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Grundlagen Des Marketing - Philip Kotler

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Grundlagen des Marketing

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Marketing
kommt noch
kommt auch noch

Grundlagen des
Marketing
7., aktualisierte Auflage

Philip Kotler
Gary Armstrong
Lloyd C. Harris
Nigel Piercy

Bearbeitet durch: Prof. Dr. Marc Falko Schrader


Fallbearbeitung: Mag. Dr. Patrick Moser

Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
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Da es nicht möglich ist, in allen Fällen zeitnah zu ermitteln, ob ein Markenschutz besteht,
wird das ®-Symbol in diesem Buch nicht verwendet.
Authorized translation from the European adapted edition of the original United States English
language edition, entitled PRINCIPLES OF MARKETING, 16th Edition by PHILIP KOTLER,
GARY ARMSTRONG, published by Pearson Education, Inc, Copyright © 2016. European adapted
edition, entitled PRINCIPLES OF MARKETING: EUROPEAN EDITION, 7th Edition adapted by
Lloyd C. Harris and Nigel F. Piercy, published by Pearson Education Limited, Copyright © 2017.
All rights reserved. No part of this book may be reproduced or transmitted in any form
or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording or by any
information storage retrieval system, without permission from Pearson Education, Inc.

GERMAN language edition published by PEARSON DEUTSCHLAND GMBH, Copyright © 2019

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
23 22 21 20 19

ISBN 978-3-86894-355-9 (Buch)


ISBN 978-3-86326-850-3 (E-Book)

Zugangscode einlösbar bis 01.10.2022

© 2019 by Pearson Deutschland GmbH


Lilienthalstraße 2, D-85399 Hallbergmoos/Germany
Alle Rechte vorbehalten
www.pearson.de
A part of Pearson plc worldwide

Programmleitung: Martin Milbradt, mmilbradt@pearson.de


Fachlektorat: Prof. Dr. Marc Falko Schrader, Aalen unter Mitarbeit von
Dipl.-Ök. Christina A. Sieger, Essen
Fallbearbeitung: Mag. Dr. Patrick Moser, Frankenmarkt
Übersetzung: Andrea Ecker, Essen
Lektorat: Markus Stahmann, markus.stahmann@pearson.com
Korrektorat: Petra Kienle, Fürstenfeldbruck
Herstellung: Claudia Bäurle, cbaeurle@pearson.de
Satz: Gerhard Alfes, mediaService, Siegen (www.mediaservice.tv)
Coverabbildung: 123rf.com
Druck und Verarbeitung: DZS-Grafik d.o.o., Ljubljana

Printed in Slovenia

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Inhaltsübersicht
Vorwort 25

Über die Autoren 30

Teil I Die strategische Dimension des Marketing 33

Kapitel 1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen 35

Kapitel 2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung,


Kundenwert und Kundenbeziehungen 87

Teil II Märkte und ihre Erforschung 135

Kapitel 3 Die Analyse des Marketingumfelds 137

Kapitel 4 Marktforschung 185

Kapitel 5 Das Kaufverhalten der Konsumenten 241

Kapitel 6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des


Business-to-Business-Marketings 295

Teil III Strategische Optionen und Marketing-Mix 329

Kapitel 7 Marktsegmentierung und Positionierung 331

Kapitel 8 Produkte, Dienstleistungen und Marken 383

Kapitel 9 Die Entwicklung neuer Produkte und


Produktlebenszyklusstrategien 447

Kapitel 10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen


der Preissetzung 493

Kapitel 11 Strategien der Preispolitik 525

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Inhaltsübersicht

Kapitel 12 Distribution und Logistik 559

Kapitel 13 Einzelhandel und Großhandel 607

Kapitel 14 Integrierte Marketingkommunikation 647

Kapitel 15 Werbung und Public Relations (PR)/


Öffentlichkeitsarbeit 693

Kapitel 16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung 739

Kapitel 17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und


Social-Media-Marketing 785

Teil IV Die erweiterte Perspektive des Marketing 827

Kapitel 18 Wettbewerbsvorteile schaffen 829

Kapitel 19 Internationales Marketing 865

Kapitel 20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche


Verantwortung und Ethik im Marketing 911

Glossar 951

Organisationen 977

Register 979

6
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort 25

Über die Autoren 30

Teil I Die strategische Dimension des Marketing 33

Kapitel 1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen 35


1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1.2 Was ist Marketing? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
1.2.1 Definition des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
1.2.2 Der Marketingprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
1.3.1 Bedürfnisse, Wünsche und Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.3.2 Angebote – Produkte, Dienstleistungen und Erlebnisse. . . . . . . . . 43
1.3.3 Kundennutzen und Zufriedenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
1.3.4 Austausch, Transaktionen und Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
1.3.5 Märkte und das Marketingsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm . . . . . 48
1.4.1 Die Bestimmung von Zielgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
1.4.2 Die Wahl eines Nutzenversprechens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
1.4.3 Die Basiskonzepte des Marketing-Managements . . . . . . . . . . . . . . 49
1.4.4 Entwicklung eines integrierten Marketingprogramms . . . . . . . . . . 59
1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
1.5.1 Customer Relationship Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
1.5.2 Kundenintegration und -beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
1.5.3 Partner Relationship Management (PRM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
1.6 Die Erlangung eines Gegenwerts von den Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
1.6.1 Die Schaffung von Kundentreue und Kundenbindung . . . . . . . . . 68
1.6.2 Die Erlangung eines höheren Anteils am Kundenbudget. . . . . . . . 69
1.6.3 Der Aufbau von Kundenwert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
1.7 Das Marketingumfeld im Wandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
1.7.1 Das digitale Zeitalter: Onlinemarketing, mobiles Marketing
und Social-Media-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
1.7.2 Das sich ändernde ökonomische Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
1.7.3 Das Wachstum des Non-Profit-Marketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
1.7.4 Die schnelle Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
1.7.5 Nachhaltiges Marketing – der Ruf nach stärkerer Verantwortung
für Umwelt und Soziales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
1.8 Der erweiterte Marketingprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung,


Kundenwert und Kundenbeziehungen 87
2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
2.2 Strategische Unternehmensplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
2.2.1 Zeithorizont und Hierarchie der Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
2.3.1 Unternehmensmission und strategische Ziele . . . . . . . . . . . . . . . 94
2.3.2 Strategische Situationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
2.3.3 Strategische Analysemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
2.3.4 Entwicklung von Strategien für Wachstum und Downsizing . . . . 110
2.4 Die Rolle des Marketings in der strategischen Planung. . . . . . . . . . . . . . . 111
2.4.1 Marketing als Leitkonzept in der strategischen Planung. . . . . . . . 111
2.4.2 Der Stellenwert des Marketings innerhalb betrieblicher
Funktionsbereiche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
2.4.3 Der Stellenwert des Marketings im unternehmens-
übergreifenden Marketingsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
2.5 Marketingstrategie und Marketing-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
2.5.1 Kundenorientierte Marketingstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
2.5.2 Die Entwicklung eines integrierten Marketing-Mix. . . . . . . . . . . . 117
2.6 Der Marketingprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
2.6.1 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
2.6.2 Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
2.6.3 Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
2.6.4 Marketing-Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
2.6.5 Die Marketingabteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
2.7 Das Marketingbudget . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Teil II Märkte und ihre Erforschung 135

Kapitel 3 Die Analyse des Marketingumfelds 137


3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
3.2.1 Das Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
3.2.2 Die Lieferanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
3.2.3 Die Marketingmittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
3.2.4 Die Kunden und die Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
3.2.5 Die Konkurrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
3.2.6 Die Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
3.3.1 Die demografische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
3.3.2 Das volkswirtschaftliche Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

8
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Inhaltsverzeichnis

3.3.3 Das natürliche Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163


3.3.4 Das technologische Umfeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
3.3.5 Das politische Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
3.3.6 Das kulturelle Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
3.4 Interaktion mit dem Marketingumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Kapitel 4 Marktforschung 185


4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
4.2 Festlegung des Informationsbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
4.3 Unternehmensinterne Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
4.4 Marketing Intelligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
4.5 Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
4.5.1 Problemstellung und Ziel einer Marktforschungsstudie . . . . . . . . 198
4.5.2 Die Entwicklung des Untersuchungsplans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
4.5.3 Datenerhebung und Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
4.5.4 Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . 222
4.6 Analyse und internes Management von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . 224
4.7 Verbreitung und Nutzung von Marketinginformationen . . . . . . . . . . . . . . 226
4.8 Marktforschung in kleinen und mittleren Unternehmen und
Non-Profit-Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
4.9 Internationale Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
4.10 Marktforschung und Ethik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
4.10.1 Eindringen in die Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

Kapitel 5 Das Kaufverhalten der Konsumenten 241


5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
5.2 Modell des Konsumentenverhaltens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
5.3.1 Kulturelle Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
5.3.2 Soziale Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
5.3.3 Persönliche Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
5.3.4 Psychologische Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
5.4 Der Kaufentscheidungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
5.4.1 Arten von Kaufentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
5.4.2 Phasen des Kaufentscheidungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
5.4.3 Kaufentscheidungsprozesse bei neuen Produkten. . . . . . . . . . . . . 287
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

9
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Inhaltsverzeichnis

Kapitel 6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des


Business-to-Business-Marketings 295
6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
6.2 Märkte für Industriegüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
6.2.1 Charakteristika der Märkte für Industriegüter . . . . . . . . . . . . . . . . 300
6.2.2 Ein Modell für das Kaufverhalten von Organisationen . . . . . . . . . 306
6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
6.3.1 Kaufentscheidungen von Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
6.3.2 Buying Center . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
6.3.3 Organisationsbezogene Einflussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
6.3.4 Phasen des Kaufprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
6.4 Handel von Industriegütern über das Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
6.5 Der öffentliche Sektor als Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
6.5.1 Öffentliche Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
6.5.2 Staatliche Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Teil III Strategische Optionen und Marketing-Mix 329

Kapitel 7 Marktsegmentierung und Positionierung 331


7.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
7.2 Kundensegmentierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
7.2.1 Segmentierung von Konsumgütermärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
7.2.2 Multivariate Segmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
7.2.3 Segmentierung von Industriegütermärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
7.2.4 Segmentierung internationaler Märkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
7.2.5 Anforderungen an eine effiziente Segmentierung . . . . . . . . . . . . . 349
7.3 Auswahl von Zielmärkten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
7.3.1 Eignung und Attraktivität von Marktsegmenten . . . . . . . . . . . . . . 350
7.3.2 Auswahl von Zielsegmenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
7.3.3 Die Festlegung der zu bedienenden Marktsegmente . . . . . . . . . . . 356
7.4 Differenzierung und Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
7.4.1 Positionierungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
7.4.2 Entwicklung einer Differenzierungs- und
Positionierungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

Kapitel 8 Produkte, Dienstleistungen und Marken 383


8.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
8.2 Der Produktbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
8.2.1 Produkte, Dienstleistungen und Erlebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
8.2.2 Dimensionen eines Produkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

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8.2.3 Produktklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390


8.3 Produktentscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
8.3.1 Entscheidungen über einzelne Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
8.3.2 Entscheidungen über Produktlinien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
8.3.3 Entscheidungen über das Produktportfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
8.4 Services-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
8.4.1 Charakteristika von Dienstleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
8.4.2 Marketingstrategien für Dienstleistungsanbieter . . . . . . . . . . . . . . 412
8.4.3 Die Service-Profit-Chain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
8.4.4 Differenzierung als strategische Herausforderung . . . . . . . . . . . . . 415
8.4.5 Das Management der Dienstleistungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . 418
8.4.6 Erhöhung der Produktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
8.5 Markenmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
8.5.1 Markenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
8.5.2 Markenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
8.5.3 Organisation und Kontrolle der Markenführung . . . . . . . . . . . . . . 437
8.6 Weitere Überlegungen zu Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
8.6.1 Produktentscheidungen und soziale Verantwortung. . . . . . . . . . . 437
8.6.2 Produktentscheidungen für internationale Märkte . . . . . . . . . . . . 438
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444

Kapitel 9 Die Entwicklung neuer Produkte und


Produktlebenszyklusstrategien 447
9.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
9.2 Innovation und Entwicklung neuer Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454
9.3.1 Erarbeitung einer Strategie für die Entwicklung neuer Produkte . 454
9.3.2 Suche nach Produktideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456
9.3.3 Ideen-Screening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
9.3.4 Konzeptentwicklung und Konzepttest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
9.3.5 Die Entwicklung einer Marketingstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465
9.3.6 Die Analyse der Wirtschaftlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466
9.3.7 Die Produktentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466
9.3.8 Testmarkterprobung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
9.3.9 Markteinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
9.3.10 Das Management des Innovationsprozesses. . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
9.4 Der Produktlebenszyklus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
9.4.1 Das theoretische Konzept Produktlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . 476
9.4.2 Die Einführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
9.4.3 Die Wachstumsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482
9.4.4 Die Reifephase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482
9.4.5 Die Degenerationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490

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Kapitel 10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen


der Preissetzung 493
10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494
10.2 Grundlegende Preisstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499
10.2.1 Preisgestaltung basierend auf Kundennutzen . . . . . . . . . . . . . . . . 500
10.2.2 Kostenbasierte Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
10.2.3 Wettbewerbsbasierte Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512
10.2.4 Weitere interne und externe Einflussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . 513
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Kapitel 11 Strategien der Preispolitik 525


11.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526
11.2 Preissetzungsstrategien für neue Produkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
11.2.1 Marktabschöpfungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
11.2.2 Marktdurchdringungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
11.3 Preisstrategien für ein Produktprogramm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
11.3.1 Preissetzung innerhalb der Produktlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532
11.3.2 Preissetzung für Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532
11.3.3 Preissetzung für Komplementärprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532
11.3.4 Preissetzung für Koppelprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
11.3.5 Preissetzung für Produktbündel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
11.4 Preisanpassungsstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
11.4.1 Rabatte und Preisnachlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
11.4.2 Differenzierende Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536
11.4.3 Psychologische Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539
11.4.4 Preissetzung bei Sonderaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540
11.4.5 Geografisch differenzierte Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
11.4.6 Dynamische Preissetzung und Preissetzung im Internet. . . . . . . . 543
11.4.7 Internationale Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545
11.5 Preisänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546
11.5.1 Initiierung von Preisänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546
11.5.2 Reaktionen auf Preisänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550
11.6 Preisgestaltung und öffentliche Politik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552
11.6.1 Preisgestaltung innerhalb von Vertriebsebenen. . . . . . . . . . . . . . . 553
11.6.2 Preisgestaltung über mehrere Vertriebsebenen . . . . . . . . . . . . . . . 554
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556

Kapitel 12 Distribution und Logistik 559


12.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560
12.2 Die Supply Chain und das Wertschöpfungsnetzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . 564
12.3 Die Bedeutung und Eigenschaften von Distributionskanälen . . . . . . . . . . 566
12.3.1 Wertschöpfung durch Marketingvermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566

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12.3.2 Die Funktionen eines Distributionskanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568


12.3.3 Anzahl der Stufen eines Distributionskanals. . . . . . . . . . . . . . . . . 569
12.4 Die Organisation eines Distributionssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571
12.4.1 Vertikale Marketingsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571
12.4.2 Horizontale Marketingsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578
12.4.3 Multikanal-Marketingsysteme oder Hybrid-Marketingsysteme . . 579
12.4.4 Aufgaben und Ziele der Mitglieder eines Distributionskanals . . . 581
12.5 Das Distributionssystem gestalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582
12.5.1 Analyse der Kundenbedürfnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583
12.5.2 Festlegung von Zielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583
12.5.3 Distributionskanalalternativen identifizieren . . . . . . . . . . . . . . . . 584
12.5.4 Alternative Distributionskanäle bewerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586
12.5.5 Internationale Distributionskanäle aufbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . 586
12.6 Distributionssystem und -partner steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589
12.6.1 Die Partner auswählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589
12.6.2 Die Partner leiten und motivieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590
12.6.3 Die Partner bewerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590
12.7 Gesetzliche Einflüsse auf Vertriebsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
12.8 Supply Chain Management und Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592
12.8.1 Das Wesen und die Bedeutung der Logistik. . . . . . . . . . . . . . . . . . 592
12.8.2 Ziele des Logistiksystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594
12.8.3 Funktionen der Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594
12.8.4 Integriertes Logistikmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605

Kapitel 13 Einzelhandel und Großhandel 607


13.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
13.2 Der Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612
13.2.1 Betriebstypen des Einzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614
13.2.2 Marketingentscheidungen im Einzelhandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . 617
13.2.3 Trends im Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
13.3 Der Großhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634
13.3.1 Typologie des Großhandels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635
13.3.2 Marketingentscheidungen im Großhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638
13.3.3 Trends im Großhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645

Kapitel 14 Integrierte Marketingkommunikation 647


14.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648
14.2 Der Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654
14.3 Integrierte Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655
14.3.1 Das neue Kommunikationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656

13
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14.3.2 Die Notwendigkeit einer integrierten Marketing-


kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657
14.4 Die Struktur des Kommunikationsvorgangs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659
14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661
14.5.1 Die Identifizierung der Zielgruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661
14.5.2 Die Bestimmung der Kommunikationsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . 661
14.5.3 Entwurf der Botschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664
14.5.4 Auswahl der Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666
14.5.5 Messung der Werbewirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671
14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . 674
14.6.1 Festlegung des Budgets für die Marketingkommunikation. . . . . . 674
14.6.2 Festlegung des Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676
14.6.3 Integration des Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685
14.7 Marketingkommunikation und gesellschaftliche Verantwortung . . . . . . . 686
14.7.1 Werbung und Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686
14.7.2 Der persönliche Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 688
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690

Kapitel 15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit 693


15.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694
15.2 Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696
15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697
15.3.1 Festlegung der Ziele der Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698
15.3.2 Festlegung des Werbebudgets. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
15.3.3 Entwicklung der Werbestrategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705
15.3.4 Entwicklung der Werbebotschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 708
15.3.5 Konsumentengenerierte Werbebotschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . 711
15.3.6 Auswahl der Werbemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711
15.3.7 Messung von Werbewirkung und Werbeerfolg . . . . . . . . . . . . . . . 719
15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . 721
15.4.1 Organisation der Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721
15.4.2 Werbung auf internationalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724
15.5 Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732
15.5.1 Die Rolle und Wirkung der Public Relations . . . . . . . . . . . . . . . . 732
15.5.2 Instrumente der Public Relations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737

Kapitel 16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung 739


16.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740
16.2 Der persönliche Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744
16.2.1 Grundlagen des persönlichen Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744
16.2.2 Die Rolle des Außendienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745

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16.3 Sales Force Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749


16.3.1 Zielvorgaben für den Außendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749
16.3.2 Strategie und Struktur des Außendienstes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750
16.3.3 Auswahl der Außendienstmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 758
16.3.4 Aus- und Weiterbildung des Außendienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . 760
16.3.5 Vergütung der Außendienstmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761
16.3.6 Führung und Motivation des Außendienstes. . . . . . . . . . . . . . . . . 762
16.3.7 Leistungsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764
16.4 Social Selling: Online-, mobile und Social-Media-Tools . . . . . . . . . . . . . . 765
16.4.1 Die Rolle des Außendienstes im Zeitalter digitaler und
sozialer Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766
16.4.2 Die neue digitale Verkaufsumgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767
16.5 Der Prozess des persönlichen Verkaufs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 768
16.5.1 Der Ablauf des persönlichen Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 768
16.5.2 Persönlicher Verkauf und Kundenbeziehungsmanagement . . . . . 773
16.6 Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774
16.6.1 Die zunehmende Bedeutung der Verkaufsförderung. . . . . . . . . . . 774
16.6.2 Zielsetzung der Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 776
16.6.3 Instrumente der Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 777
16.6.4 Die Entwicklung von Verkaufsförderungsprogrammen. . . . . . . . . 779
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 782

Kapitel 17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und


Social-Media-Marketing 785
17.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786
17.2 Direktmarketing und digitales Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790
17.2.1 Das neue Direktmarketing-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793
17.2.2 Wachstum des Direktmarketings und des digitalen Marketings . . 794
17.2.3 Vorteile des Direktmarketings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796
17.3 Arten des Direkt- und Digitalmarketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 797
17.4 Digitales und Social-Media-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 797
17.4.1 Marketing, das Internet und das digitale Zeitalter. . . . . . . . . . . . . 798
17.4.2 Onlinemarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801
17.4.3 Traditionelle Formen des Direktmarketings . . . . . . . . . . . . . . . . . 810
17.5 Öffentliche Verantwortung und Ethik im digitalen und Direktmarketing 815
17.5.1 Ärgernisse, unfaire Praktiken, Täuschung und Betrug . . . . . . . . . 815
17.5.2 Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816
17.5.3 Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822

15
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Teil IV Die erweiterte Perspektive des Marketing 827

Kapitel 18 Wettbewerbsvorteile schaffen 829


18.1 Wettbewerbsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 834
18.1.1 Wettbewerber identifizieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835
18.1.2 Wettbewerber analysieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836
18.1.3 Wettbewerber auswählen und beurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 838
18.1.4 System der Wettbewerbsbeobachtung entwickeln . . . . . . . . . . . . 841
18.2 Wettbewerbsstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 842
18.2.1 Marketingstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 842
18.2.2 Grundlegende Wettbewerbsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 843
18.2.3 Wettbewerbspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 847
18.2.4 Strategien für Marktführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848
18.2.5 Strategien für Herausforderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852
18.2.6 Strategien für Marktfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 854
18.2.7 Strategien für Nischenanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 854
18.3 Gleichgewicht zwischen Kunden- und Wettbewerbsorientierung . . . . . . 859
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862

Kapitel 19 Internationales Marketing 865


19.1 Globales Marketing im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871
19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873
19.2.1 Das internationale Handelssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873
19.2.2 Das ökonomische Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878
19.2.3 Das politisch-rechtliche Umfeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 880
19.2.4 Das kulturelle Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 881
19.3 Entscheidung über ein internationales Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . 884
19.4 Die Auswahl der Zielländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885
19.5 Bestimmung der Form des Markteintritts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 889
19.5.1 Export . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890
19.5.2 Joint Venture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890
19.5.3 Direktinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892
19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894
19.6.1 Das Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895
19.6.2 Die Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 897
19.6.3 Der Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 899
19.6.4 Die Vertriebskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 900
19.7 Bestimmung der internationalen Marketingorganisation . . . . . . . . . . . . . 904
19.7.1 Die Exportabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 904
19.7.2 Die internationale Abteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905
19.7.3 Die globale Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 907

16
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Kapitel 20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche


Verantwortung und Ethik im Marketing 911
20.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912
20.2 Nachhaltiges Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 916
20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 918
20.3.1 Der Einfluss des Marketings auf den einzelnen Verbraucher . . . . 918
20.3.2 Der Einfluss des Marketings auf die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 926
20.3.3 Der Einfluss des Marketing auf andere Unternehmen . . . . . . . . . . 928
20.4 Bewegungen zur Förderung von nachhaltigem Marketing . . . . . . . . . . . . 929
20.4.1 Die Verbraucherbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929
20.4.2 Die Umweltbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 931
20.4.3 Die öffentliche Meinung und ihr Einfluss auf
die Marketingpraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 935
20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937
20.5.1 Prinzipien des nachhaltigen Marketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937
20.5.2 Ethik in Wirtschaft und Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 944
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 948
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 949

Glossar 951

Organisationen 977

Register 979

17
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Einführende Fallstudien
Nike – Innovatives Sportmarketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
LEGO – nur ein kleiner Stein im großen Ganzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Billiges Öl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Die Generationen Y und Z und ihr Konsumverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Porsche – Wächter der Tradition und Einführer der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . 242
UPS – ein strategischer Logistikpartner für Geschäftskunden . . . . . . . . . . . . . . . . 296
Asos – Fast Fashion für schnelle Kunden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
Uber – das Killer-Produkt im Markt der Personenbeförderung . . . . . . . . . . . . . . . 385
Google – bahnbrechende neue Produkte am Fließband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
Ryanair – unverschämt günstig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494
Borussia Dortmund – Einsatz für faire Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527
Die Vertriebsinnovation von Netflix – die Zukunft liegt außerhalb
der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560
ALDI – entspannte Zeiten auf dem britischen und dem US-Markt? . . . . . . . . . . . 608
Absolut Vodka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648
Public Relations und Kundenbindung bei Coca-Cola:
von der Ad Impression zur Social Media Expression zum Kauf . . . . . . . . . . . . . . 694
Procter & Gamble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740
Facebook: online, in sozialen Medien und mobil aktiv sein –
und Geld damit verdienen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786
SodaStream – bringt es eine neue Spritzigkeit in die USA? . . . . . . . . . . . . . . . . . 830
IKEA – ein besseres Leben für die große Weltbevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866
Nestlé – immer wieder am Pranger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912

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Marketing-Highlights
McDonald’s – ein Beispiel für erfolgreiche Marketingorientierung. . . . . . . . . . . . 52
The Star Alliance Network – The way the earth connects. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Starbucks – mehr als Kaffee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Zara – Fast Fashion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Retromarketing – Altbewährtes wiederentdeckt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Elektroautos auf dem Vormarsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Eye-Tracking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Auch Experten können irren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Sheba – Valentinstag für Ihre Katze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Social Networking im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
Geschäftsjets – Spielzeug für Manager oder sinnvolle Investition?. . . . . . . . . . . . 302
Industrielles Internet bei General Electric: Warum B2B nicht bieder
hoch zwei bedeutet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
Erfolgreiche Positionierung am Beispiel der TRUMPF-Gruppe und der
SCHOTT AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
Die unterschiedlich positionierten Eigenmarken der REWE Group . . . . . . . . . . . 364
Spezialisierte Dienstleistung im industriellen Maßstab – LSG Sky Chefs . . . . . . 411
Die wertvollsten Marken der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
3M – Spitzenreiter bei Innovationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454
Reckitt Benckiser – Aufbau eines Marken-Kraftwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460
Die Öresund-Brücke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
Target costing am Beispiel von „Swatch“-Uhren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515
Evian – Preissetzung nach Konsumanlässen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537
Wodka – ist ein hoher Preis gleichbedeutend mit Qualität? . . . . . . . . . . . . . . . . . 547
Amazon und P&G – das Konzept der Vertriebspartnerschaft auf einer
neuen Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600
Tchibo – jede Woche eine neue Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626
Großhandel: Herausforderung Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641
BMW – Markenbindung durch integrierte Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 668
Tesco – „Jedes bisschen hilft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679
Red Bull – eine andere Art der integrierten Kampagne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714
Die Markteinführung von Apples iPad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733
Airbus von 1970 bis 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746
HP – Erneuerung einer riesigen Vertriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 753

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Marketing-Highlights

Ein Pionier des Direktvertriebs – Michael Dell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791


Amazon – Pionier im Onlineshopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 799
Bose – Völlig anders und doch erfolgreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 846
Konzentriertes Marketing für Nischenmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 856
Emerging Markets – Unternehmen auf dem Weg nach Osten. . . . . . . . . . . . . . . . 885
Coca-Cola in Afrika – wir haben alles, um es möglich zu machen. . . . . . . . . . . . 901
„HiPP – das Beste aus der Natur, das Beste für die Natur“. . . . . . . . . . . . . . . . . . 939
Der Rasperry Pi – ein besonderer Computer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 941

22
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Exkurse
Erfolgreiches Marketing mit sozialer Orientierung – dm-drogerie markt
und GEA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Das Marketing-Audit als Situationsanalyse des Marketing-Umfelds. . . . . . . . . . . 123
Digitale Disruption. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
Fragebogen der SAS – Scandinavian Airlines System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
ICC/ESOMAR: Internationaler Kodex für die Markt- und Sozialforschung . . . . . 233
Die Sinus-Milieus – Basissegmentierung der Gesellschaft auf der Grundlage
von Wertorientierungen und Lebensstilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
Das Systemangebot als Instrument des B-to-B-Marketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
Die Herkunft macht den Unterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
Deutschland wird weltweit das beste Image zugesprochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
Das Konzept „Produktlebenszyklus“ in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
Auktionen als Transaktionen mit eigener Preissetzung oder Preisanpassung . . . 512
Mengenrabatt? Nein, wer hier mehr möchte, muss auch mehr bezahlen . . . . . . . 535
Das Franchising – ein weitverbreiteter Typ vertikaler Marketingsysteme . . . . . . 574
Bedeutung grüner Produkte in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631
Messung der Werbewirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673
IVW – Pfadfinder durch die Medienlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698
Verkaufen über Kulturgrenzen hinweg: auf der Suche nach allgemeingültigen
Werten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 771
Beispiele erfolgreicher Marktnischenbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 858
Regionale Handelsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877
Stiftung Warentest – ein bewährtes Instrument der Verbraucherschutzpolitik . . 923

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Vorwort
Zur siebten europäischen Auflage
Da es Maßstäbe für den Lehrstoff im Grundstudium im Fach Marketing setzt, ist Grundlagen
des Marketing das zuverlässigste Werk für den Unterricht und die Grundlagenvermittlung
von Marketingkonzepten und -strategien. Die siebte europäische Auflage vermittelt Studien-
anfängern mehr denn je die faszinierende Welt des modernen Marketing in einer innovati-
ven, umfassenden und ebenso lehrreichen wie modernen, praxisorientierten und unterhalt-
samen Art und Weise. In dieser siebten europäischen Auflage haben wir weitere wichtige
Inhalte ergänzt und jede Seite, Tabelle, Darstellung, Faktenlage und Fallbeispiele sorgsam
gestaltet, damit dieses Werk auch künftig die beste Quelle für Lernende und Lehrende im
Fach Marketing bleibt.
Ergänzt durch die Companion Webseite, die unter anderem Videos und Fragestellungen zu den
Themen beinhaltet, bleibt die siebte europäische Auflage von Grundlagen des Marketing das
weltweite Standardwerk für die Grundlagenvermittlung und den Unterricht im Marketing.

Marketing: Kundennutzen und -engagement im digitalen und sozialen Zeitalter


schaffen
Die erfolgreichsten Marketingexperten haben ein gemeinsames Ziel: Sie stellen den Kunden
in den Mittelpunkt ihres Handelns. Das moderne Marketing dreht sich darum, Kundennut-
zen und -engagement in den sich schnell wandelnden, zunehmend digitalen Märkten und
sozialen Medien zu schaffen.
Marketing beginnt damit, die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden zu erkennen, zu entschei-
den, welche Zielgruppen man am besten bedienen kann, um darauf aufbauend ein unwider-
stehliches Nutzenversprechen zu entwickeln, mit dem man die anvisierten Verbraucher gewin-
nen und halten kann. Mehr als nur um den Umsatz geht es modernen Marketingexperten um
die Kundenbindung und den Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen, durch welche die Mar-
ken zu einem wichtigen Teil im Alltag der Kunden werden. Im heutigen digitalen Zeitalter und
mit den bewährten traditionellen Marketingmethoden steht den Marketingverantwortlichen
eine unglaubliche Vielfalt an neuen Instrumenten zum Aufbau von Kundenbeziehungen zur
Verfügung – vom Internet und von Smartphones und Tablets bis hin zu Online-, mobilen und
sozialen Medien –, um Kunden zu jeder Zeit und überall in Gespräche, Erfahrungen und
Gemeinschaften rund um die Marke einzubinden. Machen sie ihre Sache gut, trägt die Arbeit
der Marketingexperten Früchte in Form von Marktanteilen, Gewinnen und Kundenwert. In der
siebten europäischen Auflage von Grundlagen des Marketing lernen Sie, wie Kundennutzen
und Kundenengagement jede gute Marketingstrategie antreibt.

Was ist neu an der siebten europäischen Auflage?


 Mehr als jede andere Entwicklung beeinflussen die weitreichenden neuen Online- und
sozialen Medien, mobile und andere digitale Technologien heute die Art und Weise, wie
Marketingexperten, Markenhersteller und Kunden interagieren. Diese Auflage bietet neue
und überarbeitete Inhalte wie Fallbeispiele über die faszinierenden neuen digitalen Mar-
ketingtechnologien, welche moderne Marketingstrategien und -methoden heute prägen.
Dazu gehören die Bedeutung der Technologien der Online-, mobilen und sozialen Medien,
die in den Kapiteln 1, 5, 13, 14, 15 und 17 erläutert wird, das „Listening in Echtzeit“ und

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Vorwort

die „Big Data“-Marktforschungsinstrumente in Kapitel 4, der Online-Einfluss und die


Marken-Communitys in Kapitel 5 und das location-based Marketing in Kapitel 7; die Nut-
zung sozialer Medien und Social Selling im B2B-Marketing in den Kapiteln 6 und 16
sowie die Verbindung von Verbrauchern, dem Internet, den sozialen Medien, dem mobi-
len Marketing und anderen neuen Kommunikationstechnologien in den Kapiteln 1, 5, 14,
15, 17 sowie im fortlaufenden Text.
 Ein neuer Abschnitt in Kapitel 1 über das digitale Zeitalter (Online-, mobiles und Social-
Media-Marketing) führt in die spannenden neuen Entwicklungen im digitalen und sozia-
len Marketing ein. Das ganz neu überarbeitete Kapitel 17 über direktes, mobiles, Online-
und Social-Media-Marketing bietet eine genaue Analyse von Marketinginstrumenten wie
Webseiten, sozialen Netzwerken, mobiler Werbung und Apps, Online-Videos, E-Mail,
Blogs und anderen digitalen Plattformen, über die Kunden jederzeit und überall über ihre
Computer, Smartphones, Tablets, internetfähige TV- und andere digitale Geräte eingebun-
den werden. Die neue Ausgabe enthält verschiedene Beispiele, wie Unternehmen die digi-
talen Technologien zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen einsetzen.
 Die neue Ausgabe enthält völlig neue sowie überarbeitete Beispiele für den wachsenden
Trend des Marketings durch Kundenengagement – der direkten und dauerhaften Einbin-
dung von Kunden in die Formung von Marken, Gesprächsthemen rund um Marken, Mar-
kenerfahrungen und Marken-Communitys. Die Verbreitung des Internets und der sozialen
Netzwerke hat besser informierte, besser vernetzte und stärkere Verbraucher hervorge-
bracht. Moderne Marketingexperten müssen die Kunden daher einbinden, wollen sie
langfristige und tiefgreifende Kundenbeziehungen aufbauen. Marketingexperten setzen
sowohl die Massenmedien ein als auch einen vielfältigen Mix aus mobilem, Online- und
Social-Media-Marketing, der die Einbindung von Kunden fördert und eine Gemeinschaft
rund um die Marke erzeugt. Die modernen Instrumente zum Kundenengagement umfas-
sen alles von Webseiten, Blogs, persönlichen Events und dem Teilen von Videos über
Online-Communitys und soziale Netzwerke wie Facebook, YouTube, Instagram, Pinterest,
Vine, Twitter bis hin zu den eigenen sozialen Netzwerkseiten der Unternehmen.
 Alles in allem geben die modernen Verbraucher in den beiderseitigen Markenbeziehungen
ebenso viel zurück, wie sie erhalten. Die neue Ausgabe enthält umfassendes neues Mate-
rial zum Thema Kundenengagement und damit verbundene Entwicklungen wie die Stär-
kung von Verbrauchern, das Crowdsourcing, Mitgestaltung durch Kunden, konsumenten-
generiertes Marketing und Echtzeit-Marketing. Ein neuer Abschnitt in Kapitel 1 zum
Thema Kundeneinbindung führt in das Marketing durch Kundenengagement ein. Mit die-
sen und anderen wichtigen Themen zur Kundenbindung befassen sich die Kapitel 1 (neue
oder überarbeitete Abschnitte bezüglich Kundenengagement und der modernen digitalen
und sozialen Medien sowie konsumentengeneriertes Marketing); Kapitel 4 (Big Data und
Echtzeit-Marktforschung für tiefere Einblicke in das Kundenverhalten); Kapitel 5 (Steue-
rung des Online-Einflusses und der Kunden-Communitys durch digitales und Social-
Media-Marketing); Kapitel 13 (Online-, Social-Media- und digitaler Handel); Kapitel 9
(Crowdsourcing und kundenorientierte Produktneuentwicklungen); Kapitel 14 und 15
(das neue Marketingkommunikationsmodell und Content-Marketing) sowie Kapitel 17
(direktes digitales und mobiles Marketing sowie Social-Media-Marketing).
 Auch mit der neuen Ausgabe wird das innovative Konzept des Kundennutzens aus den
vorherigen Versionen weiter ausgebaut. Das Modell des Kundennutzens und des Kunde-
nengagements aus dem ersten Kapitel wird vollständig im fortlaufenden Text des Buchs
aufgegriffen. Kein anderes Marketing-Lehrbuch enthält einen so klaren und überzeugen-
den Ansatz zum Thema Kundennutzen.

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Vorwort

 Die neue Ausgabe enthält überarbeitete und erweiterte Inhalte über neue Entwicklungen im
sich schnell wandelnden Bereich der integrierten Marketingkommunikation. Sie
beschreibt, wie Marketingverantwortliche traditionelle Medien mit den neuen Instrumen-
ten der digitalen Medien und sozialen Netzwerke – wie dem Internet und mobilen Marke-
ting, Blogs, viralen Videos und Social Media – kombinieren, um gezieltere, persönlichere
und aktivere Kundenbeziehungen aufzubauen. Marketingverantwortliche erzeugen nicht
mehr einfach integrierte Kommunikationsmaßnahmen; sie praktizieren Content-Marketing
sowohl bei Paid und Owned als auch bei Earned und Shared Media. Kein anderes Stan-
dardwerk bietet aktuellere oder umfassendere Texte zu diesen spannenden Entwicklungen.
 Neues Material in der Gesamtausgabe unterstreicht die wachsende Bedeutung des nach-
haltigen Marketings. Die Diskussion beginnt in Kapitel 1 und endet in Kapitel 20 und sie
bindet Marketing in die Rahmenstruktur des nachhaltigen Marketings ein. Dazwischen
zeigen Erläuterungen und Beispiele, dass nachhaltiges Marketing soziale und ökologische
Verantwortung erfordert, die sowohl die aktuellen als auch die künftigen Bedürfnisse der
Verbraucher, Unternehmen und Gesellschaft insgesamt berücksichtigt.
 Die neue Ausgabe bietet neue Inhalte zur wachsenden Bedeutung des globalen Marke-
tings. Da die Welt immer kleiner und die Konkurrenz immer größer wird, müssen sich
Marketingverantwortliche immer neuen Herausforderungen im globalen Marketing stel-
len, besonders in den sich schnell entwickelnden Märkten wie China, Indien, Brasilien,
Russland und anderen. In diesem Buch finden Sie aktuelles Material über globales Marke-
ting, beginnend mit Kapitel 1; das Thema wird in Kapitel 19 umfassend beleuchtet.
 Die neue Ausgabe bietet eine weitere Verbesserung des innovativen Lernansatzes. Die
aktive und integrative Aufbereitung des Textes ermöglicht einen verstärkten Lerneffekt
durch die Einleitungen zu Beginn jedes Kapitels sowie eine Zusammenfassung der Lern-
ziele am Ende. Die Einleitungen zu den Kapiteln dienen der Vorschau und Einordnung
des Kapitels in das Schlüsselthema. Die Texte am Ende jedes Kapitels fassen die wichtigs-
ten Kapitelinhalte zusammen und unterstreichen bedeutende Themen wie das digitale
und das Social-Media-Marketing, die Marketingethik und die Marketinganalyse. Durch
diesen innovativen Lernansatz erhalten Studierenden einen leichteren Zugang zum Stoff.
 Die neue Ausgabe enthält 20 neue oder überarbeitete Fallstudien am Anfang jedes Kapi-
tels, anhand derer die Studierenden das Erlernte auf reale Unternehmenssituationen
anwenden können. Schließlich sind die Marketing-Highlights und Exkurse, die in jedem
Kapitel zu finden sind, neu oder wurden überarbeitet, um die Aktualität zu gewährleisten.

