kurzzeitig den Absatz an; Vertrieb über den Handel.
Zusatzausstattung Preisgünstige oder kostenfreie Zusatzausstattung, z.B. „Winterpaket“ bei Autos;
„Edition“-Sonderausgaben mit Mehrausstattung, z.B. Tasche zur Kamera gratis; zeit-
lich beschränktes Angebot von Mehrnutzen für den Käufer, mit dem Ziel, die Kauf-
entscheidung zu beschleunigen.
Werbegeschenke Übliche Beispiele sind Kugelschreiber, Kalender, Taschen, Uhren, Mousepads, Kaffee-
tassen, T-Shirts etc., die mit dem Namen des Absenders versehen sind.
Verkaufsförderung am Sonderplatzierungen von Produkten, Displays oder Produktvorführungen an dem
Point of Sale Ort, an dem die Produkte üblicherweise gekauft werden.
Wettbewerbe, Lotterien, Der Verbraucher erhält auf unterschiedliche Arten die Möglichkeit, etwas zu gewin-
Gewinnspiele nen (Bargeld, Reise, Produkte etc.). Bei einem Wettbewerb werden Kunden ange-
regt, ein Bild, einen Werbespruch, ein Foto, eine Idee oder Ähnliches einzusenden;
bei einer Lotterie können Zahlen oder Lose gezogen werden; bei einem Gewinnspiel
können Verbraucher mit oder ohne Beantwortung einer einfachen Frage an einer
Verlosung teilnehmen.
Tabelle 16.3: Instrumente der Verkaufsförderung für Endverbraucher (beispielhafte Auswahl)
777
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Verkaufsförderung im Industriegütermarketing
Hersteller setzen Verkaufsförderung auch im Industriegütermarketing ein. Aktivitäten in die-
sem Bereich können zum Ziel haben, neue Geschäftskontakte zu generieren, Verkäufe zum
Abschluss zu bringen, Käufer zu belohnen oder den eigenen Außendienst zu motivieren und
zu unterstützen. Zwei populäre Förderungsaktivitäten in diesem Bereich sind Messen bzw.
Fachtagungen sowie Verkaufswettbewerbe.
Messen, Präsentationen und Fachkongresse Viele Unternehmen, aber auch viele Berufsver-
bände organisieren Kongresse und Messen, um das neueste Fachwissen auszutauschen und
die Produkte, welche die jeweilige Branche anbietet oder benötigt, auszustellen. Unterneh-
men, die an die jeweilige Branche verkaufen möchten, zeigen ihre Produkte auf Fachmessen.
Für Verkäufer sind diese Messen sehr attraktiv. Hier bieten sich Gelegenheiten, neue Kun-
denbeziehungen aufzubauen, Produktinnovationen vorzustellen, die bestehenden Geschäfts-
verbindungen zu intensivieren und die Kunden mittels Vorführungen und Publikationen in
der Anwendung weiterzubilden.
Verkaufswettbewerbe Ein Verkaufswettbewerb richtet sich an Verkäufer oder Händlerbe-
triebe, um sie zu motivieren ihre Verkaufsanstrengungen nochmals zu steigern. Viele Unter-
nehmen führen mindestens einmal im Jahr einen Verkaufswettbewerb durch. In diesen Wett-
bewerben werden leistungsfähige Verkäufer öffentlich gelobt und die Besten unter ihnen mit
Reisen, Bargeld oder anderen Geschenken belohnt. Verkaufswettbewerbe erreichen dann am
effizientesten ihr Ziel, wenn sie an objektiv messbare und erreichbare Absatzziele gekoppelt
778
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.6 Verkaufsförderung
sind (wie z.B. neue Kunden gewinnen, frühere Kunden wieder aktivieren, Steigerung des
Umsatzes beim einzelnen Kunden erreichen). Eine wichtige Bedingung für den Erfolg eines
Verkaufswettbewerbs ist, dass die Mitarbeiter davon überzeugt sind, dass jeder die gleichen
Chancen hat, zu gewinnen. Die Mitarbeiter müssen sich mit dem Wettbewerb und seinen
Zielen identifizieren.
779
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
die Verkaufsförderung neue Kunden angezogen oder die Verkäufe an bestehende Kunden
erhöht? Können diese Neukunden und Zusatzgeschäfte gehalten werden? Werden die lang-
fristige Kundenbeziehung und zusätzliche Verkäufe aus der Verkaufsförderungsmaßnahme
ihre Kosten rechtfertigen?
Die Verkaufsförderung spielt eindeutig eine wichtige Rolle im Kommunikations-Mix. Um
jedoch Erfolg zu haben, muss der Marketingverantwortliche die Ziele klar definieren, die
besten Werkzeuge auswählen, das Programm zur Verkaufsförderung entwerfen, testen und
umsetzen und anschließend die Ergebnisse anhand der Ziele überprüfen. Schließlich sollten
die Maßnahmen zur Verkaufsförderung sorgfältig mit allen anderen Elementen des Kommu-
nikations-Mix abgestimmt sein, sodass am Ende ein vollständig integriertes Kommunikati-
onsprogramm realisiert wird.
ZUSAMMENFASSUNG
Die meisten Unternehmen haben für den persönlichen Verkauf einen Außendienst und
weisen diesem eine Schlüsselrolle im Marketing-Mix zu. Als Bestandteil des Marketing-
Mix erweist sich der Außendienst als sehr geeignet, um die Aktivitäten der Kundensu-
che, der Kommunikation, des Verkaufs, der Betreuung und der Informationssammlung
durchzuführen und um damit bestimmte Marketingziele zu erreichen. Der Außendienst
sollte im Sinne des gesamten Unternehmens handeln und langfristige sowie gewinn-
bringende Kundenbeziehungen aufbauen, welche auf einem höheren Kundennutzen
und auf Kundenzufriedenheit beruhen. Dabei sollte sich das Verhalten des Außendiens-
tes am Konzept des Kundenbeziehungsmanagements orientieren.
Bei Anbietern von Industriegütern arbeitet der Außendienst direkt mit dem Kunden
zusammen. Oft ist der Außendienst der einzige Kontakt zum Unternehmen und wird
vom Kunden daher als Vertreter des gesamten Unternehmens angesehen. Bei Herstellern
von Konsumgütern, die ihre Produkte über Zwischenhändler verkaufen, treffen die End-
verbraucher nie auf Außendienstmitarbeiter, meist wissen sie gar nicht von ihrer Exis-
tenz.
Da hohe Kosten für einen Außendienst aufzubringen sind, ist auch ein effektives Ver-
triebsmanagement gefordert, das folgende Bereiche berücksichtigt: Zielvorgaben,
Bestimmung von Strategie, Struktur, Größe und Vergütung, Anwerbe- und Auswahlver-
fahren, Aus- und Weiterbildung, Führung und Kontrolle und die Leistungsbewertung
des Außendienstes. Dabei muss sich das Sales Management mit den Fragen beschäfti-
gen, welche Strukturart für den Außendienst am besten geeignet ist (nach Gebieten, Pro-
dukten, Kunden oder einer Kombination daraus), wie groß der Außendienst sein sollte,
wer in den Verkaufsprozess einbezogen werden sollte und inwiefern die verschiedenen
Vertriebsmitarbeiter und die den Vertrieb unterstützenden Abteilungen zusammenarbei-
ten können (Außen-, Innendienst und Team Selling). Außerdem muss man Überlegun-
gen zur Vergütung der Außendienstmitarbeiter anstellen, in Bezug auf Fixgehalt, Provi-
sionen, Bonusleistungen, Spesenabrechnungen und andere freiwillige Leistungen.
780
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Zusammenfassung
Bei der Mitarbeiterauswahl sollte man die Verkaufstätigkeit und die Charakteristika der
erfolgreichsten Außendienstleute analysieren, um so die entscheidenden Eigenschaften für
einen guten Außendienst zu bestimmen. In Ausbildungsprogrammen erlernen die neuen
Mitarbeiter nicht nur die Kunst des Verkaufens, sondern werden auch über die Geschichte
und die Produkte des Unternehmens sowie die Wettbewerbs- und Marktstruktur aufge-
klärt. Alle Außendienstmitarbeiter brauchen eine gute Führung und Kontrolle, und einige
müssen ständig motiviert werden angesichts der vielen Entscheidungen, die sie treffen
müssen, und der vielen Enttäuschungen, die sie im Umgang mit Kunden und Wettbewer-
bern tagtäglich erleben. Schließlich ist auch eine regelmäßige Leistungsbeurteilung der
Außendienstmitarbeiter wichtig, um diesen ihre Stärken und Schwächen aufzuzeigen.
Eine solche Beurteilung beruht auf Informationen aus Verkaufs- und Außendienstberich-
ten, persönlichen Beobachtungen, Kundenbriefen und -beschwerden, Kundenbefragungen
und aus Gesprächen mit anderen Außendienstmitarbeitern.
Der am schnellsten wachsende Verkaufstrend ist der explosionsartige Anstieg des soge-
nannten Social Selling – der Einsatz von Online-, mobilen und sozialen Medien im Ver-
kauf. Die neuen digitalen Technologien bieten dem Außendienst starke Funktionen für
die Ermittlung und Analyse von Neukunden, Kundeneinbindung, Schaffung von Kun-
dennutzen, Tätigung von Geschäftsabschlüssen und Pflege des Kundenbestands. Die
modernen Kunden sind größtenteils nicht mehr wie früher auf die Beratung durch das
Vertriebspersonal angewiesen. Stattdessen nutzen sie zunehmend die Quellen des Inter-
nets und der sozialen Medien, um ihre Probleme selbst zu analysieren, nach Lösungen
zu suchen, Ratschläge von Kollegen und Freunden einzuholen und die Möglichkeiten
auszuloten, ehe sie überhaupt mit einem Handelsvertreter sprechen. Als Reaktion dar-
auf haben Verkäufer ihre Prozesse rund um das veränderte Kundenverhalten neu ausge-
richtet. Sie nutzen die sozialen Medien, Internetforen, Online-Communitys, Blogs und
andere digitale Funktionen, um die Kunden früher und umfangreicher einzubinden.
Schließlich helfen die Funktionen des Internets und der sozialen Medien dabei, den
Außendienst effizienter, kosteneffektiver und produktiver zu machen.
Sowohl der persönliche Verkauf als auch die Verkaufsförderung sind Instrumente, die
dazu genutzt werden, mit bereits bestehenden oder potenziellen Kunden zu kommuni-
zieren und diese vom Kauf zu überzeugen.
Der persönliche Verkauf ist der zwischenmenschliche Teil des Kommunikations-Mix
und umfasst einen siebenstufigen Prozess: Identifizierung potenzieller Käufer, Vorberei-
tung des Erstkontakts, Kontaktaufnahme, Präsentation des Produkts, Umgang mit Ein-
wänden, Kaufabschluss und Nachkaufbetreuung. Diese Stufen dienen dem Kaufab-
schluss und sind daher eher absatzorientiert.
Unter dem Oberbegriff Verkaufsförderung subsumiert man viele verschiedene Maßnah-
men, die eine kurze Vorlaufzeit und Wirkung haben. Sie können auf die Käufer, den
Handel oder den eigenen Außendienst gerichtet sein. Dazu gehören Gutscheinaktionen,
kostenlose Proben, Prämien, Wettbewerbe, Verkostungen etc. Auf vielen nationalen
Märkten sind in den letzten Jahren die Ausgaben für Verkaufsförderung stärker gestie-
gen als jene für Werbung. Soll Verkaufsförderung eingesetzt werden, müssen zunächst
die Ziele festgelegt werden, dann werden die einzusetzenden Instrumente bestimmt.
Schließlich wird die Kampagne entworfen, eventuell in kleinem Rahmen getestet und
dann als umfassendes Programm eingeführt. Dem schließt sich begleitend und im Nach-
hinein eine Überprüfung und Messung der Wirkungen an.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
782
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Literatur und Quellen
783
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
Thompson, David: „Embracing the future: A step by step overview of sales 2.0“, in: Sales and Mar-
keting Management (Juli/August 2008), S. 21.
Thorogood, Pelin Wood: „Sales 2.0: How soon will it improve your business?“, in: Selling Power
(November/Dezember 2008), S. 58–61.
Wall, Robert: Airbus Rack Up More 2014 Jet Orders than Boeing, unter: http://www.wsj.com/
articles/airbus-racks-up-more-2014-jet-orders-than-boeing-1421142005 [24.04.2015].
Wiley, Kim Wright: „For the love of sales“, in: Selling Power (Oktober 2008), S. 70–73.
York, Emily Bryson: „Starbucks gets its business brewing again with social media“, in: Advertising
Age (22.02.10), S. 34.
York, Emily Bryson: „Starbucks: Don’t be seduced by lower prices“, in: Advertising Age (30.04.09),
Webseite unter: http://adage.com/print?article_id=136389.
784
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Direktmarketing,
Onlinemarketing, mobiles und
Social-Media-Marketing
ÜBERBLICK
17.4 Digitales und Social-Media-Marketing . . . . . . . . . . . 797
17.5 Öffentliche Verantwortung und Ethik im
digitalen und Direktmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... Direktmarketing und digitales Marketing definieren, deren schnelles Wachstum
erklären und Vorteile für die Kunden bzw. für das Unternehmen erörtern.
... die wichtigsten Arten des Direktmarketings und des digitalen Marketings bestim-
men und umschreiben.
... erklären, wie Unternehmen mit Onlinemarketingstrategien auf das Internet und
das digitale Zeitalter reagieren.
... diskutieren, wie Unternehmen das mobile und das Social-Media-Marketing nut-
zen, um Kunden stärker zu integrieren und Marken-Communitys zu schaffen.
... traditionelle Formen des Direktmarketings erklären und rechtliche und ethische
Gesichtspunkte aufzeigen, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Direkt-
marketing von Bedeutung sind.
17.1 Einführung
In den vorherigen drei Kapiteln haben wir die Einbindung von Kunden sowie die Vermitt-
lung von Kundennutzen über die integrierte Marketingkommunikation sowie die vier Ele-
mente der Marketing-Kommunikation behandelt: Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, persönli-
cher Verkauf und Verkaufsförderung. In diesem Kapitel erörtern wir das Direktmarketing und
seine am schnellsten wachsende Form, das digitale Marketing (Online-, Social-Media- und
mobiles Marketing). Angetrieben von der rasanten Verbreitung der Internetnutzung und
Online-Kaufaktivitäten sowie der schnellen Entwicklung bei den digitalen Technologien –
von Smartphones, Tablets und anderen digitalen Geräten bis hin zur Flut an Online- und
sozialen Medien – hat das Direktmarketing einen drastischen Wandel durchlaufen: all die
verschiedenen Kommunikations- und Vertriebskanäle wurden zu einem. Denken Sie beim
Lesen daran, dass es in diesem Kapitel bei Direkt- und Digitalmarketing zwar um zwei sepa-
rate Themenbereiche geht, beide jedoch gleichermaßen sorgfältig in die anderen Elemente
des Kommunikationsmix integriert werden müssen.
Beginnen wir mit Facebook, einem Unternehmen, das ausschließlich direkt und digital ver-
marktet. Das riesige soziale Netzwerk verspricht einer der weltweit stärksten und profitabels-
ten digitalen Vermarkter zu werden. Als gewinnorientiertes Marketingunternehmen steht
Facebook jedoch noch am Anfang.
Überall haben das Internet, soziale Medien und mobile Aktivität in kürzester Zeit einen
Siegeszug gefeiert – und kein Unternehmen hat daran mehr Anteil als Facebook. Das
größte soziale Netzwerk der Welt beeinflusst das Leben von einer Milliarde Mitgliedern
weltweit jeden Tag ganz erheblich. Doch trotz der enormen Größe und des rapiden
Wachstums von Facebook bleibt eine entscheidende Frage: Wie kann es das Marketing-
potenzial der massiven Online-Gemeinde in profitabler Weise ausschöpfen, ohne die
Scharen treuer Nutzer zu vergraulen?
786
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.1 Einführung
Facebook ist riesig. In etwas mehr als einem Jahrzehnt hat es 1,3 Milliarden monatlich
aktive Nutzer generiert – das ist ein Siebtel der Weltbevölkerung. Mehr als eine Milli-
arde Mitglieder nutzen heute Facebook auf ihren Mobilgeräten und etwa 757 Millionen
besuchen die Seite täglich. Insgesamt lädt die Facebook-Gemeinde rund 350 Millionen
Fotos hoch, gibt 4,5 Milliarden Objekten ein „Like“ und teilt 4,75 Milliarden Inhalte pro
Tag.
Bei dieser geballten Aufmerksamkeit auf einen einzigen virtuellen Bereich verfügt Face-
book über einen unermesslichen Einfluss. Die Macht von Facebook resultiert nicht nur
aus der Größe und Allgegenwärtigkeit des Unternehmens; sie liegt eher in den tiefen
sozialen Verbindungen mit und unter den Nutzern. Die Mission von Facebook ist es,
„den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich mitzuteilen und die Welt offener und
vernetzter zu machen“. Dies ist ein Ort, an dem man sich mit Familie und Freunden
trifft, Geschichten teilt, Fotos zeigt und seinen Alltag dokumentiert. Unzählige Men-
schen machen Facebook rund um die Uhr zu ihrem digitalen Zuhause.
Mit diesem enormen Einfluss ist Facebook zu einem der mächtigsten und profitabelsten
Online-Vermarkter der Welt geworden. Dabei hat das aufstrebende soziale Netzwerk
gerade erst begonnen, seine finanziellen Möglichkeiten auszuschöpfen. Zunächst kon-
zentrierten sich Mark Zuckerberg und seine jungen, idealistischen Mitgründer auf den
Aufbau einer Mitgliederbasis und verschwendeten kaum einen Gedanken an Geld. Tat-
sächlich entdeckten die Unternehmen selbst ohne Mitwirkung von Facebook den kom-
merziellen Wert des sozialen Netzwerks. Die meisten – großen und kleinen – Marken
bauten ihre eigenen Facebook-Seiten auf und erlangten auf diese Weise kostenlosen
Zugang zu dem gewaltigen Potenzial der Netzwerk-Gemeinde. Mit zunehmender Reife
erkannte Facebook jedoch, dass es eigene Marketingmaßnahmen ergreifen musste.
Heute entwickelt es ein wachsendes Portfolio an Produkten, mit denen es alle Men-
schen weltweit miteinander verbinden kann – und damit Geld verdient. Das erste und
beste Mittel für das soziale Netzwerk, den Wert der gewaltigen Nutzerbasis in bares
Geld zu verwandeln, ist Online-Werbung. Tatsächlich haben sich die Erlöse von Face-
book in den letzten drei Jahren fast vervierfacht und stiegen von 2 Milliarden auf 7,9
Milliarden US-Dollar, dabei machte Werbung fast 90 Prozent der Einnahmen aus.
Viele Online-Vermarkter erzielen Einnahmen aus Werbung. Doch Facebook hat zwei
entscheidende Vorteile – eine beispiellose Menge an Nutzerdaten und eine hohe Nutzer-
bindung. Facebook hält eine der umfangreichsten Sammlungen an Nutzer-Profildaten
weltweit. So können Werbungen auf Facebook sorgsam platziert werden, basierend auf
dem Wohnort, Geschlecht, Alter, Vorlieben und Interessen, Beziehungsstatus, Beruf und
Bildungsstand der Nutzer. Doch Facebook-Werbungen tun mehr, als nur die richtige
Aufmerksamkeit anzuziehen. Die Anzeigen erzeugen Kundenbindung und nutzen die
Social-Sharing-Macht des Netzwerks, um Menschen zu inspirieren. Die Facebook-
Anzeigen fügen sich in die regelmäßigen Nutzer-Aktivitäten ein und die Nutzer können
mit den Werbeplatzierungen interagieren, indem sie Kommentare oder Empfehlungen
hinterlassen, den „Gefällt mir“-Button anklicken oder einem Link auf eine markengeför-
derte Facebook-Seite folgen. Facebooks Attraktivität für Nutzer und Werbekunden hängt
an der Fähigkeit, spezielle Inhalte für bestimmte Nutzer-Segmente festzulegen. Der frü-
here „Alles für Jeden“-Ansatz von Facebook hat jedoch dazu geführt, dass viele Nutzer,
besonders jüngere, Facebook weniger oft besuchen und mehr Zeit mit den spezialisier-
ten Konkurrenz-Netzwerken verbringen.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
Um auf diese wachsende Bedrohung zu reagieren, verfolgt Facebook heute eine Multi-
App-Strategie, um „für jeden Einzelnen“ das Richtige anzubieten. Laut Zuckerberg ist
„unsere Vision von Facebook die, eine Reihe von Produkten zu schaffen, mit der sie
jeden beliebigen Inhalt mit jedem beliebigen Publikum teilen können“.
Der erste Schritt bei dieser Multi-App-Strategie bestand in der Zahlung von 1 Milliarde
US-Dollar für die Übernahme von Instagram, der schnell wachsenden App für das Tei-
len von Fotos. Obwohl Facebook bereits über seine eigene Foto-Funktion verfügte,
brachte der Kauf eine jüngere, fast 27 Millionen Mitglieder starke Nutzergemeinde in
den Facebook-Bestand. Und statt Instagram einfach als zusätzlichen Facebook-Dienst zu
integrieren, führte man es als unabhängige Marke mit eigener Persönlichkeit und Nut-
zergemeinde weiter. Die Kunden von Instagram und Facebook können ihr eigenes Integ-
rationslevel bestimmen, darunter auch eine Mitgliedschaft bei Instagram ohne Face-
book-Account. „Dass Instagram auch mit anderen Diensten außer Facebook verbunden
ist, macht einen wichtigen Teil der Erfahrung aus“, so Zuckerberg.
Nicht lange nach der Übernahme von Instagram kündigte Facebook im Zuge seines
Ziels, einzigartige neue Produkte und Nutzersegmente zu erwerben, die Gründung von
Creative Labs an – einer Facebook-Sparte, die sich mit der Entwicklung mobiler Apps
für individuelle Zwecke beschäftigt. Das Unternehmen enthüllte auch gleich das erste
Produkt seiner neuen Sparte – die mobile App „Paper“, mit der Nutzer einen einfachen
und persönlichen Zugang zum Nachrichtenbereich von Facebook erhalten.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.1 Einführung
Obwohl die mobile Facebook-App selbst diesen Zugang bereits ermöglicht, können Nut-
zer mit Paper die Inhalte nach Themen, Interessen und Quellen sortieren. Diese werden
auf dem gesamten Bildschirm ohne störende Elemente präsentiert. Schon kurz nach
dem Start von Paper folgte eine weitere Mega-Übernahme durch Facebook. In einem
noch größeren Geschäft als mit Instagram zahlte Facebook die atemberaubende Summe
von 19 Milliarden US-Dollar für die eigenständige Nachrichten-App WhatsApp. Face-
books eigener Nachrichtendienst war bereits rasch auf 200 Millionen Nutzer angewach-
sen. Doch ähnlich wie Instagram verschaffte WhatsApp Facebook einen Vorteil, den es
nicht aus eigener Kraft erreichen konnte – eine unabhängige Marke mit mehr als 450
Millionen registrierten Nutzern weltweit, von denen viele gar nicht bei Facebook waren.
Der letzte Kauf von Facebook war die Fitness- und Aktivitäts-App Moves, die ebenfalls
als eigenständige Marke weitergeführt wird.
Durch die Entwicklung und den Erwerb solcher neuen Produkte und Apps macht Face-
book genau das, was es am besten kann – die Mitgliederbasis vergrößern und den unter-
schiedlichen Nutzern immer mehr Möglichkeiten und Gründe bieten, sich zu vernetzen
und einzubringen. Durch Facebooks ständig wachsendes Portfolio können die Nutzer
ihre persönlichen Bedürfnisse innerhalb des wachsenden Angebots der Facebook-Fami-
lie befriedigen. Im Gegenzug führen immer mehr zielgruppenrelevante Nutzer, die
immer mehr Zeit in dem Netzwerk verbringen, zu weiteren Werbeeinnahmen für Face-
book.
Werden die zunehmenden Werbeanzeigen und die Kommerzialisierung treue Facebook-
Nutzer abschrecken? Nicht, wenn es richtig gemacht wird. Jüngste Studien zeigen, dass
Online-Nutzer gut platzierte Online-Werbung und Marketing bereitwillig akzeptieren,
sogar begrüßen. Geschmackvolle und angemessene Angebote können das Facebook-
Erlebnis eher verstärken als Nutzer vergraulen. Trotz ihrer anfänglichen Bedenken
gegen die Platzierung von Werbung und Marketing und der Sorge, dass diese die freie
(und werbefreie) Kultur des Teilens beschädigen könnte, haben die Facebook-Gründer
auch erkannt, dass das Netzwerk ohne die Erzielung von Einnahmen seine Nutzerge-
meinde nicht mehr optimal versorgen kann.
Was immer die Zukunft bringt, Facebook scheint gerade erst an der Oberfläche gekratzt
zu haben. Die neue Strategie mit zahlreichen Apps und Segmenten in Verbindung mit
der unglaublich dichten sozialen Struktur verleiht Facebook ein schwindelerregendes
Potenzial. Carolyn Everson, Vizepräsident für den internationalen Verkauf, fasst das
Wachstumspotenzial von Facebook so zusammen: „Ich bin nicht sicher, ob die Marke-
ting-Gemeinde unsere Geschichte verstanden hat. Wir haben uns so schnell entwickelt.
Wir haben etwas zu sagen: Unsere Mission ist gerade mal zu einem Prozent erfüllt.“
Fragen
1. Warum ist Facebook anderen Direkt-Vermarktern gegenüber im Vorteil?
2. Wie werden sich vermehrte Werbeanzeigen auf Facebook vermutlich auf die Nut-
zung der User auswirken?
3. Hat Facebook eine öffentliche Verantwortung? Und wenn ja, inwiefern?
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
Quellen: Basierend auf Informationen von Sarah Kessler, „With Paper, Facebook stops trying to be
everything for everyone“, Fast Company, 30. Januar 2014, www.fastcompany.com/3025762/with-
paper-facebookstops-trying-tobe-everything-for-everyone; Josh Constine, „Zuck says ads aren’t the
way to monetise messaging“, Techcrunch, 19. Februar 2014, http://techcrunch.com/2014/02/19/
whatsapp-will-monetize-later/; Shayndi Raice und Spencer E. Ante, „Insta-rich: $1 billion for Ins-
tagram“, Wall Street Journal, 10. April 2012, http://online.wsj.com/news/articles/SB10001424052
702303815404577333840377381670; „Facebook’s sales chief: Madison Avenue doesn’t understand
us yet“, Advertising Age, 29. April 2011, www.adage.com/print/227314/; Craig Smith, „By the num-
bers: 105 amazing Facebook user statistics“, Digital Marketing Ramblings, 13. März 2014, http://
expandedramblings.com/index.php/by-thenumbers-17-amazing-facebook-stats/#.U2F1gtxH38u
sowie www.facebook.com, www.instagram.com und www.whatsapp.com, Zugriff September 2014.
Viele der Marketing- und Werbeinstrumente, über die Sie in den vorherigen Kapiteln gelesen
haben, wurden im Rahmen des Massenmarketings entwickelt: ausgerichtet auf breite Märkte
mit standardisierten Botschaften und Angeboten, die über Absatzmittler wie Einzelhändler
und Vertriebspartner verbreitet werden. Angesichts des Trends hin zu einer enger definierten
Zielgruppenansprache und des Wachstums im Bereich der digitalen und sozialen Medien-
technologien wenden viele Unternehmen das Direktmarketing an, entweder als ersten Mar-
ketingansatz oder als Ergänzung zu den anderen Strategien. In diesem Abschnitt erörtern wir
den explosionsartigen Anstieg des Direktmarketings sowie seine am schnellsten wachsende
Form – das digitale Marketing unter Nutzung der Kanäle des Online-, Social-Media- und
mobilen Marketings.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.2 Direktmarketing und digitales Marketing
Als 1984 der damals neunzehnjährige Michael Dell von seiner Studentenbude aus
damit begann, Computer zu verkaufen, hätten nur wenige auf seinen Erfolg gesetzt.
Damals verkauften die meisten Computerhersteller ihre PCs über ein ausgedehntes
Netzwerk aus Groß- und Einzelhändlern. Selbst als die zwischenzeitlich gegründete
Dell Computer Corporation in eine enorme Wachstumsphase eintrat, verspotteten Kon-
kurrenten und Fachleute das Konzept des Computerversenders. Sie behaupteten, dass
PC-Käufer Beratung und Unterstützung benötigten, die nur über die üblichen Vertriebs-
wege angeboten werden könnten. Der Versandhandel mit Computern könne, ähnlich
wie der Kleiderversand, niemals mehr als 15 Prozent Marktanteil erreichen.
Die Kritiker wurden eines Besseren belehrt. Zwanzig Jahre später ist aus dem einstigen
Garagen-Versandhandel ein Milliardenunternehmen geworden. Heutzutage ist Dell der
weltgrößte Direktanbieter von Computersystemen. In den USA wird inzwischen ein
Drittel aller PCs direkt gekauft, und die Konkurrenten von Dell bemühen sich, eigene
Direktvertriebssysteme aufzubauen. Neben PCs hat Dell auch weitere Produkte in sein
Sortiment integriert, darunter Notebooks, Server, Workstations und Drucker.
Das Geheimnis von Dells überwältigendem Erfolg liegt zweifelsohne im Direktmarketin-
gansatz, der seinen Kunden eine unschlagbare Kombination aus Produktinformationen,
großer Auswahl, niedrigen Preisen, schneller Lieferung und einem ausgezeichneten
Kundendienst bietet. Wenn zum Beispiel ein Kunde am Montagvormittag mit einem
Dell-Mitarbeiter telefoniert und einen den individuellen Wünschen angepassten Com-
puter auf dem neuesten Stand der Technik bestellt, erfolgt die Lieferung schon am Mitt-
woch. Der Preis liegt in der Regel um 10 bis 15 Prozent unter dem der Konkurrenz.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
Dell sichert den Verkauf durch einen schlagkräftigen Kundendienst und umfassende
Unterstützung der Nutzer. Dementsprechend nimmt Dell in Umfragen einen der ersten
Plätze ein, wenn es um Produktzuverlässigkeit und guten Kundenservice geht. Die Kun-
den von Dell gehören in den USA zu den zufriedensten der Branche. Bei Dell erhalten
die Käufer genau das, was sie brauchen. Der Grundgedanke von Michael Dell war, dass
jeder Kunde seinen Computer genau so ausstatten kann, wie er es möchte – und dies
alles zu niedrigen Preisen. Diese Philosophie sprach in besonderem Maße die großen
Unternehmen und institutionellen Käufer an.
Dell bietet ebenfalls an, die Computer für die Aufgaben im Unternehmen oder in der
Organisation schon vorzubereiten. Der Kunde übermittelt bereits eingeführte Software
einschließlich vorhandener Datenbestände an Dell. Hier werden dann die zu liefernden
Computer mit den Betriebssystemen und Datenbeständen des Kunden konfiguriert. Wenn
dann der Computer an den Schreibtisch des jeweiligen Mitarbeiters geliefert wird, ist er
von der ersten Minute an für das Unternehmen und die jeweilige Netzwerkumgebung ein-
satzbereit. Dieser Service zahlt sich aus, denn Dell macht 85 Prozent seines Umsatzes mit
der Belieferung von Unternehmen, staatlichen Stellen und Hochschulen.
792
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.2 Direktmarketing und digitales Marketing
Neben der telefonischen Bestellannahme hat Dell insbesondere die Verbreitung des
Internets und des E-Commerce genutzt, um sein Direktvertriebsmodell erfolgreich aus-
zuweiten. Besonders in Asien und speziell in China wird mit einem hohen Wachstum-
spotenzial des Internets gerechnet. Dies bedeutet, dass in Zukunft die Nachfrage nach
Computern steigen wird und gleichzeitig, dass immer mehr Menschen Zugang zum
Onlinevertrieb von Dell haben werden.
Quellen:
Unternehmensbroschüre: „The Dell Effect“ und „Annual Report FY 2017“, Webseite unter:
www.dell.com, [12.02.2018].;
https://www.delltechnologies.com/content/dam/delltechnologies/assets/press/resources/Dell_-
Technologies_Key_Facts.pdf [12.02.2018].
793
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
1 https://www.internetworld.de/online-marketing/digitale-werbung/boom-digitalen-werbung-in-os-
teuropa-1545151.html, Zugriff am 1. Februar 2019.
2 https://www.iab-austria.at/iab-europe-adex-052018/, Zugriff am 1. Februar 2019.
3 https://de.statista.com/themen/2142/e-commerce-in-europa/, Zugriff am 1. Februar 2019.
4 https://de.statista.com/themen/1347/mobile-commerce/, Zugriff am 1. Februar 2019.
794
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.2 Direktmarketing und digitales Marketing
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.3 Arten des Direkt- und Digitalmarketings
Besonders im modernen digitalen Umfeld bietet Direktmarketing Chancen für ein Echtzeit-
Marketing, das Marken mit den wichtigsten Momenten und Wendepunkten im Leben der
Verbraucher verbindet. Es ist ein starkes Instrument, mit dem man Kunden durch den Kauf-
prozess navigieren und Kundenbindung sowie Gemeinschaften und persönliche Beziehun-
gen aufbauen kann.
Ob im Zusammenhang mit einem gesellschaftlichen Anlass, einem aktuellen Thema oder
Ereignis, der persönlichen Situation eines Kunden oder anderen Gegebenheiten – das
wesentliche Konzept hinter erfolgreichem Echtzeit-Marketing ist ziemlich einfach. Es geht
darum, dauerhafte Verbindungen zwischen der Marke und den wichtigen Ereignissen im
Leben der Kunden zu finden oder zu schaffen, und schließlich den Verbraucher ganz authen-
tisch in diesem Moment einzubinden. Ein Marketingexperte schlägt vor, dass Verantwortli-
che im Echtzeit-Marketing die „persönliche Kontaktaufnahme in einem sozialen Umfeld
nachstellen sollten – man spricht jemanden nicht plump an, sondern versucht gemeinsame
Interessen zu entdecken“.
Traditionelles Direktmarketing
Digitales und Social-Media-Marketing
Persönlicher Verkauf
Onlinemarketing (Webseiten, Kundenbindung
Direct-Mail-Marketing
Onlinewerbung, E-Mails, und Kunden-
Katalogmarketing
Onlinevideos, Blogs) Communitys
Telefonmarketing
Social-Media-Marketing schaffen
Direct-Response-Television-Marketing
Mobiles Marketing
Kioskmarketing
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
Smartphones, Tablets, internetfähigen Fernseher und andere digitale Geräte zu erreichen. Die
weit verbreitete Nutzung des Internets und der digitalen Technologien hat sowohl auf die
Käufer als auch auf die mit ihnen beschäftigten Marketingexperten einen enormen Einfluss.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.4 Digitales und Social-Media-Marketing
Hört man den Begriff Onlineshopping, ist es sehr wahrscheinlich, dass man zuerst an
Amazon denkt. Der Onlinepionier öffnete seine virtuellen Türen erstmals 1995 mit dem
Verkauf von Büchern aus der Garage von Amazon-Gründer Jeff Bezos in Seattle. Ama-
zon verkauft immer noch Bücher – sehr, sehr viele Bücher. Mittlerweile wird jedoch so
gut wie alles verkauft, von Musik, Videos, Elektronik über Werkzeuge, Haushaltswaren,
Kleidung, Handys und Lebensmittel bis hin zu Diamanten. Viele Experten sehen Ama-
zon als das Beispiel für Direktmarketing im digitalen Zeitalter.
Von Anfang an wuchs Amazon explosionsartig. Der Umsatz schoss von bescheidenen
147 Millionen US-Dollar im Jahr 1997 auf rund 178 Milliarden Dollar 2017, eine
Umsatzverdoppelung gegenüber 2014. Dabei erzielt Amazon ein durchschnittliches
jährliches Umsatzwachstum von 20 bis 30 Prozent. In Deutschland wächst Amazon
deutlich schneller als der Onlinehandel insgesamt und kontrolliert etwa ein Viertel die-
ses Vertriebskanals. Warum ist Amazon so erfolgreich? Es liegt an der absoluten Kun-
denorientierung. „Die Sache, die alles vorantreibt, ist, einen echten Nutzen für Kunden
zu schaffen“, sagt Bezos. Das Unternehmen startet mit dem Kunden und arbeitet dann
rückwärts. „Anstatt zu fragen, worin wir gut sind und was man noch mit dieser Fähig-
keit machen kann“, sagt Bezos, „fragen wir, wer sind unsere Kunden? Was brauchen sie?
Und dann lernen wir diese Fähigkeiten.“
Ein Beispiel: Als Amazon die Notwendigkeit sah, seinen Buchkäufern durch den Zugang
zu E-Books und anderem E-Content ein noch besseres Angebot zu unterbreiten, entwi-
ckelte man ein eigenes Produkt – den Kindle, ein Lesegerät zum Herunterladen von
Büchern, Blogs, Magazinen, Zeitungen und Ähnlichem. Es bedurfte mehr als vier Jahre
Entwicklungsarbeit, aber Amazons „Starte-mit-dem-Kunden“-Strategie hat sich ausgezahlt.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
Der Kindle entwickelte sich zum meistverkauften eReader der Welt. Der Kindle-Store
bietet mehr als 700.000 E-Books an. Diverse Kindle-Apps lassen Kunden E-Books auch
auf Geräten von Apple, Blackberry oder solchen mit Android-Betriebssystem lesen.
Wichtiger als was Amazon verkauft, ist jedoch wie verkauft wird. Das Unternehmen will
viel mehr machen als nur Bücher, DVDs oder Digitalkameras zu verkaufen. Es will eine
besondere Erfahrung an jeden Kunden liefern. „Die Kundenerfahrung ist, was wirklich
zählt“, sagt Bezos. „Wir haben uns immer darauf konzentriert einen besseren Laden zu
haben, in dem es leichter ist einzukaufen, in dem man mehr über das Produkt lernen
kann, in dem man eine größere Auswahl hat und in dem man die niedrigsten Preise hat.
Man kombiniert all diese Dinge und die Leute sagen: „Hey, die haben es echt verstan-
den.“ Und die Kunden verstehen es auch. Die meisten regulären Amazon-Kunden füh-
len eine erstaunlich starke Verbindung zum Unternehmen, vor allem, wenn man das
absolute Fehlen von zwischenmenschlichem Kontakt bedenkt. Amazon bemüht sich,
die Erfahrung jedes Kunden einzigartig und individuell zu gestalten. So wird der Kunde
zum Beispiel von einer personalisierten Startseite begrüßt und die Rubrik „Empfehlun-
gen für Sie“ bietet personalisierte Produktvorschläge. Amazon war das erste Unterneh-
men, das „collaborative filtering“ nutzte, eine Technologie, die die vergangenen Käufe
und Kaufmuster der einzelnen Kunden analysiert und anhand der gesammelten Daten
eine personalisierte Startseite erstellt. „Wir wollen, dass Amazon.com der richtige
Laden für dich als Individuum ist,“ sagt Bezos. „Wenn wir 88 Millionen Kunden haben,
sollten wir 88 Millionen Läden haben.“
Besucher von Amazon.com erhalten eine einzigartige Mischung von Vorteilen: eine rie-
sige Auswahl, gute Qualität und Bequemlichkeit. Aber es ist der „Entdeckungs-Faktor“,
der das Einkaufserlebnis so besonders macht. Amazon.com wurde zu einer Form von
Onlinegemeinschaft, in der Kunden nach Produkten und Kaufalternativen suchen, Mei-
nungen und Rezensionen teilen und online mit Autoren und Experten diskutieren. So
gelingt es Amazon, weit mehr als nur Güter über das Internet zu verkaufen. Amazon
schafft direkte, personalisierte Kundenbeziehungen und zufriedenstellende Onlineer-
lebnisse. Jahr für Jahr landet Amazon auf Spitzenplätzen in Umfragen zur Kundenzu-
friedenheit.
Um eine noch größere Auswahl für seine Kunden zu schaffen, erlaubt Amazon.com
konkurrierenden Anbietern, von Privatanbietern bis hin zu großen Unternehmen, ihre
Produkte auf der Seite anzubieten. So wird ein Onlineeinkaufszentrum von gewaltigem
Ausmaß geschaffen. Kunden werden sogar motiviert, gebrauchte Gegenstände weiterzu-
verkaufen. Die breitere Auswahl zieht noch mehr Kunden an und jeder profitiert. „Wir
werden ein immer wichtigerer Bestandteil im Leben unserer Kunden,“ so der Marke-
tingleiter von Amazon.
Wie auch immer sich das Unternehmen weiterentwickelt, Amazon hat das Erschei-
nungsbild des Onlinemarketings für immer verändert. Am wichtigsten ist, dass Amazon
die Messlatte für die Kundenzufriedenheit im Onlinehandel sehr hoch gelegt hat. „Der
Grund, warum ich so besessen bin bezüglich der Kundenzufriedenheit, ist, dass ich
glaube, dass unser Erfolg einzig und alleine von dieser Zufriedenheit kommt“, sagt
Bezos. „Wir machen nicht sehr viel Werbung. Wir starten bei den Kunden, finden her-
aus was sie wollen und finden einen Weg, ihnen genau das zu geben.“
Quelle: https://www.finanzen.net/bilanz_guv/Amazon [12.02.2018].
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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing
Direktes digitales und Social-Media-Marketing treten in jeder der in Abbildung 17.3 gezeigten
Formen in Erscheinung. Diese beinhalten Onlinemarketing, Social-Media-Marketing und
mobiles Marketing. Wir behandeln sie nacheinander und beginnen mit dem Onlinemarketing.
17.4.2 Onlinemarketing
Onlinemarketing bezeichnet das Marketing im Internet über Firmen-Webseiten, Onlinewer-
bung und Aktionen, E-Mail Marketing, Onlinevideos und Blogs. Im Vereinigten Königreich
werden heute zwei Fünftel des Werbebudgets für Onlineaktivitäten ausgegeben – mehr als in
anderen europäischen Ländern oder den USA. Auch Social-Media-Marketing und mobiles
Marketing finden im Internet statt und müssen eng mit den anderen Formen des Digitalmar-
ketings abgestimmt werden. Aufgrund ihrer besonderen Merkmale behandeln wir die schnell
wachsenden Bereiche des Social-Media-Marketings und des mobilen Marketings in getrenn-
ten Abschnitten.
Onlinewerbung
Da Verbraucher immer mehr Zeit im Internet verbringen, verlagern sich die Marketingaus-
gaben der Unternehmen verstärkt auf die Onlinewerbung, um so die Markenumsätze zu för-
dern oder Besucher auf die eigene Homepage sowie die Seiten der mobilen und sozialen
Medien zu locken. Onlinewerbung ist zu einem wichtigen Werbemedium geworden. Die
wesentlichen Formen der Onlinewerbung sind Online-Banner und suchverwandte Anzeigen.
Zusammen machen diese beiden Formen den größten Teil der Budgets für digitales Marke-
ting bei den Unternehmen aus. Sie belaufen sich auf 30 Prozent der Gesamtausgaben für digi-
tales Marketing.
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
Online-Banner können überall für den Nutzer sichtbar werden und beziehen sich häufig auf
eine gerade angesehene Information. Während man beispielsweise auf Travelocity.com nach
Reisen sucht, kann plötzlich eine Anzeige für ein kostenloses Upgrade für einen Mietwagen
von Enterprise Rent-A-Car auf dem Bildschirm erscheinen. Online-Banner haben in den letz-
ten Jahren eine deutliche Entwicklung durchlaufen, was die Gewinnung und Erhaltung von
Kundenaufmerksamkeit betrifft. „Rich media“ beinhaltet Animationen, Videos, Ton und
Interaktivität. Die spannungsgeladenen „Takeover“-Anzeigen erscheinen nur für wenige
Sekunden, haben jedoch großen Einfluss. Der größte Bereich der Onlinewerbung sind such-
verwandte Anzeigen (oder kontextabhängige Werbung), die im letzten Jahr fast die Hälfte der
Gesamtausgaben für Onlinewerbung ausgemacht haben. Bei der suchverwandten Werbung
erscheinen text- und bildbasierte Anzeigen und Links über oder neben den Ergebnissen der
Suchmaschine wie Google, Yahoo! oder Bing. Gibt man bei Google beispielsweise den Such-
begriff „LCD TVs“ ein, erkennt man oben und seitlich neben der Trefferliste unscheinbare
Anzeigen von zehn oder mehr Unternehmen, von Samsung, LG und Panasonic bis hin zu
Tesco.com und Amazon.com sowie einigen Discountern. Die von Google im letzten Jahr
erzielten Umsatzerlöse in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar stammten zu 96 Prozent aus
dem Verkauf über Anzeigen. Die Internetsuche ist eine Art ständig verfügbares Medium und
die Ergebnisse lassen sich leicht messen.
E-Mail-Marketing
Das E-Mail-Marketing ist ein wichtiges und weiter an Bedeutung gewinnendes Instrument
des Digitalmarketings. „Die sozialen Medien sind der neueste Trend“, so ein Beobachter,
„aber E-Mails beherrschen nach wie vor die Kommunikation.“ So nutzen einer Schätzung
zufolge etwa 91 Prozent aller Verbraucher in den USA täglich E-Mails. Außerdem sind E-
Mail-Programme nicht mehr an fest installierte PCs und Arbeitsplätze gebunden; 65 Prozent
aller E-Mails werden heute von mobilen Geräten aus geöffnet. Das Ergebnis einer Studie,
nach der E-Mails rund 40 Mal effektiver bei der Kundengewinnung sind als Facebook und
Twitter zusammen, überrascht also wenig. Im letzten Jahr haben Marketingverantwortliche
schätzungsweise mehr als 838 Milliarden E-Mails versendet. Trotz überfüllter Postfächer
bringt das E-Mail-Marketing dank seiner niedrigen Kosten noch immer eine der höchsten
Marketing-Renditen. Laut der US Direct Marketing Association erhalten Marketingverant-
wortliche in Amerika eine Rendite von durchschnittlich 44,24 Dollar auf jeden Dollar, den
sie in E-Mails investieren. Richtig eingesetzt können E-Mails ein starkes Medium im Direkt-
marketing sein. Zahlreiche Marketingverantwortliche nutzen es regelmäßig und mit großem
Erfolg. Mit E-Mails können sie äußerst gezielte, maßgeschneiderte und beziehungsfördernde
Botschaften versenden. Und die modernen E-Mails haben nichts mehr mit den konservativen
und nüchternen Textnachrichten von einst zu tun. Heute sind sie bunt, einladend, persön-
lich und interaktiv.
Doch die wachsende Nutzung des E-Mail-Marketings hat auch eine Kehrseite. Die explosi-
onsartige Verbreitung von Spam-Mails – unverlangte und unerwünschte Werbemitteilungen,
die den Posteingang verstopfen – hat bei den Verbrauchern zu Verärgerung und Frust geführt.
Laut einem Marktforschungsinstitut machen Spams heute fast 70 Prozent aller weltweit ver-
sendeten E-Mails aus. Für E-Mail-Marketer ist es daher ein schmaler Grat, Mehrwert für den
Kunden zu schaffen oder als aufdringlich wahrgenommen zu werden. Um diesen Problemen
zu begegnen, wenden die meisten seriösen Marketer heute ein E-Mail-Marketing auf Zustim-
mungsbasis an, d.h., sie senden E-Mail-Inhalte nur an Kunden, die sich zuvor damit einver-
standen erklärt haben. Viele Unternehmen nutzen konfigurierbare E-Mail-Systeme, mit
denen Kunden wählen können, welche Inhalte sie erhalten möchten. Amazon.com spricht
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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing
Kunden, die dem zugestimmt haben, gezielt mit der Produktempfehlung „Das könnte Ihnen
auch gefallen“ an, basierend auf den angegebenen Merkmalen und vorherigen Einkäufen.
Nur wenige Kunden lehnen dies ab, viele begrüßen diese Art der Werbung sogar. Ama-
zon.com profitiert davon einerseits durch höhere Rücklaufquoten, andererseits verhindert
man so die Abschreckung von Kunden durch unerwünschte E-Mails.
O nlinevideos
Eine weitere Form des Onlinemarketings ist das Posten digitaler Videoinhalte auf Marken-
webseiten oder in den sozialen Medien, wie z.B. YouTube, Facebook und anderen. Einige
Videos werden speziell für das Internet und die sozialen Medien produziert. Diese reichen
von Tutorials und PR-Beiträgen bis hin zu Markenwerbung und markenbezogener Unterhal-
tung. Andere Videos bestehen aus Werbung, die ein Unternehmen für das Fernsehen und
andere Medien produziert hat, vor oder nach der Kampagne jedoch zur Erweiterung der
Reichweite auch im Internet veröffentlicht. Gute Onlinevideos können Millionen von Kun-
den erreichen. Die Zuschauerzahlen für Onlinevideos schnellen in die Höhe – so streamen
bereits über 60 Prozent der US-Bevölkerung heute Videos aus dem Internet. Marketingverant-
wortliche hoffen, dass einige ihrer Videos sich im Netz verbreiten. Virales Marketing, die
digitale Form der Mundpropaganda, beinhaltet die Verbreitung von Videos, Anzeigen und
anderen Marketinginhalten, die so attraktiv sind, dass Kunden gezielt danach suchen oder
sie an Freunde weiterleiten. Da Kunden die Botschaft oder Werbung selbst finden und wei-
terleiten, kann virales Marketing sehr kostengünstig sein. Und wenn Videos oder andere
Informationen von Freunden kommen, sind die Empfänger viel eher bereit, sie anzusehen
oder zu lesen.
Sämtliche Videoinhalte können im Netz verbreitet werden, Kundenbindung erzeugen und
die Marke positiv darstellen. In einem einfachen, aber ehrlichen Video von McDonald’s zum
Beispiel antwortet der Marketingdirektor von McDonald’s Kanada auf die Frage von Online-
zuschauern, weshalb die Produkte von McDonald’s in der Werbung besser aussehen als in
der Realität, mit einer Führung hinter die Kulissen und zeigt, wie eine McDonald’s-Werbung
entsteht. Das mit Preisen ausgezeichnete dreieinhalb Minuten lange Video wurde fast 15 Mil-
lionen Mal angesehen und 15.000 Mal geteilt, was dem Unternehmen Anerkennung für seine
Ehrlichkeit und Transparenz einbrachte. In einem anderen Beispiel produzierte P&G in
Zusammenarbeit mit den Olympischen Spielen in London 2012 und den Olympischen Win-
terspielen 2014 in Sotchi herzerwärmende zweiminütige Videos unter dem Motto „Proud
sponsors of moms“, in denen die Mütter der Sportler für ihren Beitrag zu deren Spitzenleis-
tungen gewürdigt wurden. Diese Videos wurden zig Millionen Mal angesehen und geteilt.
Sie bildeten auch die Basis für TV-Werbung, die während der Veranstaltungen ausgestrahlt
wurde. Marketer haben in der Regel jedoch wenig Kontrolle darüber, wo ihre viralen Bot-
schaften enden. Sie können die Inhalte online stellen, doch das allein bewirkt gar nichts,
solange die Botschaft nicht den Nerv bei den Kunden trifft. Ein Kreativdirektor meint: „Sie
hoffen, die Kreativen erreichen das Ziel, dass die Saat aufgeht und etwas Großes daraus ent-
steht. Wenn man das Ergebnis nicht mag, bewegt sich nichts. Mag man es, bewegt sich ein
bisschen; aber wenn man es liebt, kann es sich so schnell wie ein Feuer in den Hügeln von
Hollywood ausbreiten.“
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
formen, auf denen Menschen und Unternehmen ihre Gedanken und andere Inhalte einstel-
len können, in der Regel zu eng definierten Themenfeldern. Blogs gibt es für alle möglichen
Bereiche, von Politik oder Baseball bis hin zu Haikus, Autoreparaturen, Marken oder den
neuesten Fernsehserien. Laut einer Studie gibt es heute über 31 Millionen Blogs allein in den
USA. Viele Blogger nutzen die sozialen Netzwerke wie Twitter, Facebook und Instagram, um
ihre Blogs bekannt zu machen und ihnen eine möglichst große Reichweite zu verschaffen.
Diese Größenordnungen können Blogs – besonders denen mit einer großen und treuen Fan-
gemeinde – einen enormen Einfluss verleihen.
Die meisten Marketer nutzen das Potenzial des Blog-Universums mit markenbezogenen Ein-
trägen, um ihre Kundengruppen zu erreichen. Im Netflix-Blog beispielsweise erzählen Mit-
glieder des Netflix-Teams (allesamt selbst begeisterte Filmfans) über die neuesten Netflix-Pro-
gramme, verraten Tricks, wie man das Beste aus dem Netflix-Erlebnis herausholen kann und
sammeln Reaktionen von Abonnenten. Im Blog der Disney Parks kann man alles über Disney
erfahren und daran teilhaben; dazu gehören der Bereich „Hinter den Kulissen“ mit Einträgen
über Tanzproben, exklusive Vorab-Bilder von neu entstehenden Bauten, Interviews mit Mitar-
beitern und vieles mehr. Der Blog „Wholestory“ des Vollsortimenters Whole Foods beinhaltet
Videos, Bilder und Posts über gesunde Ernährung, Rezepte und Hintergrundinformationen
aus den Filialen. Neben den eigenen Markenblogs nutzen viele Marketer auch fremde Blogs,
um ihre Botschaft in die Welt zu tragen. So richtet sich McDonald’s ganz gezielt an die wich-
tigsten „Mama-Blogger“, deren Einfluss auf Hausfrauen und Mütter besonders groß ist – und
die wiederum bestimmen schließlich, wohin sie mit ihrer Familie zum Essen gehen.
Als Marketing-Instrument bieten Blogs einige Vorteile. Sie können ein neuer, origineller, per-
sönlicher und preiswerter Weg sein, um Teil der Konversation von Verbrauchern im Internet
und in den sozialen Medien zu werden. Die Blogszene ist jedoch chaotisch und schwer zu
kontrollieren. Und obwohl Unternehmen Blogs durchaus zu ihrem Vorteil nutzen können,
um entscheidende Kundenbeziehungen aufzubauen, bleiben sie jedoch ein vorrangig von
Verbrauchern gesteuertes Medium. Ob sie sich nun aktiv in Blogs beteiligen oder nicht,
Unternehmen sollten sie stets aufmerksam beobachten und verfolgen. Marketer können wert-
volle Einblicke aus den Onlinekonversationen der Verbraucher gewinnen und somit ihre
Marketingprogramme optimieren.
Social-Media-Marketing
Wie bereits erörtert wurde, hat die rasante Zunahme der Nutzung des Internets sowie digita-
ler Technologien und Geräte eine unglaubliche Vielfalt von sozialen Medien und digitalen
Gemeinschaften hervorgebracht. Unzählige unabhängige und kommerzielle soziale Netz-
werke sind entstanden; hier können sich Verbraucher online begegnen, vernetzen und Mei-
nungen sowie Informationen austauschen. Heute scheint fast jeder auf Facebook oder Goo-
gle+ Freundschaften zu schließen, bei Twitter aktiv zu sein, sich die brandneuen Videos auf
YouTube anzusehen, Fotos in die virtuellen Sammelalben bei Pinterest zu stellen oder Bilder
auf Instagram und Snapchat zu teilen. Und wo sich Verbraucher versammeln, sind Marketer
natürlich nicht weit. Die meisten Marketer schwimmen heute ganz oben auf der riesigen
Social-Media-Welle mit. Laut einer Studie nutzen heute fast 90 Prozent der US-Unternehmen
die sozialen Netzwerke als Teil ihres Marketingmix. In Großbritannien geht der Anteil der
Erwachsenen, die in sozialen Netzwerken aktiv sind, jedoch zurück; auch in den USA, Japan
und China verzeichnen die sozialen Netzwerke sinkende Zahlen. Dies legt nahe, dass andere
Kommunikationswege vermutlich beliebter werden, wie z.B. die Seiten von Onlinevideos,
Spieleplattformen und Kurznachrichtendienste.
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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
und Aktivitäten erreichbar. Wie zuvor in diesem Kapitel erwähnt, hat die rasante Verbreitung
der sozialen Medien eine enorme Zunahme des Echtzeit-Marketings hervorgerufen und es
Marketern ermöglicht, aktuelle Geschehnisse zu Gesprächsthemen unter den Kunden zu
machen und sich selbst daran zu beteiligen. Heute können Marketingverantwortliche die
Trends beobachten und entsprechende Inhalte erzeugen. Soziale Medien können höchst kos-
teneffizient sein. Obwohl die Gestaltung und Steuerung von Inhalten für soziale Medien
einen gewissen Kostenaufwand mit sich bringen kann, ist die Nutzung vieler sozialer Medien
gratis oder sehr preiswert. Daher wird die Rentabilität des Einsatzes sozialer Medien oft mit
der von teureren, traditionellen Medien wie Fernsehen oder Printwerbung verglichen. Auf-
grund der geringen Kosten der sozialen Medien sind diese auch für kleine Betriebe und Mar-
ken nutzbar, die sich den Aufwand groß angelegter Marketingkampagnen nicht leisten kön-
nen. Der größte Vorteil der sozialen Medien aber ist sicherlich die Möglichkeit für Kunden,
sich einzubringen und sozial zu vernetzen. Die sozialen Medien sind besonders gut geeignet,
um Kundenbindung und Kundengemeinschaften zu erzeugen – so entsteht eine Beziehung
zwischen Kunde und Marke sowie innerhalb der Kundengruppen. Weit mehr als andere Mar-
ketingkanäle können soziale Medien die Kunden an der Gestaltung und Verbreitung von
Markenbotschaften und Erlebnissen beteiligen. Indem sie sich die Beziehungen zwischen
den sogenannten Influencern (Meinungsbildnern) und ihren Anhängern in den sozialen
Medien zunutze machen, zielen Unternehmen auf eine „deutliche Ausweitung der Mund-
propaganda“ – die Gefolgschaft einiger Meinungsbildner in den sozialen Netzwerken ist grö-
ßer als die Auflage so mancher Zeitschrift Eine interessante Zielgruppe für Marketer sind
sogenannte Elternblogger – hauptsächlich Mütter, die eine konsumfreudige und damit
begehrte Werbegruppe bilden. Das Netzwerk BritMums in Großbritannien umfasst 6.000
Blogger, während US Mom Bloggers in den USA 20.000 Mitglieder und BloggyMums 15.000
Mitglieder zählen. Das Blogging von Eltern ist in Europa und Asien weiter auf dem Vor-
marsch. Das Social-Media-Marketing bietet einen idealen Weg für die Bildung von Markenge-
meinschaften – virtuelle Orte, an denen treue Fans ihre Erfahrungen, Informationen und
Ideen austauschen können. Die Bio-Supermarktkette Whole Foods Market nutzt zum Bei-
spiel Drittseiten sozialer Netzwerke für seine Lifestyle-Gemeinschaft; diese bietet Kunden
Informationen über Lebensmittel, Rezepte, Austausch mit anderen Kunden, Diskussionen
über wichtige ernährungstechnische Fragen sowie Links zu Veranstaltungen in den Filialen.
Daneben ist das Unternehmen sehr aktiv auf Facebook, Twitter und YouTube. Whole Foods
zählt über 400.000 Marken-Follower mit einer Vielzahl von virtuellen Pinnwänden auf der
Webseite Pinterest. Die Bandbreite der Themen reicht von „Tipps und Tricks bei der Ernäh-
rung“, „Köstliche Kunst“ und „Essbare Festlichkeiten“ bis zu „Super HOT Kitchens“ mit
zahlreichen Fotos außergewöhnlicher Küchen. Denn obwohl Whole Foods nichts mit
Küchendesign zu tun hat, sind Kochen und Küchenausstattung für den Lebensstil seiner
Kunden ein raumgreifendes Thema.
Doch Social-Media-Marketing birgt auch Risiken. Zunächst einmal experimentieren viele
Unternehmen noch mit einer möglichst effektiven Nutzung und die Ergebnisse sind schwer
messbar. Zweitens werden die sozialen Netzwerke größtenteils von den Nutzern kontrolliert.
Mit der Nutzung sozialer Medien verfolgt ein Unternehmen das Ziel, Teil der Gesprächsthe-
men und des Alltags von Kunden zu werden. Marketingverantwortliche können den Zugang
zu den digitalen Interaktionen der Verbraucher aber nicht erzwingen – sie müssen ihn sich
verdienen. Statt sich aufzudrängen, müssen Marketer zu einem wertvollen Teil des Interne-
terlebnisses werden, indem sie beständig attraktive Inhalte erzeugen.
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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing
Da die Verbraucher eine so starke Kontrolle darüber haben, was in den sozialen Netzwerken
verbreitet wird, können selbst die scheinbar harmlosesten Social-Media-Kampagnen aber
auch nach hinten losgehen. So startete Frito-Lay in den USA zum Beispiel einen Wettbewerb
mit dem Titel „Do us a flavour“, in dem die Teilnehmer Ideen für neue Chips-Geschmacks-
richtungen und entsprechende Gestaltungsvorschläge für die Verpackung auf der Internet-
oder Facebookseite einreichen sollten. Viele Kunden nahmen den Wettbewerb (und die eine
Million Dollar Preisgeld) sehr ernst und schickten Ideen für Sorten, die tatsächlich gut
ankommen würden. Andere allerdings machten sich einen Spaß und schlugen witzige, aber
völlig absurde Geschmacksrichtungen wie Knuspriger Frosch, Blauer Käse, Zahnpasta, Oran-
gensaft oder „90 Prozent Luft und ungefähr 4 Chips“ vor. Leider reagierte die Webseite auf
jeden Vorschlag, egal wie abwegig, automatisch mit einer bunten Abbildung der Tüte für die
entsprechende Sorte und einer Botschaft wie der folgenden: „Das hört sich nach leckeren
Chips an! Schickt uns weiter köstliche Ideen und sichert euch die Chance auf eine Million
Dollar!“ Über die sozialen Medien „betreten Sie das Heim der Verbraucher durch die Hinter-
tür – es ist ihre Privatsphäre“, warnt ein Social-Marketing-Experte. Ein anderer meint: „Sozi-
ale Medien funktionieren wie ein Schnellkochtopf: Hunderttausende oder sogar Millionen
von Menschen dort draußen nehmen Ihre Idee auf und zerlegen sie in ihre Einzelteile, um
herauszufinden, was daran schwach oder dumm ist.“
Integriertes Social-Media-Marketing
Die Nutzung sozialer Medien kann sich einfach auf das Posten von Nachrichten und Anzei-
gen auf der Facebook- oder Twitter-Seite der Marke beschränken oder auf die Verbreitung von
Videos und Fotos auf YouTube oder Pinterest als Impulse für die Marke. Die meisten großen
Unternehmen entwickeln heute jedoch umfassende Ansätze im Social-Media-Bereich, die
mit anderen Elementen der Marketingstrategien für die Marke harmonieren und diese unter-
stützen. Statt vereinzelte Maßnahmen zu treffen und nur den „Likes“ und Tweets nachzuja-
gen, besteht die erfolgreiche Nutzung sozialer Medien für Unternehmen in der Integration
einer großen Bandbreite diverser Medien, um eine markenbezogene Vernetzung, Einbindung
und Kundengemeinschaften zu erzeugen.
Die Steuerung von Social-Media-Aktivitäten einer Marke kann eine gewaltige Aufgabe sein.
So verwaltet Starbucks, einer der erfolgreichsten Social-Media-Marketer, insgesamt 51 Face-
book-Seiten (darunter 43 außerhalb der USA), 31 Nutzernamen auf Twitter (19 davon inter-
national), 22 Instagram-Namen (14 davon international) sowie Nutzerkonten bei Google+,
Pinterest, YouTube und Foursquare. All diese Social-Media-Inhalte zu verwalten und zu
integrieren ist enorm aufwendig, doch die Ergebnisse lohnen die Mühe. Kunden können
direkt bei Starbucks aktiv werden, ohne jemals einen Fuß in eine Filiale setzen zu müssen –
und aktiv sind sie. Mit über 36 Millionen Fans allein auf der US-Hauptseite ist Starbucks die
sechstgrößte Marke auf Facebook. Bei Twitter liegt das Unternehmen auf dem fünften Platz
mit 88,5 Millionen Anhängern. Mit der Präsenz in den sozialen Medien erzeugt Starbucks
aber nicht nur Dialoge und Kundengemeinschaften im Netz, sondern bringt auch Kunden in
die Filialen. In der ersten großen Social-Media-Kampagne vor vier Jahren bot Starbucks ein
Gratis-Gebäck mit dem ersten gekauften Getränk am Morgen an. Eine Million Kunden griff
zu. Die „Tweet-a-Coffee“-Kampagne mit einem Gutschein über 5 Dollar, den Kunden über
den Hashtag #tweetacoffee oder einen Tweet auf den Nutzernamen an einen Freund ver-
schenken konnten, bescherte dem Unternehmen in knapp einem Monat bereits 180.000 Dol-
lar an Verkaufserlösen. Bei den sozialen Medien „geht es nicht nur um Kundenbindung und
Geschichten und Vernetzung“, sagt der Leiter für globales Digitalmarketing bei Starbucks.
„Der Einsatz kann einen ganz wesentlichen Einfluss auf das Geschäft haben.“
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
Mobiles Marketing
Mobiles Marketing zeichnet sich durch Marketingbotschaften, Aktionen und andere Werbe-
inhalte aus, die Kunden unterwegs über ihren mobilen Geräte erreichen sollen. Werbetrei-
bende nutzen das mobile Marketing, um Kunden überall und jederzeit während des Ein-
kaufsprozesses und beim Aufbau der Kundenbeziehungen einbinden zu können. Durch die
breite Vielfalt mobiler Geräte und den sprunghaften Anstieg beim mobilen Datenverkehr ist
mobiles Marketing für die meisten Marken zu einer Notwendigkeit geworden. Die enorme
Verbreitung von Mobiltelefonen, Smartphones und Tablets hat dazu geführt, dass die Markt-
durchdringung mit mobilen Geräten heute in den USA bei über 100 Prozent liegt (viele Men-
schen besitzen mehr als ein mobiles Gerät). Fast 40 Prozent der US-Haushalte verfügen aktu-
ell lediglich über Mobilfunk und besitzen keinen Festnetzanschluss mehr. Mehr als 65
Prozent der Menschen in den USA besitzen ein Smartphone und über 60 Prozent der Smart-
phone-Nutzer verwenden das Gerät für den mobilen Internetzugang. Dabei surfen sie nicht
nur, sondern nutzen auch häufig die mobilen Apps. Der Markt für mobile Apps ist weltweit
geradezu explodiert: Es gibt inzwischen über 2 Millionen verfügbare Apps, dabei sind auf
einem durchschnittlichen Smartphone 25 installiert.
Für die meisten Menschen ist das Handy ein ebenso treuer wie unverzichtbarer Begleiter.
Einer Studie zufolge würden fast 90 Prozent der Verbraucher, die Smartphones, Tablets,
Computer und Fernseher besitzen, alle anderen Bildschirmgeräte aufgeben, ehe sie sich von
ihrem Telefon trennen. Im Schnitt nehmen die Menschen ihr Telefon 150 Mal am Tag in die
Hand – das ist einmal alle sechseinhalb Minuten – und verbringen 58 Minuten mit Telefonie-
ren, dem Senden von Textnachrichten und dem Surfen im Internet über ihr Smartphone.
Obwohl das Fernsehen nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Alltags ist, werden mobile
Geräte zunehmend als „erster Bildschirm“ genutzt – unterwegs ist es immerhin der einzige
Bildschirm. Diese unglaublich rasante Verbreitung von Smartphones und Tablets hat auch
den globalen Markt erfasst und bietet eine wachsende Möglichkeit, die definierten Zielkun-
den in aller Welt direkt zu erreichen. Man nimmt an, dass es weltweit etwa 6,6 Milliarden
Nutzer von mobilen Telefonen und Geräten gibt (das sind ca. 94 Prozent der Weltbevölke-
rung); das stärkste Wachstum verzeichnen dabei Indien und China, die zusammen etwa ein
Drittel aller Mobilfunkteilnehmer ausmachen. Die Zahl der Mobilfunkteilnehmer in China
beträgt 1,3 Milliarden und 0,9 Milliarden in Indien; dagegen wirken die drittplatzierten USA
mit 0,3 Milliarden Teilnehmern geradezu abgeschlagen. Interessanterweise sind Indonesien,
Brasilien und Russland führend bei der Marktdurchdringung mit Breitband, während Groß-
britannien und die USA weit dahinter rangieren.
Mobile Nutzer erreicht man über Text- und Kurznachrichten sowie per E-Mail. Die mobilen
Technologien führen zu schnellen Entwicklungen im Bezahl- und Bankwesen ebenso wie im
Bereich von Tickets und Gutscheinen. Der zunehmende Besitz mobiler Geräte wird wahr-
scheinlich weitere Entwicklungen forcieren. Das Marktforschungsinstitut eMarketer geht
davon aus, dass die Ausgaben für mobiles Internetmarketing im Jahr 2014 rund 42,6 Milliar-
den Dollar betragen haben, dabei entfiel der größte Teil der Investitionen auf die Länder USA
(44 Prozent der weltweiten Ausgaben), China (17 Prozent), Großbritannien (9 Prozent), Japan
(7 Prozent) und Deutschland (3 Prozent). Es wird damit gerechnet, dass Asien in Zukunft bei
den Ausgaben für weltweites mobiles Marketing ganz vorn liegen wird. In den USA hat Goo-
gle die meisten Einnahmen mit der mobilen Werbung. Führende US-Einzelhandelsunterneh-
men wie Walmart, Sears und Gap sowie beispielsweise John Lewis im Vereinigten König-
reich haben mobile Versionen ihrer Webseiten entwickelt, zusammen mit Einkaufs- und
Suchfunktionen für iPhones und Blackberry-Geräte. Andere Händler wie JC Penney und
808
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.4 Digitales und Social-Media-Marketing
Sephora beteiligen sich an einer Facebook-Initiative, mit der Nutzer Produkte, Informatio-
nen, Fotos und Bewertungen auf ihre Facebook-Seiten laden und diese über mobile Geräte
ansteuern können, selbst in den Filialen.
Für viele Verbraucher kann ein Smartphone oder Tablet ein praktischer Einkaufsbegleiter
sein. Das Gerät bietet unterwegs Produktinformationen, Preisvergleiche, Tipps und Bewer-
tungen von anderen Kunden, Zugang zu Sonderangeboten und digitalen Coupons und dient
sogar zur Zahlungsabwicklung. So ist es wenig überraschend, dass mobile Geräte zu einer
vielfältigen Plattform geworden sind, mit der Kunden über verschiedene Funktionen wie
mobilen Anzeige, Gutscheine und Texte bis hin zu Apps und mobilen Webseiten während
des Einkaufsprozesses noch tiefer eingebunden werden können. Fast jedes große Unterneh-
men – von P&G und Tesco über örtliche Banken und Supermärkte bis hin zu gemeinnützigen
Organisationen – integriert heute mobiles Marketing in seine Direktmarketing-Programme.
Die Ergebnisse solcher Maßnahmen können sehr positiv ausfallen. So suchen etwa 49 Pro-
zent der mobilen Internetnutzer aufgrund einer mobilen Anzeige nach näheren Produktinfor-
mationen.
Unternehmen nutzen das mobile Marketing auch, um Spontankäufe anzuregen, den Einkauf
zu erleichtern, das Markenerlebnis zu bereichern, oder alles zusammen. Marketer stellen
dem Verbraucher zu dem Zeitpunkt, da er Interesse zeigt oder eine konkrete Kaufentschei-
dung treffen kann, gezielte Informationen, Anreize und Auswahlmöglichkeiten zur Verfü-
gung. McDonald’s beispielsweise nutzt das mobile Marketing zur Bewerbung neuer Menüs,
Ankündigung von Sonderaktionen und Erhöhung der Frequenz in seinen Restaurants. Eine
interaktive Werbung auf einer mobilen App lautete: „Jetzt probieren: Jeder Softdrink oder
süße Tee für nur einen Dollar. Hier aufdrehen.“ Das Symbol eines Zapfhahns auf der mobilen
Anzeige führte die Kunden dann auf eine mobile Seite, auf der McDonald’s die laufende
Sommeraktion bewarb. In einer anderen mobilen Kampagne setzte McDonald’s ein Kreuz-
worträtsel ein, über das die Kunden die aktuellen Ein-Dollar-Angebote finden sollten. Solche
Maßnahmen erzeugen sowohl Kundenbindung als auch Frequenz. Spiele „innerhalb einer
mobilen Kampagne dienen allein der Schaffung und Erhaltung von Kundenbindung“, so ein
Marketingverantwortlicher bei McDonald’s.
Mit den heutigen mobilen Reach-Media-Werbeformaten erreicht man eine enorme Kunden-
bindung und Wirkung. Die amerikanische Billig-Airline JetBlue beispielsweise entwickelte
eine stimmaktivierte mobile Anzeige, die mit den Kunden interagiert und antwortet. Sie star-
tet mit einem sprechenden JetBlue-Banner und der Aufforderung: „Klicken Sie hier und ler-
nen Sie die Sprache der Tauben.“ Mit einem Klick vergrößert sich die Anzeige und weist den
Kunden an, die Wörter auf dem Bildschirm laut zu wiederholen – zum Beispiel „Gurr Gurr
Gurr“. Hat man zwei volle Sätze in der Sprache der Tauben geschafft, erhalten die Nutzer
eine virtuelle Medaille und die Chance auf ein erneutes Spiel. Tippt man auf „Learn more“,
gelangt der Nutzer auf den JetBlue-„Lande-Ast“, von wo aus er über virtuelle Brieftauben
Nachrichten von Freunden empfangen und versenden kann. Die mobile Anzeige ist Teil der
JetBlue-Kampagne „Air on the side of humanity“ mit Tauben als Symbolfiguren – den ulti-
mativen Vielfliegern. Statt direkte Angebote zu bewerben, dient die sprechende Anzeige
schlicht zur Bereicherung des JetBlue-Erlebnisses für Kunden. Die Airline hofft, dass Kunden
sich „die Anzeigen ansehen, mit den Tauben spielen und an uns denken, wenn sie das
nächste Mal einen Flug buchen wollen“, so der Werbeverantwortliche bei JetBlue.
Einzelhändler können durch mobiles Marketing das Einkaufserlebnis ihrer Kunden schon
mit der Anregung zum Kauf verstärken. Viele Werbetreibende haben eigene mobile Websei-
ten gestaltet, die für bestimmte Telefon- und Mobildienstanbieter optimiert wurden. Für die
809
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
App des Autovermieters Zipcar braucht man lediglich ein Smartphone oder anderes mobiles
Gerät. Über die App kann man ein Zipcar suchen und reservieren, die Hupe betätigen (um
den Wagen auf einem vollen Parkplatz zu finden) und sogar die Zentralverriegelung bedie-
nen – alles vom Telefon aus. Auch die mobile App von Starbucks können Kunden über ihr
Mobiltelefon als Zahlungsmittel für schnelle und einfache Einkäufe benutzen. Wie bei allen
Formen des Direktmarketings müssen Unternehmen natürlich verantwortungsvoll vorgehen,
sonst riskieren sie den Ärger ihrer ohnehin schon werbesensiblen Kunden. Die meisten Men-
schen wünschen keine regelmäßigen Unterbrechungen durch Anzeigen, daher müssen Mar-
keter einen cleveren Weg finden, die Kunden über ihre Mobilgeräte zu erreichen. Der Schlüs-
sel liegt in wirklich wertvollen Informationen und Angeboten, welche die Kunden
tatsächlich nutzen möchten. Und viele Marketer setzen mobile Anzeigen ein, die dem Kun-
den die Wahl lässt, sie zu öffnen. Alles in allem liegen im digitalen Direktmarketing –
Online-, Social-Media- und mobilem Marketing – sowohl große Chancen als auch Herausfor-
derungen für die Zukunft. Besonders überzeugte Anhänger sehen noch immer eine Zukunft,
in der Internet und digitales Marketing die Zeitschriften, Zeitungen und sogar Ladenge-
schäfte als Quellen für Information, Kundenbindung und Einkauf ersetzt haben werden. Die
meisten Marketer haben jedoch eine realistischere Auffassung. Für eine Vielzahl von Unter-
nehmen bleiben digitales und Social-Media-Marketing nur ein wichtiger Ansatz für den
Markt, der zusammen mit anderen Strategien in einen ganzheitlichen Marketingmix integ-
riert wird. Obwohl die schnell wachsenden Bereiche des digitalen Marketings in letzter Zeit
das beherrschende Thema waren, sind die traditionellen Marketinginstrumente noch immer
gefragt und vielfältig im Einsatz. Wir werfen nun einen Blick auf die traditionellen Strategien
des Direktmarketings, die rechts in der Abbildung 17.3 dargestellt sind.
Direct-Mail-Marketing
Das Direct-Mail-Marketing umfasst den Versand von Angeboten, Ankündigungen, Erinnerun-
gen oder anderer Postsendungen an bestimmte Personen. Auf Basis ausgewählter Adresslisten
versenden die Direktvermarkter jährlich Millionen an Postwurfsendungen – Briefe, Kataloge,
Anzeigen, Broschüren, Muster, Videos und andere „geflügelte Verkäufer“. Marketingexperten
in den USA gaben im letzten Jahr schätzungsweise über 45 Milliarden US-Dollar für das Direct-
Mail-Marketing aus (mit und ohne Katalogsendungen), welches damit 30 Prozent der Gesamt-
ausgaben für Direktmarketing ausmachte und 31 Prozent zu den gesamten Umsatzerlösen des
Direktmarketings beitrug. Laut der DMA rentiert sich jeder Dollar, der in das Direktmarketing
investiert wird, mit einem Umsatz von 12,57 US-Dollar. In Großbritannien belaufen sich die
Ausgaben für Direct-Mail-Marketing auf rund 1,7 Milliarden Pfund – Deutschland, Frankreich
und das Vereinigte Königreich sind die größten Märkte für Direct-Mail-Marketing in Europa.
Direct-Mail-Marketing ist sehr gut für eine direkte und persönliche Kommunikation geeignet.
Es ermöglicht eine hohe Trennschärfe bei den Zielmärkten, kann personalisiert werden, ist
flexibel und macht die Ergebnisse leicht messbar. Obwohl die Kosten je tausend Empfänger
beim Direct-Mail-Marketing höher liegen als bei Massenmedien wie Fernsehen oder Zeit-
810
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.4 Digitales und Social-Media-Marketing
schriften, bieten die erreichten Kunden ein deutlich höheres Potenzial. Direct-Mail-Marke-
ting hat sich bei der Bewerbung sämtlicher Produkte als erfolgreich erwiesen, von Büchern,
Versicherungen, Reisen, Geschenkartikeln, Feinkost, Bekleidung und anderen Konsumgütern
bis hin zu allen erdenklichen Industrieprodukten. Auch gemeinnützige Organisationen nut-
zen Direct-Mail-Marketing in hohem Maß für Spendenaufrufe. Einige Analysten prognosti-
zieren für die kommenden Jahre einen Rückgang bei den traditionellen Formen des Direct-
Mail-Marketings, da Marketer sich auf neuere digitale Formen wie E-Mails und Onlinemarke-
ting, Social-Media-Marketing und mobiles Marketing verlegen. Mit den moderneren Ansät-
zen des digitalen Direktmarketings können Nachrichten in unglaublicher Geschwindigkeit
übertragen werden und sind im Vergleich zum langsamen Postversand deutlich günstiger.
Doch trotz der immensen Verbreitung moderner digitaler Formen des Direktmarketings
erfreut sich das Direct-Mail-Marketing noch immer großer Beliebtheit bei den meisten Mar-
ketern, auch wenn mittlerweile E-Mails die Printwerbung als wichtigstes Medium für die
Zustellung von Marketingangeboten in einigen Ländern abgelöst haben. Dennoch bietet Post-
werbung einige entscheidende Vorteile gegenüber den digitalen Versandarten. Es bietet den
Kunden etwas Greifbares und ferner auch die Möglichkeit, Produktmuster zu versenden.
„Postversand ist etwas Reales“, so ein Analyst. „Es schafft eine emotionale Bindung zum
Kunden, was digital nicht gelingt. Kunden können die Sendung anfassen, ansehen und sich
in einer Weise damit beschäftigen, wie das bei digitalen Erlebnissen nicht möglich ist.“ Dem-
gegenüber können E-Mails und andere digitale Nachrichten leichter gefiltert oder entsorgt
werden. „Spamfilter und Spamordner sorgen dafür, dass unsere Zusendungen gar nicht erst
in den Posteingang der Kunden gelangen“, sagt ein Direktvermarkter. „Manchmal muss man
eben ein paar Briefmarken aufkleben.“
Das traditionelle Direct-Mail-Marketing kann ein wirksamer Teil einer breiter angelegten
integrierten Marketingkampagne sein. So setzen die meisten Versicherungsunternehmen sehr
stark auf Fernsehwerbung, um eine hohe Kundenwahrnehmung und Positionierung zu errei-
chen. Doch Versicherungen nutzen nach wie vor auch die guten alten Postwurfsendungen,
um sich aus der Masse der TV-Spots ihrer Branche abzusetzen. Während Fernsehwerbung
ein breites Publikum anspricht, stellt Direct-Mail-Marketing eine direkte und persönliche Art
der Kommunikation dar. „Über die Post können wir die Kunden mit einer sehr zielgerichte-
ten und konkreten Botschaft erreichen, die sich nicht über das Fernsehen übertragen lässt“,
sagt John Ingersoll, stellvertretender Leiter für Marketingkommunikation bei Farmers
Insurance in den USA. Und „die meisten Menschen freuen sich immer noch über Werbebot-
schaften in ihrem Briefkasten, deshalb glaube ich, dass das Direct-Mail-Marketing weiter
wachsen wird“.
Man könnte Direct-Mail-Marketing auch als unerwünschte Reklame bezeichnen, wenn sie an
Menschen gesendet wird, die kein Interesse daran haben. Umsichtige Marketingverantwortli-
che gestalten ihre Postwurfsendungen daher sehr zielgenau, um weder ihr eigenes Geld noch
die Zeit der Empfänger zu verschwenden. Sie entwickeln zustimmungsbasierte Systeme, mit
denen die Postsendungen direkt an Empfänger gelangen, die sie auch erhalten möchten und
dies klar geäußert haben.
Katalogmarketing
Technologische Fortschritte sowie der Trend hin zu persönlichem, individuellem Marketing
führten zu spannenden Veränderungen im Katalogmarketing. In den USA, der traditionellen
Heimat des Kataloghandels, definierte das Magazin „Catalog Age“ einen Katalog früher als
„gedrucktes, gebundenes Werk von mindestens acht Seiten, in dem zahlreiche Produkte
811
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
angeboten werden und eine direkte Bestellmöglichkeit vorhanden ist“. Heute ist diese Defi-
nition längst überholt – alles unterliegt einem raschen Wandel.
Mit der massenhaften Bewegung zum Internet und zum digitalen Marketing werden auch
immer mehr Kataloge digital. Es gibt inzwischen eine Vielzahl reiner Internetkataloge und
die meisten Herausgeber von Printkatalogen haben ihren Marketingmix um webbasierte
Kataloge und Smartphone-Apps mit Katalogfunktion ergänzt. So können Kunden zum Bei-
spiel bereits einige Tage vor dem Posterhalt des neuesten Katalogs von Land’s End das Ange-
bot auf der Webseite landsend.com, über die sozialen Medien wie Facebook oder die mobile
App von Land’s End ansehen. „Mit Land’s End Mobile“, so das Unternehmen, „tragen Sie
unser ganzes Sortiment.“ Durch digitale Kataloge entfallen die Kosten für Druck und Ver-
sand. Und wo der Platz in der Printausgabe knapp ist, bieten Onlinekataloge eine fast unbe-
grenzte Warenvielfalt. Außerdem gibt es eine größere Vielzahl von Präsentationsmöglichkei-
ten, darunter Suchfunktionen und Videos. Schließlich ermöglicht der Onlinekatalog auch
eine Echtzeit-Verkaufsförderung; Produkte und Dienste können je nach Bedarf hinzugefügt
oder entfernt werden und die Preise können unmittelbar an die Nachfrage angepasst werden.
Kunden können den digitalen Katalog stets dabei haben, selbst bei einem Einkauf im Laden-
geschäft.
Doch trotz aller Vorteile der digitalen Kataloge – Ihr überfüllter Briefkasten lässt es bereits
vermuten – sind gedruckte Kataloge in vielen Bereichen noch immer weit verbreitet. In den
USA verschickten Direktvermarkter im letzten Jahr rund 12,5 Milliarden Kataloge – mehr als
100 für jeden amerikanischen Haushalt. Warum geben Unternehmen die altmodischen
Papierkataloge im modernen digitalen Zeitalter nicht ganz auf? Zum einen erzeugen die
gedruckten Kataloge eine emotionale Bindung mit den Kunden. Das Umblättern der Seiten
hat offenbar eine ganz bestimmte Wirkung auf die Verbraucher, die von digitalen Bildern ein-
fach nicht erreicht werden kann. Daneben sind Druck-Kataloge eines der besten Mittel, die
Umsätze im Online- und mobilen Handel zu steigern – damit sind sie im digitalen Zeitalter
wichtiger denn je. Laut einer Studie suchen etwa 58 Prozent der Internetkäufer in gedruckten
Katalogen nach Anregungen und 31 Prozent haben den Katalog eines Händlers dabei, wenn
sie online einkaufen. Die Nutzer von Katalogen sehen sich bei einem Klick auf die Homepage
des Händlers mehr als doppelt so viele Onlineseiten an wie durchschnittliche Besucher und
verbringen dort zweimal mehr Zeit.
Auch im Vereinigten Königreich fördern Kataloge nach wie vor den Erfolg des Onlinehan-
dels, indem sie die Kunden zum Kauf im Internet anregen; dies ergab eine Studie der Market-
Reach-Initiative der Royal Mail. Die Studie befasste sich mit der Rolle von Printkatalogen im
digitalen Zeitalter und stellte fest, dass der Versand von Katalogen einen „sofortigen“ Vorteil
bringen kann, da 60 Prozent der Empfänger innerhalb einer Woche nach Erhalt eine Bestel-
lung im Internet tätigten. Ferner kam die Studie zu dem Ergebnis, dass über die Hälfte der
Katalognutzer bei ihrem ersten Einkauf mehr als 40 Pfund ausgaben; dieser Umsatz könnte
Unternehmen verloren gehen, die Printkataloge außer Acht lassen. Gemäß der MarketReach-
Studie sind Kataloge für mehr als 50 Prozent der Kunden eine bequeme Möglichkeit, Pro-
dukte zu bewerten. Mehr als ein Drittel der Befragten (36 Prozent) gaben an, auf diese Weise
Produkte vor dem Kauf vergleichen zu können. Gehen sie dann online, sehen sich Katalog-
kunden beim Besuch der Händler-Homepage mehr als doppelt so viele Seiten an wie durch-
schnittliche Besucher (121 Prozent). Auch verbringen sie 109 Prozent mehr Zeit auf jeder
Webseite als der Durchschnittsbesucher.
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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing
Telefonmarketing
Beim Telefonmarketing werden Produkte direkt über das Telefon an Privat- und Geschäfts-
kunden verkauft. Marketer in den USA gaben im letzten Jahr schätzungsweise 42 Milliarden
US-Dollar für Telemarketing aus, fast so viel wie für Direct-Mail-Marketing. Wir alle kennen
Telefonmarketing, das sich direkt an Verbraucher wendet, doch auch die sogenannten Busi-
ness-to-Business-(B2B-)Vermarkter nutzen das Telemarketing in größerem Umfang. Marketer
rufen einerseits private und geschäftliche Kunden an, um Produkte direkt zu verkaufen.
Andererseits führen sie kostenlose Rufnummern, über welche die Kunden Angebote aus dem
Fernsehen und den Printmedien, Postwurfsendungen oder Katalogen bestellen können.
Gut gestaltetes und zielgerichtetes Telefonmarketing bietet viele Vorteile, darunter bequemes
Einkaufen sowie ausführlichere Informationen über Produkte und Dienstleistungen. Der
explosionsartige Anstieg unerwünschter Werbeanrufe hat in den letzten Jahren jedoch viele
Kunden verärgert, die sich fast täglich mit „Spam-Anrufen“ oder Kaltakquise am Telefon
konfrontiert sahen. Nutzer von Mobiltelefonen können die Auswirkungen unaufgeforderter
Anrufe bei ihrem Akkuverbrauch zu spüren bekommen. Daher haben immer mehr Länder
Gesetze und freiwillige Abkommen eingeführt, die es Kunden ermöglichen, telefonische
Werbemitteilungen abzulehnen. Automatische Wahlwiederholungen zum erneuten Anruf
sind in den meisten europäischen Ländern allgemein nicht zulässig. Bei Verstößen gegen
diese gesetzlichen und freiwilligen Auflagen gelten je nach Land unterschiedlich hohe Stra-
fen. Die Anrufverbote haben die Telefonmarketing-Branche im Privatkundenbereich teil-
weise geschwächt. Zwei wichtige Formen des Telefonmarketings – eingehende telefonische
Bestellungen sowie Anrufe im B2B-Telemarketing – legen jedoch nach wie vor weiter zu. Das
Telefonmarketing ist auch wichtiges Instrument für Spendenaufrufe von gemeinnützigen
und politischen Organisationen. Interessanterweise scheinen die Anrufverbote einigen
Direktvermarktern sogar eher zu nutzen als zu schaden. Statt unaufgefordert anzurufen, ent-
wickeln sie optionsbasierte Anrufsysteme; sie unterbreiten nützliche Informationen und
Angebote an Kunden, die das Unternehmen zuvor telefonisch oder per E-Mail um Kontakt-
aufnahme gebeten haben. Das optionsbasierte Modell bringt Marketern einen deutlich besse-
ren Rücklauf als das frühere Vorgehen der unaufgeforderten Anrufe.
Direct-Response-Television-Marketing
Beim Direct-Response-Television-Marketing (DRTV) gibt es zwei grundsätzliche Arten: spezi-
ell auf eine Kaufreaktion abgestelltes Fernsehmarketing und interaktive TV-(iTV-)Werbung.
Bei dem auf Kaufreaktion zielenden Fernsehmarketing senden die Direktvermarkter zwi-
schen 60 und 120 Sekunden lange Werbespots, in denen das Produkt angepriesen und eine
kostenlose Rufnummer oder Webseite für die Bestellung eingeblendet wird. Es gibt auch
volle Werbeprogramme von 30 Minuten oder mehr für einzelne Produkte, sogenannte Info-
mercials. Am weitesten verbreitet sind Infomercials in den USA. In anderen Ländern wie
Großbritannien hat es dieser Ansatz aufgrund strenger Auflagen eher schwer und war bislang
relativ unüblich. High Street TV ist jedoch ein Vorreiter für die Entwicklung von Infomerci-
als im Vereinigten Königreich, z.B. für das Zumba-Fitnessprogramm, an dem es die Rechte
für Großbritannien hält; es ist also etwas in Bewegung. In den USA hat man die Erfahrung
gemacht, dass erfolgreiche DRTV-Kampagnen zu hohen Abverkaufszahlen führen. So konnte
der bis dahin wenig bekannte Infomercial-Betreiber Guthy-Renker sein Akne-Produkt Proac-
tiv Solution sowie andere Produkte, die „das Leben verändern“, in Power-Marken verwan-
deln, die mit 5 Millionen aktiven Kunden einen Jahresumsatz von 1,8 Milliarden US-Dollar
erzielen (im Vergleich zu gerade einmal 150 Millionen US-Dollar Jahresumsatz im Bereich
813
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
der frei verkäuflichen Aknemittel auf dem US-Markt). Heute kombiniert Guthy-Renker DRTV
mit Kampagnen in den sozialen Medien und nutzt Facebook, Pinterest, Google+, Twitter und
YouTube zum Aufbau starker integrierter Direktmarketingkanäle, die Kundenfrequenz und
Umsatz generieren.
DRTV-Werbung wird oft mit diesem lauten, fragwürdigen Anpreisen von Reinigern, Flecke-
nentfernern, Küchengeräten und schicken Sportgeräten für Fitness ohne Qual in Verbindung
gebracht. Seit einigen Jahren allerdings nutzen immer mehr große Unternehmen – von P&G,
Disney, Revlon und Apple bis hin zu Toyota, Coca-Cola, Anheuser-Busch und sogar die US
Navy – Infomercials zum Verkauf ihrer Waren, zur Frequenzsteigerung im Handel, zur Rekru-
tierung von Mitgliedern oder zur Lenkung von Kundenströmen auf die Webseiten, mobilen
Seiten oder sozialen Netzwerke. Eine neuere Form des DRTV-Marketings ist das interaktive
TV (iTV), bei dem der Zuschauer mit dem Fernsehprogramm und der Werbung interagieren
kann. Dank Technologien wie den interaktiven Kabelsystemen, internetfähigen Smart TVs
sowie Smartphones und Tablets können die Kunden ihre Fernbedienungen, Telefone oder
anderen Geräte nutzen, um weitere Informationen zu erhalten oder Bestellungen direkt von
der Fernsehwerbung aus zu tätigen. Der Modehändler H&M beispielsweise sendete Spots, bei
denen Zuschauer mit bestimmten Samsung Smart TVs über ihre Fernbedienung direkt mit
der Werbung interagieren konnten. Über ein kleines, während der Werbung angezeigtes
Menü wurden Produktinformationen, die Möglichkeit zur Weiterleitung auf ein anderes
Gerät sowie zur direkten Bestellung eingeblendet. Interessanterweise nutzen Briten mehr
internetvernetztes Fernsehen als der Rest Europas. Fast ein Viertel der britischen Verbrau-
cher besitzt ein Smart TV, von denen etwa vier Fünftel mit dem Internet verbunden sind.
Während das traditionelle Fernsehen in Großbritannien zurückgeht, sehen sich britische Ver-
braucher zunehmend Sendungen und Filme sowie Programme auf Abruf im Internet an – es
tun sich offenbar immer neue Möglichkeiten auf.
Wegen der fließenden Grenzen zwischen Fernseh- und anderen Bildschirmen werden inter-
aktive Werbung und Infomercials nicht mehr nur im Fernsehen ausgestrahlt, sondern
erscheinen auch auf mobilen Geräten, im Internet und in den sozialen Medien, wodurch
immer mehr TV-ähnliche interaktive Direktmarketing-Kanäle entstehen. Der US-Händler Tar-
get platzierte beispielsweise Dutzende seiner Produkte aus der neuen Heim-Kollektion in der
Episode einer beliebten Comedy-Serie, die gleichzeitig auch im Netz ausgestrahlt wurde.
Zuschauer, die die Produkte auf dem Bildschirm sahen, konnten diese über ihr Telefon oder
andere Geräte bestellen. Entdeckte man in der Sendung zum Beispiel eine Lampe, die einem
gefiel, klickte man in der Onlineversion einfach auf ein rot blinkendes Pluszeichen auf dem
Produkt und gelangte so auf die Seite Target.com, um den Artikel zu kaufen. „Das ist eine
Mischung aus Produktintegration, bei der die Artikel wirklich in die Handlung des Dreh-
buchs und damit einem großen Netzwerk integriert sind, und einem einmaligen Einkaufser-
lebnis“, so der stellvertretende Marketingchef bei Target.
Kioskmarketing
Da Verbraucher immer vertrauter mit digitalen Technologien und Touchscreens werden, stel-
len viele Unternehmen Informationsterminals und Automaten zur Bestellung von Waren –
sogenannte Kiosksysteme – in Geschäften, an Flughäfen, in Hotels, auf Universitätsgeländen
und an anderen Orten auf. Solche Kiosksysteme sieht man heutzutage überall, von Check-in-
Geräten in Hotels und Flughäfen bis zu automatisierten Produkt- und Informationsständen in
Einkaufszentren und Automaten in den Filialen, mit denen man nicht vorrätige Ware direkt
im Geschäft bestellen kann. „Noch bis vor Kurzem hatten Verkaufsautomaten Hebel und
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17.5 Öffentliche Verantwortung und Ethik im digitalen und Direktmarketing
Schlitze für den Geldeinwurf, heute haben sie Gehirne“, so ein Analyst. Viele moderne
„intelligente“ Kioske funktionieren heute drahtlos. Und einige Geräte besitzen sogar eine
Gesichtserkennungssoftware, mit der Geschlecht und Alter des Kunden ermittelt und pas-
sende Produktempfehlungen unterbreitet werden können. An Terminals von Kodak, Fuji und
HP in den Geschäften können Kunden Fotos von Speicherkarten, Mobiltelefonen und ande-
ren digitalen Speichern laden, bearbeiten und in erstklassiger Qualität ausdrucken. Um zu
gewährleisten, dass amerikanische Verbraucher immer eine Kaufgelegenheit in der Nähe
haben, hat ZoomSystems in den USA einen kleinen, freistehenden Kiosk namens Zoom-
Shops für verschiedene Anbieter, von Apple, Sephora und The Body Shop bis hin zu Best
Buy, entwickelt. So kann man an 100 „Best Buy Express ZoomShop“-Terminals im ganzen
Land – immer an gut zugänglichen Standorten wie Flughäfen, belebten Einkaufszentren und
Urlaubsunterkünften – eine ganze Bandbreite von tragbaren Abspielgeräten, Digitalkameras,
Spielekonsolen, Kopfhörern, Handy-Ladekabeln und anderen beliebten Produkten erwerben.
Wie ZoomSystems meint, „bietet der moderne automatisierte Handel [den Verbrauchern] die
Bequemlichkeit des Onlineshoppings mit der unmittelbaren Befriedigung des traditionellen
Einkaufs“.
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
haben sich die Meldungen über Internetbetrügereien allein in den USA seit 2005 auf fast
300.000 Fälle pro Jahr verdreifacht. Der wirtschaftliche Schaden beläuft sich auf über 500
Millionen US-Dollar jährlich. Für Europa gibt es keine vergleichbaren Zahlen, obwohl das
neue European Cybercrime Centre im Jahr 2015 seinen Betrieb aufgenommen hat.
Eine gängige Form des Internetbetrugs ist das sogenannte Phishing, eine Art Identitätsdieb-
stahl, bei der arglose Nutzer durch täuschende E-Mails und falsche Webseiten zur Angabe
ihrer persönlichen Daten aufgefordert werden. Verbraucher erhalten zum Beispiel eine E-
Mail, scheinbar von ihrer Bank oder Kreditkartenfirma, mit der Information, dass die Sicher-
heit ihres Kontos in Gefahr ist. Der Absender verweist dann auf eine bestimmte Internetad-
resse, auf welcher der Kunde seine Kontonummer, das Passwort und möglicherweise andere
persönliche Daten eingeben soll. Folgt man den Anweisungen, macht man diese sensiblen
Daten Kriminellen zugänglich. Obwohl viele Verbraucher inzwischen über diese betrügeri-
schen Machenschaften aufgeklärt sind, verursacht Phishing denen, die ins Netz gegangen
sind, zum Teil erhebliche Kosten. Es schadet auch der Markenidentität seriöser Onlinemar-
keter, die sich eine Vertrauensbasis bei Internet-, E-Mail- und anderen digitalen Geschäften
aufgebaut haben. Viele Verbraucher sind besorgt über die digitale Sicherheit. Sie befürchten,
dass skrupellose Spione ihre Onlineaktivitäten und Posts in den sozialen Medien verfolgen
und sich Zugang zu ihren persönlichen Daten oder Kredit- und EC-Karten verschaffen könn-
ten. Trotz des rasanten Wachstums beim Onlineshopping zeigt eine Studie, dass 75 Prozent
der Internetkäufer Identitätsdiebstahl fürchten.
Ein weiteres Thema im Marketing ist die Ansprache sensibler oder nicht befugter Gruppen.
Die Anbieter von Produkten und Seiten für Erwachsene haben Probleme, den Zugang von
Minderjährigen zu den Seiten zu beschränken. Obwohl Facebook-Profile für Kinder unter 13
Jahren untersagt sind, schätzt man, dass 40 Prozent der unter 18-jährigen Facebook-Nutzer
tatsächlich jünger als 13 sind. Facebook löscht täglich 200.000 Nutzerkonten von Minderjäh-
rigen. Und nicht nur Facebook. Junge Nutzer loggen sich in soziale Netzwerke wie Form-
spring ein, geben ihren Aufenthaltsort im Netz bekannt und befreunden sich mit Fremden
auf den Spieleseiten von Disney und anderen. Besorgte Regierungen diskutieren derzeit über
Gesetze, die einen besseren Schutz von Kindern im Internet ermöglichen sollen. Leider erfor-
dert dies die Entwicklung technischer Lösungen, und das ist, wie Facebook es ausdrückt,
„nicht ganz so einfach“.
17.5.2 Datenschutz
Das Eindringen in die Privatsphäre steht heute beim Direktmarketing vielleicht am stärksten
im öffentlichen Fokus. Verbraucher profitieren häufig vom datenbezogenen Marketing; sie
erhalten mehr auf ihre Interessen zugeschnittene Angebote. Viele Kritiker befürchten jedoch,
dass Werbetreibende zu viel über das Leben ihrer Kunden wissen und diese Informationen
für unlautere Übervorteilung nutzen könnten. Ab einem bestimmten Punkt, so meinen sie,
verletzt die übermäßige Datennutzung die Privatsphäre der Verbraucher. Auch diese machen
sich Gedanken. Obwohl die Menschen heute viel bereitwilliger persönliche Informationen
und Vorlieben mit Werbetreibenden in den digitalen und sozialen Medien teilen, ist ihnen
dabei nicht ganz wohl. Einer Studie zufolge stimmten drei Viertel der Befragten der Aussage
zu: „Niemand sollte auf meine persönlichen Daten oder mein Internetverhalten zugreifen
dürfen.“ Eine andere zeigt, dass 92 Prozent der Internetnutzer in den USA über den Schutz
ihrer Privatsphäre besorgt sind.
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17.5 Öffentliche Verantwortung und Ethik im digitalen und Direktmarketing
Heute scheint es, dass fast jedes Mal, wenn Verbraucher etwas in den sozialen Medien pos-
ten, einen Tweet versenden, eine Webseite besuchen, an einem Preisausschreiben teilneh-
men, eine Kreditkarte beantragen oder telefonisch bzw. im Internet etwas bestellen, ihre
Namen in der übervollen Datenbank eines Unternehmens landen. Durch raffinierte Compu-
tertechnologien können Direktvermarkter diese Datenbanken nutzen, um ihre Verkaufsstrate-
gien sehr genau auf die Zielgruppen abzustimmen. Die meisten Marketer sind äußerst ver-
siert im Sammeln und Analysieren detaillierter Kundeninformationen, im Internet und
außerhalb. Einige Verbraucher und politische Entscheidungsträger fürchten, dass die stän-
dige Verfügbarkeit von Informationen die Verbraucher anfällig für Datenmissbrauch macht.
So fragen sie sich: Dürfen Onlinehändler die Browser von Kunden, die ihre Seiten besuchen,
mit Cookies versehen und Aktivitäten nachverfolgen, um ihre Anzeigen und ihr Marketing
zielgenauer zu machen? Dürfen Kreditkartenfirmen die Daten von Millionen Kunden welt-
weit an die Einzelhändler weitergeben, die diese Karten akzeptieren? Oder dürfen Regie-
rungsbehörden die Namen und Adressen von Führerscheininhabern weiterverkaufen?
17.5.3 Handlungsbedarf
Um übermäßiges Marketing einzudämmen, haben Regierungsbehörden in verschiedenen
Ländern nicht nur Anrufverbots-Listen, sondern auch E-Mail-Verbotslisten, Tracking-Ver-
botslisten und „Can Spam“-Gesetze eingeführt. Als Reaktion auf Datenschutz- und Sicher-
heitsbedenken im Netz erwägen viele nationale Regierungen und europäische Behörden eine
Reihe gesetzlicher Maßnahmen, um den Zugang und die Anwendung von Nutzerdaten durch
Betreiber im Internet sowie den sozialen und mobilen Medien zu regeln. Neue Gesetze ver-
sprechen den Verbrauchern mehr Kontrolle über die Verwendung ihrer Daten im Internet
und geben den Behörden mehr Raum für aktive Maßnahmen bei der Steuerung des Daten-
schutzes im Netz. Europäische Behörden haben schon mehrfach versucht, das als unzumut-
bar geltende Eindringen in die Privatsphäre der Verbraucher einzudämmen. So erhielten
europäische Verbraucher 2014 gemäß einer Anordnung des obersten Europäischen Gerichts-
hofes das „Recht, vergessen zu werden“. Dabei können Einzelpersonen von Google verlan-
gen, dass Suchergebnisse nach Eingabe ihres Namens im Internet gelöscht werden. In der
Folge musste Google Tausende solcher Anfragen bearbeiten. Neben den Richtlinien für
Datenschutz und Elektronische Kommunikation, die seit 2003 EU-weit gelten, trat 2012 die
neue EU-Verordnung für Datenschutz und Elektronische Kommunikation in Kraft und läu-
tete offenbar ein neues Zeitalter für die Regelung digitaler Geschäftsmodelle ein. Die neue
Verordnung soll die Privatsphäre von Nutzern schützen, falls diese ein Verfolgen ihrer Akti-
vitäten im Internet ablehnen. Die Regelungen kamen nach Beschwerden privater Organisatio-
nen zustande, die sich über den Einsatz von Cookies zur Verfolgung von Webaktivitäten und
auf dem Internetverhalten von Kunden basierender Werbeansprachen besorgt zeigten. Die
Verordnung sieht ein optionales System vor, in dem Nutzer der Verwendung von Cookies
zustimmen müssen. Klar ist aber, dass verschiedene europäische Länder auch verschiedene
Ansätze für die Auslegung und Anwendung der neuen Regelungen haben und der EU-Daten-
schutzbeauftragte bei deren Durchsetzung vor großen Herausforderungen steht. Außerdem ist
es für Behörden schwierig, die Aktivitäten starker globaler Organisationen wie Facebook und
Google zu kontrollieren. Anfang 2012 brachte Google eine neue Datenschutzpolitik heraus,
nach der das Unternehmen die Nutzerinformationen aus einem seiner Dienste wie der Such-
funktion oder Gmail anwenden und zur Verbesserung der Inhalte auf anderen Funktionen
nutzen darf. Inhalte der über Gmail versendeten E-Mails können so z.B. verwendet werden,
um zu steuern, welche Werbung dem Nutzer auf YouTube angezeigt wird. Google realisierte
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
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Zusammenfassung
Die Branche des Direktmarketings insgesamt reagiert ebenfalls auf die öffentliche Verantwor-
tung. Branchenorganisationen wie die DMA in den USA ergreifen mit konkreten Datenschut-
zerklärungen wichtige Maßnahmen zur Stärkung des Verbrauchervertrauens bei Internetge-
schäften. Vergleichbare Initiativen in Europa haben ähnliche, wenn auch weniger
weitreichende Ansätze (z.B. die britische Direct Marketing Association). Direktvermarkter
wissen, dass eine Vernachlässigung von Problemen durch Datenmissbrauch negative Kun-
denreaktionen, weniger Rückmeldungen und weniger Kundenbindung sowie verstärkte Rufe
nach mehr staatlicher Kontrolle nach sich ziehen. Die meisten Direktvermarkter haben das
gleiche Ziel wie ihre Kunden: ehrliche und gut gestaltete Marketingangebote, die rein auf die
Wünsche der Kunden zielen und ihren Bedürfnissen entsprechen. Direktmarketing ist ein-
fach zu kostspielig, um es bei Kunden einzusetzen, die es nicht wollen.
Z US A M M EN FA SSU N G
Direktmarketing und digitales Marketing umfassen eine direkte Einbindung der Kunden
durch gezielte Ansprache einzelner Kunden und Gemeinschaften, um sowohl kurzfris-
tige Reaktionen zu erzeugen als auch langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen.
Unternehmen nutzen das Direktmarketing für maßgeschneiderte Angebote, die den
Bedürfnissen und Interessen eines eng begrenzten Kundensegments oder einzelner Käu-
fer entsprechen, um so eine direkte Kundenbindung, Markengemeinschaften und
Umsätze zu erzeugen. Mit der immensen Verbreitung des Internets und des Onlinehan-
dels sowie der rasanten Entwicklung bei den digitalen Technologien – von Smartpho-
nes, Tablets und anderen digitalen Geräten bis zu den zahlreichen sozialen und mobilen
Medien – hat sich das Direktmarketing grundlegend verändert. Für Käufer sind Direkt-
marketing und digitales Marketing bequem, unkompliziert und diskret. Sie haben über-
all und jederzeit Zugriff auf eine fast unbegrenzte Menge von Produkten und Informatio-
nen. Außerdem ermöglicht das Direktmarketing durch seinen unmittelbaren und
interaktiven Charakter die Zusammenstellung genau der Informationen, Produkte oder
Dienste, die der Kunde wünscht, sowie die sofortige Gelegenheit zur Bestellung. Und
schließlich bietet das Direktmarketing über das Internet sowie die mobilen und sozialen
Medien den dafür aufgeschlossenen Kunden die Bildung von Gemeinschaften rund um
die Marke – hier können sie Informationen und Erfahrungen mit anderen Anhängern
der Marke austauschen. Für Verkäufer sind Direktmarketing und digitales Marketing
starke Instrumente zum Aufbau von Kundenbindung sowie enger, persönlicher und
interaktiver Kundenbeziehungen. Ferner bieten sie eine hohe Flexibilität und ermögli-
chen den Marketingverantwortlichen laufende Anpassungen bei den Preisen und Sorti-
menten oder das Unterbreiten persönlicher und aktueller Angebote.
Die wichtigsten Formen des Direktmarketings und des digitalen Marketings beinhalten
traditionelle Ansätze des Direktmarketings wie auch neue digitale Marketingstrategien.
Die traditionellen Ansätze umfassen persönlichen Verkauf, Direct-Mail-Marketing, Kata-
logmarketing, Telefonmarketing, Direct-Response-Television-Marketing (DRTV) und
Kioskmarketing. Diese sind nach wie vor weit verbreitet und für das Direktmarketing
der meisten Firmen noch immer von Bedeutung. In den letzten Jahren wurde die Marke-
tinglandschaft allerdings regelrecht überflutet von neuen digitalen Instrumenten im
Direktmarketing, darunter Onlinemarketing (Webseiten, Onlineanzeigen und Aktionen,
E-Mails, Onlinevideos und Blogs), Social-Media-Marketing und mobiles Marketing.
819
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
Das digitale Zeitalter hat die Auffassung der Kunden von Annehmlichkeit, Geschwin-
digkeit, Preis, Produktinformation, Service und Markenkommunikation von Grund auf
verändert. Somit verfügen Marketingverantwortliche über einen ganz neuen Ansatz für
die Erzeugung von Kundennutzen, die Einbindung von Kunden und den Aufbau von
Kundenbeziehungen. Heute beeinflusst das Internet unglaubliche 50 Prozent der
Gesamtumsätze – sowohl durch den Onlinehandel direkt als auch durch Einkäufe in
den Filialen, denen eine Onlinesuche vorausging. Um diesen aufstrebenden Markt zu
erreichen, sind viele Unternehmen heute im Internet aktiv.
Onlinemarketing umfasst mehrere Formen, darunter Unternehmenswebseiten, Werbung
und Aktionen im Internet, E-Mail-Marketing, Onlinevideos und Blogs. Auch Social-
Media-Marketing und mobiles Marketing finden im Internet statt. Aufgrund ihrer beson-
deren Merkmale werden diese stark an Bedeutung gewinnenden digitalen Marketings-
trategien in getrennten Abschnitten erörtert. Für die meisten Unternehmen besteht der
erste Schritt ins Onlinemarketing in der Gestaltung einer Webseite. Eine erfolgreiche
Webseite muss dem Kunden ausreichend Nutzen und Anreiz bieten, damit er sie
anklickt, sich umsieht und darauf zurückkommt. Onlinewerbung hat sich zu einem
bedeutenden Medium entwickelt. Die wichtigsten Formen der Onlinewerbung sind
Online-Banner sowie suchverwandte Anzeigen. Auch das E-Mail-Marketing gehört zu
den bedeutenden Formen des Digitalmarketings. Richtig eingesetzt können E-Mails
äußerst zielgerichtete, personalisierte und beziehungsfördernde Botschaften transportie-
ren. Eine weitere wichtige Form des Onlinemarketings ist das Posten digitaler Videoin-
halte auf den Markenwebseiten oder in den sozialen Medien. Marketer hoffen, dass sich
ihre Videos verbreiten und Millionen Kunden erreichen. Schließlich können Unterneh-
men auch Blogs als effektives Mittel zur Erreichung bestimmter Kundengruppen einset-
zen. Sie können eigene Blogs gestalten, in bestehenden Blogs werben oder die dortigen
Inhalte beeinflussen.
Im modernen digitalen Zeitalter sind zahllose unabhängige und kommerzielle soziale
Medien entstanden, die Verbrauchern die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen und
Meinungen sowie Informationen auszutauschen. Die meisten Marketer schwimmen
heute auf dieser riesigen Welle der sozialen Netzwerke mit. Marken können entweder
bestehende soziale Medien nutzen oder ihre eigenen schaffen. Die Nutzung bestehender
sozialer Medien scheint der einfachste Ansatz. Daher haben die meisten Marken, ob
groß oder klein, einen Onlineshop auf Drittseiten in den sozialen Netzwerken geschal-
tet. Einige soziale Netzwerke sind riesig; andere sind Nischenmedien für einen kleinen
Kreis von Gleichgesinnten. Neben diesen unabhängigen sozialen Medien haben viele
Unternehmen eigene Markengemeinschaften im Internet aufgebaut. Statt vereinzelte
Maßnahmen zu treffen und nur den „Likes“ und Tweets nachzujagen, besteht die erfolg-
reiche Nutzung sozialer Medien für Unternehmen in der Integration einer großen Band-
breite diverser Medien, um eine markenbezogene Vernetzung, Einbindung und Kunden-
gemeinschaft zu erzeugen. In der Nutzung sozialer Medien liegen sowohl Chancen als
auch Risiken. Zum einen sind soziale Medien zielgerichtet und persönlich, interaktiv,
direkt und spontan sowie kostengünstig. Der größte Vorteil liegt sicher in den gebotenen
Möglichkeiten der Aktivität und sozialen Vernetzung, was sie ideal für die Bildung von
Kundengemeinschaften macht. Andererseits sind die kundengesteuerten Inhalte der
sozialen Medien schwer zu kontrollieren.
820
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Zusammenfassung
821
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing
822
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Literatur und Quellen
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TEIL IV
Die erweiterte Perspektive des
Marketing
ÜBERBLICK
Wettbewerbsorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... erklären, wie wichtig es ist, nutzenorientierte Marketingstrategien zu entwickeln,
die das Unternehmen gegenüber seinen Konkurrenten positionieren und ihm den
stärksten möglichen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
... die wichtigsten Schritte einer Konkurrenzanalyse erläutern.
... die Wettbewerbsstrategien der Marktführer, mit denen sie den Markt vergrößern
und ihre Marktanteile erweitern bzw. schützen, beschreiben.
... die Strategien der Herausforderer und der Verfolger erkennen und erläutern.
... erläutern, warum ein wirklich marktorientiertes Unternehmen sowohl seine Kun-
den als auch seine Wettbewerber kennen und in seiner Strategie berücksichtigen
sollte.