Fünf wichtige Themenstellungen für Kundennutzen und Kundenengagement


Die siebte europäische Auflage der Grundlagen des Marketing basiert auf fünf wichtigen The-
menstellungen zum Kundennutzen und Kundenengagement.
1. Die Schaffung von Kundennutzen, um im Gegenzug einen Wert von ihnen zurückzuer-
halten. Moderne Marketingexperten müssen die Schaffung von Kundennutzen, das
Kundenengagement und die Steuerung von Kundenbeziehungen beherrschen. Herausra-
gende Marketingunternehmen kennen den Markt und die Bedürfnisse ihrer Kunden, sie
entwickeln auf Kundennutzen ausgerichtete Marketingstrategien sowie integrierte Mar-
ketingprogramme, um Kunden einzubinden, erzeugen Nutzen und Kundenzufrieden-
heit und bauen in Bezug auf Umsatz, Gewinn und Kundenwert auf eine starke Basis.
Diese innovative Struktur aus Kundennutzen und Kundenengagement wird zu Beginn
des ersten Kapitels anhand eines fünfstufigen Marketing-Ablaufmodells erläutert. Die-
ses zeigt, wie das Marketing Werte für den Kunden generiert und im Gegenzug Werte

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Vorwort

von den Kunden zurückgewinnt. Die Struktur wird in den ersten zwei Kapiteln heraus-
gearbeitet und anschließend in alle folgenden Themen des Buchs eingebunden.
2. Die Einbindung von Kunden und die modernen digitalen Medien und sozialen Netz-
werke. Die modernen digitalen Medien und sozialen Netzwerke haben die Welt des Mar-
ketings im Sturm erobert und die Art und Weise, wie Unternehmen und Marken ihre
Kunden an sich binden und wie Verbraucher sich untereinander vernetzen und ihr Mar-
kenverhalten gegenseitig beeinflussen, massiv verändert. Diese neue Ausgabe erklärt und
ergründet das zeitgemäße Konzept des Marketings durch Kundenengagement und die
faszinierenden neuen digitalen Medien und sozialen Netzwerke, mit denen Marken ihre
Kunden noch enger und interaktiver an sich binden können. Im ersten Kapitel sind zu-
nächst zwei wichtige neue Abschnitte darauf ausgerichtet: „Kundenengagement und die
modernen digitalen Medien und sozialen Netzwerke“ sowie „Das digitale Zeitalter: On-
linemarketing, mobiles Marketing und Social-Media-Marketing“. Das komplett überar-
beitete Kapitel 17 über „Direktmarketing, mobiles Marketing, Online- und Social-Media-
Marketing“ fasst die jüngsten Entwicklungen bei den digitalen Instrumenten für Kunde-
nengagement und Kundenbeziehungen zusammen. Im weiteren Text finden Sie überar-
beitete und erweiterte Beispiele über den explosionsartig ansteigenden Einsatz digitaler
Instrumente, um Kunden einzubinden und Marken-Communitys aufzubauen.
3. Aufbau und Pflege von starken und nutzenbringenden Marken. Gut positionierte Mar-
ken mit einem hohen Markenwert bilden die Grundlage für den Aufbau von Kunden-
nutzen und profitablen Kundenbeziehungen. Erfolgreiche Marketingexperten müssen
ihre Marken richtig positionieren und sie sorgfältig steuern, um wertvolle Markenerfah-
rungen für die Kunden zu generieren. Diese neue Ausgabe beschäftigt sich intensiv mit
Marken, wobei der Abschnitt „Markenmanagement“ in Kapitel 8 das Thema verankert.
4. Messung und Steuerung der Marketingrendite. Besonders in unsicheren wirtschaftli-
chen Zeiten müssen Marketingverantwortliche sicherstellen, dass ihr Budget gut ange-
legt ist. Die Praxis, beliebig in groß angelegte Marketingkampagnen zu investieren, ohne
sich nähere Gedanken über die Rentabilität ihrer Ausgaben zu machen, gehört der Ver-
gangenheit an. Marketing-Performance-Measurement – die monetäre Messung des Mar-
ketingerfolgs – ist heute ein wichtiger Teil der strategischen Marketingentscheidungen.
5. Nachhaltiges Marketing rund um den Globus. Da die Welt durch technologische Ent-
wicklungen immer kleiner wird, müssen Marketingexperten bei der internationalen und
nachhaltigen Vermarktung ihrer Marken geschickt vorgehen. Diese Ausgabe enthält
neues Material, das die Konzepte des globalen Marketings und des nachhaltigen Marke-
tings herausstellt – diese sollen den heutigen Bedürfnissen von Kunden und Unterneh-
men gerecht werden und gleichzeitig die Fähigkeit künftiger Generationen erhalten bzw.
stärken, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Diese neue Ausgabe bindet globales
Marketing und Nachhaltigkeitsthemen in den gesamten Text ein. Zu jedem Thema ent-
halten die Kapitel 19 bzw. 20 jeweils Beispiele.

Lernhilfen im Buch
Dieses Buch unterstützt Dozenten und Studierende mit unterschiedlichen Lernhilfen. Zu
diesen gehören:
Lernziele Jedes Kapitel beginnt mit einer Aufzählung der Lernziele, die als roter Faden für
den Leser dienen. Er weiß dadurch, auf was er im Laufe des Kapitels achten und was er nach
dem Lesen beherrschen sollte.

28
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Vorwort

Fallstudien Jedes Kapitel beginnt mit einer Fallstudie, an deren Ende Fragen mit ansteigen-
dem Schwierigkeitsgrad stehen.
Begriffe und Schlüsselwörter Begriffe und Schlüsselwörter sind im Text besonders hervorge-
hoben.
Abbildungen und Fotografien Abbildungen und Fotografien erleichtern das Verständnis ein-
zelner Passagen und veranschaulichen komplexe Sachverhalte.
Marketing-Highlights Marketing-Highlights enthalten besonders prägnante Informationen
und Beispiele für erfolgreiche Aktionen rund um das Marketing.
Exkurse Exkurse greifen ein Thema des jeweiligen Kapitels heraus und vermitteln dazu
detailliertere Informationen.
Zusammenfassungen Jedes Kapitel wird mit einer Zusammenfassung abgeschlossen, welche
die wesentlichen Punkte und Konzepte noch einmal herausstellt.
Literaturliste Die ausführliche Literaturliste am Ende eines jeden Kapitels verweist auf eine
Reihe weiterer themenverwandter Texte und Internetquellen.
Glossar In einem ausführlichen und umfassenden Glossar werden Schlüsselwörter des Mar-
ketings erläutert.
Register Mehrere nach unterschiedlichen Kriterien eingerichtete Register erleichtern die
Suche nach Unternehmen, Fällen, Lernbegriffen und allen übrigen Informationen.

Vorwort zur siebten deutschen Auflage


Marketing ist eine der spannendsten Aufgaben und Funktionen in Unternehmen. Dies erklärt
die Beliebtheit des Fachs sowohl bei Studierenden als auch bei Praktikern. Vor diesem Hin-
tergrund freut es uns besonders, dass das vorliegende Buch in der Vergangenheit weite Ver-
breitung gefunden hat und zur Popularisierung der Marketingdisziplin beitragen konnte. Die
vorliegende, neue Ausgabe baut hierauf auf: Inhalte wurden verschlankt und aktualisiert mit
dem Ziel, Ihnen eine noch bessere Übersicht und Lesbarkeit zu ermöglichen.
Was macht Marketing so faszinierend? Zunächst ist festzuhalten, dass der Begriff „Marke-
ting“ sowohl die unternehmerische Aufgabe und Aktivität des Marketings umfasst als auch
jenen Funktionsbereich, der meistens als Marketingabteilung bezeichnet wird. Das Span-
nende am Marketing ist, dass es die entscheidende Schnittstelle zwischen Unternehmen und
Kunden bildet und damit unternehmerische Entscheidungen mit dem Erfolg verknüpft. Dies
setzt selbstverständlich voraus, dass der Vertrieb als weiterer wichtiger Brückenkopf zu den
Abnehmern als integraler Bestandteil des Marketings aufgefasst wird, so wie es das vorlie-
gende Buch widerspiegelt. Das vorliegende Werk versteht Marketing als zentrale Antriebs-
kraft für die Unternehmensentwicklung und damit wesentlich verantwortlich für den
zukunftsgerichteten, nachhaltigen Unternehmenserfolg.
Social Media, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz beeinflussen selbstverständlich
auch das Marketing. Sie ermöglichen beispielsweise in der zielgruppenspezifischen und
individuellen Kommunikation mit Konsumenten neue Möglichkeiten. Dies eröffnet dem
Marketing zuvor ungeahnte Chancen in der Interaktion mit den Kunden, es gehen damit aber
auch besondere Herausforderungen einher, z.B. in datenschutzrechtlicher Hinsicht. Diesen
und weiteren Aspekten des modernen Marketings wollen wir mit dem vorliegenden Buch
Rechnung tragen und wir freuen uns auf Ihr konstruktives Feedback.
Marc Falko Schrader

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Über die Autoren

Über die Autoren


Philip Kotler ist Inhaber des S.C. Johnson & Son-Lehrstuhls für Internationales Marketing an
der J.L. Kellogg Graduate School of Management an der Northwestern University. Er gradu-
ierte mit dem Mastertitel an der Universität Chicago und erwarb den Doktorgrad (PhD) am
MIT (Massachusetts Institute of Technology), beide im Fach Wirtschaftswissenschaften. Er ist
Autor des Buchs Marketing Management (Pearson), von dem es inzwischen die fünfzehnte
ins Deutsche übersetzte Auflage gibt und das als Lehrbuch von den Wirtschaftshochschulen
weltweit am häufigsten eingesetzt wird. Er ist Autor Dutzender weiterer Werke und hat mehr
als 100 Artikel in führenden Fachmagazinen veröffentlicht. Er ist der einzige dreifache
Gewinner des renommierten „Alpha Kappa Psi“-Preises für den besten Artikel des Jahres im
Journal of Marketing. Professor Kotler wird als erster Preisträger der folgenden wichtigen
Auszeichnungen genannt: des „Distinguished Marketing Educator of the Year Award“ sowie
des „William L. Wilkie ‚Marketing for a Better World‘ Award“, die beide von der American
Marketing Association verliehen werden; des „Philip Kotler Award for Excellence in Health
Care Marketing“ der Academy for Health Care Services Marketing sowie des „Sheth Founda-
tion Medal for Exceptional Contribution to Marketing Scholarship and Practice“. Seine zahl-
reichen weiteren Auszeichnungen umfassen den „Sales and Marketing Executives Internatio-
nal Marketing Educator of the Year Award“; den „European Association of Marketing
Consultants and Trainers Marketing Excellence Award“; den „Charles Coolidge Parlin Marke-
ting Research Award“ und den „Paul D. Converse Award“, verliehen von der American Mar-
keting Association für die „herausragenden wissenschaftlichen Beiträge für das Marketing“.
Eine Forbes-Studie sieht Professor Kotler unter den zehn einflussreichsten Wirtschaftsden-
kern. Und in einer Umfrage der Financial Times unter 1.000 Managern weltweit erreichte
Professor Kotler den vierten Platz der „einflussreichsten Wirtschaftsautoren/Gurus“ des ein-
undzwanzigsten Jahrhunderts. Dr. Kotler war Vorsitzender des College of Marketing am Insti-
tute of Management Sciences, Direktor der American Marketing Association sowie Kurator
am Marketing Science Institute. Philip Kotler hat zahlreiche führende Unternehmen in den
USA und weltweit in den Bereichen Marketingstrategie und -planung, Marketingorganisation
und internationales Marketing beraten. Seine zahlreichen Reisen und Vorträge führten ihn
durch ganz Europa, Asien und Südamerika, er beriet Unternehmen und Regierungen hin-
sichtlich globaler Marketingmethoden und Chancen.
Gary Armstrong ist Crist W. Blackwell Distinguished Professor Emeritus of Undergraduate
Education an der Kenan-Flagler Business School an der Universität von North Carolina at
Chapel Hill. Er graduierte mit Bachelor- und Masterabschlüssen in Wirtschaft an der Wayne
State University in Detroit und erwarb den Doktortitel (PhD) in Marketing an der Northwes-
tern University. Dr. Armstrong hat zahlreiche Artikel für führende Wirtschaftsmagazine ver-
fasst. Er hat eine große Anzahl Unternehmen in Bezug auf Marktforschung, Vertriebsmanage-
ment und Marketingstrategien beraten. Seine große Leidenschaft jedoch gilt der Lehre. Seine
langjährige Blackwell Distinguished Professur ist der einzige dauerhafte Lehrstuhl im Under-
graduate-Programm der University of North Carolina at Chapel Hill. Ebenfalls war er sehr
aktiv in der Lehre und Verwaltung des Kenan-Flagler’s Undergraduate Programms. Seine
administrativen Posten waren u.a. Chair of Marketing, stellvertretender Direktor des Under-
graduate Business Program, Direktor des Business Honors Program und viele andere. Über
die Jahre arbeitete er eng mit Gruppen von Wirtschaftsstudenten zusammen und erhielt für
seine Lehrtätigkeit zahlreiche Auszeichnungen der UNC-Fakultät sowie der Business School.
Er ist der einzige Preisträger des renommierten „Award for Excellence in Undergraduate Tea-

30
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Über die Autoren

ching“, den er bislang drei Mal verliehen bekam. Außerdem erhielt Professor Armstrong den
„UNC Board of Govenors Award for Excellence in Teaching“, die höchste Auszeichnung des
Verbunds aus 16 Fakultäten der University of North Carolina.
Lloyd C. Harris ist Leiter des Marketingbereichs und Professor für Marketing an der Birming-
ham Business School, University of Birmingham. Nach Positionen in Handels- und Dienstleis-
tungsunternehmen erwarb er seinen Doktortitel (PhD) in Marketing an der Cardiff University
und die höhere Doktorwürde (DSc) an der University of Warwick. Seine Forschungsergebnisse
wurden in über 100 Artikeln in einer Vielzahl von Magazinen für Marketingstrategie, Personal-
management und allgemeines Management veröffentlicht. Besonders stolz ist er auf die Bei-
träge, die im Journal of Retailing, dem Journal of the Academy of Marketing Science, dem Jour-
nal of Management Studies, dem Human Resource Management, den Organization Studies und
den Annals of Tourism Research erschienen sind. Er hat führende private und öffentliche
Unternehmen mit besonderem Fokus auf Handels- und Dienstleistungsunternehmen beraten
und Programme für diese entwickelt.
Nigel Piercy ist ehemaliger Dekan und Professor für Marketing und Strategie an der Warwick
Business School der Universität von Warwick. Davor war er Professor für Strategisches Mar-
keting und Leiter der Marketing Group an der Cranfield School of Management sowie Sir
Julian Hodge Professor für Marketing und Strategie an der Cardiff Business School. Außer-
dem war er Gastprofessor an der Texas Christian University, der Fuqua School of Business an
der Duke University in North Carolina, der Columbia Graduate School of Business in New
York, der University of California in Berkeley sowie der Wirtschaftsuniversität in Wien.
Piercy sammelte umfassende Erfahrung als Redner bei Management-Workshops in der gan-
zen Welt, die sich auf die Themen Marketingstrategie und Umsetzung sowie strategisches
Vertriebsmanagement konzentrierten. Er veröffentliche mehr als 300 Artikel, darunter Bei-
träge im Journal of Marketing und im Journal of the Academy of Marketing Science sowie
mehr als 20 Bücher. Piercy wurde wiederholt für seine Lehrkompetenz ausgezeichnet sowie
für die herausragende Leistung, als erster britischer Gelehrter den höheren Doktorgrad (Doc-
tor of Letters) für seine veröffentliche Forschungsarbeit im Bereich strategisches Marketing
erhalten zu haben. Heute ist er als Berater und Management-Autor mit Gastprofessuren an
verschiedenen Universitäten tätig.

Über die Fachlektoren


Professor Dr. Marc Falko Schrader lehrt Management und Marketing an der Hochschule
Aalen und hat Unternehmen wie Allianz, Bayer, BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen bei
ihrer markt- und kundenstrategischen Ausrichtung beraten. Er hat mit international renom-
mierten Marketingwissenschaftlern zusammengearbeitet, wie Gerry J. Tellis (University of
Southern California, USA) und Michael R. Czinkota (Georgetown University, USA). Seine
Forschungsarbeiten sind in angesehenen Journals veröffentlicht, wie European Journal of
International Management, Marketing News und Marketing Management. Marc Falko Schra-
der hat Vorlesungen und Vorträge u.a. in Brasilien, Mexiko, Polen, USA und auf Zypern
gehalten. Darüber hinaus ist er seit Jahren Gutachter für die Europäische Kommission zur
Beurteilung von Forschungsanträgen, insbesondere im Marie-Skłodowska-Curie-Programm.
Mag. Dr. Patrick Moser promovierte an der Johannes Kepler Universität Linz am Institut für
Strategisches Management. Nach Stationen in Marketing und Verkauf fungiert er aktuell als
Prokurist/kaufmännischer Leiter der Unternehmensgruppe Starzinger, einem international
tätigen FMCG-Produzenten. Daneben unterrichtet er als Hochschullektor Themen wie Strate-
gieentwicklung und Strategisches Management, Strategisches Marketing, Kundenorientie-

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Über die Autoren

rung, Unternehmensprozesse und Operations an der Johannes Kepler Universität Linz, der
Fachhochschule Oberösterreich/Management Campus Steyr, der Privatuniversität Schloss
Seeburg und der Fachhochschule Wiener Neustadt. Mit seiner Strategieagentur für kundenfo-
kussiertes Management berät er Kunden unterschiedlicher Branchen zu Herausforderungen
wie Corporate und Business Development, Strategieentwicklung, Strategisches Marketing,
Geschäftsmodellentwicklung und Ähnliches mehr.

MyLab | Grundlagen des Marketing


Zusammen mit diesem Buch erhalten Sie einen persönlichen Zugangscode zur neu gestalte-
ten E-Learning-Plattform MyLab|Grundlagen des Marketing. Erstmalig mit der vorliegenden
siebten, aktualisierten Auflage finden sich hier viele ergänzende interaktive Lern- und
Übungsmöglichkeiten.
Studierende:
 Studierende erhalten das komplette Lehrbuch in digitaler Form, um es auch online lesen
zu können – immer und überall. Sie können es auf PCs, Macs sowie allen gängigen Tablets
und Smartphones abrufen und zu Ihrem Arbeitsdokument machen. Praktische Werkzeuge
wie Markieren, oder Kommentieren erleichtern es, den eigenen Lernfortschritt im Blick zu
haben.
 Über eine Kapitelübersicht können Sie direkt die Schwerpunkte zu den einzelnen Kapi-
teln aufrufen und sich einen Gesamtüberblick verschaffen. Hier finden sich die Hauptthe-
men bzw. Hauptzielsetzungen, die vermittelt werden sollen. Zu jedem Kapitel finden Sie
ein MCQ-Quiz, mit dem Sie Ihren jeweiligen Wissensstand testen können.
 Exklusive, auf das Lehrbuch abgestimmte Fälle und Videos von führenden Markenunter-
nehmen zeigen Ihnen, wie Marketing im Alltag funktioniert und welche speziellen Her-
ausforderungen dabei anstehen können.
 Zum Lernen und Einüben von Definitionen finden Sie im MyLab mehr als 500 digitale
Lernkarten (Flashcards) und ein übersichtliches Glossar. Beide Funktionen sind auch auf
dem Tablet oder Smartphone nutzbar.
 Weiterführende Links zu Marketingorganisationen, Analyse-Tools und aktuellen Neuig-
keiten unterstützen Sie beim Lernen und Einüben wichtiger Lehrinhalte und ermöglichen
eine optimale und effiziente Prüfungsvorbereitung.

Dozent*innen:
 Die Lösungen zu den praxisorientierten Fallstudien im Buch sind exklusiv für Sie als
Dozent*in erhältlich, sodass Sie diese in Ihre Lehrveranstaltungen integrieren können.
 Zu jedem Kapitel erhalten Sie Anregungen zur Diskussion, die Studierenden in Vorlesun-
gen, Übungen oder Seminaren die Möglichkeit zur Erörterung offener Fragen des Sachge-
biets geben.
 Als Dozent*in steht Ihnen das (englischsprachige) Instructor's Manual der Originalaus-
gabe des Titels zur Verfügung. Darin finden Sie unter anderem kompakte Kapitelübersich-
ten, zusätzliche Fallbeispiele und Fragen zur Diskussion.
Zudem haben Dozent*innen die Möglichkeit, einen eigenen Kurs anzulegen und mit Inhal-
ten aus einem großen Pool von Aktivitäten (Fallbeispiele, Videos, interaktive Aufgaben, Text-
abschnitte aus dem Lehrbuch) zu individualisieren.

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TEIL I
Die strategische Dimension
des Marketing

1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen . . . . . . . . . 35

2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung,


Kundenwert und Kundenbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . 87

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Kundennutzen und
Kundenbindung schaffen

1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1
1.2 Was ist Marketing? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen. . . 41

1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und


Marketingprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen 59

ÜBERBLICK
1.6 Die Erlangung eines Gegenwerts von den Kunden 68
1.7 Das Marketingumfeld im Wandel. . . . . . . . . . . . . . . . . 70

1.8 Der erweiterte Marketingprozess . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

MyLab | Grundlagen des Marketing bietet Ihnen:


ELEARNING

 Das vollständige Lehrbuch in digitaler Form mit zahlreichen Werk-


zeugen und Zugang über viele Endgeräte
 Interaktive Kapiteltests zu den Inhalten des Kapitels
 Digitale Lernkarten und ein umfangreiches Glossar zum Nachschla-
gen und Wiederholen von Definitionen

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... den Begriff des Marketings definieren und die Schritte des Marketingprozesses
skizzieren.
 ... die Bedeutung des Verständnisses von Kunden und Märkten sowie die grundlegen-
den Konzepte des Marketings erklären.
 ... die Schlüsselelemente einer kundenorientierten Marketingstrategie identifizieren
und die möglichen Ausrichtungen des Marketing-Managements diskutieren.
 ... das Kundenbeziehungsmanagement erklären, Strategien zur Schaffung von Kun-
dennutzen identifizieren und erklären, wie man im Gegenzug Nutzen aus den Kun-
den ziehen und stabile Kundenbeziehungen entwickeln kann.
 ... das Konzept des nachhaltigen Marketings und die bedeutenden Entwicklungen
und Einflüsse, die die Marketinglandschaft verändern, beschreiben und die damit
einhergehenden Chancen und Herausforderungen für das Marketing aufzeigen.

1.1 Einführung
Dieses Kapitel führt Sie in die Grundlagen des Marketings ein. Wir beginnen mit der Frage:
Was ist Marketing überhaupt? Einfach ausgedrückt ist Marketing die Einbindung von Kun-
den und die Pflege profitabler Kundenbeziehungen. Marketing soll Werte für den Kunden
schaffen, um im Gegenzug Werte von den Kunden zu generieren. Als Nächstes erörtern wir
die fünf Schritte im Marketingprozess – vom Verständnis der Kundenbedürfnisse über die
Gestaltung kundenorientierter Marketingstrategien und integrierter Marketingprogramme bis
hin zum Aufbau von Kundenbeziehungen und Wertschöpfung für das Unternehmen.
Schließlich beschäftigen wir uns mit den wichtigsten Trends und Kräften, denen das Marke-
ting im modernen Zeitalter der digitalen, mobilen und sozialen Medien unterliegt. Wenn Sie
diese Grundlagen verstehen und deren tatsächliche Bedeutung erfasst haben, verfügen Sie
über ein solides Basiswissen für den weiteren Lehrstoff.
Nehmen wir zunächst Nike, ein großes Unternehmen mit erfolgreicher Marketinggeschichte.
In den letzten Jahrzehnten ist das unverwechselbare Nike-Logo, der „Swoosh“, zu einem der
bekanntesten Markenzeichen der Welt geworden. Nikes besonderer Erfolg beruht aber auf
viel mehr als nur der Produktion und dem Verkauf von Sportausrüstung. Er beruht auf einer
kundenorientierten Marketingstrategie, durch die Nike einen Markenwert schafft und eine
hohe Markentreue unter seinen Kunden erreicht.

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1.1 Einführung

Einführende Fallstudie: Nike – Innovatives Sportmarketing

Abbildung 1.1: Berühmte Sportgrößen übertragen ihren sportlichen Erfolg auf die Marke Nike, hier Cristiano Ronaldo
(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der Nike Deutschland GmbH)

Die Maxime von Nike lautet: „To bring inspiration and innovation to every athlete in the
world! If you have a body you are an athlete!“ Das bedeutet nicht nur, dass Nike von
Anfang an Top-Athleten und Breitensportler gleichzeitig im Fokus seiner Produktent-
wicklungen hatte, die Maxime sagt auch aus, dass der Innovationsprozess und der
damit verbundene intensive Dialog mit Top-Athleten essenziell für den Erfolg von Nike
war und ist.
Der anfängliche Erfolg Nikes war auf die technische Überlegenheit im Bereich Lauf- und
Basketballschuhe zurückzuführen. Doch Nike bietet seinen Kunden mehr als nur gute
Sportkleidung. Auf seiner Website (www.nike.com) drückt es das Unternehmen so aus:
„Nike hat es immer gewusst – es kommt nicht nur auf die Schuhe an, sondern darauf,
wohin sie Dich bringen.“ Neben Sportschuhen, -bekleidung und -geräten vermittelt
Nike Sportbegeisterung und ein gewisses Lebensgefühl mit der zugehörigen „Just do it“-
Einstellung. Dementsprechend bilden echte Leidenschaft für den Sport, harte Arbeit
und sportliche Leistungen die Basis des Unternehmens.

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

In den letzten Jahren stieg Nikes Jahresumsatz kontinuierlich. Betrug dieser im Geschäfts-
jahr 2004/2005 noch 13,7 Milliarden Dollar, so wurde das Geschäftsjahr 2016/2017 mit
34,4 Milliarden Dollar Umsatz abgeschlossen. Dies entspricht einer Zuwachsrate von
mehr als 150 Prozent über den Zeitraum von zwölf Jahren. Nike ist weltweit der größte
Sportbekleidungs- und Sportschuhhersteller. Auf dem hart umkämpften US-Markt beträgt
der Marktanteil 36 Prozent, das Unternehmen ist damit Marktführer. Nike drängte auch in
neue Märkte, angefangen von Baseball und Golf bis zu Inlineskating. Die bekannte
Schwinge der Göttin Nike kann man heute auf einer Vielzahl von Sportartikeln finden:
nicht nur Schuhe und Sweatshirts, sondern auch Sonnenbrillen, Fußbälle und Boxhand-
schuhe tragen das Logo. Im Jahr 1998 jedoch gingen die Umsatzzahlen kurzfristig zurück.
Viele Faktoren hatten zu der Schwäche beigetragen. Die Anbieter von sogenannten „brau-
nen Schuhen“ (leichte Bergstiefel, Wanderschuhe usw.) wie „Hush Puppies“ oder „Tim-
berland“ drangen in das Sportschuhgeschäft ein. Weiterhin herrschte starke Konkurrenz,
insbesondere von der deutschen Marke Adidas, aber auch von Designern wie Tommy
Hilfiger und Ralph Lauren, die in den Bereichen Freizeit- und Sportbekleidung zuneh-
mend an Bedeutung gewannen. Das größte Hindernis für Nike war jedoch der eigene
Erfolg. Nike hatte sich von der Fußbekleidung der Individualisten zum Schuh des ,,Main-
streams“ gewandelt. Das geschwungene Logo (der Swoosh) war dermaßen geläufig und
weit verbreitet, dass es nicht mehr als ,,cool“ galt. Um dem entgegenzusteuern, besann
sich Nike auf seine Wurzeln: Man konzentrierte sich wieder auf Innovationen und führte
neue Marken unter dem Dach Nike ein, wie zum Beispiel die Produktlinie „Michael Jor-
dan“, deren Logo die Silhouette des Basketballers darstellt.
In der Gegenwart liegt der Schwerpunkt auf der Expansion in neue Auslandsmärkte, wel-
che im Geschäftsjahr 2005 etwa 63 Prozent des Umsatzes erbrachten. Die Märkte Russland,
China und Indien zählen dabei zum aussichtsreichsten Zuwachs in der Nike-Familie und
auch der Einstieg in den lukrativen Fußballsektor, dem weltweit populärsten Sport, ist
gelungen: 2005 übernahm Nike im Bereich der Fußballschuhe erstmals die Marktführer-
schaft in Europa. Zu den Fußballvereinen, die bei Nike unter Vertrag stehen, gehören der
FC Barcelona, Juventus Turin und Arsenal London. (Hintergrund: 1994 startete Nike im
Fußball mit einem Umsatz von 40 Millionen Dollar, für das Geschäftsjahr 2006/2007
wurde ein globaler Fußballumsatz von 1,5 Milliarden Dollar erreicht, für das Geschäftsjahr
2017/2018 steht bereits ein Umsatz in Höhe von 2,1 Milliarden Dollar zu Buche, was
einem Wachstum von 8 Prozent gegenüber dem Geschäftsjahr 2016/2017 entspricht.)
Um in Zukunft weiterhin erfolgreich zu sein, muss Nike auf jedem seiner Märkte konse-
quent auf Qualität und Innovationen setzen und sich so die Anerkennung und das Ver-
trauen seiner Kunden erhalten. In diesem Zusammenhang spielen die Aspekte Kun-
densupport und -service eine zunehmend wichtige Rolle.

Fragen
1. Gehen Sie ins Internet und verschaffen Sie sich einen Überblick über die Marken
Nike und Adidas. Wo sehen Sie Stärken oder Schwächen im Marketing von Nike?
2. Mit Blick auf Unterkapitel 1.3: Warum ist gutes Marketing in dieser Industrie so
wichtig?
3. Begutachten Sie den Internetauftritt von Nike im Hinblick auf die unterschiedli-
chen Produktgruppen. Erkennen Sie Indizien einer Zielgruppensegmentierung?

38
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1.1 Einführung

Betrachtet man derzeit sehr erfolgreiche Unternehmen wie eben Nike oder auch Ikea, Ama-
zon und Apple, so lässt sich leicht eine Gemeinsamkeit feststellen: ihre starke Kundenorien-
tierung sowie die konsequente Anwendung moderner Marketingmethoden. Diese Unterneh-
men richten ihren Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden in definierten Zielmärkten und
bemühen sich, diese aufzunehmen und zu befriedigen. Sie motivieren jeden Mitarbeiter im
Unternehmen, auf hoher Kundenzufriedenheit beruhende dauerhafte Beziehungen zu den
Kunden aufzubauen, denn diese Organisationen wissen, dass sich Erfolg in Form von Markt-
anteilen und Gewinn automatisch einstellen wird, wenn sie sich um ihre Kunden kümmern.
Kundenbeziehungen sind heutzutage besonders wichtig. Demnach ist es wichtig, starke Kun-
denbeziehungen auf der Basis von echtem, andauerndem Nutzen aufzubauen.
Dafür ist es unerlässlich, die Zielsegmente und -märkte und deren Zusammenspiel zu verste-
hen. Jeder Mitarbeiter im Unternehmen sollte dazu beitragen, gute Qualität und einen fairen
Gegenwert für den Kunden zu liefern. Im Zentrum aller Marketingaktivitäten stehen die
Schaffung von Kundennutzen und Kundenzufriedenheit.
Mehr als jeder andere Bereich in einem Unternehmen beschäftigt sich Marketing mit Kun-
den, sie sind die zentrale Komponente im Marketingsystem. Jeder von uns ist tagtäglich ein
Kunde, als Studierender an einer Hochschule, in einer Postfiliale, bei der Fahrt im Zug, beim
Kauf eines Kaffees oder beim Download eines Musikstücks. Wir alle wissen deshalb schon
einiges über Marketing – denn es umgibt uns fast überall. Oftmals wird angenommen, dass
nur Großunternehmen in hoch entwickelten Volkswirtschaften Marketingmethoden einset-
zen. Aber Marketing gibt es in vielen Bereichen, auch außerhalb der Wirtschaft im engen
Sinn, in kleinen und großen Organisationen – weltweit.
Marketing wurde zuerst im Bereich der Konsumgüter des täglichen Bedarfs eingesetzt, dann
bei langlebigen Konsumgütern (private Pkw, Waschmaschinen, Unterhaltungselektronik,
Hausbau) und schließlich im Bereich der industriellen Ausrüstung und der Industriegüter,
die in andere Produkte eingehen oder zu deren Herstellung benötigt werden.
Seit vielen Jahren setzen auch Dienstleistungsunternehmen, insbesondere Fluggesellschaf-
ten, Versicherungen und Finanzdienstleister, moderne Marketingmethoden ein. Inzwischen
beschäftigen sich auch Berufsgruppen, für die Marketing lange Zeit ein Tabu war, ernsthaft
mit diesem Thema. Freiberufler wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte und Architekten
haben angefangen, Marketing zu betreiben und ihre Dienstleistungen systematisch zu gestal-
ten und zu bewerben. Im europäischen Ausland, aber inzwischen auch bei uns, treten Hoch-
schulen mit gezielten Marketingmaßnahmen an die Interessenten für einen Studienplatz
heran. Grund dafür sind steigende Kosten bei sinkenden staatlichen Budgets und die Unge-
wissheit über künftige Studentenzahlen. Es ist erkennbar, dass Zielmärkte definiert und die
interne und externe Kommunikation verbessert wurden. Auch die großen Kirchen und der
Vatikan betreiben gezielte Marketingstrategien. Theater oder Fußballclubs versuchen, über
Broschüren oder Fanartikel ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen und auch Wohltätigkeitsorga-
nisationen wie das Rote Kreuz oder das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF,
haben umfangreiche Marketingprogramme, um sich bekannt zu machen. Auch Regierungen
und staatliche Institutionen betreiben aktives Marketing, man denke dabei nur an Kampag-
nen gegen das Rauchen, gegen die Schwarzarbeit oder für die AIDS-Vorbeugung.
Gutes Marketing ist entscheidend für den Erfolg jeder Organisation, egal ob groß oder klein,
ein Unternehmen oder eine Non-Profit-Organisation, auf einen lokalen Markt beschränkt
oder weltweit tätig.

39
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

In diesem Kapitel beschreiben wir die wichtigsten Herausforderungen, die auf das Marketing
und die in diesem Bereich tätigen Personen zukommen. Zunächst widmen wir uns aber den
Grundlagen des Marketings.

1.2 Was ist Marketing?


1.2.1 Definition des Begriffs
Was bedeutet der Begriff Marketing? Viele Menschen denken bei Marketing nur an Verkaufen
und Werbung. Das ist weiter nicht erstaunlich, werden wir doch jeden Tag mit Onlinewer-
bung, Fernsehspots, Werbung in Zeitungen und Zeitschriften und Postwurfsendungen kon-
frontiert. Marketing bedeutet jedoch viel mehr als Werben und Verkaufen. Wir verstehen
Marketing heute als ein Konzept zur Befriedigung von Kundenwünschen.
Marketing hingegen beginnt schon lange, bevor das Unternehmen ein Produkt produziert
hat, es ist sozusagen die Hausaufgabe der Manager: Sie müssen Bedürfnisse identifizieren
und herausfinden, ob sich daraus eine profitable Produktidee generieren lässt. Marketing
dauert also während des gesamten Produktlebenszyklus an, es versucht neue Kunden ausfin-
dig zu machen und aktuelle Kunden durch das Verbessern von Produkten zu halten.
Verkauf bildet also eigentlich nur die Spitze eines Eisbergs, der sich Marketing nennt. Er ist
eine von mehreren Funktionen des Marketings und häufig nicht einmal die wichtigste. Wenn
die Marketingfachleute eines Unternehmens ihre Aufgaben gut lösen, indem sie die Bedürf-
nisse der möglichen Käufer genau identifizieren, darauf aufbauend gute Produkte zu konkur-
renzfähigen Preisen entwickeln, originelle Werbung betreiben und einen leistungsfähigen
Vertrieb aufbauen, wird das Verkaufen wie von allein funktionieren
Gutes Marketing schafft Produkte, die dem Unternehmen buchstäblich aus den Händen
gerissen werden. Bei Sony war es der erste Walkman, bei Body Shop Kosmetik ohne Tierver-
suche, bei Apple das iPhone, bei Nintendo die Videospielkonsole Wii. Diese Hersteller haben
ein Gespür dafür, welche Produkte wirklich „in“ sind und dem Käufer einen hohen Nutzen
stiften. Dies sind keine Produkte, die man haben will, weil die Nachbarin sie auch hat, es
sind Neuerungen, die man einfach haben muss! Peter Drucker, ein führender Management-
Vordenker, drückte sein Verständnis von Marketing einmal so aus: „Das eigentliche Ziel des
Marketings ist es, das Verkaufen überflüssig zu machen. Das Ziel lautet, den Kunden und
seine Bedürfnisse derart gut zu verstehen, dass das daraus entwickelte Produkt genau passt
und sich daher von selbst verkauft.“ Hieraus ist nicht zu schließen, dass Werbung und Ver-
kauf unwichtig wären, jedoch, dass sie nur als Teil eines breiter zu verstehenden Marketing-
Mix anzusehen sind. Unter Marketing-Mix ist hier eine Gesamtheit von Marketingmaßnah-
men zu verstehen, die miteinander wirken sollen, um Zielsegment und -märkte für ein Ange-
bot zu begeistern.
Im weiteren Sinn ist Marketing ein sozialer und unternehmerischer Prozess, bei dem Indivi-
duen und Organisationen etwas für sie Werthaltiges schaffen bzw. miteinander tauschen, in
einem engeren unternehmerischen Begriffsverständnis heißt Marketing, eine profitable und
für beide Seiten wertsteigernde Kundenbeziehung auf- und auszubauen.

40
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen

1.2.2 Der Marketingprozess


In Abbildung 1.2 wird ein fünfstufiges Modell des Marketingprozesses ersichtlich. Während
der ersten vier Schritte arbeitet ein Unternehmen daran, die Bedürfnisse und Wünsche der
Kunden zu verstehen, einen Nutzen für sie zu schaffen und stabile Beziehungen zu ihnen
aufzubauen. Im letzten Schritt erlangen Unternehmen den Lohn für ihre Bemühungen, dieser
besteht in Umsatzerlösen, Gewinn und langfristigem Kundenwert.
In diesem und im nächsten Kapitel erläutern wir die einzelnen Schritte dieses fünfstufigen
Modells. In diesem Kapitel wird zunächst jeder Schritt angesprochen, jedoch liegt der Fokus
im Bereich der Kundenbeziehung – es geht darum, den Kunden zu verstehen, Kundenbezie-
hungen aufzubauen und einen Gegenwert von den Kunden zu erlangen. Im Kapitel 2 beschäfti-
gen wir uns mit den Schritten zwei und drei, also mit der Koordination und Integration des
Marketings durch die Entwicklung von Marketingstrategien und Marketingprogrammen.