In den vorherigen Kapiteln haben Sie die Grundlagen des Marketings kennengelernt. Sie
haben erfahren, dass Marketing das Ziel hat, Kunden zu binden und Werte für Kunden zu
schaffen, um im Gegenzug Werte von ihnen zurückzuerhalten. Unternehmen, die erfolgrei-
ches Marketing betreiben, gewinnen und halten Kunden und entwickeln ihre Kundenbasis
weiter, indem sie die Bedürfnisse der Kunden verstehen, kundenorientierte Marketingstrate-
gien entwickeln, werteschaffende Marketingprogramme gestalten, Kunden einbinden und
Beziehungen zu Kunden und Marketingpartnern aufbauen. In den letzten drei Kapiteln
erweitern wir dieses Konzept auf drei spezielle Bereiche: die Schaffung von Wettbewerbsvor-
teilen, globales Marketing sowie soziale und ökologische Nachhaltigkeit im Marketing.
Zu Beginn beleuchten wir die Wettbewerbsstrategie von SodaStream. SodaStream positio-
niert sich als clevere Alternative zu den in Flaschen und Dosen abgefüllten Getränken.
830
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Obwohl das Unternehmen noch vergleichsweise klein ist – mit Jahresumsätzen von rund
534 Millionen US-Dollar im Vergleich zu 43 Milliarden US-Dollar bei Coca-Cola und 58
Milliarden US-Dollar bei PepsiCo – wächst SodaStream schnell und profitabel. Die Umsätze
haben sich in den letzten vier Jahren vervierfacht, und das, obwohl der Markt für abgefüllte
kohlensäurehaltige Getränke um 1 bis 2 Prozent im letzten Jahr zurückgegangen ist. In sei-
ner Nische als Weltmarktführer für Soda-Heimgeräte liegt SodaStream vorn – nicht etwa
Coca-Cola oder Pepsi. Statt Coca-Cola und Pepsi direkt anzugehen, platzierte sich Soda-
Stream als sensible, verantwortungsvolle Alternative zu den Flaschen- und Dosengetränken
seiner übergroßen Konkurrenten. Der Slogan: „SodaStream: Clever. Einfach. Prickelnd.“
Die Wassersprudler von SodaStream sind einfach und praktisch in der Anwendung.
Durch einen Kohlensäure-Zylinder verwandelt SodaStream einfaches Leitungswasser in
frisches Sprudelwasser, und das in wenigen Sekunden. Es müssen keine schweren Fla-
schen geschleppt, gelagert oder recycelt werden. Die leeren Zylinder können im Laden
gegen volle umgetauscht werden. Verglichen mit den Softdrinks und Tafelwasser in Fla-
schen und Dosen ist das SodaStream-System auch wirtschaftlich. Mit SodaStream kann
man die gleiche Menge eines handelsüblichen Gebindes mit acht Flaschen à ca. 350
Milliliter um 50 Prozent günstiger herstellen. Die Benutzung von SodaStream macht
unabhängig, und sogar Spaß. SodaStream lädt seine Kunden ein, kreativ zu sein und
„das Prickeln zu entfachen“. Mit dem Heim-Sprudelsystem können die Kunden ihre
eigenen Getränke mit verschiedenen Geschmacksrichtungen und Kohlensäuregehalt
herstellen. SodaStream bietet mehr als 100 verschiedene Sirup-Sorten. Die SodaStream-
Geräte und -Flaschen selbst sind unverwechselbar. Es gibt acht verschiedene moderne
Ausführungen, die sich in jeder Küche gut machen – sogar ein Modell in Pinguin-Form
und zwei Modelle, die das Wasser in Glaskaraffen sprudeln. Die Flaschen kommen
ebenfalls in unterschiedlichen Designs daher, darunter auch Flaschen für den Urlaub
und besondere Anlässe (bald sogar personalisierte SodaStream-Flaschen).
Aber Augenblick, es gibt noch mehr. Die Heim-Sprudelgeräte von SodaStream sind gene-
rell besser für Sie. Die Geschmacksmischungen enthalten keinen hohen Fruchtzucker-
Anteil und nur etwa ein Drittel der Kohlenhydrate und Kalorien handelsüblicher Marken.
Viele SodaStream-Nutzer mixen auch Fruchtsäfte in das Sprudelwasser oder einfach
einen Spritzer Zitronen- oder Limettensaft. So entstehen Mixgetränke, die gesünder sind
als Sodagetränke aus dem Handel. Und letztlich ist SodaStream auch umweltfreundlicher
als Flaschen- oder Dosengetränke. Es reduziert den Energieverbrauch und schädliche
Emissionen beträchtlich im Vergleich zu der Herstellung, Abfüllung, dem Transport und
dem Recycling von Plastikflaschen und Aluminiumdosen. Der CO2-Fußabdruck für
Getränke, die mit dem SodaStream-System hergestellt werden, ist um 80 Prozent niedri-
ger als bei abgefüllten Getränken im Handel. Nach Angaben des Unternehmens ersetzt die
wiederverwendbare SodaStream-Flasche mehr als 10.000 herkömmliche Flaschen. All
diese Vorteile für den Verbraucher erzeugen enorme Möglichkeiten für SodaStream und
den Nischenmarkt für Erfrischungsgetränke, den es beherrscht. Und die Marke ist fest ent-
schlossen, der Nische durch Innovation, Produktentwicklung und Marketing zu entwach-
sen. In Anlehnung an die aktuellen Trendgetränke hat SodaStream zum Beispiel Xstream-
Energy-Mischungen entwickelt (die „Ihren Geist und Körper revitalisieren“ sollen), Soda-
Stream Isotonic (ein Sportgetränke-Mix zum „Ausgleich von Flüssigkeitsverlust und zur
Leistungssteigerung“) und SodaStream Sparkling Natural (100 Prozent frei von künstli-
chen Aromen, Farbstoffen, Süßungs- und Konservierungsmitteln).
831
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
Abbildung 18.1: Soda Stream-Set bestehend aus Wassersprudler, PET-Flasche und Kohlensäurezylinder
(Quelle: Santeri Viinamäki (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:SodaStream_set.jpg), https://creativecommons.org/
licenses/by-sa/4.0/legalcode)
SodaStream hat sich auch mit Kraft, Campbell und Ocean Spray zusammengetan, um
neue Sirup-Sorten für einige der beliebtesten Geschmacksrichtungen in den USA zu
entwickeln – von Country Time, Crystal Light und Kool-Aid bis hin zu V8-Saft und
Ocean Spray Cranberry. Neben der Markteinführung neuer Geschmacksrichtungen und
Geräte-Designs ging SodaStream kürzlich auch eine Partnerschaft mit Samsung zur Ent-
wicklung eines neuen Samsung-Getränkekühlschranks ein. Die Tür ist hier mit einem
SodaStream-Getränkespender für stilles oder sprudelndes Wasser ausgestattet.
Ein weiterer wichtiger Teil der Wettbewerbsstrategie ist das rasche Vordringen in neue
Märkte und Vertriebskanäle. Vor fünf Jahren wurden SodaStream-Produkte beispiels-
weise in mehr als 300 Geschäften in den USA verkauft. Mittlerweile ist die Anzahl der
Filialen auf 15.000 gestiegen (mehr als 60.000 weltweit), darunter die ganz großen
Namen wie Walmart, Target, Macy’s, Kohl’s, Costco, Williams-Sonoma, Amazon und
Bed Bath & Beyond.
Da SodaStream Geräte und keine abgefüllten Getränke verkauft, vermeidet es auch die
harte Konkurrenz um Regalfläche in den dicht bestückten Getränkeabteilungen. Tat-
sächlich liegt eine der größten Herausforderungen von SodaStream in neuen Märkten
darin, die belegten Regalflächen zu behalten. Die Produkte verkaufen sich schnell und
Ausverkäufe sind an der Tagesordnung. Wo SodaStream einer direkten Konkurrenz mit
den großen Marken in den Getränkeabteilungen aus dem Weg geht, sucht es sie in hoch-
karätiger Vergleichswerbung.
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In einem Spot für den Super Bowl XLVII zeigte SodaStream explodierende Coke- und
Pepsi-Flaschen und unterstrich damit das Umweltargument, dass SodaStream „allein
am Tag der Austragung 500 Millionen Flaschen einsparen könnte, wenn man einfach
nur lossprudelt“. Unter Druck von Coca-Cola und PepsiCo (zwei der größten Sponsoren
des Super Bowl) lehnte CBS den Werbespot ab – SodaStream brachte eine überarbeitete
Version ohne den Direktvergleich. Die ursprüngliche Vergleichswerbung wurde jedoch
im Internet 5 Millionen Mal angesehen. Auch bei SodaStreams Werbespot für den Super
Bowl XLVIII forderte der Fernsehsender Fox, den letzten Satz „Sorry, Coke und Pepsi“
zu entfernen. Also setzte SodaStream zur Weihnachtszeit auf eine anspruchsvolle Ver-
gleichswerbung mit Gesundheits- und Umweltbotschaft in den sozialen Medien. Ein
Seitenhieb auf Coke war zum Beispiel ein Post auf Pinterest, der einen schlankeren,
gesünderen Santa Claus in grüner Kleidung zeigt. Tweets mit dem Hashtag #GreenSanta
zeigen auch die Verwandlung des fröhlichen Weihnachtselfs durch SodaStream, wäh-
rend in der Rückblende die abgefüllten Markengetränke gezeigt werden.
Obwohl SodaStream von der Vorreiterrolle in diesem Nischenmarkt profitierte, blieb es
von den größten Konkurrenten nicht unentdeckt. Im Sommer 2018 wurde SodaStream
zum Kaufpreis von 3,2 Milliarden US-Dollar von PepsiCo übernommen, das damit
Schritte in Richtung eines gesünderen Portfolios setzt. Auch Coca-Cola investiert in
diese zukunftsträchtige Nische. Davon zeugt der Erwerb eines 10%igen Anteils an dem
Getränkehersteller Keurig Green Mountain’s. Die Zusammenarbeit zwischen dem ameri-
kanischen Kaffeemaschinen-Hersteller Keurig, der die Technologie der Spendersysteme
für kohlensäurehaltige Getränke liefert, und Coca-Cola, das die Produkte einbringt (wie
Coca-Cola und Dr. Pepper) sowie Keurigs Hausmarken für Soda und andere für das Sys-
tem passende Kaltgetränke könnte die künftigen Ergebnisse und den Erfolg von Soda-
Stream gefährden.
Die Zukunft von SodaStream ist ungewiss. Einerseits müssen neue Kunden gewonnen
und andererseits die bestehenden gleichzeitig gehalten werden. Indem es sich auf die
Positionierung als Lieferant natürlich aromatisierter Getränke und kalorienarmer Mixge-
tränke statt als reiner Sodahersteller konzentriert, kann SodaStream auch in die weniger
reifen Märkte wie Gesundheitsgetränke eintreten. Die Entwicklung innovativer Digital-
und Außenwerbung gehört zu SodaStreams künftigen Plänen, Aufmerksamkeit zu erre-
gen und das Bewusstsein, die Reichweite und Frequenz in der wichtigsten demografi-
schen Zielgruppe des Unternehmens zu erhöhen: Kunden über 25, meist Eltern und ver-
heiratete Paare.
Fragen
1. Welche Wettbewerbsstrategie verfolgt SodaStream?
2. Wie schafft es SodaStream trotz des Größenunterschieds zu Coke/Pepsi dennoch
von den Konsumenten „gehört“ zu werden?
3. Welchen Nutzen stiftet das Produkt SodaStream?
Quelle: Dr. Navdeep Athwal, Sheffield Business School
833
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18 Wettbewerbsvorteile schaffen
Seit den 90er-Jahren hat sich der Wettbewerb in vielen Branchen und Ländern deutlich ver-
schärft. In zahlreichen Staaten wurden Deregulierungen und Privatisierungen durchgeführt
und die Kräfte des Markts kommen stärker zum Zug. Weltweit werden in immer mehr Regio-
nen Handelsschranken aufgehoben und zahlreiche vorher geschützte Märkte geöffnet. Inter-
national tätige Unternehmen treten aggressiver in den rapide wachsenden chinesischen und
den südostasiatischen Markt ein und konkurrieren weltweit gegeneinander. Daraus resultiert,
dass Unternehmen heute gar keine andere Wahl haben, als „wettbewerbsfähig“ zu bleiben.
Sie müssen ihre Konkurrenten genau beobachten und die Bedürfnisse ihrer potenziellen
Kunden verstehen.
Dieses Kapitel beschäftigt sich nochmals im Detail mit der Art und Weise, wie Unternehmen
ihre Konkurrenten übertreffen können, um Kunden zu gewinnen, zu halten und gemeinsam
mit ihnen zu wachsen. In wettbewerbsintensiven Märkten bestehen nur die Unternehmen,
die nicht nur die Produktion von Gütern oder die Optimierung ihrer Wertschöpfungskette,
sondern insbesondere auch das Management ihrer Kundenbeziehungen beherrschen.
Dem Grundgedanken des Marketings folgend erreichen Unternehmen dann einen Wettbe-
werbsvorteil, wenn ihre Problemlösungen die Bedürfnisse der Zielgruppe besser befriedigen
als die Angebote der Konkurrenten. Sie können dem Käufer auf zwei Arten einen Mehrwert
bieten. Entweder erhält der Kunde für einen geringeren Preis als beim Wettbewerber das glei-
che Produkt oder es wird ihm ein höherer Nutzen geboten, der dann auch höhere Preise
rechtfertigt. Die Marketingstrategien eines Unternehmens müssen die Strategien der Wettbe-
werber ebenso berücksichtigen wie die Bedürfnisse der anvisierten Zielgruppe. Der erste
Schritt ist die Wettbewerbsanalyse, das heißt, die wichtigsten Konkurrenten sind zu identifi-
zieren und ihre Ziele, Stärken und Schwächen, Strategien und Reaktionsmuster sind genau
abzuschätzen. Der zweite Schritt ist die Entwicklung von wettbewerbsorientierten Marktstra-
tegien, die dem Unternehmen eine eindeutige und starke Positionierung gegenüber den Kon-
kurrenten verschaffen.
18.1 Wettbewerbsanalyse
Um wirkungsvolle Marketingstrategien entwickeln zu können, sollte man zunächst so viel
wie möglich über seine Konkurrenten in Erfahrung bringen. Hierzu gilt es, laufend seine
eigenen Produkte, Preise, Vertriebskanäle und Marketingmaßnahmen mit denen der unmit-
telbaren Konkurrenten zu vergleichen. Nur auf diese Weise kann sich ein Unternehmen
einen Überblick über potenzielle Wettbewerbsvorteile und -nachteile verschaffen, um darauf
aufbauend Marketingkampagnen wirkungsvoller gestalten und Angriffe der Konkurrenz
gezielter abwehren zu können.
Unternehmen müssen sich folgende Fragen bezüglich ihrer Konkurrenten stellen:
Wer sind die Konkurrenten?
Was sind ihre Ziele?
Was ist ihre Strategie?
Was sind ihre Stärken und Schwächen?
Welche sind ihre üblichen Reaktionsmuster?
Abbildung 18.2 zeigt die wichtigsten Schritte bei der Analyse der Konkurrenten.
834
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18.1 Wettbewerbsanalyse
Strategien der
Wettbewerber Ziele der Wettbewerber
Wettbewerber
identifizieren erkennen
durchschauen
Wettbewerber festlegen,
Sich ein Urteil Mögliche Konkurrenz-
deren Position angegriffen
über Stärken und reaktionen auf unser
werden sollte bzw. welchen
Schwächen bilden Handeln abschätzen
besser auszuweichen wäre
835
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18 Wettbewerbsvorteile schaffen
Aus Branchensicht könnte Pepsi also Coca-Cola, Orangina, Fanta, 7UP und die Hersteller
anderer Softdrink-Marken als Konkurrenten betrachten. Aus Marktsicht jedoch will der
Kunde einfach einen „Durstlöscher“ – dieses Bedürfnis kann auch mit Mineralwasser,
Energy-Drinks, Fruchtsaft, Eistee und vielen anderen Getränken gestillt werden. So bestand
für Google die Konkurrenz einst nur aus anderen Suchmaschinenanbietern wie Yahoo! oder
Bing von Microsoft. Heute beobachtet Google ein breiteres Feld an Anbietern für Online- und
Mobilfunkdienste in der digitalen Welt. Aus Sicht des Markts rivalisiert Google gegen ehe-
mals unwahrscheinliche Konkurrenten wie Apple, Samsung, Microsoft und sogar Amazon
und Facebook. Der Hersteller der Crayola-Buntstifte definiert Konkurrenten vielleicht als
andere Hersteller von Stiften und Zeichenbedarf für Kinder. Aus Marktsicht jedoch wären
das auch alle anderen Firmen, die Spiel- und Lernprodukte für Kinder produzieren. Das
Marktkonzept des Wettbewerbs führt bei Unternehmen allgemein zu einer umfassenderen
Sicht auf tatsächliche und potenzielle Konkurrenten.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18.1 Wettbewerbsanalyse
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18 Wettbewerbsvorteile schaffen
In der Regel erfahren Unternehmen über die Stärken und Schwächen ihrer Konkurrenten
etwas durch Sekundärdaten, durch persönliche Erfahrungen und vom Hörensagen innerhalb
der Branche. Darüber hinaus kann man weitere Informationen erhalten, wenn man bei Kun-
den, Lieferanten und Händlern eine Primärdatenerhebung durchführt. Außerdem können die
Internet- und Social-Media-Seiten des Unternehmens geprüft werden. Seit einigen Jahren
nutzen viele Unternehmen die Methode des Benchmarkings. Hier vergleicht man eigene Pro-
dukte oder Prozesse mit denen der Konkurrenten oder des führenden Unternehmens der
jeweiligen Branche, um Möglichkeiten zu finden, die eigene Qualität und Leistungsfähigkeit
zu verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18.1 Wettbewerbsanalyse
1 Siehe dazu „Contact lenses 2013“, Contact Lens Spectrum, 1. Januar 2014, www.clspectrum.com/ar-
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18 Wettbewerbsvorteile schaffen
Aggressive Wettbewerber
Ein Unternehmen braucht Wettbewerb und es profitiert auch aus ihm. Die Existenz von Wett-
bewerbern hat mehrere strategische Vorteile. Durch die Konkurrenten wird die Gesamtnach-
frage erhöht. Sie beteiligen sich an den Kosten der Marktentwicklung und tragen durch ihre
Technik zum Technologiestand und zur Technologieakzeptanz für die Branche bei. Mögli-
cherweise übernehmen es die Wettbewerber, weniger attraktive Marktsegmente zu bedienen,
oder sie sorgen für insgesamt mehr Produktdifferenzierung. Schließlich verbessern sie die
Verhandlungsposition gegenüber Tarifparteien oder dem Gesetzgeber oder sie sorgen für eine
Erhöhung der Gesamtnachfrage.
So könnte man annehmen, dass die Markteinführung des schicken, modischen iPads von
Apple den kleineren und etwas plumpen E-Book-Reader „Kindle“ von Amazon unter Druck
setzen würde, der drei Jahre vor dem iPad auf den Markt gekommen war. Viele Analysten
glaubten, Apple habe den „Kindle-Killer“ erschaffen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die
Konkurrenz des iPad einen enormen Anstieg bei der Nachfrage nach Tablets erzeugte, von
dem schließlich beide Unternehmen profitierten. Die Umsätze des E-Book-Readers „Kindle“
stiegen mit der Einführung des iPad sprunghaft an und die neue Nachfrage nach Tablets ins-
pirierte Amazon zur Entwicklung einer eigenen vollständigen Reihe von Kindle-Geräten.
Zudem wuchsen durch die zunehmende Nutzung des iPads auch Amazons Umsätze bei E-
Books und anderen digitalen Inhalten, die über eine kostenlose Kindle-App für iPads gelesen
werden können. Die wachsende Nachfrage nach Tablets infolge der iPad-Markteinführung
öffnete auch die Märkte für Heerscharen neuer Wettbewerber wie Samsung, Google und
Microsoft.2
Nicht alle Konkurrenten werden jedoch aus Sicht der Unternehmensleitung als angenehm
empfunden. Häufig hat man es mit Wettbewerbern zu tun, die sich unfair verhalten. Faire
Konkurrenten halten sich an die Spielregeln der Branche. Sie setzen sich für eine stabile und
gesunde Branche ein, legen ihre Preise in vernünftigen Relationen zu den Kosten fest, moti-
vieren andere, die Kosten zu senken oder die Differenzierung zu verbessern und akzeptieren
einen angemessenen Marktanteil bei vernünftigen Gewinnen.
Aggressive Wettbewerber brechen diese Regeln. Häufig versuchen sie, Marktanteile durch
Unternehmenskäufe und nicht durch eigene Leistung zu erringen. Sie gehen große Risiken
ein, investieren in Überkapazitäten und bringen oft ganze Branchen durcheinander. British
Airways empfindet beispielsweise private Fluggesellschaften als faire Konkurrenten, da
diese ihre Leistungen zu ehrlichen Preisen anbieten. Staatlich subventionierte Fluggesell-
schaften stellen für British Airways hingegen unfaire Konkurrenten dar, da diese einerseits
von staatlichen Geldern leben und andererseits sehr große Streckennetze aufbauen, die sie
nicht kostendeckend betreiben können.
Die Folgerung daraus ist, dass die ehrlich konkurrierenden Unternehmen ihre Branche so for-
men sollten, dass dort nur Platz für faire Konkurrenten bleibt. Unfaire Praktiken einzelner
Wettbewerber sollten gemeinsam von den fairen Partnern bekämpft werden. Durch eine trans-
parente Lizenzpolitik sowie durch Koalitionen und sonstige geeignete Maßnahmen kann eine
Branche derart gestaltet werden, dass ein rationales und harmonisches Umfeld entsteht, in dem
die Spielregeln befolgt und Marktanteile durch Leistungen erworben werden.
2 Siehe Casey Johnston, „Kindle Fire nabs 33% of Android tablet market, Nexus 7 just 8%“, ars technica,
8. Januar 2013, http://arstechnica.com/gadgets/2013/01/kindle-fire-nabs-33-of-android-tabletmarket-
nexus-7-just-8/ und Jim Edwards, „Samsung is stealing Apple’s iPad share“, Business Insider, 21. Ok-
tober 2013, www.businessinsider.com/samsung-is-stealing-apples-ipad-market-share-2013–10.
840
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18.1 Wettbewerbsanalyse
841
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
18.2 Wettbewerbsstrategien
Nachdem die Hauptkonkurrenten identifiziert und eingestuft sind, muss das Unternehmen
Vorgehensweisen entwerfen, die einen Wettbewerbsvorteil begründen bzw. aufrechterhalten
oder ausbauen. Welche Marketingstrategien kann das Unternehmen nutzen? Welche Strate-
gien sind für ein bestimmtes Unternehmen oder für seine unterschiedlichen Unternehmens-
bereiche und Produktlinien die besten?
18.2.1 Marketingstrategien
Es wird nie eine einzig richtige Strategie für alle Unternehmen existieren. Jeder Marktteil-
nehmer muss festlegen, welche Strategie vor dem Hintergrund seiner Position, seiner Ziel-
vorstellungen und seiner Ressourcen erfolgversprechend ist. Selbst innerhalb eines Unter-
nehmens verlangen unterschiedliche Geschäftsbereiche und Produkte unterschiedliche
Strategien:
Beispiel Mercedes-Benz – Produktgruppen: Pkws, Vans und Reisemobile, Transporter,
Lkw, Busse, Sonderfahrzeuge, Unimog (= Einsatzfahrzeug, Geräteträger)
Beispiel BASF – Geschäftssegmente: Chemikalien, Kunststoffe, Veredelungsprodukte,
Pflanzenschutz und Ernährung, Öl und Gas
Unternehmen unterscheiden sich auch in ihren Ansätzen, wie sie den strategischen Pla-
nungsprozess angehen. Während insbesondere größere Unternehmen sehr formal bei der Ent-
wicklung und Umsetzung von Wettbewerbsstrategien vorgehen, agieren andere weitaus
weniger strukturiert. Manche Unternehmen wie zum Beispiel Virgin Atlantic Airways, Har-
ley-Davidson, Red Bull oder die zu BMW gehörende Marke Mini sind gerade dadurch erfolg-
reich, dass sie mit vielen „Regeln“ des strategischen Marketings brechen. Solche Unterneh-
men haben oftmals keine großen Marketingabteilungen, betreiben nur wenig
Marktforschung, überlegen sich keine komplizierten Wettbewerbsstrategien und geben auch
keine großen Summen für Werbung aus. Stattdessen entwickeln sie nur eine grobe strategi-
sche Vorgehensweise, pflegen jedoch engen Kundenkontakt und finden dadurch an den
Bedürfnissen ihrer Kunden orientierte Lösungen und Produkte. Sie bilden Clubs für Einkäu-
fer, setzen auf Mundpropaganda und konzentrieren sich darauf, eine hohe Kundenbindung
zu schaffen. Nicht alle Marketingstrategien müssen also dem Vorbild der etablierten Marke-
tinggiganten folgen. Manche sind auch sehr erfolgreich, weil sie anders sind.
In der Praxis durchlaufen Unternehmen bezüglich der Ausrichtung ihrer Marketingstrategien
oftmals drei Phasen: Entrepreneurial Marketing, institutionalisiertes Marketing und „Intre-
preneurial“ Marketing.
Entrepreneurial Marketing Die meisten Unternehmen werden von einzelnen Personen
gegründet, die eine bestimmte Idee verfolgen. Sie haben ein Konzept im Kopf, für das sie sich
eine vage Strategie überlegen und dann gehen sie von Tür zu Tür, um auf ihre Idee aufmerk-
sam zu machen. Simon Topman, Besitzer und Geschäftsführer von Acme, ein Hersteller von
Pfeifen, nennt sich selbst „Simon, die Trillerpfeife“, da es ihm „die Möglichkeit gibt, mit den
Pförtnern zu scherzen und so zu den relevanten Leuten zu gelangen“. Eine von Simons
Geschichten ist ein praktisches Beispiel für unternehmerisches Marketing:
Nachdem er sich nach langem Zögern den Film Titanic ansah, konnte er sich am Ende vor
Begeisterung kaum zurückhalten. Doch war er nicht von Leonardo DiCaprio beeindruckt, wie
er darum kämpfte, seine Geliebte zu retten, und auch nicht von dem eng anliegenden Kleid
von Kate Winslet. Was er bemerkte, war zwischen ihren Lippen: eine Acme Thunderer-Tril-
842
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18.2 Wettbewerbsstrategien
lerpfeife. Was für eine Produktplatzierung – obwohl er nichts dafür getan hatte. Innerhalb
weniger Tage brachte er die „Titanic-Trillerpfeife“ auf den Markt und verkaufte bereits in der
ersten Woche 15.000 Stück und weitere 4.000 in jeder Folgewoche. „Das Gewicht der ver-
kauften Trillerpfeifen ist bald größer als das der Titanic“, stellte er kurz darauf stolz fest.
Institutionalisiertes Marketing Sobald kleine Unternehmen erfolgreicher werden, gehen sie
fast automatisch dazu über, ihr Marketing zu institutionalisieren. Sie entwickeln formale
Marketingstrategien, die sie dann auch strikt verfolgen. Im Fall von Glasses Direct, einem
englischen Anbieter von Sehhilfen, wurden zum Beispiel die Markenpolitik verbessert, PR-
Unternehmen beauftragt, die Verkaufsförderung eingeführt und viele andere Maßnahmen
wie Social-Media-Aktivitäten umgesetzt. Auch wenn Glasses Direct ohne Zweifel über kein
so stark institutionalisiertes Marketing verfügt wie die Specsavers der Marketingwelt, wird es
im Zuge des Wachstums doch viele Methoden und Konzepte nutzen, die in weiter entwickel-
ten Unternehmen Verwendung finden.
„Intrepreneurial“ Marketing Viele große und erfahrene Unternehmen verharren auf der Stra-
tegie des institutionalisierten Marketings und verlieren dabei häufig ihre Kreativität und
Wettbewerbsfähigkeit. Dass es jedoch auch anders geht und sich ein Unternehmen weiterent-
wickeln kann, zeigt das Beispiel Audi. Ganz in der Nähe der Audi-Zentrale in Ingolstadt ist
die Audi Electronics Venture GmbH angesiedelt. Das Tochterunternehmen wurde gegründet,
um die Lebenszyklen der Automobilindustrie mit denen der Elektronikindustrie zu verzah-
nen und innovative Technologien der Elektronik früh zu identifizieren und schnell zur Mark-
treife zu entwickeln. Es gilt, über die Kooperation mit kleinen Technologieunternehmen aus
dem Bereich Elektronik nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu realisieren, indem man Schlüs-
seltechnologien für den Fahrzeugbau der Zukunft fördert.
Es gibt also eine Vielzahl von Ansätzen zur Entwicklung wettbewerbsfähiger Marketingstra-
tegien. Dabei wird es immer eine Spannung zwischen formalen Vorgehensweisen und der
kreativen Seite des Marketings geben. Sicherlich ist es zunächst einfacher, sich die formale
Entwicklung von Strategien anzueignen, auf die sich auch das Hauptaugenmerk unseres
Buchs richtet. Wir haben jedoch auch gesehen, wie Kreativität und Leidenschaft vielen der
vorgestellten Unternehmen – seien es kleine oder große, neue oder erfahrene – geholfen
haben, auf dem Markt erfolgreich zu werden und zu bleiben. Wir behalten dies im Hinterkopf
und wollen nun grundlegende Wettbewerbsstrategien, die von vielen Unternehmen genutzt
werden, näher betrachten.
843
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
Fokussierung Das Unternehmen bemüht sich, ein Segment oder wenige Segmente heraus-
zugreifen, um sie besonders gut zu bedienen. Den restlichen Markt (z.B. die Niedrigpreis-
segmente) überlässt es anderen Unternehmen (Beispiel: Porsche bei Automobilen).
Unternehmen, die eine der oben angeführten Strategien klar verfolgen, werden voraussicht-
lich Erfolg haben, während solche, die keine klare Strategie verfolgen, „zwischen den Stüh-
len sitzen“ und aller Voraussicht nach schlecht abschneiden.
Beispiele hierfür waren für bestimmte Zeit Unternehmen wie Fiat, Holiday Inn oder Philips,
weil sie weder als Kostenführer noch als Führer, was die Qualität und den Gegenwert für den
Kunden betrifft, noch dafür, dass sie ein spezielles Marktsegment am besten bedienten, etab-
liert waren. Manche Unternehmen wollen es allen recht machen und versuchen, bei allen
strategischen Vorgaben mithalten zu können, um schließlich auf allen Gebieten nur mittel-
mäßig abzuschneiden.
Die beiden Marketingberater Michael Treacy und Fred Wiersema haben neue Klassifikatio-
nen für Wettbewerbsstrategien vorgeschlagen. Sie sind der Meinung, dass Unternehmen
genau dann eine führende Position einnehmen, wenn sie ihren Kunden einen höheren Nut-
zen bieten. Um dies zu erreichen, können Unternehmen einer der drei folgenden Strategien,
den sogenannten Nutzendisziplinen, nachgehen. Dies sind:
Operational excellence Ein Unternehmen bietet höheren Nutzen, indem es den Markt aus
Kundensicht in Bezug auf Preis und Komfort anführt. Es senkt die Kosten und schafft ein
schlankes und effizientes System, um den Kundennutzen bereitzustellen. Damit bedient es
vor allem jene Kunden, welche zuverlässige und qualitativ hochwertige Produkte und
Dienstleistungen nachfragen, diese aber preisgünstig und einfach erwerben möchten. Bei-
spiele hierfür sind Amazon.com, IKEA und Zara.
Customer intimacy Das Unternehmen bietet höheren Wert, indem es seine Märkte exakt seg-
mentiert und seine Produkte und Dienstleistungen genau auf die jeweiligen Zielkunden
zuschneidet. Es ist darauf spezialisiert, auf besondere Kundenwünsche einzugehen, indem
es den Kunden genau kennenlernt und den Kontakt zu ihm pflegt. Man bedient sich detail-
lierter Datenbanken zur Marktsegmentierung und Positionierung und befähigt so die Marke-
tingabteilung, umgehend auf Kundenbedürfnisse einzugehen. Dabei stehen solche Kunden
im Fokus, die bereit sind, einen Aufpreis zu zahlen, um genau das zu erhalten, was sie möch-
ten. Diese Unternehmen tun fast alles, um lang anhaltende Kundenbeziehungen aufzubauen
und den customer lifetime value ihrer Kunden einzunehmen. Beispiele sind Lufthansa,
Lexus und viele Kreditkarten-Unternehmen.
Product leadership Das Unternehmen bietet höheren Wert, indem es fortwährend Spitzen-
produkte und besten Service anbietet. Es zielt darauf, die besten Produkte oder Dienstleis-
tungen anzubieten und konkurrierende Angebote veraltet erscheinen zu lassen. Produktfüh-
rer sind immer offen für neue Ideen, gehen unermüdlich neuen Lösungen nach und arbeiten
daran, neue Produkte schnell auf den Markt zu bringen. Sie bedienen Kunden, die immer auf
dem neuesten Stand der Technik sein möchten, ohne Kosten und Mühen zu scheuen. Bei-
spiele hierfür sind Apple, Dyson und Rolls-Royce.
Einige Unternehmen schaffen es, sich erfolgreich in mehr als einer der Nutzendisziplinen zu
etablieren. FedEx meistert beispielsweise hervorragend die Kombination von operational
excellence und customer intimacy. Solche Unternehmen sind allerdings sehr selten – wenige
Firmen können bei mehr als einer dieser Disziplinen führend sein. Wenn ein Unternehmen
versucht, in allen Nutzendisziplinen einen Spitzenplatz einzunehmen, ist es am Ende häufig
in keiner wirklich gut.
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18.2 Wettbewerbsstrategien
Treacy und Wiersema fanden heraus, dass sich führende Unternehmen ausschließlich auf
eine Nutzendisziplin konzentrieren und in dieser auch erfolgreich sind, während sie in den
beiden anderen gerade dem Branchenstandard entsprechen. Solche Unternehmen gestalten
ihr ganzes Geschäftsmodell so, dass es einzig und allein die gewählte Disziplin unterstützt.
easyJet weiß zum Beispiel, dass sowohl customer intimacy als auch product leadership sehr
wichtig sind. Verglichen mit anderen Billiganbietern, bietet das Unternehmen auch sehr
guten Kundenservice und eine exzellente Produktpalette. Im Vergleich zu „normalen“ Air-
lines, die der customer intimacy nachgehen, macht es jedoch bewusst Abstriche bei Kunden-
service und Produktauswahl. easyJet konzentriert sich stattdessen ganz klar auf operational
excellence, das heißt auf die Senkung von Kosten und auf die Modernisierung seines Distri-
butionssystems, sodass Kunden möglichst komfortabel die richtigen Produkte zu niedrigsten
Preisen kaufen können.
Die Luxus-Hotel-Kette Ritz-Carlton verwöhnt ihre Gäste mit Leistungen, die exakt auf die
Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind. Ohne auch nur zu fragen, scheinen sie zu wissen,
dass der Gast ein Nichtraucher-Zimmer mit einem King-Size-Bett, ein antiallergisches Kopf-
kissen sowie Frühstück mit entkoffeiniertem Kaffee aufs Zimmer möchte. Wie schafft Ritz-
Carlton dies? Hinter dem System steckt eine riesige Kundendatei, in der sämtliche Kunden-
informationen gesammelt werden, die die Hotelangestellten beobachten. Jeden Tag hält das
Hotelpersonal – seien es Mitarbeiter an der Rezeption, aus der Küche oder die Zimmermäd-
chen – diskret besondere Gewohnheiten, Vorlieben und Abneigungen all ihrer Gäste auf klei-
nen „Gast-Präferenz-Kärtchen“ fest. Diese Beobachtungen werden dann in eine firmenweite
„Gäste-Präferenzen-Datenbank“ übertragen. Jeden Morgen schaut dann ein Mitarbeiter im
Hotel in die Dateien aller neu angekommenen Gäste, die schon einmal in einem Ritz-Carlton
übernachtet haben, und bereitet eine Liste vor, auf der alle Besonderheiten stehen, die jeden
einzelnen Gast erfreuen könnten. Die Gäste haben auf diesen persönlichen Service sehr posi-
tiv reagiert. Seit der Einführung des Systems hat Ritz-Carlton die Kundenbindung um 23 Pro-
zent erhöht. Unglaubliche 95 Prozent der abreisenden Gäste berichten, dass ihr Aufenthalt
ein wahrhaft unvergessliches Erlebnis war.
Es ist also sinnvoll, Wettbewerbsstrategien in Nutzendisziplinen zu klassifizieren. Die Mar-
ketingstrategie wird hier im Sinne des zielgerichteten Strebens definiert, dem Kunden einen
möglichst hohen Nutzen zu bieten. Dabei beschreibt jede Nutzendisziplin einen speziellen
Weg, dauerhafte Kundenbeziehungen zu etablieren.
Sehen wir uns am Beispiel von Bose an, wie das Unternehmen seinen Kunden einen hohen
Nutzen durch die Strategie der Differenzierung bietet.
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
Bose zählt zu den Herstellern, die ein sehr großes Vertrauen der Konsumenten genießen.
Der Grund dafür liegt in den Unternehmensgrundsätzen, die Bose seit über 50 Jahren
befolgt. Während Mitbewerber zunehmend den Fokus auf harte Finanzkennzahlen
legen, versucht Bose, sich eine Alleinstellung durch Differenzierung aufzubauen und
den Kunden so einen höheren Nutzen zu bieten. Das Unternehmen erweitert systema-
tisch bestehende Produktlinien um neue Features und Eigenschaften, die Mitbewerber
so nicht bieten. Obwohl auch Bose Finanzkennzahlen selbstverständlich nicht außer
Acht lässt, ist die eigentliche Differenzierung auf seine einzigartige Unternehmensphi-
losophie zurückzuführen.
Man kann das Unternehmen Bose nicht verstehen, ohne den Menschen Bose zu betrach-
ten: Amar Bose, den Gründer und bis zu seinem Tod 2013 Vorstandsvorsitzenden des
Unternehmens. In den 1950er-Jahren, während seiner Promotion in Elektrotechnik,
kombinierte er die Wissenschaft mit seinem großen Interesse an Musik. Als er sich seine
erste Stereoanlage kaufte – ein Modell, das seiner Meinung nach die besten technischen
Daten besaß – war die Enttäuschung groß, denn die Anlage konnte seinem Anspruch
nach naturgetreuer Klangwiedergabe nicht gerecht werden. Also machte er sich daran,
eine eigene Lösung zu finden, und begann eine intensive Forschungsarbeit, die schließ-
lich zur Gründung seines Unternehmens im Jahr 1964 führte. Von diesen Anfängen an
arbeitete Amar Bose gemäß einiger Prinzipien, welche immer noch die Philosophie des
Unternehmens ausmachen. Amar Bose glaubte daran, dass seine Produkte für sich spre-
chen werden und so führte er ein erstes Forschungsprojekt zu Lautsprechern und Klang
durch. Dabei ignorierte Amar Bose bisher existierende Technologien und fing bei null
an. Bob Maresca, Präsident von Bose, gibt Einblick in das Unternehmen und in Amar
Boses ursprüngliche Philosophie: „Wir sind nicht im Geschäft, um ausschließlich Geld
zu machen. Dr. Bose war sehr wählerisch, was seine Forschungsinteressen angeht. Das
Geschäft war fast schon Nebensache.“
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18.2 Wettbewerbsstrategien
Aus diesem Grund investierte Amar Bose sämtliche aus seinen Anteilen resultierenden
Unternehmensgewinne in die Forschung und Entwicklung. Diese Praxis reflektierte
seine Begeisterung und Hingabe für die Forschung sowie seine Überzeugung, dadurch
die qualitativ hochwertigsten Produkte herstellen zu können. Aber er tat dies auch, weil
er es eben konnte. Eine vielfach zitierte Aussage von Bose, die er einmal im Zusammen-
hang mit der Entwicklung und Einführung der Bose Noise Cancelling Headphones
gemacht hat, lautet: „Wenn ich für ein anderes Unternehmen arbeiten würde, wäre ich
schon längst gefeuert worden.“ Damit deutete er auf die Tatsache hin, dass börsenno-
tierte Unternehmen einer langen Liste von Beschränkungen unterliegen – im Gegensatz
zu seinem vollständig in Privatbesitz befindlichen Unternehmen. Aus diesem Grund
hatte Bose immer wieder versichert, dass er niemals an die Börse gehen werde: „Wäre
ich an die Börse gegangen, hätte das für mich den Verlust des Unternehmens bedeutet.
Mein wahres Interesse gilt der Forschung, das macht den Reiz aus. Mit Aktionären, die
einem im Nacken sitzen, hätte ich sicher keine langfristigen Forschungsprojekte durch-
führen können.“ Diese Verpflichtung zu Forschung und Entwicklung hat zu dem hohen
Grad an Vertrauen geführt, welches Bose-Kunden dem Unternehmen entgegenbringen.
Es erklärt auch ihre beinahe schon kultartige Treue.
Die Verbraucher wissen, dass dem Unternehmen ihre Interessen, also die bestmöglichen
Produkte zu haben, wichtiger sind als Gewinnmaximierung. Aber für ein Unternehmen,
welches nicht in erster Linie vom Profit angetrieben wird, geht es Bose wirklich gut.
Obwohl die wirtschaftlichen Kennzahlen streng geheim gehalten werden, bescheinigen
Analysten Bose eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung.
Das Unternehmen, das einst so bescheiden anfing, hat heutzutage eine breite Produktpa-
lette auch außerhalb seines Kerngeschäfts der Heim-Audioprodukte vorzuweisen. Amar
Boses kreative Aufmerksamkeit richtete sich über die Jahre hinweg auf zusätzliche Pro-
duktlinien für vielerlei unterschiedliche Anwendungen, unter anderem für das Militär,
die Fahrzeugindustrie, im Bereich Hausbau und Renovierung, Luftfahrt, von Prüf- und
Messmaschinen bis hin zu professionellen Tonanlagen.
18.2.3 Wettbewerbspositionen
Unternehmen unterscheiden sich in ihren Zielvorstellungen und in ihren Ressourcen. Wäh-
rend einige über ausreichende Finanzmittel verfügen, sind diese bei anderen recht knapp
bemessen. Manche haben eine lange Tradition, andere sind neu auf dem Markt. Es gibt Unter-
nehmen, die ein rasantes Wachstum der Marktanteile anstreben, anderen sind wiederum
langfristige Gewinnziele wichtiger. Jedes dieser Unternehmen wird eine andere Position im
Wettbewerb um den Käufer einnehmen.
Wir diskutieren Wettbewerbsstrategien im Folgenden basierend auf der Rolle, die das jewei-
lige Unternehmen auf dem Zielmarkt einnimmt. Nehmen wir an, dass in einer Branche die in
Abbildung 18.4 aufgeführten Marktteilnehmer zu finden sind:
Die Position des Marktführers, das Unternehmen mit dem größten Marktanteil in der
Branche. 40 Prozent des Markts sind in der Hand des Marktführers.
Die Position des Herausforderers, ein Unternehmen, das hart darum kämpft, einen höhe-
ren Marktanteil zu erlangen. 30 Prozent des Markts werden durch Herausforderer
beherrscht.
847
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
Die Position eines Marktfolgers, ein Unternehmen, das die Geschäftschancen ohne beson-
dere Bemühungen mitnimmt. Weitere 20 Prozent entfallen auf die Marktfolger.
Die Position eines Nischenanbieters, ein Unternehmen, das sich auf kleine Marktseg-
mente, die von anderen Anbietern nicht bedient werden, spezialisiert. Die letzten 10 Pro-
zent entfallen auf die Nischenanbieter.
Nischen-
Marktführer Herausforderer Marktfolger
anbieter
Wie Tabelle 18.1 zeigt, bieten sich für Marktteilnehmer, die diese Positionen halten, jeweils
besonders geeignete Strategien an. Es ist dabei zu bedenken, dass diese Positionen häufig
nicht für das Gesamtunternehmen gelten, sondern nur für einen Bereich oder eine Produktli-
nie. Große Unternehmen nehmen in unterschiedlichen Sparten in der Regel verschiedene
Positionen ein und verfolgen in diesen logischerweise auch unterschiedliche Strategien.
Anbieter wie Procter & Gamble, Unilever oder Nestlé können mit ihren Marken in einem
Bereich Marktführer sein und in einem anderen Nischenanbieter. Die Positionen können
auch regional oder über Ländergrenzen unterschiedlich sein.
848
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18.2 Wettbewerbsstrategien
Ein Unternehmen sollte sich auf der Position des Marktführers nicht ausruhen. Der Markt-
führer muss stets wachsam sein, da andere Unternehmen versuchen werden, seine Schwä-
chen auszunutzen und ihn anzugreifen. Leicht kann der Marktführer eine Trendwende auf
dem Markt versäumen und so auf dem zweiten oder dritten Platz landen. Eine Produktinno-
vation, die eingeführt wird, kann dem Marktführer erhebliche Marktanteile nehmen (z.B.
verdrängte der iPod von Apple Sonys Walkman und Handys werden im Jahresabstand von
der nächsten Generation ersetzt). Gelegentlich werden Unternehmen als Marktführer zu
unflexibel und verlieren Marktanteile an die wache Konkurrenz. So erging es beispielsweise
Xerox, dessen Marktanteil bei Kopierern innerhalb von nur fünf Jahren von 80 auf 35 Prozent
fiel, als Canon und Fuji auf den Markt drängten. Auch kann der Marktführer altmodisch und
langweilig werden im Vergleich zu jüngeren, scheinbar moderneren Rivalen.
Um die Stellung als Marktführer zu halten, kann ein Unternehmen:
versuchen, die Gesamtnachfrage zu steigern,
den gegenwärtigen Marktanteil durch defensive und offensive Methoden absichern,
versuchen, seinen Marktanteil noch weiter zu vergrößern, auch dann, wenn der Gesamt-
markt konstant bleibt.
Wettbewerbsstrategie
Übernahme von
Neue Kunden Neue Intensivierung Gewinnung Konkurrenten Schaffung von
Anwendungen der Nutzung neuer Kunden mit ihren Kundenbindung
Kunden
849
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
3 Siehe dazu „Velcro Industries launches integrated marketing campaign to promote VELCRO brand
One-Wrap ties“, BusinessWire, 28. Mai 2013, www.businesswire.com/news/home/20130528005147/
en/; Rupal Parekh, „Can marketing push make Velcro stick?“, Advertising Age, 3. Juni 2013, S. 8 so-
wie www.velcro.com und www.pinterest.com/velcrobrand/, Zugriff Oktober 2015.
850
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18.2 Wettbewerbsstrategien
taurant- und Reiseführern, die insbesondere auch Wochenend- und Sonntagstouren von
Paris in den Süden des Landes anregten. Diese „Guides Michelin“ gelten heute noch als fach-
kundige Institution, wenn es um Restaurants und Tourismus in Frankreich und anderen Län-
dern Europas geht.
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
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18.2 Wettbewerbsstrategien
ten, sondern weil sie lokale und regionale Konkurrenten und deren Märkte übernommen
haben.
Die richtige strategische Entscheidung kann dann gefällt werden, wenn feststeht, welchem
Wettbewerber der Angriff in erster Linie gelten soll. Auch wenn ein Unternehmen den
Marktführer angreift, kann es sein, dass es nur um eine Verschiebung der Marktanteile gehen
soll. Das französische Unternehmen BIC weiß, dass es auf dem Markt der Einmalrasierer Gil-
lette nicht überholen kann, und kämpft nur um einen etwas höheren Marktanteil. Ein ande-
res Ziel des Herausforderers könnte die Übernahme der Marktführerschaft sein. Dell ging erst
spät als Herausforderer auf den Markt für Personalcomputer, um schließlich recht schnell
dort Marktführer zu werden. Sucht ein Angreifer die Konfrontation mit einem kleinen loka-
len Anbieter, könnte es auch ein Ziel sein, jenen zu zwingen, sein Geschäft aufzugeben.
Wenn ein Unternehmen die Konfrontation mit einem anderen Unternehmen sucht, ist es ent-
scheidend, dass man über eine klare Angriffsstrategie verfügt. Diese wählt man entsprechend
seiner eigenen Fähigkeiten und denen der Konkurrenz. Grundsätzlich kann man zwischen
zwei Angriffsstrategien wählen: dem Frontalangriff und dem indirekten Angriff.
Frontalangriff Bei einem Frontalangriff versucht der Herausforderer, den Konkurrenten
bezüglich Produkt, Werbung, Preis und Vertriebssystem zu treffen. Er wird den Angriff auf
die Stärken des Konkurrenten ausrichten, weniger auf die Schwächen. PepsiCo fordert Coca-
Cola auf diese Weise heraus und Ford seinen Konkurrenten Toyota. Das Ergebnis hängt
davon ab, wer stärker und ausdauernder ist. Selbst Größe und relative Stärke stellen jedoch
keine Garantie dafür dar, einen etablierten Marktführer aus seiner Position vertreiben zu kön-
nen. Wenn der Herausforderer geringere Ressourcen hat als der Anzugreifende, sollte er es
mit einem Frontalangriff lieber gar nicht erst versuchen.
Indirekter Angriff Falls der Herausforderer über weniger Ressourcen verfügt, kann er sich für
den indirekten Angriff entscheiden. Bei dieser Taktik vermeidet der Herausforderer die
direkte Konfrontation auf breiter Fläche, da er weiß, dass er dann mit Preis-, Rabattkriegen
und anderen Kontermaßnahmen rechnen muss und dabei schlechter abschneiden wird.
Stattdessen sucht der Herausforderer nach Schwächen und Lücken im Angebot des Konkur-
renten und greift genau diese an. Eine solche Schwäche können beispielsweise eine zu wenig
beachtete Kundengruppe, Lücken im Vertriebsnetz oder eine vernachlässigte oder erst gar
nicht vorhandene Produkteigenschaft sein, über die man sich differenzieren könnte. Durch
den Angriff auf diese Lücke kann der Herausforderer den Konkurrenten in Bedrängnis brin-
gen. Der Herausforderer kann dann oft nur schwer vertrieben werden, die etablierten Unter-
nehmen sind nämlich zumeist nicht darauf vorbereitet und ignorieren solche Angriffe. Sehen
wir uns beispielsweise an, wie Red Bull Ende der 1990er-Jahre auf dem US-Softdrinkmarkt
gegen die Marktführer Coca-Cola und PepsiCo antrat.4 Red Bull forderte die Platzhirsche
indirekt heraus, indem es ein hochpreisiges Nischenprodukt in ungewöhnlichen Verkaufs-
stätten anbot. Red Bull startete mit dem Verkauf an unkonventionellen Orten, wie Clubs oder
Bars, in denen sich die Nachtschwärmer mit der nötigen Dosis Koffein zum Wachbleiben ver-
sorgten, und das unbemerkt von den Marktführern. Nachdem man sich eine Kern-Kundenba-
4 Dieses Beispiel basiert auf Informationen von David J. Bryce und Jeffrey H. Dyer, „Strategies to crack
well-guarded markets“, Harvard Business Review, Mai 2007, S. 84–91 sowie weiteren Informationen
von Teressa Iezzi, „For showing what it really means to transform yourself into a media brand“, Fast
Company, www.fastcompany.com/most-innovative-companies/2012/redbull-media-house, Zugriff
Oktober 2015 und „The top 15 energy drink brands“, caffeineinformer, www.caffeineinformer.com/
the-15-topenergydrink-brands, Zugriff Oktober 2015.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18 Wettbewerbsvorteile schaffen
sis aufgebaut hatte, dehnte sich die Marke in die traditionelleren Geschäfte aus. „Red Bull
nutzte den Sog hoher Margen, um sich den Weg in den stationären Handel zu bahnen, wo
man die gekühlten Dosen heute gleich neben Coke und Pepsi findet“, erklärt ein Analyst.
Schließlich nutzte Red Bull eine ganze Reihe aggressiver Marketingstrategien, statt auf die
kostspieligen traditionellen Medien zu setzen, die von den Marktführern bevorzugt werden.
Der indirekte Ansatz zahlte sich aus. Trotz des sich rasant verschärfenden Wettbewerbs in
den USA konnte Red Bull einen Marktanteil von 43 Prozent in der Sparte der Energy-Drinks
erobern.
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18.2 Wettbewerbsstrategien
Ein erfolgreiches Beispiel dieser Art ist das Reise- und Freizeitunternehmen TUI Deutsch-
land GmbH, das über Tochtergesellschaften verfügt, die auf bestimmte Nischen des Reise-
markts spezialisiert sind: Airtours steht für qualitativ hochwertige Urlaubsreisen, Gebeco
veranstaltet Studien- und Erlebnisreisen, 1-2-FLY wendet sich mit Angeboten zu günstigen
Preisen vor allem an eine junge Zielgruppe, Discount Travel bietet kurz- und mittelfristig
buchbare Flugpauschalreisen für preisbewusste Kunden an, OFT REISEN ist auf Reisen in
den Nahen und Mittleren Osten und nach Nordafrika spezialisiert, Wolters Reisen agiert im
Marktsegment Ferienhäuser und Ferienwohnungen in ganz Europa und vermittelt Erlebnis-
reisen in den hohen Norden, L’TUR ist Europas größter Anbieter von Last-Minute-Reisen und
mit „Voyages TV“ besitzt TUI sogar einen TV-Reise-Sender. Das Beispiel von TUI zeigt, dass
ein Anbieter durch die Spezialisierung auf Nischenmärkte erfolgreicher sein kann als durch
die Bedienung des Gesamtmarkts mittels Massenmarketing.
In seinem Buch „Hidden Champions“ dokumentiert Hermann Simon eine überraschend
große Anzahl deutscher Unternehmen, die zwar kaum bekannt sind, dafür aber überzeu-
gende Gewinne verzeichnen und deren globale Marktanteile in ihren jeweiligen Nischen 50
Prozent überschreiten. Tetra hat einen Anteil von 80 Prozent am Weltmarkt für Tropenfisch-
haltung; Hohner besitzt 85 Prozent am Markt für Mundharmonikas; Bechner stellt 50 Prozent
der Regenschirme weltweit her und Steiner Optics fertigt 80 Prozent der militärischen Fern-
gläser weltweit.
Laut einer Studie über erfolgreiche Unternehmen mittlerer Größe besetzen gerade diese Mit-
telständler häufig eine Nische in einem größeren Markt und streben weniger die Bedienung
des Gesamtmarkts an. Die zwei Unternehmen De La Rue und Reuters, die laut der „Financial
Times“ mit zu den erfolgreichsten Unternehmen Europas gehören, fallen in diese Kategorie.
De La Rue bedient mit der Herstellung von Banknoten und Wertpapieren im Staatsauftrag
sowie mit Geldautomaten und Geräten für den Geldverkehr eine Marktnische. Die Marktni-
sche von Reuters ist die Lieferung von Nachrichten und Finanzinformationen, dies geschieht
inzwischen online und über modernste Telekommunikationssysteme.
Warum ist das Bedienen von Marktnischen so gewinnbringend? Einer der Hauptgründe ist,
dass der Anbieter seine kleine Abnehmergruppe so gut kennt, dass er ihre Bedürfnisse
genauer treffen kann als jemand, der nur gelegentlich an diese Gruppe verkauft. Häufig kann
der Nischenanbieter einen Premiumpreis erzielen, weil sein Angebot dem Kunden einen
hohen Nutzen bietet. Während im Massenmarketing hohe Stückzahlen erreicht werden, wer-
den beim Bedienen von Marktnischen hohe Gewinnmargen erzielt.
Nischenanbieter versuchen, eine oder mehrere Marktnischen zu finden, die sicher und profi-
tabel sind. Als ideale Marktnische wird jene bezeichnet, die ausreichend groß ist, um
Gewinne zu erzielen, und die ein Wachstumspotenzial besitzt. Sie stellt Anforderungen, die
das Unternehmen optimal bedienen kann. Die Marktnische sollte von nicht allzu großem
Interesse für die großen und finanzstarken Konkurrenten sein. Wenn sie erst einmal erfolg-
reich bedient wird, kann das Unternehmen die erforderlichen Fähigkeiten und die Kunden-
treue aufbauen, die dann einen gewissen Schutz gegen große Konkurrenten bieten, sobald die
Nische auch für diese attraktiv wird.
Die zentrale Idee des Bedienens von Marktnischen ist die Spezialisierung. Nischenanbieter
sind erfolgreich, weil sie die besonderen Bedürfnisse einer genau umrissenen Zielgruppe
erfüllen. Schauen wir uns in diesem Zusammenhang das Handwerksunternehmen GLAS-
BAU HAHN an.
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
Ob man ins Metropolitan Museum in New York, ins British Museum in London oder in
das Nationalmuseum in Tokio geht, mit hoher Wahrscheinlichkeit trifft man auf Vitri-
nen eines kleinen deutschen Unternehmens, welche die wertvollen Kulturschätze
sicher bewahren.
Das mittelständische Handwerksunternehmen GLASBAU HAHN hat sich auf die Her-
stellung von hochwertigen Museumsvitrinen spezialisiert und vertreibt diese weltweit.
Die Besonderheiten einer HAHN-Vitrine sind deren Langlebigkeit, das maßgeschnei-
derte Design, eine sehr leichte Bedienbarkeit und der hohe konservatorische Schutz.
Dieses positive Image der Marke HAHN führt dazu, dass Museen ihre Objekte in der
Regel problemlos an andere Institutionen verleihen, wenn diese in „sicheren“ HAHN-
Vitrinen ausgestellt werden, während bei anderen Vitrinenmarken weitere Auflagen
erfüllt werden müssen.
Die Firma GLASBAU HAHN wurde im Jahre 1829 als Glaserei und Glashandlung in
Frankfurt gegründet. 1935 erstellte Otto Hahn die erste Ganzglas-Konstruktion, d.h. eine
rahmenlose Vitrine ganz aus Glas. Dies setzte neue Maßstäbe und eröffnete weitere Mög-
lichkeiten in der Ausstellungstechnik. Seit ca. 1960 vermarktet GLASBAU HAHN die
Vitrinen weltweit und besitzt in diesem Nischenmarkt die Marktführerrolle. Als einzi-
ges Unternehmen der Branche erhielt GLASBAU HAHN das Zertifikat „emissionsarm“,
also „schadstoffarm“, für seine Vitrinen von der Bundesanstalt für Materialforschung,
was einen erheblichen Wettbewerbsvorteil darstellt.
Das Unternehmen legt großen Wert auf kontinuierliche Forschung und Innovation
sowie Präzision durch hochwertige Handwerksarbeit.
GLASBAU HAHN hat sich auf Museen als Kundengruppe spezialisiert, da deren vorran-
giges Ziel die Bewahrung der Kulturgüter ist und man daher einen hohen Wert auf die
Qualität der Vitrinen legt. Außerdem ist die Kundengruppe relativ klein. Das Unterneh-
men benötigt somit keine große Vertriebsmannschaft. Lediglich lokal ansässige Partner-
firmen sammeln Informationen über neue Kundenbedürfnisse, geplante Museumsreno-
vierungen etc.
Durch den kleinen Kundenkreis ist das Handwerksunternehmen auf Kundenempfeh-
lungen angewiesen. Häufig bittet ein Museum, welches neue Vitrinen benötigt, ein
anderes Museum um Rat. Auch der Kreis der Architekten und Designer, welche sich auf
Museumsvitrinen spezialisiert haben, ist überschaubar und somit gut ansprechbar. Der
persönliche Kontakt, Vertrauen und Service beim Kunden spielen daher eine sehr wich-
tige Rolle. GLASBAU HAHN setzt sich mit den Bedürfnissen seiner Klienten intensiv
auseinander und schneidet die Produkte auf Maß zu.
In den letzten Jahren musste sich das Unternehmen auf eine noch engere Kundengruppe
spezialisieren. Die besonders in Europa verbreiteten öffentlichen Ausschreibungen, bei
denen häufig nur der preislich günstigste Anbieter gewinnt, können nur sehr selten
Angebote für qualitativ sehr hochwertige Vitrinen berücksichtigen. Somit verlor GLAS-
BAU HAHN als Spezialist für Qualität und Individualität hier Marktanteile.
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18.2 Wettbewerbsstrategien
Dafür entwickelte sich in den letzten Jahren ein neuer Kundenkreis: Privat- oder stif-
tungsfinanzierte Museen wie z.B. das Getty-Museum in den USA oder das SAMSUNG-
Museum in Korea legen allergrößten Wert auf ein langlebiges Produkt und auf ein ausge-
fallenes Design von einem berühmten Architekten. Schließlich soll das Museum nicht
nur die Kunstobjekte bewahren, sondern auch selbst zu einem Denkmal werden und
den Namen des Stifters auf ewig tragen. Bei dieser Kundengruppe kann der Nischenan-
bieter seine Stärken voll einbringen. Dank des Leitspruchs „To make the impossible pos-
sible“ stellen die Kunden die GLASBAU HAHN Ingenieure immer wieder vor neue und
außergewöhnliche Herausforderungen wie z.B. den Bau einer neun Meter hohen Vitrine
für das Nagasaki Memorial Center, die aufwendig geschwungenen und gerundeten
Hightech-Vitrinen für das Museum „Victoria & Albert“, wobei jede Scheibe einzeln in
Form gebogen wurde, oder die Begasung von Vitrinen mit Stickstoff, der Schädlinge
abtötet und Korrosion verhindert, oder sogar eine Glashaube, die durch Elektromotoren
angehoben wird.
Teil der Strategie von GLASBAU HAHN ist es ebenfalls, neue Märkte zu gewinnen. Häu-
fig ist das Unternehmen als erster spezialisierter Vitrinenbauer in einem Markt vertre-
ten. Die Konkurrenz folgt oft wesentlich später. Dadurch ist die Handwerksfirma aus
Frankfurt mittlerweile in 28 Ländern vertreten und die Vitrinen von GLASBAU HAHN
befinden sich heutzutage in fast allen großen Museen weltweit.
Quelle: GLASBAU HAHN GmbH, Webseite unter: www.glasbau-hahn.de [12.02.2018]
Beim Nischenmarketing spezialisiert sich das Unternehmen z.B. auf einen Markt, auf
bestimmte Kunden, auf Produkte oder auf Marketing-Mix-Komponenten. Im Folgenden wer-
den einige mögliche Spezialisierungen genauer beleuchtet:
1. Spezialisierung auf bestimmte Endanwendungen Das Unternehmen spezialisiert sich
auf einen Typ Kunden, der durch die Verwendung des Produkts definiert ist. Reuters
spezialisiert sich auf Politik- und Wirtschaftsnachrichten, Bardusch auf die Vermietung
von Berufskleidung usw.
2. Spezialisierung auf eine Handelsstufe Die Unternehmen spezialisieren sich auf eine be-
stimmte Stufe des Produktions- und Distributionssystems. Zum Beispiel liefert ein Un-
ternehmen Rohstoffe und ein anderes liefert „den Bedarf des Bäckers“.
3. Spezialisierung auf eine Kundengröße Das Unternehmen spezialisiert sich auf große,
mittlere oder kleine Kunden. Viele Nischenanbieter konzentrieren sich auf Kleinunter-
nehmen als Kunden, weil diese von den großen Organisationen vernachlässigt werden.
Fuji war in den USA mit Kopierern bei kleinen Firmen erfolgreich, die von Xerox als
Marktführer keine intensive Betreuung erhielten. Viele regionale Werbeagenturen spezi-
alisieren sich auf mittlere Unternehmen der Region.
4. Spezialisierung auf bestimmte Kunden Es gibt Unternehmen, die ihr Angebot an weni-
gen Kunden oder an einem eingegrenzten Kundenkreis ausrichten. Beispielsweise ist
der Reiseveranstalter RUF auf Jugendreisen spezialisiert und Swing Tours bietet spezi-
elle Reisen für Liebhaber des Golfsports an.
5. Geografische Spezialisierung Viele Unternehmen beschränken ihre Tätigkeit auf ein be-
stimmtes Gebiet, eine Stadt, eine Region oder mehrere Staaten. Auch hier können erneut
Reiseveranstalter als Beispiel genannt werden. Einige der auf ein bestimmtes Land spe-
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
zialisierten Anbieter sind Olimar für Portugal, Öger Tours für die Türkei oder Canusa
Touristik für Nordamerika, Australien und Neuseeland.
6. Spezialisierung auf ein Produkt Ein Anbieter spezialisiert sich auf die Produktion eines
Produkts, einer Produktpalette oder auf ein bestimmtes Produktmerkmal. So hat sich die
Mast-Jägermeister AG erfolgreich auf eine einzige Kräuterspirituose, Jägermeister, spezi-
alisiert oder Koziol auf Designprodukte aus Kunststoff.
7. Spezialisierung in einem bestimmtem Qualitäts-/Preissegment Das Unternehmen wird
hauptsächlich am oberen oder unteren Ende der Qualitäts- und Preisskala tätig. Hewlett-
Packard liefert beispielsweise wissenschaftliche Taschenrechner am oberen Ende der
Qualitäts- und Preisskala, während NAXOS sich auf preisgünstige Klassik-CDs von un-
bekannteren Orchestern konzentriert.
8. Spezialisierung auf bestimmte Dienstleistungen Ein Unternehmen bietet Dienstleistun-
gen an, die andere nicht bieten können, beispielsweise bietet die NASA das Einholen
und die Reparatur von Satelliten an.
Wie erfolgreich die Besetzung von Marktnischen in manchen Bereichen sein kann, zeigt der
folgende Exkurs.
1976 hat Erno Rubik in Ungarn „Rubik‘s Cube“ [auch Zauberwürfel] zum Patent
angemeldet. 1977 kam er nach England, 1979 in die USA und erst 1980 nach
Deutschland. Den „Löwenanteil“ verdiente die US-amerikanische Firma „Ideal-Toy-
Corporation“ durch die erworbenen Lizenzen mit denen die Marktnische erschlossen
werden konnte.
Wer 2010 den Verkauf von E-Zigaretten aufgenommen hätte, hätte an dem nicht vor-
hersehbaren Wachstum der Branche (von 300.000 Nutzern auf heute mehr als 3 Milli-
onen in Deutschland) teilgenommen. Bei nur 1 Prozent Marktanteil hätte derjenige
heute einen Jahresgewinn von deutlich über einer Million Euro.
Die Aufwendungen für Haustierhaltung steigen noch immer. Wer z.B. 2013 eine Hun-
desitting-Agentur eröffnet hätte, wäre heute erfolgreicher Unternehmer mit mehreren
Niederlassungen. Lt. Haustierstudie der Uni Göttingen werden jährlich 9 Milliarden
Euro für Haustiere ausgegeben, davon nur 20 Millionen Euro für Tierpensionen.
Wer beispielsweise 2014 in die Fertigung oder den Verkauf von Quadrokoptern ein-
gestiegen ist, könnte von jährlichen Umsatzzuwächsen zwischen 100 und 300 Pro-
zent profitieren. Alleine der private Markt verbucht mehr als 1,2 Milliarden Euro
Umsatz mit aktuell steigender Tendenz.
Wer 2015 die Idee zu einer Sicherheitsuhr mit Totmannfunktion hatte, sitzt heute im
Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. Eine typische Marktnische im „health-care and
prevention“-Bereich. Durch GPS und mobile Empfangsgeräte bleiben auch ältere
Menschen länger mobil. Hier gibt es ausbaufähige Innovationen.
Quelle: http://enp-personalmanagement.de/Marktnischen/Marktnischen-Beispiele/ [04.04.2018]
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18.3 Gleichgewicht zwischen Kunden- und Wettbewerbsorientierung
Das Bedienen von Marktnischen birgt jedoch zwei Risiken in sich: das Verschwinden des
bedienten Nischenbedarfs und der Angriff größerer Konkurrenten auf die Nische. Der Gefahr,
dass sich das Wettbewerbsfeld in einer Nische wesentlich verändert, begegnen Unterneh-
men, indem sie mehrere Nischen bedienen. Durch die Ausdehnung des Geschäfts auf zwei
oder mehr Marktnischen wächst die Überlebenschance eines Unternehmens.
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
begannen die Unternehmen, sich um die Käufer und ihre Bedürfnisse zu kümmern und zeig-
ten sich kundenorientiert. In der dritten Phase wurden die Konkurrenten beobachtet, sie
kann als die konkurrenz- oder wettbewerbsorientierte Phase bezeichnet werden. Heute müs-
sen sich Unternehmen marktorientiert verhalten und sowohl Sensibilität für die Bedürfnisse
der Käufer entwickeln als auch gegenüber den Aktivitäten der Konkurrenten. Alle Anzeichen
deuten darauf hin, dass sich ein durchdachtes Konzept konsequenter Marktorientierung
lohnt. Verschiedene Studien der letzten Jahre zeigen, dass ein positiver Zusammenhang zwi-
schen der Marktorientierung eines Unternehmens und dessen Rentabilität existiert – unab-
hängig von der Branche oder dem Marktumfeld.
Kunde im Mittelpunkt
Nein Ja
Konkurrent im Mittelpunkt
Produkt- Kunden-
Nein
orientierung orientierung
Konkurrenz- Markt-
Ja
orientierung orientierung
ZUSAMMENFASSUNG
860
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Zusammenfassung
861
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen
862
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864
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Internationales Marketing
ÜBERBLICK
19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms . . 894
19.7 Bestimmung der internationalen
Marketingorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 904
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 907
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... erklären, wie das Außenhandelssystem und die wirtschaftlichen, politischen,
gesetzlichen und kulturellen Rahmenbedingungen die Internationalisierungsent-
scheidungen eines Unternehmens beeinflussen.
... drei Ansätze beschreiben, internationale Märkte zu erschließen.
... erklären, wie Unternehmen ihren jeweiligen Marketing-Mix für internationale
Märkte anpassen können.
... die drei zentralen Formen der Marketingorganisation für internationale Tätigkeiten
erläutern.
Walmart mag der größte Einzelhändler der Welt sein, aber IKEA ist das größte Möbel-
haus. Letztes Jahr strömten mehr als 684 Millionen Kunden in die riesigen Geschäfte
des skandinavischen Händlers und bescherten ihm einen Umsatz von über 29 Milliar-
den Euro. Das entspricht einem Jahresdurchschnitt von mehr als 95 Millionen Euro pro
Filiale, zweieinhalb Mal mehr als der Durchschnitt eines Walmart-Markts. Von Peking
über Cardiff bis Barcelona lieben die Kunden IKEA für die einfachen, praktischen
Möbel zu bezahlbaren Preisen. IKEA ist groß und wächst weiter – die Umsätze haben
sich im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt. Doch dabei geht das Unternehmen praktisch
und methodisch vor; die Zahl neu eröffneter Megahäuser liegt bei ungefähr 20 pro Jahr.
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Selbst diese großen Zahlen spiegeln den Einfluss nicht wider, den IKEA auf Verbraucher
weltweit hat. IKEA ist weit mehr als nur eine große Möbelhandelskette und hat das
weltweite Wachstum und den Erfolg durch die Einbindung von Kunden aller Nationali-
täten und Kulturen erreicht. IKEA pflegt verschiedene Lebensstile und Wohnwelten.
Kunden in aller Welt kaufen bei IKEA, um zu signalisieren, dass sie angekommen sind
und sowohl guten Geschmack besitzen als auch Werte zu schätzen wissen. Ohne IKEA
hätten viele Menschen in der Welt vermutlich kaum Zugang zu bezahlbaren, modernen
Produkten für ihr Zuhause. IKEAs Mission ist es, „einen besseren Alltag für die vielen
Menschen“ zu schaffen. Diese scheinbar unmögliche Mission erfüllt es, indem es genau
die richtige Balance zwischen der Standardisierung einer Weltmarke und dem Angebot
für die regionalen kulturellen Unterschiede in den internationalen Märkten trifft.
In den 1940er-Jahren entwickelte Ingvar Kamprad das, was heute als „IKEA-Konzept“
bekannt ist. Geboren wurde er im schwedischen Småland; hier war der Boden karg und
die Bewohner galten als hart arbeitende Menschen, die bescheiden lebten und das
meiste aus den begrenzten Ressourcen herausholten. Das IKEA-Konzept spiegelt diese
Merkmale wider – es „bietet eine große Anzahl gut gestalteter, funktionaler Möbel zu so
niedrigen Preisen, dass möglichst viele Menschen sie sich leisten können“.
Einige Aspekte der IKEA-Produkte sind in allen Ländern gleich. Zunächst sind die Pro-
dukte alle im modernen schwedischen Design gehalten. Die klassischen, einfachen
Linien des IKEA-Designs bringen zeitlose Produkte hervor, die nur wenige andere
Unternehmen in der Branche bieten können. POÄNG zum Beispiel, ein gepolsterter
Stuhl mit laminiertem Holzrahmen und nur zwei Stuhlbeinen vorne, wurde schon 1976
entwickelt, gehört aber noch immer zu den bestverkauften Produkten. Das gleiche gilt
für das BILLY-Regal. Tatsächlich gibt es die erfolgreichsten IKEA-Produkte schon seit
Jahren. Und genauso wollen IKEA-Kunden sie auch genießen – jahrelang. Niedrige
Preise sind ein weiteres Merkmal der IKEA-Produkte. Die Preismarke jedes IKEA-Pro-
dukts liegt bei der Hälfte des Preises ähnlicher Produkte von Wettbewerbern. Und mit
dem konsequenten Fokus auf Kosteneinsparung kann IKEA den Preis eines Produkts
konstant halten oder im Laufe der Zeit sogar senken. Das Angebot gleicher Produkte in
jeder Filiale schafft eine Ausgewogenheit, die ebenfalls zur kostengünstigen Preisstruk-
tur beiträgt. Genau wie der Ansatz der „flachen Pakete” – die Möbel werden so gestaltet,
dass sie in Einzelteilen verpackt und verkauft werden können. Die Kunden bauen sie
dann zu Hause zusammen.
Auch das Design der IKEA-Filialen ist weltweit einheitlich. Zunächst einmal sind die
Läden riesig. Mit einer Durchschnittsgröße von 300.000 Quadratmetern übertrifft eine
normale IKEA-Filiale die Größe eines gewöhnlichen Carrefour-Markts oder eines Wal-
mart-Supercenters um 50 Prozent. Mit diesen großflächigen Filialen kann IKEA einen
weiteren Aspekt des globalen Markenkonzepts umsetzen – mit einem einzigen Einkauf
kann der Kunde Möbel, Geräte und Haushaltswaren für jeden Raum mit nach Hause
nehmen. Obwohl die gigantische Größe einige Kunden vielleicht überwältigt, ist jeder
IKEA-Markt in drei wesentliche Bereiche unterteilt. Die Showrooms sind als eingerich-
tete Zimmer entlang der Laufrichtung ausgestellt und präsentieren die relevanten Pro-
dukte, aber auch Artikel aus anderen Bereichen, die den Kunden Anregungen zur Ein-
richtung ihres Heims geben können. Der Marktplatz beherbergt die kleinen Artikel –
hier findet man alles von Schreibtischlampen bis zu Küchenutensilien. Auch diese sind
je nach Bereich eines Hauses arrangiert.
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19 Internationales Marketing
Das Lager ermöglicht den Kunden die direkte Entnahme und den Transport ihrer Möbel
in flachen Paketen. Die Kunden werden über einen Hauptweg im Uhrzeigersinn durch
das Haus geführt, von einer Abteilung in die nächste. Dies soll zu einem Rundgang
durch das ganze Haus anregen. Eltern können ihre Kinder im Småland betreuen lassen,
die ganze Familie kann im Restaurant mit drei täglichen Mahlzeiten oder in der Snack-
bar etwas essen. So kann man sich bei IKEA stundenlang aufhalten und einkaufen.
Obwohl IKEAs Standardformel in nahezu jedem Markt funktioniert, hat das Unterneh-
men verstanden, dass die Einheitsgröße nicht jedem Kunden auf der Welt gleicherma-
ßen passt. So ändert IKEA den Marketing-Mix in verschiedenen Märkten, um die regio-
nalen Ansprüche besser befriedigen zu können. Der Händler sucht permanent das
Feedback seiner Kunden in den Filialen und besucht jedes Jahr tausende in ihren Hei-
men, um ihre Wohnsituation zu betrachten und sie nach ihren Träumen und Problemen
zu befragen. Als der erste US-amerikanische IKEA-Markt 1985 in Philadelphia eröffnete,
wurden die gleichen Betten angeboten wie in anderen Filialen weltweit. Doch die Ame-
rikaner kauften sie nicht und die Umsätze gingen zurück. Im Zuge weiterer Eröffnungen
in den USA beschäftigte sich IKEA mit den Schlafgewohnheiten der Amerikaner und
stellte fest, dass Höhe, Festigkeit und Größe die Hauptkriterien für den Bettenkauf
waren. So änderte IKEA die Zusammenstellung seiner Matratzen und brachte King-Size-
Betten ins Angebot. Dann passte man die Präsentation und Bewerbung dieser Produkte
so an, dass das Konzept deutlich wurde. Wenig überraschend verkauften sich die
Schlafmöbel-Linien anschließend enorm. Kürzlich entsprach IKEA dem Wunsch euro-
päischer Verbraucher nach mehr Dienstleistungen. Während die Auswahl im Lager, der
eigene Transport und der Zusammenbau für die meisten Kunden kein Problem darstellt,
ist der Aufwand für manche andere zu groß. Zu einem günstigen Preis kann man heute
die Ware bei IKEA dem Lager entnehmen und sich nach Hause liefern lassen. Jeder
IKEA-Markt arbeitet sogar mit Subunternehmen zusammen, die die Möbel beim Kunden
montieren.
In einigen Märkten besteht größerer Änderungsbedarf. Im Zuge der Asien-Expansion
beispielsweise hat IKEA gelernt, dass sich die Verbraucher dort deutlich von denen in
Europa und Nordamerika unterscheiden. Nehmen wir China. Das Land mit einigen der
größten Städte der Welt kann sich kaum über einen Mangel an Kunden beklagen. Die
meisten der 1,3 Milliarden Chinesen kaufen jedoch keine Möbel. So konzentrierte sich
IKEA stattdessen auf die chinesische Mittelschicht – der große Bevölkerungsteil in den
wachsenden Städten, der gut ausgebildet und zwischen 25 und 35 Jahre alt ist. Aus die-
sem Grund liegen die IKEA-Märkte in China eher in Innenstadtnähe als in den Randge-
bieten und befinden sich nahe am Netz der öffentlichen Verkehrsmittel.
Einige der für den chinesischen Markt durchgeführten Änderungen basieren auf dem
Grundsatz, die Produkte zu lagern, die von Menschen in bestimmten Regionen gekauft
werden. Die Kunden in China lieben beispielsweise gute, harte Matratzen – also ver-
kauft IKEA hier die festeren Modelle. Obwohl die IKEA-Märkte in China dieselbe Pro-
duktanzahl haben wie in anderen Teilen der Welt – meistens im IKEA-Standardsorti-
ment – bietet das Unternehmen in China auch Reiskocher und Essstäbchen an. Und
wenn IKEA 250.000 Platzsets mit Motiven zum Jahr des Hahns anbietet, sind diese in
nur wenigen Wochen ausverkauft.
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Abbildung 19.1: US-amerikanischer IKEA Markt in Portland, Oregon
(Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:IKEA_-_Portland,_Oregon.jpg, gemeinfrei)
In Megastädten wie Peking und Shanghai ist Immobilien-Eigentum in den letzten fünf-
zehn Jahren von null auf rund 70 Prozent gestiegen. Da praktisch alle neuen Hausbesit-
zer wenig Ahnung von Inneneinrichtung und Dekoration haben, schauen sie sich hier
viel von der westlichen Kultur ab. Aber nicht alles, was in den Industrieländern funkti-
oniert, funktioniert auch in Schwellenländern wie China. Zum einen ist der durch-
schnittliche Wohnraum in Chinas überfüllten Städten deutlich kleiner als in Europa
und Nordamerika. Die chinesische Durchschnittsfamilie lebt in einem kleinen Hoch-
haus-Apartment, oft wohnen mehrere Generationen zusammen. So konzentriert sich
IKEA in China auf Produkte, die platzsparend sind und mit denen sich der Haushalt
organisieren lässt. Und es hilft Kunden dabei, auch kleine Flächen clever und sinnvoll
zu nutzen.
Die Preisgestaltung in China ist ein wenig paradox. Chinesische Kunden schätzen das
Design und das umfassende Angebot bei IKEA, also setzt IKEA hier seine Schwerpunkte
in der Marktpositionierung. Gleichzeitig aber sind niedrige Preise in Schwellenländern
wie China schon die Regel und IKEA musste die Preise drastisch reduzieren, um wett-
bewerbsfähig zu bleiben. Als das Unternehmen vor mehr als zehn Jahren den ersten
Markt in China eröffnete, war IKEA teurer als die ortsansässige günstige Konkurrenz.
Wettbewerber verkauften Kopien der IKEA-Modelle zu einem Bruchteil der Preise. Als
Experte bei der Senkung von Kosten konnte IKEA in den letzten zehn Jahren die Preise
in China jedoch um 50 Prozent reduzieren. Das klassische Klippan-Sofa zum Beispiel
kostet heute nur noch 129 Euro, ist also nur noch ein Drittel so teuer wie vor zehn Jah-
ren (das gleiche Sofa kostet in Schweden 378 Euro).
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19 Internationales Marketing
Ein anderes Problem beim Verkauf von Möbeln in dem bevölkerungsreichsten Land der
Welt liegt darin, dass es regional sehr große Unterschiede gibt. In einigen Gebieten
haben die Apartments beispielsweise kleinere Zimmer. Daher entwickelt IKEA dort
Showrooms, die an die geringe Raumgröße angepasst sind. In ganz China haben die
Apartments einen Balkon. Dieser dient in Nordchina weitgehend zur Lagerung von
Lebensmitteln, während er in Südchina auch für die Wäsche genutzt wird. Auch diese
regionalen Unterschiede und Bedürfnisse werden von IKEA berücksichtigt.
Und noch ein ungewöhnliches Phänomen gibt es in China – Bummler. Die IKEA-Märkte
in China haben eine höhere Kundenfrequenz als anderswo in der Welt (die Filiale in
Peking zieht an einem typischen Samstag 28.000 Besucher an – so viele wie ein europä-
ischer IKEA-Markt in einer starken Woche).
Doch die Mehrheit der Besucher sieht sich einfach nur um. Tatsächlich genießen viele
Kunden einfach die klimatisierte Luft, ein preiswertes Essen und einen Platz zum Ent-
spannen. Viele Menschen halten sich einfach für längere Zeit in den Showrooms auf,
wie in ihrem eigenen Wohnzimmer. Einige schlagen die Decken auf den IKEA-Betten
zurück, ziehen die Schuhe aus und machen ein Nickerchen. So ein Verhalten würden
IKEA-Märkte anderswo nicht dulden, doch die Verantwortlichen haben erkannt, dass
die Tolerierung solcher Angewohnheiten bei der schnell wachsenden chinesischen Mit-
telschicht eine Investition in die Zukunft ist.
IKEA plant eine Ausweitung der chinesischen Filialen von 15 auf 40 in den nächsten
sechs Jahren. Doch das Geschäft in China ist nur ein Beispiel für die IKEA-Strategie
weltweit. Im selben Zeitraum will das Unternehmen auch seine Filialen in Nordamerika
verdoppeln. Und während IKEA sein Wachstum in den bestehenden Märkten fortsetzt,
hat es auch neue Märkte mit großem ungenutzten Potenzial wie z.B. Indien im Blick, wo
man 25 Filialen eröffnen will. Die Verdoppelung des Umsatzes der letzten zehn Jahren
will IKEA bis 2020 wiederholen. Und dieser Plan basiert auf demselben methodischen
Wachstum von 20 bis 25 neuen Märkten pro Jahr. Mit der starken Fähigkeit, die kultu-
rellen Unterschiede in jedem Markt zu verstehen und das Marketing entsprechend
anzupassen, scheint IKEA bei seinem Ziel wenig im Weg zu stehen.
Fragen
1. Setzt IKEA tatsächlich eine globale oder nicht doch eher eine Reihe regionaler Stra-
tegien ein? Erläutern Sie.
2. Wenn IKEA in China ein Sofa für 129 Euro verkaufen kann, warum verkauft es das
Produkt nicht überall so günstig?
3. Können Wettbewerber die Preisstrategie von IKEA einfach kopieren? Warum bzw.
warum nicht?
4. Sollte IKEA schneller wachsen als um 20 bis 25 Filialen pro Jahr? Erläutern Sie.
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19.1 Globales Marketing im 21. Jahrhundert
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19 Internationales Marketing
durchführt. Ein solches Unternehmen sieht die Welt als einen Markt. Es minimiert die Wich-
tigkeit nationaler Grenzen und entwickelt globale Marken.
Globales Marketing versucht, die Marketingaktivitäten verschiedener geografischer Märkte
zu integrieren und zu standardisieren. Dies schließt eine Anpassung an die Besonderheiten
einzelner Länder jedoch nicht aus. Ein globales Unternehmen ist allerdings grundsätzlich
bestrebt, die Ähnlichkeiten verschiedener Märkte zu nutzen, um dadurch einen Wettbe-
werbsvorteil zu erlangen.
Es versucht, die Bedeutung zwischenstaatlicher Grenzen zu minimieren, es besorgt sich
Kapital, Rohstoffe und Komponenten und produziert und verkauft, wo immer es zielführend
ist. Rein national tätigen Unternehmen bleiben diese Möglichkeiten verschlossen. Ford bietet
zum Beispiel ein Freizeitfahrzeug an, für das die Karosserieteile aus Europa und das Chassis
aus Nordamerika bezogen werden, das in Brasilien montiert und schließlich in den USA ver-
kauft wird. Der Aufzughersteller Otis bezieht seine Türsysteme aus Frankreich, kleinere
Getriebeteile aus Spanien, die Elektronik aus Deutschland und spezielle Motorantriebe aus
Japan. Die Systemintegration findet in den USA statt.
Dies bedeutet nicht, dass Unternehmen in dutzende Länder expandieren müssen. Insbeson-
dere für kleinere Unternehmen kann der Weg des „globalen Nischenanbieters“ sinnvoll sein.
Wichtig ist jedoch, dass jedes Unternehmen, das in einer global orientierten Branche tätig ist,
sei es groß oder klein, seinen Platz auf dem Weltmarkt findet und behauptet.
Auf diese Weise erlangen globale Unternehmen durch weltweite Planung, Durchführung und
Abstimmung ihrer Marketingaktivitäten einen großen Vorteil. Dies bringt auch viele füh-
rende deutsche Unternehmen dazu, weltweite Restrukturierungsprogramme anzustoßen, um
von den Möglichkeiten zu profitieren, die eine global vernetzte Wirtschaft bietet. In Deutsch-
land hat in den letzten Jahren insbesondere der Mittelstand von der Globalisierung profitiert.
Unter den erfolgreichsten Unternehmen befinden sich hoch spezialisierte und oftmals in
ihrem Segment weltweit führende Anbieter. Die weltweit größte Tunnelbohrmaschine zum
Beispiel, die man nutzte, um zwei gigantische Straßentunnel unter dem Jangtse-Fluss zu boh-
ren, wurde in Shanghai unter der Leitung des im Schwarzwald beheimateten Unternehmens
Herrenknecht gebaut.
Festo, ein Hersteller von Motoren für die Automatisierungstechnik, fertigt die meisten seiner
Maschinenteile in Deutschland, lässt sie aber in seinen 55 ausländischen Niederlassungen
montieren. „Das Wachstum liegt im Ausland ... Unser Unternehmen lebt von der Globalisie-
rung“, sagt der Konzernchef, Eberhard Veit. Der zu Siemens gehörende Motorenhersteller
Flender hat Produktionsanlagen weltweit verteilt und macht 80 Prozent seiner Umsätze im
Ausland. Deutsche Unternehmen, ob Automobilhersteller, Hersteller von Automatisierungs-
technologie, Baumaschinen oder Maschinenteilen, reagieren auf die erhöhte Nachfrage nach
Investitionsgütern, die schnell wachsende Wirtschaftssysteme brauchen, um ihre Fabriken,
Gebäude und Infrastruktur zu errichten.
Auch das globale Internetgeschäft wächst rapide. Betreiben Unternehmen Internetmarketing,
werden sie – ob geplant oder nicht – zu globalen Unternehmen. Für viele Anbieter bietet das
Internet eine günstige Möglichkeit, sich global zu engagieren.
Die zunehmende Globalisierung führt dazu, dass sich die Unternehmensleitung einige
grundlegende strategische Fragen stellen muss:
Welche Marktposition wollen wir in unserem Land, in unserer geografischen Region
(Europa, Nordamerika, Asien, Australien) oder weltweit erreichen?
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19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds
Wer sind im globalen Maßstab unsere Konkurrenten und was sind ihre Strategien und Res-
sourcen?
Wo sollen wir unsere Erzeugnisse produzieren oder beschaffen?
Welche strategischen Allianzen sollten wir auf dem Weltmarkt oder auf Teilmärkten ein-
gehen?
Wenn ein Unternehmen selbst international tätig werden will, muss es die aus Abbildung
19.2 ersichtlichen zentralen Entscheidungen treffen. Mit diesen werden wir uns im Folgen-
den auseinandersetzen.
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19 Internationales Marketing
gelegt werden müssen. Darüber hinaus existieren auf manchen Märkten nichttarifäre Han-
delshemmnisse. Beispiele dafür sind die unfaire Behandlung von Angeboten ausländischer
Unternehmen oder Produktstandards, die bestimmte Produkteigenschaften fordern oder ver-
bieten.
Walmart beispielsweise gab vor einiger Zeit seine einst so ehrgeizigen Expansionspläne für
Indiens riesigen, aber zersplitterten Einzelhandelsmarkt und die Eröffnung hunderter Wal-
mart-Filialen auf. Neben schwierigen Marktbedingungen wie einem instabilen Stromnetz
und schlechten Straßen ist Indien berüchtigt für immer neue zollfremde Handelshemmnisse
zum Schutz der eigenen vorrangig kleinen Geschäftsbetriebe, die 96 Prozent des gesamten
Handelsumsatzes von etwa 400 Milliarden Euro ausmachen. Ein solches Hemmnis ist z.B.
die Forderung seitens der indischen Regierung, dass ausländische Einzelhändler 30 Prozent
der Ware, die sie verkaufen, von inländischen Kleinbetrieben beziehen müssen. Eine solche
Auflage ist für Walmart nahezu unmöglich zu erfüllen, da kleine Lieferanten die für den Han-
delsriesen benötigten Mengen einfach nicht realisieren können. Ferner sind die wenigen gro-
ßen Einzelhändler in Indien nicht an diese Auflage gebunden, was einen profitablen Wettbe-
werb für Walmart erschwert. So sucht Walmart heute nach inländischen Partnern, um den
gigantischen indischen Markt zu knacken.2
Auf der anderen Seite gibt es bestimmte Kräfte, die den Handel zwischen Nationen begünsti-
gen, z.B. die World Trade Organisation (WTO) oder verschiedene regionale Freihandelsab-
kommen.
1 Rob Schmitz, „Trade spat between China and EU threatens exports of solar panels, wine“, Marketpla-
ce, 6. Juni 2013, www.marketplace.org/topics/world/trade-spat-between-china-andeu-threatens-ex-
ports-solarpanels-wine; Jonathan Stearns, „EU Nations approve pact with China on solar-panel
imports“, Bloomberg, 2. Dezember 2013, www.bloomberg.com/news/2013–12–02/u-nations-approve-
pact-with-china-onsolar-panel-trade.html sowie Ben Blanchard und Francesco Guarascio, „EU, Chi-
na end wine dispute ahead of Xi’s European tour“, Reuters, 21. März 2014, www.reuters.com/article/
idUSBREA2K0QE20140321.
2 Gardiner Harris, „Wal-Mart drops ambitious expansion plan for India“, New York Times, 10. Oktober
2013, S. B3 sowie Paul Ausick, „Walmart still struggles in India“, 247wallst, 8. April 2014, http://
247wallst.com/retail/2014/04/08/walmart-still-struggles-in-india/.
3 „What is the WTO?“, www.wto.org/english/thewto_e/whatis_e/what_we_do_e.htm, Zugriff Oktober
2015.
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19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds
Jahre zu spüren sein, da sie das langfristige globale Handelswachstum unterstützen sollen.
Hierdurch wurden die verbleibenden weltweiten Warenzölle um 30 Prozent reduziert. Die
Runde ergänzte GATT insbesondere um Regelungen im Bereich der Landwirtschaft und der
Dienstleistungen und verbesserte den internationalen Schutz für Urheberrechte, Patente,
Markenzeichen und anderes geistiges Eigentum. Obwohl der finanzielle Einfluss eines sol-
chen Abkommens schwierig zu messen ist, zeigen Untersuchungen, dass um ein Drittel redu-
zierte Handelsbarrieren in den Bereichen Landwirtschaft, verarbeitende Industrie und
Dienstleistungen die Leistung der Weltwirtschaft um 433 Milliarden Euro steigert. Das ent-
spricht ungefähr der volkswirtschaftlichen Größe von Polen.
Im Rahmen der Uruguay-Runde wurde die WTO (World Trade Organization beziehungsweise
Welthandelsorganisation) gegründet, die das Ziel hat, die Bestimmungen des GATT durchzu-
setzen, um Handelshemmnisse abzubauen. Im Allgemeinen fungiert die WTO als eine
Dachorganisation, die das GATT, das Handelsabkommen zu Dienstleistungen und ähnliche
Vereinbarungen, die das geistige Eigentum betreffen, beaufsichtigt. Zusätzlich vermittelt die
WTO bei globalen Auseinandersetzungen, hilft Entwicklungsländern und verhängt Handels-
sanktionen, Befugnisse, die das GATT nie hatte. Das höchste Organ der WTO ist die Minister-
konferenz der Wirtschafts- und Handelsminister, die mindestens alle zwei Jahre zusammen-
trifft. Eine neue Verhandlungsrunde, die Doha-Runde, begann in Doha, Qatar, Ende 2001 und
sollte 2005 abgeschlossen werden, sie dauert allerdings bis heute an.
Regionale Freihandelsabkommen
Einige Länder bilden Freihandelszonen oder Wirtschaftsgemeinschaften – Staatengruppen,
die so organisiert sind, dass sie in der Regulierung des internationalen Handels gemeinsame
Ziele verfolgen. Eine solche Gemeinschaft ist die 1957 gegründete Europäische Union (ehe-
mals Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), die einen großen europäischen Markt anstrebt,
wobei alle Schranken, die den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und
Arbeit unter den Mitgliedsländern beschränken, abgebaut und Handelsvereinbarungen mit
Nichtmitgliedern abgeschlossen werden sollen. Die EU heute einen der weltweit größten Bin-
nenmärkte dar. Der heute aus 28 Staaten bestehende Verbund umfasst rund eine halbe Milli-
arde Einwohner und ihm sind fast 20 Prozent aller weltweiten Exporte zuzuschreiben.4
Der europäische Einigungsprozess bietet auch für nichteuropäische Unternehmen enorme
Chancen, denen allerdings gewisse Risiken gegenüberstehen. Als Folge der zunehmenden
Integration werden europäische Unternehmen wachsen und wettbewerbsfähiger werden.
Möglicherweise noch schwerer wiegt allerdings die Sorge, dass reduzierte Handelsbarrieren
innerhalb Europas möglicherweise zu einer verstärkten Abschottung nach außen führen wer-
den. Einige Beobachter sprechen schon von der „Festung Europa“, die eigene Unternehmen
bevorzugt und Außenstehende durch die Errichtung von Hindernissen wie etwa striktere
Importquoten, lokale Sondervorschriften und andere Handelsbarrieren ausschließt.
Fortschritte in der europäischen Einigung werden nur langsam erzielt. Trotzdem gingen am
1. Januar 1999 elf der damals 15 Mitgliedsstaaten (ausgenommen Großbritannien, Griechen-
land, Dänemark und Schweden) einen bedeutenden Schritt zur Einigung, indem sie den Euro
als gemeinsame Währung für 290 Millionen Verbraucher einführten. Die Einführung des
Euro nimmt einen Großteil des Währungsrisikos aus dem innereuropäischen Geschäft,
sodass Länder mit zuvor schwacher Eigenwährung plötzlich als Märkte attraktiv werden.
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19 Internationales Marketing
Durch den Abbau der Wechselkursschranken stärkt die neue gemeinsame Währung auch den
grenzüberschreitenden Handel und Preis- und Marktunterschiede zwischen den einzelnen
Ländern werden deutlicher sichtbar.
Aber selbst die Einführung des Euro als Standardwährung schafft aus Marketingperspektive
keinen homogenen Markt. Wie ein internationaler Analyst so treffend sagte: „Was ist schon
die steuerliche Harmonisierung gegen 2.000 Jahre bestehende Traditionen?“ Angesichts zwei
Dutzend verschiedener Sprachen und unterschiedlicher nationaler Bräuche wird die EU
wohl nie zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ heranwachsen. Denn selbst wenn wirt-
schaftliche und politische Grenzen fallen, bleiben doch soziale und kulturelle Unterschiede
bestehen, und das Marketing muss nach wie vor eine Vielzahl lokaler Vorschriften und
Eigenheiten beachten. Die unterschiedlichen Ansichten und Motivlagen innerhalb der EU
werden besonders deutlich durch die Verhandlungen zur Schaffung eines Vertrags über eine
Verfassung für Europa, die durch Volksabstimmungen in Frankreich, den Niederlanden und
Irland starke Rückschläge erlitten. Ungeachtet dessen hat die europäische Einigung den Kon-
tinent zu einer effizienteren und wettbewerbsfähigeren globalen Kraft gemacht.
Im Januar 1994 trat mit dem NAFTA, dem North American Free Trade Agreement, eine
Freihandelszone zwischen den USA, Mexiko und Kanada in Kraft. Dieses Abkommen schuf
einen gemeinsamen Markt mit 470 Millionen Einwohnern, die jährlich Waren und Dienst-
leistungen im Wert von mehr als 15 Billionen Euro produzieren und konsumieren. Wird
NAFTA über einen Zeitraum von 20 Jahren implementiert, sind damit alle Handelsbarrieren
und Investitionsbeschränkungen zwischen den drei Ländern beseitigt. Nach Aussagen des
Internationalen Währungsfonds (IWF) hat sich der Handel zwischen diesen drei Ländern von
225 Milliarden Euro im Jahr 1993 auf 0,8 Billionen Euro mehr als verdreifacht. In Zukunft
soll NAFTA abgelöst werden durch ein neues, USMCA genanntes Abkommen.5
In Anlehnung an NAFTA wurde 2005 CAFTA-DR, das Dominican Republic-Central Ameri-
can Free Trade Agreement, eine Freihandelszone zwischen den USA, Costa Rica, der Domini-
kanischen Republik, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua, gegründet.
Andere Freihandelszonen wurden in Latein- und Südamerika gegründet. So verbindet UNA-
SUR, gegründet 2004 und durch einen Verfassungsvertrag formalisiert im Jahr 2008, heute
zwölf Mitgliedsstaaten. Mit einer Gesamtbevölkerung von mehr als 387 Millionen Menschen,
einer Wirtschaftsleistung von mehr als 3,6 Billionen Euro ist UNASUR der größte Handels-
block nach der NAFTA und der EU.
5 Siehe zu den Statistiken und weiteren Informationen CIA, The World Factbook und Harold Meyer-
son, „Free trade and the loss of US jobs“, Washington Post, 14. Januar 2014, www.washington-
post.com/opinions/haroldmeyerson-free-trade-and-the-loss-of-us-jobs/2014/01/14/894f5750–7d59–
11e3–93c1–0e888170b723_story.html.
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19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds
Die hier genannten und weitere Freihandelsgemeinschaften sind aus Abbildung 19.3
ersichtlich. Tatsächlich ist fast jedes WTO-Mitglied zugleich auch Mitglied in einer oder
in mehreren dieser Gemeinschaften. Von den etwa 100 bei der WTO gelisteten Freihan-
delsabkommen entstanden mehr als die Hälfte in den 1990er-Jahren.
EU
Europäische Union
ANDENGEMEINSCHAFT
Belgien, Bulgarien, Dänemark,
Bolivien, Ecuador,
Deutschland, Estland, Finnland, ASEAN Kolumbien, Peru
Frankreich, Griechenland,
Großbritannien, Irland, Italien, Association of Southeast
Kroatien, Lettland, Litauen, Asian Nations
EWR
Luxemburg, Malta, Niederlande, Brunei, Kambodscha, NAFTA
Europäischer Österreich, Polen, Portugal, Indonesien, Laos, Malaysia,
Wirtschaftsraum Rumänien, Schweden, Slowakei, Myanmar, Philippinen, North American Free
Mitglieder der EU, Island, Slowenien, Spanien, Tschechien, Singapur, Thailand, Trade Agreement
Liechtenstein, Norwegen Ungarn, Zypern Vietnam Kanada, Mexiko, USA
SADC
Southern African
Development Community
Angola, Botswana, Kongo, SAARC APEC MERCOSUR
Lesotho, Madagaskar,
Malawi, Mauritius, South Asian Association for Asia-Pacific Economic Cooperation Argentinien, Brasilien,
Mosambik, Namibia, Sambia, Regional Cooperation Australien, Brunei, Chile, Paraguay, Uruguay,
Seychellen, Simbabwe, Afghanistan, Bangladesch, China, Hongkong, Indonesien, Venezuela
Südafrika, Swasiland, Tansania Bhutan, Indien, Malediven, Japan, Kanada, Malaysia,
Nepal, Pakistan, Sri Lanka Mexiko, Neuseeland, Papua-
Neuguinea, Peru, Philippinen, CAFTA-DR
UEMOA Russland, Singapur, Südkorea, Central America Free Trade
Republik China auf Taiwan, Agreement-Dominican Republic
West African Economic
Thailand, USA, Vietnam
and Monetary Union Costa Rica, Dominikanische
Benin, Burkina Faso, Republik, El Salvador, Guatemala,
Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Honduras, Nicaragua, USA
Mali, Niger, Senegal, Togo
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19 Internationales Marketing
Jeder Staat zeichnet sich durch Besonderheiten aus, die es zu verstehen gilt. Die Bereitschaft
eines Landes, verschiedene Produkte und Dienstleistungen anzunehmen, und seine Attrakti-
vität als Markt für ausländische Unternehmen hängen vom jeweiligen wirtschaftlichen, poli-
tisch-rechtlichen und kulturellen Umfeld ab. Wir befassen uns als Nächstes mit der Bedeu-
tung dieses Umfelds.
Die Wirtschaftsstruktur
Die Wirtschaftsstruktur eines Landes ist verantwortlich für den Bedarf an Produkten und
Dienstleistungen, sie bestimmt das Einkommensniveau und die Beschäftigung. Man kann
vier Grundtypen beobachten:
1. Subsistenzwirtschaften In einer Subsistenzwirtschaft ist die Mehrheit der Bevölkerung an
die einfache Landwirtschaft gebunden. Deren Output wird größtenteils konsumiert und
ein verbleibender Rest wird für einfache Güter und Leistungen getauscht. Es bestehen hier
nur wenige Marktmöglichkeiten. Viele afrikanische Länder fallen in diese Kategorie.
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19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds
2. Rohstoff exportierende Länder Diese Länder sind reich an einem oder mehreren Roh-
stoffen, in Bezug auf alle anderen Aspekte jedoch arm. Das Einkommen stützt sich
hauptsächlich auf den Export dieser Rohstoffe. Beispiele für derartige Volkswirtschaften
sind Chile (Zinn und Kupfer), Kongo (Kupfer, Kobalt, Kaffee) oder Saudi-Arabien
(Erdöl). Diese Länder sind gute Abnehmer für Großausrüstungen, Werkzeuge und Ver-
brauchsstoffe, Baumaschinen und Lastwagen. Leben dazu im Land noch viele Auslän-
der und gibt es eine wohlhabende Oberschicht, dann existiert ein beschränkter Markt
für Luxusgüter.
3. Schwellenländer In einem Schwellenland ist die verarbeitende Industrie für das
schnelle gesamtwirtschaftliche Wachstum verantwortlich. Hierzu zählen die BRIC-Staa-
ten – Brasilien, Russland, Indien und China. Mit dem Wachstum der produzierenden
Wirtschaft benötigen solche Länder große Mengen an Textilrohstoffen, Stahl und schwe-
ren Maschinen. Die Industrialisierung erzeugt typischerweise eine neue reiche Ober-
schicht und eine wachsende Mittelschicht. Beide Schichten verlangen nach neuen Im-
portgütern aus den Bereichen Mode, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik.
Da viele entwickelte Märkte stagnieren und die Wettbewerbsintensität steigt, versuchen
viele Marketer nun, sich auf Wachstumschancen in Schwellenländern zu fokussieren.
4. Industriestaaten Industriestaaten sind Exporteure von Fertigwaren, Dienstleistungen
und Kapital. Große Anteile des Außenhandels finden zwischen den Industriestaaten
selbst statt, sie liefern jedoch ihre Produkte auch gegen Rohstoffe und halbfertige Pro-
dukte an die anderen Gruppen. Die vielfältigen Produktionsaktivitäten der Industrie-
staaten und ihre große Mittelschicht machen sie zu attraktiven Märkten für alle Arten
von Gütern und Dienstleistungen. Zu dieser Kategorie werden beispielsweise die USA,
der Großteil von Europa und Japan gezählt.
Die Einkommensverteilung
Die zweite relevante wirtschaftliche Kenngröße ist die Einkommensverteilung innerhalb
eines Landes. Länder mit einer Subsistenzwirtschaft bestehen meist aus Haushalten mit
einem geringen Haushaltseinkommen. In vielen Fällen besitzen jedoch auch ärmere Länder
wenige, aber sehr wohlhabende Bevölkerungssegmente. Im Gegensatz dazu können Indust-
riestaaten Haushalte mit geringem, mittlerem und hohem Einkommen aufweisen. In man-
chen Ländern fehlt eine Mittelschicht und es dominieren Haushalte, die entweder über sehr
geringe oder sehr hohe Einkünfte verfügen.
Insbesondere Konsumenten aus höheren Einkommensklassen in Entwicklungsländern stellen
in Zukunft attraktive Märkte für verschiedenste Waren dar, Luxusgüter mit eingeschlossen.
Daher befinden sich auch viele Hersteller von Luxusmarken auf dem chinesischen Markt.
Mehr als die Hälfte von Chinas 1,37 Milliarden Einwohnern kann sich kaum Reis leisten,
geschweige denn irgendwelche Luxusgüter. Der World Bank zufolge leben mehr als 250 Mil-
lionen Chinesen von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Trotzdem etablieren sich in China
immer häufiger hochpreisige Marken wie Gucci, Cartier, BMW oder Bentley. Wie können
Anbieter von Handtaschen für 2.000 Euro, Uhren für 20.000 Euro und Luxuslimousinen für
mehr als 500.000 Euro in einem Entwicklungsland bestehen? Sehr einfach, meint der
Geschäftsführer von Cartier. „Denken Sie daran, dass selbst mittelgroße Städte in China ...
mehr Einwohner haben als die Schweiz. Es macht also nichts, wenn der Anteil derjenigen,
die sich unsere Produkte leisten können, sehr klein ist.“ Das heißt, obwohl China nur 1,7
Millionärshaushalte pro 1000 Haushalte hat, liegt es mit seiner Gesamtzahl an Millio-
närshaushalten nach den Vereinigten Staaten an zweiter Stelle.
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19 Internationales Marketing
6 Siehe dazu „2013 investment climate statement-Russia“, US Bureau of Economic and Business Af-
fairs, February 2013, www.state.gov/e/eb/rls/othr/ics/2013/204720.htm; „Welcome to the US Com-
mercial Service in Russia“, http://export.gov/russia/, Zugriff Oktober 2015.
7 Laurent Belsie, „What will Venezuela do with its oil?“, Christian Science Monitor, 6. März 2013,
www.csmonitor.com/Environment/2013/0307/What-will-Venezuela-do-with-its-oil-Top-five-energy-
challengesafter-Chavez/Oil-bartering; John Paul Rathbone, „Venezuela: in search of a solution“, Fi-
nancial Times, 2. März 2014, www.ft.com/intl/cms/s/2/45c3cae4-a049–11e3–8557–00144feab7de.ht-
ml#axzz2xgjEix7Y; International Reciprocal Trade Association, www.irta.com/index.php/about/
modern-trade-barter, Zugriff Oktober 2015.
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8 Zu diesen und anderen Beispielen siehe Emma Hall, „Do you know your rites? BBDO does“, Adver-
tising Age, 21. Mai 2007, S. 22.
9 Jamie Bryan, „The Mintz Dynasty“, Fast Company, April 2006, S. 5661; Viji Sundaram, „Offensive
durga display dropped“, India-West, Februar 2006, S. A1 und Emily Bryson York und Rupal Parekh,
„Burger King’s MO: offend, earn media, apologize, repeat“, Advertising Age, 8. Juli 2009, http://ada-
ge.com/print?article_id=137801, zu anderen Beispielen siehe Ruth Manuel-Logan, „Dunkin’ Donuts
apologizes for ,racist‘ blackface ad“, New One, 3. September 2013, http://newsone.com/2709598/
dunkindonuts-charcoal/ und Chris Isidore, „Chevy pulls ad offensive to Chinese“, CNNMoney, 1.
Mai 2013, money.cnn.com/2013/05/01/news/companies/offensive-chevy-ad/.
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Geschäftsleute empfinden dieses Verhalten jedoch häufig als anstößig. Sie bevorzugen für den
Einstieg eine höfliche Unterhaltung und antworten ihrem Gegenüber äußerst selten mit Nein.
Auch ein fester Händedruck ist in den meisten westlichen Ländern eine gängige und
geschätzte Begrüßung; in manchen Ländern des Nahen Ostens jedoch kann dieser verweigert
werden. Microsoft-Gründer Bill Gates geriet einst in eine heftige internationale Kontroverse,
als er dem südkoreanischen Präsidenten die rechte Hand gab und die linke in seiner Tasche
behielt – eine solche Geste empfinden die Koreaner als höchst respektlos. In bestimmten
Ländern gilt es als Zeichen der Unzufriedenheit, wenn der Gast nach dem Essen etwas auf
seinem Teller übriglässt. Anderswo dagegen kann es als Beleidigung aufgefasst werden, bis
auf den letzten Bissen alles zu verschlingen, da es dem Gastgeber suggeriert, nicht genug ser-
viert zu haben.10 Verantwortliche in den Unternehmen müssen diese feinen kulturellen
Unterschiede verstehen, ehe sie den Geschäftsbetrieb in einem fremden Land aufnehmen.
Im Umkehrschluss gilt, dass Unternehmen, denen diese Unterschiede bekannt sind, ihr Wis-
sen zum eigenen Vorteil auf den globalen Märkten nutzen können. Das Möbelhaus IKEA bei-
spielsweise ist ein Magnet für die aufstrebenden chinesischen Verbraucher. Doch IKEA hat
auch begriffen, dass Kunden in China weitaus mehr erwarten als nur bezahlbare Möbel im
skandinavischen Design.11
„Yi Jia“ heißt IKEA auf Chinesisch. Übersetzt bedeutet dies „gemütliches Zuhause“ – ein
Konzept, das die Millionen Kunden, die jedes Jahr eine der 15 riesigen IKEA-Filialen besu-
chen, wörtlich nehmen. „Die Kunden machen einen Familienausflug, legen sich für ein
Nickerchen in die Ausstellungsbetten und lassen sich inmitten der Dekoration fotografieren.
Sie genießen stundenlang die klimatisierten Räume und kostenlosen Wasserspender“, so ein
Beobachter. An einem typischen Samstagnachmittag sind beispielsweise alle Betten und
anderen Ausstellungsmöbel in der gewaltigen chinesischen IKEA-Filiale belegt, Kunden aller
Altersklassen ruhen sich dort aus oder schlafen. In einem chinesischen IKEA fanden sogar
schon Hochzeiten statt. IKEA-Manager fördern dieses Verhalten ganz bewusst, da nach ihrer
Erfahrung die familiäre Atmosphäre später zu realen Umsätzen führt – wenn das Einkommen
der Kunden für die Erfüllung ihrer Einrichtungsträume reicht. „Wenn Sie vielleicht zehn
Jahre lang IKEA besucht, dort Fleischbällchen, Hot Dogs oder Eiscreme verzehrt haben, dann
ist das womöglich Ihre erste Anlaufstelle für ein neues Sofa“, sagt der Vorsitzende für den
Asien-Pazifik-Raum des Unternehmens. Dank dieses kulturellen Verständnisses konnte IKEA
bereits 7 Prozent des aufstrebenden chinesischen Möbelmarkts abschöpfen und die Umsätze
in China im letzten Jahr um 17 Prozent steigern. Und was halten die Chinesen von schwedi-
schen Fleischbällchen? „Sie lieben sie“, meint der Marketingdirektor für IKEA China.
10 Zu diesem und weiteren Beispielen siehe Bill Chappell, „Bill Gates’ handshake with South Korea’s
Park sparks debate“, NPR, 23. April 2013, www.npr.org/blogs/thetwo-way/2013/04/23/178650537/
bill-gates-handshake-withsouth-koreas-park-sparks-debate; „Managing quality across the (global) or-
ganization, its stakeholders, suppliers, and customers“, Chartered Quality Institute, www.thecqi.org/
Knowledge-Hub/Knowledge-portal/Corporate-strategy/Managing-quality-globally, Zugriff Oktober
2015.
11 Die Zitate und das Beispiel sind den folgenden Quellen entnommen: David Pierson, „Beijing loves
IKEA – but not for shopping“, Los Angeles Times, 25. August 2009, http://articles.latimes.com/2009/
aug/25/business/fi-china-ikea25; Michael Wei, „In IKEA’s China stores, loitering is encouraged“,
Bloomberg Businessweek, 1. November 2010, S. 22–23 sowie Pan Kwan Yuk, „IKEA in China: tur-
ning gawkers into customers“, BeyondBrics, 4. April 2013, http://blogs.ft.com/beyond-brics/2013/
04/04/ikea-in-china-turning-gawkers-intoconsumers/?#axzz2SobYFh98 und „A wedding in Aisle 3?
Why IKEA encourages Chinese to make its stores their own“, Advertising Age, 10. Dezember 2013,
http://adage.com/print/245573/.
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19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds
Demzufolge hilft das Verständnis von kulturellen Traditionen, Vorlieben und Verhaltenswei-
sen nicht nur, peinliche Fehler zu vermeiden, sondern auch Unterschiede zwischen Kultu-
ren vorteilhaft zu nutzen.
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19 Internationales Marketing
iPhone“, meint der Geschäftsführer von KFC International. „Die Menschen drehten durch.“
Das nur für kurze Zeit erhältliche US-Produkt erzeugte einen Aufruhr im Internet und wurde
seitdem zu einem weltweiten Erfolg, von Kanada bis Australien, den Philippinen bis Malay-
sia.12
Als weiteres Beispiel stammen 90 Prozent der gezeigten Kinofilme in Europa aus der welt-
weit größten Filmindustrie Hollywood. Gleichzeitig setzt das britische Fernsehen alles
daran, mit bekannten US-Shows in Konkurrenz zu treten und bringt Hits wie „Who Wants to
Be a Millionaire“ und „American Idol“ hervor, deren Sendeformat inzwischen in 107 Län-
dern übernommen wurde. Während die chinesische und russische Jugend NBA-Jerseys
anzieht, tragen amerikanische Kinder auch die Fußballtrikots von Barcelona, Liverpool und
Inter Mailand. Umgekehrt werden amerikanische Kinder auch zunehmend von kulturellen
Elementen aus Asien und Europa geprägt. Die meisten Kinder wissen alles über Hello Kitty,
die Bakugan-Spieler des Schicksals und Nintendo- oder Sega-Videospielcharaktere. Auch
J.K. Rowlings Harry-Potter-Bücher haben die Fantasie einer ganzen Jugendgeneration rund
um den Globus belebt, von all den Erwachsenen ganz abgesehen, die dem Harry-Potter-Hype
ebenfalls verfallen sind. Obwohl die Globalisierung viele kulturelle Gräben überbrückt, ver-
mag sie diese jedoch nicht zu beseitigen. Vielmehr findet ein Kulturaustausch in zahlreichen
Richtungen statt. So hat die Globalisierung nicht nur Mickey-Maus-Ohren, sondern trägt
auch eine Burberry-Jacke, telefoniert mit einem Apple-Smartphone, kauft Möbel bei IKEA,
fährt einen Toyota Camry und schaut mit einem Fernseher von Samsung fern.