Verstehen von Entwerfen einer Entwicklung eines Der Aufbau von Die Erlangung
Märkten und kundenorientierten integrierten profitablen eines Gegenwerts
Kundenwünschen Marketingstrategie Marketingprogramms Kundenbeziehungen von den Kunden

Wert für den Kunden schaffen und Kundenbeziehungen aufbauen Gegenwert vom
Kunden erlangen

Abbildung 1.2: Ein einfaches Modell des Marketingprozesses

1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen


Als ersten Schritt müssen Marketer die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden und die
Märkte, in denen sie agieren, verstehen. Wir untersuchen fünf Bausteine des Marketingkon-
zepts: (1) Bedürfnisse, Wünsche und Nachfrage, (2) Angebote (Produkte, Dienstleistungen,
Erlebnisse), (3) Kundennutzen und -zufriedenheit, (4) Austausch, Transaktion und Beziehun-
gen und (5) Märkte. Abbildung 1.3 zeigt, wie diese Bausteine des Marketingkonzepts mitein-
ander verknüpft sind und wie sie logisch aufeinander aufbauen.

Bedürfnisse, Wünsche
und Nachfrage

Angebote
(Produkte,
Bausteine des Marketing- Dienstleistungen und
Märkte
konzeptes Erlebnisse)

Austausch, Transaktion Kundennutzen und


und Beziehungen -zufriedenheit

Abbildung 1.3: Bausteine des Marketingkonzepts

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Bevor wir uns mit den einzelnen Bausteinen dieses Konzepts näher beschäftigen, verschaffen
wir uns einen Überblick über die zentralen Anspruchsgruppen und die Ziele eines Marke-
tingsystems.

1.3.1 Bedürfnisse, Wünsche und Nachfrage


Das grundlegende Konzept, auf dem Marketing basiert, ist jenes der menschlichen Bedürf-
nisse. Ein menschliches Bedürfnis ist ein Zustand, in dem ein Mangel empfunden wird.
Menschen haben viele einzelne Bedürfnisse. Dazu gehören einfache physische Grundbedürf-
nisse wie zum Beispiel Essen, Bekleidung, Wärme und relative Sicherheit. Auch soziale
Bedürfnisse wie ein Zugehörigkeitsgefühl und Zuneigung sind sehr wichtig, und schließlich
gibt es noch individuelle Bedürfnisse wie Lernen, Wissenserwerb und Selbstverwirklichung.
Diese Bedürfnisse sind nicht von Marketern erfunden worden, mit ihnen ist jeder Mensch
von der Natur ausgestattet worden. Wenn ein Bedürfnis nicht befriedigt ist, stehen uns zwei
Möglichkeiten offen:
1. Man kann nach einer Möglichkeit suchen, sein Bedürfnis zu befriedigen.
2. Man kann sein Bedürfnis zurückstellen.
In Industriestaaten neigt man dazu, eine Lösung zu suchen, die ein Bedürfnis befriedigt. In
weniger entwickelten Ländern sind die Menschen vermutlich eher gezwungen, Abstriche zu
machen und ihre Bedürfnisse mit dem zu befriedigen, was verfügbar ist.
Wünsche sind die Form der menschlichen Bedürfnisse, die sich aus der vorherrschenden Kul-
tur, der Erziehung usw. ergeben. Alle Menschen benötigen Nahrung, jedoch möchte jeder
andere Gerichte essen, um den Hunger zu stillen. Wenn jemand in Bahrain Hunger als Bedürf-
nis hat, wird er sich vielleicht ein Hähnchencurry wünschen, in Hongkong eine Schale Glasnu-
deln und scharf gebratenes Schweinefleisch und in München einen Leberkäse mit den passen-
den Beilagen und ein Bier dazu. Die geäußerten Wünsche beschreiben diejenigen Objekte, die
geeignet sind, die Bedürfnisse zu befriedigen. Mit der Entwicklung einer Gesellschaft nehmen
die Wünsche ihrer Mitglieder zu. Immer mehr Güter und Dienstleistungen erregen ihr Interesse
und immer mehr Anbieter stehen bereit, diese Wünsche zu befriedigen.
Die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen (im engen Sinn absoluter Notwendigkeiten) las-
sen sich eng eingrenzen auf Nahrung, Schutz vor der Witterung usw., ihre Wünsche können
jedoch nahezu unbegrenzt sein. Aus diesem Grunde wählen Individuen diejenigen Produkte
und Dienstleistungen aus, die ihnen die höchste Befriedigung für den ihnen zur Verfügung
stehenden Geldbetrag verschaffen können. Existiert neben den Wünschen auch entspre-
chende Kaufkraft, werden die Wünsche konkret zur Nachfrage.
Die Verbraucher sehen Produkte als Bündel von Nutzen stiftenden Eigenschaften an und
wählen solche aus, die ihnen die bestmögliche Nutzenkombination verschaffen. Ein Klein-
wagen wie ein Dacia bringt den Nutzen einer zweckmäßigen Transportmöglichkeit auf Basis-
niveau mit sich, ist dabei relativ preisgünstig und sparsam im Verbrauch. Ein Fahrzeug der
Oberklasse (z.B. ein BMW 7er) erfüllt die Transportfunktion, bietet aber dazu noch Bequem-
lichkeit, mehr Raum, Schnelligkeit und nicht zuletzt Status und Ansehen.
Erfolgreiche, marketingorientierte Unternehmen investieren sehr viel Geld in die Marktfor-
schung und verschaffen sich so ein genaues Bild über die Bedürfnisse und Wünsche ihrer
Kunden. Sie analysieren ihre Beschwerden und Anfragen, beobachten sie bei der Verwen-
dung der eigenen und der Konkurrenzprodukte und trainieren ihre Verkaufsmitarbeiter in
ihrer Sensibilität für ihre Anliegen. Denn ein detailliertes Verständnis der Konsumentenbe-

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen

dürfnisse und -wünsche stellt die Voraussetzung für die Erarbeitung erfolgreicher Marke-
tingstrategien dar.

1.3.2 Angebote – Produkte, Dienstleistungen und Erlebnisse


Wir alle befriedigen unsere Bedürfnisse und Wünsche mit Angeboten – einer Kombination
aus Produkten, Dienstleistungen, Informationen oder Erlebnissen. Unternehmen reagieren
auf die Bedürfnisse der Konsumenten, indem sie ein Nutzenversprechen abgeben, das diese
befriedigen soll. Das Nutzenversprechen wiederum wird durch die Angebote erfüllt. Bei dem
Begriff Angebot kommen einem zunächst reale Objekte in den Sinn wie ein Auto, ein Fern-
sehgerät oder eine Shampoo-Flasche. Das theoretische Konzept des Angebots ist jedoch nicht
auf physische Produkte beschränkt – Angebote können eine Kombination aus Sachgütern,
Dienstleistungen, Informationen oder Erlebnissen sein. Alles, was geeignet ist, ein Bedürfnis
zu befriedigen, kann als Angebot bezeichnet werden. Im Marketing werden häufig die
Begriffe Güter und Dienstleistungen verwendet, um eine Abgrenzung zwischen materiellen
und immateriellen Leistungen zu ziehen. Man könnte diese Aufteilung noch erweitern, denn
manchmal erhalten die Käufer oder Konsumenten auch Nutzen aus ganz anderen Quellen
wie zum Beispiel Personen, Orten, Organisationen oder Ideen. Die Konsumenten entschei-
den darüber, von welchen Persönlichkeiten sie sich im Fernsehen unterhalten lassen, welche
Orte oder Regionen sie im Urlaub ansteuern, welche Organisationen sie mit Spenden unter-
stützen und für welche politische Partei sie stimmen wollen. Daher deckt der Angebotsbe-
griff des Marketings Dienstleistungen und materielle Güter ebenso ab wie eine ganze Reihe
anderer Möglichkeiten, die geeignet sind, die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden im wei-
testen Sinne zu befriedigen.
Neben den bislang beschriebenen Dimensionen einer Unternehmensleistung stellt das Erleb-
nis eine zusätzliche Komponente eines modernen Leistungsspektrums dar. Marketer ver-
markten heutzutage mehr als nur die physischen Attribute eines Produkts. So soll Bacardi-
Rum für den Konsumenten mehr sein als nur ein alkoholisches Getränk, es geht um die Ver-
mittlung von Lifestyle, Urlaub, Sonne, Palmen und Flirten. Tchibo wirbt mit seiner Shop-
Erlebniswelt, in der der Kunde sich während des Einkaufens bei einer Tasse Kaffee entspan-
nen soll. Auch der Besuch eines Beyoncé-Konzerts stellt ein Erlebnis dar, das es zu vermark-
ten gilt.
Die Bedeutung der realen Güter liegt weniger darin, sie zu besitzen, sondern in dem Nutzen,
den sie stiften. Wir kaufen Nahrungsmittel nicht, um sie anzuschauen, sondern weil sie den
Hunger stillen und so ein menschliches Bedürfnis befriedigen. Gute Marketer etablieren des-
halb Marken und ein Markenerlebnis für den Kunden, das weit über die rein physischen
Eigenschaften eines Produkts hinausgeht. So bedeutet es beispielsweise viel mehr, als nur
eine Limonade zu konsumieren, wenn man Bionade trinkt – man liegt voll im Trend von
Wellness und Fitness und tut etwas für die Umwelt. Viele Anbieter machen im Marketing
allerdings immer noch den Fehler, auf das materielle Produkt mehr Aufmerksamkeit zu ver-
wenden als auf den Nutzen, den dieses Produkt stiftet.
Ein Hersteller von Bohrern für Bohrmaschinen mag der Ansicht sein, der Kunde brauche
einen Bohrer. Was der Kunde jedoch wirklich haben will, ist ein Loch in der Wand.
Wenn Produzenten sich nur als Anbieter eines Produkts sehen und ihre Rolle als Problemlö-
ser bei ihren Kunden nicht verstehen, kann man das als „Kurzsichtigkeit im Marketing“
bezeichnen. Diese Anbieter sind so auf ihr Produkt fixiert, dass sie nur die existierende
Nachfrage sehen und die tatsächlichen Bedürfnisse des Käufers aus den Augen verlieren. Sie

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

übersehen und vergessen, dass ein materielles Produkt nur ein Instrument ist, um eine Auf-
gabe beim Käufer zu lösen. Solche Unternehmen geraten in Schwierigkeiten, wenn neue Pro-
dukte auftauchen, die die Bedürfnisse beim Kunden besser oder kostengünstiger erfüllen.

1.3.3 Kundennutzen und Zufriedenheit


Kaufinteressenten sehen sich in der Regel einer breiten Auswahl an Produkten gegenüber,
die ihre Bedürfnisse befriedigen können. Auf welche Art und Weise treffen sie ihre Auswahl?
Konsumenten bilden Erwartungen bezüglich des Nutzens und der Zufriedenheit, die ver-
schiedene Angebote liefern, und kaufen demzufolge. Zufriedene Kunden kaufen wieder und
erzählen anderen von ihren positiven Erfahrungen. Unzufriedene Kunden hingegen wech-
seln zum Wettbewerber und äußern sich gegenüber anderen negativ über das Produkt oder
die Dienstleistung.
Hierbei muss angemerkt werden, dass die Beurteilung eines Produkts bzw. einer Produktal-
ternative und somit der davon ausgehende Kundennutzen häufig subjektiv sind. Damit ist
auch die Bedürfnisbefriedigung abhängig von der wahrgenommenen Leistung des Produkts
in Relation zu den Erwartungen des Kunden. Ist die wahrgenommene Leistung des Produkts
geringer als die Erwartungen, so ist der Kunde unzufrieden. Entsprechend ist er zufrieden,
wenn die Leistung mit seinen Erwartungen übereinstimmt, und begeistert, wenn sie diese
übertrifft. Marketer müssen deshalb sehr vorsichtig sein, wenn es um die Höhe der Erwar-
tungshaltung geht, die sie mit ihrem Angebot aufbauen. Werden die Erwartungen zu niedrig
gesetzt, werden zwar die Käufer befriedigt, jedoch nicht genügend von ihnen angelockt. Sind
die Erwartungen zu hoch, werden die Konsumenten enttäuscht. Zufriedene Kunden tätigen
Wiederholungskäufe und erzählen anderen von ihren positiven Erfahrungen mit dem Pro-
dukt. Das Erfolgsrezept liegt also darin, die Kundenerwartungen mit der Unternehmensleis-
tung optimal abzugleichen.
Kundennutzen und Kundenzufriedenheit sind die entscheidenden Bausteine zur Entwick-
lung und zum Management von Kundenbeziehungen. Das Leitkonzept ist der Kundennutzen
(Customer Value). Dieser bildet die Differenz zwischen dem Nutzen, den Kunden durch den
Besitz und den Gebrauch eines Produkts gewinnen, und den Kosten für dessen Erlangung.

1.3.4 Austausch, Transaktionen und Beziehungen


Marketing beginnt, wenn Menschen sich entscheiden, Bedürfnisse und Wünsche durch Aus-
tausch zu befriedigen. Während eines Austauschs erwirbt man ein gewünschtes Objekt von
jemandem, dem man dafür etwas anderes gibt. Austausch ist nur eine von vielen Möglichkei-
ten, mit denen man gewünschte Produkte oder Leistungen erwerben kann. Zum Beispiel
könnte man, um sich zu ernähren, seine Nahrung durch Jagen, Fischen oder Sammeln von
Feldfrüchten erwerben. Man könnte auch um Essen betteln oder es von jemand anderem
bekommen. Schließlich kann man auch Geld, eine andere Ware oder einen Dienst im Aus-
tausch für Nahrung anbieten.
Der Austausch hat als Mittel zur Befriedigung von Bedürfnissen einiges für sich. Die Men-
schen sind nicht von der Großzügigkeit anderer abhängig. Sie müssen auch nicht die not-
wendigen Fähigkeiten haben, um alles für sich selbst produzieren zu können. Sie können
sich darauf konzentrieren, Dinge zu erstellen, die ihnen leichtfallen, um sie dann gegen sol-
che, die andere herstellen können, einzutauschen. Ist eine Gesellschaft als Tauschwirtschaft
organisiert, wird sie insgesamt mehr erstellen können als ein anderes System.

44
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1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen

Austausch ist eine der zentralen Vorbedingungen für die Anwendung von Marketingmaßnah-
men. Damit Austausch stattfinden kann, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein. Zunächst
müssen mindestens zwei Partner beteiligt sein und jeder der beiden sollte etwas von Wert
anzubieten haben. Jede der beiden Parteien muss auch willig sein, in den Handel mit der
anderen Partei einzutreten, und jede muss die Freiheit haben, das Angebot der anderen Seite
zu akzeptieren oder nicht darauf einzugehen. Beide Parteien sollten in der Lage sein, sich
mitzuteilen und das Austauschobjekt zu liefern und zu übergeben. Diese Vorbedingungen
machen den Austausch erst möglich. Ob dieser dann wirklich stattfindet, hängt davon ab, ob
es zu einer Vereinbarung kommt. Eine solche wird getroffen, wenn die Partner davon ausge-
hen, dass beide Vorteile aus der Transaktion ziehen, zumindest jedoch dadurch nicht
schlechter gestellt werden. Wie wir schon erwähnten, sind beide Parteien frei, das Angebot
zu akzeptieren oder zurückzuweisen. Unter diesen Voraussetzungen schafft Austausch einen
Wertzuwachs, ebenso wie Produktion einen Wertzuwachs schafft. Austausch gibt den Men-
schen mehr Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten.
Während der Austausch das dem Marketing zugrunde liegende Konzept ist, stellt eine Transak-
tion die Maßeinheit des Marketings dar. Im Rahmen einer Transaktion tauschen zwei Parteien
Werte aus. Eine Partei gibt einer anderen Partei den Wert X und erhält dafür den Wert Y
zurück. Sie bezahlen zum Beispiel einem Händler 800 Euro für ein LCD-Fernsehgerät oder Sie
bezahlen 100 Euro für ein Hotelzimmer. Dies sind klassische Transaktionen unter Einschluss
von Geld, aber nicht alle Transaktionen sind zwangsläufig an Geld gebunden. Bei einem
Tauschgeschäft können Sie zum Beispiel Ihren Kühlschrank gegen den gebrauchten Fernseher
Ihres Nachbarn eintauschen. Eine Tauschtransaktion kann Dienste oder Güter einschließen.
Ein Anwalt könnte zum Beispiel ein Testament erstellen und dafür von einem Arzt eine gründ-
liche Untersuchung erhalten. Eine Transaktion beinhaltet also mindestens zwei Produkte oder
Leistungen, die einen Wert haben, Konditionen, auf die sich die beiden Parteien geeinigt
haben, einen Zeitpunkt für die Transaktion und die Festlegung eines Orts für dieselbe.
Allgemein lässt sich sagen: Ein Markt wird immer irgendeine Antwort auf nahezu jedes
Angebot geben. Diese Antwort wird manchmal mehr als ein Kauf oder eine einfache Hand-
lung sein. Ein politischer Kandidat zum Beispiel wirbt um Stimmen. Eine gesellschaftliche
Gruppierung, die Marketing betreibt, möchte Akzeptanz für ihre Ideen erlangen.
Marketing besteht also aus Handlungen, die ausgeführt werden, um wünschenswerte Aus-
tauschbeziehungen mit den anvisierten Zielgruppen aufzubauen und aufrechtzuerhalten.
Transaktionsmarketing ist ein Teil des übergeordneten Beziehungsmarketings. Über das
bloße Anlocken neuer Kunden und das Abarbeiten kurzfristiger Transaktionen hinaus
besteht dessen Ziel darin, Kunden durch die Schaffung eines überdurchschnittlichen Kun-
dennutzens langfristig zufriedenzustellen und zu binden.
Um solch langfristige Kundenbeziehungen zu ermöglichen, müssen Marketer auch daran
arbeiten, langfristige Beziehungen mit Großhändlern, Einzelhändlern und Lieferanten aufzu-
bauen und zu pflegen. Ziel dieses Bereichs des Beziehungsmarketings ist der Aufbau eines
unternehmensspezifischen Netzwerks, welches die relevanten Anspruchsgruppen (Stakehol-
der) umfasst. Der Grund hierfür ist, dass der Wettbewerb sich heute nicht mehr nur zwischen
Unternehmen abspielt, sondern zwischen ganzen Netzwerken, wobei das Unternehmen mit
dem besten Netzwerk die größten Erfolgschancen hat. Durch Netzwerke werden starke wirt-
schaftliche und soziale Bindungen geschaffen, indem sich die einzelnen Mitglieder verspre-
chen, konsequent Produkte mit hoher Qualität, gutem Service und fairen Preisen zu liefern.
Zunehmend geht man dazu über, nicht mehr den Gewinn einer einzelnen Transaktion zu
maximieren, sondern gegenseitig vorteilhafte langfristige Beziehungen mit Kunden und

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

anderen Gruppen zu pflegen. Ein Leitsatz des Marketings lautet deshalb: Baue zunächst gute
Beziehungen auf – gewinnbringende Transaktionen ergeben sich dann von allein. Mit dem
wichtigen Thema Kundenbeziehungen werden wir uns auch noch später in diesem Kapitel
befassen.

1.3.5 Märkte und das Marketingsystem


Der Grundgedanke der Transaktionen führt uns zum Konzept des Markts. Ein Markt besteht
aus allen potenziellen und tatsächlichen Kunden mit einem bestimmten Bedürfnis oder
Wunsch, die willens und fähig sind, diesen durch einen Austauschprozess zu befriedigen. So
hängt die Größe eines Markts von der Anzahl der Personen ab, die dieses Bedürfnis besitzen
und die Mittel und den Willen haben, um an dem Austausch teilzunehmen.
Ursprünglich bezeichnete der Begriff Markt den Platz, auf dem sich Menschen trafen, um
Güter zu tauschen, wie zum Beispiel der zentrale Marktplatz im Dorf oder in einer kleinen
Stadt. In der heutigen Sprache der Ökonomen bezeichnet der Markt eine Gesamtheit von
Anbietern und Nachfragern, die für eine bestimmte Produktklasse Transaktionen vornehmen
wollen, wie zum Beispiel der Immobilienmarkt, der Rohölmarkt, der Tourismusmarkt oder
der Automobilmarkt. Aus Sicht des Marketings hat der Begriff Markt jedoch einen etwas
anderen Inhalt: Die Anbieter der jeweiligen Güter oder Dienstleistungen bilden eine Branche
(oder eine Industrie) und die Kaufinteressenten und Käufer stellen für sie den Markt dar.
Zwischen den Anbietern und dem Markt bestehen vier Verbindungslinien: Die Anbieter sen-
den Informationen bezüglich ihres Angebots und die produzierten Güter oder Dienstleistun-
gen zum Markt, im Gegenzug erhalten sie Informationen und Zahlungsmittel (Geld usw.)
vom Markt. Der innere Kreislauf besteht aus dem Tausch von Produkten gegen Geld, der
äußere Kreislauf stellt den Informationsaustausch dar.

Kommunikation der Anbieter zum Markt hin

Produkte und Dienstleistungen


Eine Branche als Gesamtheit Der Absatzmarkt als die
von Anbietern eines Produkts Gesamtheit aller Käufer
oder einer Dienstleistung Geld und sonstige Zahlungsströme und Kaufinteressenten

Information
Abbildung 1.4: Modell eines einfachen Marketingsystems

Da die Anzahl von Personen und Transaktionen innerhalb einer Gesellschaft ständig
zunimmt, wird auch die Anzahl der Märkte zunehmen. In fortgeschrittenen Gesellschaften
müssen Märkte nicht zwangsläufig physische Plätze sein, wo Käufer und Verkäufer sich tref-
fen. Mit den modernen Kommunikationstechniken und dem zugehörigen Transportwesen
kann ein Händler leicht ein Produkt zum Beispiel im Fernseh-Abendprogramm anbieten, die
Bestellungen von Tausenden von Kunden online oder über Smartphone, Telefon, Fax, Post
entgegennehmen und dann am folgenden Tag die Produkte über ein Distributionsunterneh-
men ausliefern lassen, ohne je die Waren in der Hand gehabt oder den Kunden zu Gesicht
bekommen zu haben.
Ein Markt kann für ein Produkt, eine Dienstleistung oder jede andere Sache von Wert entste-
hen. Zum Beispiel besteht ein Arbeitsmarkt aus der Gesamtzahl der Menschen, die ihre
Arbeit im Austausch für Gehälter oder Produkte anbieten. Dazu werden sich einige Instituti-
onen wie zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit oder private Arbeitsvermittler um einen

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1.3 Verstehen von Märkten und Kundenwünschen

Markt herum positionieren und eingreifen, um ihn damit noch besser funktionieren zu las-
sen. Ein sehr wichtiger Markt, der entstanden ist, um die Bedürfnisse der Menschen zu
befriedigen, ist der Geldmarkt. Auf ihm kann man sich Geld beschaffen oder mit unter-
schiedlichen Laufzeiten, Risiken und Renditen anlegen.
Marketing bedeutet das Managen von Märkten, um durch die Schaffung von Kundennutzen
und die Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen gewinnbringende Kundenbeziehun-
gen herbeizuführen. Die Anbieter müssen hierfür:
 Käufer suchen,
 deren Bedürfnisse erkennen,
 zweckmäßige Produkte entwickeln,
 für die Produkte werben,
 Preise für die Produkte festlegen,
 die Produkte lagern und ausliefern.
Aktuelle digitale Technologien, von Webseiten und sozialen Netzwerken im Internet bis hin
zu Smartphones, haben Verbraucher gestärkt und Marketing zu einer wirklich interaktiven
Beziehung gemacht. Zusätzlich zum Kundenbeziehungsmanagement müssen heutige Marke-
ter auch effektiv mit Beziehungen umgehen, die von Kunden gesteuert werden. Marketing-
verantwortliche fragen nicht mehr nur „Wie können wir unsere Kunden erreichen?“, sondern
auch „Wie können unsere Kunden uns erreichen?“ und sogar „Wie können unsere Kunden
sich untereinander erreichen?“
Abbildung 1.5 zeigt die wesentlichen Akteure in einem modernen Marketingsystem. In einem
solchen System geht es vor allem darum, die Produkte im Vergleich zu den Wettbewerbern
dem Endkunden möglichst effizient zur Verfügung zu stellen. Dies kann auf direktem Wege
oder über Absatzmittler (Großhandel, Einzelhandel etc.) geschehen. Dabei ist ausschlaggebend,
dass jedes Mitglied des Systems einen Wert für die folgende Absatzstufe schafft, denn der
Erfolg eines Unternehmens hängt auch davon ab, wie gut die Wertschöpfungskette die Bedürf-
nisse des Endkunden befriedigt. So kann der schwedische Möbelhersteller Ikea sein Verspre-
chen niedriger Preise nur erfüllen, wenn alle Glieder der Wertschöpfungskette, insbesondere
die Lieferanten, ihre Leistungen entsprechend dieser Prämisse zur Verfügung stellen. BMW
oder Mercedes können keine qualitativ hochwertigen Fahrzeuge anbieten, wenn ihre Händler
keine ausgezeichnete Leistung in Verkauf und Service erbringen.

Eigenes
Unternehmen

Lieferanten Marketing-
Kunde
mittler

Wettbewerber

Umwelt
Abbildung 1.5: Akteure in einem modernen Marketingsystem

Märkte lassen sich auch entsprechend der auf ihnen herrschenden Machtverhältnisse cha-
rakterisieren. Bei einem Markt, auf dem die Verkäufer eine bessere Position haben als die
Käufer, handelt es sich um einen Verkäufermarkt. Hier müssen die Käufer aktives Marketing
betreiben. Als Käufermarkt bezeichnen wir einen Markt, auf dem die Käufer mehr Macht

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

haben und die Verkäufer aktives Marketing betreiben müssen. In den vergangenen Jahrzehn-
ten wuchs das Angebot an Gütern schneller als die Nachfrage nach ihnen. Heute sind die
meisten Märkte deshalb Käufermärkte. Marketing wird daher zumeist damit gleichgesetzt,
dass Verkäufer nach Käufern suchen. Dieses Buch schließt sich dieser Tendenz an und
beschreibt hauptsächlich Tatbestände, die Verkäufer auf Käufermärkten beim Marketing
beachten sollten.

1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und


Marketingprogramm
Hat man ein grundlegendes Verständnis für Konsumenten und Märkte erlangt, kann im Rah-
men des Marketing-Managements eine kundenorientierte Marketingstrategie entworfen wer-
den. Als Marketing-Management bezeichnen wir die Kunst und die Wissenschaft der Aus-
wahl von Zielmärkten und den Aufbau profitabler Beziehungen mit diesen. Dies beinhaltet
die Analyse, Planung, Einführung und Durchführung sowie die Überwachung von Program-
men, die dazu entworfen wurden, gegenseitig vorteilhafte Austauschbeziehungen mit Ziel-
gruppen zu schaffen, auszubauen und zu pflegen, mit dem übergeordneten Zweck, die Ziel-
vorgaben der betreffenden Organisation zu erfüllen.
Für die Entwicklung einer erfolgreichen Marketingstrategie gilt es, zwei grundlegende Fragen
zu beantworten:
 Was ist unser Zielmarkt und welche Kunden wollen wir bedienen?
 Worin liegt unser Nutzenversprechen für die Kunden?
Wir werden uns zunächst kurz mit beiden Fragestellungen beschäftigen, um später in Kapitel 2
und Kapitel 6 die aus ihnen resultierenden strategischen Konzepte ausführlich zu behan-
deln.

1.4.1 Die Bestimmung von Zielgruppen


Zunächst muss ein Unternehmen entscheiden, welche Zielgruppen es bedienen will. Dies
erfolgt, indem der Markt in Segmente (Kundensegmentierung) aufgeteilt und entschieden
wird, welche Segmente das Unternehmen bearbeiten will (Zielgruppenmarketing).
Häufig trifft man auf die Ansicht, Marketing bedeute lediglich, ausreichend Käufer für die
gegenwärtige Produktion eines Unternehmens zu finden. Dies wäre jedoch eine zu begrenzte
Sicht. Ein Unternehmen sollte nicht anstreben, alle Konsumenten zu jedem Zeitpunkt zu
beliefern. Es gilt vielmehr, solche Zielgruppen zu identifizieren, denen man ein gutes Ange-
bot machen kann und die aus Unternehmenssicht profitabel sind. So richtet sich Kempinski,
die älteste Luxushotelgruppe Europas, mit seinen Fünf-Sterne-Häusern an Reisende, die
höchsten Standard der Gastlichkeit erwarten. Ziel der Gruppe ist es, die Marke Kempinski zu
einem Synonym für individuellen Luxus zu machen. Kempinski erreicht dies durch ein sehr
unterschiedliches Portfolio aus weltweit unverwechselbaren, historisch einzigartigen und
modernen Häusern, die entweder Marktführer oder ein Wahrzeichen der jeweiligen Destina-
tion sind. Eine ganz andere Zielgruppe spricht Formule 1 mit seinen Hotels an. Man wendet
sich an Reisende, die sehr preissensibel sind und sich mit einem einfachen Zimmer und
reduziertem Service zufriedengeben.
Für jedes Unternehmen existiert zudem ein Nachfrageniveau für seine Produkte, dem es opti-
mal entsprechen kann. Zu bestimmten Zeitpunkten können jedoch Schwankungen der Nach-

48
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1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm

frage auftreten. Es besteht möglicherweise keine oder keine ausreichende Nachfrage oder zu
große Nachfrage. Das Marketing sollte also nicht nur die Nachfrage steigern, sondern sie auch
anpassen oder reduzieren können. Marketer werden daher versuchen, das Niveau und die
Art der Nachfrage im Sinne des Unternehmens zu beeinflussen. Unter diesem Aspekt lässt
sich Marketing-Management auch als Nachfrage-Management bezeichnen.

1.4.2 Die Wahl eines Nutzenversprechens


Ein Unternehmen muss auch entscheiden, wie es seine Zielgruppe bedienen möchte – wie es
sich im Markt differenzieren und positionieren will. Das Nutzenversprechen eines Unterneh-
mens beschreibt das Bündel von Nutzenbestandteilen oder Werten, die man Konsumenten
verspricht, um deren Bedürfnisse zu befriedigen. So steht BMW mit seinen Fahrzeugen für
„Freude am Fahren“. Die vergleichsweise sportlich ausgelegten Autos versprechen „mehr
Fahrfreude und weniger Verbrauch“. Letztere Nutzenkomponente wurde in die Auslobung
der Produkte aufgenommen, um dem wachsenden Bedürfnis der Konsumenten nach sparsa-
men Fahrzeugen zu entsprechen. Škoda hingegen bezeichnet seine Autos als „Simply cle-
ver“. Sie versprechen ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis für vernünftige Käufer. Auch ein
vermeintlich einfaches Produkt wie Mineralwasser kann unterschiedlich positioniert wer-
den. Apollinaris wendet sich mit seinem Slogan „The Queen of Table waters“ als Premium-
Mineralwasser an Genießer und Kenner, während Gerolsteiner sein Wasser mit „Macht
irgendwie lebendiger“ als sprudelnden Durstlöscher mit frischem Geschmack für ganz nor-
male Menschen mitten im Leben positioniert.
Solche Nutzenversprechen unterscheiden eine Marke von einer anderen. Sie beantworten
die Frage des Konsumenten: „Warum sollte ich Ihre Marke anstatt der eines Wettbewerbers
kaufen?“ Unternehmen müssen starke und überzeugende Nutzenversprechen abgeben, um
einen Vorteil bei der anvisierten Zielgruppe zu erlangen. Das Auto smart zum Beispiel positi-
oniert sich in der Werbung als kompakt und gleichzeitig komfortabel; agil, dabei sparsam;
sicher, dabei umweltfreundlich. „Perfekte Automobiltechnologie mit Fahrspaß und Effizienz
im Gesamtpaket. Wirklich smart gedacht.“

1.4.3 Die Basiskonzepte des Marketing-Managements


Marketing-Management lässt sich mit der „Durchführung des Marketings“ gleichsetzen, es
geht um die Ausführung von Maßnahmen, um angestrebte Austauschbeziehungen auf Ziel-
märkten zu erreichen. Von welchen Grundsätzen sollten diese Tätigkeiten geleitet werden?
Welches Gewicht sollte den Interessen der Organisation, der Kunden und der Gesellschaft
beigemessen werden? Sehr häufig handelt es sich hier um gegenläufige Interessen. Zweifellos
bestimmt deren Gewichtung die Art und Weise, wie eine Organisation ihr Marketing betreibt.
Fünf unterschiedliche Konzepte können den Rahmen bilden, wenn Unternehmen Marke-
tingstrategien entwickeln und umsetzen: Die Produktionsorientierung, die Produktorientie-
rung, die Verkaufsorientierung, die Marketingorientierung im eigentlichen Sinne und die
soziale Orientierung.

Die Produktionsorientierung
Die Produktionsorientierung des Marketings besagt, dass Verbraucher Produkte bevorzugen,
die schnell lieferbar und zu niedrigen Preisen erhältlich sind. Daher sollte sich die Unterneh-

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

mensleitung darauf konzentrieren, die Produktionsmethoden zu optimieren. Dieses Konzept


ist einer der ältesten Ansätze, von denen Anbieter geleitet werden.
Die Produktionsorientierung bildet eine sehr nützliche Grundlage in zwei typischen Nachfra-
gesituationen. Wenn die Nachfrage das mögliche Angebot übersteigt, sollte man Wege
suchen, die Produktion zu erhöhen. Sind die Produktionskosten zu hoch, ist alles daranzu-
setzen, die Produktivität zu steigern bzw. die Kosten zu senken.
Henry Ford zum Beispiel konzentrierte sich darauf, die Kosten der damals üblichen Automo-
bilproduktion konsequent zu minimieren. Erst dadurch konnten Preise realisiert werden, die
einen Absatz an breite Bevölkerungsschichten möglich machten. Bei der reinen Produktions-
orientierung des Marketings kommen jedoch häufig Technik und Design zu kurz, daher kann
man damit nicht mehr alle Käufer ansprechen.
Obwohl die Produktionsorientierung in manchen Fällen hilfreich ist, kann sie zu einer
gewissen Marketing-Kurzsichtigkeit führen. Unternehmen laufen dann Gefahr, sich zu sehr
auf ihre internen Prozesse zu fokussieren und die Sicht auf das eigentliche Ziel zu verlieren –
nämlich Kundenbedürfnisse zu befriedigen und Kundenbeziehungen aufzubauen.

Die Produktorientierung
Die Produktorientierung des Marketings besagt, dass die Käufer diejenigen Produkte bevor-
zugen, welche die beste Qualität, die höchste Leistungsfähigkeit und die meisten technologi-
schen Innovationen beinhalten. Das mag in einzelnen Bereichen zutreffen, die Regel ist es
nicht. Die Entwicklungsabteilung mag in ihr Produkt verliebt sein, aber lässt es sich deshalb
verkaufen? Wie viel mikroprozessorgesteuerte Katzenklos haben ihren Weg von der Erfinder-
messe zum Käufer gefunden? Ein Architekt oder Bauhandwerker auf dem Land mag einen
Ferrari bewundern, für den Weg zur Post oder zum Kunden wird er eher einen VW Passat
oder einen Opel Insignia kaufen.
Die kontinuierliche Verbesserung von Produkten und deren Qualität bilden die Basis dieses
Konzepts. Werden allerdings lediglich die Technologien und Produkte eines Unternehmens
fokussiert, so kann auch dies zu einer Kurzsichtigkeit im Marketing führen. Das Angebot
bleibt zu sehr am Produkt orientiert und wird nicht weiterentwickelt. Im Extremfall wird
dem Käufer immer noch das gleiche Produkt angeboten, obwohl es schon längst veraltet ist.
Die Eisenbahnunternehmen der USA gingen Ende der 1940er-Jahre unter, weil sie – mit Aus-
nahmen – das Produkt „Bahnfahrt“ anboten und nicht ein Produkt „optimaler Transport“.

Die Verkaufsorientierung
Bei der Verkaufsorientierung des Marketings geht man davon aus, dass Verbraucher nur dann
kaufen, wenn ein großer Werbeaufwand und Verkaufssonderaktionen betrieben werden. Eine
derartige Einstellung findet sich häufig bei Überkapazitäten oder nicht wirklich dringend
benötigten Gütern wie zum Beispiel großen Enzyklopädien oder im Bereich von Versicherun-
gen und Kapitalanlagen.
Gelegentlich wird die Verkaufsorientierung des Marketings auch im Non-Profit-Bereich ange-
wendet. Eine politische Partei zum Beispiel will ihren Kandidaten als eine fantastische Per-
son für eine anstehende Wahl verkaufen. Auch der Kandidat selbst arbeitet hart daran, sich
zu verkaufen: Er schüttelt Hände, küsst Babys, trifft wichtige Personen und hält Reden. Viel
Geld wird ausgegeben für Radio- und Fernsehwerbung, Plakate und Postwurfsendungen.
Schwächen des Kandidaten werden verborgen, denn man möchte ihn ja verkaufen.

50
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1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm

Die Verkaufsorientierung des Marketings legt ihren Schwerpunkt auf kurzfristige Ergebnisse.
Langfristige Erfolge und Gewinne durch zufriedene Kunden, die Güter oder Dienstleistungen
wiederholt und regelmäßig kaufen wollen, spielen eine untergeordnete Rolle. Diese Einstel-
lung birgt jedoch Risiken, da sie unterstellt, dass die Kunden in der Regel zufrieden mit dem
Produkt sind. Es wird weiter angenommen, dass unzufriedene Kunden keine negativen Aus-
wirkungen auf das Unternehmen haben und auch ein schlechtes Produkt zu einem späteren
Zeitpunkt wieder kaufen werden. Empirische Studien beweisen jedoch das Gegenteil: Ist der
Kunde unzufrieden mit einem Produkt, so lässt er sich meistens nicht zu Wiederholungskäu-
fen bewegen. Und schlimmer noch: Durch negative Mundpropaganda dieser Kunden kann
das Unternehmen erhebliche Umsatzeinbußen und Imageschäden erleiden. Während zufrie-
dene Kunden im Durchschnitt drei anderen Personen über ihre positiven Erfahrungen mit
einem Produkt berichten, kommunizieren unzufriedene Kunden ihren Missmut durch-
schnittlich an zehn weitere Personen.

Die Marketingorientierung im eigentlichen Sinne


Die Marketingorientierung geht davon aus, dass die Ziele einer Organisation nur dann
erreicht werden können, wenn es gelingt, die Bedürfnisse und Wünsche der Zielmärkte zu
erfassen und sie schneller und wirkungsvoller als die Konkurrenz zu bedienen und zu befrie-
digen. Der Fokus auf die Konsumenten und deren Nutzen ebnet den Weg zum Erfolg. Im
Gegensatz zu einer produktorientierten „Herstellen und verkaufen“-Philosophie, verfolgt
man hier eine konsumentenorientierte „Wahrnehmen und reagieren“-Philosophie. Die Auf-
gabe besteht nicht im Ausfindigmachen der richtigen Kunden für die Produkte, sondern im
Finden der richtigen Produkte für die Konsumenten.
Die Verkaufs- und die Marketingorientierung werden häufig miteinander verwechselt.
Abbildung 1.6 stellt diese beiden Ansätze gegenüber.

Ausgangs- Hauptaugen-
Mittel Ziel
punkt merk auf

Werbung, Gewinn
bestehende existierende
Verkaufs- durch
Produktion Produkte
aktionen hohen Umsatz

Die Verkaufsorientierung

tatsächliche integrierter langfristige Gewinn-


die
Bedürfnisse Marketing- erwartung durch nachhaltiges
Märkte
der Kunden ansatz Zufriedenstellen der Kunden

Die Marketingorientierung
Abbildung 1.6: Gegenüberstellung von Verkaufs- und Marketingorientierung

Schauen wir uns zu diesem Thema das Unternehmen McDonald’s an, das weltweit eine kon-
sequente Marketingorientierung verfolgt.