Da Englisch im Internet auch weiterhin die vorherrschende Sprache ist, haben viele Jugendli-
che überall auf der Welt, sobald sie Zugang zum Internet haben, zugleich Kontakt zur westli-
chen (häufig amerikanischen) Pop-Kultur. Dieselben Technologien ermöglichen es aber bei-
spielsweise auch Studenten aus den Balkanländern, die im Ausland studieren, Nachrichten
und Musik aus ihrem eigenen Land zu hören.
12 Siehe Kim-Mai Cutler, „Apple’s Chinese iPhone sales mind-boggling, bring China revenues to $7.9
billion“, Tech Crunch, 24. April 2012, http://techcrunch.com/2012/04/24/apples-iphone-sales-in-
chinaare-up-by-fivefold-from-a-year-ago/; Rachael Tepper, „Yum! Brands’ international product stra-
tegy: how the Double Down went global“, Huffington Post, 11. März 2013, www.huffingtonpost.com/
2013/03/11/yum-brands-internationalproduct-strategy_n_2814360.html.
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19.4 Die Auswahl der Zielländer
Anbieter stellen fest, dass ausländische Märkte bessere Gewinnchancen bieten als das eigene
Land. Der heimische Markt stagniert vielleicht, schrumpft sogar oder man benötigt eine brei-
tere Kundenbasis, um Vorteile gezielter nutzen zu können. Manche möchten vielleicht ihre
Abhängigkeit von einem bestimmten Markt und zugleich die damit verbundenen Risiken
verringern. Schließlich könnten die Kunden eines Unternehmens ins Ausland expandieren
und dort dieselben Dienste wie zu Hause in Anspruch nehmen wollen. Doch bevor ein
Unternehmen ins Ausland geht, muss es verschiedene Risiken abwägen und viele Fragen
über seine Fähigkeit, global aufzutreten, beantworten. Kann das betreffende Unternehmen
lernen, die Präferenzen und das Käuferverhalten in anderen Ländern zu verstehen? Kann es
wettbewerbsfähige und attraktive Produkte anbieten? Wird es in der Lage sein, sich an die
Kulturen anderer Länder anzupassen und den korrekten Umgang mit der Bevölkerung zu
gewährleisten? Verfügt die Geschäftsleitung des Unternehmens über die erforderliche inter-
nationale Erfahrung? Hat das Management die Auswirkungen der jeweils geltenden Vor-
schriften und des politischen Umfelds in den betreffenden Ländern berücksichtigt?
In China und Indien leben jeweils mehr als eine Milliarde Konsumenten, das sind viel-
versprechende Aussichten für internationale Konzerne. Doch die Erfahrung zeigt, dass
trotz der Attraktivität der Emerging Markets ihre Konsumenten ein unsicheres Ziel dar-
stellen. Viele bekannte Marken – von Unilever über Sony und Mercedes bis hin zu
Levi’s, Kellogg’s und Ford – hatten Schwierigkeiten, die Chancen der „Milliarden-
märkte“ tatsächlich zu nutzen.
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19 Internationales Marketing
Ein verbreiteter Fehler liegt in der Vorstellung, dass sich enorme Gewinnspannen aus
den drei oder vielleicht fünf Prozent wohlhabender Konsumenten der Emerging Mar-
kets erzielen lassen, die ganz allgemein Präferenzen für „Luxusgüter“ und auch die
nötige Kaufkraft haben. In Indien versuchte es Coca-Cola zunächst im obersten, reichs-
ten Segment und wollte dann nach unten in die ärmeren Bevölkerungsschichten vor-
dringen. Dazu führte man teure 350-Milliliter-Flaschen ein, anstatt es mit kleineren,
kostengünstigen Flaschen zu versuchen. Anstatt sich auf die Hauptstädte zu konzentrie-
ren, wurde von Anfang an der gesamte Subkontinent mit einer Gebindegröße und einem
einheitlichen Preis bearbeitet, wozu eine große Vertriebsorganisation und viel Werbung
erforderlich waren. Ford und andere Autohersteller verschätzten sich ebenfalls. Sie
begannen mit Mittelklassewagen auf einem Markt, der von Kleinwagen dominiert wird,
und hofften, trotz knapp 70 Prozent Überkapazitäten in der Produktion von Mittelklas-
seautos konkurrieren zu können. Kellogg’s bot Cerealien zum Vorzugspreis an, unter-
stützt durch kostspielige Marketingmaßnahmen. Doch schon bald musste das Unterneh-
men feststellen, dass trotz der vorliegenden Marktforschungsdaten, wonach Indien den
weltweit höchsten Cerealienkonsum aufweist, die Konsumenten doch lieber Produkte
von Champion’s kaufen, die für ein Fünftel der Preise von Kellogg’s angeboten werden.
Dagegen übertraf Akai, ein japanischer Produzent von Unterhaltungselektronik, spie-
lend den riesigen Konkurrenten Sony, einfach indem man billigere Fernsehgeräte anbot
und die alten Geräte der Kunden übernahm.
Obwohl Indien mit seiner 300 Millionen Menschen starken Mittelklasse durchaus einen
attraktiven Markt bildet, bleibt das Marktsegment, das sein Einkommen für teure Louis-
Vuitton-Handtaschen und Hermès-Halstücher ausgibt, doch vergleichsweise klein.
Sicher, die Zahl der relativ Wohlhabenden steigt schnell, aber sie bilden nach wie vor
eine Minderheit.
Analysten meinen, es sei wichtig, den indischen Markt nicht nur nach den Einkommen
zu beurteilen, sondern auch auf die tatsächlichen Konsumgewohnheiten zu achten.
Eine Unterteilung zeigt hier eine demografische Pyramide, bestehend aus fünf Ebenen:
die ganz Armen, die Aufstiegswilligen, die Hoffnungsträger, die Konsumierenden und
die Reichen, die im Jahr mehr als 25.000 Euro verdienen. Die 30 Millionen Menschen,
die normalerweise als potenzielle Konsumenten betrachtet werden, haben jedoch oft-
mals weniger verfügbares Einkommen als die Gruppen unter ihnen, weil sie mehr in die
Bildung ihrer Kinder investieren. Der untere Teil der Pyramide, vor allem die Aufstei-
genden mit stetig wachsendem Einkommen, ist dagegen schon attraktiver. Hindustan
Unilever Limited bot Produkte für jede dieser fünf Ebenen an. Man begann den Güter-
transport auf der Straße statt auf der Schiene zu organisieren und errichtete ein Netz-
werk von 40.000 Großhändlern und 500.000 Einzelhändlern, denen man Kredite
gewährte. Zudem machte man sich bewusst, dass zwei Drittel der Inder in ländlichen
Gebieten leben und die Hälfte in der Landwirtschaft tätig sind. Levi’s wandte sich zu
Beginn seines Indien-Engagements bewusst an die 156 Millionen Inder im Alter zwi-
schen 12 und 19, von denen 111 Millionen in ländlichen Gebieten leben. Spricht man
nur die privilegierte Schicht an, verbleiben gerade magere 500.000 kaufstarke urbane
Konsumenten.
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19.4 Die Auswahl der Zielländer
Nachdem Hindustan Unilever das Potenzial eines Markts, in dem nur 15 Prozent der
Menschen Shampoos benutzen, realisiert hatte, schlug das Unternehmen neue Wege ein
und begann mit Projekten, die Arme in ländlichen Gebieten erreichen sollten. Das
„Shakti-Projekt“ zum Beispiel erweitert die Marketingaktivitäten des Unternehmens,
indem es Frauen zu Selbsthilfe-Gruppen zusammenschließt, die kleine (Mikro-)Kredite
erhalten, um so ein Netzwerk zu schaffen, das eine Distribution der Produkte direkt zu
den Konsumenten unterstützt.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt daher in der Entwicklung von Produkten für jedes oder
zumindest den Großteil der fünf Konsumsegmente, statt sich ausschließlich auf den
„globalen Konsumenten mit hoher Kaufkraft“ zu fokussieren. Eine Segmentierung die-
ser Art ist jedoch kostspielig und nur dann gerechtfertigt, wenn die Konsumenten bereit
und in der Lage sind, für spezielle Produkte zu bezahlen. Die Erfahrungen von GlaxoS-
mithKline (GSK) in Indien zeigen uns, was man mit der gezielten Bearbeitung lokaler
Konsumenten erreichen kann und dass eine intelligente Segmentierung auch mit gerin-
gem Aufwand möglich ist. Horlicks, das Hauptprodukt von GlaxoSmithKline in Indien,
wurde über einen langen Zeitraum als „hervorragendes Familiennahrungsmittel“ positi-
oniert. Das Konzept entwickelte sich aufgrund der Milchknappheit und des schlechten
Gesundheitszustands der Bevölkerung gut, und die Menschen hatten offensichtlich
Bedarf an einem Ernährungszusatz. GSK baute eine eigene Lieferantenkette auf, arbei-
tete hart an der Senkung seiner Kosten sowie der Bestimmung marktgerechter Preise
und vermarktet sein Getränk heute als Nahrungsmittel für alle Jahreszeiten und Bevöl-
kerungsgruppen. Die Lieferantenkette erreicht mittlerweile 375.000 Verkaufsstellen in
allen Regionen Indiens. Die Marke Horlicks wurde nach und nach breiter diversifiziert
und heute wird „Junior Horlicks“ für Jugendliche und „Mother Horlicks“ für schwan-
gere oder stillende Frauen, Horlicks für Sport, Gesundheit, ältere Menschen oder Kinder
während der Fieberzeit im Monsun angeboten.
Die ersten, schwierigen eineinhalb Jahrzehnte von Unilever im Land der Mitte gipfelten
in der jüngsten durchgreifenden Restrukturierung des Chinageschäfts des Konzerns und
in einer sorgfältigen Anpassung an die Risiken bei einem Einstieg in diesen bevölke-
rungsreichen Weltmarkt. Die 14 Joint Ventures des Unternehmens mit lokalen Partnern
in den Bereichen Waschmittel, Nahrung und Wein bis hin zu Eiscreme, Zahnpasta und
Chemie werden nun in drei Gesellschaften gebündelt: Haus- und Körperpflege,
Eiscreme sowie Nahrung und Getränke. Eine entscheidende Veränderung war es, lokal
stärker Wurzeln zu schlagen. Die F&E-Aktivitäten wurden an den chinesischen
Geschmack und lokale Heilmittel angepasst. Indem man auf die reiche Erfahrung von
Hindustan Unilever Limited zurückgreift, was den Verkauf im ländlichen Indien
betrifft, zielt Unilever nun auch auf Konsumenten weit außerhalb der großen Städte
Chinas und erweitert die Preisbandbreite seiner verschiedenen Marken, wobei vor allem
das untere Ende des Markts angesprochen wird. So verkauft Unilever etwa Omo-Wasch-
mittel an wohlhabende, urbane Konsumenten, die eine Waschmaschine zur Verfügung
haben und bereit sind, für die Pflege ihrer Wäsche eine höhere Summe zu investieren.
Um aber mit den Angeboten lokaler Anbieter für den preissensiblen Massenmarkt kon-
kurrieren zu können, hat Unilever auch die billigere Sunlicht-Seife für weniger
anspruchsvolle Konsumenten im Programm.
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19 Internationales Marketing
Immer mehr multinationale Konzerne wie Unilever, Procter & Gamble, Nestlé und Coca-
Cola stellen fest, dass die Konsumenten in Emerging Markets wie Indien und China
nicht einfach anzusprechen sind, wenn nicht etwas angeboten wird, was für den Mas-
senmarkt attraktiv ist. Produkte, die lediglich aus den reichen Industriestaaten über-
nommen werden, sprechen offenbar nur eine ziemlich kleine privilegierte Gruppe an.
Internationale Konzerne müssen sich gründlicher mit der lokalen Konsumentenbasis
auseinandersetzen, um das Potenzial der Milliardenmärkte ausschöpfen zu können.
Nach der Auswahl grundsätzlich infrage kommender Länder muss das Unternehmen jedes
einzelne bewerten und dabei zahlreiche Faktoren miteinbeziehen. Die Entscheidung von
Netflix zur Expansion in europäische Länder wie Deutschland, Frankreich, Italien und Spa-
nien schien beispielsweise zunächst ein Kinderspiel. Netflix muss seine Abonnentenbasis
erhöhen, um die rasant steigenden Programmkosten zu decken, und Europa bietet enorme
Chancen. Westeuropa kann 134 Millionen Haushalte mit Breitband-Anschluss vorweisen,
die USA nur 88 Millionen. Netflix ist bereits in Europa aktiv; in Schweden ist es nach nur
zwei Jahren bereits Marktführer bei den Videodiensten.13
Bei der weiteren Expansion in europäische Märkte musste sich Netflix allerdings wichtige
Fragen stellen. Kann man auf Landesebene effektiv mit den ansässigen Anbietern konkurrie-
ren? Können die zahlreichen Unterschiede im kulturellen und Kaufverhalten gemeistert wer-
den? Ist man in der Lage, Umweltauflagen und regulatorische Hürden in jedem Land zu
bewältigen? Die Expansion auf dem schwierigen lateinamerikanischen Markt war zum Bei-
spiel eher problematisch, da das E-Commerce hier noch wenig ausgeprägt ist. Mit dem
Markteintritt in Europa stand Netflix vor vielen Herausforderungen. So wimmelt es in
Europa nur so von großen Wettbewerbern. Mehr als ein Dutzend regionaler Konkurrenten mit
ähnlichen Diensten tummeln sich seit einigen Jahren auf den Markt.
Auch das Angebot ist enorm wichtig. Obwohl Netflix sein eigenes Portfolio an internationa-
len Filmrechten aufgebaut hat, besitzen europäische Konkurrenten bereits exklusive natio-
nale Rechte an vielen beliebten Sendungen aus den USA und anderen Ländern. Auch mit
regulativen Hürden könnte Netflix konfrontiert werden. In Frankreich beispielsweise dürfen
Dienste wie Netflix Filme erst drei Jahre nach der Kinopremiere ausstrahlen und Video-
dienste müssen in der Regel in die landeseigene Filmproduktion investieren. Doch all diese
Herausforderungen lassen Netflix-Vorstand Reed Hastings unbeeindruckt. „Wir können [in
diesen neuen Märkten] immer noch sehr erfolgreich werden“, sagt er. Wohin es für Netflix in
Zukunft auch geht, „ich denke, am wichtigsten ist ein einzigartiges Programm, ein hervorra-
gender Ruf und ein gutes Leistungsversprechen“. Genau in diesen Bereichen ragt Netflix her-
aus.
Potenzielle globale Märkte sollten nach verschiedenen Faktoren bewertet werden, darunter
Marktgröße, Marktwachstum, die Kosten für den Geschäftsbetrieb, Wettbewerbsvorteile und
Risikohöhe. Ziel ist die Bestimmung des Marktpotenzials für jedes Land durch Indikatoren
wie die in Tabelle 19.1 aufgelisteten. Anschließend müssen die Marketingverantwortlichen
entscheiden, welche Märkte die größten Erfolgsaussichten versprechen.
13 Das Netflix-Beispiel basiert auf Informationen aus der folgenden Quelle: Sam Schechner „Europe’s
media giants prep for Netflix landing“, Wall Street Journal, 29. Januar 2014, http://online.wsj.com/
news/articles/SB20001424052702303277704579348774128548520.
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19.5 Bestimmung der Form des Markteintritts
1. Demografische Kenngrößen
Einwohnerzahl und Bevölkerungswachstum
Alters- und Bevölkerungsstruktur
Bildung
2. Geografische Kenngrößen
Physische Größe eines Landes
Bevölkerungsdichte (ländlich/städtisch)
Verkehrsinfrastruktur und Marktzugang
Klimatische Bedingungen
3. Wirtschaftliche Kenngrößen
Größe und Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts
Einkommensverteilung
Industrielle Infrastruktur
Natürliche Rohstoffe
Finanzielle und personelle Ressourcen
4. Soziokulturelle Faktoren
Lebensstil, Ansichten und Wertvorstellungen der Konsumenten
Geschäftsgebaren und -gepflogenheiten
Kulturelle und soziale Normen
Unterschiedliche Sprachregionen
5. Politische und gesetzliche Faktoren
Nationale Prioritäten
Politische Stabilität
Einstellung der Regierung gegenüber globalem Handel
Regierungsbürokratie
Währungs- und Handelsbestimmungen
Tabelle 19.1: Indikatoren des Marktpotenzials
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19 Internationales Marketing
19.5.1 Export
Der einfachste Weg, einen Auslandsmarkt zu bedienen, ist der Export. Ein Unternehmen
kann von Zeit zu Zeit Überproduktionen auf dem Exportmarkt anbieten oder aktiv danach
streben, einen oder mehrere Auslandsmärkte mit Exporten zu bedienen. In beiden Fällen fin-
det die gesamte Produktion im Herkunftsland des Anbieters statt. Gelegentlich wird die Pro-
duktion von Varianten für Exportmärkte nötig sein, in vielen Fällen aber können Inlandspro-
dukte unverändert ins Ausland geliefert werden. Von allen Auslandstätigkeiten verlangt der
Export am wenigsten Veränderungen bei den Produkten, in der Organisation, bei den Investi-
tionen und bei der Mission des Unternehmens.
Exporte
Viele Unternehmen beginnen ihre Auslandstätigkeit mit indirektem Export, das heißt sie
suchen die Zusammenarbeit mit unabhängigen Exporteuren oder die Exporteure treten an sie
heran. Indirekte Exporte erfordern niedrige Investitionen und bergen ein geringeres Risiko,
denn das Unternehmen braucht keine Verkaufsorganisation im Ausland. Die Export-Interme-
diäre (Exportunternehmen, Exportagenten, Genossenschaften, staatliche Exportförderungsge-
sellschaften usw.) bringen ihr Know-how sowie bestimmte Dienstleistungen in die Geschäfts-
beziehung ein, sodass der Exporteur durch die Zusammenarbeit Fehler vermeiden kann. In
einem weiteren Schritt können Anbieter in den direkten Export einsteigen, bei dem sie die
Exporttätigkeit in eigener Regie durchführen. Investitionen und Risiko sind etwas höher,
aber dafür auch die möglichen Gewinne.
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19.5 Bestimmung der Form des Markteintritts
L izenzvergaben
Die Lizenzvergabe ist eine vergleichsweise einfache Methode, auf Auslandsmärkten tätig zu
werden. Das Unternehmen bietet einem ausländischen Lizenznehmer einen Vertrag zur
Bedienung dessen Heimatmarkts an. Für eine pauschalierte oder volumenabhängige Lizenz-
gebühr erhält der Lizenznehmer das Recht, den Herstellungsprozess, die Marke, die Patente
oder anderes wichtiges Know-how zu nutzen. In der Regel ist dies mit Vorteilen für beide
Partner verbunden: Der Lizenzgeber bedient einen Markt bei geringem Risiko, der Lizenzneh-
mer erhält das Produktions-Know-how bzw. ein eingeführtes Produkt oder einen bekannten
Markennamen, ohne dies selbst aufbauen zu müssen. Coca-Cola vermarktet seine Produkte
international durch lizenzierte Abfüller auf der ganzen Welt, die die benötigten Grundstoffe
erhalten, um das Endprodukt zu produzieren. Seine globalen Abfüllpartner reichen von der
Coca-Cola Bottling Company in Saudi-Arabien bis hin zur europäischen Coca-Cola Hellenic,
die Coca-Cola-Produkte für 28 Länder, von Italien und Griechenland bis hin zu Nigeria und
Russland abfüllt und an rund 560 Millionen Menschen vermarktet.
Die Lizenzvergabe bringt jedoch auch Nachteile mit sich. Der Lizenzgeber hat weniger Ein-
fluss auf den Lizenznehmer, als er auf eigene Geschäftsvorgänge hätte, und verzichtet viel-
leicht auf Gewinne, wenn der Absatz hoch ist. Wenn der Lizenzvertrag endet, hat er unter
Umständen einen leistungsfähigen Konkurrenten herangezogen.
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19 Internationales Marketing
J oint ownerships
In einem Joint ownership als „echtem Gemeinschaftsunternehmen“ führen das inländische
Unternehmen und der ausländischer Partner Teile ihrer Ressourcen zusammen. Zwei Varian-
ten sind denkbar: Entweder kauft das ins Ausland expandierende Unternehmen einen Anteil
an einem lokalen Partner oder es gründet gemeinsam mit diesem ein neues Unternehmen.
Eine Beteiligung kann aus ökonomischen oder politischen Gründen sinnvoll sein, z.B. wenn
eine Firma über nicht genügend finanzielle, personelle oder betriebliche Mittel verfügt, das
Geschäft allein zu organisieren. Auch kann eine ausländische Regierung ein Beteiligungsun-
ternehmen als Voraussetzung für einen Markteintritt fordern.
Unternehmen bilden häufig Gemeinschaftsunternehmen mit gleicher Beteiligung zur Bünde-
lung ihrer gemeinsamen Stärken bei der Entwicklung globaler Marketingchancen. So hat Fiat
Chrysler Automobiles ein 50:50-Joint-Venture mit dem chinesischen Staatsbetrieb Guangz-
hou Automobile Group (GAC) gegründet, um Jeep-Geländefahrzeuge in China zu bauen. Jeep
war eine der ersten westlichen Automarken, die in China verkauft wurden, und ist dort
äußerst beliebt. Allerdings wurden sämtliche Fahrzeuge für den chinesischen Markt aus den
USA importiert und unterliegen 25%igen Importzöllen, was die Preise für den Jeep in uner-
messliche Höhen trieb. Vor dem Joint Venture kostete beispielsweise ein Jeep Grand Chero-
kee mit Top-Ausstattung in China satte 180.000 Euro, mehr als das Dreifache des US-Preises.
Nach der formalen Zustimmung können Fiat Chrysler und GAC unter dem Joint Venture
gemeinsam Jeeps in China bauen und so die Zölle vermeiden, Produktionskosten senken und
wettbewerbsfähige Preise für Jeep auf dem größten Fahrzeugmarkt der Welt ermöglichen.14
Solche Gemeinschaftsunternehmen haben jedoch auch Nachteile. Die Partner können über
Investitionen, Marketing oder andere Strategien uneins sein. Während viele EU-Unterneh-
men ihre Gewinne gern für weiteres Wachstum reinvestieren, bevorzugen inländische Fir-
men häufig eine Gewinnentnahme; während EU-Unternehmen die Bedeutung des Marke-
tings hervorheben, setzen inländische Investoren auf den Verkauf.
19.5.3 Direktinvestitionen
Das intensivste Engagement auf einem Auslandsmarkt stellt die Direktinvestition dar – die
Einrichtung einer ausländischen Basis für Montage oder Produktion.
So hat Ford mehr als 3,13 Milliarden Euro als Direktinvestition in mehrere asiatische Länder
getätigt, darunter Indien, China und Thailand. In Indien baute man ein zweites Werk, eine
900 Millionen Euro teure und hochmoderne Produktions- und Entwicklungsanlage, die mit
jährlich 240.000 neuen Autos die wachsende Nachfrage in Indien und anderen asiatischen
und afrikanischen Ländern befriedigen soll. Auch Honda und Toyota haben ähnlich hohe
Direktinvestitionen zur Produktion in Nordamerika getätigt.
So werden 90 Prozent der in den USA verkauften Honda- und Acura-Modelle in Nordame-
rika produziert. „Unsere grundlegende Philosophie ist, da zu produzieren, wo wir verkau-
fen“, sagt ein Verantwortlicher von Honda.15
14 Mike Ramsey und Christina Rogers, „Chrysler’s Jeep faces uphill climb in China“, Wall Street Jour-
nal, 10. Mai 2013, S. B4 sowie „Fiat said near deal to start Jeep SUV production in China“, Bloom-
berg, 4. Dezember 2013, www.bloomberg.com/news/2013–12–03/fiat-said-near-deal-to-makejeeps-
in-china-with-plant-compromise.html.
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19.5 Bestimmung der Form des Markteintritts
Wenn das Unternehmen schon Exporterfahrung hat und der Auslandsmarkt groß genug ist,
bieten Produktionskapazitäten vor Ort viele Vorteile:
1. Das Unternehmen dürfte in vielen Fällen niedrigere Kosten haben durch niedrigere
Löhne, preisgünstigere Rohmaterialien, Wirtschaftsförderung des ausländischen Stand-
orts und kürzere Transportwege.
2. Das Ansehen des Unternehmens wird gesteigert, weil es im Gastland Arbeitsplätze
schafft.
3. Man vertieft seine Beziehungen zu Regierung und Verwaltung im Gastland, zu den Kun-
den, zum Groß- und Einzelhandel, und kann seine Produkte besser auf die Erfordernisse
des regionalen Markts abstimmen.
4. Man behält die volle Kontrolle über die Investitionen und kann daher Produktions- und
Marketingstrategien entwickeln, die sich in die langfristigen internationalen Ziele einfü-
gen.
Der größte Nachteil der Direktinvestition sind die zahlreichen Risiken, wie zum Beispiel
Beschränkungen des Kapitalverkehrs, Währungsabwertungen, ein schrumpfender Markt
oder ein Machtwechsel in der Politik. In manchen Fällen muss ein Unternehmen diese Risi-
ken akzeptieren, wenn es im entsprechenden Gastland operativ tätig sein möchte.
Es gibt also viele direkte und indirekte Methoden, auf einem Auslandsmarkt tätig zu werden.
Unternehmen, die Güter und Dienstleistungen auf ausländischen Märkten verkaufen wollen,
sollten die Vor- und Nachteile der verschiedenen Zutrittsalternativen abwägen und sich für
den Weg entscheiden, der ihnen langfristig Erfolg versprechend erscheint.
Auf dem Weg zur Internationalisierung durchlaufen Unternehmen typischerweise vier Pha-
sen: unregelmäßige Exportaktivität, Export über unabhängige Agenturen, Errichtung einer
oder mehrerer Verkaufstöchter und von Produktionsstätten im Ausland. Die erste Herausfor-
derung besteht im gelungenen Übergang von Phase 1 zu Phase 2. Wenn man bereits über
Exporterfahrungen mit unabhängigen Agenturen in einem benachbarten oder zumindest
bekannten Land verfügt, engagiert man weitere Agenturen, um auch in anderen Ländern tätig
zu werden. Anschließend gründet man eine Exportabteilung für die Organisation und
Abwicklung der Geschäfte über diese Agenturen. Im Anschluss daran kann man diese durch
eine oder mehrere eigene Verkaufstöchter in den größten Exportmärkten ersetzen. Schlus-
sendlich richtet man eine internationale Abteilung für die Geschäfte mit ausländischen
Tochtergesellschaften ein. Erweist sich das Auslandsgeschäft als stabil und lohnend oder for-
dert das Gastland eine einheimische Produktion, geht man den nächsten Schritt und richtet
Produktionsanlagen in diesen Märkten ein. Hat ein Unternehmen einmal diese Phase
erreicht, kann man es als international bezeichnen, koordiniert es doch Beschaffung, Finan-
zierung, Produktion und Marketing im globalen Maßstab.
15 Aradhana Aravindan, „Ford looks to ride emerging market mini-SUV boom in India“, Reuters, 17.
Juni 2013, www.reuters.com/article/idUSBRE95G0RJ20130617; Alan Ohnsman, „Major auto produc-
tion at Toyota, Honda boosts US economy“, 17. Juli 2012, www.autonews.com; www.india.ford.com/
about, Zugriff Oktober 2015 sowie www.hondainamerica.com/manufacturing, Zugriff Oktober 2015.
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19 Internationales Marketing
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19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms
betriebener Restaurants, das überaus flexibel ist und sich ausgezeichnet an die Bedingungen
vor Ort anpassen lässt. Wir bieten Unternehmern die Chance, ein lokales Geschäft mit loka-
len Beschäftigten zu führen, das von einer lokalen Infrastruktur beliefert wird.“
In Frankreich werden McDonald’s-Kunden von Servicepersonal mit Krawatte und Jacke
bedient und bekommen zu ihrem Kaffee noch ein Stück Schokolade gereicht. Auch gibt es in
den französischen McDonald’s-Filialen iPods, sodass die Besucher sich hinsetzen und Musik
hören können. In Deutschland wurden viele Filialen rundum erneuert und im Rahmen des
McCafé-Konzepts sehr modern gestaltet. In England wurden außerdem limettengrüne „Egg“-
Stühle (benannt nach der eierförmigen Umhüllung des Stuhls) des berühmten dänischen
Architekten Arne Jacobsen aufgestellt.
Das Unternehmen hat seine Anpassungsstrategie sogar noch weiter getrieben und für Mitar-
beiter den „McPassport“ mit Angaben über Ausbildung und Sprachkenntnisse eingeführt.
Mit diesem Ausweis können Angestellte in sämtlichen Filialen in ganz Europa übernommen
werden. Der Ausweis soll den Wünschen der mobilen Jugend Europas entgegenkommen.
„Eine der größten Motivationen für Jugendliche ist es, herumreisen zu können“, meint Denis
Hennequin, der für die europäischen Filialen von McDonald’s verantwortlich ist. Er hofft,
dass die Ausweise in den Sommermonaten vor allem für Länder wie Griechenland und Ita-
lien genutzt werden.
Auch wenn sich Hennequin darüber freut, dass seine Angestellten international die Filialen
wechseln, sollen in seinen Restaurants lokale Bräuche erhalten bleiben und Menüs angebo-
ten werden, die den Vorlieben vor Ort entsprechen. „Wir sind nicht die Vereinigten Staaten
von Europa“, sagt er. „Wir haben 41 Länder, die sich zum Teil in völlig verschiedenen Ent-
wicklungsstadien befinden. Und darauf müssen wir Rücksicht nehmen.“
In Frankreich bietet McDonald’s eine Vielzahl von Salaten und frisches Obst sowie den Cro-
que McDo, das klassische französische Grill-Sandwich an. In Portugal gibt es auch Suppe auf
der Speisekarte, und wenn Herr Hennequin in London ist, isst er zum Frühstück Haferbrei
zusammen mit einem McBacon-Baguette und einem Egg McMuffin.
In Korea gibt es bei McDonald’s dagegen Bulgogi Burger, gegrillte Schweinepastetchen in
einem Brötchen mit Knoblauch-Soja-Sauce; in Indien, wo die Kühe als heilig gelten, isst man
McChicken, Filet-O-Fish, McVeggie (ein Gemüseburger), Pizza McPuffs, McAloo Tikki (ein
scharfer Kartoffelburger) oder den Maharaja Mac (Hühnchen mit einer speziellen Sauce,
Salat, Käse, Gewürzgurken und Zwiebeln in einem Sesambrötchen). In Japan erhält man den
Tatsuta Burger, in Thailand den McPork Burger mit Thai Basilikum und in Indonesien den
McTempeh Burger (aus fermentierten Sojabohnen).
Im Folgenden untersuchen wir, welche Optionen für die Gestaltung des internationalen Mar-
keting-Mix zur Verfügung stehen.
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19 Internationales Marketing
Produkt
unverändert angepasst neu
unveränderten anpassung
Produkts
3. Produktneu-
entwicklung
4. Kommunikations- 5. Duale
angepasst anpassung Anpassung
Produktadaption
Bei der Produktadaption werden Veränderungen am Produkt vorgenommen, um den lokalen
Präferenzen oder Bedingungen bestmöglich zu entsprechen.
McDonald’s ist zum Beispiel in über 100 Ländern vertreten, die sich zum Teil stark in den
lokalen Präferenzen bei Nahrungsmitteln unterscheiden. Man findet zwar die klassischen
Burger und Pommes Frites fast überall auf der Welt, aber die Restaurantkette hat auch spezi-
elle Menüs in ihr Angebot aufgenommen, um den individuellen Geschmacksvorlieben von
Kunden in lokalen Märkten Rechnung zu tragen. So gibt es beispielsweise Lachs-Burger in
Norwegen, Burger mit Kartoffelbrei in China oder den Samurai Pork Burger mit Schweine-
fleisch und Teriyaki-Sauce in Thailand.
Komatsu, ein japanischer Hersteller von Baumaschinen, musste für Finnland die Türgriffe
seiner Bagger verändern. Für die Fahrer, die im Winter dicke Handschuhe trugen, war es
unmöglich, die kleinen Türgriffe zu benutzen. Diese waren offensichtlich für die Finger des
durchschnittlichen Japaners konzipiert, aber nicht für die größeren und zudem mit Hand-
schuhen bekleideten Hände eines europäischen Benutzers.
Neuprodukt
Bei Entwicklung eines neuen Produkts wird ein Angebot von Grund auf neu entwickelt, um
auf dem jeweiligen Auslandsmarkt erfolgreich zu sein. So unterscheiden sich weltweit die
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19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms
Gewohnheiten von Frauen sehr stark. Japanerinnen waschen sich zum Beispiel nicht nur
einmal das Gesicht, sondern zweimal. Brasilianerinnen verbrauchen weltweit den meisten
Nagellack, da er bei ihnen zum normalen Schönheitsprogramm dazugehört.
„Die japanischen Frauen bevorzugen kompakte Pudercremes statt flüssiger Grundierungen“,
sagt Eric Bone, der Geschäftsführer von L’Oréals Forschungszentrum in Tokio. „Die Luftfeuch-
tigkeit ist [in Japan] sehr viel höher, und das Wichtigste ist eine lang anhaltende Abdeckung.“
Daher entwickelt L’Oréal speziell für Japan vor allem Pudercremes statt flüssige Make-ups. Da
die japanische Frau ihren Maskara sehr häufig benutzt, hat L’Oréal außerdem eine leichtere
Mischung entwickelt, als die, welche in Europa und Amerika verkauft wird. Laut Harvey
Gedeon, dem stellvertretenden Vorsitzenden des globalen Forschungs- und Entwicklungszent-
rums des Kosmetikgiganten Estée Lauder, sind in Asien besonders Make-ups gefragt, die für
einen ebenmäßigen Teint sorgen und kleine braune Flecken abdecken. In Ländern wie den
USA oder England sind diese Produkte weniger gefragt. Estée Lauder stellt daher für den asiati-
schen Markt spezielle Hautpflegeprodukte her, die die Gesichtsfarbe heller und strahlender
erscheinen lassen. Hierzu arbeitet das Unternehmen mit einem Innovationszentrum in Shang-
hai zusammen, das die Wirkung traditioneller chinesischer Kräuter und Pflanzen untersucht,
die in den Produkten verwendet werden könnten. Eine Produktneuentwicklung kann somit
sehr teuer sein, doch findet sie auf lokalen Märkten große Beachtung und zahlt sich häufig aus.
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19 Internationales Marketing
Kommunikationsanpassung
Bei einer Strategie der Kommunikationsanpassung passt man z.B. seine Werbebotschaften
oder -techniken umfassend an die lokalen Märkte an. In den Vereinigten Staaten und den
meisten westlichen Ländern gilt Joggen zum Beispiel als eine positive und gesunde sportli-
che Betätigung, weshalb bei den Anzeigen von Nike hier die Laufprodukte und körperliche
Leistung im Vordergrund stehen. In China dagegen gilt Laufen als langweiliger Sport, oder
sogar als Strafe – anstrengend und schmerzhaft. Die wenigsten Menschen in den asiatischen
Großstädten mit ihrer hohen Luftverschmutzung würden es freiwillig tun, schon gar nicht in
den verstopften Straßen voller Fußgänger, Fahrräder, Autos und sogar Rikschas. „Es ist wit-
zig: Wenn jemand durch die Straßen rennt, meist ein westlicher Tourist, drehen die Men-
schen sich um und wollen sehen, wer hinter ihm her ist“, scherzt ein Beobachter.
Doch China ist auch der größte Schuhmarkt weltweit und bietet enormes, bislang ungenutz-
tes Potenzial für Nike. Statt dort also Produkte und Leistung in den Vordergrund zu stellen,
verlagert sich die Werbung von Nike auf das Ziel, dass einfach mehr Chinesen Sportschuhe
tragen. In den Anzeigen und sozialen Medien sieht man ganz normale Menschen, die durch
die Straßen der Stadt laufen. Ein gestresster Büroangestellter, der in Shanghai lebt und läuft,
berichtet: „Diese Stadt ist ständig laut und hektisch. Das belastet meinen Tag nur noch mehr.
Ich denke, Laufen bedeutet für mich einfach diesen Lärm ausblenden zu können.“ Um das
Laufen zu einer sozialeren Aktivität zu machen, sponsert Nike auch die nächtlichen „Lunar
Runs“ in großen Städten wie Peking und Marathons in Shanghai, bei denen chinesische Stu-
denten und junge Berufstätige inspiriert von Fitnesstrainern, Livemusik und Prominenten
das Laufen als Vergnügen und Belohnung nach dem Unterricht oder dem Job erleben sollen.
Ziel ist es, dass zumindest so viele Menschen wie möglich das Laufen ausprobieren. Doch
die grundlegende Wahrnehmung des Sports zu verändern, dürfte nicht einfach sein. „Es liegt
ein langer Weg vor uns“, sagt ein Nike-Werbeverantwortlicher für China.16
Aber auch die Medien müssen international angepasst werden, weil ihre Verfügbarkeit, ihr
Gebrauch und gesetzliche Regulierungen von Land zu Land variieren. Die Werbezeit im
Fernsehen variiert in den verschiedenen europäischen Ländern von vier Stunden täglich in
Frankreich bis null in skandinavischen Ländern, weil dort Druckmedien der Fernsehwer-
bung vorgezogen werden. Die Werbetreibenden müssen die Zeit schon Monate im Voraus
buchen und haben nur wenig Kontrolle über die Ausstrahlungszeiten. Werbung auf Mobilte-
lefonen ist in Europa und Asien eher akzeptiert als in den USA. Verschiedene Printmedien
sind unterschiedlich wirksam. So gelten Magazine in Italien etwa als populäres Medium, in
Österreich hingegen weniger. Zeitungen sprechen in Großbritannien Kunden auf nationaler,
in Spanien aber nur auf lokaler Ebene an.
Duale Anpassung
Unternehmen verfolgen dann eine duale Anpassungsstrategie, wenn sowohl das Produkt als
auch die zu kommunizierende Botschaft an die Bedürfnisse und Erwartungen der Zielkun-
den in den verschiedenen Ländermärkten adaptiert werden.
16 „Nike faces ultimate marketing challenge in China: make running cool“, Advertising Age, 31. Okto-
ber 2011, S. 1+; „Firms help spur a running craze in China“, China Sports News, 30. Dezember 2013,
www.chinasportsbeat.com/2013/12/firmshelp-spur-running-craze-in-china.html sowie „Nike faces
tough competition in Europe and China“, Forbes, 4. März 2014, www.forbes.com/sites/greatspecula-
tions/2014/03/04/nike-facestough-competition-in-europe-and-china/.
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19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms
17 Informationen und Zitat entnommen aus Alistar Barr und Edward C. Baig, „Google targets low-end
smartphone market with Moto G“, USA Today, 13. November 2013, www.usatoday.com/story/tech/
2013/11/13/google-motorola-moto-g/3516039/; Brian X. Chen, „Motorola to offer Moto G smartpho-
ne aimed at emerging markets“, New York Times, 14. November 2013, S. B5.
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19 Internationales Marketing
In den letzten Jahren hatten technologische und wirtschaftliche Veränderungen einen großen
Einfluss auf die globale Preissetzung. Auch das Internet erhöht die Transparenz der internati-
onalen Preissetzung. Wenn Unternehmen ihre Produkte über das Internet verkaufen, können
die Kunden die Preise in unterschiedlichen Ländern sehen. Sie könnten sogar ein bestimm-
tes Produkt direkt vom Unternehmensstandort oder Händler beziehen, der den günstigsten
Preis anbietet. Dadurch werden Unternehmen zukünftig zu einer stärkeren Standardisierung
der internationalen Preisstellung gedrängt.
Vertriebskanäle Vertriebskanäle
Internationale
zwischen innerhalb Endverbraucher
Verkäufer
Ländern der Länder
Globales Wertschöpfungsnetzwerk
Abbildung 19.6: Grenzüberschreitender Vertrieb vom Hersteller bis zum Endverbraucher im Ausland
Die Vertriebskanäle können sich von Land zu Land stark unterscheiden. Es gibt sehr große
Unterschiede bei der Anzahl und beim Typ der Zwischenhandelsstufen sowie in der jeweili-
gen Verkehrsinfrastruktur. Weitere Unterschiede liegen in der Struktur der Handelsland-
schaft im Ausland. Während in Großbritannien, Deutschland und den USA große Handels-
ketten dominieren, teilen sich im übrigen Europa und in den meisten anderen Ländern der
Welt viele kleine unabhängige Einzelhändler den Markt. In Indien gibt es zum Beispiel Milli-
onen von Einzelhändlern, die ihren eigenen kleinen Laden haben oder auf dem Markt ver-
kaufen. Sie haben eine hohe Handelsspanne, doch wird der tatsächliche Preis noch vom
Kunden heruntergehandelt. Supermärkte könnten zwar niedrigere Preise anbieten, doch ist
es in Indien aus wirtschaftlichen und kulturellen Gründen schwierig, Supermärkte zu eröff-
nen. Inder haben niedrige Einkommen und bevorzugen es außerdem, jeden Tag kleinere
Mengen einzukaufen, statt wöchentlich einen Großeinkauf zu tätigen. Außerdem fehlt es
ihnen an Platz und Kühlschränken, um die Nahrung für mehrere Tage aufzubewahren. Auf
aufwendige Verpackungen wird hier auch weitgehend verzichtet, da es die Preise nur unnö-
tig erhöhen würde. Aus diesen Gründen haben Großhändler und Handelsketten häufig
Schwierigkeiten, sich in Entwicklungsländern zu etablieren.
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19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms
Selbst in Weltmärkten mit ähnlichen Anbietern können sich die Handelspraktiken erheblich
unterscheiden. So gibt es in chinesischen Großstädten zahlreiche Filialen von Walmart, Car-
refour, Tesco und anderen großen Einzelhandelsketten. Doch während die hier vertretenen
Konsummarken in westlichen Ländern hauptsächlich auf Selbstbedienung vertrauen, wer-
den in China ganze Scharen uniformierter weiblicher Animateure in den Filialen eingesetzt,
die Kostproben an die Kunden verteilen und die Produkte persönlich anpreisen. In einem
Pekinger Walmart trifft man an jedem Wochenende auf 100 oder mehr solcher sogenannter
Promoter, die den Kunden Produkte von Kraft, Unilever, P&G, Johnson & Johnson sowie eini-
gen heimischen Konkurrenten präsentieren. „Chinesische Verbraucher kennen die Marken-
namen aus den Medien“, sagt der Leiter eines chinesischen Dienstleisters für Handelsmarke-
ting. „Doch sie wollen das Produkt erleben und es ganz genau verstehen, ehe sie eine
Kaufentscheidung treffen.“18
An dieser Stelle sollte deutlich geworden sein, dass ein Unternehmen für die Entscheidungs-
findung bezüglich Vertriebskanälen in ausländischen Märkten eine Vielzahl von Informatio-
nen beschaffen muss und dass es teilweise sehr schwierig sein kann, sich mit seinen Produk-
ten in komplexen und etablierten Distributionssystemen des Auslands einen Platz zu
verschaffen. Beim Markteintritt im Ausland gilt es zunächst die passenden Lieferanten aus-
zuwählen und sich mit ihnen auf gemeinsame Distributions- und Leistungsziele zu einigen,
die für beide Seiten erstrebenswert sind.
Das nachfolgende Highlight zeigt auf, wie Coca-Cola sein Marketing und somit auch seine
Vertriebs- und Auslieferungssysteme in Afrika anpassen musste, um den lokalen Gegeben-
heiten zu entsprechen.
Coca-Cola ist weltweit eine echte Kultmarke – ein 38 Milliarden Euro schweres interna-
tionales Kraftpaket. Die Produkte von Coke sind für 98 Prozent der Weltbevölkerung
verfügbar. Schon jetzt die weltweite Nummer eins der Softdrink-Hersteller, hat Coca-
Cola drei Viertel seines 12-Jahres-Plans zur Verdopplung der globalen Umsätze bis 2020
erfüllt. Doch ein solches Wachstum ist nicht leicht zu erreichen. Hauptproblem: Die
Einnahmen der Softdrink-Branche in Nordamerika und Europa, zwei der größten und
profitabelsten Märkte von Coca-Cola, sprudeln nicht mehr so wie einst. Stattdessen ist
der US-Markt für Softdrinks fünf Jahre in Folge zurückgegangen. Da die Umsätze in den
ausgereiften Märkten stagnieren, muss sich Coca-Cola anderswo umsehen, um das ehr-
geizige Wachstumsziel zu erreichen. In den letzten Jahren versuchte es Coca-Cola
hauptsächlich in den globalen Schwellenländern wie China und Indien, die zwar eine
aufstrebende Mittelschicht, jedoch einen relativ schwachen Pro-Kopf-Verbrauch von
Coke-Produkten aufweisen. Doch sowohl in China als auch in Indien gibt es heute mas-
senhaft Konkurrenten und die Märkte sind für ausländische Unternehmen schwierig zu
steuern. Da sich Coca-Cola in diesen Ländern also einer starken Konkurrenz gegenüber-
sieht, nimmt es ein vielversprechenderes Ziel für das langfristige Wachstum ins Visier –
Afrika.
18 Anita Chang Beattie, „Catching the eye of a Chinese shopper“, Advertising Age, 10. Dezember 2013,
S. 20–21.
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19 Internationales Marketing
Viele westliche Unternehmen betrachten Afrika als letzte natürliche Grenze – eine Art
Niemandsland, geplagt von Armut, politischer Korruption und Instabilität, einem unzu-
verlässigen Transportsystem, Knappheit bei Wasser und anderen wichtigen Rohstoffen.
Doch Coca-Cola sieht auch genug Potenzial, um die Risiken zu rechtfertigen. Einer
Quelle zufolge befinden sich sechs der zehn am schnellsten wachsenden Märkte in
Afrika. Auf dem Kontinent leben mehr als eine Milliarde Menschen und es gibt eine
sich gerade entwickelnde Mittelschicht. Die Zahl der afrikanischen Haushalte mit
einem Mindesteinkommen von 4.000 Euro – das Niveau, ab dem Familien mindestens
die Hälfte ihres Einkommens für Non-Food-Produkte ausgeben – hat sich in den letzten
30 Jahren auf ein Drittel der Bevölkerung verdreifacht. „Die Bevölkerung ist unglaublich
jung und dynamisch“, sagt der frühere Coca-Cola-Vorstand Muhtar Kent, „[und] hat ein
enormes verfügbares Einkommen. Ich spreche von einem Bruttoinlandsprodukt von 1,3
Billiarden Euro. Das ist mehr als in Russland, mehr als in China.“
Coca-Cola ist kein Neuling in Afrika. Es ist dort seit 1929 aktiv und das einzige multina-
tionale Unternehmen, das in jedem Teil Afrikas seine Produkte verkauft. Der Marktan-
teil in Afrika und dem Nahen Osten beträgt beachtliche 29 Prozent; Pepsi erzielt dort
einen Marktanteil von 15 Prozent. Die Umsätze der Erfrischungsgetränke von Coca-Cola
in Afrika und dem Nahen Osten steigen jährlich um 6 Prozent, wohingegen sie in Nord-
amerika um 2 Prozent und in Europa um 1 Prozent zurückgehen.
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19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms
Doch Afrika bietet für Coca-Cola noch reichlich Wachstumspotenzial. Der jährliche Pro-
Kopf-Verbrauch von Coke liegt in Kenia beispielsweise bei gerade einmal 40 Einheiten;
in weiter entwickelten Ländern wie Mexiko beträgt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch
dagegen unglaubliche 728 Einheiten. Es ist also alles bereit für die Eroberung Afrikas,
nicht nur im Hauptsortiment der Erfrischungsgetränke, sondern auch in den anderen
Segmenten an Softdrinks, Wässern und Säften der Marke. Hat der Getränkeriese in den
letzten zehn Jahren schon rund 4,8 Milliarden Euro in den afrikanischen Markt inves-
tiert, will er diesen Betrag in den nächsten zehn Jahren verdoppeln – diese Maßnahme
umfasst Abfüllanlagen, Vertriebsnetzwerke, Dienste für Einzelhändler und eine Afrika-
weite Werbekampagne mit dem Titel: „Eine Milliarde Gründe, an Afrika zu glauben.“
Marketing in Afrika funktioniert völlig anders als in den weiter entwickelten Märkten
der Welt. „Afrika ist eben nicht … Atlanta“, bemerkt ein Analyst, „und Coke greift sozu-
sagen in einen Bienenstock, um an den Honig zu kommen.“ Neben dem reinen Marke-
ting über herkömmliche Kanäle in den größeren afrikanischen Städten setzt Coca-Cola
daher nun auch in kleineren Städten eine eher grundlegende Taktik an, um die Einnah-
men zu steigern. „[Nur] in einem Land präsent zu sein, ist leicht; man eröffnet einfach
in jeder Hauptstadt ein Depot“, so Vorstand Kent. „Doch darum geht es uns nicht in
Afrika. Hier können wir überall aktiv sein. Wir können in jede Stadt, jedes Dorf, jede
Gemeinde, jedes Township gehen.“ Durch eine Werbemaßnahme, die ein weiterer Ana-
lyst als „Straßenkampagne für Kunden, die noch keine Coke aus Kanistern trinken“
bezeichnet, haben die kleinen Läden in den Seitenstraßen an Bedeutung gewonnen.
Nehmen wir den Mamakamau Shop in Uthiru, einer ärmlichen Gemeinde außerhalb
von Nairobi, Kenia. Draußen brennen Müllhaufen und das Abwasser fließt durch eine
offene Rinne die Straße entlang.
Neben Coca-Cola-Produkten führt der Laden – ein sogenannter Duka – auch sämtliche
anderen Waren, von Matratzen bis Plastikeimern, auf einer Verkaufsfläche so groß wie
ein kleines Schlafzimmer. Doch Inhaberin Mamakamau Kingori hat den Coca-Cola-
„Goldstatus“ für Verkäufer erreicht, indem sie etwa 72 Coke-Produkte am Tag für je 30
Kenia-Schilling (0,27 Euro) pro Halbliter-Flasche verkaufte. Die meisten Kunden trin-
ken ihr Soda im Laden und sitzen auf umgedrehten roten Getränkekisten – sie können
sich den Flaschenpfand nicht leisten. Der Abfüller von Coca-Cola in Kenia verwendet
eine Glasflasche bis zu 70 Mal wieder.
Für den „Goldstatus“ befolgt Kingori peinlich genau die vorgegebenen Verkaufstaktiken.
Im Eingangsbereich ihres Ladens steht ein roter Kühlschrank mit Coca-Cola-Logo, der
von einem blauen Metallgitter geschützt wird. Wie die anderen Tante-Emma-Läden in
der Gegend bestückt sie den Kühlschrank mit Coke oben, Fanta in der Mitte und großen
Flaschen unten. Im Ladeninnern legt sie rote Angebotskarten aus, mit denen Coca-Cola
Menükombinationen bewirbt; zum Beispiel eine 300-Milliliter-Coke mit Ndazi, einer
Art Donut, für 25 Kenia-Schilling. In Kabira, einer weiteren ärmlichen Gegend nahe
Nairobi, reihen sich Coke-rot gestrichene Läden in den überfüllten Straßen aneinander.
Der örtliche Abfüller beauftragt Künstler damit, die Läden mit Logos und Slogans in
Suaheli zu verzieren. „Burudika na Coke Baridi“ bedeutet zum Beispiel: „Coke eiskalt
genießen.“ In zahllosen Gemeinden in ganz Afrika spielen die kleinen Läden, seien es
die Dukas von Nairobi oder die kleinen Eckläden im südafrikanischen Johannesburg,
eine wichtige Rolle für das Wachstum von Coca-Cola. Sie werden von einem rudimentä-
ren, aber sehr effektiven Vertriebsnetzwerk beliefert.
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19 Internationales Marketing
In der Innenstadt von Nairobi nehmen Männer in roten Arbeitskitteln mit ihren Hubwa-
gen 22 bis 40 Kisten Coke und andere Softdrinks von Rosinje Distributors entgegen,
einem von 3.200 sogenannten Micro Distribution Center (MDCs), die Coca-Cola in
Afrika betreibt. Diese Zentren sind die Lebensader des afrikanischen Vertriebsnetzwerks
von Coca-Cola. Das Werk in Nairobi beispielsweise liefert Coke, Fanta, Stoney Ginger
Beer und andere Marken an fast 400 MDCs in der Gegend. Von dort aus werden die Pro-
dukte schnell – manchmal kopfüber – an die örtlichen Geschäfte und Getränkekioske
ausgeliefert. Aufgrund der schlechten und stark befahrenen Straßen ist die Auslieferung
von Hand oft der beste Weg. Mit den MDCs bringt Coca-Cola seine Produkte in die entle-
gensten Winkel und macht sie so für Menschen verfügbar, die auf den Geschmack von
Softdrinks gekommen sind und sie sich leisten können.
Trotz ihrer Einfachheit zeigen Coca-Colas Marketingansätze in Afrika Wirkung. Erste
Regel des Unternehmens ist, dass die Produkte „heil und kalt“ ankommen. „Gibt es
keine Straßen, um die Produkte über lange Strecken zu transportieren, nehmen wir eben
Boote, Kanus oder Handwagen“, sagt der Präsident von Coca-Cola Südafrika. In Nigerias
Makako-Viertel – einer Ansammlung von Pfahlhäusern in der Lagune von Lagos – sind
Frauen entlang der Wasserwege unterwegs, um Coca-Cola von Kanus aus an die Ein-
wohner zu verkaufen. Ohne Zweifel ist das verstärkte Geschäft in Afrika wesentlich für
das Erreichen der globalen Ziele. Ex-Vorstand Muhtar Kent meint: „Afrika ist eine noch
unerzählte Geschichte und könnte zum Märchen des nächsten Jahrzehnts werden, wie
Indien und China im Jahrzehnt zuvor. Wir haben alles, um es möglich zu machen.“
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19.7 Bestimmung der internationalen Marketingorganisation
905
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19 Internationales Marketing
ZUSAMMENFASSUNG
Unternehmen können es sich nicht mehr länger leisten, auf ihren jeweiligen Inlands-
markt fixiert zu bleiben. Viele Branchen sind zu globalen Branchen geworden und
Unternehmen, die auf vielen Märkten tätig sind, konnten ihre Kosten senken und
höhere Markenbekanntheit erreichen. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass glo-
bales Marketing viele Risiken birgt, so z.B. schwankende Wechselkurse, instabile Regie-
rungen, protektionistische Zölle, Handelsschranken und viele andere Faktoren. Vor dem
Hintergrund der Chancen und Risiken, die sich aus einer internationalen Tätigkeit erge-
ben, sollten Unternehmen systematisch vorgehen, wenn sie Entscheidungen zur Inter-
nationalisierung vorbereiten und treffen. Hier fassen wir noch einmal die sechs zentra-
len Bereiche zusammen, die innerhalb des Kapitels besprochen wurden.
Als Erstes sollte man das globale Marketingumfeld seiner Branche und das internati-
onale Handelssystem analysieren. Dafür muss das Management weltweit das wirt-
schaftliche und politische Umfeld und die bestehende Ordnung des internationalen
Handels verstehen. Für jeden einzelnen Auslandsmarkt muss man sich mit den öko-
nomischen, politisch-gesetzgeberischen und kulturellen Rahmenbedingungen
beschäftigen.
Aus einer Gegenüberstellung der Chancen und Risiken wird dann die Entscheidung
für oder gegen einen Markteintritt getroffen.
Als Drittes legt man fest, welche Länder man bedienen will. Es gilt dann zu entschei-
den, welcher Anteil der Produktion auf Auslandsmärkten abgesetzt werden und wie
sich dieser Anteil auf die einzelnen Auslandsmärkte verteilen soll. Das Risikopoten-
zial ist gegen den voraussichtlich erzielbaren Gewinn abzuwägen.
Danach steht die Entscheidung an, mit welcher Methode man den internationalen
Markteintritt durchführt: mit Exporten, mit Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventu-
res) oder mit Direktinvestitionen. Viele Unternehmen starten als Exporteure, entwi-
ckeln sich über Joint Ventures weiter und tätigen schließlich Direktinvestitionen in
fremde Märkte. Beim Export betritt das Unternehmen den fremden Markt durch den
Versand und Verkauf von Produkten über internationale Zwischenhändler (indirekter
Export) oder eine unternehmenseigene Abteilung, Filiale, Vertriebsmitarbeiter oder
Agenten (direkter Export). Bei der Etablierung eines Joint Ventures betritt ein Unter-
nehmen fremde Märkte im Zusammenschluss mit fremden Unternehmen, um Pro-
dukte oder Dienstleistungen herzustellen oder zu vermarkten. Durch Lizenzvergabe
betritt das Unternehmen einen fremden Markt durch Vertragsschließung mit einem
Lizenznehmer im fremden Markt und gewährt diesem das Recht, einen Herstellungs-
prozess, ein Markenzeichen, Patent oder einen anderen Wertgegenstand gegen eine
Lizenzgebühr zu nutzen.