51
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Marketing-Highlight: McDonald’s – ein Beispiel für erfolgreiche


Marketingorientierung

McDonald’s, die Fast-Food-Kette aus den USA, ist zu einem weltweit tätigen Unterneh-
men geworden. 2016 standen fast 37.000 Restaurants in über 100 Ländern mit dem mar-
kanten gelben „M“ zum Empfang der Gäste bereit. Der weltweite Umsatz lag Ende 2017
bei rund 23 Milliarden US-Dollar.
Dieser Erfolg ist auf eine starke Marketingorientierung zurückzuführen, welche sich
bereits in den Anfängen des Unternehmens beobachten lässt: 1955 eröffnete der Firmen-
gründer Ray Kroc das erste eigene McDonald’s-Restaurant. Bereits ein Jahr später dehnte
er die Geschäftstätigkeit durch Franchisevergaben aus. Dann entwickelte er für seine
Restaurants und die seiner Franchisenehmer das Konzept weiter: Die Restaurants
erhielten große Zonen mit Sitzplätzen, er experimentierte mit neuen Rezepten, bot ein
großes „Frühstücks-Menü“ an und eröffnete weitere Betriebe an hoch frequentierten
zentralen Plätzen der Städte. Die Erfolgsgeschichte ist bekannt: Seitdem ist McDonald’s
stetig gewachsen, konnte sich in neuen Absatzmärkten etablieren und zählt seit Langem
zu den Top Ten der wertvollsten Marken der Welt.
In einem starken Wettbewerbsumfeld und bei steigenden Ansprüchen der Konsumenten
sind die Anforderungen auch für einen Marktführer herausfordernd. Gemäß dem Leit-
spruch „The world has changed. Our customers have changed. We have to change our-
selves.“ gelingt es McDonald’s immer wieder, sich neu zu erfinden und seinem Ruf als
Unternehmen mit „Leadership Marketing“ gerecht zu werden.
So sieht die Unternehmensstrategie „Plan to Win“ neben den klassischen vier Ps des Mar-
ketings (product, place, price, promotion) eine fünfte Komponente, nämlich „people“, vor.
Letztere bezieht sich in erster Linie auf eine unternehmensinterne Ausbildung und Auf-
stiegschancen sowie eine damit verbundene höhere Motivation der Mitarbeiter, sodass
auch der Service gegenüber den Gästen verbessert werden kann. Neue attraktive Produkte
werden regelmäßig getestet und ins Programm aufgenommen, die neben den sogenannten
„Core-Produkten“ wie Big Mac und Cheeseburger Abwechslung bieten und auf Gästewün-
sche eingehen. Dies sind zum Beispiel leichtere Snackprodukte wie Wraps und spezielle
Frühstücksangebote. Seit 2003 bietet das McCafé, das den meisten Restaurants in Deutsch-
land als Shop-in-Shop-System angeschlossen ist, Kaffee- und Kuchenspezialitäten in hoch-
wertiger Inneneinrichtung mit Lounge-Charakter. Beim Stichwort „place“ setzt das Unter-
nehmen zeitweise auf das Wachstum auf bestehender Fläche statt auf Expansion durch
möglichst viele Neueröffnungen: Neue Store-Designs bieten mehr Atmosphäre, neue
Bestellsysteme und Produktionsabläufe in der Küche haben zum Ziel, die „Customer Jour-
ney“ so attraktiv, zeitgemäß und effizient wie möglich zu gestalten. Der Bereich „promo-
tion“ unterlag einem grundlegenden Wandel: Der Claim „Ich liebe es“, 2003 durch die
Agentur heye in München für McDonald’s Deutschland entwickelt, fand schnell internati-
onal Beachtung und wirbt seitdem in vielen Sprachen weltweit für die Marke: i’m lovin’ it,
me encanta, c’est tout ce que j’aime, amo muito tudo isso, iste bunu seviyorum! Der Slogan
vermittelt den neuen, aktiven „Lifestyle“ und richtet sich insbesondere an die Kernziel-
gruppen junge Erwachsene und Familien. Sicherlich trägt die durch die Kampagne erzielte
Emotionalisierung der Marke McDonald’s neben der größeren Attraktivität des Sortiments
und dem stärkeren Fokus auf Service zum Erfolgskurs des Fast-Food-Riesen bei.

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1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm

2015 feierte das Unternehmen den weltweiten 60. Geburtstag. Mit der Jubiläumskampa-
gne wechselte McDonald’s Deutschland nach 43 Jahren die Leadagentur mit dem Ziel, das
Ich-liebe-es-Markenversprechen weiterzuentwickeln und es in einen komplett neuen
Markenauftritt einzubetten. Sichtbar wird dies zum Beispiel durch die Produktpräsenta-
tion der Burger. Sie ist in ihrer Art für die Marke neu, ungesehen und frisch. Die Filme der
Kampagne und der neue Jingle erinnern an das Gefühl, für das McDonald’s schon immer
stand: jung zu bleiben. Egal in welchem Alter.

Region Anzahl der Restaurants Gesamtumsatz 2017 (Mrd. US-$)


USA/Kanada 14.036 8,0
International Lead Markets, 6.921 7,3
darunter Kanada, Frank-
reich, Deutschland und UK
High Growth Markets, 5.884 5,5
darunter etwa China, Russ-
land, Italien und Spanien
Foundational Markets (Rest 10.400 1,9
weltweit)
Insgesamt 37.241 22,8
Tabelle 1.1: McDonald’s Systemgastronomie – Anzahl der Restaurants und Umsätze 2017 entsprechend den von
McDonald’s definierten regionalen Segmenten

Quellen:
o. V.: Magerer Umsatz – Konkurrenz nagt an McDonald’s, (21.10.13), unter: http://www.handels-
blatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/magerer-umsatz-konkurrenz-nagt-an-mcdonalds/
8965370.html [17.04.2015];
o. V.: McDonald’s verkauft weniger Burger in Deutschland, (08.02.14), unter: http://www.welt.de/
wirtschaft/article124657407/McDonalds-verkauft-weniger-Burger-in-Deutschland.html
Revenue of McDonald's Corporation worldwide from 2005 to 2016 (in billion U.S. dollars): https://
www.statista.com/statistics/208917/revenue-of-the-mcdonalds-corporation-since-2005/
[30.01.2018]
McDonald’s Corporation, 2017 Annual Report: https://corporate.mcdonalds.com/content/dam/
gwscorp/investor-relations-content/annual-reports/McDonald%27s%202017%20Annual%20Re-
port.pdf [28.06.2018]
McDonald’s Corporation, Supplemental financial information: https://corporate.mcdonalds.com/
content/dam/gwscorp/investor-relations-content/supplemental-information/
Store%20Counts%20by%20Country%202017.pdf [28.06.2018]

Die Verkaufsorientierung ist von innen nach außen gerichtet. Sie setzt an der bestehenden
Produktion an, man konzentriert sich auf die vorhandenen Produktlinien und betreibt auf-
wendige Verkaufs- und Werbeanstrengungen, um gewinnbringend verkaufen zu können.
Demgegenüber werden für die Marketingorientierung die nötigen Informationen von außen
nach innen hereingeholt. Sie beginnt mit einer genauen Definition der Zielmärkte, konzent-
riert sich auf Bedürfnisse der Käufer und koordiniert alle Marketingaktivitäten, die die Kun-

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

den betreffen. Bei der Marketingorientierung produzieren die Unternehmen das, was die
Kunden wünschen und brauchen. Gewinne entstehen, weil die Kunden langfristig zufrieden
sind und immer wieder kaufen.
Zahlreiche bekannte und erfolgreiche Weltunternehmen haben sich die Marketingorientie-
rung zu eigen gemacht. Zu ihnen gehören Unternehmen wie Ikea, viele internationale Hotel-
ketten oder Toyota. Andere behaupten, dass sie die Marketingorientierung anwenden, sie tun
es jedoch nicht. Sie haben zum Beispiel einen Marketingvorstand, einige Produktmanager,
Marketingpläne und ein Marketingbudget. Aber sind sie deshalb schon marketing- und kun-
denorientiert? Die Frage ist, ob sie wirklich für sich wandelnde Kundenbedürfnisse oder
neue Strategien aufgeschlossen sind. Um ein rein verkaufsorientiertes in ein marketingorien-
tiertes Unternehmen umzuformen, sind viele Jahre harter Arbeit nötig.
In Letzteren verläuft die Kundenorientierung von oben nach unten und von unten nach
oben. Das Schaffen von Kundennutzen und -zufriedenheit genießt höchste Priorität und alle
Mitarbeiter sind verpflichtet, dauerhafte Kundenbeziehungen aufzubauen. Um eine solche
Marketingorientierung zu erreichen, sollte die Organisation das Wissen und Verständnis, die
Motivation, die Inspiration und die Kreativität aller Mitarbeiter kanalisieren und lenken, um
Produkte und Dienstleistungen zu liefern, die genau dem entsprechen, was die Kunden
erwarten.
Warum ist es so wichtig, die Kunden zufriedenzustellen? Ein Unternehmen hat zwei Grup-
pen von Kunden: neue Käufer und Wiederholungskäufer. In der Regel kostet es mehr, neue
Kunden zu gewinnen, als bestehende Kunden zu halten. Daher ist es extrem wichtig, einen
vorhandenen Kundenstamm zu pflegen und zu behalten. Der Schlüssel dazu liegt darin, die
Kunden zufriedenzustellen. Ein zufriedener Kunde kauft mehr, er kauft wieder, er empfiehlt
weiter und er ist nicht so empfänglich für die Werbung konkurrierender Anbieter. Er reagiert
nicht so sensibel auf Preisänderungen und es kostet insgesamt weniger, ihn zu bedienen als
einen Erstkunden.
Wie aber können die Bedürfnisse des Kunden identifiziert werden? Die Implementierung des
Marketingkonzepts bedeutet in der Regel mehr als das bloße Antworten auf geäußerte Wün-
sche und offensichtliche Bedürfnisse. Kundenorientierte Unternehmen betreiben umfangrei-
che Marktforschung, um den Kundenwünschen auf die Spur zu kommen, um neue Produkt-
und Service-Ideen zu gewinnen und um vorgesehene Produktverbesserungen zu testen.
Diese Methode funktioniert gut, solange klare Bedürfnisse existieren, d.h., der Kunde weiß,
was er will. Oftmals ist dies jedoch nicht der Fall, der Konsument ist sich seiner Bedürfnisse
nicht eindeutig bewusst oder weiß nicht, was aufgrund des technologischen Fortschritts
heutzutage alles möglich ist. Wie viele Kunden dachten zum Beispiel vor 20 Jahren an mitt-
lerweile alltägliche Produkte wie Smartphones, Notebooks, Tablets, Digitalkameras und
Navigationsgeräte? Hier ist die Kreativität und Überzeugungskraft des Unternehmens gefragt.
So ließ der Sony-Mitbegründer Akio Morita einst verlauten: Unser Plan ist es, die Konsumen-
ten durch neue Produkte zu beeindrucken, anstatt sie zu fragen, was sie gerne hätten. Der
Konsument weiß nicht, was möglich ist, aber wir wissen es. Anstatt umfangreiche Marktfor-
schung durchzuführen, konzentrieren wir unser Denken auf ein Produkt und seine Nutzung.
Anschließend versuchen wir, durch Kommunikationsmaßnahmen einen Markt für dieses
Produkt zu schaffen.
Marketingorientierung bedeutet jedoch auch, dass neben den Bedürfnissen der Konsumenten
ebenso die Interessen des Unternehmens (Rentabilität etc.) berücksichtigt werden. Das Ziel
des Marketings besteht nicht in der Maximierung von Kundenzufriedenheit, sondern in einer
für das Unternehmen profitablen Befriedigung von Kundenbedürfnissen.

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1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm

Die soziale Orientierung


Das Marketing mit sozialer Orientierung bzw. das soziale Marketingkonzept beinhaltet, dass die
reine Zweckorientierung ausschließlich an den Zielen des Marketings hinterfragt wird, und geht
davon aus, dass in einem Zeitalter von Umweltproblemen, Ressourcenknappheit, weltweiter
wirtschaftlicher Unsicherheit und der Vernachlässigung der sozialen Systeme die Umsetzung
„reiner Marketingkonzepte“ verantwortungslos wäre. Marketing sollte nicht nur das Wohl des
Käufers, sondern auch jenes der Gesellschaft im Auge behalten. Betrachten wir zum Beispiel die
Trinkwasserindustrie. Wasserflaschen könnten als komfortables, schmackhaftes und gesundes
Produkt gesehen werden. Die Verpackungen suggerieren ein „grünes“ Image durch unberührte
Seen und schneebehangene Berge. Dennoch verursachen die Produktion, Befüllung und Distri-
bution von Milliarden Einweg-Plastikflaschen hohe CO2-Emissionen, die substanziell zur globa-
len Erwärmung beitragen. Weiterhin stellen die Flaschen ein Recycling- und Entsorgungspro-
blem dar. Während die Trinkwasserindustrie kurzfristige Kundenwünsche erfüllt, verursacht sie
Umweltprobleme, die den langfristigen Interessen der Gesellschaft entgegenstehen. In diesem
Zusammenhang wird auch das Konzept der Corporate Social Responsibility diskutiert.
Corporate Social Responsibility Das Konzept der Corporate Social Responsibility besagt,
dass ein Unternehmen bereit ist, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dies
bedeutet, dass es Leistungen im Umwelt- und Sozialbereich erbringt, die zu einer Verbesse-
rung der Lebensqualität und damit zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft bei-
tragen. Hierzu zählt z.B. die Förderung von Kindern und Jugendlichen, die Unterstützung
gemeinnütziger Einrichtungen sowie die zeitweilige Freistellung von Mitarbeitern für
gemeinnützige Arbeiten (Katastrophenhilfe etc.). Ein solches Verhalten hat letztlich zum
Ziel, den Bekanntheitsgrad eines Unternehmens zu erhöhen und sein Image zu verbessern,
um so eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen. In ähnlicher, oft auch in synony-
mer Bedeutung wird der Begriff Corporate Citizenship verwendet, welcher insbesondere das
Selbstverständnis eines Unternehmens als „guter Bürger“ bezeichnet.
Wenn ein Unternehmen die hier vorgestellte Orientierung anwendet, wird es selbstkritisch
überprüfen, ob es langfristig gesehen wirklich für Käufer und Gesellschaft das Beste ist, wenn
die Erfüllung aller individuellen Wünsche angestrebt wird. Die Kritik an der herkömmlichen
Marketingorientierung lautet, dass diese angesichts des Konflikts zwischen kurzfristigen Ver-
braucherwünschen und langfristigem Gemeinwohl die Augen verschließt. Immer mehr
Unternehmen wie z.B. BP, Glaxo Smith Kline, Siemens, Google, IBM, Intel, Johnson & John-
son, Nestlé, Unilever oder Marks & Spencer überdenken derzeit die wechselseitigen Ein-
flüsse zwischen Gesellschaft und Wirtschaftsleistung. Sie beschäftigen sich nicht nur mit
kurzfristigen Gewinnen, sondern auch mit dem Wohl ihrer Kunden, dem Einsatz der für das
Geschäft notwendigen Rohstoffe, der Rentabilität bzw. wirtschaftlichen Lage ihrer wichtigs-
ten Lieferanten sowie dem wirtschaftlichen Nutzen für die Gegenden, in denen ihre Produkte
erzeugt und verkauft werden. Ein bekannter Experte nennt dies Marketing 3.0. „Organisatio-
nen, die Marketing 3.0 anwenden, sind werteorientiert. Ich sage bewusst nicht wertorientiert,
sondern benutze den Plural, denn es sind Werte, die unsere Betrachtung der modernen Welt
ausmachen.“ Ein anderer Experte bezeichnet das Konzept als zielorientiertes Marketing. „Die
Zukunft allen Profits ist das Ziel“, sagt er.
Wie in Abbildung 1.7 verdeutlicht, sollten Unternehmen daher versuchen, eine Balance zwi-
schen der Profitorientierung des Unternehmens, den Konsumentenbedürfnissen und den
gesellschaftlichen Ansprüchen zu finden. Wie ein soziales Marketing erfolgreich gelingen
kann, zeigen die nachfolgenden Beispiele der deutschen Drogeriemarktkette dm und des
österreichischen Schuhherstellers GEA.

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Gesellschaft
(Gemeinwohl)

MARKETING
MIT SOZIALER
ORIENTIERUNG

Konsumenten Unternehmen
(Bedürfnisbefriedigung) (Gewinne)
Abbildung 1.7: Triangel der sozialen Orientierung des Marketings

Exkurs: Erfolgreiches Marketing mit sozialer Orientierung –


dm-drogerie markt und GEA

Das Handelsunternehmen dm-drogerie markt hat sich seit der Gründung durch Prof. Götz
W. Werner im Jahre 1973 zum führenden Anbieter von Drogeriewaren entwickelt. Mit
Abschluss des Geschäftsjahres 2016/2017 sind es bereits knapp 1.900 Märkte und 40.000
Mitarbeiter alleine in Deutschland. In Europa ist dm mit 3.500 Märkten in 13 Ländern ver-
treten und erwirtschaftete insgesamt einen Umsatz in Höhe von 10,26 Milliarden Euro. dm-
Gründer Werner vertritt den Standpunkt: „Die Wirtschaft ist für die Menschen da und nicht
umgekehrt die Menschen für die Wirtschaft.“ Wichtigstes Ziel ist, dass die Kunden qualita-
tiv hochwertige Produkte zum günstigen Dauerpreis in jedem dm-Markt finden können. Die
Geschäftsführung handelt stets so, dass die Produktivität des Unternehmens den Kunden,
den Mitarbeitern und der Gesellschaft zugutekommt – es wird nur eine Rendite von einem
Prozent vor Steuern angestrebt. Dass dieses Konzept funktioniert, belegen sowohl die seit
Jahren steigenden Umsatzzahlen als auch positive Kundenurteile.
„Unseren Weg zum Erfolg sehen wir im konstruktiven und kultivierten Miteinander
aller beteiligten Menschen begründet“, ist Erich Harsch, Vorsitzender der Geschäftsfüh-
rung von dm-drogerie markt, überzeugt. Mitarbeitern wird Freiraum für die persönliche
Entwicklung eingeräumt, eigenständiges und verantwortungsvolles Handeln gefördert.
Alle dm-Lehrlinge besuchen jeweils im ersten und zweiten Lehrjahr einen achttägigen
Theaterworkshop. Dabei sind sie gefordert, sich auszudrücken, sich zu bewegen und
eine Situation gemeinsam in der Gruppe zu gestalten.
Nachdem das Unternehmen solch positive Erfahrungen mit kultureller Bildung im
Innenverhältnis gemacht hatte, startete es weitere Initiativen, um soziales und kulturel-
les Engagement in der Gesellschaft zu fördern und zu unterstützen. So gestaltet dm-dro-
gerie markt seit 2009 das Projekt „Singende Kindergärten“. Ziel dieses Weiterbildungs-
programms ist es, den ErzieherInnen Mut zu machen, ihre Stimme neu zu entdecken
und die Freude am Singen an ihre Kindergartenkinder weiterzugeben. Des Weiteren
wurde die Initiative „HelferHerzen – Der dm-Preis für Engagement“ ins Leben gerufen,
bei der ehrenamtlich aktive Bürger vor den Vorhang geholt werden und für besonderes
Engagement ausgezeichnet werden.

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1.4 Die Entwicklung von Marketingstrategie und Marketingprogramm

Abbildung 1.8: Motiv der Initiative „HelferHerzen“


(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der dm-drogerie markt GmbH + Co. KG)

Auch der österreichische mittelständische Schuhproduzent GEA gilt als Beispiel erfolg-
reichen Marketings mit sozialer Orientierung. Ähnlich dem Credo von Prof. Götz Wer-
ner setzt sich GEA das Ziel, Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Menschen die-
nen und nicht umgekehrt. Der Schuhproduzent will dadurch einen Beitrag zu einer
lebensbejahenden Wirtschaft und zu einer anderen, positiveren Gesellschaft leisten:
„Wir sind der festen Überzeugung, dass ein gutes Unternehmen eine Veranstaltung von
Menschen für Menschen ist – in beide Richtungen – Kunden erhalten gute Produkte,
gleichzeitig sind sie, die Kunden, die wichtigsten Arbeitgeber für eine sinnvolle Arbeit.
Eine sinnspendende, dienende Arbeit, ordentliche, langlebige Produkte und faire Kun-
den – das ist das Strickmuster gemeinsinniger Wirtschaft.“
Der Erfolg gibt auch diesem Unternehmen recht: Heute gehört GEA mit insgesamt 270
Mitarbeitern zu den größten Schuhproduzenten Österreichs. 2016 konnte das Unterneh-
men mit seinen vielzähligen Aktivitäten 32 Millionen Euro umsetzen, der Absatz von
Schuhen konnte innerhalb von acht Jahren verdreifacht werden.

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Abbildung 1.9: Herstellung eines „Waldviertler“-Schuhs


(Quelle: Mit freundlicher Genehmingung von GEA)

Während der Kernbereich des Unternehmens in der nachhaltigen Produktion und Ver-
marktung von „Waldviertler“-Schuhen liegt, dehnte das Unternehmen seine Aktivitäten
nach und nach aus. Nach dem Motto „Die Vielfalt ist immer krisensicherer als die Mono-
kultur“ produziert das Unternehmen mittlerweile auch Taschen, Möbel und Matratzen,
unterhält dafür 55 GEA-Verkaufsfilialen in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
Darüber hinaus führt das Unternehmen ein eigenes Hotel mit Seminarangeboten in den
Bereichen Handwerk, Gesundheit, Wirtschaft und Kultur. Daneben betreibt es ein Solar-
kraftwerk und engagiert sich in einer Vielzahl gemeinnütziger, sinnstiftender Projekte:
etwa für Hilfsprojekte in Afrika ebenso wie für die Unterstützung benachteiligter Fami-
lien im regionalen Umfeld. 2017 wurde das Unternehmen mit dem österreichischen Kli-
maschutzpreis ausgezeichnet. Letztlich ist das Unternehmen auch Herausgeber eines
gesellschaftskritischen Magazins „Brennstoff“, welches mit einer Auflage von 200.000
Stück viermal jährlich, neben dem GEA-Album mit einer Auflage von 1,5 Millionen
viermal jährlich, auch ein zentrales Werbemedium des Unternehmens ist. Die facetten-
reichen Aktivitäten neben der klassischen Schuhproduktion und -vertrieb belegen, dass
das Unternehmen GEA seine Vision eines lebensbejahenden Wirtschaftssystems, das
den Menschen dient, an all seinen Kundenkontaktpunkten konsistent verfolgt. Erst die
Überzeugung und die besondere Authentizität hinter diesem Tun macht die soziale Ori-
entierung des Unternehmens glaubhaft und so erfolgreich.
Quellen: dm-drogerie markt GmbH + Co. KG, Webseite von dm-drogerie markt unter: www.dm-dro-
geriemarkt.de [31.01.2018]
http://www.noen.at/gmuend/schrems-sanfter-ausbau-staudinger-alltag-nach-mega-hype/
42.126.176 [31.01.2018]
https://gea-waldviertler.at/ [16.09.2018]

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1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen

1.4.4 Entwicklung eines integrierten Marketingprogramms


Die Marketingstrategie eines Unternehmens legt fest, welche Konsumenten bedient werden
sollen und wie man Nutzen für sie generieren kann. Der Marketer entwickelt darauf aufbau-
end ein umfassendes Marketingprogramm. Mit dessen Hilfe baut man Kundenbeziehungen
auf und setzt die Marketingstrategie in die Tat um.
Den Kern eines jeden Marketingprogramms bildet der Marketing-Mix. Seine Instrumente las-
sen sich in vier Gruppen, die sogenannten vier Ps des Marketings unterteilen: Produkt (pro-
duct), Preis (price), Distribution (place) und Kommunikation (promotion). Um sein Nutzen-
versprechen zu halten, muss ein Unternehmen zunächst ein bedürfnisbefriedigendes
Marktangebot (Produkt) herstellen. Es gilt dann zu entscheiden, wie viel den Käufern hierfür
in Rechnung zu stellen ist (Preis) und wie das Produkt den Zielkonsumenten verfügbar
gemacht wird (Distribution). Außerdem sind die Konsumenten mit dem Produkt bekannt zu
machen und von dessen Leistung zu überzeugen (Kommunikation). Die Kunst besteht darin,
alle diese Instrumente und Maßnahmen in ein umfassendes, in sich konsistentes Marketing-
programm zu integrieren. Wir werden uns in späteren Kapiteln detailliert mit Marketingpro-
grammen und dem Marketing-Mix befassen.

1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen


Die ersten drei Schritte im Marketingprozess – das Verstehen des Markts und der Konsumen-
tenbedürfnisse, das Entwerfen einer kundenorientierten Marketingstrategie und die Entwick-
lung von Marketingprogrammen – führen zum vierten und wichtigsten Schritt: dem Aufbau
profitabler Kundenbeziehungen.

1.5.1 Customer Relationship Management


Customer Relationship Management (CRM) ist vielleicht das wichtigste Konzept des moder-
nen Marketings. Bis vor Kurzem wurde CRM relativ eng als die Pflege von Kundendaten
interpretiert. Diese umfasst das Management detaillierter Informationen über einzelne Kun-
den und die Kontaktpunkte zu ihnen, mit dem Ziel, die Kundenbindung zu maximieren.
In jüngerer Zeit versteht man Kundenbeziehungsmanagement jedoch in einem weiteren Sinne.
Es wird definiert als der gesamte Prozess des Aufbaus und der Aufrechterhaltung gewinnbrin-
gender Kundenbeziehungen, basierend auf hohem Kundennutzen und Kundenzufriedenheit.
Es behandelt alle Aspekte der Gewinnung, des Haltens und der Entwicklung von Kunden.

Bausteine von Kundenbeziehungen: Kundennutzen und -zufriedenheit


Wir haben bereits gelernt, dass der Schlüssel, um langfristige Kundenbeziehungen aufzu-
bauen, in der Schaffung von hohem Kundennutzen und hoher Kundenzufriedenheit liegt.
Zufriedene Kunden sind mit einer höheren Wahrscheinlichkeit treue Kunden und übertragen
dem Unternehmen einen größeren Anteil ihres Budgets.
Das Gewinnen und Halten von Verbrauchern kann eine schwierige Aufgabe darstellen. Kon-
sumenten sehen sich häufig mit einer verwirrend großen Anzahl an Produkten und Dienst-
leistungen konfrontiert, aus denen sie auswählen müssen. Ein Nachfrager kauft in der Regel
bei dem Unternehmen, das ihm den höchsten wahrgenommenen Kundennutzen bietet – die
aus Kundensicht bewertete Differenz zwischen allen Nutzenkomponenten und allen Kosten
eines Angebots im Vergleich zu den Wettbewerbsangeboten.

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Die Kundenzufriedenheit hängt von der wahrgenommenen Produktleistung im Vergleich zu


den Erwartungen eines Käufers ab. Fällt die Leistung des Produkts geringer als die Erwartung
des Konsumenten aus, ist er unzufrieden, entspricht sie der Erwartung, ist der Konsument
zufrieden. Übertrifft die Leistung gar die Erwartung, ist er begeistert.
Für Unternehmen, die ihre Kunden begeistern wollen, stellen außergewöhnlicher Kunden-
nutzen und Service mehr als nur eine Reihe von abzuarbeitenden Richtlinien oder Maßnah-
men dar – sie sind vielmehr eine unternehmensweite Einstellung, ein wichtiger Teil der
gesamten Unternehmenskultur. Beispielsweise befindet sich die Hotelkette Ritz-Carlton in
Sachen Kundenzufriedenheit seit Jahren auf einer Spitzenposition in der Hotelbranche. Die
Leidenschaft für die Zufriedenstellung von Kunden ist im Credo des Unternehmens veran-
kert. Die Luxushotels der Kette versprechen eine unvergessliche Erfahrung.
Obwohl kundenorientierte Unternehmen eine hohe Kundenzufriedenheit im Vergleich zu
ihren Wettbewerbern zu gewährleisten anstreben, versuchen sie nicht, diese zu maximieren.
Ein Unternehmen kann stets durch Kostensenkungen oder Leistungssteigerungen die Kunden-
zufriedenheit steigern. Dies würde aber vermutlich in einem unbefriedigenden Gewinn resul-
tieren. Die Aufgabe des Marketings besteht deshalb darin, eine für Kunden und Unternehmen
optimale Balance zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmensgewinn zu erzielen.

Die Intensität von Kundenbeziehungen


Abhängig von der Zielgruppe können Unternehmen Kundenbeziehungen auf unterschiedli-
chen Niveaus aufbauen. Hat ein Unternehmen einen großen Kundenstamm und eine niedrige
Gewinnspanne pro Kunde, versucht es primär grundlegende Kundenbeziehungen aufzubauen.
Häagen-Dazs ruft beispielsweise nicht jeden seiner Kunden an, um ihn persönlich kennenzu-
lernen. Stattdessen baut das Unternehmen Kundenbeziehungen durch andere Maßnahmen auf.
Dazu zählen markenbildende Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Newsletter, die eigene Unterneh-
menswebseite und knapp 200.000 Anhänger auf Facebook. Das andere Extrem ist die Etablie-
rung von engen, langfristigen Partnerschaften mit Großkunden in Märkten mit wenigen Abneh-
mern und hohen Gewinnmargen. Zum Beispiel arbeiten Häagen-Dazs-Außendienstmitarbeiter
eng mit Metro, Tesco, Carrefour und anderen großen Handelsketten zusammen. Zwischen die-
sen beiden Extremen sind selbstverständlich viele Abstufungen möglich.
Neben der Gewährleistung von hohem Kundennutzen und hoher Kundenzufriedenheit kön-
nen Marketer spezifische Instrumente nutzen, um stärkere Verbindungen zu Kunden aufzu-
bauen. Viele Unternehmen gestalten Marketingprogramme auf Basis der Kaufhäufigkeit. Diese
Programme belohnen Kunden, die häufig oder in großen Mengen einkaufen. Fluggesellschaften
bieten Frequent-Flyer-Programme an, Hotels gewähren Stammgästen ein Upgrade in eine
höhere Zimmerkategorie und Supermärkte vergeben Stammkundenrabatte. Mit „Flying Blue
Frequent Flyer“-Punkten können Kunden von KLM Airways und Air France jeden beliebigen
Sitzplatz auf jedem KLM- oder Air-France-Flug belegen. Je häufiger „Flying Blue“-Mitglieder
fliegen, desto mehr Dienstleistungen können sie kostenlos in Anspruch nehmen. Durch das
Vorzeigen der „Flying Blue“-Karte kann man auf viele zusätzliche Dienstleistungen zugreifen,
die Flüge reibungsloser, einfacher und angenehmer gestalten.
Andere Unternehmen unterstützen Clubmarketing-Programme, die ihren Mitgliedern beson-
dere Vorteile bieten und Mitgliedergemeinschaften fördern. BMW sponsert beispielsweise
den BMW Club, der BMW-Fahrern Möglichkeiten gibt, ihre Leidenschaft fürs Autofahren mit
anderen zu teilen. Zu den Vorteilen einer BMW-Club-Mitgliedschaft zählen Quartalsmaga-
zine, Rabatte auf Dienstleistungen, Teile und Accessoires sowie reduzierte Preise im Club

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1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen

Shop für Bücher, Kleidung, Modellautos und andere Artikel von BMW. Der Club organisiert
auch Track-Events und BMW-Festivals.
In den letzten Jahren sind deutliche Änderungen im Beziehungsmanagement der Unterneh-
men zu beobachten. Während viele Anbieter früher lediglich undifferenziertes Massenmar-
keting betrieben, gehen sie heute mehr und mehr dazu über, direkte und dauerhafte Bezie-
hungen mit sorgfältig ausgewählten Kunden aufzubauen. Nur wenige Unternehmen
betreiben heute noch wirkliches Massenmarketing, also ein einheitliches und standardisier-
tes Kommunizieren und Verkaufen an eine weitgehend unbekannte Kundschaft. Technologi-
sche und kulturelle Entwicklungen haben in vielen Bereichen zu einer größeren Vielfalt und
einer Zersplitterung der Märkte geführt. Als Reaktion darauf vollziehen immer mehr Unter-
nehmen eine Umstellung vom Massenmarketing auf individuelleres Marketing, das sich an
Kundensegmenten orientiert. Bei diesem Konzept zielen Unternehmen auf sorgfältig defi-
nierte und ausgesuchte Teilmärkte oder sogar einzelne Kunden ab. Gleichzeitig wird der
Langzeitwert eines Kunden immer wichtiger für Unternehmen. Eine enge Beziehung soll nur
mit solchen Kunden eingegangen werden, die auf lange Sicht profitabel sind. Sobald ein
Unternehmen Kaufinteressenten als langfristig gewinnbringend einstuft, können ihnen über
individuelle Kommunikationswege gezielt Angebote unterbreitet werden, um sie als Kunden
zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden.
Wie sollte ein Unternehmen allerdings mit aktuellen unprofitablen Kunden umgehen? Falls
diese nicht in gewinnbringende Kunden umgewandelt werden können, sollte man sie eventu-
ell nicht mehr betreuen. Zum Beispiel haben die meisten Internetanbieter Richtlinien zur fai-
ren Nutzung erlassen, die im Hinblick auf angebotene Flatrate-Pakete eher widersprüchlich
erscheinen. Nutzern, die zu viele Onlinespiele spielen, zu viele Filme herunterladen oder Peer-
to-Peer-Netzwerke zu stark nutzen und diese Richtlinien ignorieren, können Kürzungen in
Höhe von bis zu 75 Prozent der Internetgeschwindigkeit oder sogar die Kappung der gesamten
Verbindung widerfahren. Ein Kreditkartenunternehmen hat Briefe an manche seiner Kunden
verschickt und ihnen Geld für den Ausgleich oder sogar für die Schließung ihrer Konten ange-
boten. Das Unternehmen hat so versucht, sich von unrentablen Kunden zu trennen.
Neben der sorgfältigeren Auswahl von Kunden treten Unternehmen nun in engere, relevantere
Beziehungen mit einzelnen Kunden. Statt sich auf einseitige Nachrichten über Massenmedien
zu verlassen, wollen heutige Marketingverantwortliche gezielte und wechselseitige Kundenbe-
ziehungen durch neue, interaktivere Ansätze aufbauen. Neue Technologien helfen dabei und
haben die Art, wie Menschen miteinander interagieren grundlegend verändert. Werkzeuge, um
miteinander in Kontakt zu treten, sind E-Mails, Webseiten, Blogs, Mobiltelefone, Video-Sharing
sowie Web-Communities und soziale Netzwerke wie Facebook, YouTube und Twitter.
Dieses sich wandelnde Kommunikationsumfeld erlaubt es Marketern, eine größere Kunden-
beteiligung und ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl zur Marke hervorzurufen und diese zu
einem bedeutungsvolleren Teil im Leben der Verbraucher zu machen. „Ein Teil der Unterhal-
tung zwischen Verbrauchern zu werden, ist wirkungsvoller, als Informationen über traditio-
nelle Werbung weiterzugeben“, sagt ein Marketingexperte. Ein anderer bemerkt, „Menschen
wünschen sich heutzutage eine Stimme und eine aktive Rolle in ihren Markenerlebnissen.
Sie wollen die Marke mitgestalten“.
Während neue Technologien beziehungsbildende Möglichkeiten für Marketingverantwortli-
che hervorbringen, bergen sie zugleich auch Herausforderungen. Sie geben Verbrauchern
mehr Macht und Kontrolle. Diese haben Zugriff auf mehr Markeninformationen als je zuvor
und sie verfügen über eine Fülle an Plattformen, um ihre Ansichten über eine Marke mit
anderen Verbrauchern zu teilen.

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

1.5.2 Kundenintegration und -beteiligung


Die Beziehungen zwischen Marken und Kunden bringen naturgemäß bedeutsame Verände-
rungen hervor. Die modernen digitalen Technologien – das Internet sowie die massive Nut-
zung von Online-, mobilen und sozialen Medien – haben die Art und Weise, wie Menschen
auf der Erde miteinander in Beziehung stehen, grundlegend verändert. Diese Ereignisse wie-
derum haben enormen Einfluss darauf, wie Unternehmen und Marken mit Kunden kommu-
nizieren und in welcher Form die Kunden ihr Verhalten gegenüber Marken untereinander
vernetzen und beeinflussen.