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Literatur und Quellen
Als Nächstes gilt es, ein schlüssiges Gesamtkonzept für das globale Marketingpro-
gramm zu erarbeiten. Hierzu gehören die Entscheidungen, wie weit die Produkte stan-
dardisiert werden können und wie weit lokale und regionale Anpassungen bei Pro-
dukt, Kommunikation, Preis und Vertriebskanälen vorgenommen werden müssen. Als
das eine Extrem haben wir Unternehmen mit einem weltweit strikt standardisierten
Marketing-Mix. Andere führen ein für jeden einzelnen Markt angepasstes Marketing
durch, ihnen entstehen dabei höhere Kosten, sie können aber auch auf höhere Marktan-
teile hoffen. Jedoch ist die weltweite Standardisierung keine Alles-oder-nichts-Ent-
scheidung. Es kommt vielmehr auf den Grad der Standardisierung an. Die meisten
internationalen Marketingfachleute schlagen vor, dass Unternehmen „global denken,
aber lokal handeln“ sollten. Sie sollten demnach ein Gleichgewicht zwischen globalen
Standardisierungsstrategien und lokal adaptierten Marketing-Mix-Taktiken anstreben.
Schließlich muss man eine effiziente Organisationsform für seine internationalen
Aktivitäten entwickeln. Häufig beginnt man mit einer Exportabteilung, die man nach
einiger Zeit zu einer internationalen Abteilung ausbaut. Einige wenige Unternehmen
entwickeln sich zu echten globalen Organisationen, für die weltweit alle Aktivitäten
den gleichen Stellenwert besitzen und deren Unternehmensleitung die Welt als einen
einzigen grenzenlosen Markt ansieht.
907
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19 Internationales Marketing
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909
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Marketing und Gesellschaft:
gesellschaftliche Verantwor-
tung und Ethik im Marketing
ÜBERBLICK
20.4 Bewegungen zur Förderung von
nachhaltigem Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929
20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing . . . . . . 937
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 948
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 949
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
... nachhaltiges Marketing definieren und seine Bedeutung verstehen.
... die Argumente der gesellschaftlichen Kritik am Marketing diskutieren.
... beschreiben, welchen Einfluss die Verbraucherbewegung und die Umweltbewe-
gung auf das Marketing ausüben.
... die Anforderungen an gesellschaftlich verantwortliches Marketing charakterisie-
ren.
... die Rolle von Ethik und Moral im Zusammenhang mit Marketing erläutern.
20.1 Einführung
In diesem letzten Kapitel erörtern wir die Konzepte des nachhaltigen Marketings: wie die
Bedürfnisse von Verbrauchern, Wirtschaft und Gesellschaft – heute und in Zukunft – durch
sozial- und umweltverantwortliche Marketingaktivitäten befriedigt werden. Wir beginnen
mit dem Begriff des nachhaltigen Marketings; anschließend gehen wir auf einige Kritik-
punkte ein, die die Auswirkungen des Marketings auf einzelne Verbraucher betreffen, sowie
auf Maßnahmen zur Förderung des nachhaltigen Marketings. Schließlich sehen wir uns an,
wie Unternehmen selbst von einem proaktiven Ansatz für nachhaltige Marketingstrategien
profitieren können, die nicht nur Nutzen für den einzelnen Kunden schaffen, sondern der
Gesellschaft insgesamt zugutekommen. Nachhaltige Marketingstrategien sind mehr als gute
Taten – sie sind auch gut fürs Geschäft.
Schauen wir uns zum Konzept sozialer Verantwortung von Unternehmen das Fallbeispiel
Nestlé genauer an.
Die Abteilung Corporate Affairs der britischen Nestlé-Zentrale musste sich wieder ein-
mal gegen unerwünschte Publicity wappnen, als bekannt wurde, dass in der bevorste-
henden Generalsynode der Church of England ein Antrag auf Beibehaltung des Nescafé-
Boykotts gestellt werden sollte. Eine weitere Forderung der Kirchenvertreter lautete, die
Synodenmitglieder mögen ihre Nestlé-Aktien im Wert von 1,1 Millionen Britischen
Pfund (1,8 Millionen Euro) abstoßen.
Bereits 1991 hatte die Kirche – unter Hinnahme von Verspottungen – Nescafé als Pro-
testmaßnahme gegen den Verkauf künstlicher Babynahrung in der Dritten Welt boykot-
tiert. Nach dem damaligen Votum gegen ihren löslichen Bohnenkaffee hatte Nestlé
erklärt, der Produktumsatz sei in der Folge sogar gestiegen, obwohl viele Kirchgänger
angaben, die weltweit führende Marke nicht mehr gekauft zu haben. Eine neuerliche
Kampagne von Mitgliedern der Aktionsgemeinschaft BFA (Baby Food Action) wäre
damit nur eine unter vielen, mit denen sich das Unternehmen seit Jahrzehnten herum-
schlagen muss, obwohl die Kritik der BFA nach Aussage von Nestlé jeder Grundlage
entbehrt.
912
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20.1 Einführung
Die Nestlé SA mit Sitz in Vevey, Schweiz, ist mit 328.000 Mitarbeitern der weltweit
größte Lebensmittelkonzern und wies im Geschäftsjahr 2016 einen Jahresumsatz von
CHF 89,5 Milliarden aus. Henri Nestlé hatte einst die künstliche Babynahrung entwi-
ckelt, um „Kinderleben zu retten“, und das Unternehmen erzeugt dieses Produkt seit
seiner Gründung. Gegen Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre geriet Nestlé in die
Schusslinie der Aktivisten, die behaupteten, das Unternehmen würde Mütter in Dritt-
weltstaaten dazu auffordern, ihre Babys statt mit Muttermilch mit Nestlé-Babynahrung
zu füttern. Im Zuge des britischen Armutsbekämpfungsprogramms „War on Want“
wurde 1974 eine Schmähschrift unter dem Titel „The Baby Killer“ veröffentlicht, in der
die Firmen Unigate und Nestlé wegen ihrer schädlichen Marketingaktivitäten in Afrika
kritisiert wurden. Während „War on Want“ die gesamte Babynahrungsindustrie an den
Pranger stellte, gab die in Deutschland beheimatete Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt
(AgDW) eine „Übersetzung“ der ursprünglichen Broschüre unter dem neuen Titel
„Nestlé tötet Babys“ heraus, die sich konkret auf Nestlé und deren „unethisches und
unmoralisches Verhalten“ einschoss. Die beiden Broschüren erregten viel Aufmerksam-
keit und Nestlé, erbost über die als ungerecht empfundene Kritik, verklagte die Aktivis-
ten wegen Rufschädigung. Das Verfahren, das sich über zwei Jahre hinzog, erregte große
Aufmerksamkeit bei den Medien und wurde regelmäßig kommentiert. „Letztlich gewan-
nen wir zwar den Prozess, aber aus PR-Perspektive war es trotzdem ein Fiasko“, kom-
mentierte ein Mitglied der Nestlé-Geschäftsleitung.
Abbildung 20.1: Boykottkampagne gegen Babymilchprodukte der Nestle Food Company beim Hay Festival Hay-on-
Wye, Wales UK 2002
(Quelle: Kathy deWitt / Alamy Stock Photo)
913
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
914
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20.1 Einführung
Die WHO gestattet in ihrem Kodex die Spende kostenloser oder verbilligter Babynah-
rung für Säuglinge, die nicht gestillt werden können. Doch dagegen wendet sich die
International Association of Infant Food Manufacturers (IFM), die gemeinsam mit WHO
und UNICEF in jedem Land Vorschriften erwirken möchte, um die kostenlose und ver-
billigte Lieferung von Babynahrung einzustellen. Nestlé selbst verfolgt eine Firmenpoli-
tik im Zusammenhang mit kostengünstiger Babynahrung für die Entwicklungsländer,
die Folgendes vorsieht:
In Ländern mit spezifischen Vorschriften wird Nestlé diese genauestens einhalten.
Gibt es keine einschlägigen Vorschriften, wird Nestlé gemeinsam mit anderen darauf
hinwirken, dass der Staat solche Vorschriften erlässt.
Verletzen andere Unternehmen die erlassenen Vereinbarungen, wird Nestlé gemein-
sam mit IFM und staatlichen Stellen auf die Einstellung dieser Praktiken hinwirken.
Nestlé wird Disziplinarmaßnahmen gegen alle Mitarbeiter oder Vertriebshändler
ergreifen, die bewusst gegen diese Firmenrichtlinie verstoßen.
Warum aber ergreift Nestlé angesichts dieser häufigen PR-Probleme keine einseitigen
Maßnahmen, um die Gratislieferungen von Babynahrung in Drittweltstaaten einzustel-
len? Warum muss sich das Unternehmen, dessen Babynahrungsmarkt in den Entwick-
lungsländern gemessen am weltweiten Gesamtgeschäft so unbedeutend ist, ständig mit
diesen Problemen herumschlagen? Nun, die Antwort liegt teilweise im Wunsch Henri
Nestlés, „Kinderleben zu retten“. Schließlich gelangt auch die Babynahrungsrichtlinie
der EU-Kommission zu dem Schluss, dass Babynahrung das „einzige synthetisch herge-
stellte Produkt ist, das den Ernährungsanforderungen von Säuglingen in den ersten vier
bis sechs Lebensmonaten vollständig entspricht“.
Nur wenige Mütter in Ländern mit hoher Säuglingssterblichkeit stillen ihre Kinder
nicht und wahrscheinlich ist Kenia ein typisches Beispiel dafür, was Mütter in Entwick-
lungsländern tun, wenn sie ergänzend zum Stillen andere Nahrung zufüttern müssen:
33 Prozent füttern Uji, ein lokales Produkt aus Mais;
33 Prozent füttern Kuhmilch;
28 Prozent füttern Wasser;
14 Prozent füttern Glukose;
11 Prozent füttern Milchpulver, davon nur teilweise Babynahrung;
3 Prozent füttern Tee.
Eine Studie aus dem westafrikanischen Land Elfenbeinküste zeigt, welche Probleme
entstehen, wenn sich Nestlé einseitig aus einem Land zurückzieht. Die anderen Unter-
nehmen belieferten nur noch die finanziell gut ausgestatteten privaten Säuglingsstatio-
nen, während die Lieferungen an bedürftige Mütter ganz eingestellt wurden. Kurze Zeit
später war das Zentralkrankenhaus des Landes nicht mehr in der Lage, „den Ankauf
von genügend Babynahrung für verlassene Babys oder die Kinder kranker Mütter zu
finanzieren“.
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
Quellen:
John Sparks, „The Nestlé controversy - anatomy of a boycott“, Public Policy Education Fund, Inc.
(Juni 1981); European Commission, Commission Directive on Infant Formula and Followon For-
mula, 91/321/EEC; UNICEF, The State of the World's Children (1992); RBL, Survey of Baby Feeding
in Kenya (1992); Nestlé, Nestlé and Baby Milk (1994); Andrew Brown, „Synod votes to end Nestlé
boycott after passionate debate“, The Times (12. Juli 1994); World Health Assembly Resolution 54.2
„Infant and young child nutrition“ (2001); Jonathan Wheatley und Jenny Wiggins, „The Americas:
Little by little Nestlé aims to woo Brazil's poor“, Financial Times (20. Februar 2007); Joanna Moor-
head, „Milking it: It was in 1977 that campaigners first called for a boycott of Nestlé because of its
aggressive marketing of formula milk in the developing world. Thirty years on, have Nestlé and the
other baby-milk firms cleaned up their act?“, The Guardian (15. Mai 2007); Hilary Parsons, „Res-
ponse: We’re not trying to undermine the baby-milk code: Nestlé is committed to the health of
mothers and infants in the developing world“, The Guardian (22. Mai 2007); Nestle.com (Juni
2007), competing websites babymilk.nestle.com (Juni 2007) and babymilkaction.org (Juni 2007);
Nestlé [12.02.2018]
Die Herausforderung für das Marketing besteht darin, die Bedürfnisse der Konsumenten zu
erkennen, diese mit den richtigen Produkten zu fairen Preisen zu befriedigen und dabei
einen angemessenen Gewinn für das Unternehmen zu erzielen. Die Philosophie des Marke-
tings basiert auf Kundenwert und beiderseitigem Nutzen. Die Anwendung der Instrumente
des Marketings führt dazu, dass die Wirtschaft insgesamt wie von einer unsichtbaren Hand
gesteuert wird, um dadurch viele ständig wechselnde Bedürfnisse und Wünsche von Millio-
nen von Verbrauchern erfüllen zu können.
Aber nicht alle Manager folgen diesem Konzept, immer wieder werden fragwürdige Prakti-
ken sowohl in der Unternehmensführung als auch im Marketing angewendet. Diese können
negative Auswirkungen auf die Umwelt, auf einzelne Käufer oder auf die Gesellschaft als
Ganzes entfalten. Es stellt sich deshalb die Frage, inwieweit gesellschaftliche Verantwortung
und ethisch-moralische Fragen in der Wirtschaft heute noch eine Rolle spielen. Ist gesell-
schaftlich verantwortliches Verhalten vereinbar mit dem wirtschaftlichen Überleben in einer
globalen Wettbewerbsgesellschaft?
Wir leben heute in einer Zeit, in der die Menschen sensibilisiert sind für Themen wie
Umwelt, Tierversuche und Menschenrechte. Gesellschaftliche Verantwortung und die
Berücksichtigung ethisch-moralischer Aspekte im Marketing werden durch die Bevölkerung
heute als unerlässlich betrachtet. Wie sich ein Unternehmen in diesem Bereich verhält, hat
einen großen Einfluss darauf, wie Interessenten und Käufer seine Produkte und Dienstleis-
tungen beurteilen. Verantwortungsvolle Marketingmanager müssen daher bei ihren Aktivitä-
ten immer auch den Nachhaltigkeitsgedanken berücksichtigen.
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20.2 Nachhaltiges Marketing
zienter zu erfüllen als der Wettbewerb. Es zielt auf die kurzfristigen Umsatz-, Wachstums-
und Gewinnanforderungen des Unternehmens, indem die derzeit bestehenden Wünsche der
Kunden erfüllt werden. Doch immer nur auf die unmittelbaren Bedürfnisse und Ansprüche
der Verbraucher zu reagieren, ist im Hinblick auf die Zukunft weder im Interesse der Kunden
noch der Unternehmen. So entsprach der Fast-Food-Riese McDonald’s mit seinem damaligen
Angebot an schmackhaften, aber äußerst fett- und salzhaltigen Speisen zwar den unmittelba-
ren Wünschen der Kunden sowie den Umsatz- und Gewinnzielen für das Unternehmen. Auf
lange Sicht jedoch, so Kritiker, trugen McDonald’s und andere Fast-Food-Ketten zum welt-
weiten Anstieg von Fettleibigkeit bei, was der Gesundheit der Verbraucher schadete und eine
Belastung der nationalen Gesundheitssysteme verursachte.
Im Gegenzug suchten viele Verbraucher nun nach gesünderen Ernährungsalternativen, was
der Fast-Food-Branche einen Einbruch bei Umsatz und Gewinnen bescherte. Neben Fragen
der Ethik und des Allgemeinwohls wurde McDonald’s auch mit Kritik an dem gewaltigen
ökologischen Fußabdruck seiner globalen Tätigkeit konfrontiert, mit allen Aspekten von
immensem Verpackungsmüll und Reststoffen bis hin zum ineffizienten Energieverbrauch in
den Filialen. Daher war die Strategie von McDonald’s weder im Sinne des Kunden- noch des
Unternehmenswohls nachhaltig.
Strategisches
Bedürfnisse der
Heute Marketingkonzept
Konsumenten
Planungskonzept
Gesellschaftliches Nachhaltiges
Zukünftig
Marketingkonzept Marketingkonzept
Heute Zukünftig
Bedürfnisse der Wirtschaft
Abbildung 20.2: Nachhaltiges Marketing
Während das „gesellschaftliche Marketingkonzept“ gemäß Abbildung 20.2 das künftige Wohl
der Verbraucher und das „strategische Planungskonzept“ die zukünftigen Bedürfnisse des
Unternehmens berücksichtigt, geht es beim „nachhaltigen Marketingkonzept“ um beides.
Nachhaltiges Marketing erfordert sozial- und umweltverantwortliche Maßnahmen, die
sowohl den aktuellen als auch den künftigen Bedürfnissen der Verbraucher und des Unter-
nehmens gerecht werden. So hat McDonald’s auf diese Herausforderungen in den letzten Jah-
ren mit seiner nachhaltigeren „Plan to Win“-Strategie reagiert, mit der man das Angebot um
Salate, Obst, gegrilltes Geflügel, fettarme Milch und andere gesündere Lebensmittel erweitert
hat. Zudem hat das Unternehmen eine groß angelegte und vielfältige Aufklärungskampagne
gestartet, mit dem Titel: „It’s what I eat and what I do … I’m lovin‘ it“ (Was ich esse, was ich
tue … ich liebe es). Diese soll Verbrauchern helfen, die Grundlagen eines ausgewogenen und
aktiven Lebensstils zu verstehen. Außerdem veröffentlichte es eine Liste seiner „Schritte für
ein besseres Ernährungsangebot“, darunter die dauerhafte Verpflichtung zum Wohl der Kin-
der durch ein größeres und besseres Angebot ausgewogener Menüs sowie transparentere
Ernährungsinformationen für Verbraucher und Mitarbeiter. McDonald’s weist darauf hin,
dass 80 Prozent der Speisen auf der Karte in die Kategorie „Lieblingsessen unter 400 Kalo-
rien“ fallen. Die „Plan to Win“-Strategie umfasst auch umweltrelevante Themen. So werden
Nachhaltigkeit in der Lebensmittelversorgung, reduzierte und umweltschonendere Verpa-
ckung, Wiederverwendung und Recycling sowie verantwortungsvollere Filialgestaltungen
gefordert. McDonald’s hat sogar eine ökologische Punkteliste entwickelt, mit der die Leistung
917
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
der Lieferanten in Bereichen wie Wasserverbrauch, Energieverbrauch und Umgang mit Rest-
stoffen bewertet wird. Seit Veröffentlichung der „Plan to Win“-Strategie konnte McDonald’s
seine Umsätze um mehr als 60 Prozent steigern und die Gewinne haben sich fast verdrei-
facht. So ist McDonald’s für eine nachhaltig profitable Zukunft bestens aufgestellt.1
Wahrhaft nachhaltiges Marketing erfordert ein reibungslos funktionierendes Marketingsys-
tem, in dem Verbraucher, Unternehmen, öffentliche Entscheidungsträger und andere Par-
teien gemeinsam an sozial- und umweltverantwortlichen Marketingaktivitäten arbeiten. Lei-
der funktioniert ein Marketingsystem in der Praxis aber nicht immer so perfekt. In den
folgenden Abschnitten betrachten wir verschiedene Fragen zum Thema Nachhaltigkeit: Wel-
ches sind die häufigsten gesellschaftlichen Kritikpunkte am Marketing? Welche Schritte
haben Verbraucher unternommen, um schädigendes Marketing einzudämmen? Welche Maß-
nahmen haben Gesetzgeber und Regierungsbehörden ergriffen, um nachhaltiges Marketing
zu fördern? Welche Aktivitäten haben fortschrittliche Unternehmen für ein sozialverantwort-
liches und ethisches Marketing auf den Weg gebracht, das sowohl für den einzelnen Kunden
als auch für die Gesellschaft insgesamt nachhaltige Werte schafft?2
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20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht
Z u hohe Vertriebskosten Ein sehr alter Vorwurf gegenüber dem Marketing ist, dass viele
beteiligte Vertriebsstufen den Preis um Spannen erhöhen, die weit über dem Anteil für die
geleisteten Dienste liegen. Die Kritiker führen an, dass es entweder zu viele Zwischenhändler
gibt oder dass diese schlecht organisiert sind und ineffizient arbeiten, dass manche Verrich-
tungen doppelt ausgeführt oder unnötige Dienste geleistet werden. Als Ergebnis würde die
gesamte Distribution zu hohe Kosten verursachen, für die letztlich die Verbraucher aufzu-
kommen haben.
Der Handel argumentiert gegenüber diesen Vorwürfen wie folgt: Die Zwischenhändler über-
nehmen Dienste, die sonst vom Produzenten oder vom Verbraucher selbst zu erbringen wären.
Durch die erhöhten Preise würden lediglich von den Verbrauchern gewünschte Leistungen wie
ein verbesserter Zugang zum Angebot, ein bequemer Einkauf, Frei-Haus-Lieferung, große
Geschäfte mit großer Auswahl, längere Öffnungszeiten der Geschäfte, Umtauschrechte und
Ähnliches abgeglichen. Zudem muss der Wettbewerb im Handel als so scharf angesehen wer-
den, dass gar keine überzogenen Handelsspannen durchgesetzt werden könnten. Falls einige
Wiederverkäufer versuchen sollten, im Verhältnis zum Wert, den sie schaffen, zu hohe Preise
zu verlangen, werden andere Wiederverkäufer niedrigere Preise umsetzen. Niedrigpreisige
Geschäfte wie ALDI, Lidl, Penny und andere Discounter drängen ihre Konkurrenz dazu, effizi-
ent zu handeln und die Preise niedrig zu halten. Tatsächlich haben nur die effizientesten Ein-
zelhändler Rezessionen und wirtschaftliche Abschwünge profitabel überlebt. Entsprechend
niedrig seien die Renditen im Handel.
Hohe Kosten für Werbung und Verkaufsförderung Dem Marketing wird auch vorgewor-
fen, die Preise durch intensive Werbung und aufwendige Verkaufsaktionen nach oben zu trei-
ben. Zum Beispiel verkaufen sich wenige Tabletten einer stark beworbenen Marke von
schmerzlindernden Medikamenten für den gleichen Preis wie 100 Tabletten von weniger
stark beworbenen Marken. Bestimmte Kosmetika, Reinigungs- und Toilettenartikel können
Werbungs- und Verpackungskosten von bis zu 40 Prozent und mehr des Verkaufspreises vom
Hersteller an den Einzelhändler aufweisen. Kritiker verurteilen, dass ein Großteil der Verpa-
ckung und Werbung lediglich einen psychologischen und keinen funktionalen Wert zum
Produkt beiträgt.
Marketingverantwortliche entgegnen, dass Werbung zwar die Kosten erhöht, gleichzeitig
aber auch einen Mehrwert schafft, indem potenzielle Käufer über die Verfügbarkeit und Vor-
teile einer Marke informiert werden. Markenprodukte sind vielleicht teurer, doch sie vermit-
teln den Kunden auch die Sicherheit beständiger Qualität. Außerdem haben Kunden in der
Regel die Wahl, funktional ähnliche Produkte zu günstigeren Preisen zu kaufen. Doch es ist
auch der psychologische Nutzen, für den sie gern und bereitwillig mehr zahlen – das Gefühl
von Wohlstand, Attraktivität und Einzigartigkeit. Massive Werbung und Verkaufsförderung
können allerdings auch erforderlich sein, um mit dem Wettbewerb gleichzuziehen; das
Unternehmen würde an „Share of Mind“ verlieren, die spontane Erinnerung der Kunden an
das Produkt, wenn es bei den Werbeausgaben nicht konkurrenzfähig ist.
Gleichzeitig sind Unternehmen bei der Werbung äußerst preisbewusst und möchten ihr Bud-
get in sinnvoller Art und Weise investieren. Die zunehmend sparsamen Verbraucher wollen
in der heutigen Zeit einen echten Wert für ihr Geld bekommen. Die anhaltende Tendenz zum
Kauf von Eigenmarken und Ersatzprodukten legt nahe, dass Kunden in Bezug auf das Preis-
Leistungs-Verhältnis Taten statt Worte erwarten.
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
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20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
Geschmack treffen und sie die Entscheidung letztlich den Kunden überlässt? Schließlich gibt
es dort, wo es Coke gibt, auch Wasser zu kaufen, wenn die Verbraucher das wünschen. Seit
wann ist es die Aufgabe der Industrie, die Vorlieben der Menschen zu regeln? Wie bei vielen
Aspekten sozialer Verantwortung ist es eine Frage der Meinung, was richtig und was falsch
ist. Während einige Analysten die Branche kritisieren, finden andere, dass die Verantwor-
tung beim Verbraucher liegt. „Softdrinks sind leider zum Sündenbock der meisten Kampag-
nen gegen Übergewicht geworden“, meint ein Wirtschaftsjournalist. „Vielleicht sollte man
Freunden keinen „Big Gulp“ (Getränkebecher mit 1,2 Litern Inhalt) anbieten, aber soweit ich
weiß, wurde noch niemand dazu gezwungen, diesen zu kaufen und zu trinken. Dies gehört in
die persönliche Verantwortung und Kontrolle (an die man appellieren muss]“.4
Übergewicht ist eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen des einundzwan-
zigsten Jahrhunderts und seine Verbreitungsrate hat sich in vielen europäischen Ländern seit
den 1980er-Jahren verdreifacht. Die Zahl fettleibiger Menschen steigt in beunruhigender
Geschwindigkeit, besonders unter Kindern. Übergewicht ist schon heute für 2 bis 8 Prozent
der Gesundheitsausgaben sowie 10 bis 13 Prozent der Todesfälle in verschiedenen Teilen
Europas verantwortlich. Innerhalb Europas verzeichnet das Vereinigte Königreich die
höchste Quote an Fettleibigkeit. Die meisten Hersteller wollen allerdings qualitativ gute Pro-
dukte anbieten, die niemandem schaden. Der Getränkeriese Heineken zum Beispiel stellte
den Verkauf zweier führender Cidermarken ein – White Lightening and Strongbow Black –,
obwohl sich die Produkte sehr gut verkauften. Forschungsergebnisse zeigten, dass beide
Getränke gern von Problemtrinkern konsumiert wurden, besonders auf der Straße. Heineken
bewirbt nun weniger starkes und alkoholfreies Cider. Das Unternehmen war bereit, Gewinne
zu opfern, denn es ist der Meinung: „Uns war einfach nicht wohl dabei, wie diese Produkte
aus unserem Haus konsumiert worden sind.“5
Eine weitere Gruppe von Beschwerden betrifft die Produktsicherheit. Dieser Aspekt war
lange vernachlässigt worden, sei es durch Gleichgültigkeit der Hersteller, sei es durch Prob-
leme, die sich aufgrund der zunehmenden Komplexität in der Produktion ergaben. Schlecht
ausgebildete Arbeitskräfte in der Produktion oder ungenügende Qualitätskontrollen taten ein
Übriges. Seit vielen Jahren bemühen sich deshalb Verbraucherverbände und ähnliche Grup-
pen in zahlreichen Ländern darum, Produkte auch auf Sicherheit zu testen. Sie informieren
zum Beispiel über die Gefahr von Stromschlägen aus elektrischen Haushaltsgeräten, Verlet-
zungsrisiken bei Rasenmähern oder sonstige fehlerhaft und gefährlich konstruierte Produkte.
Die Aktivitäten dieser Organisationen helfen den Endverbrauchern sehr, bessere Kaufent-
scheidungen zu treffen, und setzen letztlich die Unternehmen unter Druck, schlechte Pro-
dukte vom Markt zu nehmen.
Grundsätzlich kann man natürlich davon ausgehen, dass die Hersteller schon im eigenen
Interesse Qualitätsgüter anbieten wollen. Verbraucher, die mit einem Produkt eines Herstel-
lers Schwierigkeiten haben, werden auch Produkte dieses Herstellers aus anderen Produktli-
nien meiden und Freunde, Nachbarn und Verwandte über ihre negativen Erfahrungen infor-
mieren. Die Art, mit der ein Unternehmen Qualitäts- und Sicherheitsprobleme behandelt,
4 Elena Ferretti, „Soft drinks are the whipping boy of anti-obesity campaigns“, Fox News, 1. Juni 2012,
www.foxnews.com/leisure/2012/06/01/soda-ban/; siehe auch Stephanie Strom, „In ads, Coke con-
fronts soda’s link to obesity“, New York Times, 14. Januar 2013 sowie Natalie Zmuda u.a., „Coca-Cola
would like to teach the world to move“, Advertising Age, 11. September 2013, http://adage.com/
print/244077.
5 Sarah Bridge, „We were making money out of misery – so we dropped two leading brands“, Mail on
Sunday , 11. Mai 2014, S. 84.
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20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht
kann seinen Ruf schädigen oder ihm zu einem guten Image verhelfen. Unternehmen, die
schlechte Produkte verkaufen, riskieren Aufsehen erregende Auseinandersetzungen mit Ver-
braucherschutzorganisationen und regulierenden Behörden. Darüber hinaus könnten unsi-
chere Produkte zu hohen Schadensersatzforderungen führen. In der modernen Welt von
Social Media und Onlinebewertungen können sich negative Qualitätsbeurteilungen zudem
ausbreiten wie ein Lauffeuer. Dementsprechend sind Fehlschläge in der Qualität nicht ver-
einbar mit nachhaltigem Marketing. Heutige Marketingverantwortliche wissen, dass gute
Qualitätsergebnisse in Kundennutzen und -zufriedenheit resultieren, die wiederum nachhal-
tige Kundenbeziehungen sicherstellen.
In Deutschland ist die Stiftung Warentest die mit Abstand bekannteste Verbraucherorganisa-
tion. Der nachfolgende Exkurs gibt einen Einblick in die zentralen Aufgaben der Stiftung.
Gegründet wurde die STIFTUNG WARENTEST 1964 von der Bundesregierung als Insti-
tut zur Durchführung vergleichender Waren- und Dienstleistungsuntersuchungen. Sie
ist – als Stiftung bürgerlichen Rechts – eine unabhängige Einrichtung. Deshalb kann ihr
niemand vorschreiben, was und wie getestet wird. Ihr Ziel ist es, durch vergleichende
Tests von Produkten und Dienstleistungen den Markt überschaubarer zu machen. In 54
Jahren hat die Stiftung mehr als 5.750 vergleichende Warentests durchgeführt und dabei
über 100.000 Produkte geprüft. Außerdem hat sie fast 3.000 Dienstleistungstests durch-
geführt, im Wesentlichen im Bereich der Finanzdienstleistungen.
Die Stiftung sieht es als ihre Hauptaufgabe, Markttransparenz herzustellen, indem sie
„die Öffentlichkeit über objektivierbare Merkmale des Nutz- und Gebrauchswertes
sowie der Umweltverträglichkeit“ von Produkten und Dienstleistungen unterrichtet.
Außerdem gehört es zu ihren Aufgaben, die Verbraucher über die Möglichkeiten einer
optimalen Haushaltsführung, über eine rationale Einkommensverwendung und über
gesundheits- und umweltbewusstes Verhalten aufzuklären.
Das Testprogramm umfasst nahezu alle Konsumgüter, vor allem aus den Bereichen
Unterhaltungselektronik, Informationstechnik, Körperpflege, Arzneimittel, Fahrzeuge,
Lebensmittel, Haushaltsgeräte, Foto und Optik, Heimwerken und Garten. Ein weiterer
Arbeitsschwerpunkt sind die Dienstleistungstests, hauptsächlich aus den Bereichen Pri-
vatfinanzen, Versicherungen, Öffentliche Dienstleistungen, Gesundheit, Freizeit und
Reisen und seit 2002 auch Weiterbildung.
Wegen des vielfältigen Produktangebots müssen die Tester für nahezu jeden Warentest
eine Auswahl treffen. Sie suchen die Prüfprodukte nach objektiven Gesichtspunkten
wie Marktbedeutung, technische Merkmale und Preisklasse aus. Sobald die Auswahl
feststeht, kaufen Mitarbeiter der Stiftung die Prüfmuster wie gewöhnliche Verbraucher
ein, als anonyme Kunden in ganz normalen Geschäften. Eine Ausnahme von diesem
Verfahren wird beispielsweise bei Saisonartikeln gemacht, die bei Prüfbeginn noch
nicht im Handel sind. Die Einkäufer der Stiftung wählen sie dann im Lager des Herstel-
lers aus einer großen Anzahl von Produkten aus.
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
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20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht
Wieder anderen wirft man vor, ganz geplant immer neue Produkte auf den Markt zu bringen,
so dass alte Modelle rasch technisch überholt sind und Kunden zu „Serienkäufern“ werden.
Kritiker behaupten, dass dies in der Unterhaltungselektronik- und Computerbranche ständig
vorkommt. Teilen Sie die Gewohnheit der meisten, haben Sie vermutlich eine ganze Schub-
lade voller technischer Geräte, die gestern noch angesagt waren – von Mobiltelefonen und
Kameras bis hin zu iPods und USB-Sticks –, heute aber veraltet sind. Was gerade ein oder
zwei Jahre alt ist, scheint hoffnungslos aus der Mode. So hatten die frühen iPods fest ver-
baute Akkus, die nach 18 Monaten versagten, und somit das ganze Gerät ersetzt werden
musste. Erst als unzufriedene Kunden eine Sammelklage einreichten, führte Apple aus-
tauschbare Akkus ein. Auch rasche aufeinanderfolgende neue Markteinführungen – ganze
drei in nur 18 Monaten – machten die älteren iPods zu Auslaufmodellen.6
Marketingfachleute antworten auf diese Vorwürfe, dass die Käufer es begrüßen, wenn sich
das Aussehen von Waren mit der Mode ändert. Sie wollen von Zeit zu Zeit einfach neue Klei-
dung oder ein neues Auto. Niemand ist verpflichtet, die neue Mode oder das neue Auto zu
kaufen, und wenn die Konsumenten es nicht wertschätzen würden, wäre dieses Konzept
ohnehin zum Scheitern verurteilt. Aus Kostengründen würde jedes Unternehmen ein
bewährtes Produkt möglichst lang anbieten, es riskiert jedoch dabei, dass die Konkurrenz mit
neueren Produkten Marktanteile gewinnt. Der Vorwurf, die Unternehmen würden absicht-
lich Produkte so konstruieren, dass sie nur eine begrenzte Lebensdauer haben, sei unsinnig,
denn niemand wolle seine Kunden dadurch an die Konkurrenz verlieren.
Trotzdem bleibt festzuhalten, dass die sogenannte geplante Alterung Ausprägung des freien
Spiels der Kräfte aus Markt und Technologie ist. Die geplante Alterung ist innerhalb einer
freien Wirtschaftsordnung dafür mitverantwortlich, dass immer die jeweils neuesten und
fortschrittlichsten Produkte am Markt angeboten werden. Unternehmen werden so zu einer
stetigen Verbesserung ihrer Produkte und Dienstleistungen motiviert.
6 Siehe „Law targets obsolete products“, 22. April 2013, The Connexion, www.connexionfrance.com/
Planned-obsolescence-obsoleteproductsiPod-washing-machine-printers-14655-view-article.html.
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
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20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht
Außerdem unterliegen Konsummuster und Gewohnheiten auch größeren Kräften, wie z.B.
der Wirtschaft. Wie in Kapitel 1 dargestellt, haben der wirtschaftliche Abschwung und die
Rezession sowohl den Materialismus als auch Ausgaben für Luxusgüter gedämpft. Statt also
die modernen sparsamen Verbraucher zu überreden, über ihre Verhältnisse zu leben, versu-
chen Marketingexperten folglich, den Kunden mehr Wert für ihr Geld zu verschaffen.7
Ein Beispiel ist die „Shwopping“-Bewegung des britischen Handelsriesen Marks & Spencer,
bei der das Unternehmen Kunden bittet, bei jedem Einkauf alte Kleidungsstücke zu spenden,
selbst wenn diese nicht von M&S stammen. Die über das Shwopping gespendeten Sachen
gehen an Oxfam, eine gemeinnützige Organisation, die die Stücke recycelt oder weitergibt,
um Geld zu sammeln und damit Menschen in aller Welt beim Kampf gegen Armut hilft. „Wir
hoffen, ebenso viele Kleidungsstücke zurückzubekommen, wie wir verkaufen und so die Art,
wie wir alle einkaufen, für immer zu verändern“, so Marks & Spencer.8
7 Conor Dougherty und Elizabeth Holmes, „Consumer spending perks up economy“, Wall Street Jour-
nal, 13. März 2010, S. A1.
8 Siehe www.marksandspencer.com/s/plan-a-shwopping, Zugriff September 2014.
9 Siehe https://tfl.gov.uk/modes/driving/congestion-charge?cid=pp020 , Zugriff 13. Juli 2015.
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
lige Anzeigen entwerten Zeitschriften, Werbetafeln verstellen die Aussicht auf eine schöne
Landschaft.
Diese Fülle an Werbung erreicht die Menschen permanent mit Botschaften über Materialis-
mus, Sex, Macht oder Status. Obwohl sich die meisten Menschen nicht allzu sehr über Wer-
bung ärgern (einige bemerken sogar im Spaß, beim Fernsehen sei dies der beste Teil), fordern
einige Kritiker grundlegende Änderungen.10
Marketingverantwortliche treten diesen Vorwürfen mit dem Hinweis entgegen, dass man
seine Werbung schon aus eigenem Interesse möglichst zielgruppengerecht gestaltet und zu
verhindern versucht, solche Konsumenten anzusprechen, die offensichtlich kein Interesse an
einem Produkt haben. Dennoch ist dieses Vorhaben mit Massenkommunikationskanälen
nicht immer reibungslos umsetzbar, da hier oft auch solche Menschen angesprochen werden,
die kein Interesse am beworbenen Produkt haben und dadurch gelangweilt oder verärgert
sind. Menschen, die sich Zeitschriften wie Vogue, Cosmopolitan, Gala oder Maxim kaufen,
beklagen sich in der Regel nicht über zu viel Werbung, da zumeist Produkte gezeigt werden,
die für die Leser von großem Interesse sind. Nicht zuletzt können viele Medien aufgrund
ihrer Werbeeinnahmen kostenlos oder zu einem niedrigeren Preis angeboten werden und
sind dadurch überhaupt erst erschwinglich für die breite Masse der Konsumenten.
Des Weiteren sind viele private Fernseh- und Radiosender sowie zahlreiche Webseiten und
soziale Medien aufgrund der Werbung für die Nutzer kostenfrei. Auch die Kosten von Maga-
zinen und Zeitungen bleiben durch die Anzeigen niedrig. Viele Menschen sind der Meinung,
dass die Toleranz von Werbung für diese Annehmlichkeit ein vergleichsweise geringer Preis
ist. Viele TV-Werbespots sind für die Verbraucher unterhaltsam und anregend; so kann man
sie sich auf YouTube ansehen und mit Freunden teilen. Und letztlich haben die modernen
Verbraucher Alternativen. Sie können die Fernsehwerbung während der Sendung oder bei
Aufzeichnungen einfach wegschalten oder sie auf den gebührenpflichtigen Kabel-, Satelli-
ten- oder Onlinekanälen ganz vermeiden. Um also die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu
gewinnen, gestalten Werbetreibende ihre Spots deutlich unterhaltsamer und informativer.
10 Siehe „Advertising in the U.S.: synovate global survey shows Internet, innovation and online privacy
a must“, 3. Dezember 2009, www.synovate.com/news/article/2009/12/advertising-in-the-us-synova-
te-globalsurvey-shows-internet- innovation-and-online-privacy-a-must.html und Katy Bachman,
„Survey: clutter causing TV ads to lack effectiveness“, MediaWeek , 8. Februar 2010, www.media-
week.com/mw/content_display/esearch/e3ief7f94880dc0982ebfa130c698f8d2e8?src=bchallenge .
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20.4 Bewegungen zur Förderung von nachhaltigem Marketing
men aufgekauft, das dann die Chance hat, seine Leistungsfähigkeit wieder zu steigern. Aber
Unternehmenskäufe können ebenso gesamtwirtschaftlich schädigend sein. Sie unterliegen
daher einer strengen kartellrechtlichen Kontrolle.
Kritiker weisen auch darauf hin, dass die in vielen Branchen übliche Marketingpraxis für
neue Wettbewerber eine Eintrittsbarriere darstellen kann. Großunternehmen können Patente
kaufen und aufwendige Marketingaktionen finanzieren. Sie sind in der Lage, Lieferanten und
Vertriebsnetze an sich zu binden und dazu zu bewegen, Konkurrenten nicht zu berücksichti-
gen oder hinauszudrängen. Fachleute des Wettbewerbsrechts räumen ein, dass einige
Zugangsbeschränkungen das ganz natürliche Ergebnis wirtschaftlichen Handelns sind.
Andere Beschränkungen lassen sich durch bestehende oder neue Gesetze mildern. Natürlich
gibt es auch Fälle, wo unfaire Wettbewerbspraktiken angewandt werden, um andere Firmen
zu schädigen. Zu diesen Praktiken gehört es, eine Zeitlang unter den eigenen Kosten zu ver-
kaufen, die Lieferbeziehungen zu stören oder Maßnahmen zu ergreifen, die den Einkauf der
betroffenen Waren verhindern sollen. Durch mehrere Gesetze werden diese Praktiken unter-
sagt. Sie sind jedoch schwer nachzuweisen.
Softwareunternehmen zum Beispiel werden immer wieder beschuldigt, unlautere Bünde-
lungspraktiken anzuwenden. Das bedeutet, dass ein solches Softwareunternehmen die Tatsa-
che, dass die Kunden an dieses gebunden sind, ausnutzt, um z.B. bei Betriebssystemen stän-
dig neue Software und Funktionen hinzuzufügen. Diese werden dann von den Kunden
genutzt, obwohl es auf dem Markt bessere Produkte gibt. Dies behindert einen fairen Wettbe-
werb, reduziert die Vielfalt der angebotenen Produkte und verzögert Innovationen.
Man kann sich fragen, wie diese Vorgänge zu beurteilen sind: als unlauterer oder als gesun-
der Wettbewerb, bei dem die leistungsfähigsten Unternehmen bestehen und wenig effiziente
Wettbewerber auf der Strecke bleiben?
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
Nader, der zusammen mit anderen Autoren den US-Großunternehmen Verschwendung und
unmoralische Praktiken vorwarf. Präsident John F. Kennedy bekannte sich dazu, dass die
Verbraucher ein Recht auf Sicherheit, Informationen und eine breite Auswahl sowie einen
Anspruch darauf haben, gehört zu werden.
Der amerikanische Kongress veranlasste Untersuchungen in einigen Branchen und brachte
weitere Verbraucherschutzgesetze auf den Weg. Seit jenen Jahren haben sich zahlreiche Ver-
brauchergruppen organisiert und viele neue Verbraucherschutzgesetze sind verabschiedet
worden.
Auch in Europa hat die Verbraucherbewegung verschiedene Wurzeln wie zum Beispiel das
Genossenschaftswesen oder die Arbeitervereine, die schon frühzeitig ähnliche Zielsetzungen
verfolgten, ohne die Bezeichnung Verbraucherschutzbewegung zu tragen. Die Verbraucher-
schutzbewegung hat inzwischen auch in den Ländern Europas einen großen Einfluss erlangt.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20.4 Bewegungen zur Förderung von nachhaltigem Marketing
das Recht, in einer Art und Weise zu konsumieren, die die Erde auch für zukünftige Gene-
rationen von Konsumenten erhält.
Jeder dieser Vorschläge hat zu weiteren Detailvorschlägen geführt. Das Recht, informiert zu
werden, beinhaltet zum Beispiel auch das Recht, genauer über Zinsen und über den Preis pro
Einheit informiert zu werden, genau über alle Inhaltsstoffe eines Produkts Bescheid zu wis-
sen, genaue Informationen über die Nährwerte und über die Produktfrische zu erhalten und
überdies über den wirklichen Nutzen eines Produkts informiert zu werden. Weitere Vor-
schläge sollen die Verbraucherrechte in Fällen von Betrug stärken, andere verlangen größere
Produktsicherheit sowie die Sicherstellung des Datenschutzes und wollen den Aufsichtsbe-
hörden mehr Macht geben.
Vorschläge in Bezug auf die Lebensqualität beinhalten die Kontrolle von Rohstoffen, die in
bestimmten Produkten und Verpackungen verarbeitet werden, sowie die Reduzierung der
„Werbelautstärke“. Vorschläge für die Erhaltung der Umwelt beinhalten die Bewerbung von
nachhaltigen Rohstoffen, Recycling, die Reduzierung von festen Abfällen und die Senkung
des Energieverbrauchs.
Nachhaltiges Marketing bezieht sich nicht nur auf Verbraucher, sondern auch auf Unterneh-
men und Regierungen. Verbraucher haben jedoch nicht nur das Recht, sondern auch die
Pflicht und die Verantwortung, sich zu schützen. Sie sollten dies nicht aus der Hand geben,
indem sie es anderen überlassen. Inzwischen haben in fast allen Ländern Konsumenten, die
einen schlechten Kauf getätigt haben, verschiedene Möglichkeiten zur Verteidigung ihrer
Rechte. Sie können an die Geschäftsleitung der betroffenen Unternehmen schreiben, sich an
die Medien wenden, staatliche oder öffentlich-rechtliche Verbraucherschutzstellen in
Anspruch nehmen oder sich an Schlichtungsstellen und Gerichte wenden. Verbraucher soll-
ten nachhaltige Kaufentscheidungen treffen und dadurch diejenigen Unternehmen belohnen,
die verantwortungsvoll handeln, und solche Unternehmen bestrafen, die es nicht tun. Letzt-
lich liegt der Schritt von verantwortungslosem hin zu nachhaltigem Konsum in der Entschei-
dung der Verbraucher.
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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
11 „Overconsumption is costing us the earth and human happiness“, The Guardian , 21. Juni 2010, Zu-
griff auf www.guardian.co.uk/environment/2010/jun/21/overconsumption-environment-relations-
hips-annie-leonard.
932
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20.4 Bewegungen zur Förderung von nachhaltigem Marketing
Ist die umweltbezogene Leistungs- Ist die Vision des Unternehmens auf
fähigkeit unserer Produkte durch den die Lösung sozialer und umwelt-
aktuellen technischen Stand begrenzt? bezogener Probleme ausgerichtet?
Morgen
Besteht Potenzial, bedeutende Ver- Fördert die Vision die Entwicklung
besserungen durch neue Technologien neuer Technologien, Märkte, Produkte
herbeizuführen? und Prozesse?
Intern Extern
Abbildung 20.3: Ein Raster zur Beurteilung der Umweltverträglichkeit eines Unternehmens
933
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
ver, Nestlé und Kraft haben aus denselben Gründen das Geschäftsverhältnis mit eben jenen
Lieferanten beendet. Das schwedische Möbelunternehmen IKEA hat deutsche Windfarmen
gekauft, um den CO2-Fußabdruck seiner weltweiten Kette an Mitnahmemöbelgeschäften zu
reduzieren.
Die Gründlichkeit, mit der Medien und Verbraucher die Versprechen der Unternehmen prü-
fen, ist heute intensiver als je zuvor. Wenn Sie Informationen über Ihre Produkte und Ihr
Warenangebot nicht veröffentlichen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Verbraucher das
übernehmen. GoodGuide beispielsweise ist eine Onlinedatenbank mit Informationen über
die gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen von 65.000 Alltagsproduk-
ten, über welche die Kunden die Herkunft ihrer Artikel nachverfolgen können.12
Produktverantwortung Auf einer nächsten Stufe machen es sich Unternehmen zur Aufgabe,
alle negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die sich im gesamten Produktlebenszyklus
ergeben können, zu minimieren. Man macht sich schon im frühen Stadium der Produktent-
wicklung Gedanken über recycelbare oder wiederbenutzbare Materialien. Dies kann sich
nicht nur positiv auf die Umwelt auswirken, sondern auch auf den Gewinn. Viele Unterneh-
men haben hierzu umweltfreundliches Design (design for environment) und Cradle-to-
Cradle-Praktiken entwickelt. Das beinhaltet auch eine vorausschauende Planung von Pro-
dukten, die nach ihrem Gebrauch leichter zurückgewonnen, wiederverwendet, recycelt oder
der Natur sicher wieder zugeführt werden können und so Teil des ökologischen Kreislaufs
werden. Produktgestaltungen für die Umwelt und Kreislauf-Ansätze unterstützen nicht nur
die ökologische Nachhaltigkeit, sondern können für das Unternehmen auch hoch profitabel
sein.
Neue Umwelttechnologien Wenn Unternehmen bei der Vermeidung von Umweltverschmut-
zung und bei der Produktpolitik bereits gute Fortschritte gemacht haben, zukünftig aller-
dings noch umweltbewusster agieren möchten, ist es nötig, die Umweltverträglichkeit von
Herstellungsprozessen und Produkten mithilfe neuer Technologien zu erhöhen.
Vision der Nachhaltigkeit Schließlich kann ein Unternehmen eine Vision zur Nachhaltigkeit
entwickeln, die als Richtlinie für die Zukunft dient. Diese Vision legt die Richtung fest, wie
sich Produkte, Dienstleistungen, Prozesse und Unternehmenspolitik im Hinblick auf ihre
Umweltverträglichkeit entwickeln sollten. Die meisten Unternehmen konzentrieren sich
heute auf den oberen linken Bereich des Rasters in der Abbildung 20.3 und investieren sehr
stark in die Reinhaltung der Luft. Einige vorausschauende Unternehmen übernehmen Pro-
duktverantwortung und entwickeln neue Umwelttechnologien. Die Fokussierung auf nur
einen oder zwei Bereiche im Nachhaltigkeitsraster kann jedoch zu kurzsichtig sein. Mit
Investitionen nur in die linke Hälfte des Rasters kann sich ein Unternehmen heute vielleicht
gut positionieren, es macht sich aber in der Zukunft anfällig. Dagegen legt ein starker Fokus
auf die rechte Hälfte nahe, dass das Unternehmen eine gute ökologische Vision hat, es jedoch
an den Fähigkeiten zur Umsetzung mangelt. Daher sollten Unternehmen an der Entwicklung
aller vier Dimensionen der ökologischen Nachhaltigkeit arbeiten.
Der Umweltschutz stellt globale Marketingexperten vor besondere Herausforderungen. Da
internationale Handelsbarrieren wegfallen und sich die globalen Märkte ausdehnen, haben
ökologische Themen umso größeren Einfluss auf den internationalen Handel. Länder in
Nordamerika, der Europäischen Union und anderen entwickelten Regionen schaffen strenge
Umweltauflagen. So hat die EU in den vergangenen 30 Jahren eine Reihe bedeutender und
12 Paul Tyrrel, „Technology lets buyers unravel the ethics behind the label“, Financial Times, 16. Sep-
tember 2010, S. 16.
934
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20.4 Bewegungen zur Förderung von nachhaltigem Marketing
20.4.3 Die öffentliche Meinung und ihr Einfluss auf die Marketingpraxis
Kritisieren Bürger oder Medien bestimmte Marketingpraktiken von Unternehmen, führt dies
heute schnell zu weitreichender Beachtung. In der öffentlichen Diskussion werden dann
häufig Forderungen nach gesetzlicher Regelung laut.
935
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
Die Politik reagiert mit dem Entwurf von Vorschlägen zur Gesetzgebung. Vieles wird abge-
lehnt, anderes wird geändert und aus einigen Vorschlägen entstehen Gesetze. Tabelle 20.1
zeigt Bereiche gesetzlicher Regelungen, die für das Marketing relevant sind.
Keine Bestechung!
Keinen Geheimnisverrat fördern!
Kunden nicht herabsetzen!
Verkaufspraxis und Verkaufspolitik Nur richtige Daten und Fakten verwenden!
Käuferrechte nicht verschweigen!
Nicht diskriminieren!
Keine unwahre Werbung!
Werbeentscheidungen Keine täuschende Werbung!
Keine Werbung mit Lockvogelangeboten!
Exklusivhändler möglich?
Gebietsschutz für die Händler?
Vertriebswegentscheidungen Lose oder feste Bindungen?
Welche Rechte für die Partner?
Marktbeherrschung durch Unternehmenskauf?
Wettbewerbsrelevantes Verhalten Werden Marktzutrittsschranken errichtet?
Kein Konkurrenzkampf bis aufs Messer!
Aufnahme neuer Produkte
Aufgabe alter Produkte
Produktentscheidungen Patentschutz und Lizenzverkehr
Umfang und Dauer der Gewährleistung
Produktqualität und -sicherheit
Ehrliche Verpackung und Beschriftung!
Faire Berechnung Versand/Verpackung!
Verpackung Lizenznehmer Recycling/Grüner Punkt?
Respektierung der Umweltanforderungen!
Sind Preisempfehlungen erlaubt?
Ist Preisbindung zulässig?
Wer empfindet Preisdiskriminierung?
Preisfestlegungen Sind Mindestpreise anwendbar?
Sind Preissteigerungen durchsetzbar?
Preisauszeichnungspflicht beachtet?
Tabelle 20.1: Marketing und Rechtsordnung
Sowohl auf europäischer als auch auf einzelstaatlicher Ebene existieren Gesetze und Vor-
schriften, die teilweise einschneidende Wirkung auf das Marketing haben. Diese gesetzlichen
Regelungen sind nun aus der Sprache der Juristen in eine Sprache, die die Marketingleitung
im Unternehmen versteht, zu übersetzen und bei Entscheidungen in Bezug auf Wettbewerbs-
beziehungen, auf die Produkte, die Preise, die Verkaufsförderung und auf die Vertriebskanäle
zu berücksichtigen.
936
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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing
Kundenorientierung
Kundenorientiertes Marketing bedeutet, dass das Unternehmen seine Marketingaktivitäten
aus der Perspektive des Kunden entwickelt. Alle Anstrengungen sind darauf gerichtet, die
Bedürfnisse einer definierten Kundengruppe zu ermitteln und in der Folge zu bedienen und
zu befriedigen. Erfolgreiche Unternehmen haben eines gemeinsam – sie haben das Ziel, ihren
sorgfältig ausgewählten Kunden den höchstmöglichen Wert zu liefern. Nur wenn das Unter-
nehmen es schafft, sich in die Kunden hineinzuversetzen, kann es andauernde und profita-
ble Beziehungen mit ihnen aufbauen.
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
16 Siehe Austin Carr, „Nike: The no. 1 most innovative company of 2013“, Fast Company, März 2013,
www.fastcompany.com/most-innovative-companies/2013/nike und Haydn Shaughnessy, „The wor-
ld’s most innovative companies, a new view“, Forbes, 13. Januar 2014, www.forbes.com/sites/
haydnshaughnessy/2014/01/13/anew-way-of-looking-at-the-worlds-most-innovative-companies/.
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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
Hier ein Auszug aus der Ethik-Charta zum Verhalten gegenüber Kunden:
Regel: Kunden von HiPP als Partner am Markt können sich darauf verlassen, dass HiPP
sich an die Spielregeln des jeweiligen Marktes hält und unlautere Methoden zur Vorteil-
serlangung nicht Stil des Hauses sind. HiPP achtet darauf, dass Vertrauen mit Vertrauen
und Entgegenkommen mit entsprechender Anerkennung honoriert wird. Ist aber eine
vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich oder erwünscht, müssen die Marktpart-
ner mit angepasstem Verhalten von HiPPs Seite rechnen.
Grund: HiPP ist ein Unternehmen, das nicht kurzsichtig auf die Erzielung von kurzfris-
tigen Gewinnen aus ist, sondern langfristig so erfolgreich wie möglich sein will. Dazu
aber ist eine langfristig vertrauensvolle, auf beiderseitigen Vorteil achtende Zusammen-
arbeit mit den Kunden eine notwendige Voraussetzung.
Folge: Von HiPP-Mitarbeitern, die mit Kunden in Kontakt stehen, wird erwartet, dass sie
mit Ausrichtung auf den langfristigen Erfolg ihres Unternehmens alles Mögliche zum
Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen HiPP und den Kunden tun. Ihr
diesbezüglicher Erfolg ist in der Mitarbeiterbeurteilung präzise zu erfassen.
Zudem publiziert das Unternehmen HiPP einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht
mit Umwelterklärung, die wiederum entsprechend der EU-Umwelt-Audit-Verordnung
zertifiziert ist. HiPP ist dafür mehrfach, teils an erster Stelle, mit Preisen für das konse-
quente Umwelt-Management und für diese Berichterstattung ausgezeichnet worden. So
wurde beispielsweise der Standort Pfaffenhofen konsequent auf regenerative Energien
umgestellt: Die Energie für die Heizungen und die Produktion wird von einem Bio-
masse-Heizkraftwerk geliefert und die beiden Kesselhäuser, die mit Heizöl und Erdgas
befeuert wurden, wurden stillgelegt.
Der elektrische Strom ist zu 100 % CO2-neutral, denn er wird in Wasserkraftwerken am
Hochrhein hergestellt. Zusätzlich erzeugen die HiPP-Photovoltaikanlagen ca. 45.000
kW/h Strom/Jahr. Ältere Gebäude wurden mit einem effizienten Wärmeschutz verse-
hen. Die organischen Abfälle werden in landwirtschaftliche Biogasanlagen geliefert, die
ca. 2 Millionen kW Strom/Jahr erzeugen.
Quelle: HiPP GmbH & Co. Vertrieb KG, Webseite unter: www.hipp.de [12.02.2018]
Wohlfahrtsbedachtes Marketing
Wenn ein Unternehmen den Grundsätzen des wohlfahrtsbedachten Marketing folgt, so wer-
den die Marketingentscheidungen entsprechend den Wünschen und langfristigen Interessen
der Konsumenten, den Zielen des Unternehmens und den langfristigen Interessen der Gesell-
schaft insgesamt getroffen.
Das Unternehmen ist sich dessen bewusst, dass sowohl den Kunden als auch der Gesell-
schaft ein schlechter Dienst erwiesen wird, wenn langfristige Bedürfnisse nicht berücksich-
tigt werden.
Ein verantwortungsvoll arbeitendes Unternehmen entwickelt und verkauft Produkte, die
nicht nur einen kurzfristigen Anreiz bieten, sondern auch auf lange Sicht einen Nutzen für
den Käufer aufweisen. Wie sich Produkte anhand dieser beiden Dimensionen klassifizieren
lassen, wird aus Abbildung 20.4 ersichtlich.
940
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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing
Sofortige Bedürfnisbefriedigung
gering hoch
Das Programm „One Laptop Per Child“ (OLPC, ein Laptop pro Kind) startete an der US-
amerikanischen technischen Hochschule MIT (Massachusetts Institute of Technology) und
führte zu einem revolutionären Wandel im weltweiten Geschäft mit Laptops – sowohl
direkt durch die OLPC-Innovation, aber wichtiger noch indirekt durch den Einfluss dieser
Innovation auf die Computerbranche. Das Ziel, sehr preiswerte Laptops für Kinder in den
Schwellenländern zu produzieren, sorgte für ein enormes Umdenken bei den etablierten
Herstellern; die Produktion günstiger Laptops sollte die Verfügbarkeit von Computern und
den Internetzugang für Kinder in aller Welt verbessern. Die Initiative brachte Neuerungen
wie die Markteinführung des Aakash-Tablets („Sky“ in Hindi) zum Preis von 35 US-Dollar
hervor, das in Indien als Schulrechner genutzt wird – und damit um 200 US-Dollar günsti-
ger ist als das vergleichbare OLPC-Modell. Die OLPC-Initiative sorgte für einen sozialen
Mehrwert – preiswerte Laptops für Schulen in den Schwellenländern – sowohl durch
eigene Maßnahmen als auch durch neue Geschäftsgelegenheiten für andere Unternehmen.