Kundenengagement und die modernen digitalen und sozialen Medien


Das digitale Zeitalter bietet ein enormes Spektrum an neuen Instrumenten für den Aufbau
von Kundenbeziehungen, von Webseiten über Onlinewerbung und Videos, mobile Anzeigen
und Apps sowie Blogs für die Online-Communitys bis hin zu den großen sozialen Medien
wie Twitter, Facebook, YouTube, Instragram und Pinterest. In der Vergangenheit konzentrier-
ten sich Unternehmen auf Massenwerbung, die auf breite Kundensegmente gerichtet war.
Heute dagegen nutzen die Unternehmen Online-, mobile und soziale Medien zur Verfeine-
rung ihrer Zielgruppenansprache und zur tieferen und interaktiven Einbindung ihrer Kun-
den. Das alte Marketing bestand darin, Marken an den Endverbraucher zu bringen. Das neue
Marketing wird als Kundenengagement-Marketing bezeichnet – eine direkte und beständige
Einbindung der Kunden in die Gestaltung der Markenbotschaft, der Markenerfahrungen und
der Markengemeinschaft. Kundenengagement-Marketing geht weit über das bloße Verkaufen
einer Marke hinaus. Es zielt darauf ab, die Marke zu einem wichtigen Bestandteil des Alltags
und der Interessen von Kunden zu machen. Mit dem Aufkommen des Internets und der sozi-
alen Medien erfuhr das Customer-Engagement-Marketing einen wahren Schub. Die heutigen
Kunden sind besser informiert, besser vernetzt und stärker positioniert als je zuvor. In dieser
starken Position kennen sie die Marke und verfügen über zahlreiche digitale Plattformen, um
ihre Meinungen zu verbreiten und zu teilen. Daher bauen Marketer heute nicht nur Kunden-
beziehungen auf, sondern sie betreuen von den Kunden selbst initiierte Beziehungen, denn
die Kunden sind sowohl direkt mit dem Unternehmen als auch untereinander vernetzt, um
ihre eigenen Markenerfahrungen verbreiten zu können.
Eine Stärkung der Kundenposition bedeutet, dass sich die Unternehmen nicht länger nur auf
ein aufdringliches und sich einmischendes Marketing verlassen können. Stattdessen müssen
sie Marketing durch Attraktion betreiben – sie müssen Angebote und Botschaften gestalten,
welche die Kunden mit einbeziehen, statt sie in ihrer Tätigkeit zu unterbrechen. Daher ergän-
zen die meisten Marketer heute ihren Einsatz in den Massenmedien durch einen starken Mix
aus Online- und Social sowie mobilem Marketing, der die Bindung zwischen Marke und
Kunden sowie die Markenbotschaft fördert. So posten die Unternehmen beispielsweise ihre
neuesten Anzeigen und Videos auf den Seiten der sozialen Medien, in der Hoffnung auf eine
möglichst rasante Verbreitung. Mit enormer Präsenz auf Twitter, YouTube, Facebook, Goo-
gle+, Pinterest, Instagram und anderen sozialen Medien soll die Marke eine starke Resonanz
erfahren. Sie bringen ihre eigenen Blogs, mobilen Apps, Online-Microsites und Kundenbe-
wertungssysteme auf den Markt, die alle das Ziel haben, die Kunden noch persönlicher und
interaktiver zu beteiligen. Nehmen wir zum Beispiel Twitter. Organisationen wie der FC Bar-
celona, Santander, der Münchner Flughafen, die Tour de France oder Volvo nutzen „Tweets“
zur Kommunikation mit und unter den mehr als 645 Millionen registrierten Nutzern, küm-
mern sich um Fragen des Kundendienstes, kontrollieren die Reaktionen der Kunden und ver-
weisen auf relevante Artikel, Web- und mobile Marketingseiten, Wettbewerbe, Videos und

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1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen

andere Aktivitäten der Marke. Dementsprechend ist heute fast jedes Unternehmen auf Face-
book aktiv. Burberry hat rund 18 Millionen Facebook-Fans, Converse etwa 40 Millionen,
Zara ca. 25 Millionen, Starbucks mehr als 36 Millionen, Coca-Cola sogar über 80 Millionen.
Und jeder größere Vermarkter besitzt einen YouTube-Kanal, auf dem die Marke und deren
Fans aktuelle Werbung oder auch unterhaltende und informative Videos posten können. Die
geschickte Nutzung der sozialen Medien ermöglicht eine Verbindung zwischen Verbraucher
und Marke und setzt eine Kommunikation in Gang.
IKEA nutzte eine einfache, aber anregende Facebook-Kampagne zur Bewerbung einer Neuer-
öffnung im schwedischen Malmö. Das Unternehmen schaltete eine Facebook-Seite für den
Filialleiter Gordon Gustavsson. Dann lud es Bilder von IKEA-Showrooms in das Fotoalbum
von Gustavsson und startete eine Verlosung unter den jeweils ersten Nutzern, die ein Pro-
dukt auf dem Bild mit einem Foto-Tag und ihrem Namen versahen. Tausende Teilnehmer
taten dies und verbreiteten die Nachricht an ihre Freunde. Schon bald wurde der Ruf nach
weiteren Fotos laut. Statt nur eine Anzeige mit der Abbildung von Möbeln zu schalten, ani-
mierte IKEA mit der Facebook-Kampagne die Kunden dazu, sich jedes einzelne Produkt auf
den Bildern ganz genau anzusehen.
Der Schlüssel zu Engagement-Marketing ist es, durch engagierte und relevante Markenbot-
schaften zum Gesprächsthema bei Kunden zu werden. Das einfache Posten eines witzigen
Videos, das Betreiben einer Social-Media-Seite oder eines Blogs reichen nicht. Erfolgreiches
Engagement-Marketing heißt, einen einschlägigen und echten Beitrag zum Leben und zu den
Gesprächsthemen der Kunden zu leisten. Laut David Oksman, Marketingchef des T-Shirt-
und Bekleidungsherstellers Life is Good, geht es bei Engagement und den sozialen Medien
„um tiefe, bedeutsame Beziehungen, die über das zu verkaufende Produkt hinausgehen. Die
eigentliche Tiefe der Kundenbeziehung liegt in den Gesprächsthemen und den Communitys,
die rund um die Marke entstehen.“

Konsumentengeneriertes Marketing
Ein wachsender Teil des Kundenengagement-Marketings ist konsumentengeneriertes Marke-
ting, in dem die Verbraucher durch erlebte Markenerfahrungen, sowohl eigene als auch die von
anderen, eine immer wichtigere Rolle spielen. Dies kann durch unaufgeforderten Austausch
auf Verbraucherebene in Blogs, auf Video-Sharing-Webseiten, in den sozialen Medien und
anderen digitalen Foren erfolgen. Die Unternehmen laden Kunden jedoch zunehmend dazu
ein, eine aktivere Rolle bei der Produktgestaltung und den Markeninhalten zu übernehmen.
Einige Unternehmen bitten Verbraucher um neue Produktideen. McAfee beispielsweise sucht
über die Seite seiner Online-Community bei den Nutzern aktiv nach neuen Produktideen. Die
Ideen werden eingereicht, von den Community-Mitgliedern kommentiert und die Übernahme
ins Sortiment dann per Abstimmung durch die McAfee-Mitarbeiter entschieden. Auch
Innocent hat eine Reihe von Produkten eingeführt, indem man Kundenideen sammelte, sie
prüfte und darauf reagierte. So bat Innocent seine Kunden zum Beispiel darum, Postkarten mit
Vorschlägen einzusenden. Ein Ergebnis war der enorm erfolgreiche „Banana-Free Smoothie“,
der mit der Aufschrift verkauft wurde: „You asked, we made it“ („Ihr wolltet ihn, wir machen
ihn.“). Die Marke Vitaminwater von Coca-Cola schuf vor einiger Zeit eine Facebook-App zur
Einreichung von Kundenvorschlägen für eine neue Geschmacksrichtung und versprach die
Herstellung und den Verkauf der Sieger-Idee („Vitaminwater war unsere Idee; die nächste ist
deine“). Die Sorte namens Connect (schwarze Kirsche und Limette mit Vitaminen und Koffein-
Zusatz) war ein großer Erfolg. In der Folge verdoppelte sich die Facebook-Fanbasis für Vitamin-
water auf mehr als eine Million. Andere Unternehmen fordern Kunden dazu auf, sich aktiv an

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

der Werbegestaltung zu beteiligen. So starteten Redrow, T-Mobile, L’Oréal, MasterCard, Unile-


ver, H.J. Heinz und viele andere Wettbewerbe für konsumentengenerierte Werbespots, die im
nationalen Fernsehen ausgestrahlt wurden. T-Mobile sponserte und filmte „Flashmobs“ an der
Liverpool Street Station und am Trafalgar Square in London, die über 35 Millionen Mal im
Internet angesehen und im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Dieser Erfolg inspirierte T-Mobile
im Jahr 2011 zu einer Parodie auf die königliche Hochzeit, in der Schauspieler als königliche
Familie (und ein überraschend flippiger Erzbischof von Canterbury) sprichwörtlich den Kir-
chengang entlang tanzten. Mehr als 30 Millionen Zuschauer schalteten ein. Die Chips-Marke
Doritos von PepsiCo betreibt seit Längerem einen Wettbewerb namens „Crash the Super Bowl“,
für den Verbraucher einen 30 Sekunden langen Werbespot drehen können. Der beste wird wäh-
rend des Spiels gezeigt. Diese kundengenerierten Spots waren ein riesiger Erfolg. Im letzten
Jahr startete Doritos den Wettbewerb in allen 46 Ländern, in denen die Marke verkauft wird.
Aus mehr als 5.400 Einsendungen wurden zwei selbst produzierte Spots während des Super
Bowls ausgestrahlt. Aus vergangenen Kampagnen erreichten zahlreiche Werbungen Top-Plat-
zierungen in den AdMeter-Rankinglisten der Zeitung USA Today und bescherten ihren Schöp-
fern etwa 1 Mio. Euro an Preisgeldern aus der Frito-Lay-Abteilung von PepsiCo. Bei der letzten
Kampagne wurden die Preise dagegen durch Fan-Abstimmungen auf Doritos.com vergeben.
Der Sieger „Time Machine“ – ein witziger Spot, in dem ein Mann von einem kleinen Kind zur
Reise in einem Zeitmaschinen-Pappkarton überredet und dabei um seine Tüte Doritos betrogen
wird – brachte seinen Laien-Produzenten ca. 1 Million Euro ein. Der selbst gedrehte Spot kos-
tete gerade einmal 200 Euro und war in acht Stunden fertig. Doch trotz des Erfolgs kann die
Nutzung von konsumentengenerierten Inhalten ein zeit- und kostenintensives Unterfangen
sein und für Unternehmen ist es möglicherweise schwierig, ein echtes Juwel in der Masse an
schlechten Einsendungen zu entdecken. Tatsächlich treiben Unternehmen ihre Bemühungen,
Kunden stärker in ihre Kampagnen einzubinden, allzu häufig voran, ohne an die Nachteile zu
denken. So forderte Starbucks Kunden in Großbritannien unklugerweise zum Tweeten von
Nachrichten mit dem Hashtag #spreadthecheer auf und veröffentlichte (sehr unklug) die
Tweets auf einer Großleinwand im National History Museum in London. Starbucks vergaß
dann, die Tweets zu prüfen (sehr, sehr unklug) – und einige davon nahmen das Thema der
angeblichen Steuervermeidung von Starbucks auf. Einer lautete: „Hey #Starbucks PAY YOUR
F***ING TAX“ („Hey #Starbucks ZAHLT EURE VERDAMMTEN STEUERN“). Auch British
Gas veranstaltete einen Wettbewerb auf Twitter, und zwar am selben Tag, an dem eine höchst
unpopuläre 11%ige Preiserhöhung angekündigt wurde. Es gab über 16.000 wütende Reaktio-
nen – 145 enthielten das Wort „Tod“ und 88 beschuldigten das Unternehmen der „Gier“.1 Da
Verbraucher außerdem so viel Kontrolle über die Inhalte der sozialen Medien haben, kann ihre
Beteiligung schnell nach hinten losgehen. Der Arzneimittelhersteller Benadryl zum Beispiel
wollte mit seiner interaktiven Pollen-Karte Allergiegeplagten helfen, Gebiete mit hoher Pollen-
konzentration zu ermitteln (und somit zu meiden). Die Anwender von Benadryl hatten aber
offenbar einen eigenen Sinn für Humor, der größer war als ihr Bedürfnis, Pollengebiete zu mei-
den. Clevere (oder nur gelangweilte?) Nutzer fanden sehr schnell heraus, dass man die Markie-
rungen in Flüche, Obszönitäten oder (für besonders findige Allergiker mit sehr viel Zeit) in
anzügliche und äußerst witzige Bilder umformen konnte.2

1 Siehe https://econsultancy.com/blog/63901-the-top-16-social-mediafails-of-2013#i.169qyp410jld96,
Zugriff Oktober 2015.
2 Siehe https://econsultancy.com/blog/63901-the-top-16-social-mediafails-of-2013#i.169qyp410jld96,
Zugriff Oktober 2015.

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1.5 Der Aufbau von profitablen Kundenbeziehungen

Mit zunehmender Vernetzung und Stärkung der Kunden und dem Boom in den digitalen und
sozialen Technologien spielt Konsumentenengagement bei den Marken eine immer größere
Rolle, sei es von Marketingexperten initiiert oder nicht. Durch den Überfluss an konsumenten-
generierten Videos, öffentlichen Bewertungen, Blogs, mobilen Apps und Webseiten werden
Verbraucher bei der Gestaltung eigener und fremder Markenerfahrungen immer wichtiger.
Aktive Verbraucher haben heute ein Mitspracherecht bei allen Prozessen, von Produktdesign,
Nutzung und Verpackung bis hin zu Markenbotschaft, Preisgestaltung und Vertrieb. Marken
müssen diese neue Verbraucherrolle berücksichtigen und die modernen Instrumente der digi-
talen und sozialen Mediennetze nutzen, wenn sie den Anschluss nicht verpassen wollen.

1.5.3 Partner Relationship Management (PRM)


Marketingverantwortliche können die Schaffung von Kundennutzen und den Aufbau starker
Kundenbeziehungen nicht alleine erreichen. Sie müssen eng mit verschiedenen Partnern
zusammenarbeiten. Neben einem erfolgreichen Customer Relationship Management sollte
man deshalb auch Partner Relationship Management betreiben. Hierbei geht es darum, wie
Marketer mit anderen Akteuren innerhalb und außerhalb des Unternehmens zusammenar-
beiten, um gemeinsam einen größeren Mehrwert für den Kunden zu erzeugen.
Traditionell war es die Aufgabe des Marketings, Kunden zu verstehen und Kundenbedürf-
nisse gegenüber verschiedenen Abteilungen des Unternehmens zu repräsentieren. Die alte
Denkweise war, dass Marketing nur vom Marketing, vom Vertrieb und vom Kundendienst
ausgeführt wird. In der heutigen, vernetzten Welt jedoch kann nahezu jede Abteilung im
Unternehmen vor allem elektronisch mit Kunden in Kontakt treten. Die neue Denkweise
unterscheidet nicht nach dem Job im Unternehmen und fordert jeden Mitarbeiter dazu auf,
Marketing zu verstehen und kundenorientiert zu denken und zu handeln. David Packard, der
Mitbegründer von HP, sagte, „Marketing ist viel zu wichtig, um nur der Marketingabteilung
überlassen zu werden“.
Marketer müssen also mit Lieferanten, Vertriebspartnern und anderen externen Parteien
zusammenarbeiten. Marketingkanäle bestehen aus Groß- und Einzelhändlern und anderen
Akteuren, die das Unternehmen mit den Käufern verbinden. Die Lieferkette bezeichnet einen
längeren Vertriebsweg, von den Rohstoffen und Komponenten bis zum fertigen Produkt für
die Endverbraucher. Durch Lieferketten-Management stärken Unternehmen heute ihre Bezie-
hungen zu allen Partnern der Lieferkette. Sie wissen, dass ihr Erfolg von mehr abhängt als
nur von der eigenen Leistung. Die erfolgreiche Schaffung von Kundennutzen basiert darauf,
wie gut die gesamte Lieferkette gegen die der Konkurrenz bestehen kann.

Der Aufbau von Beziehungen zu Marketingpartnern


Auch im Bereich der Verbindungen mit den Lieferanten, den Partnern in den eigenen Ver-
triebskanälen und sogar mit den Konkurrenten sind einschneidende Veränderungen vorge-
nommen worden. Modern geführte Unternehmen sind heute immer vernetzte Unternehmen,
deren Erfolg auf einer guten Zusammenarbeit mit ihren Partnern beruht. In diesem Zusam-
menhang ist insbesondere die Bildung von Wertschöpfungsketten und strategischen Allian-
zen näher zu betrachten.
Wertschöpfungsketten Das Modell der Wertschöpfungskette beschreibt einen langen, defi-
nierten Kanal, der sich von den Rohmaterialien über Baugruppen bis zum Endprodukt, das
dem endgültigen Käufer übergeben wird, erstreckt. Die Wertschöpfungskette für PCs würde
sich zum Beispiel aus den Herstellern der Gehäuse, der Computerchips usw., dem Unterneh-

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men, das den PC zusammenbaut, sowie den Großhändlern, den Einzelhändlern und System-
häusern, die die Computer an Endverbraucher und Unternehmen verkaufen, zusammenset-
zen. Jedes Mitglied der Wertschöpfungskette leistet einen Beitrag zum gesamten Wert, der
hier geschaffen wird.
Durch die Steuerung der Wertschöpfungskette (Wertschöpfungsketten-Management) stärken
und straffen Unternehmen ihre Vernetzung mit den entsprechenden Marketingpartnern. Dies
beruht auf der Erkenntnis, dass es nicht nur darauf ankommt, wie gut die eigenen Leistungen
sind, sondern insbesondere auch darauf, dass die gesamte Wertschöpfungskette gemeinsam
Bestleistungen erbringt, die es mit den Leistungen der Wertschöpfungsketten der Konkurren-
ten aufnehmen können. In einer derartigen Struktur kann es keine Unterschiede dahinge-
hend geben, die Lieferanten als Verkäufer und die Händler als Käufer zu behandeln. Beide
Gruppen sind Partner, wenn es darum geht, für den Kunden einen möglichst hohen Wert zu
schaffen. Unternehmen wie Nestlé, Danone und Procter & Gamble arbeiten zum Beispiel mit
Supermärkten zusammen, um die Logistik zu optimieren und die gemeinsam zu tragenden
Kosten derselben zu senken, woraus sich dann Preissenkungen für die Verbraucher ergeben.
Fast alle Autohersteller arbeiten heute mit ihren Lieferanten eng zusammen, um Qualität und
Abläufe zu optimieren. Mit ihren Händlernetzen kooperieren sie, um vor Ort die Verkaufs-
und Kundendienstarbeit zu unterstützen und die Kundenbindung zu erhöhen.
Strategische Allianzen Neben der Kooperation in Wertschöpfungsketten, die eine interne
Zusammenarbeit zwischen Unternehmen darstellt, ist vielen Unternehmen bewusst gewor-
den, dass sie strategische Partner benötigen, um Erfolg zu haben. In einer globalen Wirtschaft
mit intensivem Wettbewerb und einer stetig wachsenden Zahl an Produkten und Auswahl-
möglichkeiten schaffen es nur wenige Unternehmen, sich ganz allein am Markt zu halten.
Über alle Branchen und Dienstleistungen hinweg nimmt deshalb die Bedeutung strategischer
Allianzen zu. Unternehmen gehen mit Kunden, Lieferanten und anderen Partnern solche
Allianzen ein, um durch die gemeinsame Nutzung von Potenzialen mehr für alle beteiligten
Partner zu erreichen. Oft lassen sich Allianzen beobachten, bei denen Großunternehmen, die
den technologischen Durchbruch eines kleinen Partners beschleunigen wollen, diesen mit
ihrem weltweiten Vertriebsnetz, Kapital usw. unterstützen. Derartige strategische Allianzen
sollten ein faires Geben und Nehmen zwischen den Partnern darstellen und das Ganze zu
mehr als der Summe aller Teile zum beiderseitigen Vorteil anwachsen lassen, wie zum Bei-
spiel das Star Alliance Network im folgenden Marketing-Highlight.

Marketing-Highlight: The Star Alliance Network – The way the earth


connects

Ein Beispiel für eine erfolgreiche strategische Allianz ist die 1997 gegründete Star Alliance,
ein Zusammenschluss von derzeit 28 internationalen Luftverkehrsgesellschaften. Neben der
Deutschen Lufthansa sind Adria Airways, Aegean Airlines, Air Canada, Air China, Air
India, Air New Zealand, ANA, Asiana Airlines, Austrian, Avianca, Brussels Airlines, Copa
Airlines, Croatia Airlines, EGYPTAIR, Ethiopian Airlines, EVA Air, LOT Polish Airlines,
Scandinavian Airlines, Shenzhen Airlines, Singapore Airlines, South African Airways,
SWISS, TAP Portugal, THAI, Turkish Airlines und United beteiligt. Die Juneyao Airlines
aus Shanghai wurde im Mai 2017 als der erste Connecting Partner aufgenommen, um das
Netzwerk der Star Alliance durch neue Umsteigeverbindungen noch weiter auszubauen.

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Wichtigstes Merkmal der größten Flugallianz der Welt ist die Vernetzung von Fluglinien
und Buchungssystemen. Die beteiligten Airlines verfügen über ein Angebot von mehr
als 18.500 täglichen Flügen zu mehr als 1300 Destinationen in 191 Ländern und bieten
ihren Kunden dadurch schnelle Verbindungen, Flexibilität und eine kürzestmögliche
Gesamtreisedauer. Beispielsweise erhalten die Passagiere bei Reiseantritt auch schon
die Bordkarte für den Weiterflug mit einem anderen Allianzmitglied, sodass ein erneu-
tes Einchecken nicht nötig ist. Darüber hinaus genügt die Teilnahme am Vielfliegerpro-
gramm nur eines Star Alliance-Mitglieds, um bei allen Fluggesellschaften im Netzwerk
Meilen sammeln und einlösen zu können. Dadurch können die Fluggäste wesentlich
schneller einen höheren Status erreichen, welcher sie wiederum zu zusätzlichen Vorzü-
gen berechtigt. So kommt man mit Star Alliance-Gold-Status in den Genuss von separa-
tem Check-in, Priorität auf der Reservierungswarteliste, zusätzlichem Freigepäck und
Zugang zu den mehr als 1000 komfortablen Flughafen-Lounges weltweit.

Abbildung 1.10: Airbus A320-232, Star Alliance


(Quelle: Igor Dvurekov (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Airbus_A320-232,_Star_Alliance_(Aegean_Airlines)_
AN1754880.jpg), „Airbus A320-232, Star Alliance (Aegean Airlines) AN1754880“, https://creativecommons.org/licen-
ses/by-sa/3.0/legalcode)

Aber auch für die Airlines selbst ist die Allianz von großem Nutzen. Durch die Koopera-
tion im Star-Alliance-Netzwerk können höhere Erträge erzielt und gleichzeitig durch
Nutzung von Synergien die Kosten reduziert werden, z.B. durch gemeinsame Bodenein-
richtungen wie Check-in-Schalter. Hinzu kommen Vorteile durch den gemeinsamen
Einkauf von Materialien und Rohstoffen. Ferner sollen durch Projekte wie gemeinsame
Abfertigung von Flügen oder Zusammenlegung von Lounges Einsparungen in zweistel-
liger Millionenhöhe für alle Mitglieder erzielt werden.
Quellen: Star Alliance Services GmbH, Webseite der Star Alliance Services GmbH unter: http://
www.staralliance.com [30.01.2018]
https://www.aerotelegraph.com/connecting-partner-juneyao-airlines-star-alliance-schafft-es-im-
zweiten-anlauf [30.01.2018]

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Viele strategische Allianzen werden in Form von Marketingallianzen geschlossen. Diese kön-
nen Produkt- oder Service-Allianzen sein, bei denen entweder ein Unternehmen einem
anderen die Lizenz gewährt, die Produkte nachzubauen, oder zwei Unternehmen ihre Pro-
dukte gemeinsam vertreiben. Werbe-Allianzen haben zum Ziel, die Produkte der verschiede-
nen Partner gemeinsam bekannt zu machen. Logistik-Allianzen werden eingegangen, um die
Distribution für mehrere Produkte gemeinsam durchzuführen.
Im Bereich der Medien finden wir Angebots-Allianzen, bei denen sich zum Beispiel der
Anbieter eines Fernsehprogramms und der eines Internetportals zusammenschließen, um
einerseits das Fernsehbild mit einer Fußzeile aktueller Internetmeldungen zu ergänzen und
andererseits die Ergebnisse der redaktionellen Arbeit der Fernsehstation 24 Stunden lang im
Internet verfügbar zu machen.

1.6 Die Erlangung eines Gegenwerts von den Kunden


Die ersten vier Schritte des Marketingprozesses, der in Abbildung 1.2 dargestellt wurde,
umfassen den Aufbau von Kundenbeziehungen durch die Schaffung und Übertragung von
Kundennutzen. Im letzten Schritt geht es darum, von den Kunden einen Gegenwert zu erlan-
gen, und zwar in Form von gegenwärtigen und zukünftigen Verkäufen, von Marktanteil und
Gewinn. Im Folgenden diskutieren wir die Ergebnisse der Schaffung von Kundennutzen:
Kundentreue und Kundenbindung, Marktanteil und Anteil am Kundenbudget sowie Kun-
denwert.

1.6.1 Die Schaffung von Kundentreue und Kundenbindung


Einerseits werden Unternehmen wählerischer, wenn es darum geht, Kunden dauerhaft zu
halten. Andererseits geben sie sich heute mehr Mühe, sie zufriedenzustellen. In der Vergan-
genheit hat man sich häufig darauf konzentriert, neue Kunden anzuwerben und mit ihnen
Kaufabschlüsse zu tätigen. Heute versucht man verstärkt, vorhandene Kunden sorgfältig zu
bedienen und mit ihnen lang andauernde Kundenbeziehungen aufzubauen, die auf Kunden-
zufriedenheit begründet sind.
Gutem Kundenbeziehungsmanagement gelingt es, die Konsumenten zu begeistern. Diese
bleiben wiederum treu und loben das Unternehmen und dessen Produkte gegenüber ande-
ren. Studien zeigen große Unterschiede in der Bindung von Konsumenten, die unzufrieden,
einigermaßen zufrieden oder hochzufrieden sind. Schon ein leichter Abfall der Zufrieden-
heit kann einen gewaltigen Rückgang der Loyalität bewirken. Infolgedessen sind nicht nur
zufriedene, sondern begeisterte Kunden das Ziel des Kundenbeziehungsmanagements. Auch
hat man erkannt, dass ein abgewanderter Kunde nicht nur den Verlust eines einzigen Ver-
kaufs bedeutet, sondern den lebenslangen Wert an Einkäufen und Empfehlungen. Immer
mehr verschiebt sich deshalb der Schwerpunkt der Aktivitäten darauf, den Käufer ein Leben
lang zu begleiten und eine solide und kontinuierliche Beziehung zu etablieren. Ziel ist es,
Kunden langfristig zu halten und so ihren „customer lifetime value“ auszuschöpfen. Letzte-
rer misst den Gewinn, den ein Unternehmen mit einem Kunden über seinen gesamten
Lebenszyklus generieren kann.

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1.6 Die Erlangung eines Gegenwerts von den Kunden

1.6.2 Die Erlangung eines höheren Anteils am Kundenbudget


Da immer mehr Unternehmen es schaffen, ihre Kunden zu binden, wird es für neue Anbieter
schwieriger, in diese fest verankerten Beziehungen einzubrechen und neue Kunden zu
gewinnen. Im Ergebnis beschäftigt sich das Marketing immer weniger damit, dem ehemals
magischen Ziel „Erhöhung des Marktanteils“ nachzulaufen. Die Bemühungen sind vielmehr
darauf gerichtet, das Einkaufsvolumen der vorhandenen Käufer zu erhöhen. Die Angebote an
die vorhandenen Kunden werden immer vielfältiger und die Mitarbeiter werden ausgebildet,
höherwertige Produkte und ergänzende und verwandte Produkte zu verkaufen, sobald ein
treuer Kunde das Geschäft betritt (die englischen Fachausdrücke dafür sind up-selling und
cross-selling). Viele Buchhändler führten zunächst nur Bücher, haben ihr Sortiment aber
inzwischen durch Musikmedien, Videos, Computer-Software, Glückwunschkarten, literatur-
nahe Spielwaren usw. ergänzt. Auf diese Weise kann es zum Beispiel einem Buchhändler
gelingen, einen immer höheren Anteil der Freizeitausgaben seiner Kunden als Umsatz zu
vereinnahmen.

1.6.3 Der Aufbau von Kundenwert


Wir wissen nun, dass Kundenbeziehungsmanagement eine langfristige Perspektive hat und
es nicht nur darum geht, neue Kunden anzuziehen, sondern diese auch zu halten und
gemeinsam mit ihnen zu wachsen. Das letztliche Ziel des Kundenbeziehungsmanagements
ist die Schaffung eines hohen Kundenwerts (Customer Equity). Hierunter versteht man die
Summe der diskontierten „customer lifetime values“ aller gegenwärtigen und potenziellen
Kunden eines Unternehmens. Der Kundenwert eines Unternehmens ist umso höher, je treuer
die profitablen Kunden sind. Im Gegensatz zu Umsatz und Marktanteil ist der Kundenwert
zukunftsgerichtet und ein besseres Maß für die Bewertung eines Unternehmens.
Unternehmen sind gut beraten, wenn sie ihren „customer equity“ sorgfältig verwalten und
ihre Kunden als Vermögen ansehen, das sie sorgfältig managen und maximieren sollten.
Jedoch sind nicht alle Konsumenten, auch nicht die treuen, eine gute Investition. Auch
loyale Konsumenten können unprofitabel sein und untreue profitabel. Es gilt also, die richti-
gen Beziehungen zu den richtigen Kunden aufzubauen. Doch wie lassen sich diese identifi-
zieren?
Man kann seine Kunden anhand ihrer potenziellen Profitabilität klassifizieren und die Bezie-
hung zu ihnen dementsprechend gestalten. Abbildung 1.11 teilt die Kunden bezüglich der
Kriterien Wirtschaftlichkeit und voraussichtliche Loyalität in vier Beziehungstypen ein. Jede
Gruppe benötigt eine eigene Strategie des Beziehungsmanagements.
 Fremde sind durch eine niedrige Ertragskraft und eine geringe Treue gekennzeichnet.
Zwischen den Angeboten des Unternehmens und den Bedürfnissen dieser Konsumenten
herrscht nur wenig Übereinstimmung. Die Strategie des Beziehungsmanagements für
diese Kunden ist einfach: Investiere nichts in sie.
 Schmetterlinge sind profitabel, aber nicht treu. Hier existiert eine Übereinstimmung zwi-
schen ihren Bedürfnissen und den Angeboten des Unternehmens. Allerdings bereiten sie
– wie richtige Schmetterlinge – nur eine kurze Weile Freude, ehe sie wieder verschwin-
den. Anstrengungen, Schmetterlinge in treue Kunden umzuwandeln, sind selten erfolg-
reich. Stattdessen sollte das Unternehmen die Schmetterlinge für den Augenblick genie-
ßen. Es kann verkaufsfördernde Aktionen einsetzen, um Schmetterlinge anzuziehen,
ertragreiche Transaktionen mit ihnen abwickeln und dann die Investitionen in sie einstel-
len, bis sie wieder auftauchen.

69
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

 Wahre Freunde sind sowohl ertragreich als auch treu. Es besteht eine große Übereinstim-
mung zwischen den Kundenbedürfnissen und den Unternehmensangeboten. Ein Unter-
nehmen sollte regelmäßig in diese Beziehungen investieren, um die Kunden zu erfreuen,
zu fördern und zu binden. So lassen sich „wahre Freunde“ in „wahre Fans“ umwandeln,
die regelmäßig zurückkehren und anderen von ihren guten Erfahrungen mit dem Unter-
nehmen berichten.
 Kletten sind sehr loyal, aber nicht ertragreich. Ihre Bedürfnisse und das Unternehmensan-
gebot passen nur begrenzt zusammen. Ein Beispiel sind kleine Bankkunden, die zwar seit
vielen Jahren ihrem Institut treu sind, aber ein so geringes Geschäftsvolumen haben, dass
die Kosten für die Führung ihres Kontos nicht erwirtschaftet werden. Kletten stellen die
vielleicht problematischsten Kunden dar. Manchmal ist man in der Lage, sie durch zusätz-
lichen Verkauf, höhere Preise oder die Reduktion von Serviceleistungen zu lohnenden
Kunden zu machen. Sollte dies nicht gelingen, ist zu überlegen, ob man sich von ihnen
trennt.
Der springende Punkt ist, dass verschiedene Kundentypen unterschiedliche Strategien des
Beziehungsmanagements erfordern. Das Ziel ist der Aufbau der richtigen Beziehungen mit
den richtigen Konsumenten.

Schmetterlinge Wahre Freunde


Mögliche Profitabilität

Hohe Übereinstimmung Hohe Übereinstimmung


hoch zwischen Kundenbedürfnissen zwischen Kundenbedürfnissen
und Unternehmensangebot; und Unternehmensangebot;
großes Ertragspotenzial größtes Ertragspotenzial

Fremde Kletten
Geringe Übereinstimmung Begrenzte Übereinstimmung
niedrig zwischen Kundenbedürfnissen zwischen Kundenbedürfnissen
und Unternehmensangebot; und Unternehmensangebot;
niedrigstes Ertragspotenzial niedriges Ertragspotenzial

niedrig hoch

Angestrebte Beziehungsdauer
Abbildung 1.11: Vier Beziehungstypen von Kunden

1.7 Das Marketingumfeld im Wandel


Neben der Neudefinition der Beziehungen zu Kunden und Partnern werfen Marketer auch
einen prüfenden Blick darauf, wie sie mit dem Umfeld ihres Unternehmens im weitesten
Sinne verbunden und vernetzt sind. Dieses Umfeld hat sich in den letzten Jahren stark
gewandelt. Richard Love von Hewlett-Packard stellt dazu fest, dass „die Geschwindigkeit der
Veränderung so groß ist, dass die Fähigkeit, sich zu verändern, zu einem Wettbewerbsvorteil
geworden ist.“ Marketingfachleute sind umgeben von Veränderungen im Bereich ihrer Kun-
den und Wettbewerber, von Technologien und der politischen Landschaft. Unternehmen, die
die Notwendigkeit kontinuierlichen Wandels nicht früh genug erkennen, bleiben auf der
Strecke. Gewinner sind diejenigen, die den Wandel aktiv gestalten.
In diesem Abschnitt untersuchen wir Trends und Kräfte, die die Marketinglandschaft verän-
dern: das digitale Zeitalter, das sich ändernde ökonomische Umfeld, das Wachstum des Non-
Profit-Marketings, die Globalisierung und die zunehmende Bedeutung einer stärkeren ethi-
schen und sozialen Verantwortung.

70
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1.7 Das Marketingumfeld im Wandel

1.7.1 Das digitale Zeitalter: Onlinemarketing, mobiles Marketing und


Social-Media-Marketing
Die anhaltend rasante technologische Entwicklung hat uns in ein neues digitales Zeitalter
geführt, in dem das Internet als Führungstechnologie gilt, wenn es um neue Modelle wirt-
schaftlicher Betätigung geht. Das explosionsartige Wachstum in der Computer-, Telekommu-
nikations-, Informations- und Beförderungstechnologie sowie in anderen Technologieberei-
chen beeinflusst in hohem Maße die Art, wie Unternehmen Kundenwert schaffen.
Die neuen Technologien bringen innovative Wege hervor, um über Kunden zu lernen und
Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die auf deren individuelle Bedürfnisse zuge-
schnitten sind. Mittels Videokonferenzen können Marketingforscher in ihrem Büro eine
Gruppendiskussion in Chicago, Paris oder Tokio verfolgen, ohne ein Flugzeug zu betreten.
Mit wenigen Mausklicks kann ein Marketingspezialist einen Onlinedatendienst kontaktie-
ren, um Informationen über typische Zielgruppen zu sammeln – angefangen bei dem Auto,
das man fährt, über die Bücher, die man gerne liest, bis hin zu der Lieblingssorte Eiscreme.
Viele Marketingfachleute bauen ihre eigenen detaillierten Kundendatenbanken auf und ver-
wenden diese, um Kunden ganz individuell mit Angeboten anzusprechen, die an ihren spe-
zifischen Bedürfnissen ausgerichtet sind.
Die meisten Verbraucher lieben digitale Geräte. Laut einer Studie beispielsweise schläft mehr
als die Hälfte der Europäer mit dem Mobiltelefon neben dem Bett – es wird morgens nach
dem Aufwachen als Erstes und vor dem Schlafengehen als Letztes berührt. Unter den belieb-
testen Zieladressen finden sich die massenhaften Webseiten und sozialen Medien, die in den
letzten Jahren entstanden sind.
Verbraucher informieren sich mithilfe des Internets über Design, Bestellung und Bezahlung
eines Produkts oder einer Dienstleistung, ohne jemals das Haus verlassen zu müssen. Durch
ausgeklügelte Logistik erreichen die Produkte den Kunden schneller als je zuvor, oft in weni-
ger als 24 Stunden.
Tatsächlich ist das Onlinemarketing mittlerweile derart etabliert, dass es nicht mehr neu
erscheint. Es durchflutet alle vier Elemente des Marketing-Mix insofern, als der elektronische
Marktplatz einen eigenen Distributionskanal darstellt und seine eigenen Produkte, Preise
und Kommunikationsaktivitäten hat.
Auch für die Verbraucher ist die Nutzung des Internets beim Einkauf zur alltäglichen Routine
geworden. Egal ob ein Händler eine Geschäftstätigkeit online ausübt oder nicht, seine Kun-
den nutzen zunehmend das Internet, um sich über Produkte, Dienstleistungen und Preise zu
informieren, bevor sie kaufen.
Die Liebe der Verbraucher zu digitalen und mobilen Technologien bietet Marketingfachleu-
ten einen fruchtbaren Boden für Kundenengagement. So ist es wenig überraschend, dass das
Internet und der rasante Fortschritt bei digitalen und sozialen Medien die Welt des Marke-
tings im Sturm erobert haben. Digitales und Social-Media-Marketing umfasst die Nutzung
digitaler Marketing-Instrumente wie Webseiten, soziale Medien, mobile Werbung und Apps,
Online-Videos, E-Mail, Blogs und andere digitale Plattformen, mit denen Verbraucher über-
all, zu jeder Zeit über ihre Computer, Smartphones, Tablets, Internet-fähigen TV-Geräte und
andere digitalen Geräte eingebunden werden. Heute scheint es, dass jedes Unternehmen die
Verbraucher mit multiplen Webseiten, informativen Tweets und Facebook-Seiten, viraler
Werbung und YouTube-Videos, Rich Media und mobilen Apps erreichen will, um deren Pro-
bleme zu lösen und sie beim Einkauf zu unterstützen.

71
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Als grundlegendste Maßnahme schalten Marketingverantwortliche Firmen- und Markenweb-


seiten, die Informationen bieten und die Produkte des Unternehmens bewerben. Viele dieser
Seiten dienen auch als Online-Marken-Communitys, in denen Verbraucher ihre markenbezo-
genen Interessen und Informationen zusammenstellen und austauschen können. Neben die-
sen Marken-Webseiten integrieren die meisten Unternehmen auch soziale und mobile
Medien in ihren Marketing-Mix.

Social-Media-Marketing
Man findet heute kaum eine Markenwebseite oder auch traditionelle Medienwerbung, die
keinen Link zum Markenauftritt bei Facebook, Twitter, Google+, LinkedIn, YouTube, Pinte-
rest, Instagram oder anderen sozialen Medien enthält. Soziale Medien bieten Möglichkeiten
zur Ausweitung des Kundenengagements und machen die Marke zum Gesprächsthema. Die
meisten europäischen Firmen nutzen die Vorteile oder Anwendung der sozialen Medien als
Teil des Marketingmix und bei den meisten gibt es Social-Marketing-Teams. Diverse Schät-
zungen gehen davon aus, dass die Ausgaben für Social-Media-Marketing etwa 10 Prozent des
gesamten Marketingbudgets ausmachen und in den nächsten fünf Jahren auf fast 20 Prozent
steigen werden. Einige soziale Medien sind riesig – Facebook hat z.B. mehr als 1,1 Milliarden
Mitglieder, Twitter über 500 Millionen und Pinterest vereint 70 Millionen. Instagram besu-
chen schätzungsweise 85 Millionen Einzelnutzer pro Monat. Und Reddit, die Online Social
News Community, zählt monatlich fast 70 Millionen Einzelbesucher aus 174 Ländern. Doch
auch schwerpunktmäßige soziale Medienseiten sind auf dem Vormarsch; so z.B. CafeMom,
eine Online-Community von mehr als 20 Millionen Müttern, die auf der Online-Plattform,
bei Facebook, Twitter, Pinterest, YouTube, Google+ und den mobilen Seiten Ratschläge und
gegenseitige Unterstützung bieten. Die sozialen Netzwerke bieten ein digitales Zuhause, in
dem Menschen zusammenkommen und wichtige Informationen sowie Momente in ihrem
Leben miteinander teilen können. Die Nutzung sozialer Medien kann einfache Aktionen wie
Wettbewerbe oder Kampagnen beinhalten, die möglichst viele Facebook-Likes, Tweets oder
YouTube-Postings generieren.

Mobiles Marketing
Mobiles Marketing ist vielleicht die am schnellsten wachsende digitale Marketing-Plattform.
Etwa 29 Prozent der Smartphone-Nutzer verwenden ihre Geräte für Aktivitäten rund ums
Einkaufen – sie holen sich Produktinformationen über Apps oder aus dem mobilen Internet,
vergleichen Preise zwischen den Online-Stores, lesen Online-Produktbewertungen, lösen
Coupons ein und vieles mehr. Smartphones sind überall präsent, ständig eingeschaltet,
genau auf den Nutzer abgestimmt und sehr privat. Damit sind sie ideal, um die Kunden beim
Durchlaufen der Einkaufsprozesse jederzeit und überall einzubinden. Die Kunden von Costa
Coffee beispielsweise können über ihre mobilen Geräte alle möglichen Informationen bezie-
hen, von der nächstgelegenen Costa-Coffee-Filiale über die neuesten Produkte bis hin zur
Aufgabe und Bezahlung von Bestellungen. Marketer nutzen die mobilen Kanäle, um Direkt-
käufe anzuregen, das Shoppen einfacher zu machen oder die Markenerfahrung zu steigern –
natürlich auch alles gleichzeitig. Die „Wish-Bone“-Kampagne von Unilever war ein innovati-
ver Ansatz für das mobile Marketing. Man wollte damit das Markenbewusstsein für die neue
Linie italienischer Salatdressings steigern. So schaltete das Unternehmen ganzseitige Anzei-
gen und schuf Inhalte, in denen die wichtigsten Schlagwörter ausgespielt wurden – pikant,
würzig und lecker. Das Unternehmen spornte die Kundeneinbindung an, indem die Verbrau-
cher Kennwörter im Zusammenhang mit der Marke eingeben und die Inhalte öffnen konnten.
Durch diese innovative Kampagne stieg das Markenbewusstsein um 122 Prozent und die

72
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1.7 Das Marketingumfeld im Wandel

Kaufabsicht bei den Kunden um 87 Prozent.3 Obwohl sowohl Online- und Mobile Marketing
als auch Social-Media-Marketing enormes Potenzial bieten, erforschen die meisten Marketin-
gexperten noch, wie man sie wirksam einsetzen kann. Entscheidend ist, die neuen digitalen
Ansätze in das traditionelle Marketing einzufügen und so die integrierte Marketingstrategie
und den Mix zu optimieren.
Ein Problem stellt zudem nach wie vor die mangelnde Sicherheit im Netz dar. Computersys-
teme, die über das Internet erreichbar sind, können zum Ziel externer Angriffe werden. Ver-
braucher sind besorgt, wenn sie zum Beispiel Kreditkartendaten, Kontonummern oder
andere vertrauliche Informationen im Netz übermitteln, dass diese dort abgefangen und
missbraucht werden können. Jedoch ist angesichts der atemberaubenden Geschwindigkeit,
mit der sich Technologie und Anwendungen des Internets entwickelt haben, kaum anzuneh-
men, dass diese Unwägbarkeiten die Millionen von Unternehmern und privaten Anwendern
davon abhalten werden, sich auch in Zukunft jeden Tag im Internet zu bewegen.
Wir werden im weiteren Verlauf noch näher auf das digitale, das Mobile und das Social-
Media-Marketing eingehen – sie betreffen fast jeden Bereich der Marketingstrategie und der
taktischen Maßnahmen. Nachdem die Grundlagen des Marketings abgedeckt sind, werfen
wir in Kapitel 17 einen genaueren Blick auf das digitale und das Direktmarketing.

1.7.2 Das sich ändernde ökonomische Umfeld


Seit 2008 erfuhren weltweit viele Volkswirtschaften einen ökonomischen Abschwung, wie
man ihn seit der Rezession der 1930er-Jahre nicht mehr erlebt hatte. Die Finanzkrise hinter-
ließ verunsicherte Verbraucher, die wenig Vertrauen und Geld in der Tasche hatten und mit
Einkommensverlusten, einer Kreditknappheit, fallenden Immobilienpreisen und einer stei-
genden Arbeitslosenrate konfrontiert waren.
In der heutigen Zeit nach der Rezession steigen die Einkommen und Ausgaben der Verbrau-
cher wieder an. Doch trotz der wirtschaftlichen Erholung kehren Europäer nicht zur alten
Konsumfreude zurück, sondern legen einen Frugalismus an den Tag, wie es ihn seit Jahr-
zehnten nicht gab. Der achtsame Konsum erlebt ein Comeback und scheint von Dauer zu
sein. Die neuen Verbraucherwerte orientieren sich eher am einfachen Leben und mehr Preis-
bewusstsein. Trotz steigender Kaufkraft geben die Verbraucher weniger aus, lösen mehr Cou-
pons ein, nutzen ihre Kreditkarten seltener und legen mehr Geld bei den Banken an.
„Die neue Sparsamkeit, die aus der Rezession geboren wurde, wird nun zu einem fest ver-
wurzelten Konsumentenverhalten, das auch weiter bestehen wird, wenn sich die Wirtschaft
erholt hat“, sagt ein anderer Analyst.
Als Antwort darauf haben Unternehmen aller Industriezweige, von Discountern wie Lidl und
ALDI bis hin zu Luxusmarken wie Lexus oder Montblanc, ihre Marketingstrategien an die neue
wirtschaftliche Realität angeglichen. Marketer betonen den Nutzen mehr als jemals zuvor in
ihrem Nutzenversprechen. Sie fokussieren sich auf das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Zweck-
mäßigkeit und die Haltbarkeit ihrer Produkte und Marketingbotschaften. „Nutzen ist das magi-
sche Wort“, sagt ein Marketingleiter. Heutzutage „rechnen Menschen in ihren Köpfen nach und
sind viel bedachter, bevor sie einen Kauf tätigen. Nun werden wir sogar noch fokussierter dar-
auf sein, Verbrauchern zu helfen, den wahren Wert unserer Produkte zu erkennen.“ Auch viele
wohlhabendere Verbraucher folgen diesem Trend in Richtung Sparsamkeit.

3 Siehe www.mobilemarketer.com/cms/news/advertising/15918.html, Zugriff Oktober 2015.

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Im Zuge der Anpassung an die neuen ökonomischen Rahmenbedingungen waren einige Unter-
nehmen verleitet, Marketingbudgets stark zu kürzen und Preise drastisch zu senken, um
finanzschwache Kunden zum Kauf zu motivieren. Obwohl Kostensenkungen und Sonderange-
bote wichtige Marketingtaktiken in einer schwachen Wirtschaftslage sein können, haben kluge
Marketer verstanden, dass Einsparungen an den falschen Stellen dem Markenimage und den
Kundenbeziehungen langfristig schaden können. Andere Unternehmen hielten deshalb an
ihren Preisen fest und erklärten stattdessen, warum ihre Marken den Preis wert sind. Anstatt
Marketingbudgets in Krisenzeiten zu kürzen, haben Unternehmen wie Tesco, Santander, Voda-
fone und Ikea ihre Marketingausgaben konstant gehalten oder sogar erhöht. Ihr Ziel in unsiche-
ren wirtschaftlichen Zeiten ist es, Marktanteile aufzubauen und Kundenbeziehungen auf Kos-
ten von Wettbewerbern, die ihre Ausgaben zurückfahren, zu stärken.
„Ein Konjunkturrückgang bringt Gewinner und Verlierer hervor, genauso wie ein Konjunk-
turaufschwung“, bemerkt ein Ökonom. „Wenn eine Rezession endet und sich neue Chancen
auftun, wird Ihre Wettbewerbsposition davon abhängen, wie gekonnt Sie die schwierigen
Zeiten gemeistert haben.“ Die Herausforderung besteht darin, das Nutzenversprechen einer
Marke mit den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in ein Gleichgewicht zu brin-
gen und gleichzeitig den Markenwert langfristig zu erhöhen.
Eine schwierige Konjunktur kann für die einen eine Bedrohung, für andere jedoch eine
Chance darstellen. Beispielsweise stellt die Tatsache, dass 40 Prozent der Verbraucher weni-
ger auswärts essen gehen, eine Bedrohung für viele Restaurants dar. Hieraus ergibt sich
jedoch auch eine Chance für Fast-Food-Ketten. So stiegen die Umsätze von McDonald’s wäh-
rend der Wirtschaftskrise weltweit stetig an, insbesondere im Vereinigten Königreich, in
Frankreich und in Russland.

1.7.3 Das Wachstum des Non-Profit-Marketings


In der Vergangenheit wurde Marketing vor allem in den gewinnorientierten Wirtschaftsberei-
chen angewandt. Seit einigen Jahren hat sich das Marketing jedoch als wichtiger Strategiebe-
standteil auch bei vielen nicht profitorientierten Organisationen (sogenannten Non-Profit-
Organisationen) wie Hochschulen, Krankenhäuser, Museen, Zoos, Sinfonieorchester, politi-
sche Parteien und sogar Kirchen bewährt. Gutes Marketing kann ihnen helfen, neue Mitglie-
der und Unterstützung jedweder Form anzuziehen. Hier einige Beispiele:
Marketing-Aktivitäten der Kirchen und des Vatikans Um weitere Rückgänge bei der Anzahl
der Kirchenbesucher abzufangen, haben zum Beispiel die Kirchen Großbritanniens neue Wege
gesucht, um Mitglieder zu werben und finanzielle Unterstützung zu erhalten. Entgegen konser-
vativer Ansichten nutzen Kirchenführer zunehmend die Presse, den Hörfunk, das Fernsehen
und das Internet, um Werbung für die Religion zu betreiben. Mehrere religiöse Gruppen haben
entweder feste Sendezeiten gemietet oder betreiben eigene Rundfunk- und Fernsehsender. Der
Vatikan hat auch renommierte Werbeagenturen, darunter zum Beispiel Saatchi & Saatchi,
beauftragt, Fernsehkampagnen durchzuführen. Der Internetauftritt des Vatikans ist sicherlich
eine der interessantesten Websites überhaupt, mit großer Themenvielfalt, aber auch in einmali-
ger Vielsprachigkeit (www.vatican.va); auf YouTube hat der Vatikan einen eigenen Kanal einge-
richtet, der täglich mit Filmen vom vatikanischen Fernsehzentrum gespeist wird.
Gemeinschaftsinitiativen, Wohltätigkeitsorganisationen, Tierschutz Viele Organisationen
haben die Sammelbüchse und die Tombola der lokalen Vereinsheime gegen moderne Marke-
tingaktionen eingetauscht. Organisationen wie die „Aktion Mensch“, die „DGzRS – Deutsche
Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ oder das „Rote Kreuz“ und seine regionalen Unter-

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1.7 Das Marketingumfeld im Wandel

organisationen setzen Marketingmaßnahmen ein, um Beachtung und Aufmerksamkeit zu


erringen, die Position auf den angestrebten Zielmärkten zu festigen, die öffentliche Meinung
zu beeinflussen und Spenden zu erhalten. Alle diese Organisationen, zu denen auch der
CVJM bzw. YMCA, die Heilsarmee, die Pfadfinder sowie die Caritas und die Innere Mission
gehören, haben die Mittel des Marketings genutzt, um ihren Auftritt, ihr Image und ihr „Pro-
dukt“ insgesamt zu modernisieren und um Mitglieder sowie Spender anzuwerben.
Regierung und staatliche Stellen Auch Regierungen setzen heute mehr denn je Maßnah-
men des Marketings ein. So veröffentlicht Bundeskanzlerin Merkel seit Mitte 2006 wöchent-
lich ein Video-Podcast, Barack Obama nutzte in seinem Wahlkampf Blogs, Internetforen und
YouTube. Andere Regierungsbehörden und Wohltätigkeitsorganisationen entwickeln soziale
Marketingkampagnen, um Gespräche über Energie und die Umwelt anzuregen oder vom
Rauchen, exzessiven Trinken und Drogenkonsum abzuschrecken.

Abbildung 1.12: Beispiel für eine Anzeige aus dem Non-Profit-Bereich


(Quelle: v. Bodelschwinghsche Anstalten Bethel, Webseite unter: www.bethel.de.)

1.7.4 Die schnelle Globalisierung


Durch die beschriebenen Entwicklungen ist die Welt kleiner geworden und viele Marketin-
gabteilungen sind jetzt weltweit mit ihren Kunden und Partnern vernetzt. In den letzten bei-
den Jahrzehnten kam es zu radikalen Strukturbrüchen in den Weltwirtschaftsbeziehungen.

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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Geografische und kulturelle Distanzen sind durch für fast jeden erschwingliche Flugreisen,
durch leistungsfähige interkontinentale Computer- und Telefonverbindungen, Fernsehsatel-
liten und andere Technologien deutlich zusammengeschrumpft. Diese Entwicklung hat vie-
len Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, ihre Absatz- und Beschaffungsmärkte weltweit
auszudehnen. Das Ergebnis ist ein komplexes und für Unternehmen und Privatpersonen glei-
chermaßen unüberschaubares globales Marketingumfeld.
Nahezu jedes Unternehmen, sei es groß oder klein, ist heute auf irgendeine Weise von inter-
nationaler Konkurrenz berührt. Ein benachbarter Florist kauft seine Blumen von Feldern in
Ghana, ein Elektronikhersteller konkurriert in seinem heimischen Markt mit japanischen
Wettbewerbern, ein Internethändler, der auf einmal für ein spezielles Produkt Aufträge aus
aller Welt bedient, oder ein Konsumgüteranbieter, der international auch auf Märkten in
Schwellenländern tätig sein möchte. Wenn man als Kunde von Deutschland aus eine Hotline
anruft, spricht man nicht selten mit einem Spezialisten, der in Irland oder in Indien sitzt.
Europäische Unternehmen werden schon seit vielen Jahren von japanischen, koreanischen
und nunmehr auch indischen und chinesischen Mitbewerbern auf ihren angestammten
Märkten herausgefordert. Unternehmen wie Toyota, Lenovo und Samsung haben in zahlrei-
chen ausländischen Märkten ihre einheimischen Wettbewerber übertroffen. Umgekehrt
konnten europäische Unternehmen in zahlreichen Exportmärkten ihre Chancen nutzen und
sich gegen dortige Konkurrenten durchsetzen, man denke beispielsweise an Siemens in den
Bereichen Industrie, Energie und Gesundheit, Maschinenbauer wie Trumpf oder Chemie-
und Pharmakonzerne wie BASF und Bayer.
Neue weltweite Marktführer wie Amazon, Google oder Facebook starteten fast von Anfang an
als globale Unternehmen. Es wird zunehmend schwieriger zu erkennen, wo Marken herge-
stellt und entworfen werden, wem ein Unternehmen gehört und wo sein Hauptsitz ist. Und
wen kümmert es?
In der heutigen Weltwirtschaftsordnung versuchen Unternehmen nicht nur, große Anteile
ihrer lokalen Produktion auf den internationalen Märkten abzusetzen, umgekehrt hat auch
der Einkauf von Komponenten, Rohmaterialien und Verbrauchsgütern eine internationale
Dimension. Immer mehr betriebliche Funktionen sind nun über Grenzen hinweg zu führen
und zu koordinieren. Viele im Inland produzierte Waren sind deshalb eigentlich „Hybride“,
da sie hohe Anteile importierter Vorleistungen in Form von Know-how, Design, vorgefertig-
ten Baugruppen oder Aggregaten aus verschiedenen Ländern enthalten.
Ein französischer Modeschöpfer kann sich zum Beispiel für einen Stoff aus australischer
Wolle, bedruckt in Italien, entscheiden. Er schickt die Skizze des entworfenen Kleids per E-
Mail an einen Agenten in Hongkong und beauftragt ihn mit der Suche nach Fertigungskapa-
zität, die dieser in China unter Vertrag nimmt. Die fertigen Kleidungsstücke kommen per
Luftfracht mit einer niederländischen Maschine zur Konfektionierung und Qualitätskont-
rolle nach Paris. Hier werden sie in einem Logistikzentrum eingelagert und Tag für Tag
anhand der vorliegenden Bestellungen und Reservierungen weltweit ausgeliefert, nach Düs-
seldorf, Mailand, Paris, New York und St. Petersburg.
Bei diesem Ausmaß an Veränderung ist es nicht verwunderlich, dass Interessenvertreter, von
Gewerkschaften, die die Jobs vor Ort schützen wollen, bis hin zu militanten Umweltschüt-
zern, die die Welt retten möchten, die Globalisierung beunruhigend finden. Es gibt aber auch
positive Entwicklungen. Durch die globale Angleichung der Einkommen entsteht nahezu
weltweit eine große, relativ wohlhabende Mittelklasse.

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1.7 Das Marketingumfeld im Wandel

Das Marketing sieht sich durch diese Verschiebungen einer Vielzahl an Herausforderungen
gegenüber. Manager haben zunehmend die ganze Welt und nicht mehr nur den heimischen
Markt im Blick, wenn sie ihre Branche, Wettbewerber und Wachstumschancen betrachten.
Hierbei stellen sich folgende Fragen:
 Was bedeutet globales Marketing?
 Wie unterscheidet es sich vom reinen Inlands-Marketing?
 Inwieweit hat unser Unternehmen internationale Konkurrenz zu berücksichtigen?
 Bis zu welchem Ausmaß sollen wir unser Unternehmen globalisieren?
In Kapitel 19 werden wir im Detail auf diese und weitere Fragen des internationalen Marke-
tings eingehen.

1.7.5 Nachhaltiges Marketing – der Ruf nach stärkerer Verantwortung für


Umwelt und Soziales
Der 1987 veröffentlichte Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwick-
lung stellt den Beginn des weltweiten Diskurses über Nachhaltigkeit dar. Die Brundtland-
Kommission definiert nachhaltige Entwicklung als „Entwicklung, die die Bedürfnisse der
Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass zukünftige Generationen ihre eigenen Bedürf-
nisse nicht befriedigen können.“
Die Marketer von heute sollten erkannt haben, dass sie ihre Arbeit in Bezug auf gesellschaft-
liche Wertvorstellungen und Verantwortlichkeiten täglich neu infrage stellen müssen. Da
weltweit Verbraucher- und Umweltschutzbewegungen an Macht und Bedeutung gewonnen
haben, bestehen heute größere und deutlichere Verpflichtungen denn je, die Auswirkungen
des eigenen Handelns auf Gesellschaft und Umwelt zu verantworten. In vielen Ländern Ost-
europas und in Schwellenländern Asiens wurde die Verschmutzung von Luft, Wasser und
Boden politisch lange Zeit hingenommen, was zu einem umso stärkeren Handlungsbedarf
geführt hat. Heute müssen Regierungen und internationale Organisationen gewissermaßen
„fünf nach zwölf“ schnell und entschlossen Korrekturmaßnahmen in Bezug auf die Zerstö-
rung der Regenwälder, die Erwärmung der Erde, bedrohte Tier- und Pflanzenarten und wei-
tere sehr ernst zu nehmende ökologische Defizite einleiten. Auf den Unternehmen lasten der
Druck und die Erwartungshaltung, sich aktiv an diesen Maßnahmen zu beteiligen.
Das Marketing sollte deshalb sein Handeln in Bezug auf soziale Verantwortung und Umwelt-
belange ständig überprüfen. Während es vor einigen Jahren oftmals noch genügen mochte,
auf Anliegen des Konsumenten- und Umweltschutzes lediglich zu reagieren, erwartet man
heute immer mehr ein auf Nachhaltigkeit beruhendes Agieren.
In den letzten Jahren gelangten nach der Schmiergeldaffäre bei Siemens, VWs „Dieselgate“
oder der Datenweitergabe von Facebook wirtschaftsethische Fragestellungen in den Fokus
der Öffentlichkeit. In diesen Fällen waren weder Strategien noch die Ethik der Unternehmen
nachhaltig, denn sie zerstörten das Vertrauen in sie, im Falle von Enron gar den Wohlstand
und das Leben vieler Menschen.
Nachhaltiges Marketing hingegen versucht, die Bedürfnisse derzeitiger Konsumenten zu
erfüllen, ohne zukünftige Generationen in deren Bedürfnisbefriedigung zu beeinträchtigen.
Hierzu sind alle Aktivitäten eines Unternehmens hinsichtlich ihrer ökonomischen Effizienz
und ihrer ökologischen und sozialen Konsequenzen zu prüfen und zu bewerten. Das Konzept
ist auf der Erkenntnis begründet, dass eine Strategie der Befriedigung der langfristigen Kun-

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

denbedürfnisse mit einer Strategie zur Sicherung des langfristigen Überlebens eines Unter-
nehmens einhergeht. Nachhaltiges Marketing sollte dabei nicht als Kostenfaktor, sondern als
Mittel zur Steigerung von Markenwert und Profitabilität angesehen werden.

Heutige Organisation Zukünftige Organisation


(gewünschte Ergebnisse) (gewünschte Ergebnisse)

Heutige Verbraucher Zukünftige Verbraucher


(suchen (suchen
Bedürfnisbefriedigung) Bedürfnisbefriedigung)

Abbildung 1.13: Vier Ausrichtungen des Nachhaltigkeitskonzepts

Der wesentliche Unterschied zwischen dem sozialen und dem nachhaltigen Marketingkon-
zept liegt in der zeitlichen Perspektive. Das Marketing mit sozialer Orientierung befasst sich
vordringlich mit den Konflikten, die derzeit aus der Befriedigung von Kundenbedürfnissen
mit Dritten entstehen. Das nachhaltigkeitsorientierte Marketing hingegen stellt die Wirkun-
gen des heutigen Konsums auf künftige Generationen und die Gesellschaft als Ganzes sowie
zukünftiges unternehmerisches Handeln in das Zentrum der Überlegungen.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass Unternehmen immer stärker gefordert sind, die Erwar-
tungen der Gesellschaft bezüglich ethischer und umweltpolitischer Standards zu erfüllen.
Hierzu bedarf es nicht nur unternehmensspezifischer Richtlinien, sondern auch klar defi-
nierter Maßnahmen zu deren Umsetzung. Zukünftig erfolgreich werden solche Unternehmen
sein, die nicht nur auf ethische und umweltpolitische Vorgaben reagieren, sondern diese und
die aus dem gesellschaftspolitischen Wandel wachsenden Möglichkeiten aktiv nutzen, um
Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern zu generieren. Wir werden das Konzept des
nachhaltigen Marketings detailliert im Kapitel 20 behandeln.

1.8 Der erweiterte Marketingprozess


Am Anfang dieses Kapitels wurde zunächst ein einfaches Modell des Marketingprozesses
präsentiert (vgl. Abbildung 1.2). Nun, da wir alle Schritte in diesem Prozess diskutiert haben,
zeigt Abbildung 1.14 ein erweitertes Modell, das alle einzelnen Teile zusammenfügt. Was
also bedeutet Marketing? Einfach gesagt ist Marketing ein Prozess, in dem nachhaltig profita-
ble Kundenbeziehungen durch die Erschaffung von Kundennutzen und die Erlangung eines
Gegenwerts für das Unternehmen aufgebaut werden.

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1.8 Der erweiterte Marketingprozess

Die ersten vier Schritte des Marketingprozesses beziehen sich auf die Nutzengenerierung für
den Kunden. Das Unternehmen erlangt ein vollständiges Verständnis des Markts durch die
Erforschung von Kundenbedürfnissen und die Verarbeitung von Marketinginformationen.
Anschließend gestaltet es eine kundenorientierte Marketingstrategie auf Basis der Antworten
auf zwei einfache Fragen. Die erste Frage, „Welche Kunden wollen wir bedienen?“, bezieht
sich auf Kundensegmentierung und eine genaue Zielgruppenansprache. Gute Unternehmen
wissen, dass sie nicht alle Kunden auf die gleiche Weise ansprechen können. Stattdessen
müssen sie ihre Ressourcen auf jene Kunden fokussieren, die sie am besten und profitabels-
ten bedienen können. Die zweite Frage, „Wie können wir anvisierte Kunden am besten
bedienen?“, bezieht sich auf die Differenzierung und Positionierung. Hier geht es um ein
Nutzenversprechen, mittels dessen das Unternehmen Zielkunden gewinnen will.
Nach der Auswahl der Marketingstrategie erstellt das Unternehmen nun ein integriertes Mar-
ketingprogramm, bestehend aus einer Mischung der vier Elemente des Marketing-Mix, den
vier Ps. Hiermit wird die Marketingstrategie in echten Kundennutzen überführt. Das Unter-
nehmen entwickelt Produktangebote und erzeugt starke Markenidentitäten für diese Pro-
dukte. Es bepreist diese Produktangebote entsprechend, um echten Kundennutzen zu schaf-
fen, und macht sie verfügbar für Zielverbraucher. Letztlich gestaltet das Unternehmen
Programme, die das Nutzenversprechen kommunizieren, um Kunden anzusprechen und sie
dazu zu bringen, auf das Angebot zu reagieren.
Der vielleicht wichtigste Schritt im Marketingprozess beinhaltet den Aufbau von profitablen
Beziehungen zu Zielkunden. Während des gesamten Prozesses betreiben Marketingverant-
wortliche Customer Relationship Management, um Kundenzufriedenheit zu erzeugen. Die
Erschaffung von Kundennutzen und -beziehungen kann ein Unternehmen nicht alleine
durchführen. Es muss eng mit Marketingpartnern im Unternehmen, aber auch im gesamten
Marketingsystem zusammenarbeiten. Dementsprechend müssen Firmen neben gutem CRM
auch gutes Beziehungsmanagement mit Partnern betreiben.
Die ersten vier Schritte im Marketingprozess schaffen Nutzen für Kunden. Im letzten Schritt
erhält das Unternehmen die Belohnung für seine Bemühungen durch die Erlangung eines
Gegenwerts von den Kunden. Überlegenen Kundennutzen zu erbringen schafft hochzufrie-
dene Kunden, die mehr kaufen und wiederkehren. Das hilft dem Unternehmen, einen größe-
ren Customer Lifetime Value und einen höheren Anteil an den Ausgaben der Kunden zu
erlangen.
Letztlich müssen Unternehmen im Hinblick auf die sich wandelnde Marketinglandschaft
drei zusätzliche Faktoren berücksichtigen. Im Aufbau von Beziehungen zu Kunden und Part-
nern müssen sie sich Marketingtechnologien zunutze machen, die Chancen globaler Märkte
nutzen und sicherstellen, dass sie ethisch und sozial verantwortlich handeln.

79
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Nutzen für Kunden erschaffen und Einen Gegenwert vom


Kundenbeziehungen aufbauen Kunden erlangen

Ein integriertes Die Erlangung eines


Märkte, Eine Profitable Gegenwerts von
Marketingprogramm
Kundenbedürfnisse kundenorientierte Kundenbeziehungen Kunden zur
gestalten, das
und -wünsche Marketingstrategie aufbauen und Gewinnerzielung und
überlegenen Nutzen
verstehen erstellen Kunden begeistern Erschaffung von
schafft
Kundenkapital

Kunden für die Customer


Vermarktung Produkt- und relationship Zufriedene und treue
Kunden und
auswählen: Dienstleistungs- management: starke Kunden aufbauen
Märkte
Marktsegmentierung gestaltung: starke Beziehungen zu
erforschen
und Zielgruppen- Marken aufbauen ausgewählten
ansprache Kunden aufbauen
Customer Lifetime
Ein Partner relationship Value erschaffen
Marketing- Preisgestaltung:
Nutzenversprechen echten Wert managemen: starke
informationen und
wählen: erzeugen Beziehungen zu
Kundendaten
Differenzierung und Marketingpartnern Markt- und
verwalten
Positionierung aufbauen Kundenanteile
Distribution: steigern
Nachfrage und
Wertschöpfungs-
ketten verwalten

Kommunikation: das
Nutzenversprechen
kommunizieren

Ethische und soziale


Marketingtechnologie Globale Märkte
Verantwortung
nutzen verwalten
sicherstellen

Abbildung 1.14: Das erweiterte Modell des Marketingprozesses

Abbildung 1.14 stellt einen guten Fahrplan für die weiteren Kapitel dieses Buchs dar. In
Kapitel 1 und 2 stellen wir den Marketingprozess vor, mit einem Fokus auf den Aufbau von
Kundenbeziehungen und die Erlangung von Gegenwert vom Kunden. Die Kapitel 3 bis 6
adressieren den ersten Schritt im Marketingprozess – das Verständnis des Marketingumfelds,
den Umgang mit Marketinginformationen und das Verständnis des Kaufverhaltens von Ver-
brauchern und Unternehmen. In Kapitel 7 schauen wir uns die zwei wichtigsten strategi-
schen Entscheidungen an: die Auswahl der Zielkunden (Segmentierung und Zielgruppenan-
sprache) und die Bestimmung des Nutzenversprechens (Differenzierung und Positionierung).
In den Kapiteln 8 bis 17 diskutieren wir dann die einzelnen Marketing-Mix-Variablen. Kapi-
tel 18 beschäftigt sich mit dem Wettbewerb und der Generierung von Wettbewerbsvorteilen.
Die letzten zwei Kapitel untersuchen spezielle Aspekte des Marketings: globales Marketing
und nachhaltiges Marketing.

80
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1.8 Der erweiterte Marketingprozess

Z US A M M EN FA SSU N G

Erfolgreiche Unternehmen, seien sie groß oder klein, seien sie am Profit orientiert oder
nicht (Non-Profit-Organisationen), seien ihre Tätigkeitsfelder lokal oder global, dürften
heute eines gemeinsam haben: Sie haben den Weg einer konsequenten Marketingorien-
tierung eingeschlagen.
Viele Menschen denken, wenn sie den Begriff Marketing hören, nur an Werbung und
Verkaufen, aber das Marketing begleitet den eigentlichen Kaufvorgang viel länger. Mar-
keting kombiniert viele Aktivitäten wie Marktforschung, Produktentwicklung, physi-
sche Verteilung, Preissetzung, Werbung, persönliches Verkaufen u.a. Diese Aktivitäten
sollen die Bedürfnisse potenzieller Kunden ermitteln und bedienen und die Käufer
zufriedenstellen. Gleichzeitig soll damit ein Erreichen der Zielsetzungen des Unterneh-
mens sichergestellt werden. Mithilfe von Marketingmaßnahmen versucht man, neue
Kunden anzuwerben und vorhandene an sich zu binden, indem man ihnen den höchst-
möglichen Gegenwert bietet und sie konsequent zufriedenstellt.
Wir haben Marketing als einen Prozess im Wirtschafts- und Sozialgefüge definiert,
durch den Einzelpersonen und Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen,
indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erzeugen, anbieten und miteinander
austauschen.
Ein einfaches Modell des Marketingprozesses besteht aus fünf Stufen:
 Das Verstehen von Märkten und Kundenwünschen
 Das Entwerfen einer kundenorientierten Marketingstrategie
 Die Entwicklung eines integrierten Marketingprogramms
 Der Aufbau profitabler Kundenbeziehungen
 Die Erlangung eines Gegenwerts von den Kunden
Während der ersten vier Schritte arbeitet ein Unternehmen daran, die Bedürfnisse und
Wünsche der Kunden zu verstehen, einen Nutzen für sie zu schaffen und stabile Bezie-
hungen zu ihnen aufzubauen. Im letzten Schritt erlangen Unternehmen den Lohn für
ihre Bemühungen. Dieser besteht in Umsatzerlösen, Gewinn und langfristigem Kunden-
wert.
Menschen befriedigen ihre Bedürfnisse, Wünsche und ihre Nachfrage mit Produkten.
Alles, was auf einem Markt angeboten werden kann, um ein Bedürfnis, einen Wunsch
oder eine Nachfrageposition zu befriedigen, bezeichnen wir als ein Angebot. Dieser
Angebotsbegriff schließt Dienstleistungen, Personen (z.B. Popstars, Politiker im Wahl-
kampf), Orte oder Regionen (Tourismusmarketing, Standortmarketing), Organisationen,
Aktivitäten und Ideen sowie auch Erlebnisse (Popkonzerte etc.) ein.
Handel findet innerhalb einer Gesellschaft dann statt, wenn die Menschen ihre Bedürf-
nisse, Wünsche und die Nachfrage über das Instrument eines freien Tauschs befriedi-
gen. Für das Marketing der Anbieter ist es wichtig, dass über kurzfristige Tauschbezie-
hungen hinaus lang andauernde stabile Verbindungen zu wichtigen Kunden, zu den
Groß- und Einzelhändlern sowie zu den Lieferanten aufgebaut und gepflegt werden.

81
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1 Kundennutzen und Kundenbindung schaffen

Wir haben weiterhin die Zusammenhänge zwischen Kundennutzen, Kundenzufrieden-


heit und Kundenbindung angesprochen. Der Kundennutzen ergibt sich aus dem Unter-
schied zwischen dem Wert, den der Kunde aus Besitz und Nutzung des Kaufobjektes
erhält, und den Aufwendungen, die er dafür tätigen muss. Die Zufriedenheit des Kun-
den erklärt sich daraus, inwieweit die empfundene Leistung des Produkts mit der von
ihm erwarteten übereinstimmt. Kundenzufriedenheit ist in der Regel eine wichtige Vor-
aussetzung für die Bindung von Kunden.
Im Anschluss daran haben wir den Begriff „Marketing-Management“, d.h. die Durch-
führung des Marketings, definiert und untersucht, wie Nachfrage gesteuert werden kann
und wie stabile Beziehungen zu den Kunden aufgebaut werden können. Die Umsetzung
des Marketings besteht aus der Analyse, der Planung, der Durchführung sowie der Steu-
erung und Kontrolle der Marketingmaßnahmen. Das Ziel dieser Maßnahmen ist es, mit
den Teilnehmern auf den Zielmärkten für beide Seiten vorteilhafte Austauschprozesse
in Gang zu bringen, auszubauen und zu pflegen, um die Ziele der eigenen Organisation
erreichen zu können.
Bei der Entwicklung einer erfolgreichen Marketingstrategie gilt es zunächst zu entschei-
den, welche Zielgruppen man bedienen will. Darauf aufbauend ist zu überlegen, wie
man die unterschiedlichen Zielgruppen bedienen möchte. Hier geht es darum, sich klar
im Markt zu positionieren und von den Mitbewerbern zu differenzieren. Zur Umset-
zung der Marketingstrategie ist ein Marketingprogramm zu entwickeln.
Der vierte Schritt im Marketingprozess besteht im Aufbau profitabler Kundenbeziehun-
gen. Unter Kundenbeziehungsmanagement versteht man den Prozess des Aufbaus und
der Aufrechterhaltung gewinnbringender Kundenbeziehungen, basierend auf Kunden-
nutzen und Kundenzufriedenheit.
Im letzten Schritt geht es um die Erlangung eines Gegenwerts von den Kunden in Form
von gegenwärtigen und zukünftigen Verkäufen und von Gewinn. Von zentraler Bedeu-
tung ist hier das Konzept des Kundenwerts (customer equity). Hierunter versteht man
die Summe der diskontierten „customer lifetime value“ aller gegenwärtigen und poten-
ziellen Kunden eines Unternehmens. Der Kundenwert eines Unternehmens ist umso
höher, je treuer die profitablen Kunden sind.
Das Marketing arbeitet heute in einem dynamischen, weltweit vernetzten Umfeld.
Schnelle Änderungen können die Gewinner von gestern schon heute zu Verlierern
machen. Viele neue Herausforderungen und Gelegenheiten sind seit Beginn der 1990er-
Jahre entstanden. Mit dem Ende des Kalten Kriegs hat der weltweite Wettbewerb zuge-
nommen, andererseits ist die Weltwirtschaft zugleich anfälliger geworden.
Der Fortschritt in der Informationstechnik hat erhebliche Veränderungen im Marketing mit
sich gebracht, die einerseits Herausforderungen darstellen, andererseits aber auch einzigar-
tige Chancen eröffnen können. Neue Technologien ermöglichen es dem Marketing mehr als
je zuvor, Wünsche und Bedürfnisse der Verbraucher abzufragen und zu bedienen, sei es in
großen Gruppen, sei es als individuelle Eins-zu-eins-Beziehung zu den Interessenten und
Kunden. Das Marketing ist erst dabei, neu zu definieren, wie es sich mit seinen Kunden,
seinen Marketingpartnern und mit dem übrigen Umfeld effizient vernetzen kann. Die zu
bedienenden Kunden werden heute sorgfältiger ausgesucht und es werden engere, direk-
tere und mehr auf Dauer angelegte Verbindungen mit ihnen eingegangen. Auch die inneren
Vernetzungen im Unternehmen sind schneller, direkter und effizienter geworden, in dem
Bemühen, einen besseren Gegenwert für die Kunden zu erbringen.

82
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Zusammenfassung

Die neue Welt des Marketings ist gekennzeichnet durch eine nie zuvor dagewesene Glo-
balisierung, eine wachsende Bedeutung von gesellschaftlichen und ökologischen Frage-
stellungen und dadurch, dass auch Non-Profit-Organisationen und die öffentliche Hand
zunehmend das Marketing im Sinne ihrer Zielsetzungen nutzen. Von den Unternehmen
wird verlangt, sich gesellschaftlich verantwortlich und nachhaltig zu verhalten. Nach-
haltiges Marketing versucht, die Bedürfnisse derzeitiger Konsumenten zu erfüllen, ohne
zukünftige Generationen in deren Bedürfnisbefriedigung zu beeinträchtigen. Hierzu
sind alle Aktivitäten des Unternehmens hinsichtlich ihrer ökonomischen Effizienz und
ihrer ökologischen und sozialen Konsequenzen zu prüfen und zu bewerten. Das Kon-
zept ist auf der Erkenntnis begründet, dass eine Strategie der Befriedigung der langfristi-
gen Kundenbedürfnisse mit einer Strategie zur Sicherung des langfristigen Überlebens
eines Unternehmens einhergehen sollte.
Aus diesen Herausforderungen entstehen jedoch auch Chancen für das Marketing. Fle-
xible und anpassungsfähige Organisationen, die konsequent marktorientiert arbeiten,
werden auch in Zukunft erfolgreich sein.

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Strategisches Marketing:
Kundenmitwirkung, Kunden-
wert und Kundenbeziehungen

2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2
2.2 Strategische Unternehmensplanung . . . . . . . . . . . . . 92

2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans . . 94

2.4 Die Rolle des Marketings in der


strategischen Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

ÜBERBLICK
2.5 Marketingstrategie und Marketing-Mix . . . . . . . . . . 114
2.6 Der Marketingprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
2.7 Das Marketingbudget . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... die unternehmensweite strategische Planung und ihre vier Schritte erläutern.
 ... erklären, wie Unternehmen einzelne Geschäftsfelder bewerten und daraus ihr
Geschäftsportfolio zusammenstellen.
 ... beschreiben, wie Unternehmen Zielvorgaben und eine „Mission“ entwerfen.
 ... die Rolle und den Stellenwert des Marketings innerhalb der strategischen Planung
bewerten und erklären, wie Kundennutzen geschaffen und vermittelt werden kann.
 ... die Elemente einer kundenorientierten Marketingstrategie und des Marketingmix
erläutern und erklären, welche Einflussfaktoren darauf wirken.
 ... Marketingmanagementfunktionen, inklusive der Elemente eines Marketingplans,
beschreiben und die Bedeutung des Marketing-ROI bewerten.

2.1 Einführung
Im ersten Kapitel haben wir den Marketingprozess betrachtet, mit dem Unternehmen Werte
für die Kunden schaffen, um im Gegenzug Werte von ihnen zurückzuerhalten. In diesem
Kapitel steigen wir tiefer in die Schritte zwei und drei des Prozesses ein: die Gestaltung von
Marketingstrategien zum Kundennutzen und den Aufbau von Marketingprogrammen.
Zunächst betrachten wir die strategische Gesamtplanung der Organisation, welche die Mar-
ketingstrategie und Planung vorgibt. Als Nächstes erörtern wir, wie Marketingverantwortli-
che nach diesem strategischen Plan eng mit Partnern innerhalb und außerhalb des Unterneh-
mens zusammenarbeiten, um Kunden einzubinden und einen Nutzen für sie zu schaffen.
Anschließend untersuchen wir Marketingstrategie und Planung – wie Marketingverantwort-
liche die Zielmärkte auswählen, ihr Marketingangebot positionieren, einen Marketingmix
entwickeln und ihre Marketingprogramme verwalten. Schließlich betrachten wir den wichti-
gen Schritt der Bewertung und Verwaltung von Marketingerträgen (Return on Investment).
Schauen wir uns zunächst an, wie es das Unternehmen LEGO geschafft hat, eine Krise Mitte
der 2000er-Jahre zu bewältigen und wieder auf Wachstumskurs zu gehen, und welche Bedeu-
tung die Unternehmensmission dabei hatte.