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
In einer ganz eigenen Entwicklung brachte ein Team von Computer-Spezialisten im Feb-
ruar 2012 an der Cambridge-Universität in Großbritannien den Raspberry Pi auf den
Markt. In den ersten sechs Monaten verkaufte sich der Pi etwa 500.000 Mal. Es handelt
sich dabei um einen Computer in Kreditkartengröße für junge Menschen, die sich für
das Programmieren von Computern interessieren. Der Pi wurde nach dem BBC Micro
entwickelt – ein einfaches Gerät mit roten und weißen Tasten, das in den 1980er-Jahren
einer ganzen Generation von Softwareunternehmern das Programmieren beibrachte. Der
Raspberry Pi kostet je nach Modell gerade einmal zwischen 15 und 22 Pfund.
Der 34-jährige Eben Upton ist einer der Köpfe hinter dem Raspberry Pi. Das Geschäft
wurde 2009 als gemeinnützige Organisation gegründet – sämtliche Gewinne flossen in
Bildungsprojekte und das Projekt startete mit nur einem Vollzeit-Mitarbeiter – Uptons
Ehefrau Liz, die sich um soziale Medien und Marketing kümmerte. Der Pi sieht nicht
schön aus. Er hat keine schlanke Hülle, sondern ein offenes grünes Schaltbrett mit Sili-
konchips – Prozessor, Video-Einheit, Verbindungen und einen angelöteten Ethernet-
Port. Man schließt es an den Fernseher an und bedient es über Tastatur und Maus. Die
Grafik allerdings ist besser als bei einigen Spielekonsolen und es kann Filme in Blu-
Ray-Qualität wiedergeben. Der Pi nutzt ein offenes Linux-Betriebssystem.
Der abgespeckte Computer ist Teil einer Maßnahme, um die Programmierfähigkeiten
britischer Kinder zu fördern und lässt die 1980er-Jahre wieder aufleben, als Hunderttau-
sende von Schülern an Rechnern wie dem ZX Spectrum und dem Commodore 64 das
Programmieren lernten. Ein großer Teil der Computerspiele-Branche im Vereinigten
Königreich stammt von Gründern, die als Jungs mit diesen Geräten in ihren Kinderzim-
mern experimentierten.
Doch der Pi ist nicht nur billig, er ist auch flexibel. Er kann von Anfängern bedient wer-
den und löst viele praktische Probleme. Der Kenya Wildlife Service nutzt eine Reihe
von Raspberry Pis als preiswerte Methode zur Steuerung versteckter Kameras, mit
denen gefährdete Tierarten beobachtet werden. In Süd-Wales, wo die Geräte hergestellt
werden, programmierte man ein Raspberry Pi zum Betrieb der Testabteilung der Fabrik,
da er billiger und schneller funktioniert als ein PC. An der Spitze aber stehen Tausende
von „Hobby-Programmierern“, die mit den Geräten experimentieren und sie weiterent-
wickeln. Ein Nutzer beispielsweise baute mit dem Raspberry Pi eine selbst entworfene,
zwitschernde Katzenklappe – diese macht Fotos von der Katze und zwitschert jedes Mal
Beifall, wenn die Klappe benutzt wird. Hauptsächlich ging es den Gründern der Initia-
tive darum, Kinder zur Entwicklung ihrer eigenen Anwendungen zu animieren – indem
man ihnen einen preiswerten Computer für eigene Zwecke zur Verfügung stellte, mit
dem das Programmieren zu einer Selbstverständlichkeit wurde. Das Ziel ist, den Com-
puterunterricht an Schulen kindgerechter zu machen. Die Gründer hoffen, dass ihr Pro-
jekt letztlich jedes Jahr 1.000 neue Computer-Ingenieure im Vereinigten Königreich her-
vorbringt. Nun, da das Projekt aktiv ist, können Upton und seine Kollegen sich wieder
dem Unterrichten im Programmieren widmen.
Da die Universitäten vor Raspberry Pi sinkendes Interesse und Studentenzahlen ver-
zeichneten, sahen sich Upton und seine Kollegen veranlasst, etwas dagegen zu tun. Aus
diesem Team entstand die Raspberry Pi Foundation. Mithilfe örtlicher Investoren sam-
melten sie 126.000 Pfund für die Entwicklung eines Prototyps als Nachfolger für das
BBC Micro.
942
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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing
Es gab vier Kriterien für das neue Gerät: Es musste auch für andere Aufgaben als das
Programmieren interessant, robust, so preiswert wie ein Lehrbuch und mit einer Soft-
ware ausgestattet sein. Als eine frühe Version dann einem Technik-Redakteur von BBC
vorgestellt wurde, verbreitete sich das Video versehentlich 800.000 Mal. Unbeabsichtigt
hatte man 800.000 Menschen einen Computer versprochen!
Die Organisation nutzte das Gründungskapital, um die Herstellung der ersten 10.000 Pis
zu finanzieren. Die Nachfrage ging zum Verkaufsstart im Februar 2012 durch die Decke
– die Bestellungen übertrafen den Bestand um das Zehnfache, die Webseiten der Liefe-
ranten brachen zusammen, Bestellungen wurden auf ein Gerät pro Person begrenzt und
Tausende Pis wurden über eBay verkauft. Die erste Produktionsauflage war innerhalb
weniger Stunden ausverkauft. Schnell entschieden sich die Gründer, die Lizenz für die
Herstellung an die Firma Premier Farnell and RS Components zu vergeben, die Compu-
ter in China produzierte. Egoman stellt eine Version nur für den Verkauf in China und
Taiwan her. Ein Teil der Produktion wurde seitdem nach Wales verlagert. Die Geschäfts-
partner zahlen für jedes verkaufte Gerät eine Provision an die Gründer. Dieses
Geschäftsmodell ist eine Partnerschaft zwischen einer gemeinnützigen Organisation mit
Bildungszweck und gewinnorientierten Herstellern und Lieferanten. Zugegebenerma-
ßen wurde die Organisation zum Teil für die Geheimhaltung des Designs kritisiert – die
Software ist bekannt, über die Hardware weiß man nichts. Die Hersteller können so ihre
Investitionen wieder hereinholen, indem sie Imitationen unmöglich machen.
943
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
Zwei Drittel der Umsätze wurden in Amerika und Europa erzielt, ein Drittel in Afrika
und Asien; hier benötigen die Haushalte preiswerte Computer, die einfach an den Fern-
seher angeschlossen werden können. Eine noch preiswertere Version des Pi kam Ende
2012 auf den Markt. Ende 2013 hatte sich der Pi 1,8 Millionen Mal verkauft. Raspberry
Pi startete als gemeinnützige Organisation, da es nur eine geringe Zahl von Chips für die
Geräte benötigte und diese über geschäftliche Transaktionen erhielt. Als gewinnorien-
tiertes Unternehmen hätte Raspberry Pi wesentlich kleiner anfangen oder Eigenkapital
aufbringen müssen – in beiden Fällen hätte der Verkaufspreis eines Gerätes bei 60 – 120
Pfund gelegen. Die Innovation ist nicht der Computer an sich, sondern auch das
Geschäftsmodell. Angestrebt wird der Verkauf von einer Million Pis pro Jahr an Bil-
dungseinrichtungen und eine Million „Hobbyprogrammierer“.
Quellen: Oliver Shah, „Geeks go mad for a bit of Pi – Raspberry Pi, the £15 computer“, The Sunday
Times, 2. September 2012, S. 1 & S. 9; Sean Poulter, „£22 App factoryW“, Daily Mail, 1. März 2012,
S. 31; Maija Palmer, „Raspberry Pi minicomputer sells out“, Financial Times, 1. März 2012, S. 2;
Jonathan Moules, „An unexpected slice of success“, Financial Times, 2. Oktober 2013, S. 14; Kate
Bevan, „how smart homes put a price on data“, Financial Times, 17. Mai 2015; Mark Odell, „BBC
to give 1M computers to children“, Financial Times, 12. März 2015, Sally Davies, „Raspberry Pi
launches its smallest, cheapest device yet“, Financial Times, 10. November 2014.
944
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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing
Stellen Sie sich vor, Sie würden für eine Zigarettenfirma arbeiten. Bisher waren Sie noch nicht davon überzeugt, dass
Zigarettenrauchen Lungenkrebs verursachen kann. Auf Ihren Schreibtisch kommt eine neue wissenschaftliche Stu-
die, die genau diesen Zusammenhang belegt und nun auch Sie überzeugt.
Wie verhalten Sie sich?
Ihre Entwicklungsabteilung hat eines der Produkte geändert. Es ist zwar nicht wirklich „neu und besser“, aber wenn
Sie das auf die Verpackung schreiben und damit Werbung machen, wird der Absatz zunehmen.
Was werden Sie tun?
Als Produktmanager sollen Sie ein Einfachgerät zu Ihrer Produktlinie hinzufügen, das als Lockvogelangebot Kunden
in die Läden ziehen soll. Obwohl dieses Produkt nicht sehr gut sein soll, erwartet man von Ihnen, dass Sie dieses
Vorgehen unterstützen.
Was werden Sie tun?
Einer Ihrer besten Verkäufer in einem wichtigen Vertriebsgebiet hat Ehe- und Familienprobleme. Dadurch ist sein
Absatz zurückgegangen. Es sieht so aus, als ob er noch eine ganze Weile brauchen würde, um wieder Tritt zu fassen.
Inzwischen würden Sie Marktanteile verlieren. Entsprechend der Rechtslage wären Sie vermutlich berechtigt, den
Vertrag mit ihm zu kündigen und ihn zu ersetzen.
Wie verhalten Sie sich?
Sie stehen in Verhandlungen über einen Großauftrag, der für Ihr Unternehmen und für Sie selbst viel bedeutet. Der
Einkäufer der Gegenseite gibt einen Wink, dass eine „Aufmerksamkeit“ für ihn die Entscheidung günstig beeinflus-
sen würde. Ihre Sekretärin schlägt vor, dem Mann ein wertvolles Fernsehgerät nach Hause zu schicken.
Was werden Sie tun?
Ihre Werbeagentur hat für die kommende Kampagne drei Konzepte entworfen:
Konzept A ist eine ehrliche, sanfte und auf fairer Information basierende Kampagne.
Kampagne B setzt sexgeladene emotionale Appelle ein und übertreibt die Vorteile des Produkts maßlos.
Kampagne C ist laut und schrill und erregt sicher die Aufmerksamkeit des Publikums.
Tests haben ergeben, dass die Kampagnen in folgender Reihenfolge erfolgversprechend sind: C, B, dann A.
Wie werden Sie sich entscheiden?
Tabelle 20.2: Schwierige Situationen zum Thema „moralische Verantwortung im Marketing“
945
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
von Land zu Land. Staaten wie das Vereinigte Königreich und die USA haben konsequente
Anti-Korruptionsgesetze eingeführt und durchgesetzt. So ist im britischen Anti-Korruptionsge-
setz von 2011 der neue Tatbestand der versäumten Verhütung von Bestechung durch Personen,
die im Auftrag eines Unternehmen tätig sind, enthalten, neben dem bereits bestehenden Straf-
tatbestand der Zahlung, des Versprechens oder des Angebots eines Bestechungsgelds im In-
und Ausland. Die Strafen für Bestechung wurden auf zehn Jahre Haft und Geldstrafen in unbe-
grenzter Höhe verschärft. Das britische Anti-Korruptionsgesetz ist heute umfassender als das in
den USA.17 Auch Bestechungsgelder und geheime Lohnrückzahlungen sind für US-Firmen
illegal. Daneben wurden eine Reihe von Abkommen gegen Bestechung und Korruption von
mehr als 60 Staaten vereinbart und ratifiziert. Und doch ist Korruption in vielen Staaten noch
immer gängige Praxis.
Die Weltbank schätzt, dass insgesamt mehr als eine Billion Dollar an Bestechungsgeldern
jährlich weltweit gezahlt werden. Eine Studie belegt, dass Bestechungsgelder am skrupello-
sesten von Firmen aus Indonesien, Mexiko, China und Russland fließen. Weitere Länder, in
denen Korruption an der Tagesordnung ist, sind Sierra Leone, Kenia und der Jemen. Am
wenigsten korrupt sind Unternehmen in Australien, Dänemark, Finnland und Japan.18 Es
stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen seine ethischen Standards senken muss, um in
Ländern mit niedrigeren Ansprüchen wettbewerbsfähig zu sein. Die Antwort ist nein. Unter-
nehmen sollten sich zu gemeinsamen Leitlinien weltweit verpflichten. Das langfristige
Risiko, dies nicht zu tun, ist schlicht zu hoch. Die globale Pharmaindustrie steht vor dem rie-
sigen Problem, sich aus den Marketing-Strategien ihres Geschäftsmodells zurückzuziehen,
die ehemals gang und gäbe waren, heute aber als völlig inakzeptabel gelten und von Regie-
rungen sanktioniert werden – Anreize für Mediziner, bestimmte Arzneimittel zu verordnen,
galten einmal als legitime Absatzförderung, werden heute jedoch als Bestechungsversuche
und Korruption angesehen. Den beschuldigten Unternehmen drohen enorme Geldstrafen
und rechtliche Schritte.
Mittlerweile haben auch viele Branchen- und Berufsverbände ihren Mitgliedern Regeln für
unternehmerisches Wohlverhalten im Sinne einer „Ethik der wirtschaftlichen Betätigung“
vorgeschlagen und weltweit verpflichten sich viele Unternehmen zu ethisch einwandfreiem
Verhalten. Bei den meisten Großunternehmen gibt es heute Verhaltensrichtlinien, an die sich
alle Mitarbeiter zu halten haben. Darüber hinaus existieren seit einigen Jahren auf internatio-
naler Ebene Bemühungen, einen verbindlichen Verhaltenskodex festzuschreiben.
Lippenbekenntnisse allein helfen jedoch nicht im Bereich des ethisch korrekten Verhaltens
von Unternehmen. Diese Angelegenheiten müssen insbesondere den verantwortlichen Mitar-
beitern in Fleisch und Blut übergehen. Moralisch einwandfreies Verhalten im Wirtschaftsle-
ben muss ein integraler Bestandteil der Organisation sein, ein Stil, Geschäfte zu machen, der
tief im Unternehmen verwurzelt ist. In jedem Wirtschaftsunternehmen sollte moralisch ein-
wandfreies Verhalten eine Tradition darstellen, die von Generation zu Generation vorgelebt
und an Mitarbeiter auf allen Ebenen weitergegeben wird.
17 Elliot Wilson, „Britain goes to war on bribery“, Daily Mail, 1. April 2011, S. 91; Dionne Searcey, „U.K.
bribes law has firms in a wweat“, Wall Street Journal, 29. Dezember 2010, S. 6.
18 Siehe Transparency International, „Bribe Payers Index 2011“, http://bpi.transparency.org/bpi2011
und „Global Corruption Barometer 2013“, www.transparency.org/gcb2013; siehe auch Michael Mont-
gomery, „The cost of corruption“, American RadioWorks, http://americanradioworks.publicra-
dio.org/features/corruption/, Zugriff September 2014.
946
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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing
Doch schriftliche Kodizes und Ethikprogramme sichern noch kein ethisches Verhalten. Ethik
und soziale Verantwortung erfordern eine vollständige unternehmerische Verpflichtung. So
besagt der „Verhaltenskodex“ von Google: „Wir können unmöglich jedes denkbare ethische
Szenario ausformulieren. Stattdessen verlassen wir uns auf das Urteilsvermögen jedes einzel-
nen, ein hohes Maß an Integrität für uns und unser Unternehmen zu bewahren. Denken Sie
daran … seien Sie nicht bösartig. Falls Sie etwas beobachten, das nicht richtig ist, sprechen
Sie es an!“
19 Steve Overman, The Conscience Economy: How A mass Movement for Good Is Great for Business,
Bibiomotion, 2014.
20 Ben Bland, „Executives shown a fresh perspective on sustainability“, Financial Times, 13. Januar
2014, S. 10.
21 Richard Milne, „Drive to link pay to sustainability begins“, Financial Times, 24. Februar 2010, S. 22.
22 David A. Lubin und Daniel C. Esty, „The sustainability imperative“, Harvard Business Review, Mai
2010, S. 41–50.
23 David A. Lubin und Daniel C. Esty, „The sustainability imperative“, Harvard Business Review, Mai
2010, S. 41–50 und Roasbeth Moss Kanter, „It’s time to take full responsibility“, Harvard Business
Review, Oktober 2010, S. 42.
947
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
diese befinden, sicherzustellen. Nachhaltiges Marketing bietet den Kontext, in dem Unter-
nehmen jetzt und in Zukunft Nutzen für Kunden schaffen und im Gegenzug von Kunden
profitieren, wodurch langfristig lukrative Kundenbeziehungen entstehen.
ZUSAMMENFASSUNG
948
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Literatur und Quellen
Die Aktionen der Bürger in den Bereichen Verbraucher- und Umweltschutz haben zu
zahlreichen gesetzlichen Initiativen bei Produktsicherheit, bei Verpackungen und deren
Entsorgung, bei Kreditvergaben und in der Werbung geführt. Zahlreiche Unternehmen
standen diesen Organisationen und ihren Zielen und Initiativen anfangs sehr reserviert
gegenüber. Heute erkennt die Wirtschaft jedoch weitgehend die Notwendigkeit deren
Engagements an.
Einige Unternehmen folgen deshalb heute einer Strategie des nachhaltigen Marketings,
die auf folgenden Eckpfeilern basiert:
Kundenorientierung
Dauerhafte Wertsteigerung als Ziel des Marketings
Innovation als Angebotsprinzip
Marketing mittels einer Unternehmensmission
Wohlfahrtsbedachtes Marketing
Das langfristige Wohlergehen der Gesellschaft ist das Ziel des nachhaltigen Marketings.
Es geht darum, bei der Befriedigung aktueller Verbraucherwünsche sicherzustellen, dass
die nachfolgenden Generationen in ihrer Bedürfnisbefriedigung nicht eingeschränkt
sind.
Jedes Unternehmen sollte für sich eine Philosophie gesellschaftlich verantwortbaren
und moralischen Handelns festlegen und daraus klar definierte Grundwerte ableiten.
Diese helfen den Entscheidungsträgern, die ethisch-moralischen Fragestellungen des
Tagesgeschäfts zu beantworten. Viele Branchen- und Berufsverbände schlagen ihren
Mitarbeitern Regeln im Sinne einer „Ethik der wirtschaftlichen Betätigung“ vor und die
meisten Großunternehmen haben Verhaltensrichtlinien für ihre Belegschaft. Lippenbe-
kenntnisse helfen im Bereich ethisch korrekten Verhaltens jedoch nicht, wenn die
Geschäftsleitung nicht als Vorbild fungiert und den definierten Verhaltenskodex durch
ihr tägliches Agieren vorlebt.
Das 21. Jahrhundert hält eine Vielzahl von Aufgaben und Herausforderungen für das
Marketing bereit. Insbesondere Unternehmen, die sich an die vorgegebenen Spielregeln
halten, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, ethisch-moralische Fra-
gestellungen in ihrem Handeln berücksichtigen und ihren Kunden zugleich Produkte
mit hohem Nutzen anbieten, werden langfristig erfolgreich im Wettbewerb bestehen.
949
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing
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Abgeleitete Nachfrage Nachfrage nach Indust- essen und Forderungen bei der Planung berück-
riegütern, die letztendlich von der Nachfrage nach sichtigt werden müssen. Zu diesen Gruppen gehö-
Konsumgütern abhängt (bzw. sich daraus ableitet). ren unter anderem Anbieter, Nachfrager, Vertreter
Absatzkanal siehe Distributionskanal der Öffentlichkeit und der Politik.
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Bedürfnis Menschlicher Zustand, in dem ein Big Data Die gewaltigen, komplexen Datenmen-
Mangel empfunden wird, welcher aufgelöst wer- gen, die mithilfe der modernen Technologien zur
den will. Datenbeschaffung, -sammlung, -speicherung und -
analyse erzeugt werden.
Beeinflusser (Influencer) Mitarbeiter des Buying
Centers in einem Unternehmens, welche die Kauf- Blickregistrierung siehe Eye-Tracking
entscheidung beeinflussen; oft unterstützen sie Blogs Online-Tagebücher, in denen Menschen
die Definition von Spezifizierungen und stellen ihre Gedanken zu einem üblicherweise eng defi-
Informationen für die Bewertung geeigneter Alter- nierten Thema äußern
nativen zur Verfügung. Blue Ocean Strategy Bei der Positionierung wer-
Befragung Methode der Marktforschung zur Er- den neue, bislang unbesetzte Marktfelder gesucht
mittlung von deskriptiven Informationen. Die Be- und stark umkämpfte Marktfelder gemieden.
fragung ist die am häufigsten angewandte und oft- Durch die Schaffung einer neuen Nutzendimensi-
mals einzige Methode zur Primärdatenerhebung. on werden Wettbewerber weitgehend bedeutungs-
Behavioral Targeting Der Einsatz von Daten zum los.
Nutzungsverhalten von Konsumenten im Internet, Branche Unternehmen einer Branche bieten Pro-
um zielgenaue Werbung und Angebote für spezi- dukte oder Produktklassen an, die einander subs-
elle Konsumenten zu erstellen. tituieren. Eine Branche umfasst die Gruppe aller
Benchmarking Methode, bei der ein Unterneh- Anbieter eines Produkts oder einer Dienstleistung.
men die eigenen Produkte oder Prozesse mit Break-even-Analyse Methode zur Bestimmung
denen der Wettbewerber oder führender Unter- der Verkaufsmenge, die erreicht werden muss,
nehmen anderer Branchen vergleicht, um Mög- damit der Umsatz gleich den Gesamtkosten ist.
lichkeiten zu finden, die eigene Qualität und Leis- B-to-B (Business-to-Business)-E-Commerce On-
tungsfähigkeit zu optimieren. lineverkauf von Waren und Dienstleistungen an
Beobachtung Bei der Datenerhebung durch Be- Unternehmen oder andere Organisationen; häufig
obachtung werden Personen, Situationen und Nutzung von B-to-B-Handelsnetzwerken, Aukti-
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Ziel ist es, den Nutzen für beide Seiten zu steigern Dienstleistungen, Charakteristika Im Gegensatz
und eine langfristige und profitable Beziehung zu zu Produkten zeichnen Dienstleistungen sich
den Kunden aufzubauen. CRM basiert auf der durch folgende Eigenschaften aus: Immaterialität,
Speicherung sämtlicher Daten und Transaktionen Integration eines externen Faktors, Schwankun-
mit Kunden in einem elektronischen Informati- gen in der Dienstleistungsqualität, Nichtlagerfä-
onssystem. higkeit, Nichttransportfähigkeit sowie beschränk-
Customer Value (dt.: Kundennutzen) Nutzen, ter Zugang und Besitzanspruch.
den ein Kunde aus den Eigenschaften eines Pro- Dienstleistungsqualität, Schwankungen Eines
duktes in Relation zu seinen damit verbundenen der wesentlichen Charakteristika einer Dienstleis-
Aufwendungen zieht. tung; durch die Beteiligung von Personen im
Customer Value Analysis Es werden Käufer ge- Dienstleistungserstellungsprozess ist ein großes
fragt, welche Eigenschaften ihnen besonders Potenzial für Qualitätsunterschiede gegeben.
wichtig sind, ihnen einen hohen Nutzen stiften Differenzierte Werbung Anpassung einer inter-
und wie sie einen Anbieter gegenüber anderen be- nationalen Werbekampagne an die Gegebenheiten
züglich der Erfüllung dieser Eigenschaften bewer- der jeweiligen Länder, unter Berücksichtigung
ten. vorhandener kultureller, sozioökonomischer, poli-
Dauerniedrigpreiskonzept (engl.: Everyday Low tischer und rechtlicher Unterschiede.
Pricing, EDLP) Form der wertorientierten Preisset- Differenziertes Marketing Marktabdeckungs-
zung, bei der ein Handelsunternehmen dauerhaft strategie, bei der ein Unternehmen unterschiedli-
einen niedrigen Verkaufspreis ansetzt und dafür che Zielsegmente mit jeweils gezielten Angeboten
auf kurzfristige Preisaktionen oder Sonderangebo- bedient.
te für diesen Artikel verzichtet. Differenzierung Bezeichnet eine Strategie, mit
Degenerationsphase Phase am Ende des Pro- der man sich von der Konkurrenz abhebt, indem
duktlebenszyklus mit sinkendem Absatz. für die Zielgruppe wünschenswerte und wert-
Demarketing Marketing mit dem Ziel, die Markt- schaffende Merkmale besonders hervorgehoben
nachfrage vorübergehend oder permanent zu sen- werden.
ken. Ziel ist es nicht, Nachfrage zu zerstören, son- Digitales und Social-Media-Marketing Nutzung
dern sie selektiv zu reduzieren oder umzulenken. digitaler Marketinginstrumente wie Webseiten,
Demografie: Unter Demografie versteht man die soziale Medien, mobile Apps und Anzeigen, On-
Untersuchung der Bevölkerung anhand der statis- linevideos, E-Mail und Blogs, um Kunden überall
tischen Dimensionen Größe, Bevölkerungsdichte, und jederzeit über ihre digitalen Geräte zu errei-
Verteilung im Raum, Alter, Geschlecht, Zugehörig- chen.
keit zu einer ethnischen Gruppe, berufliche Tätig- Digital Natives Generation von Internetnutzern,
keit und weiterer geeigneter Merkmale. die mit dem Internet aufgewachsen sind. Im Ge-
Demografische Segmentierung Segmentierung gensatz dazu steht der „Digital Immigrant“, der
von Konsumgütermärkten anhand demografischer erst als Erwachsener mit den digitalen Technolo-
Kriterien wie Alter, Geschlecht, Familiengröße, gien vertraut wurde.
Position im Familienlebenszyklus, Einkommen, Direct-Mail-Marketing (dt.: Werbeversand per
Beruf, Bildung, Religion und Nationalität. Post) Direktmarketing durch Versand von Ange-
Deskriptive Studie Marktforschungsprojekt, wel- boten, Ankündigungen, Erinnerungen oder ande-
ches darauf abzielt, bestimmte Fragestellungen ren Poststücken an bestimmte Haus- oder Interne-
des Marketing genauer zu beschreiben. Beispiele tadressen
sind das Marktpotenzial eines Produktes sowie Direct-Response-Television-Marketing Direkt-
die Demografie und Einstellungen von Käufern. marketing über das Fernsehen mit direkter Be-
Devisenbeschränkung Beschränkungen seitens stellmöglichkeit (Infomercials) und Werbung über
einer Regierung bezüglich Währungstransaktio- interaktives Fernsehen (ITV).
nen mit dem Ausland und des Wechselkurses ge- Direkte Produkteinführung Vermarktung eines
genüber anderen Währungen. Produktes auf dem Auslandsmarkt ohne jegliche
Dienstleistung Jede Leistung, die an einem Men- Veränderung am Produkt.
schen oder einer Sache, dem sogenannten exter- Direktinvestition Das Engagement auf einem
nen Faktor, erbracht werden kann und so eine ge- Auslandsmarkt durch die Einrichtung einer aus-
wollte Änderung bewirkt. ländischen Basis für Montage oder Produktion.
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ßeren Kunden und ihren Lieferanten verbinden fentlichkeit und andere Kräfte in ihrem Umfeld in
und so eine bessere Abstimmung ihrer Aktivitäten ihrem Sinne zu beeinflussen.
ermöglichen. E-Purchasing (dt.: elektronische Beschaffung)
E-Mail-Marketing Der Versand möglichst zielge- Kaufseite des E-Commerce. Erwerb von Waren,
richteter, personalisierter und beziehungsfördern- Dienstleistungen und Informationen bei Unter-
der Botschaften per E-Mail nehmen, die ihre Vertriebs- und Verkaufsaktivitä-
E-Marketing Ist die Marketing-Seite des E-Com- ten online betreiben.
merce. Hierunter wird die Kommunikation der Erfahrungskurve Beschreibt den Zusammenhang
Anbieter über das Internet verstanden, z.B. Wer- von Produktionsmenge und Durchschnittskosten
bung und Informationen zu bestimmten Produk- und besagt, dass mit jeder Verdopplung der kumu-
ten und Dienstleistungen. lierten Produktionsmenge ein Kostensenkungspo-
E-Marktplätze (offene Handelsnetzwerke) tenzial von 20 bis 30 % einhergeht.
Große elektronische „Marktplätze“, auf denen Erinnernde Werbung Werbung, die darauf ab-
sich Käufer und Verkäufer online treffen, Informa- zielt, den Verbraucher wieder an ein Produkt zu
tionen austauschen und Transaktionen abschlie- erinnern, das bereits seit längerer Zeit auf dem
ßen können. Markt ist. Gelegentlich verfolgt erinnernde Wer-
Embargo Verbot der Einfuhr eines bestimmten bung auch das Ziel, Kunden, die das Produkt ge-
Produkts. kauft haben, darin zu bestärken, dass sie die rich-
tige Wahl getroffen haben.
Emotional Selling Proposition (ESP) Alleinstel-
lungsmerkmal einer Marke aufgrund einer nicht Erstkauf Eine Situation, in der ein industrieller
funktionellen Produkteigenschaft, die beim Ver- Einkäufer ein Produkt oder eine Dienstleistung
braucher eine ganz besondere Assoziation hervor- zum ersten Mal beschafft.
ruft. Ethnografische Forschung besteht darin, gut
Emotionale Appelle Versuche, positive oder ne- ausgebildete Beobachter zu nutzen, die das „na-
gative Emotionen beim potenziellen Kunden her- türliche Lebensumfeld“ von Verbrauchern beob-
vorzurufen, um eine Kaufmotivation entstehen zu achten und dort mit ihnen interagieren.
lassen. Beispiele sind Liebe, Sympathie, Humor, Events (Groß-)Veranstaltungen, die durchgeführt
Stolz, Erfolg oder Freude. werden, um einem Zielpublikum bestimmte Bot-
Engel’sches Gesetz Unterschiede im Ausgabever- schaften zu kommunizieren. Hierzu gehören bei-
halten, die vor mehr als einem Jahrhundert von spielsweise Pressekonferenzen, feierliche Eröff-
Ernst Engel beschrieben wurden. Er fand heraus, nungen, Ausstellungen, Shows oder öffentliche
dass bei steigendem Einkommen der Anteil des Führungen.
Einkommens, der für Lebensmittel ausgegeben Exklusive Distribution Eine begrenzte Anzahl
wird, sinkt, jener für das Wohnen gleich bleibt von Händlern erhält das exklusive Recht, die Pro-
und der für alle anderen Ausgabenkategorien und dukte eines Herstellers in einem bestimmten Ver-
für das Sparen steigt. kaufsgebiet zu vertreiben.
Entscheider Mitarbeiter im Buying Center eines Experiment Versuchsanordnung in der Marktfor-
Unternehmens, die die offizielle oder inoffizielle schung zur empirischen Gewinnung von Informa-
Befugnis haben, die eingesetzten Lieferanten aus- tion. Durch die unterschiedliche Behandlung von
zuwählen oder zu akzeptieren. Testgruppe und Kontrollgruppe können aus deren
Entwurfstest einer Werbemaßnahme (engl.: unterschiedlichen Reaktionen Schlüsse über Ur-
copy test) Gibt Auskunft darüber, ob die Werbe- sache-Wirkungs-Zusammenhänge getroffen wer-
maßnahme die Botschaft in geeigneter Weise über- den.
mitteln kann. Der Test kann auf der Basis des Ent- Explorative Studie Marktforschungsprojekt mit
wurfs der Werbemaßnahme durchgeführt werden, dem Ziel, erste vorbereitende Informationen zu-
also bevor sie geschaltet oder umgesetzt wird, sammenzutragen, die der Problemdefinition und
oder um eine bereits im Markt etablierte Werbe- Hypothesenbildung dienen.
maßnahme zu testen. Export Verkauf von im Herkunftsland hergestell-
Environmental management perspective ten Gütern ans Ausland, wobei in den meisten
Sichtweise oder Vorgehensweise, mit der Unter- Fällen keine Produktänderungen nötig sind. Es
nehmen versuchen, gezielt auf das Marketing-Um- kann direkt exportiert werden oder indirekt über
feld einzuwirken. Sie beobachten und reagieren die Partnerschaft mit Export-Intermediären (Ex-
nicht nur, sie ergreifen die Initiative, um die Öf-
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Handelsmakler Ein Großhändler, der keinen An- Identifizierung potenzieller Käufer (Verkaufs-
spruch an den Produkten erwirbt und der einge- prozess) Ein Verkäufer oder ein Unternehmen er-
schaltet wird, um Käufer und Verkäufer zusam- mittelt geeignete potenzielle Käufer.
menzubringen und diese bei den Verhandlungen Identischer Wiederkauf Eine Situation, in der
zu unterstützen. ein industrieller Einkäufer routinemäßig etwas
Handelsmarke siehe Eigenmarke des Handels nachbestellt, ohne dabei Veränderungen vorzu-
nehmen.
Handelsstufe Umfasst alle Marketing-Intermediä-
re einer Ebene, die mit ihrer Arbeit dazu beitra- Immaterialität Eines der wesentlichen Charakte-
gen, das Produkt und die Eigentumsverhältnisse ristika einer Dienstleistung – welche nicht gese-
daran näher an den Verbraucher beziehungsweise hen, gefühlt, gehört, gerochen und geschmeckt
Anwender zu bringen. Die Anzahl der Handels- werden kann, bevor sie erbracht wird.
stufen beschreibt die Länge eines Distributionska- Implementierung Die Implementierung setzt
nals. strategische Pläne und Marketingpläne in konkre-
Handelsvertreter Ein Großhändler, der den Käu- tes Handeln um, das die Zielvorgaben des Unter-
fer oder Verkäufer mehr oder minder dauerhaft nehmens erfüllen soll.
vertritt, nur wenige Aufgaben ausführt und die INCOTERMS (International Commercial Terms)
Ware nicht übernimmt. Vertragsformulierungen im internationalen Han-
Herstellermarke Eine Marke, die vom Hersteller del, die Lieferbedingungen wie Lieferort, Kosten
eines Produkts oder einer Dienstleistung aufge- oder Gefahrenübergang bestimmen. Gängige IN-
baut und geführt wird. COTERMS sind ex works (ab Werk), free alongside
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ship FAS (frei Längsseite Schiff), free on board geschaffen, der auf dem entsprechenden Teil-
FOB (frei an Bord) oder cost, insurance, freight markt bisher nicht angeboten wurde.
CIF (Kosten, Versicherung, Fracht). Integration des externen Faktors Eine der we-
Indirekte Vertriebskanäle Vertriebskanäle mit sentlichen Besonderheiten einer Dienstleistung ist
einem oder mehreren Absatzmittlern auf verschie- die Tatsache, dass in der Regel ein Gut des Kun-
denen Ebenen. den oder der Kunde selbst in den Dienstleistungs-
Individuelles Marketing Das zielgenaue Abstim- erstellungsprozess eingebunden ist. Der Kunde
men von Produkten und Marketingprogrammen bzw. das Gut wird hierbei als externer Faktor be-
auf die Bedürfnisse und Wünsche einzelner Kun- zeichnet, da der Leistungserbringer hierauf keinen
den – dieses Vorgehen wird auch als One-to-One Einfluss hat.
Marketing, kundenspezifisches Marketing oder Integrierte Marketingkommunikation Hierbei
Markets-of-one-Marketing bezeichnet. werden alle Botschaften über das Unternehmen
Industriegüter Ein Produkt, das von Einzelperso- und seine Produkte über die vorhandenen Kom-
nen und Unternehmen zur weiteren Bearbeitung munikationskanäle koordiniert und integriert, um
oder zur Nutzung für einem Geschäftsbetrieb er- eine klare und konsistente Aussage über das Un-
worben wird. ternehmen und seine Produkte liefern zu können.
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Glossar
Jahresplanung Ein kurzfristiger Plan, der die ge- fangreichen Auswahl- und Abstimmungsvorgän-
genwärtige Situation des Unternehmens sowie gen.
dessen Ziele und Strategien beschreibt, und der Key-Account-Management Im Marketing wird
die geplanten Aktionen, die Budgets und die Steu- verstärkt darauf geachtet, gute und vertrauensvol-
erungsinstrumente für das laufende Jahr enthält. le Beziehungen zu besonders wichtigen Kunden
Joint Venture Im weiteren Sinne versteht man zu halten. Dies sind häufig große Einzelhändler
unter Joint Venture eine vertragliche Kooperation oder im Industriegütermarkt Hauptabnehmer
zwischen zwei Partnern, um gemeinsam Produkte eines Produktes. Hierfür werden eigens Kunden-
und Dienstleistungen zu produzieren bzw. zu ver- betreuer, sogenannte Account Manager, einge-
markten. Es lassen sich je nach Intensität der Zu- setzt, welche für die Geschäftsbeziehung zu einem
sammenarbeit vier Grundtypen des Joint Venture bestimmten Großkunden zuständig sind. Die Auf-
unterscheiden: Lizenzvergabe, Auftragsfertigung gabe des Key Account Managers besteht darin,
(Contract manufacturing), Betriebsführungsverträ- eine gute und dauerhafte Geschäftsbeziehung zwi-
ge (Management contracting) und echte Gemein- schen besonders wichtigen Kunden und der eige-
schaftsunternehmen (Joint ownerships), wobei nen Organisation zu etablieren und zu pflegen.
Letztere als Joint Venture im engeren Sinne be- Kognitive Dissonanz Zweifel oder Unsicherheit
zeichnet werden. bezüglich einer getroffenen Entscheidung; kann in
Kapitalwert einer Marke Der gesamte strategi- allen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses
sche und finanzielle Wert einer Marke für den auftreten.
Hersteller. Kommunikationsanpassung Eine globale Kom-
Katalogmarketing Direktmarketing durch Print-, munikationsstrategie, bei der die Werbebotschaf-
Video- oder digitale Kataloge, die an ausgewählte ten vollständig an lokale Marktgegebenheiten an-
Kunden versandt werden, in Geschäften ausliegen gepasst werden.
oder online verfügbar sind. Kommunikations-Mix Eine spezifische Mi-
Kaufabschluss (Verkaufsprozess) Der Verkäufer schung aus Werbung, persönlichem Verkauf, Ver-
bittet den Kunden um Auftragserteilung. kaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit und Direkt-
Kaufentscheidung Die Entscheidung des Käufers marketing, die das Erreichen der Kommunika-
für eine bestimmte Marke. tions- und Marketing-Ziele sicherstellen soll.
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Konkurrenzanalyse Verfahren zur Identifizie- dieser Wert um einen vorher festgelegten Gewinn-
rung der wichtigsten Konkurrenten, genauen Ab- zuschlag erhöht.
schätzung ihrer Ziele, Stärken und Schwächen, Kreatives Konzept Die unwiderstehliche „große
Strategien und Reaktionsmuster und zur anschlie- Idee“, mit der die Strategie der Werbebotschaft in
ßenden Entscheidung, welche Wettbewerber an- einzigartiger Weise lebendig wird und im Ge-
zugreifen oder zu meiden sind. dächtnis bleibt.
Konkurrenzorientiertes Unternehmen Das Un- Kultur System von Wertvorstellungen, Wahrneh-
ternehmen orientiert sich bei seiner Strategie mungen, Bedürfnissen, Verhaltensweisen und Le-
hauptsächlich an den Aktionen und Reaktionen bensformen, das einer Gruppe von Menschen ge-
der Wettbewerber. mein ist.
Konsumentenmarkt Die Gesamtheit aller Einzel- Kulturelles Umfeld Institutionen und andere
personen und Haushalte, die Güter und Dienst- Stellen, welche die Grundwerte, Wahrnehmun-
leistungen für den persönlichen Bedarf kaufen gen, Präferenzen und das Verhalten einer Gesell-
oder erwerben. schaft beeinflussen.
Konsumentenverhalten Das Kaufverhalten der Kundenbindung Positive Einstellung eines Kun-
Endverbraucher – Einzelpersonen und Haushalte den zu getätigten und die Bereitschaft zu zukünf-
–, die Güter und Dienstleistungen zum persönli- tigen Transaktionen mit einem Unternehmen.
chen Gebrauch kaufen.
Kundendatenbanken Eine systematische Samm-
Konsumgut Ein Gut, das Endverbraucher für lung umfassender Daten von bestehenden oder
ihren persönlichen Ge- oder Verbrauch kaufen. potenziellen Kunden. Erfasst werden geografi-
Kontaktaufnahme (Verkaufsprozess) Ein Ver- sche, demografische und psychografische Merk-
käufer begegnet dem Kunden zum ersten Mal. male der Kunden sowie Informationen zu deren
Kontinuierliche Werbung Werbung, die in glei- Kaufverhalten.
chen Zeitabständen, zum Beispiel regelmäßig an Kundenengagement-Marketing Marketing mit
einem bestimmten Wochentag, kontinuierlich dem Ziel, dass eine Marke zu einem bedeutenden
über einen längeren Zeitraum geschaltet wird. Gesprächsthema von Konsumenten wird, indem
Konzentriertes Marketing Bei Anwendung eine direkte und beständige Einbindung der Kun-
einer konzentrierten Marketing-Strategie versucht den in die Gestaltung der Markenbotschaft, der
ein Unternehmen, auf einem oder zwei Teilmärk- Markenerfahrungen und der Markengemeinschaft
ten große Marktanteile zu erringen, anstatt mit erfolgt.
kleinen Marktanteilen auf großen Märkten zu Kundennutzen siehe Customer Value
agieren. Kundennutzen-Analyse siehe Customer Value
Konzeption eines Distributionssystems Der Analysis
Aufbau effektiver Distributionskanäle durch Ana- Kundenorientiertes Marketing Ein Grundsatz
lyse der Kundenbedürfnisse, Zielsetzungen für des „aufgeklärten Marketing“, der besagt, dass das
die Kanäle, Ermittlung relevanter Vertriebsalterna- Unternehmen seine Marketingaktivitäten aus der
tiven und Bewertung derselben. Perspektive des Kunden entwickeln soll.
Konzepttest Authentischer Test im Rahmen der Kundenorientiertes Unternehmen Ein Unter-
Neuproduktentwicklung, welcher unter Einbezug nehmen, das sich bei der Gestaltung der Marke-
von Interessentengruppen des Zielmarkts analy- tingstrategien ganz auf den Kundennutzen kon-
siert, welches Produktkonzept den größten Anreiz zentriert und einen Mehrwert für seine Zielkun-
auf potenzielle Käufer ausübt. den generiert.
Kostenorientierte Preissetzung Preissetzung, Kundenwert siehe Customer Equity
die sich an den Kosten eines Unternehmens orien-
tiert. Unterschieden werden die Kostenzuschlags-
Kundenzentrierte Entwicklung neuer Produkte
Entwicklung neuer Produkte, mit denen neue Lö-
kalkulation und die gewinnzielorientierte Preis-
setzung mit vorausgegangener Break-even-Analy- sungsansätze für die Probleme der Kunden ge-
schaffen werden und die eine höhere Kundenzu-
se.
friedenheit erzeugen.
Kostenzuschlagskalkulation Form der kosten-
orientierten Preissetzung; hierbei werden die Kos- Kundenzufriedenheit Das Ausmaß, in dem die
empfundene Leistung des Produkts mit der vom
ten der Herstellung des Produktes ermittelt und
Kunden erwarteten Leistung übereinstimmt. Er-
füllt ein Produkt die Erwartungen des Käufers
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nicht, entsteht Unzufriedenheit. Erfüllt oder über- Makro-Umfeld Besteht aus den Kräften, die in
steigt ein Produkt konkrete Erwartungen, führt einem größeren gesellschaftlichen Zusammen-
dies zu Zufriedenheit oder Begeisterung. hang stehen, wie die demografische Entwicklung,
Langfristige Planung Ein Plan, der die wesentli- Wirtschaft und Wirtschaftspolitik, technologische
chen Faktoren und Kräfte, welche das Unterneh- Entwicklung, Natur und Umwelt sowie Politik
men in den nächsten Jahren beeinflussen werden, und Kultur.
sowie die langfristigen Zielvorstellungen, die Marke Ein Name, ein Begriff, ein Zeichen, ein
wichtigsten Marketing-Strategien und die benötig- Symbol, ein spezielles Design oder eine denkbare
ten Ressourcen enthält. Kombination aus diesen, die dazu verwendet
Lebensstil Lebensschema und Verhaltensmuster, wird, Produkte oder Dienstleistungen eines An-
die in Aktivitäten, Interessen und Meinungen bieters zu kennzeichnen und von denen der Wett-
einer Person zum Ausdruck kommen. bewerber abzugrenzen.
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Marketingkonzept Die Auffassung, dass die so- Marketingprozess Prozess, in dem profitable
ziale und wirtschaftliche Rechtfertigung einer Or- Kundenbeziehungen durch die Erschaffung von
ganisation darin liegt, die Wünsche und Bedürf- Kundennutzen und die Erlangung eines Gegen-
nisse der Kunden zu befriedigen und gleichzeitig werts für das Unternehmen aufgebaut werden.
die Unternehmensziele zu erreichen. Marketing-ROI Kapitalrendite von Marketing-
Marketinglogistik Zur physischen Distribution maßnahmen; ergibt sich aus dem Gewinn, der aus
(Marketing-Logistik) gehören die Aufgaben der einer Marketinginvestition resultiert, dividiert
Planung, die Schaffung notwendiger Strukturen durch die Kosten für die entsprechende Maßnah-
(Gebäude, Fahrzeuge, Personal) und die Steue- me. Die Schwierigkeit liegt jedoch in der Messung
rung und Dokumentation des Warenflusses bezüg- des Gewinns, also z.B. in der Messung der Wir-
lich der Materialien, der Endprodukte und der kung von Werbemaßnahmen. Es gibt daher noch
dazugehörigen Informationen vom jeweiligen keine einheitliche Definition für den Marketing-
Ausgangspunkt bis zum Übergabe- oder Ver- ROI und kein allgemein akzeptiertes Verfahren für
brauchspunkt, um die Bedürfnisse der Kunden seine Messung.
unter Erzielung von Gewinn zu befriedigen. Marketingstrategie Langfristig orientierte
Marketing-Management Bezeichnet die Kunst Grundsatzentscheidungen zur Erreichung der fest-
und die Wissenschaft der Auswahl von Zielmärk- gelegten Marketing- und Unternehmensziele.
ten und den Aufbau profitabler Beziehungen mit Dabei muss das Unternehmen Entscheidungen
diesen. Dies beinhaltet die Analyse, Planung, Ein- hinsichtlich der Entwicklung und des Einsatzes
führung und Durchführung sowie die Überwa- der Marketing-Mix-Instrumente und der Auswahl
chung von Marketing-Programmen. der Zielmärkte und -gruppen treffen.
Marketingmittler Unterstützen das Unterneh- Marketing-Umfeld Besteht aus den Kräften und
men bei Werbung, Vertrieb und Auslieferung an Akteuren außerhalb der Marketing-Funktion, die
die Kunden sowie bei der Finanzierung und Zah- die Fähigkeit des Managements beeinflussen, er-
lungsabwicklung. Hierzu gehören Werbeagentu- folgreiche und dauerhafte Geschäftsbeziehungen
ren, Paketdienste, Speditionen und ähnliche Un- mit den Kunden der Zielgruppen aufzubauen und
ternehmen sowie Finanzinstitutionen. aufrechtzuerhalten.
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Marketing-Webseite Eine Webseite zur Einbin- Marktführer Das Unternehmen, das auf einem re-
dung der Kunden in alle Interaktionen, die sie levanten Markt den größten Marktanteil im Wett-
näher an einen direkten Kauf oder ein anderes bewerb für sich beansprucht.
Marketingergebnis heranführen. Markt für Industriegüter Der Markt für Indust-
Markt Die Gesamtheit aller gegenwärtigen und riegüter umfasst alle Organisationen, die Güter
potenziellen Käufer eines Produktes oder einer und Dienstleistungen nachfragen, um sie in der ei-
Dienstleistung. genen Produktion von anderen Erzeugnissen und
Marktabschöpfungsstrategie (engl.: skimming- Dienstleistungen zu verwenden, sie weiterzuver-
pricing) Bei der Marktabschöpfungsstrategie wird kaufen oder zu vermieten, zu verleasen oder auf
beim Markteintritt ein hoher Preis festgesetzt, um andere Weise gewerblich zu verwenden.
so den höchstmöglichen Gewinn im Markt abzu- Marktorientiertes Unternehmen Ein Unterneh-
schöpfen. Diese Strategie wird insbesondere von men, das bei der Gestaltung seiner Marketingstra-
Unternehmen eingesetzt, die mit Produktinnovati- tegien die Kunden und den Wettbewerb gleicher-
onen in den Markt eintreten. maßen berücksichtigt.
Marktauswahl Der Prozess, jedes Marktsegment Marktsegment Ein Marktsegment besteht aus
auf seine Attraktivität hin zu bewerten und eines Verbrauchern, die auf ähnliche Weise auf Marke-
oder mehrere Zielsegmente auszuwählen. tingbemühungen reagieren.
Marktdurchdringungsstrategie (engl.: penetra- Marktsegmentierung (Voraussetzungen) Für
tion-pricing) Strategie, bei der zu Beginn niedrige eine sinnvolle Segmentierung sollten die Markt-
Preise angesetzt werden, um eine schnelle und segmente folgende Eigenschaften aufweisen:
tiefe Marktdurchdringung zu erreichen. Dies er- Messbarkeit (Größe der Segmente, Kaufkraft und
folgt vor allem, um in kurzer Zeit eine große An- Profile von deren Mitgliedern), Zugänglichkeit
zahl von Käufern anzuziehen und einen großen des Segments (sowohl physische als auch kom-
Marktanteil zu erlangen. munikative Erreichbarkeit), Bedeutung des Seg-
Markteinführung Einführung eines neuen Pro- ments (Aufweisen einer Mindestgröße und Aus-
duktes auf dem Markt. sicht auf Mindestgewinne), Durchführbarkeit und
Umsetzbarkeit (in Bezug auf die individuelle An-
Markteintrittsformen Man unterscheidet beim sprache der identifizierten Marktsegmente).
Eintritt in einen ausländischen Markt zwischen
Export, Joint Venture und Direktinvestition. Das Marktsegmentierung Aufteilung eines heteroge-
benötige Kapital, Engagement und die erforderli- nen Gesamtmarktes in homogene Teilmärkte. Eine
che Risikobereitschaft nehmen in dieser Reihen- Segmentierung kann z.B. anhand geografisch-regi-
folge zu. onaler, demografischer und psychografischer
Merkmale erfolgen oder auf Verhaltensmerkmalen
Marktentwicklungsstrategie Die Marktentwick- der Käufer beruhen.
lungsstrategie zielt darauf ab, mit bestehenden
Produkten in neue Märkte einzutreten, um zusätz- Marktwachstums-Marktanteils-Matrix nach
liches Absatzpotenzial zu erschließen. BCG Strategische Analysemethode, mit der man
die Geschäftsfelder eines Unternehmens anhand
Marktfolger Zweitplatziertes Unternehmen, das der Dimensionen Marktwachstum und Marktan-
seinen Marktanteil halten will, ohne die Markt-
teil in einer Vier-Felder-Matrix positioniert und
führerschaft anzustreben.
visualisiert. Mittels dieser Einteilung lassen sich
Marktformen Es werden vier Grundtypen von die strategischen Geschäftsfelder den vier Grund-
Märkten unterschieden: die vollkommene Kon- typen Question Marks, Cash Cows, Poor Dogs und
kurrenz, das Polypol, das Oligopol und das Mono- Stars zuordnen und Handlungsempfehlungen für
pol. die Ressourcenzuteilung ableiten.
Marktforschung Aufgabe der Marktforschung ist Mass Customization Fertigung von individuell
es, marktrelevante Daten und Informationen syste- konfigurierten Produkten entsprechend der Wün-
matisch zu erheben, aufzubereiten und zu analy- sche einzelner Kunden im Rahmen einer Massen-
sieren. Die so gewonnenen Erkenntnisse dienen produktion.
der Unterstützung von Marketing-Verantwortli-
Massenmarketing Jeder erreichbare Käufer wird
chen beim Treffen marketingrelevanter Entschei- mit dem gleichen Marketing-Mix angesprochen
dungen.
und mit dem gleichen Produkt bedient.
Massenmedien Nicht persönliche Kommunikati-
onskanäle wie Zeitungen und Zeitschriften, Hör-
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funk und Fernsehen, Online- und elektronische Motiv (Antrieb) Antriebskraft, die eine Person
Medien sowie Plakatwerbung. dazu veranlasst, Aktivitäten zu entwickeln, um
Meinungsführer Personen innerhalb einer Refe- bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen
renzgruppe, die aufgrund besonderer Fähigkeiten, Multikanal-Marketingsystem Marketing findet
ihres Wissens, ihrer Persönlichkeit oder anderer sowohl über Filialnetze und andere traditionelle
Eigenschaften einen besonders starken Einfluss stationäre Kanäle statt als auch digital, online, in
auf andere ausüben. den sozialen Medien und über mobile Geräte.
Mengenrabatt Preisermäßigung für Kunden, die Multimodale Transportmittel Der Einsatz von
große Mengen kaufen. zwei oder mehreren Transportmitteln.
Menschliches Bedürfnis Ein Zustand, in dem ein Mundpropaganda Persönliche Kommunikation
Mangel empfunden wird. über ein bestimmtes Produkt zwischen Kaufinter-
Mikromarketing Eine Form des Zielgruppen- essenten und Nachbarn, Freunden, Familienmit-
Marketing, bei der Unternehmen ihr Angebot und gliedern oder Geschäftspartnern.
ihr Marketing-Programm genau auf die Bedürfnis- Nachfrage Wünsche, die von entsprechender
se eng abgegrenzter Segmente (geografisch, demo- Kaufkraft begleitet werden bzw. die Menge eines
grafisch, psychografisch und verhaltensorientiert) Produkts, das in einer bestimmten Zeit im Markt
ausrichten. verkauft wird.
Mikroumfeld Das engere Umfeld des Unterneh- Nachfragekurve Eine Kurve, die darstellt, wie
mens, das aus den Kräften innerhalb des Unter- viele Einheiten der Markt in einem bestimmten
nehmens und aus den Partnern des Unterneh- Zeitraum und zu ggfs. unterschiedlichen Preisen
mens besteht. Im Mikro-Umfeld entstehen die Vo- erwerben wird.
raussetzungen dafür, wie die Käufer bedient Nachhaltiges Marketing Das Konzept des nach-
werden können. Zum engeren Umfeld gehören haltigen Marketing bedeutet, dass ein Unterneh-
das Unternehmen selbst mit allen Teilbereichen, men die Bedürfnisse seiner derzeitigen Kunden
seine Lieferanten und seine Partner in den Ver- befriedigen sollte, ohne die Möglichkeit zukünfti-
triebswegen, die Kunden, die Wettbewerber und ger Generationen zu schmälern, ihre eigenen Be-
die am Unternehmen oder an der Branche gezielt dürfnisse zu befriedigen. Nachhaltiges Marketing
interessierte Öffentlichkeit. zielt somit auf das langfristige Wohlergehen der
Millenials Die 83 Millionen Kinder der Babyboo- Gesellschaft ab.
mer, die zwischen 1977 und 2000 geboren wur- Nachkaufbetreuung (Verkaufsprozess) Phase
den. im Verkaufsprozess, in der eine Nachbetreuung
Mobiles Marketing Markenbotschaften, Ver- durch den Verkäufer stattfindet, um die Kunden-
kaufsförderung und andere Inhalte, die den Kun- zufriedenheit sicherzustellen und einen Wieder-
den unterwegs auf ihre Mobiltelefone, Smartpho- holungskauf anzuregen.
nes, Tablets und andere mobile Geräte übermittelt Natürliches Umfeld Natürliche Ressourcen, die
werden. Marketingexperten als Input benötigen oder die
Mode Aktuell gängiger oder beliebter Stil in durch Marketingaktivitäten beeinflusst werden.
einem bestimmten Bereich. Neues Produkt Eine Ware, Dienstleistung oder
Modifizierter Wiederkauf Kaufsituation, in der Idee, die von potenziellen Kunden als neu wahr-
die beschaffende Organisation Veränderungen bei genommen wird.
Produktspezifikationen, Preisen, Konditionen Neuproduktentwicklung Die Entwicklung origi-
oder Lieferanten vornehmen möchte. närer Produkte, fundamental verbesserter Produk-
Monopol Marktform, bei der es auf dem Markt te, von Abwandlungen vorhandener Produkte
nur einen einzigen Anbieter gibt. Dieser kann ein oder neuer Marken mittels eigener Forschungs-
staatliches Monopol sein, ein reguliertes Monopol und Entwicklungsanstrengungen.
unter öffentlicher Kontrolle oder ein Privatunter- Neuromarketing
nehmen, das ein „De-facto-Monopol“ innehat.
Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen
Moral Regeln, die Menschen aufgrund ihrer kul- Eines der wesentlichen Charakteristika einer
turellen Werte und Normen entwickeln. Dienstleistung, die nicht für einen späteren Ver-
Moralische Appelle Appelle, die auf das Empfin- kauf gelagert werden kann.
den der Zielgruppe darüber, was „gut“ und „rich- Nichtpersönliche Kommunikationskanäle Kom-
tig“ ist, gerichtet sind. munikationskanäle, die Botschaften ohne persön-
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lichen Kontakt und ohne Feedback übertragen, nahmenprogramm durchzuführen, das bei der Öf-
wie z.B. Massenmedien oder Events. fentlichkeit zu mehr Verständnis und höherer Ak-
Nichttarifäres Handelshemmnis Nicht monetäre zeptanz gegenüber dem Unternehmen beitragen
Handelseinschränkung für ausländische Produk- soll.
te, zum Beispiel die unfaire Behandlung von An- Ökonomisches Umfeld Wirtschaftliche Fakto-
geboten ausländischer Unternehmen oder Pro- ren, die die Kaufkraft und das Kaufverhalten von
duktstandards, die bestimmte Produkteigenschaf- Kunden beeinflussen.
ten fordern oder verbieten. Oligopol Marktform, bei der wenige Anbieter auf-
Nischenanbieter Ein Unternehmen, das ein klei- treten, die aber sehr empfindlich auf die Marke-
nes Marktsegment bedient, das von anderen Un- ting-Strategien und die Preissetzungen ihrer weni-
ternehmen der Branche übersehen oder ignoriert gen Konkurrenten reagieren.
wird. One-to-One-Marketing Produkt und Marketing-
Nischenmarketing Produkt- und Marketing-Pro- Programm werden auf die Bedürfnisse und Vorlie-
gramm eines Unternehmens werden auf eine eng ben jedes einzelnen Kunden abgestimmt.
abgegrenzte Zielgruppe in einem oder mehreren Onlinefokusgruppen Moderierte Veranstaltung
Teilmärkten abgestimmt, in denen es oft nur weni- mit kleiner Teilnehmergruppe im Internet, bei der
ge Wettbewerber gibt. über ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Un-
Non-Profit-Marketing Marketingbemühungen ternehmen gesprochen wird und die relevante
von Non-Profit-Organisationen. Ziel der Bemü- Einblicke in die Standpunkte und Gewohnheiten
hungen ist es, neue Mitglieder zu finden und Un- der Kunden ermöglicht.
terstützung in jedweder Form zu generieren. Onlinemarketing Marketing im Internet durch
Non-Profit-Organisation Eine Organisation, Einsatz von Unternehmenswebseiten, Onlinean-
deren Zielvorgaben nicht monetärer Art sind, also zeigen und Werbung, E-Mails, Onlinevideos und
nicht auf Gewinn, Marktanteil oder Kapitalrendite Blogs.
abzielen. Dazu zählen beispielsweise staatliche Onlinemarktforschung Erhebung von Primärda-
Universitäten, Kirchen, Wohltätigkeitsorganisatio- ten im Internet. Gängige Arten sind: Umfragen im
nen oder soziale Einrichtungen. Internet, Onlinepanels, Online-Experimente und
Nutzer Diejenigen Mitglieder der Organisation, Onlinefokusgruppen. Wesentliche Vorteile sind
die das Produkt oder die Dienstleistung nutzen die hohe Kosteneffizienz, die hohe Geschwindig-
oder verwenden werden. keit und die Erreichbarkeit von evtl. weit entfern-
Nutzenversprechen Das Nutzenversprechen ten Probanden.
eines Unternehmens beschreibt das Bündel von Onlinewerbung Werbung, die während einer
Nutzenbestandteilen oder Werten, die man Kon- Onlinesuche des Kunden eingeblendet wird, ein-
sumenten verspricht, um deren Bedürfnisse zu be- schließlich Bildschirmanzeigen, suchverwandten
friedigen Anzeigen, Online-Kleinanzeigen und anderen
Objective-and-task method siehe Werbebudget, Formen.
Festlegung anhand der zu bewältigenden Marke- Organisationsstruktur im internationalen Um-
ting-Aufgaben feld Für die Umsetzung einer Internationalisie-
Offene Frage Frageform der Marktforschung, die rungsstrategie benötigt ein Unternehmen eine Or-
dem Befragten die Möglichkeit gibt, in eigenen ganisationsstruktur, die sich für ein internationa-
Worten zu antworten. les Umfeld eignet. Es lassen sich drei Grundtypen
unterscheiden: Exportabteilung, internationale
Offene Handelsnetzwerke siehe E-Marktplätze Abteilung und globale Organisation.
Öffentliche Institutionen Schulen, Krankenhäu- Partner Relationship Management (PRM) Die
ser, Pflegeheime, Gefängnisse und andere Institu-
Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen im Un-
tionen, die den Menschen in ihrer Obhut Produk-
ternehmen und mit Partnern außerhalb des Unter-
te und Dienstleistungen zur Verfügung stellen. nehmens, um gemeinsam Kundenwert zu generie-
Öffentlichkeitsarbeit (engl.: Public Relations, ren.
PR) Teil der Marketing-Kommunikation, dessen
Percentage-of-sales method siehe Werbebudget,
Aufgabe es ist, öffentliche Meinungen und Ein- Festlegung als Prozentsatz des Umsatzes
stellungen zum Unternehmen zu bewerten, mögli-
che Bereiche von öffentlichem Interesse innerhalb Persönliche Kommunikationskanäle Kanäle,
der Organisation zu identifizieren und ein Maß- durch welche zwei oder mehrere Personen direkt
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miteinander in Beziehung treten. Sie können sich oder eine Dienstleistung ihm liefern, aufwenden
miteinander unterhalten, eine Person kann zu muss.
einer größeren Gruppe sprechen, sie kann ein Te- Preiselastizität Eine Größe, die ausdrückt, wie
lefongespräch führen oder per Brief oder E-Mail stark die Nachfrage auf eine Preisänderung reagie-
kommunizieren. ren wird.
Persönlicher Verkauf Die mündlich vorgetragene Preisnachlass bei Inzahlungnahme Preisnach-
Präsentation gegenüber einem oder mehreren lass beim Kauf eines neuen Produkts, sofern
Kaufinteressenten oder das persönliche Verkaufs- gleichzeitig ein altes Produkt in Zahlung gegeben
gespräch, mit dem Zweck, das vorgestellte Pro- wird.
dukt oder die präsentierte Dienstleistung zu ver-
kaufen und eine persönliche Kundenbeziehung
Preisnachlass für Werbeaktionen Bonuszahlun-
gen oder Preisnachlässe, um Händler für die Teil-
aufzubauen.
nahme an Werbe- und Verkaufsförderungspro-
Persönlichkeit Individuelle psychologische grammen zu belohnen.
Merkmale eines Menschen, die zu relativ stabilen
und vorhersehbaren Reaktionen auf das Umfeld
Preisnachlässe siehe Rabatte
führen. Preispolitik Teil des Marketing-Mix, der sich mit
der Preissetzung für Produkte oder Dienstleistun-
Physische Distribution siehe Marketinglogistik
gen beschäftigt.
Politisches Umfeld Gesetze, Regierungsbehör-
den und Interessensverbände, die verschiedene Preissetzung anhand von Basisorten Geografi-
sche Preissetzungsstrategie, in welcher der Ver-
Organisationen und Einzelpersonen einer be-
käufer eine bestimmte Stadt als Basispunkt fest-
stimmten Gesellschaft beeinflussen und in ihren
Aktivitäten einschränken. legt und für alle Kunden eine einheitliche Fracht
von diesem Basispunkt aus berechnet.
Polypol Marktform, bei der sich viele Nachfrager
und viele Anbieter gegenüberstehen. Es gibt für
Preissetzung für das Zubehör Preissetzung für
ein Produkt keinen Marktpreis, sondern es kann optionale oder zusätzliche Produkte, die mit dem
Basisprodukt geliefert werden.
eine weite Spanne von Preisen beobachtet wer-
den. Das Verhalten eines einzelnen Anbieters ver- Preissetzung für Komplementärprodukte
ändert aufgrund seines geringen Marktanteils Preissetzung für Produkte, die nur in Verbindung
nicht die Marktverhältnisse. mit dem Hauptprodukt genutzt werden können.
Komplementärprodukte sind beispielsweise Ra-
Portfolio-Analyse Verfahren der strategischen Si-
tuationsanalyse, mit dessen Hilfe das Manage- sierklingen, Videospiele und Tintenpatronen für
Drucker.
ment verschiedene Geschäftsfelder des Unterneh-
mens untersuchen und bewerten kann, um darauf Preissetzung für Koppelprodukte Preissetzung
aufbauend Ressourcen zu verteilen. für bei der Herstellung anfallende Produkte von
Positionierung Der Aufbau einer im Vergleich zu meist geringem Wert. Jeder Preis, der zumindest
die Lagerungs- und Lieferkosten des Koppelpro-
Konkurrenzprodukten klaren, wünschenswerten
dukts deckt, ist akzeptabel. Manche Produkte las-
und trennscharfen Position für ein Produkt in der
Vorstellung der Zielkunden. sen sich gewinnbringend verkaufen.
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Produktportfolio Anzahl der Produkte innerhalb nals nach, die ihren Bedarf wiederum beim Her-
einer Produktlinie sowie die Anzahl der Produkt- steller decken.
linien, die ein Unternehmen anbietet. Pulsierende Werbung Werbung, die in ungleich-
Produktpositionierung Definierung des Produk- mäßigen, pulsierenden Zeitabständen geschaltet
tes aus Sicht der Verbraucher hinsichtlich der re- wird.
levanten Eigenschaften – Position, die das Pro- Push-Strategie Eine Kommunikationsstrategie,
dukt in der Wahrnehmung der Verbraucher im bei der das Produkt durch die Vertriebskanäle hin
Vergleich zu konkurrierenden Produkten innehat. zum Endverbraucher gewissermaßen „gescho-
Produktqualität Die Fähigkeit eines Produktes ben“ wird. Der Hersteller richtet seine Marketing-
oder einer Dienstleistung, die von ihm erwarteten Aktivitäten auf den Handel, um ihn dazu zu brin-
Funktionen aus Sicht des Käufers zu erfüllen. gen, das Produkt zu listen und an den Endver-
Produktstrategien für internationale Märkte braucher zu verkaufen.
Ein Produkt kann mit unterschiedlichen Strategi- Qualitätsschwankungen (bei Dienstleistun-
en auf ausländische Märkte übertragen werden: gen) Die Qualität von Dienstleistungen kann sich
Einführung eines bestehenden Produkts ohne jede je nach Anbieter, Zeitpunkt, Ort sowie Art und
Änderung; Produktanpassung, bei der Verände- Weise erheblich unterscheiden.
rungen am Produkt vorgenommen werden, um re- Quote Einfuhrbeschränkungen für eine bestimm-
gionale Bedürfnisse zu befriedigen; Produktent- te Warenkategorie; der Zweck von Quoten ist es,
wicklung, bei der etwas vollständig Neues, ange- Devisenreserven zurückzuhalten und die heimi-
passt an die Bedürfnisse des Auslandsmarkts, sche Wirtschaft und die Beschäftigung im Lande
entwickelt wird. zu schützen.
Produktunterstützende Dienstleistung Eine Rabatte und Preisnachlässe Preissetzung durch
Dienstleistung, die als Ergänzung zu einem Pro- Anpassung des Grundpreises, um den Kunden für
dukt angeboten wird. ein bestimmtes Verhalten zu belohnen, z.B. für be-
Prozess der Lieferantenauswahl Phase im Kauf- sonders schnelle Zahlung von Rechnungen, für
prozess, in der ein industrieller Käufer die Ange- den Kauf großer Mengen oder den Erwerb von
bote prüft und einen oder mehrere Lieferanten Produkten außerhalb der Saison.
auswählt. Rationale Appelle Richten sich an das Eigeninte-
Psychografische Eigenschaften Psychografi- resse der Mitglieder der Zielgruppe. Es soll gezeigt
sche Eigenschaften der Konsumenten werden ana- werden, dass das Produkt den erwünschten Nut-
lysiert, um verschiedene Lebensstile zu bestim- zen erbringen wird. Dabei kann auf Qualität, Leis-
men, zum Beispiel durch die so genannten AIO- tungsfähigkeit, Zuverlässigkeit oder verbesserte
Dimensionen (activities, interests, opinions), also Produktivität verwiesen werden.
Aktivitäten, Interessen und Meinungen. Referenzgruppen Gruppen, die als direkter oder
Psychografische Segmentierung Die psychogra- indirekter Bezugs- oder Vergleichspunkt bei der
fische Segmentierung teilt die Käufer gemäß ihrer Verhaltens- und Einstellungsbildung einer Person
Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse, ihrem Le- dienen.
bensstil oder ihren Persönlichkeitsmerkmalen in Referenzpreise In den Vorstellungen der Kaufin-
verschiedene Gruppen ein. teressenten vorhandene Ansichten, was ein be-
Psychologische Preissetzung Preissetzung, bei stimmtes Produkt kosten sollte oder könnte. Un-
der der Preis dazu genutzt wird, etwas über die ternehmen können diese Referenzpreise beein-
Produktqualität auszusagen. Ein Unternehmen flussen oder sie für ihre Preissetzung nutzen.
geht hierbei mehr auf die psychologische Wirkung Regelmäßig wiederkehrende Bestellprozedur
des Preises ein als auf Kosten oder sonstige be- Phase im Kaufprozess, in der ein industrieller
triebswirtschaftliche Kennzahlen. Käufer den endgültigen Auftrag an den/die Liefe-
Pull-Strategie Eine Kommunikationsstrategie, bei ranten erteilt und dabei die technischen Spezifi-
der der Anbieter den überwiegenden Teil seiner kationen, benötigten Mengen, erwarteten Liefer-
Marketing-Aktivitäten auf die Käufer oder Endver- termin, Rücksendebedingungen und Gewährleis-
braucher ausrichtet, um diese zu veranlassen, sein tungen festlegt.
Produkt zu kaufen. Bei einer funktionierenden Reichweite Beschreibt in der Mediaplanung den
Pull-Strategie fragen die Kaufinteressenten das an- Anteil der Personen, die in einem gegebenen Zeit-
gebotene Produkt bei Mitgliedern des Absatzka- raum mit einem oder mehreren Werbeträgern in
Kontakt kommen. Unterschieden wird die räumli-
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che, qualitative, quantitative, kumulierte und Selektive Distribution Nutzung von mehr als ei-
kombinierte Reichweite. nem, aber weniger als der Gesamtheit an Absatz-
Reifephase Phase im Produktlebenszyklus, in der mittlern, die bereit sind, das Produkt des Unter-
das Umsatzwachstum des Produkts sich verlang- nehmens in ihrem Sortiment zu führen.
samt oder abschwächt. Shopper Marketing Aktionen und Werbemaß-
Relationship-Marketing siehe Beziehungs-Mar- nahmen in den Filialen, um den Markenwert auf
keting der „letzten Meile“ weiter zu steigern und vorteil-
hafte Kaufentscheidungen in den Einkaufsstätten
Retromarketing Neuauflage von Altbewährtem. zu fördern.
Moderne Produkte mit Retrodesign fungieren als
Nostalgieträger und wecken positive Assoziatio- Showrooming Ein Kaufverhalten, bei dem der
nen mit Vergangenem. Kunde in den Verkaufsräumen einer Filiale die
Ware und das Preisangebote prüft, letztlich aber in
Rolle Eine Rolle besteht aus denjenigen Aktivitä- einem konkurrierenden reinen Onlinestore ein-
ten, von denen das Umfeld erwartet, dass eine
kauft – gelegentlich sogar vor Ort über sein mobi-
Person sie ausführt.
les Gerät.
Saisonrabatt Preisnachlass für Käufer, die Pro- Simultane Produktentwicklung Ansatz zur Ent-
dukte oder Dienstleistungen außerhalb der Saison
wicklung neuer Produkte, bei dem verschiedene
erwerben.
Abteilungen eines Unternehmens eng zusammen-
Sales Force Management (Vertriebsmanage- arbeiten und sich Aufgaben im Produktentwick-
ment) Bezeichnet die Analyse, Planung, Durch- lungsprozess überschneiden, sodass Zeitaufwand
führung und Kontrolle der Aktivitäten der Ver- reduziert und die Effektivität gesteigert wird.
triebsmitarbeiter. Dazu gehört es, diesen Ziele zu Sinus-Milieus Auf empirischen Daten basieren-
setzen, die Strategie und Struktur zu bestimmen,
des Modell, welches verschiedene Gruppen der
geeignete Mitarbeiter anzuwerben, auszuwählen,
deutschen Gesellschaft nach sozialer Lage und
auszubilden, zu vergüten, zu steuern und zu be- Wertebewusstsein anordnet und vielfältig nutzbar
werten.
ist. Es hilft Zielgruppen zu definieren, Kunden-
Schwankende Nachfrage Industrielle Nachfra- gruppen zu beschreiben, Marktnischen aufzuspü-
ge, die letztlich von der Nachfrage nach Konsum- ren, Käuferpotenziale anzusprechen und neue
gütern herrührt (abhängt). Motivationen und Bedürfnisse frühzeitig zu er-
Segmentierung nach Alter und Position im Le- kennen und zu lokalisieren.
benszyklus Einteilung der Zielgruppen eines Social Media siehe Soziale Medien
Marktes nach Generationen sowie der aktuellen
Social Selling Die Nutzung von Online-, mobilen
Lebensphase.
und sozialen Medien zur Einbindung von Kun-
Segmentierung nach Einkommen Einteilung den, Entwicklung stärkerer Kundenbeziehungen
eines Marktes in Segmente nach verfügbarem Ein- und Steigerung der Verkaufstätigkeit.
kommen.
Social Marketing Der Anspruch an Organisatio-
Segmentierung nach Geschlecht Einteilung nen, die Bedürfnisse, Wünsche und Interessen der
eines Marktes in Segmente nach Geschlecht. Zielmärkte zu ermitteln und in einer effektiven
Segmentierung nach Kaufanlässen: Einteilung und effizienten Weise zu befriedigen, welche so-
eines Marktes in Segmente nach Kaufanlässen, d. wohl dem individuellen Konsumenten als auch
h., wann Verbraucher ein Produkt planen zu kau- der Gesellschaft zugutekommt.
fen, tatsächlich kaufen oder benutzen Sortiment Bezeichnet die Gesamtheit aller Pro-
Segmentierung nach Nutzen Einteilung eines dukte, die ein Unternehmen anbietet. Es lässt sich
Marktes in Segmente nach den unterschiedlichen beschreiben durch die Breite (Anzahl verschiede-
Nutzen, die Verbraucher mit einem Produkt ver- ner Produktlinien) und die Tiefe (Vielfalt der Arti-
binden. kel innerhalb einer Produktlinie).
Sekundärdaten Der Marktforschung bereits zur Soziale Klassen Relativ beständige und geordnete
Verfügung stehende Daten, die zunächst zu ande- Einteilung von Gruppen innerhalb einer Gesell-
ren Zwecken erhoben wurden. schaft, deren Mitglieder ähnliche Werte, Interes-
sen und Verhaltensweisen zeigen.
Selbstkonzept Beschreibt das Bild und das Wis-
sen, das eine Person von bzw. über sich selbst hat. Soziale Medien Unabhängige und kommerzielle
Online-Gemeinschaften, in denen sich Mitglieder
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vernetzen, Kontakte knüpfen sowie Meinungen kampagnen, Preisen und weiteren Elementen des
und Informationen austauschen. Marketing-Mix.
Soziale Netzwerke (Social Network) Unter so- Status Wertschätzung, die einer Person aufgrund
zialen Netzwerken versteht man eine Gruppe von ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft entge-
Menschen, die über das Internet miteinander gengebracht wird.
kommunizieren und selbst geschaffene Inhalte Stichprobe Bestimmte Teilmenge einer Grundge-
(wie Beiträge, Fotos oder Videos) austauschen. samtheit, die untersucht wird, um Aussagen über
Beispiele sind Facebook, Snapchat oder Xing. Die die Grundgesamtheit treffen zu können.
Mitglieder solcher Netzwerke legen für sich selbst
ein Profil an, vernetzen sich durch das Sammeln Stil Eine grundlegende und charakteristische Aus-
drucksweise.
von „Freunden“ (im Sinne von Kontakten) und
sind durch das Verfolgen gemeinsamer Interessen Strategische Allianz Kooperation zwischen Un-
miteinander verbunden. ternehmen, Kunden, Lieferanten und anderen
Partnern zur gemeinsamen Nutzung von Potenzia-
Soziale Schicht Relativ stabile und homogene
len, um einen höheren Mehrwert für alle Beteilig-
Teile einer Gesellschaft, deren jeweilige Mitglie-
der ähnliche Werte, Interessen und Verhaltenswei- ten zu schaffen.
sen haben. Strategische Gruppen Eine Gruppe von Unter-
nehmen innerhalb einer Branche, die auf einem
Spam-Mails Unverlangte, unerwünschte Werbe-
zusendungen per E-Mail gegebenen Zielmarkt gleiche oder ähnliche Strate-
gien verfolgen.
?Speciality?-Güter Konsumgüter mit einzigarti-
gen Charakteristika oder um herausgehobene Mar-
Strategische Planung Prozess, der die strategi-
kenprodukte, für die eine größere Käufergruppe sche Ausrichtung des Unternehmens bestimmt.
Die strategische Planung umfasst eine Unterneh-
bereit ist, besondere Bemühungen für den Kauf
mens- und Umweltanalyse, woraus sich Stärken
auf sich zu nehmen.
und Schwächen des Unternehmens und Chancen
Sponsoring Bezeichnet Maßnahmen, mit denen und Risiken des Marktes erkennen lassen. Auf
Unternehmen bestimmte Personen oder Organisa- Basis dieser Informationen erfolgen die Festle-
tionen durch Geld, Sachmittel oder Dienstleistun- gung der Unternehmensziele und die Formulie-
gen fördern. Sie erhalten dafür von den geförder- rung einer geeigneten Strategie mit konkreten
ten Institutionen eine Gegenleistung. Diese kann Handlungsanweisungen. Nach der Implementie-
z.B. in der Erwähnung in Publikationen, Presse- rung der Strategie ist eine ständige Kontrolle und
mitteilungen oder Anzeigen bestehen. Wesentli- Messung der Ergebnisse nötig, um strategische
che Bereiche des Sponsorings sind Sport, Kultur, Maßnahmen ggf. zu korrigieren bzw. an veränder-
Bildung und Wissenschaft. te Umweltbedingungen anzupassen.
Staatliche Stellen (als Käufer) Staatliche Dienst- Strategisches Marketing Die langfristig und ge-
stellen – auf nationaler beziehungsweise Bundese- samthaft orientierte Perspektive des Marketing.
bene, auf der Ebene der Länder und bei den Kom-
munen – kaufen oder mieten Produkte und
Strukturierung des Außendienstes nach Ge-
Dienstleistungen für die Verteidigung, für die bieten Eine Verkaufsorganisation, in der jedem
Verkäufer ein exklusives geografisches Gebiet zu-
Ausbildung, für soziale Aufgaben und andere Be-
gewiesen wird und der dort das gesamte Sorti-
dürfnisse der Öffentlichkeit.
ment des Unternehmens vertreibt.
Stadien zunehmender Kaufbereitschaft Pro-
zesse, die der Kunde bis zu seiner endgültigen
Strukturierung des Außendienstes nach Kun-
Kaufentscheidung durchläuft: Bewusstsein, Wis-
den Eine Verkaufsorganisation, in der sich jeder
sen, Vorliebe, Überzeugung und schließlich der Verkäufer auf ganz bestimmte Kunden oder Bran-
chen spezialisiert.
Kaufentschluss.
Standardisierte Werbung Eine einheitliche in- Strukturierung des Außendienstes nach Pro-
ternationale Werbekampagne für alle Länder, ohne dukten Eine Verkaufsorganisation, in der sich
jeder Verkäufer nur auf einen bestimmten Teil des
Anpassung an die Charakteristika der verschiede-
Produktsortiments des Unternehmens speziali-
nen nationalen Märkte.
siert.
Standardisierter Marketing-Mix Umsetzung
einer internationalen Marketing-Strategie in den
Subkultur Gruppen von Menschen innerhalb
einer Kultur, die ein auf gemeinsamen Lebenser-
Zielmärkten mit einheitlichen Produkten, Werbe-
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fahrungen und -situationen basierendes Wertesys- Testmarkterprobung Die Phase im Prozess der
tem teilen. Neuproduktentwicklung, in der das Produkt und
Suchgüter Ein Konsumgut, das der Kunde in der das Marketing-Programm in einer annähernd rea-
Regel während des Auswahl- und Kaufvorgangs listischen Umgebung getestet werden.
im Hinblick auf Kriterien wie Nachhaltigkeit, Tiefpreis-Strategie Produkte von geringer Quali-
Qualität, Preis und Stil vergleicht. tät werden zu einem konsequent niedrigen Preis
Supply Chain Management Steuerung eines angeboten.
Netzwerks von Unternehmen, das sich mit der Be- Total Quality Management (TQM) Programme,
schaffung, dem Verarbeitungsprozess und dem die darauf abzielen, die Qualität von Produkten,
Fluss von Materialien, fertigen Produkten oder In- Dienstleistungen und Prozessen systematisch und
formationen zwischen Lieferanten, dem Unter- kontinuierlich zu erhöhen.
nehmen, Wiederverkäufern und Endkunden be- Trend Ein vorübergehender Zeitraum mit unge-
schäftigt. Es zielt auf die Effektivität und Effizienz wöhnlich hohen Umsätzen, die von großer Begeis-
der gesamten industriellen Wertschöpfungskette terung der Kunden sowie sofort einsetzender Be-
ab. liebtheit eines Produkts oder einer Marke ange-
SWOT-Analyse Strategische Analysemethode zur trieben werden.
Ermittlung der erfolgskritischen Stärken und Überzeugende Werbung Baut selektive Nach-
Schwächen sowie der Chancen und Risiken, frage auf. Sofern eine grundsätzliche Nachfrage
denen ein Unternehmen gegenübersteht. nach einer Produktkategorie gegeben ist, kann
Systemverkauf Angebot eines kompletten Sys- überzeugende Werbung das Augenmerk auf das
tems, das neben dem eigentlichen Hauptprodukt eigene Produkt lenken. Eine Sonderform ist ver-
eine Reihe zusätzlicher Komponenten, wie Ergän- gleichende Werbung (siehe vergleichende Wer-
zungsprodukte oder Zubehör, umfasst. Typische bung).
Beispiele sind der Kauf einer Telefonanlage für Überzeugung Denkmuster in Bezug auf eine be-
ein Unternehmen, von PC-Hardware mit vorins- stimmte Sache.
tallierter Software oder der Kauf einer HiFi-Anla-
ge mit Receiver, Verstärker, DVD-Player, Lautspre-
Umweltbewegung Eine organisierte Bewegung
chern etc. von engagierten Bürgern und Regierungsorganisa-
tionen für den Schutz der Umwelt sowie für die
Team Selling Verkaufsteams, insbesondere für die Verbesserung aktueller und künftiger Lebensbe-
Betreuung großer und bedeutender Kunden. Der- dingungen.
artige Teams vereinen Mitarbeiter unterschiedli-
cher Unternehmensbereiche und -ebenen, z.B.
Unberücksichtigte Güter Konsumgüter, von
denen die Verbraucher entweder nicht wissen,
Vertrieb, Marketing, technische und andere unter-
dass es sie gibt, oder die sie kennen, deren Kauf
stützende Servicebereiche, Forschung und Ent-
wicklung, Organisation, Finanzen etc. sie jedoch normalerweise nicht in Erwägung zie-
hen würden.
Technologisches Umfeld Einflüsse, aus denen
neue Technologien hervorgehen, die zu neuen
Undifferenziertes Marketing Bei Anwendung
Produkten und Marktgelegenheiten führen. einer undifferenzierten Marketing-Strategie igno-
riert ein Unternehmen die Unterschiede zwischen
Telefonmarketing Hierbei wird das Telefon ein- den einzelnen Segmenten und bedient den Markt
gesetzt, um direkt an den Kunden zu verkaufen. mit einem Einheitsangebot.
Man unterscheidet zwischen dem aktiven Telefon-
Marketing (Outbound) und dem passiven Telefon-
Uniform delivered pricing (dt.: einheitliche
Frachtkosten) Form der geografisch differenzier-
Marketing (Inbound). Aktives Telefon-Marketing
wird genutzt, um direkt an Privat- oder Geschäfts- ten Preissetzung; allen Kunden wird derselbe Ein-
heitspreis für Fracht und Transport berechnet, un-
kunden zu verkaufen. Beim passiven Telefon-Mar-
abhängig von der Lieferadresse. Der Preis wird auf
keting lassen sich die Unternehmen anrufen, um
Bestellungen der Kunden entgegenzunehmen. Basis der durchschnittlichen Frachtkosten festge-
legt.
Testimonial-Technik Werbetechnik, die auf eine
besonders glaubwürdige oder sympathische Per-
Unique Selling Proposition (USP) (dt.: Allein-
son zurückgreift, die erläutert, warum sie das Pro- stellungsmerkmal) Einzigartiges, unverwechselba-
res, wünschenswertes und glaubwürdiges Leis-
dukt besonders schätzt. Dies können sowohl ganz
tungsmerkmal eines Produktes bzw. einer Dienst-
normale Verbraucher als auch Prominente sein.
leistung, das das eigene Angebot deutlich von
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dem der Wettbewerber abgrenzt und als Argument mit einem oder mehreren Wettbewerbern ver-
in der Kommunikation genutzt wird. gleicht.
Unklare Positionierung Positionierungsfehler; Verhalten in der Nachkaufphase Phase im
ein Positionierungskonzept, das nicht konsistent Kaufprozess, in der der Kunde je nachdem, ob er
durchgehalten wird und dadurch den Käufern ein zufrieden oder unzufrieden mit dem Kauf ist,
unklares Bild des Unternehmens bzw. des Pro- nachträgliche Maßnahmen unternimmt.
dukts vermittelt. Verhaltensorientierte Segmentierung Die ver-
Unternehmensinterne Quellen Daten, die be- haltensorientierte Segmentierung teilt die Kaufin-
reits im Unternehmen vorhanden sind und zuvor teressenten in Gruppen ein, basierend auf Wis-
für andere Zwecke erhoben wurden. sensstand, Einstellungen, Nutzung und Reaktio-
Unternehmensmission Darstellung des Unter- nen auf ein Produkt.
nehmenszwecks, die den Mitarbeitern als Leitli- Verkäufer Eine Einzelperson, die ein Unterneh-
nie und Handlungsrahmen dienen soll. men gegenüber den Kunden vertritt und dabei
Unternehmenswebseite (engl.: corporate websi- eine oder mehrere der folgenden Aufgaben erfüllt:
te) Eine Seite im Web, die von einem Unterneh- Neukundenwerbung, Kommunikation, Verkauf,
men erstellt wird, um eine große Bandbreite an In- Betreuung, Datensammlung und Aufbau von Kun-
formationen bereitzustellen, in dem Bemühen, denbeziehungen.
Kundenfragen zu beantworten, eine engere Kun- Verkaufsförderung Kurzfristige Anreize, um den
denbindung aufzubauen und Interesse am Unter- Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung
nehmen und seinen Produkten zu wecken. Die zu unterstützen. Die Maßnahmen können sich an
Webseite soll eine interaktive Kommunikation er- den Außendienst, den Handel oder die Kunden
möglichen, die vom Konsumenten ausgeht. richten.
Untrennbarkeit der Dienstleistung Dienstleis- Verkaufskonzept Die Annahme, dass Konsu-
tungen werden zum Zeitpunkt ihrer Erbringung menten Produkte nur in unzureichendem Maße
auch genutzt und können nicht von den jeweili- kaufen, solange diese nicht intensiv beworben
gen Anbietern getrennt werden. und aktiv verkauft werden.
Unzulängliche Produkte Produkte, die weder Verkaufsvorgang Bestimmte Schritte, die der
einen kurzfristigen Anreiz noch langfristigen Nut- Verkäufer während des Verkaufsprozesses abarbei-
zen bieten. tet. Dazu gehören die Identifizierung potenzieller
Ursachenforschung Der Test von Hypothesen be- Käufer, die Vorbereitung des Erstkontakts, die
züglich bestimmter Ursache-Wirkungs-Zusam- Kontaktaufnahme, die Präsentation und Vorfüh-
menhänge im Rahmen der Marktforschung. rung des Produkts, der Umgang mit Einwänden,
der Kaufabschluss und die Nachkaufbetreuung.
Value-added-Preisstrategie Aufwertende Eigen-
schaften und Dienstleistungen, durch die sich das Verkaufsvorgang, Identifizierung potenzieller
Angebot eines Unternehmens abhebt und für die Käufer Ein Schritt im Verkaufsvorgang, in dem
höhere Preise veranschlagt werden. der Verkäufer qualifizierte potenzielle Käufer
identifiziert.
Variable Kosten Kosten, die direkt von der pro-
duzierten Stückzahl abhängen. Verkaufsvorgang, Kaufabschluss Ein Schritt im
Verkaufsvorgang, in dem der Verkäufer den Kun-
Variety Seeking Kaufverhalten in Low-Invol- den auf eine Bestellung anspricht und den Kauf-
vement-Situationen mit deutlichem Unterschied vorgang zum Abschluss bringt.
zwischen Marken. Wechselnde Kaufentscheidun-
gen aufgrund des Wunsches, etwas Neues auszu- Verkaufsvorgang, Kontaktaufnahme Ein
probieren. Schritt im Verkaufsvorgang, in dem der Verkäufer
auf den potenziellen Kunden trifft. Wichtig sind
Verbraucherbewegung Eine organisierte Bewe- hierbei das Erscheinungsbild des Verkäufers,
gung von Bürgern und Regierungsstellen, mit dem
seine Gesprächseröffnung und die anschließende
Ziel, die Rechte und die Macht der Käufer in ihren Gesprächsentwicklung.
Beziehungen zu den Anbietern zu stärken.
Verkaufsvorgang, Nachkaufbetreuung Letzter
Verbrauchsgut Ein Konsumgut, das in der Regel Schritt im Verkaufsvorgang, in dem der Verkäufer
während einer oder weniger Nutzungen ver- nach dem Verkauf weitere Schritte unternimmt,
braucht wird.
um die Kundenzufriedenheit sowie Folgeaufträge
Vergleichende Werbung Werbung, bei der das sicherzustellen.
Unternehmen seine Marke direkt oder indirekt
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Verkaufsvorgang, Präsentation und Vorfüh- umfassend wie möglich über einen potenziellen
rung des Produkts Ein Schritt im Verkaufsvor- Kunden informiert, bevor der Anruf zum Ver-
gang, in dem der Verkäufer dem Kunden die „Ge- kaufsgespräch erfolgt.
schichte“ des Produkts erzählt. Dabei wird der Wachstumsphase Phase im Produktlebenszyk-
Kundennutzen hervorgehoben und gezeigt, auf lus, in der die Umsätze des Produktes rasch an-
welche Weise das Produkt die Probleme des Kun- steigen.
den lösen kann.
Wahrnehmung Vorgang, der die Auswahl, Auf-
Verkaufsvorgang, Umgang mit Einwänden Ein nahme, Verarbeitung und Interpretation von Rei-
Schritt im Verkaufsvorgang, in dem der Verkäufer zen umfasst.
versucht, Einwände des Kunden zu entkräften
und dies als Gelegenheit nutzt, ihn mit noch mehr
Wahrnehmung eines Bedarfs Erste Phase im
Kaufentscheidungsprozess, in welcher der Kunde
Informationen zu versorgen und die Einwände in
Kaufargumente zu verwandeln. ein Problem oder Bedürfnis erkennt.
Verkaufsvorgang, Vorbereitung des Erstkon- Webcasting Auf den Kunden zugeschnittene In-
formationen werden automatisch auf dessen PC
takts Ein Schritt im Verkaufsvorgang, in dem der
Verkäufer so viel wie möglich über das Unterneh- heruntergeladen. Für den Anbieter stellt es ein at-
traktives Marketing-Instrument dar, welches die
men und dessen Kunden in Erfahrung bringt,
persönliche Ansprache des Kunden erlaubt und
bevor er den Kunden das erste Mal aufsucht.
eine hohe Kundenbindung schafft.
Verkaufswettbewerb Wettbewerb für Verkäufer
oder Händlerbetriebe, um sie zu motivieren, ihre
Webseiten für Marken-Communitys Eine Web-
seite zur Präsentation der Markeninhalte, die
Verkaufsanstrengungen zu steigern. Hierfür wer-
den meist leistungsfähige Verkäufer öffentlich ge- Kunden einbezieht und eine Gemeinschaft rund
um die Marke erzeugt.
lobt und die Besten unter ihnen belohnt.
Verpackung Gestaltung und Produktion der Be- Werbeagentur Dienstleister für Werbemaßnah-
hälter oder Umverpackungen für ein Produkt. men, der das Unternehmen bei der Planung, Vor-
bereitung, Umsetzung und Bewertung des gesam-
Verschlankung Verkleinerung des Portfolios, ten oder eines Teils des Marketingprogramms un-
indem Produkte oder Betriebseinheiten herausge- terstützt.
nommen werden, die nicht gewinnbringend sind
oder nicht mehr zur Gesamtstrategie des Unter-
Werbebudget Finanzielle oder andere Mittel, die
einem Produkt oder einem Werbeprogramm des
nehmens passen.
Unternehmens zugewiesen werden.
Vertikale Marketingsysteme Unternehmen un-
terschiedlicher Distributionsstufen agieren ge-
Werbebudget, Festlegung als Prozentsatz des
meinsam in einem System. Dies bedeutet, dass
Umsatzes (engl.: percentage-of-sales method) Das
Werbe-Budget wird als Prozentsatz des erzielten
eine gemeinsame Planung, Durchführung und
Kontrolle der Marketing-Aktivitäten über alle Stu- oder geplanten Umsatzes festgelegt.
fen hinweg stattfindet, um die Nachfrage besser Werbebudget, Festlegung anhand der zu be-
auszuschöpfen und das Distributionssystem wirt- wältigenden Marketing-Aufgaben (engl.: ob-
schaftlicher zu gestalten. Ein typisches Beispiel jective-and-task method) Die Festlegung des
sind Franchising-Modelle. Werbe-Budgets erfolgt durch die Definition der
spezifischen Kommunikationsziele, die Ablei-
Vertriebsmanagement siehe Sales Force Ma-
nagement tung und Bestimmung der einzelnen Teilaufga-
ben, mittels derer die Ziele erreicht werden sol-
Virales Marketing Die Internetvariante der len, und das Abschätzen der Kosten für die beab-
Mundpropaganda: Webseiten, Videos, E-Mail-Bot- sichtigten Maßnahmen. Das geplante Werbe-
schaften oder andere Marketingaktivitäten mit so Budget ergibt sich aus der Summe dieser Kosten.
begeisternder Wirkung, dass Kunden sie mit
Freunden und Bekannten teilen wollen
Werbebudget, Festlegung anhand verfügba-
rer Mittel (engl.: affordable method) Bestimmung
Vollkommene Konkurrenz Marktform; Sonder- der Höhe des Werbe-Budgets durch die Entschei-
form des Polypols, bei der zusätzlich die Annah- dungsträger im Unternehmen anhand der zur Ver-
me homogener Güter zugrunde liegt. Ein einzelner fügung stehenden Mittel. Dazu werden ausgehend
Käufer oder Verkäufer hat keinen Einfluss auf den vom Gesamtumsatz bestimmte Kosten abgezogen,
aktuellen Marktpreis. um dann einen Teil des verbleibenden Rests als
Vorbereitungsphase (Verkaufsprozess) Stufe Werbe-Budget festzulegen.
der Verkaufstätigkeit, in der sich der Verkäufer so
974
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Glossar
Werbebudget, Festlegung im Vergleich zur lungen von Ideen, Gütern oder Dienstleistungen
Konkurrenz (engl.: competitive-parity method) in Medien, die vom Auftraggeber bezahlt werden
Das Werbe-Budget orientiert sich an dem der Mit- und auf eine gewünschte Verhaltensänderung
bewerber und nimmt deren Aufwendungen als beim Konsumenten abzielen.
Richtgröße für die eigenen Aktivitäten. Wertorientierte Preissetzung Hierbei werden
Werbebudget, Methoden zur Festlegung Das den Preisen nicht die Kosten des Anbieters, son-
Werbe-Budget kann auf unterschiedliche Arten dern die Wertwahrnehmung der Kunden zugrun-
festgelegt werden: als Prozentsatz des Umsatzes, de gelegt. Der Preis wird gemeinsam mit anderen
anhand der zu bewältigenden Marketing-Aufga- Variablen des Marketing-Mix festgelegt, bevor das
ben, anhand verfügbarer Mittel oder im Vergleich Marketing-Programm entwickelt wird. Varianten
zur Konkurrenz. sind das Dauerniedrigpreis- oder das High-Low-
Werbekontakthäufigkeit Anzahl der Kontakte, Pricing-Konzept.
die eine Person in der Zielgruppe mit dem Werbe- Wertorientiertes Marketing Ein Grundsatz des
träger hat. „aufgeklärten Marketing“, der besagt, dass ein Un-
Werbekostenzuschüsse Finanzielle Unterstüt- ternehmen seine Ressourcen auf eine Erhöhung
zung, die ein Hersteller zur Finanzierung von des Gebrauchswerts des Angebots fokussieren
Werbemaßnahmen oder Verkaufsförderungsaktivi- soll.
täten für seine Produkte an den Handel zahlt. Bei- Wertschöpfungskette Die Lieferkette eines Un-
spiele sind die Bewerbung von Produkten in Pros- ternehmens, die sich von den Rohmaterialien bis
pekten des Handelsunternehmens, am Regal oder hin zum fertigen Produkt zieht, und die Zusam-
die Gewährung von Sonderangeboten für den menarbeit mit Lieferanten und Händlern.
Endverbraucher. Wertschöpfungskette für Dienstleistungen
Werbemedien Kanäle, über die eine Werbebot- Eine Verbindung, die den Gewinn eines Dienst-
schaft an die definierten Zielgruppen transportiert leistungsanbieters an die Zufriedenheit von Mitar-
wird. beitern und Kunden knüpft.
Werberendite Netto-Rendite der Werbeaufwen- Wettbewerbsorientierte Preissetzung Die Prei-
dungen, geteilt durch die Kosten der Marketingin- se des Unternehmens orientieren sich bei dieser
vestitionen. Methode an denen des Wettbewerbs. Den eigenen
Werbestrategie Strategie, mit der das Unterneh- Kosten und der Nachfrage wird wenig Aufmerk-
men seine Werbeziele umsetzt. Sie besteht aus samkeit geschenkt.
zwei hauptsächlichen Komponenten: Erzeugung Wettbewerbsposition Ein Unternehmen kann
einer Werbebotschaft und Auswahl der geeigneten im Wettbewerb unterschiedliche Rollen auf einem
Werbemedien. Zielmarkt einnehmen: die Position des Marktfüh-
Werbeträger Medien, durch die Werbebotschaf- rers, des Herausforderers, eines Marktfolgers oder
ten vom Sender zum Empfänger transportiert wer- eines Nischenanbieters.
den, beispielsweise Zeitungen, Zeitschriften, Wettbewerbsstrategien Strategien, die dem Un-
Fernsehsendungen oder Radioprogramme. ternehmen eine eindeutige und starke Positionie-
Werbewirkung Veränderungen im Bewusstsein rung gegenüber den Konkurrenten einräumen und
von Personen, die Kontakt mit einer Werbemaß- den größtmöglichen Wettbewerbsvorteil verschaf-
nahme hatten. Verschiedene Methoden dienen der fen.
Messung der Werbewirkung, wie z.B. apparative Wettbewerbsvorteil Vorteil, den Unternehmen
Verfahren, Recall- oder Recognition-Tests (mes- gegenüber ihren Wettbewerbern erlangen, indem
sen die Erinnerung bzw. Wiedererkennung von In- ihre Produkte die Bedürfnisse der Ziel-Konsu-
halten einer Werbebotschaft) oder Einstellungs- menten besser befriedigen als die Angebote der
messungen. Konkurrenten.
Werbeziel Eine genau beschriebene Kommunika- Wirtschaftsgemeinschaft Eine Gruppe einzelner
tionsaufgabe, die gegenüber einer festgelegten Nationen, die mit gemeinsamen Zielen zur Regu-
Zielgruppe in einem bestimmten Zeitraum durch- lierung des internationalen Handels zusammenar-
geführt werden soll. Abhängig vom Zweck der beitet.
Werbung unterscheidet man drei Ziele: informie- Word-of-mouth Auch Mundpropaganda. Be-
ren, überzeugen oder erinnern. zeichnet die Verbreitung von Wissen und Meinun-
Werbung Alle Varianten von nicht durch Perso- gen durch zwischenmenschliche Kommunikation.
nen durchgeführten Präsentationen oder Darstel-
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Glossar
Zeitreihenanalyse Methode der Absatzprognose, Zielmarkt Eine Gruppe von Käufern, die gemein-
die vergangene Verkaufszahlen in die vier Kompo- same Bedürfnisse oder gemeinsame Charakteristi-
nenten Trends, Zyklen, saisonale Schwankungen ka teilen und von einem Unternehmen bedient
und irreguläre Abweichungen aufspaltet und zur werden.
Prognose des zukünftigen Absatzes neu kombi- Zoll Steuerähnliche Abgaben, die bei der Einfuhr
niert. bestimmter Importwaren erhoben werden. Sie sol-
Zielgruppenmarketing Konzentration der Mar- len dem Staat Einnahmen verschaffen und einhei-
keting-Bemühungen auf genau definierte Kaufin- mische Anbieter schützen. Je größer die Entfer-
teressenten mit speziellen Kaufabsichten und An- nung der Zone vom Unternehmensstandort, desto
passung des Angebots an die Bedürfnisse eines höher ist der Preis.
oder mehrerer Zielsegmente. Zone pricing (dt.: Einteilung in Preiszonen) Form
Zielkostenmethode (engl.: target costing) Tech- der geografisch differenzierten Preissetzung; das
nik zur Unterstützung von Preissetzungsentschei- Unternehmen definiert zwei oder mehr Zonen mit
dungen. Ausgangspunkt sind die Zielkosten für entsprechenden Preisen. Innerhalb einer Zone
ein neues Produkt. Der gesamte Entwicklungspro- zahlen alle Kunden denselben Preis. Je größer die
zess muss sich an dieser Vorgabe orientieren. Entfernung der Zone vom Unternehmensstandort,
desto höher ist der Preis.
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Organisationen
3M 454 E
A easyJet 845
eBay 221
Absolut Vodka 648
Accenture 316 F
Acme 842
Airbus 746 Facebook 786
Aktion Mensch 664
ALDI 502, 608 G
Amazon 799, 840
Apple 195, 453, 733, 840, 883 Gap 403
iMac 398 GATT 874
Asos 332 GEA 57
Audi 705 General Electric 320
GLASBAU HAHN 856
Glasses Direct 843
B Google 448
Bausch & Lomb 839 Grüner Punkt 664
Benadryl 64 Gulfstream 303
BfA – Bundesanstalt für Arbeit
als Käufer 323 H
Black&Decker 581
Bloomingdale 620 H&M 814
BMW 668 Heineken 922
Bose 846 Hilton 891
Boston Consulting Group 107 Hipp Pfaffenhofen 939
British Gas 64 Honda 276
Brompton 479
Brot für die Welt 664 I
Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung
IBM
als Käufer 323
Burger King 881
Lösungen für das E-Business 395
IKEA 113, 398, 531, 578, 599, 866, 882
Ikea 505
C Innocent 63
Canon 283 IVW – Informationsgemeinschaft zur Feststellung
Carrefour 587 der Verbreitung von Werbeträgern e.V. 698
Cirque du Soleil 841
Cisco Systems 460 J
Coca-Cola 63, 435, 694, 901
JetBlue 809
als Franchisesystem 577
Costa Coffee 72
K
D Keine Macht den Drogen! 664
Kellogg’s 253, 656
Dassault (frz. Flugzeughersteller) 302
Dell Computer Corporation 791
dm-drogerie markt 56 L
LEGO 89, 339
LinkedIn 457
Lufthansa Service Gesellschaft (LSG) 411
977
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Organisationen
M SINUS-Institut 262
Sixt 305
Mars Portugal 248 Škoda 305
McAfee 63 Sky Chefs siehe Lufthansa Service Gesellschaft
McDonald’s 809, 883, 894, 917 Smirnoff 547
als Franchisesystem 577 SodaStream 830
Unternehmensdaten 53 Sony 283, 406
Mountain Dew 793 Staples 321, 630
MTV 883 Starbucks 97, 883
Stiftung Warentest 923
N
T
Nestlé 912
strategische Planung 93 Tchibo 626
Netflix 560, 888 Tesco 679
Nike 37, 881, 898, 938 Tetra Pak 402
Nikon 283 TRUMPF-Gruppe 359
Nissan 376 TUI Deutschland GmbH 855
Novo Nordisk 505
U
P Uber 385
P&G 740, 803 Umweltbundesamt 631
PepsiCo 64 Unilever 72, 546
Porsche 242 UPS 296
R V
Reckitt Benckiser 460 V&S 648
Red Bull 714 Vatikan
REWE Group 364 Marketing und Website 74
Ricoh 283
Ritz-Carlton 845 W
Ryanair 494, 852
Walmart 502, 874
S Waterstones 621
World Trade Organization (WTO) 875
Sage 532
Samsung 459 Z
SAS – Scandinavian Airlines System (Fragebogen
zur Marktforschung) 216 Zara 101
SCHOTT AG 361 Zipcar 810
978
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Register
A Außendienstmitarbeiter
Anwerbe- und Auswahlverfahren 760
Abschöpfungsstrategie (Preis) 530 Aus- und Weiterbildung 760
Adopter Eigenschaften 759
frühe 289 Vergütung und Anreizsysteme 761
Adoption von neuen Produkten 288 Außenhandel 866
AIDA-Formel 664
Akashi-Kaikyo-Brücke 505 B
Anbieter
Rechte 930 B-2-B-Marketing siehe B-to-B-Marketing
Anlagegüter 394 Barter-Handel 880
Apple Barzahlungsrabatt 534, 541
iMac 398 Basing-point pricing 542
aufgeklärtes Marketing 937 Bausteine
Aufwärts-Mobilität 255 einer Theorie des Marketings 41
Ausländer Bedarfswahrnehmung
als Zielgruppe des Marketing 251 im Rahmen der Kaufentscheidung 280
Auslandsmärkte Bedürfnisse 42, 273
Auswahl 885 Beeinflusser
Kommunikation 897 bei der Kaufentscheidung 259
kulturelles Umfeld 881 im Buying Center 312
Preise 899 Befragung zur Primärdatenerhebung 205
Vertriebsstrukturen 900 Beiträge 498
Ausstattung des Produkts 398 Benachteiligte Käuferschichten 925
Austausch 44 Beruf
als Vorbedingung für Markt 45 Auswirkung auf das Kaufverhalten 261
Auswahlprozesse Beschaffungsprozess
vor dem Kauf 282 in Organisationen 307
Außendienst Rahmenvertrag 318
Absatzvorgaben 764 über das Internet 319
Arbeitsklima 764 Betriebsführungsverträge 891
Auswahl der Mitarbeiter 758 Betriebsstoffe 394
Führung und Kontrolle 762 Beziehungsmarketing 45
Größe 755 Bezos, Jeff 385
Leistungsbeurteilung 764 Bilanz 103
mehrdimensionale Strukturierung 752 Blogs 803
Mitarbeiterauswahl 760 Boeing BBJ 303
Mitarbeitereigenschaften 759 Boston Consulting Group
Mitarbeitermotivation 763 Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix 107
Mitarbeiterschulung 760 Botschaft (Kommunikation) 665
Mitarbeitervergütung 761 Botschaft auf dem Produkt 665
positive Anreize 764 Brand Equity 427
Strategie 750 Break-even-Analyse (kostenbasierte Preissetzung)
Struktur 751 510
Strukturierung nach Gebieten 751 Breite des Produktportfolios 407
Strukturierung nach Kunden 751 Brin, Sergey 450
Strukturierung nach Produkten 751 B-to-B-Marketing
Team Selling 757 Ersatzgeschäft 301
Unterstützung durch den Innendienst 756 Erstausstattung 301
Zeitmanagement 762 Öffentlicher Sektor 322
Zielvorgaben 749 Business-to-Business-Marketing 295
979
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980
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981
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Informationen J
aus der Wettbewerberanalyse 196
aus öffentlichen Quellen 196 Joint ownership 892
von Bewerbern und Mitarbeitern der Konkur- Joint Ventures 890
renz 197 Just-in-time
von Geschäftspartnern der Wettbewerber 197 Konzepte 305
Informationsbedarf (Marktforschung) 199
Informationsmanagement K
intern 224
Informationsquellen K: vier Ks beim Käufer, vier Ps beim Anbieter 118
vor Kaufentscheidung 282 Kalanick, Travis 385
Informationssuche Kamprad, Ingvar 867
im Rahmen der Kaufentscheidung 281 Käufe
Initiator Gruppendruck 257
beim Kaufverhalten 259 Motivation 273
Initiierung von Preisänderungen 546 Yacht 257
Innendienst Käufe ohne Einschaltung des Handels 305
Unterstützung des Außendienstes 756 Kaufentscheidung 285
Innovation Beeinflussung 284
umgekehrte 439 bei neuen Produkten 287
Innovationsmanagementsystem 475 Persönliche Faktoren 260
Innovatoren 289 psychologische Faktoren 272
Interaktives Marketing Vorgang der Entscheidungsfindung 280
Dienstleistungen 415 Wahrnehmung des Bedarfs 280
Internationale Märkte Kaufentscheidungsprozess 277, 301
Auswirkung auf Produktentscheidungen 438 Phasen 280, 315
Internationale Marktforschung 229 Käufer
Internationale Organisation Ausführung einer gemeinsam getroffenen Kau-
Exportabteilung 904 fentscheidung 259
Globale Organisation 905 Rechte 930
Internationale Abteilung 905 unzufriedener 287
Internationale Preissetzung 545 Käufermärkte
Internationale Presse 728 Vorstellung des Begriffs 48
Internationales Handelssystem 873 Kaufkraft 162
Internes Marketing 414 Kaufsituation
Dienstleistungen 414 Erstkauf 308
Internet Typen 307
als Führungstechnologie 71 Wiederkauf
Beschaffung 319 identisch 307
und Werbung 729 modifiziert 307
Internet der Dinge 320 Kaufverarbeitungsverhalten 286
Internetbefragung (Marktforschung) 210 Kaufverhalten
Interpretation der Ergebnisse (Marktforschung) Arten 277
222 der Entscheidungsträger in Organisationen
Interviews (Marktforschung) 208 307
Inzahlungnahme 536 der Konsumenten 241
Irland Dissonanz reduzierendes 278
im Ortemarketing 395 habitualisiertes 279
Irreführung komplexes 278
durch Marketing 920 und Beruf 261
Irrtümer und finanzielle Situation 261
I. und Fehleinschätzungen bekannter Experten und Lebensstil 262
223 und Persönlichkeit 272
IT und Logistik 594 Veränderungen 162
Kenntnis über das Produkt (Kommunikation) 662
Kennzeichnung 402
983
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M kundenorientiertes 937
lokales Marketing 354
Machtdistanz Lösungen für das E-Business 395
als Kulturdimension 772 M. als Philosophie 112
Management Marketingorientierung des Markts 51
der Dienstleistungsqualität 418 Massenmarketing 352
Management von Marken 424, 437 Mikromarketing 354
Mann mobiles 808
Entscheidungsanteil in der Familie 259 Nachhaltigkeit 77
Marke Nischenmarketing 353
Handelsmarke 431 Produktionsorientierung 49
Herstellermarke 431 Produktorientierung 50
Nutzen für den Anbieter 400 Social Marketing 396
Nutzen für den Käufer 399 soziale Orientierung 55
Wert 424 Stellenwert innerhalb betrieblicher Funktions-
Wertvollste Marken der Welt 426 bereiche 112
Marke im unteren Preissegment einführen Strategievorgaben durch M. 112
als Reaktion auf Preissenkung eines Wettbe- Verkaufsorientierung 50
werbers 552 Marketing mit sozialer Orientierung 55
Marken-„Stämme“ 342 Marketing-Informationssystem 191
Markenausweitung 435 Marketingkommunikation
Markenentwicklung 434 M. und gesellschaftliche Verantwortung 686
Markenführung 437 Marketing-Management 49
Markenkannibalismus 406 Einführung des Begriffs 49
Markenkultur 428 Vorstellung des Begriffs 49
Markenmanagement 399, 424 Marketing-Mix
Markenname 430 Anpassung für Auslandsmärkte 894
Co-Brand 431 für Dienstleistungen 417
Eigenmarke des Handels 431 Platzierung 118
Herstellermarke 431 Preis 118
Lizenzmarke 431 Produkt 117
Markenpersönlichkeit 428 Promotion 118
Markenpositionierung 427 Marketingorganisation
Markenwert 424 Funktionale Organisation 126
Marketing Geografische Organisation 126
Anreize 306 Kundenorientierte Organisation 126
Auswirkungen auf die Gesellschaft 926 Produktorientierte Organisation 126
Beziehungsmarketing 45 Marketingorientierung
Das 55+ Segment 252 eigentliche Marketingorientierung 51
Definition des Begriffs 40 Marketingplan 120
der Kirchen 74 Marketingstrategie
des Vatikans 74 Bestandteile einer Marketingstrategie 114
Entscheidungsfindung mittels M. 112 Einfluss der Kultur 881
Ethik 911 für Dienstleistungsanbieter 412
für Ideen 395 Marketingsysteme
für Minderheiten 251 horizontal 578
für Nischenanbieter 856 Multikanal 579
für Organisationen 395 vertikal 571
für Orte 395 Marketingumfeld 138
für Personen 395 globales 873
gesellschaftliche Kritik 918 Marketingvermittler 566
globales Marketing im 21. Jahrhundert 871 Marketing-Webseiten 801
in der strategischen Planung 111 Markt
individuelles Marketing 355 Begriff des Markts 46
internationales 865 Gesamtheit aus Anbietern und Nachfragern 46
Irreführung des Verbrauchers 920 Marktabschöpfungsstrategie (Preis) 530
985
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986
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987
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Register
988
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Register
989
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Register
990
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Register
991
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