88
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2.1 Einführung

Einführende Fallstudie: LEGO – nur ein kleiner Stein im großen Ganzen

Im Jahr 1916 erwarb LEGO-Gründer Ole Kirk Kristiansen einen Holzverarbeitungsbe-


trieb und verkaufte Möbel an die örtlichen Einwohner und Hersteller von Bilderrah-
men. Ab den 1930er-Jahren richtete er seinen Fokus auf Kinderspielzeug und prägte
1934 den Markennamen LEGO für sein Unternehmen. Der Name LEGO ist eine Abkür-
zung der beiden dänischen Wörter „leg“ und „godt“, was „spielen“ und „gut“ bedeutet.
Für LEGO mehr als nur ein Firmenname – es ist ihr Ideal. Die ersten von LEGO herge-
stellten Spielzeuge waren aus Holz – erst in den 1940er-Jahren begann das Unterneh-
men mit der Herstellung der heute so berühmten Bausteinsysteme (ursprünglich nach
einem früheren britischen Patent von Kiddicraft, in dem LEGO großes Potenzial
erkannte und es rasch kaufte).
Seit der Gründung bis in die 1990er-Jahre erlebte LEGO ein stetes (wenn auch nicht
unbedingt spektakuläres) Wachstum. Seit 1998 jedoch verzeichnete das Unternehmen
Verluste – und das rasant. Die Krise verschärfte sich derart, dass die Umsätze bis Mitte
der 2000er-Jahre um 26 Prozent eingebrochen waren und im folgenden Jahr um noch
einmal 20 Prozent fielen. Diese beiden Jahre markierten die größten Verluste in der
Geschichte von LEGO. Die Firma hatte mit fallenden Dollarkursen, Billigimporten aus
China sowie der wachsenden Faszination von Kindern für elektronische Spielgeräte wie
MP3-Player und Mobiltelefone zu kämpfen. Doch noch bestand Hoffnung. „Während
der Krisenjahre erreichten uns Briefe von Menschen, die uns anflehten: Bitte, rettet
diese Marke, wir lieben sie so sehr!“, erinnert sich der heutige Vorstandsvorsitzende Vig
Knudstorp. „Die Theorie lautet, dass Spielen in Zukunft nur noch virtuell geschieht.
Aber Kinder werden immer begeistert einem Fußball nachrennen und Welten aus Lego-
steinen bauen.“
Dennoch war den Eignern und Geschäftsführern von LEGO klar, dass die strategische
Mission des Unternehmens nicht mehr zeitgemäß war. Das Portfolio war problematisch,
wichtige interne und externe Partnerschaften erwiesen sich als ineffektiv und ein Groß-
teil des Marketingaufwands verpuffte wirkungslos. Die Krise erreichte ihren Höhen-
punkt, als Kjeld Kirk Kristiansen, Enkel des Gründers des LEGO-Imperiums, eine
mutige Entscheidung traf und nach der Prognose des größten Verlusts in der Firmenge-
schichte als Hauptgeschäftsführer zurücktrat. Als Eigentümer blieb Kjeld zwar stellver-
tretender Vorsitzender, gab die Kontrolle über das Unternehmen aber an Jorgen Vig
Knudstorp ab, der zuvor als Vizepräsident für gesellschaftliche Angelegenheiten zustän-
dig gewesen war.
Die Mission Das Unternehmen würde eine rasche Umstrukturierung, einen kulturellen
Wandel und eine Neuausrichtung seiner Maßnahmen brauchen, sollte es vor dem finan-
ziellen Ruin bewahrt werden. Der interne Fokus der Firma auf Kreativität, Innovation
und erstklassige Qualität hatte zu einer hohen Komplexität geführt, die weit von einer
markt- oder kundenorientierten Ausrichtung entfernt war. Insgesamt unterhielt das
Unternehmen 12.500 Lagereinheiten mit mehr als 100 verschiedenen Farbsortierungen
und über 11.000 Lieferanten. Zudem führte LEGO einen der größten Spritzguss-Betriebe
weltweit, mit Produktionsstätten in Dänemark und der Schweiz sowie Verpackungs-
und weiteren Anlagen in der Tschechischen Republik, den USA und Südkorea.

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

Der Prozess des anvisierten Wandels begann mit der Zusammenkunft einer Gruppe ver-
schiedenster Führungskräfte und (noch wichtiger) externer Spezialisten in einer Art
„Krisenraum“, in dem sie das Portfolio des Unternehmens, Produktentwicklung, Ein-
kauf, Herstellung, Marketing und Logistikprozesse analysierten. Diese Analysen führten
zu einem Fünf-Jahres-Plan namens „Shared Vision“, der vom Unternehmensvorstand
vollständig gebilligt und genehmigt wurde. Dreh- und Angelpunkt dieses Plans ist die
Entwicklung und der Ausbau effektiver Partnerschaften (sowohl intern als auch extern).
Zudem wird er durch eine echte marktorientierte Strategie gestützt, welche die „Bau-
meister von morgen inspirieren und groß machen soll“. Wie die Verantwortlichen wei-
ter ausführen, dient dieses Bestreben dem „letztendlichen Ziel, Kinder zu inspirieren
und ihnen die Fähigkeit zu kreativem Denken, systematischem Planen und der vollen
Entfaltung ihres Potenzials beim Aufbau der eigenen Zukunft zu geben – wobei sie die
endlosen Möglichkeiten menschlicher Schaffenskraft erleben können.“
Bei der Entwicklung und Umsetzung des tief greifenden Fünf-Jahres-Plans bestand die
größte Herausforderung darin, die Wahrheit über das zu erfahren, was bei LEGO richtig
und was falsch gemacht wurde – und dabei tunlichst jeden Anflug von Selbstzufrieden-
heit zu vermeiden, wenn die positiven Dinge angesprochen wurden. Im kleinen Städt-
chen Billund in den Niederlanden (wo LEGO gegründet wurde), wurden Hunderte
Arbeiter entlassen und einige Herstellungsprozesse in die kostengünstigeren Produkti-
onsländer Mexiko und Osteuropa verlagert. Als Teil einer größeren Strategie wurde das
Portfolio verschlankt, während die LEGOland Themenparks als Flaggschiffe des Unter-
nehmens (mit Erhalt einer Minderheitsbeteiligung) verkauft und Nicht-Kernprodukte
im Zuge einer Rückbesinnung auf die Wurzeln rund um die klassischen Bausteine und
Mini-Figuren aus dem Sortiment gestrichen wurden. Am wichtigsten ist möglicher-
weise, dass LEGO sich auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Lieferanten,
Vertriebspartner und Kunden konzentriert. Unter Mitwirkung diverser Abteilungen
innerhalb des Unternehmens hat LEGO die Anzahl der Farben halbiert und die Lage-
reinheiten auf 6.500 reduziert. Außerdem entschied das Unternehmen, sich auf seine
Kernfunktionen zu konzentrieren und die Logistik sowie Produktion auszulagern. Um
die vorhandenen und nicht vorhandenen Bedürfnisse und Wünsche der Kunden besser
verstehen zu können, organisierte das Unternehmen große Zusammenkünfte mit den 20
wichtigsten Auftraggebern, die insgesamt 70 Prozent des Gesamtgeschäfts von LEGO
ausmachten. Hier stellte sich eine Sache ganz deutlich heraus: Anders als vom Unter-
nehmen angenommen, brauchten die meisten Kunden eben keine Lieferung am selben
oder nächsten Tag. Dies brachte LEGO zu der Entscheidung, die Auftragsvergabe im Vor-
aus zu erbitten und nur noch einmal pro Woche auszuliefern.

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2.1 Einführung

Abbildung 2.1: Franchise-Projekte mit Film-Blockbustern

(Quelle: Chris Willson / Alamy Stock Photo)

Nachdem die betrieblichen Probleme gelöst, die Lieferungen rationalisiert waren und
LEGO eine schlankere, gesunde Firmenstruktur erhalten hatte, stellte das Unternehmen
zwar weiterhin die Spielzeuge seines Kerngeschäfts her, verstärkte das internationale
Image und Profil aber auch durch eine Reihe von Entwicklungen aus Filmen und Com-
puterspielen. Eine Schnellsuche nach Spielen bei LEGO ergibt Treffer für jede
Altersklasse und jeden Geschmack. Beispielhaft seien hier genannt: LEGO Autorennen,
LEGO Kampfspiele, LEGO Puzzle-Spiele, LEGO Shooter-Spiele, LEGO Vorschulspiele
und (natürlich!) LEGO Bauspiele. Ferner hat das Unternehmen eine Serie sehr cleverer
(und profitabler) Franchise-Projekte mit Film-Blockbustern entwickelt. Besonders
erfolgreich war hier Der Herr der Ringe, die Hobbit-Reihe konnte daran anknüpfen. Das
Franchisegeschäft mit der Batman-Serie wird voraussichtlich verlängert und angesichts
des großen Erfolgs des LEGO Movies soll es bald eine Fortsetzung geben.
Die Folgen des Wandels Als Jorgen Vig Knudstorp das Ruder übernahm, steckte LEGO
derart tief in den roten Zahlen, dass das kurzfristige Überleben im Zeitalter von Online-
Computerspielen und einem stetig wachsenden Angebot an digitalen Geräten ernsthaft
bezweifelt werden musste. Heute sind diese Zweifel nachdrücklich ausgeräumt. Die
Umsätze sind mit rund 3,41 Milliarden Euro doppelt so hoch wie in den düsteren Zeiten
Ende der 2000er-Jahre und 2013 wurde LEGO nach einem 13%igen Umsatzwachstum
zum zweitgrößten Spielzeughersteller der Welt – damit überholte es den US-Rivalen Has-
bro. In vielerlei Hinsicht hat sich LEGO als relativ immun gegen die weltweite Wirt-
schaftskrise erwiesen (hauptsächlich deshalb, weil fürsorgliche Eltern lieber traditionelles
und pädagogisch wertvolles Spielzeug kaufen, selbst wenn das Budget knapp ist). Die
Mitarbeiterzahl hat sich in den letzten acht Jahren auf rund 11.755 Beschäftigte fast ver-
dreifacht, die Erholung auf dem europäischen und dem US-Markt wird vom Wachstum in
neuen Gebieten wie Russland ergänzt. Die Expansion in weitere Schwellenländer wie
China, Indien und Brasilien erweist sich als besonders positiv; dabei wurde allein in
China ein jährliches Wachstum von 35 Prozent generiert, was die Errichtung einer neuen
Produktionsstätte nur für den chinesischen Markt erforderlich machte.

91
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

Auch für die Kunden waren die Ergebnisse positiv. Obwohl die Zahl der verfügbaren
Produkte reduziert wurde und die Kunden ihre Bestellgewohnheiten ändern mussten,
standen ihnen im Kundendienst erhebliche Verbesserungen zur Verfügung. Vor einiger
Zeit erzielte LEGO in der Kundenbewertung das Ergebnis als „branchenbester“ Lieferant
und gewann eine europäische Auszeichnung für seine erstklassige Lieferkette. LEGO
rief einen Online-Club mit über 5 Millionen Mitgliedern ins Leben, in dem Kunden ihre
eigenen LEGO-Designs entwerfen und bestellen können. Das LEGO-Universum MMPG
hat mehrere hunderttausend Mitspieler, auf Facebook folgen dem Unternehmen über 10
Millionen Fans und 12,5 Millionen (Sie haben richtig gelesen – 12,5 Millionen) You-
tube-Videos haben einen „LEGO“-Tag.

Fragen
1. Konzentrierte sich LEGO vor 2004 eher auf seine Produkte oder auf seinen Markt?
Warum?
2. Wenn man das Raster der Produkt-/Markenexpansion anwendet, welchen Ansatz
hat LEGO unter der Führung von Jorgen gewählt? Unterscheidet sich dieser von
früheren Ansätzen?
3. Veränderungen durchzusetzen, ist nie einfach. Was hat LEGO bei der Umsetzung
seiner Pläne richtig gemacht, was falsch? Was hätten Sie anders gemacht?

Wie das einführende Fallbeispiel zeigt, brauchen Unternehmen Strategien, um sich auf ihren
Märkten behaupten zu können. Es wird jedoch niemals eine Strategie geben, die sich als
Patentrezept für alle Unternehmen anwenden ließe. Jeder Anbieter muss seinen Weg finden,
um das Beste aus der gegebenen Situation, den gegebenen Möglichkeiten, seinen Zielen und
seinen Ressourcen zu machen. Das Marketing spielt eine wichtige Rolle in der strategischen
Planung. Es liefert vor allem Informationen, aber auch weiteren Input, um einen strategi-
schen Plan erstellen zu können. Gleichzeitig bildet die strategische Planung die erste Stufe
der Marketingplanung und legt die Rolle des Marketings innerhalb der Gesamtorganisation
fest. Sie gibt Vorgaben an das Marketing, welches zur Erreichung der strategischen Ziele mit
anderen Abteilungen des Unternehmens zusammenarbeiten muss.

2.2 Strategische Unternehmensplanung


2.2.1 Zeithorizont und Hierarchie der Planung
Viele Unternehmen arbeiten ohne formale Planung. In neu gegründeten Unternehmen haben
die Manager oftmals einfach nicht genug Zeit für fundierte Planungen, Inhaber von kleinen
Unternehmen denken manchmal, dass nur große Konzerne Planung benötigen. Stellt sich
Erfolg auch ohne formale Planung ein, entsteht beim Management der Eindruck, Planung
könne nicht sehr wichtig sein. Man verzichtet unter Umständen auf eine systematische Pla-
nung mit dem Argument, die Daten seien schon veraltet, bevor sie vorlägen.
Eine strategische Planung bringt jedoch viele Vorteile mit sich, für jede Art von Unterneh-
men. Sie fördert systematisches Denken und zwingt das Management, Zielvorstellungen und
Strategien zu präzisieren, führt zu besserer interner Koordination und zu klaren Leistungs-
vorgaben für die Steuerung. Auch das Argument, dass Planung bei einem schnellen Wechsel

92
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2.2 Strategische Unternehmensplanung

der äußeren Bedingungen wenig nützlich sei, trifft nicht zu. Das Gegenteil ist der Fall:
Gründliche Planung hilft, Veränderungen vorherzusagen und so schneller darauf reagieren
zu können. Selbst plötzliche Veränderungen kommen bei gründlicher Beobachtung des äuße-
ren Umfelds nicht mehr überraschend. Eine solche Planung hätte auch Carrefour – Europas
größtem Einzelhändler – helfen können, den Absturz des Aktienkurses zu verhindern. Dieser
trat ein, nachdem das Unternehmen lange den Einfluss des Internets auf sein Geschäft als
gering eingeschätzt hatte und später eine vage E-Commerce-Strategie mit einem Budget von
einer Milliarde Euro ankündigte.
Die Planung ist in den meisten Unternehmen nach folgendem Schema aufgebaut:
Jahresplanung Eine kurzfristige Planung, die die gegenwärtig vorliegende Situation
beschreibt. Sie enthält die Ziele eines Unternehmens, die Strategie für das laufende Jahr, die
geplanten Aktionen, die Budgets und die Steuerungsinstrumente.
Langfristige Planung Diese Planung beschreibt die wesentlichen Faktoren und Kräfte, wel-
che ein Unternehmen in den nächsten Jahren beeinflussen werden. Sie enthält die langfristi-
gen Zielvorstellungen, die wesentlichen Marketingstrategien, um diese Ziele zu erreichen,
und die benötigten Ressourcen. Die langfristige Planung wird jedes Jahr überprüft und aktua-
lisiert, sodass sie stets auf gegenwärtigen Bedingungen beruht. Sowohl die langfristige Pla-
nung als auch die Jahresplanung beschäftigen sich mit dem laufenden Geschäft und damit,
wie dieses in Gang gehalten werden kann.
Strategische Planung Diese Planung beschreibt, wie ein Unternehmen in einer sich ständig
ändernden Umwelt die neu entstehenden Möglichkeiten vorteilhaft nutzen kann. Es handelt
sich hierbei um einen Prozess der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer strategischen
Übereinstimmung zwischen den Zielen und Ressourcen eines Unternehmens und den sich
ändernden Möglichkeiten des Markts.
Die strategische Planung setzt die Vorgaben für den Marketingplan. Sie nennt den übergeord-
neten Zweck und die Mission oder Philosophie des Unternehmens. Daraus lassen sich mess-
bare strategische Ziele ableiten. Anschließend erfasst man im Rahmen einer Situationsana-
lyse Informationen über das Unternehmen, seine Konkurrenten, den Zielmarkt und die
allgemeine sozio-ökonomische Umgebung, in der es tätig ist. Die sogenannte SWOT-Analyse
gibt sowohl einen Überblick über die Stärken und Schwächen des Unternehmens als auch
über die Chancen und Risiken, denen es gegenübersteht. Als Nächstes entscheidet das
Management, welches Geschäftsfeld- und Produktportfolio das Beste für das Unternehmen
ist, d.h. inwieweit einzelne Geschäftsfelder und Produkte unterstützt werden sollen. Daraus
entwickeln dann die einzelnen Geschäftseinheiten detaillierte Pläne für das Marketing und
die anderen Funktionen, um die unternehmensweite Planung zu erfüllen. Die Marketingpla-
nung erfolgt also auf der Ebene der einzelnen Geschäftseinheiten, auf Produkt- und auf Mark-
tebene.
Nestlé, der größte Lebensmittelanbieter der Welt, entwickelt einen unternehmensweit gelten-
den strategischen Plan in der Konzernzentrale in Vevey (Schweiz). Auf der Ebene darunter,
zum Beispiel im Geschäftsfeld Schokolade, werden strategische Pläne erstellt, die wiederum
in die strategischen Planungen der nationalen Gesellschaften einfließen. Auf jeder Ebene gibt
es einen Marketingplan und einen entsprechenden Plan für die anderen Unternehmensfunk-
tionen. Auf der untersten Ebene existieren Pläne für jeweils eine Marke auf einem nationalen
Markt wie zum Beispiel KitKat in Deutschland.

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans


Ein strategischer Plan hat mehrere Bestandteile:
 die Mission des Unternehmens,
 die strategischen Ziele,
 die strategische Situationsanalyse (Strategie-Audit),
 die SWOT-Analyse (Analyse der Stärken und Schwächen bzw. Chancen und Risiken)
 die Portfolio-Analyse sowie
 Strategien für Wachstum und Downsizing.
Diese Inhalte werden einerseits aus bestehenden Marketingplänen abgeleitet und fließen
andererseits in die Entwicklung neuer Marketingpläne ein.

2.3.1 Unternehmensmission und strategische Ziele


Die Mission beschreibt den Unternehmenszweck. Häufig werden Unternehmen ausgehend
von einer klaren Mission in der Vorstellung des Gründers aufgebaut. Im Laufe der Zeit ver-
blasst die ursprüngliche Mission, da das Unternehmen neue Produkte und neue Märkte für
sich entdeckt, oder aber das Management hat sie verdrängt oder vergessen. Ein extremes
Beispiel hierfür waren die Missionare der Anglikanischen Kirche in England, die ihren
eigentlichen Auftrag vergaßen und wohl zugunsten ihrer Institution „Geld machen“ wollten.
Innerhalb kurzer Zeit verspekulierten sie rund ein Drittel des Kirchenvermögens in interna-
tionalen Grundstücksgeschäften.
Wenn ein Unternehmen von der eigentlichen Richtung abweicht, muss sich das Management
erneut auf die Suche nach dem Unternehmenszweck begeben und ihn neu definieren. Hierzu
dienen folgende Fragen:
 In welcher Branche sind wir tätig?
 Wer sind unsere Kunden?
 Was ist der Zweck unserer Tätigkeiten?
 Welche Art von Unternehmen sind wir?
Diese einfach klingenden Fragen gehören zu den schwierigsten, die ein Unternehmen beant-
worten muss. Zu den Merkmalen erfolgreicher Unternehmen gehört es, dass diese Fragen
immer wieder neu gestellt und beantwortet werden. Sich diesen fundamentalen Fragen zu
stellen, ist ein Kennzeichen der Stärke, nicht der Unsicherheit.
Viele Unternehmen entwickeln formale Leitbilder, die diese Fragen beantworten und die
Unternehmensmission darstellen sollen. Ein Leitbild ist die Darlegung des Unternehmens-
zwecks – dessen, was es letztlich im größeren Umfeld erreichen möchte. Ein klares Leitbild
wirkt wie eine „unsichtbare Hand“, die den Mitarbeitern Richtlinien vorgibt, sodass sie
unabhängig und dennoch gemeinsam am Erreichen der generellen Ziele arbeiten können.
Traditionellerweise definieren Unternehmen ihre Tätigkeit gemäß ihren Produkten („wir pro-
duzieren Möbel“) oder ihren angewandten Technologien („wir sind ein Chemieunterneh-
men“). Leitbilder sollten sich jedoch am Markt orientieren und mit Blick auf die Kundenbe-
dürfnisse definiert werden. Tabelle 2.1 zeigt einige Beispiele für marktorientierte gegenüber
produktorientierten Bestimmungen auf.

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2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans

Unternehmen Produktorientierte Bestimmung Marktorientierte Bestimmung


Michelin Wir machen Reifen. Wir bieten Service für Menschen und deren
Transporte.
Shell Wir finden, extrahieren, verarbeiten und Wir liefern Energielösungen auf eine nachhal-
verkaufen Öl. tige Art und Weise.
Nestlé Wir stellen den Verbrauchern Nahrungs- Als weltweit größtes Nahrungs-, Gesundheits-
und Gesundheitsprodukte zur Verfü- und Wellness-Unternehmen setzen wir uns
gung. dafür ein, den gesundheitlichen Wert und den
Geschmack unserer Produkte zu steigern und
unsere Kunden zufriedenzustellen.
eBay Wir veranstalten Onlineauktionen. Wir bieten einen globalen Marktplatz an, auf
welchem praktisch jeder alles anbieten und
kaufen kann.
Revlon Wir produzieren Kosmetik. Wir verkaufen Lifestyle und Selbstausdruck –
Erfolg und Status, Erinnerungen, Hoffnungen
und Träume.
Ritz-Carlton Wir vermieten Zimmer. Wir erschaffen das Ritz-Carlton-Erlebnis –
Hotels & Resorts eines, das die Sinne berührt und sogar die
unerwarteten Wünsche unserer Gäste erfüllt.
easyJet Wir verkaufen günstige Flüge. Wir bieten unseren Kunden Sicherheit und
einen rundum perfekten Service.
Tabelle 2.1: Marktorientierte Bestimmungen des Unternehmenszwecks

In welcher Branche sind wir tätig? Diese Frage hilft schon weiter. Definitionen mittels der
Branchenzugehörigkeit oder anhand von Märkten sind besser geeignet als Produkt- oder
Technologiedefinitionen. Produkte oder angewandte Technologien können veralten, die
grundsätzlichen Bedürfnisse eines Markts bleiben jedoch bestehen. Ein marktorientiertes
Leitbild zeigt die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens anhand der Befriedigung grundle-
gender Kundenbedürfnisse auf. Demnach ist Rolls-Royce in der Triebwerksbranche tätig,
nicht in der Flugmotorenherstellung. Visa oder American Express definieren sich nicht als
Kreditkartenunternehmen, sondern ihre Rolle ist es, den Kunden weltweit den Austausch
von Vermögenswerten zu ermöglichen und zu erleichtern. Das kreative Unternehmen 3M
stellt mehr als nur Klebstoffe und Gesundheitsprodukte her. Es bietet dem Kunden innova-
tive Problemlösungen an.
Wer sind unsere Kunden? Wen sieht zum Beispiel Rolls-Royce als Kunden für ein neues
Düsentriebwerk an? Zum einen sind es die Flugzeughersteller wie Boeing oder Airbus.
Sicher sind es aber auch die Fluglinien, die ihrerseits aufgrund der Zuverlässigkeit und des
späteren Wiederverkaufs gebrauchter Maschinen Einfluss auf die Triebwerksausstattung neh-
men; oder sind die Finanzierungs- und Leasinggesellschaften die Kunden? Muss man die
künftigen Piloten und Wartungsmannschaften ebenfalls zu den Kunden rechnen? Gehören
die Passagiere auch dazu? Der gute Name von Rolls-Royce wirkt sicher bis zu den Passagie-
ren mit Vertrauenswürdigkeit, Prestige und einem Hauch von Luxus, andere Hersteller haben
es da schwerer.
Was ist der Zweck unserer Tätigkeit? Diese Frage ist besonders schwierig bei Non-Profit-
Organisationen zu beantworten. Was ist zum Beispiel die Aufgabe einer Universität – Stu-

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

denten lediglich auszubilden oder sie für die Wirtschaft zu qualifizieren und zu trainieren?
Ist das Streben nach Wissen das Ziel, das eine Fakultät an erster Stelle verfolgen sollte? Ist
angewandte oder reine Wissenschaft der höchste Zweck?
Welche Art von Unternehmen sind wir? Diese Frage spiegelt die Strategien und Strukturen
einer Organisation wider. Firmen, die beispielsweise die Kostenführerschaft anstreben (in
Deutschland z.B. ALDI), müssen Effizienz in allen betrieblichen Funktionen erlangen und
eine sorgfältige Kostenkontrolle betreiben. Im Gegensatz zur Strategie der Kostenführerschaft
steht die der Differenzierung, mittels derer man zum Beispiel durch Anwendung neuer Tech-
nologien versucht, seine Produkte von denen der Konkurrenz abzuheben. Beispielsweise
erzielte Sony mit der Erfindung des Walkmans einen Wettbewerbsvorteil, der auf dessen Ein-
zigartigkeit zurückzuführen war. Mit der Strategie der Fokussierung versucht ein Unterneh-
men bei der Marktbearbeitung Schwerpunkte zu setzen, indem es sich darauf konzentriert,
eine genau umrissene Käuferschicht ganz besonders gut zu bedienen. Der Erfolg liegt hierbei
im Angebot maßgeschneiderter Produkte für einen speziellen Zielmarkt. Einige Banken
haben z.B. Privatbankhäuser aufgekauft und führen diese unter den Traditionsnamen weiter,
um insbesondere vermögende Kunden gesondert ansprechen zu können. Nach Porter ist ein
Unternehmen, das sich nicht klar für eine dieser Strategien entscheidet, unprofitabel, da es
sich im Markt nicht profilieren kann. Diesen Zustand bezeichnet er als „stuck in the middle“.
Die hier beschriebene Unternehmensmission sollte nicht zu eng und nicht zu weit definiert
werden. Ein Hersteller von Bleistiften, der sein Unternehmen der Branche „Kommunikati-
onsausrüstung“ zuordnet, hat sicherlich zu ungenau definiert. Die Unternehmensmission
sollte folgenden Anforderungen gerecht werden:
1. Die Unternehmensmission muss realistisch sein. Singapore Airlines ist sicherlich eine
hervorragende Fluglinie, aber sie würde sich selbst überschätzen, wenn sie schon morgen die
größte Fluglinie der Welt sein wollte.
2. Die Unternehmensmission sollte unternehmensspezifisch sein. Die Unternehmensmission
soll auf dieses eine Unternehmen zutreffen und auf sonst kein anderes. Häufig wird die Mis-
sion für die Öffentlichkeit entworfen, für die Arbeit im Unternehmen selbst enthält sie
jedoch keine klaren Richtlinien. Eine Aussage wie „wir wollen Marktführer werden, indem
wir die besten Erzeugnisse der Branche mit dem besten Kundendienst zu den niedrigsten
Preisen anbieten“ klingt nur auf den ersten Blick gut, denn sie ist viel zu allgemeingültig und
enthält viele Widersprüche. Eine solche Mission ist wenig hilfreich bei der Vorbereitung prä-
ziser Entscheidungen.
3. Die Unternehmensmission sollte auf besonderen Kompetenzen des Unternehmens beru-
hen. Der Hi-Fi-Hersteller Bang & Olufsen hätte sicher auch das Know-how, PCs herzustellen.
Auf diesem Markt wäre er jedoch ein Anbieter unter vielen und er könnte nicht von der her-
ausragenden Marktstellung profitieren, die er im Laufe der Jahre auf dem Markt für exklusive
Unterhaltungselektronik erworben hat.
4. Die Unternehmensmission sollte Begeisterung hervorrufen. Die Mission des Unterneh-
mens sollte den Leuten etwas geben, an das sie glauben können, und Begeisterung hervorru-
fen. Als Mission genügt es nicht, höhere Umsatz- oder Gewinnerwartungen anzusprechen.
Bei den Mitarbeitern sollte die Botschaft ankommen, dass ihre Arbeit wichtig ist und sie
einen wichtigen Beitrag für das Leben der Menschen leisten. Man vergleiche doch nur die
beiden Aussagen, die als Unternehmensmission von Apple und von IBM etwa zur gleichen
Zeit im Umlauf waren:

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans

 IBM machte 50 Milliarden Dollar Jahresumsatz und der Vorstandsvorsitzende verkündete,


dass es die Unternehmensmission sei, zum Ende des Jahrhunderts als Unternehmen mit
100 Milliarden Dollar dazustehen.
 Bei Apple hieß es, es sei Unternehmensziel, es zu ermöglichen, dass in naher Zukunft
jeder einen Computer bedienen und sich leisten könnte.
Es lässt sich leicht erkennen, dass die Aussage von Apple besser geeignet sein dürfte, als
Unternehmensmission die Mitarbeiter und Partner zu motivieren.
Visionen sind vielleicht die besten Unternehmensmissionen. Eine Vision wirkt wie ein
Traum, der andere ansteckt. Die Vision ist eine kommunizierte Botschaft oder ein Slogan und
geht auf die Bedürfnisse der Zeit ein. Sonys Präsident Akio Morita wollte, dass jeder ein per-
sönliches mobiles Musikgerät haben kann und seine Firma erfand den „Walkman“. Richard
Branson meinte, dass Fliegen Spaß machen solle und gründete die Virgin Airlines. Ein gewis-
ser Thomas Monaghan meinte, dass es möglich sein müsse, jeden Haushalt innerhalb von 30
Minuten mit einer heißen Pizza zu bedienen und gründete „Domino’s Pizza“.
In der Mission eines Unternehmens sollte neben einer Vision eine konkrete Richtung für die
nächsten zehn bis zwanzig Jahre enthalten sein. Sie sollte sich nicht ständig ändern oder
jedem Trend folgen. Auch Organisationen im Non-Profit-Bereich geben sich immer häufiger
ein Leitbild, um ihr Handeln mittel- und langfristig daran ausrichten zu können.
Wie eine solche Unternehmensmission bzw. ein solches Leitbild in der Praxis aussehen
kann, wird am folgenden Beispiel der Kaffeekette Starbucks deutlich.

Marketing-Highlight: Starbucks – mehr als Kaffee

Die Erfolgsgeschichte des modernen Kaffeebarbetreibers nimmt in den frühen 1980er-


Jahren ihren Lauf. In den 1970ern gegründet, unterhielten die beiden Starbucks-Grün-
derbrüder zu diesem Zeitpunkt vier kleine Kaffeegeschäfte in Seattle. Der Manager
Howard Schultz erhielt im Zuge einer Dienstreise nach Mailand Einblick in die reich-
haltige Espressotradition Italiens und entwickelte die Vision, das Kaffeebarkonzept in
die USA zu bringen. Die Starbucks-Gründer aber wollten am Verkauf von Kaffeebohnen
festhalten – Schultz verließ das Unternehmen, gründete seine eigene Kaffeekette, fand
genügend Investoren, um den Wettbewerb mit Starbucks für sich zu entscheiden, und
übernahm 1987 schließlich den nunmehrigen Konkurrenten. Seitdem lautet das Star-
bucks Mission Statement wie folgt:
Leitbild:
„Wir möchten Menschen in jeder Umgebung inspirieren und fördern – Tasse für Tasse,
Kaffeetrinker für Kaffeetrinker.“
Nach diesen Prinzipien setzen wir dieses Ziel täglich in die Tat um:
Unser Kaffee Qualität steht im Mittelpunkt – das war schon immer so und wird auch so
bleiben. Wir kümmern uns um den nachhaltigen Anbau und gerechten Handel der
feinsten Kaffeebohnen, rösten sie mit größter Sorgfalt und verbessern die Lebensbedin-
gungen der Menschen, die den Kaffee anbauen. All das ist uns sehr wichtig und wir
werden daran stets weiterarbeiten.

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

Unsere Partner Wir Mitarbeiter heißen Partner, weil es nicht nur ein Job ist – es ist
unsere Leidenschaft. Gemeinsam begrüßen wir Vielfalt, um ein Arbeitsumfeld zu schaf-
fen, in dem wir alle so sein können, wie wir sind. Wir behandeln einander stets mit Res-
pekt und Würde. Wir verpflichten uns gegenseitig, diesem hohen Standard zu entspre-
chen.
Unsere Gäste Auch wenn wir viel zu tun haben, gehen wir auf unsere Gäste ein, lachen
mit ihnen und verschönern ihren Tag, selbst wenn es sich nur um wenige Augenblicke
handelt. Natürlich geht es zunächst um das Versprechen, ein Getränk perfekt zuzuberei-
ten. Doch unsere Arbeit reicht weit darüber hinaus. Es geht im Wesentlichen um zwi-
schenmenschliche Beziehungen.
Unsere Coffee Houses Wenn unsere Gäste sich zugehörig fühlen, werden unsere Coffee
Houses zu einem Hafen, einer Zuflucht vor den Alltagssorgen, einem Ort, an dem man
sich mit Freunden trifft. Es geht um Genuss in der Hektik des Alltags – manchmal lang-
sam ausgekostet, manchmal schneller genossen. Aber stets voller Menschlichkeit.
Unser Umfeld Jedes Coffee House ist Teil einer Gemeinschaft. Und wir nehmen unsere
Verantwortung ernst, gute Nachbarn zu sein. Wo wir tätig sind, möchten wir gerne will-
kommen geheißen werden. Wir können positive Veränderungen bewirken, indem wir
unsere Partner, Gäste und die Gemeinschaft dazu anregen, Gutes zu tun. Unsere Verant-
wortung – und unser Potenzial, Gutes zu tun – ist aber noch größer. Die Welt erwartet
von Starbucks neue Standards. Wir werden als Vorreiter vorangehen.
Unsere Aktionäre Wir wissen: Wenn wir unser Versprechen in jedem dieser Bereiche
erfüllen, erzielen wir den Erfolg, von dem auch unsere Aktionäre profitieren. Wir sind
dafür verantwortlich, in all diesen Bereichen richtig vorzugehen, sodass Starbucks und
alle Menschen, die am Unternehmen beteiligt sind, anhaltenden Erfolg haben.
Heute gehört das Unternehmen immer noch zu den wichtigsten Kaffeeketten der Welt,
wie folgende Zahlen veranschaulichen: Jede Woche besuchen etwa 35 Millionen Kun-
den eines der mehr als 15.000 Coffee Houses in 50 Ländern, viele der Gäste kommen
sogar zweimal täglich. Starbucks gilt als größter Röster und Anbieter von Kaffeespeziali-
täten der Welt. Im Geschäftsjahr 2007 wurde ein Umsatz in Höhe von 9,4 Milliarden US-
Dollar erzielt. Zehn Jahre später, 2017, hat das Unternehmen bereits einen Umsatz von
22,4 Milliarden US-Dollar erreicht.
Um auf dem immer heftiger umkämpften Markt das Wachstum voranzutreiben und sich
so den Erfolg zu sichern, hat Starbucks einige strategische Maßnahmen ergriffen:
Mehr Wachstum: Starbucks realisiert nahezu 85 Prozent seiner Umsätze in seinen Cof-
fee Stores. Daher überrascht es nicht, dass das Unternehmen in rasantem Tempo immer
neue Standorte eröffnet. Waren es Ende 1996, als sich Starbucks gerade auf das interna-
tionale Parkett gewagt hatte, noch 1.015 Niederlassungen, so stieg die Anzahl mittler-
weile auf mehr als 27.000 Filialen.
Neue Absatzkanäle: Der Großteil an Kaffee wird im Handel gekauft und zu Hause
getrunken. Um auch dieses Nachfragesegment zu erobern, hält Starbucks in vielen Län-
dern Einzug in die Supermarktregale.

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2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans

Neue Vermarktungswege: Daneben hat sich das Kaffeebarunternehmen noch weitere


Möglichkeiten der Vermarktung erschlossen. Beispielsweise betreibt die Hotelkette Mar-
riott in vielen Flughäfen Starbucks-Verkaufsstände und stattet seine Hotels mit den
Heißgetränken aus Seattle aus.
Neue Produkte und neue Ladenkonzepte: Neben der Erschließung neuer Standorte
treibt Starbucks seine Expansionspolitik auch im kleineren Rahmen voran, z.B. durch
die ständige Erweiterung des Food-Sortiments. Neben den größtenteils auch in Deutsch-
land angebotenen Bagels, Muffins, Cookies und Kuchen greift Starbucks in den USA je
nach Standort und Nachfrage auch auf lokale und regionale Lieferanten zurück.

Abbildung 2.2: Eine deutsche Starbucks-Filiale


(Quelle: Sven2512 at German Wikipedia (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Starbucks_Coffee_Dortmund_024
.jpg), „Starbucks Coffee Dortmund 024“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/legalcode)

Quellen:
Deborah Steinborn: „Der Kaffee-König. Wie Howard Schultz aus vier kleinen Läden in Amerika die
Starbucks-Kette mit weltweit 6.000 Filialen schuf.“, in: DIE ZEIT Nr. 17 (16.04.03), http://
zeus.zeit.de/text/2003/17/Starbucks [30.09.2009];
o.V.: So zwanglos in Seattle, Stuttgarter Nachrichten (19.11.11), unter: http://www.stuttgarter-nach-
richten.de/inhalt.amerika-so-zwanglos-in-seattle.be356ce3-7c41-4d83-9718-19928b608697.html
[30.04.2015];
Tracy B. McGinnis: „Coffee going quick“ (05.12.05), Webseite unter: www.qsrweb.com/
article.php?id=527 [30.09.2009].
https://de.statista.com/themen/1111/starbucks/ [03.02.2018]
https://www.starbucks.de/about-us/company-information/mission-statement [03.02.2018]

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

Jede Mission muss in messbare strategische Zielvorgaben umgesetzt werden. Diese sollten für
jeden einzelnen Manager verfügbar sein, damit er Verantwortung für die Zielerreichung über-
nehmen kann. In einem großen Chemieunternehmen ist z.B. der Bereich Düngemittel eines
der zahlreichen Geschäftsfelder des Unternehmens. Dieser Geschäftsbereich sieht nicht etwa
die Produktion von Düngemitteln als seine Mission an, sondern die „Erhöhung der Produkti-
vität in der Landwirtschaft“. Aus dieser Mission lässt sich eine Hierarchie von Zielen ablei-
ten, die sowohl Unternehmens- als auch Marketingziele in sich vereint. Der Auftrag, die Pro-
duktivität in der Landwirtschaft zu erhöhen, führt zunächst zum Unternehmensziel der
Erforschung und Entwicklung neuer Düngemittel, die höhere Erträge ermöglichen. For-
schung und Entwicklung sind jedoch sehr kostspielig und erfordern die Erwirtschaftung
hoher Gewinne, die in die Forschung reinvestiert werden können. Deshalb ist die Gewinner-
höhung als ein weiteres Unternehmensziel anzusehen. Höhere Gewinne lassen sich durch
höhere Umsätze oder durch Reduktion von Kosten erzielen. Der Umsatz kann durch Steige-
rung des Marktanteils im heimischen Markt, durch den Eintritt in neue Märkte oder durch
eine Kombination dieser Optionen erreicht werden. Diese Teilziele bilden schließlich die
aktuellen Marketingziele des Unternehmens. Hier kommt es dann noch auf eine gewisse Prä-
zisierung der Ziele an. Die Formulierung „unseren Marktanteil erhöhen“ ist nicht so geeignet
wie die Zielvorgabe „unseren Marktanteil auf 15 Prozent innerhalb der nächsten zwei Jahre
erhöhen“. Der Unterschied zwischen der Unternehmensmission und den strategischen Ziel-
vorgaben liegt darin, dass die Mission die Philosophie, die Richtung und den Weg des Unter-
nehmens im Ganzen vorgibt, während die strategischen Zielvorgaben objektiv messbare Grö-
ßen sind.

2.3.2 Strategische Situationsanalyse


„Wissen ist Macht“ (Francis Bacon) oder „ein Führer, der keine Information kaufen will, ist
nachlässig und kann nicht gewinnen“. (Sun Zi)
Diese Aussagen eines Philosophen und eines chinesischen Strategen unterstreichen die
Bedeutung einer grundlegenden strategischen Situationsanalyse. Ähnlich wie beim Schach-
spiel ist es auch im Marketing nützlich, die Regeln sehr gut zu kennen, sich in die anderen
Mitspieler (die Konkurrenten) hineindenken und möglichst einige Züge vorausahnen zu kön-
nen. Je genauer die ermittelten Daten über den Markt, die Konkurrenten und die Einschät-
zung über deren voraussichtliches Verhalten vorliegen, desto präziser können Ziele und Stra-
tegien formuliert werden. Am Beginn einer jeden Strategiekonzeption steht daher das
Strategie-Audit, das solch grundlegende Informationen erfasst. Es besteht aus einer umfas-
senden Analyse der Ausgangssituation und setzt sich aus einem externen und einem inter-
nen Teil zusammen.
Externe Analyse Im externen Teil des Strategie-Audits untersucht man die makroökonomi-
sche Umgebung und die von außen an das Unternehmen herangetragene Aufgabenstellung.
Die Anlaufschwierigkeiten manchen Projekts wie zum Beispiel des Disneyland-Freizeitparks
„EuroDisney“ in der Nähe von Paris lassen sich teilweise auf eine falsche Einschätzung der
makroökonomischen Umgebung zurückführen. Die Disney-Firmengruppe führte die Analyse
des makroökonomischen Umfelds offensichtlich zu oberflächlich durch. Sie hatte übersehen,
dass der Park bei Paris wegen der hohen Arbeitskosten in Frankreich viel teurer würde als
ein Park in den USA, dass die Anreise für eine Familie aus dem übrigen Europa teurer würde
als in den USA und dass das wechselhafte Wetter im Pariser Becken keinen Ganzjahresbe-
trieb erlauben würde, wie man es in Florida oder Kalifornien gewohnt ist. Demgegenüber

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2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans

erscheinen die zahlreichen überdachten Freizeitparks, wie sie zum Beispiel die Center-Park-
Gruppe oder viele regionale Betreiber anbieten, den Verhältnissen in Mittel- und Nordeuropa
besser angepasst.
Interne Analyse Die interne Analyse widmet sich dem Unternehmen selbst und umfasst
dessen gesamte „Wertschöpfungskette“, wie sie von Michael Porter beschrieben wird. Diese
interne Analyse beinhaltet die grundsätzlichen Primäraktivitäten, die dem Warenstrom oder
der Dienstleistungserstellung im Unternehmen folgen: Beschaffungs- und Eingangslogistik,
alle vorgenommenen Verrichtungen der Leistungserstellung, Ausgangslogistik, Marketing
und Vertrieb sowie Kundendienst. Im Rahmen dieser Bestandsaufnahme erfolgt auch eine
Analyse der betrieblichen Unterstützungsfunktionen, auf denen die Primäraktivitäten basie-
ren: Beschaffung aller Industriegüter, Weiterentwicklung der angewendeten Technologien,
Personalbeschaffung und Personalentwicklung, schließlich die technologische, bautechni-
sche und organisatorische Infrastruktur des Unternehmens im weitesten Sinne. Alles, was
das Unternehmen koordinieren und bestimmen kann, wie zum Beispiel auch das Händler-
netz eines Automobil-Importeurs, gehört zu dieser Infrastruktur. Obwohl einige dieser Funk-
tionen über das Marketing hinausgehen, wird die Marketingstrategie von diesen Größen
bestimmt.
Inwieweit eine spezielle Konfiguration der Wertschöpfungskette zu Wettbewerbsvorteilen
führen kann, zeigt das nachfolgende Beispiel der Einzelhandelskette Zara.

Marketing-Highlight: Zara – Fast Fashion

Der Textilhersteller Zara ist die bekannteste internationale Einzelhandelskette des spa-
nischen Kleidungsherstellers Inditex. Als einer der größten weltweit tätigen Modekon-
zerne ist Inditex in 94 Ländern in Europa, Amerika, Asien und Afrika mit verschiede-
nen Einzelhandelsketten vertreten. Neben Zara gehören sieben weitere Handelsketten
dem Konzern an. Die drei größten Mitbewerber der Einzelhandelskette sind GAP, Benet-
ton und H&M. Weltweit gibt es über 2.200 Zara-Filialen. Im Jahr 2007 erzielte Inditex
noch einen Umsatz von 9,4 Milliarden Euro, 66,4 Prozent davon wurden durch Zara
erwirtschaftet. 2017 waren es bereits 23,3 Milliarden Euro. Dieser enorme Erfolg der
Einzelhandelskette ist auf die Gestaltung ihres Geschäftssystems und ihrer Wertschöp-
fungskette zurückzuführen. Das Besondere an diesem System ist, dass Zara die gesamte
Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Verkauf selbst unter Kontrolle hat.
Damit kann Zara Modetrends sehr schnell aufgreifen und kurzfristig auf den Markt
reagieren. Der Wettbewerbsvorteil des Systems liegt in der vertikalen Integration der
Vorstufen, was flexible und schnelle Kollektionswechsel ermöglicht.
Beinahe die Hälfte der Ware, insbesondere die mode- und zeitkritischen Artikel, wird in
eigenen Fertigungsstätten in Europa hergestellt. Dadurch kann Zara auf Nachfrage-
schwankungen kurzfristig durch eine Ausweitung oder Reduktion der Produktion
reagieren. Der restliche Teil der Produktion wird ausgelagert, wobei dies meist trendun-
abhängige Artikel betrifft. So produziert Zara etwa 20.000 unterschiedliche Artikel im
Laufe eines Jahres, die Hauptkonkurrenten hingegen lediglich 2.000 bis 4.000. Zara
benötigt für den Entwurf, die Herstellung und die Auslieferung eines neuen Artikels nur
vier bis fünf Wochen und bei bereits bestehenden Produkten für Nachbestellung und
Lieferung sogar nur zwei Wochen.

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

In einer Branche, in der die Lagerkosten hoch sind und Zyklen von bis zu sechs Mona-
ten für einen Entwurf und drei Monaten für die Produktion als notwendig gelten, stellt
dies einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Dieser kurze Produktions- und Lie-
ferzyklus ermöglicht die fortlaufende Herstellung neuer Ware sogar innerhalb der halb-
jährlichen Verkaufssaison. Daher muss Zara sich erst viel später als seine Schlüsselkon-
kurrenten auf eine Produktlinie für die kommende Saison festlegen. So führt das
Unternehmen 35 Prozent des Produktentwurfs und des Einkaufs von Rohstoffen, 40 bis
50 Prozent des Einkaufs von Fertigwaren externer Lieferanten sowie 85 Prozent der
betriebsinternen Produktion erst durch, nachdem die Saison begonnen hat.

Abbildung 2.3: Außenansicht einer Zara-Filiale in Madrid, von Luis García


(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Zara_(Unternehmen)#/media/File:Zara_(Princesa_58,_Madrid)_01.jpg)

Zara schneidet Stoffe im eigenen Betrieb zu und sendet den Entwurf an einen von hun-
dert lokalen Partnern zur Näharbeit. Deren Maschinen produzieren bis zu 80.000 Teile
pro Stunde, sortieren, etikettieren und verpacken die Ware. Schließlich werden die Fili-
alen per Lkw oder per Schiff bzw. Flugzeug mit den fertigen Kleidungsstücken beliefert.
Zara verfügt hierfür über eine große Distributionszentrale in Nordwest-Spanien. Diese
Vertriebsbasis durchlaufen sämtliche Artikel mit einer Lagerzeit von maximal drei
Tagen. Von dort aus wird die Ware zweimal pro Woche in die einzelnen Filialen ausge-
liefert. Durch das zentralisierte Distributionssystem kann das Unternehmen die Lager-
kosten minimieren und Nachbestellungen schnell durchführen.

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2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans

Zara gewinnt so einen Zeitvorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern, die ihre Ware aus
Kostengründen häufig in Fernost produzieren lassen. In den USA überlegen erste
Bekleidungshersteller und Händler, ihre Produktion aus dem Ausland zurückzuholen.
Dadurch steigen zwar die Kosten, aber man gewinnt an Flexibilität und Schnelligkeit,
was in der Modebranche immer wichtiger wird. Der Verkauf bildet nicht den Schluss-
punkt der Wertschöpfungskette, sondern ist eine wichtige Informationsquelle für die
Designteams von Zara. Informationen über die Kunden bezüglich Modelle und Farben
werden in den Läden gesammelt und anschließend telefonisch der Designabteilung
übermittelt. Unter Einbeziehung von Trendanalysen entstehen so die Entwürfe für neue
Modelle.
Inlandsfertigung zahlt sich aus Die Strategie der schnellen Produktion zahlt sich für
den Konzern Inditex aus. Im Geschäftsjahr 2017 beispielsweise stieg der Umsatz um 12
Prozent auf 23,3 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Der Gewinn stieg um 10
Prozent auf 3,16 Milliarden Euro im selben Bilanzjahr. Das gute Ergebnis wurde größ-
tenteils durch die Marke Zara bewirkt, die 2017 Platz 34 der 100 weltweit wertvollsten
Marken innehatte. Darüber hinaus gehören zu Inditex auch Ketten wie z.B. Oysho,
Bershka, Stradivarius, Massimo Dutti, Pull and Bear und Uterqüe. Hinzu kommt mit
„Zara Home“ die erste Kette, die keine Kleidungsstücke verkauft. Jede dieser Ketten
nutzt ebenfalls die vertikale Integration. Es hat sich also für Zara nicht nur ausgezahlt,
der schnellste Textilhändler zu sein, das Unternehmen hat auch die Modewelt komplett
umgekrempelt. Zara hat den Weg freigemacht für günstigere Mode und den Wettbe-
werbsdruck auf Modemarken im mittleren und sogar im gehobenen Preissegment ver-
stärkt.

Quellen:
Finkenzeller, K., Hart & Schnell, in: Financial Times Deutschland, 12. Oktober 2005, S. 29;
Inditex, Webseite von Inditex unter: www.inditex.com [30.04.2015];
Mazaira, A., González, E., Avendaño, R., The role of market orientation on company performance
through the development of sustainable competitive advantage: the Inditex-Zara case, in: Marketing
Intelligence & Planning, Volume 21, Number 4 2003, S. 220–229;
https://de.statista.com/themen/1636/inditex-und-zara/ [03.02.2018]
www.textilzeitung.at/news/detail/erfolgsjahr-fuer-inditex.html [03.02.2018]
http://brandz.com/charting/29 [03.02.2018]

Um die interne Situation eines Unternehmens und deren Entwicklung zu verstehen, ist es
darüber hinaus unerlässlich, eine genaue und ehrliche Analyse der Bilanz und der Gewinn-
und Verlustrechnung vorzunehmen. Dies sind die beiden zentralen Finanzberichte in einem
Unternehmen. Die Bilanz zeigt die Vermögenswerte, die Verbindlichkeiten und den Wert
eines Unternehmens zu einem gegebenen Zeitpunkt. Die Gewinn- und Verlustrechnung ist
für die Zwecke des Marketings noch aussagekräftiger als die Bilanz. Sie weist Periode für
Periode die Umsätze, die entstandenen Kosten für die verkaufte Ware und die übrigen Ausga-
ben aus. Günstige oder ungünstige Entwicklungen lassen sich an der Gewinn- und Verlust-
rechnung erkennen, sodass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können.

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

2.3.3 Strategische Analysemethoden


SWOT-Analyse
Die SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) extrahiert aus den im stra-
tegischen Audit ermittelten Informationen die entscheidenden Stärken und Schwächen des
Unternehmens, aber auch die Chancen und Risiken, die die Unternehmenstätigkeit begrenzen.
Das Strategie-Audit liefert eine Vielzahl an Daten von unterschiedlicher Wichtigkeit und Ver-
lässlichkeit, die mithilfe der SWOT-Analyse gefiltert werden, um die erfolgskritischen Fakto-
ren aus der internen und externen Analyse aufzuzeigen. Die Anzahl dieser Faktoren sollte
gering sein, um sie anschaulich kommunizieren zu können und um zu verdeutlichen, worauf
das Unternehmen seine Aufmerksamkeit fokussieren sollte.

Chancen und Risiken


Das Management muss die Chancen und die Risiken, denen das Unternehmen gegenüber-
steht, erkennen, um wichtige Entwicklungen, die einen Einfluss auf dessen Zukunft haben,
voraussehen und vorwegnehmen zu können.
Der Geschäftsbereich „Tiernahrung“ eines großen internationalen Unternehmens hat für
einen nationalen Markt beispielsweise folgende Chancen identifiziert:
 Wirtschaftliches Umfeld Aufgrund der verbesserten allgemeinen Wirtschaftslage nimmt
die Tierhaltung in nahezu allen Bevölkerungsschichten zu.
 Demografische Veränderungen Die Zunahme der Zahl alleinerziehender Elternteile und
der Doppelverdienerhaushalte sowie das Altern der Bevölkerung verstärken den erkenn-
baren Trend hin zu bequemer Tier-Fertignahrung. Die Gruppe der Senioren wächst weiter,
sodass erwartet werden kann, dass die Haustierhaltung zunimmt.
 Markttrends Analog zur Entwicklung auf den Märkten für menschliche Nahrung werden
gesunde Nahrung und vorgefertigte Produkte des hochwertigen Segments (z.B. als Tief-
kühlkost) wachsende Marktanteile erringen.
 Neue Technologien Auch auf dem Markt für Tiernahrung werden Produkte mit wenig Fett
und Kalorien eine zunehmende Bedeutung erlangen. Diese Produkte werden vor allem
Käufer ansprechen, die für sich selbst auf solche Produkteigenschaften achten und ihr
eigenes Gesundheitsbewusstsein auch auf ihre Haustiere ausdehnen.
Den Chancen stehen folgende Risiken gegenüber:
 Aktivitäten der Konkurrenz Ein großer und wichtiger Konkurrent hat gerade angekündigt,
dass er eine neue Produktlinie für Tierfutter in Premium-Qualität einführen will. Die Ein-
führung soll mit einer aufwendigen Werbekampagne und mit aggressiven Verkaufsförde-
rungsmaßnahmen unterstützt werden.
 Die Macht des Handels Branchenspezialisten schätzen, dass jährlich etwa 10.000 neue
Produkte im Einzelhandel eingeführt werden. Davon werden allerdings nur knapp 40 Pro-
zent von den Käufern akzeptiert. Neue Produkte müssen sich im Handel innerhalb von
nur fünf Monaten durchsetzen, sonst nimmt man sie aus dem Sortiment.
 Demografische Veränderungen Die steigende Anzahl alleinerziehender Eltern und Doppel-
verdiener verstärkt die Tendenz zu kleineren „pflegeleichten“ Tieren (eher Katzen als
Hunde). Diese Tiere benötigen kleinere Mengen an Tiernahrung, wodurch der Umsatz sinkt.
 Politik/EU-Gesetzgebung Die EU erlässt zunehmend Vorschriften zur Inhaltsdeklaration
von Tiernahrungsmitteln. Die Kennzeichnungspflicht führt dazu, dass Produkte, die z. B.
Känguru- oder Pferdefleisch enthalten, an Attraktivität verlieren.

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2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans

Die unterschiedlichen Risiken, die das Unternehmen bedrohen, haben weder die gleiche
Intensität noch das gleiche Gefahrenpotenzial. Sie unterscheiden sich auch im Hinblick auf
ihre Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Geschäftsleitung muss die Risiken diesbezüglich ein-
schätzen können und für die wichtigsten Bedrohungssituationen Reaktions- und Abwehr-
konzepte erarbeiten.
Ein neuer Trend oder eine neue Entwicklung kann für ein Unternehmen eine Bedrohung
oder aber auch eine Chance sein. Dies hängt davon ab, wo die Stärken und Schwächen des
Unternehmens liegen. Chancen ergeben sich insbesondere, wenn die Veränderung des
Umfelds einer Stärke des Unternehmens entgegenkommt. Eine unerwartete Chance kann
sich z.B. auch aus neuen Gesetzen ergeben. Die verschärfte Umweltgesetzgebung mag für
manchen Unternehmer, der ökologisch unbedenkliche Produkte oder Neuerungen anbietet,
verbesserte Absatzchancen bedeuten.
Ein vorausschauender Unternehmer sollte jede Gelegenheit, die sich bietet, überprüfen und
sie in Bezug auf ihre potenzielle Attraktivität und unternehmensspezifische Erfolgswahr-
scheinlichkeit abschätzen. Die Entstehung von Chancen ist meist auch mit Risiken verbun-
den. Eine Chance, die exakt zu den Zielen und Ressourcen des Unternehmens passt, ist eher
selten. Bei der Beurteilung von Chancen muss das Management daher entscheiden, ob die zu
erwartenden Erträge die Risiken rechtfertigen.

Stärken und Schwächen


Die Stärken und Schwächen im Rahmen der SWOT-Analyse zählen nicht alle Eigenschaften
des Unternehmens auf, sondern nur diejenigen, die für Erfolg oder Misserfolg bestimmend
sind. Wird die Liste zu lang, erschwert das die Konzentration auf die relevanten Punkte. Stär-
ken und Schwächen sind stets relativ zu sehen, nicht absolut. Was nützt es einem Unterneh-
men, in einem bestimmten Bereich gut zu sein, wenn die gesamte Konkurrenz besser ist?
Mercedes-Benz zum Beispiel war viele Jahre auf dem US-Markt der führende Importeur bei
hochwertigen Autos, aber irgendwann empfanden viele Käufer das Angebot der Japaner auch
bei teuren Fahrzeugen bezüglich Qualität, Luxus und Zuverlässigkeit als insgesamt günstiger,
sodass Mercedes-Benz und weitere deutsche Hersteller ihre dominierende Rolle einbüßten.
Letztendlich sollten die Stärken auf Fakten basieren. Der Volkswagen Konzern kaufte mit der
Marke Škoda einen Namen und eine Tradition. Doch ist der Markenname eine Stärke? Hätte
der Name auch genügt, wenn Volkswagen nicht auch enorme Investitionen zur Modernisie-
rung des Produktspektrums und der Fertigungsanlagen vorgenommen hätte?
Es kann sehr schädlich sein, die wahren Stärken nicht zu erkennen. Ein Flugzeughersteller
warb jahrelang mit der Qualität seines Kundendienstes. Als das Unternehmen dann von
einem Konkurrenten übernommen wurde, erfuhr man, dass man gerade beim Kundendienst
den schlechtesten Ruf in der Branche hatte.
Am Beispiel des Herstellers von Heimtiernahrung lassen sich die Stärken und Schwächen,
die den bereits aufgezeigten Chancen und Risiken gegenüberstehen, darstellen. Das Unter-
nehmen hat folgende Stärken:
 Marktführer bei trockenem Heimtierfutter
 Zugang zu den jeweils neuesten Technologien aufgrund der Zugehörigkeit zu einem welt-
weit agierenden Konzern
 Marktführer bei Tiernahrung im Premium- und Luxussegment
 ausgezeichnete weltweite Vertriebsstruktur

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

 Marktführer bei Tiernahrung auf wichtigen Volumenmärkten einschließlich Frankreich,


Italien, Spanien und Lateinamerika
Dem stehen die folgenden Schwächen gegenüber:
 auf dem Markt für nicht getrocknete Tiernahrung nur Nummer drei
 sehr breites Produktspektrum mit einigen Marken, die keine hohen Verkaufszahlen errei-
chen
 zersplitterte Unternehmensidentität, zahlreiche Markennamen stammen aus Unterneh-
mensakquisitionen und haben einen niedrigen Bekanntheitsgrad
 im Verhältnis zu Umsatz und Marktanteil in der Branche zu niedriges Werbebudget
 das breite Produktspektrum bedingt zu viele verschiedene Produktionsmethoden und
damit verbundene umfangreiche Fach- und Methodenkenntnisse bei den Mitarbeitern
 geringe Marktpräsenz auf den wichtigen Märkten Deutschland, Großbritannien, USA und
Kanada
 zu geringe Umsatzrendite
Dieses Praxisbeispiel zeigt, wie sich verschiedene Teile der SWOT-Analyse aufwiegen. Die
Stärke bei Trocken- und Luxusprodukten passt gut zu den beobachteten demografischen Ent-
wicklungen und Trends. Diese Chance sollte für Wachstum genutzt werden. Der Zugang zu
den neuesten Technologien in der Heimtiernahrungsbranche sollte es dem Unternehmen
ermöglichen, den veränderten Kundenwünschen wie auch den neuen Gesetzesauflagen zu
entsprechen. Die Schwächen verdeutlichen die Notwendigkeit für das Unternehmen,
Schwerpunkte zu setzen. Die Einstellung unwirtschaftlicher Produktlinien im Bereich nicht
getrockneter Tiernahrung, die Bereinigung der Markenstruktur sowie die Konzentration auf
weniger Fertigungslinien könnten Ressourcen für die Entwicklung der Trocken- und Luxus-
märkte freisetzen. Das Unternehmen sollte die höheren Erträge der „starken Produkte“ für
einen Durchbruch bei nicht getrockneter Tiernahrung nutzen und in Gebieten mit Know-
how-Vorsprung den internationalen Absatz forcieren. Schließlich könnte man durch Nut-
zung der weltweiten Distributionsstruktur für Produkte, die Produktions- und Kostenvorteile
aufweisen, die Profitabilität erhöhen.

Portfolio-Analyse
Die Gesamtheit der Produktlinien und Geschäftsfelder eines Unternehmens wird auch als
dessen Geschäftsportfolio bezeichnet. Die Definition, Abgrenzung und Gewichtung der ein-
zelnen Geschäftsfelder bilden die Nahtstellen zwischen der Gesamtstrategie des Unterneh-
mens und den Strategien der einzelnen organisatorischen Teileinheiten. Die Portfolio-Ana-
lyse unterstützt das Management dabei, die unternehmensspezifischen Geschäftstätigkeiten
zu beurteilen und zu steuern. Ein optimales Portfolio passt die Stärken und Schwächen des
Unternehmens an die Geschäftsmöglichkeiten des Umfelds an. Es gilt zunächst, das beste-
hende Geschäftsportfolio zu untersuchen, um dann zu entscheiden, welche Bereiche mehr,
welche weniger oder welche keine Finanzmittel erhalten sollen.
Die Intention der Portfolio-Analyse ist es, den zukunftsträchtigsten Geschäftsfeldern weitere
Ressourcen zuzuführen und andererseits ausgesprochen schwache Bereiche auf das Nötigste
zu reduzieren oder aufzugeben. Lange Jahre galt „Diversifikation“ als das Zauberwort für
erfolgreiche Unternehmensführung. Im Rahmen der Portfolio-Analyse kann es sich aller-
dings herausstellen, dass ein vor Jahren im Zuge dieser Diversifizierung aufgekaufter
Pharma- und Kosmetikbereich in einem Automobilkonzern nur noch wie das fünfte Rad am

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2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans

Wagen nebenher mitläuft, ohne Gewinne, ohne starke Position am Markt und ohne jegliche
Synergie-Effekte mit den anderen Geschäftsfeldern. Hier wäre es sicher die richtige Entschei-
dung, diesen Geschäftsbereich zu verkaufen und die erzielten Mittel in das Kerngeschäft
(Pkw, Lkw, Busse) oder in die Entwicklung von damit verbundenen Zukunftstechnologien
(Datentechnik im Fahrzeug, Leitsysteme, neue Antriebe) zu investieren.
Identifikation der einzelnen strategischen Geschäftsfelder Die Analyse sollte zunächst die
wichtigsten Aktivitäten des Unternehmens benennen. Diese Aktivitäten können als strategi-
sche Geschäftseinheiten bezeichnet werden. Jede dieser strategischen Geschäftseinheiten
(SGE) ist eine Teileinheit des Unternehmens mit separaten Zielen, die unabhängig von ande-
ren Geschäftseinheiten definiert werden können. Eine SGE kann ein Unternehmensbereich,
eine Produktlinie innerhalb eines Unternehmensbereichs oder manchmal auch ein Einzel-
produkt oder eine einzelne Marke sein.
Beurteilung der Zukunftsaussichten der strategischen Geschäftseinheiten Nachdem diese
SGE benannt sind, muss die Unternehmensführung die Bedeutung und die Zukunft der ein-
zelnen strategischen Geschäftsfelder bewerten und Entscheidungen darüber treffen, in wel-
chem Umfang die einzelnen SGE unterstützt werden sollen. In vielen Unternehmen mag dies
ohne formalen Entscheidungsprozess stattfinden. Die Unternehmensleitung diskutiert, wie
der Stand und die Zukunftsperspektiven der einzelnen Geschäftseinheiten zu beurteilen
sind. Andere Unternehmen benutzen strikt formalisierte Portfolio-Analysemethoden.
Der Zweck der strategischen Planung ist es, Wege zu finden, wie das Unternehmen am besten
seine Stärken einsetzen kann, um attraktive Geschäftsmöglichkeiten in seinem Umfeld zu
nutzen. Die meisten Methoden zur Analyse des Geschäftsportfolios bewerten SGE deshalb
nach zwei Kriterien: nach der Attraktivität des Markts oder der Branche der SGE und nach
der Position, die die SGE in diesem Markt oder in dieser Branche einnimmt. Die bekanntes-
ten Methoden zur Geschäftsportfolio-Planung sind die der Unternehmensberatung Boston
Consulting Group und die von General Electric.
Die Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix nach der Boston Consulting Group Ein Unter-
nehmen, das den Ansatz der Boston Consulting Group anwendet, untersucht seine SGE dar-
aufhin, welche Position sie innerhalb der zweidimensionalen Marktwachstums-/Marktan-
teils-Matrix einnehmen. Auf der y-Achse misst das Wachstum des jeweiligen Teilmarkts die
Marktattraktivität. Die x-Achse zeigt den relativen Marktanteil, den ein Unternehmen in die-
sem Markt erreicht hat und spiegelt damit dessen Stärke wider. Mithilfe dieses Vorgehens
lassen sich die SGE in vier Typen einteilen:
1. Stars Stars sind geschäftliche Aktivitäten oder Produkte mit hohen Wachstumsraten, bei
denen das Unternehmen einen hohen Marktanteil hat. Häufig sind sehr hohe Investitionen
nötig, um das rapide Wachstum dieser SGE zu finanzieren. Verlangsamt sich das Wachstum,
können aus Stars Cash Cows werden.
2. Cash Cows So werden in der Boston-Consulting-Matrix Produkte oder Leistungen mit
hohem Marktanteil bei niedrigen Wachstumsraten bezeichnet. Für diese etablierten und
erfolgreichen SGE benötigt man nur geringe Investitionen, um den Marktanteil halten zu
können. Sie erbringen hohe Umsätze und Gewinne, die sich verwenden lassen, um neue
oder schwache SGE zu stützen und um die Existenz insgesamt zu sichern.
3. Question Marks Question Marks sind SGE mit derzeit niedrigen Marktanteilen in schnell
wachsenden Märkten. Sie benötigen Finanzmittel, um ihren Marktanteil zu halten oder ihn

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

auszubauen. Die Unternehmensleitung muss diese Question Marks genau prüfen und ent-
scheiden, ob sie zu Stars ausgebaut werden können oder ob man sie lieber aufgeben sollte.
4. Poor Dogs SGE dieses Typs haben keinen nennenswerten Marktanteil in Märkten mit nied-
rigem Marktwachstum. Im günstigsten Fall bringen sie genug Geld ein, um sich selbst zu
erhalten, aber sie versprechen keine großen Gewinne. Es gilt deshalb zu überlegen, ob man
solche SGE besser aufgibt.
Die Kreisflächen in der Matrix zeigen die Positionen von zehn SGE eines Unternehmens. Das
Unternehmen hat zwei Stars, zwei Cash Cows, drei Question Marks und drei Poor Dogs. Die
Flächen der Kreise in Abbildung 2.4 sind proportional zu dem Anteil der SGE am gesamten
Umsatz. Dieses Unternehmen ist in einem annehmbaren, aber nicht in einem guten Zustand.
Es wird voraussichtlich in die aussichtsreichen Question Marks investieren, um Stars aus
ihnen zu machen, und die Stars behalten, um sie zu gegebener Zeit in Cash Cows überführen
zu können. Glücklicherweise hat dieses Unternehmen auch noch zwei Cash Cows im Portfo-
lio. Damit kann es die Question Marks, die Stars und die Poor Dogs finanzieren. Das Gesamt-
bild sähe schlechter aus, wenn das Unternehmen keine Stars hätte oder zu viele Poor Dogs
bzw. wenn es nur eine schwächliche und kränkelnde Cash Cow hätte.

Relativer Marktanteil
Hoch Niedrig

»Stars« »Question Marks«


hohes Wachstum, niedriger Marktanteil,
hoher Marktanteil, hohes Marktwachstum:
Hoch

auch hohe Investitionen, zum Star entwickeln


Marktwachstum

werden meist »Milchkühe« oder aufgeben

»Cash Cows« »Poor Dogs«


hoher Marktanteil, niedriger Marktanteil,
Niedrig

geringes Wachstum, niedriges Wachstum,


geringer Investitionsbedarf, selbsterhaltend,
echte »Geldbringer« aber ohne Zukunft

»Stars« »Question Marks«

»Cash Cows« »Poor Dogs«

Abbildung 2.4: Die Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix nach Boston Consulting

Sobald man seine Geschäftseinheiten in diese Kategorien eingeteilt hat, muss man entschei-
den, welche Rolle jede SGE in der Zukunft spielen soll. Es stehen vier strategische Alternati-
ven zur Wahl. Das Unternehmen kann derart in die SGE investieren, dass es seinen Marktan-
teil in diesem Geschäftsfeld ausbauen kann. Es kann auch auf Investitionen verzichten bzw.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2.3 Zentrale Bestandteile eines strategischen Plans

die Investitionen auf einem Niveau halten, sodass sich der Marktanteil gerade halten lässt.
Ferner kann man eine bestehende SGE ausnehmen oder abernten, wenn man, ohne auf die
Langzeitwirkungen zu achten, Finanzmittel aus einem Geschäftsfeld abzieht. Schließlich
kann eine SGE aufgelöst werden, indem sie verkauft bzw. stillgelegt wird, um die Ressourcen
an anderer Stelle einzusetzen.
Im Zeitablauf ändern die SGE ihre Positionen in der Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix.
Jede SGE hat einen eigenen Lebenszyklus. Viele SGE beginnen als Question Marks und stei-
gen bis in die Kategorie der Stars auf, soweit sie Erfolg haben. Sie wandeln sich in Cash Cows
um, wenn sich das rapide Wachstum der ersten Zeit verlangsamt. Schließlich verschwinden
sie oder sie dämmern noch einige Zeit als Poor Dogs am Ende ihres Lebenszyklus dahin. Ein
Unternehmen sollte laufend neue Produkte und neue SGE zu seinem Portfolio hinzufügen,
mit dem Ziel, dass sich möglichst einige davon zu Stars entwickeln und schließlich Cash
Cows werden, die dann andere SGE mitfinanzieren können.
Schwächen der Matrix-Modelle Die BCG-Matrix und andere formale Ansätze haben die
strategische Planung revolutioniert. Diese zentralisierten Methoden haben jedoch ihre Gren-
zen. Sie können kompliziert, zeitaufwendig und kostspielig sein. Für die Unternehmenslei-
tung sind die Ermittlung strategischer Geschäftseinheiten sowie die Messung von Marktan-
teilen und Wachstum möglicherweise schwierig. Daneben konzentrieren sich die Methoden
auf die Einteilung bestehender Geschäftsfelder, bieten aber wenig Hilfestellung für künftige
Planungen.
Daher sehen viele Unternehmen von den formal ausgerichteten Matrixansätzen ab und grei-
fen stattdessen auf genauere Methoden zurück, die sich besser auf konkrete Situationen
anwenden lassen. Außerdem sind strategische Planungen im Gegensatz zu früher, als sich
hauptsächlich die Geschäftsführer in den Unternehmenszentralen damit befassten, heute
eine dezentrale Aufgabe. Immer mehr Unternehmen übertragen die Verantwortung für strate-
gische Planung an abteilungsübergreifende Teams aus Bereichsleitern, die näher an ihren
jeweiligen Märkten sind.
Denken Sie an die Walt Disney Company. Für die meisten Europäer steht Disney für Freizeit-
parks und Familienunterhaltung. Doch Mitte der 1980er-Jahre schuf Disney einen starken
zentralisierten Bereich für strategische Planung, um Ausrichtung und Wachstum des Unter-
nehmens zu steuern. Dieses strategische Planungsressort machte The Walt Disney Company
in den folgenden zwei Jahrzehnten zu einem riesigen und vielfältigen Medien- und Unterhal-
tungskonzern. Das Unternehmen erschloss immer neue Geschäftsfelder, von Themenparks
und Filmstudios (Walt Disney Pictures, Touchstone Pictures, Pixar Animation und Marvel
Studios) über Medien-Netzwerke (ABC Television plus ESPN, Disney Channel, Teile von
A&E und dem History Channel sowie einem halben Dutzend weiterer) bis zu Konsumgütern
(Bekleidung, Spielwaren Computerspiele) und sogar einem Kreuzfahrtschiff.
Dieser neue Konzern erwies sich als schwer zu steuern und zeigte keine gleichbleibend guten
Ergebnisse. Um die Leistungen zu verbessern, löste Disney die zentrale Abteilung für strate-
gische Planung auf und übertrug deren Aufgaben dezentral an die Bereichsleiter des Unter-
nehmens. In der Folge konnte sich Disney an der Spitze der weltweiten Medien-Großkon-
zerne behaupten. Selbst in der schwachen Wirtschaftsphase war Disney mit seinem
fundierten strategischen Management der vielfältigen Geschäftsfelder – und natürlich einem
Hauch der berühmten Disney-Magie – weitaus erfolgreicher als konkurrierende Medien-
Unternehmen.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

2.3.4 Entwicklung von Strategien für Wachstum und Downsizing


Neben der Bewertung bestehender Tätigkeitsfelder umfasst die Gestaltung des Geschäftsport-
folios auch das Ermitteln neuer Aktivitäten und Produkte, die für das Unternehmen in der
Zukunft relevant sein könnten. Unternehmen müssen wachsen, um im Wettbewerb effektiver
zu bestehen, Anspruchsgruppen zufriedenzustellen und hoch qualifizierte Mitarbeiter anzu-
werben. Gleichzeitig muss man aufpassen, nicht das Wachstum selbst zum Ziel zu erklären.
Das Ziel eines Unternehmens muss stets sein, ein „profitables Wachstum“ zu schaffen. Das
Marketing spielt dabei eine wichtige Rolle. Mithilfe des Marketings müssen neue Marktchan-
cen identifiziert, bewertet und ausgewählt werden und anschließend entsprechende Strate-
gien entwickelt werden.
Ein wichtiges Instrument, um Wachstumsmöglichkeiten zu identifizieren, ist die in Abbil-
dung 2.5 dargestellte Produkt-Markt-Matrix. Sie stellt vier Optionen vor, mit denen ein
Unternehmen Wachstum erzielen kann: Marktdurchdringung, Marktentwicklung, Pro-
duktentwicklung und Diversifikation.

Bestehende Neue
Produkte Produkte

Bestehende
Marktdurchdringung Produktentwicklung
Märkte

Neue
Marktentwicklung Diversifikation
Märkte

Abbildung 2.5: Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff

Am Beispiel von Mercedes-Benz soll gezeigt werden, welche Marketingmaßnahmen den ein-
zelnen Feldern der Produkt-Markt-Matrix zugeordnet werden können.
Marktdurchdringung Die Marktdurchdringungsstrategie beschreibt den verstärkten Einsatz
von Marketingaktivitäten mit dem Ziel, bestehende Produkte auf angestammten Märkten zu
unterstützen und so deren Marktanteil und Marktvolumen auszubauen. Die Einführung einer
neuen, innovativen S-Klasse kann als Beispiel für ein solches Vorgehen gelten.
Marktentwicklung Die Marktentwicklungsstrategie zielt darauf ab, mit bestehenden Pro-
dukten in neue Märkte einzutreten, um zusätzliches Absatzpotenzial zu erschließen. Dieses
Ziel verfolgte Mercedes-Benz beispielsweise mit der Einführung der A-Klasse in Japan.
Produktentwicklung Mit der Produktentwicklungsstrategie verfolgt man das Ziel, den
Umsatz auf bestehenden Märkten mit neuen Produkten zu sichern bzw. auszuweiten. So ent-
wickelte Mercedes-Benz die neue R-Klasse speziell für den europäischen Markt in einer kur-
zen und für den amerikanischen Markt in einer langen Version.
Diversifikation Mit der Strategie der Diversifikation begibt sich ein Unternehmen auf neue
Betätigungsfelder. Mit der Einführung des Stadtautos smart wurde eine eigene Marke etabliert,
um eine möglichst weit gehende Abgrenzung von der Marke mit dem „Stern“ zu gewährleisten.

110
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2.4 Die Rolle des Marketings in der strategischen Planung

Unternehmen entwickeln jedoch nicht nur Strategien, die das Wachstum fördern. Manchmal
kann es auch notwendig sein, das Portfolio zu verkleinern und Umsatz aufzugeben (Ver-
schlankung). Es gibt viele Gründe, weshalb ein Unternehmen ein Produkt oder sogar ganze
Märkte aufgibt. Das Unternehmen ist beispielsweise zu schnell gewachsen und in Bereiche
vorgedrungen, in welchen es noch zu wenig Erfahrung aufweist, um neben der Konkurrenz
bestehen zu können. Das kann vorkommen, wenn ein Unternehmen zu viele internationale
Märkte erschließt, ohne zuvor die notwendigen Informationen eingeholt zu haben, oder
wenn man neue Produkte eingeführt hat, die keinen ausreichenden Kundennutzen bieten.
Das Marketingumfeld kann sich verändern, wodurch manche Produkte und Märkte immer
weniger profitabel werden. So geben Unternehmen in wirtschaftlich schweren Zeiten weni-
ger profitable Produkte oder Märkte auf und konzentrieren ihre Ressourcen auf erfolgverspre-
chende Bereiche. Schließlich werden manche Produkte oder Marktnischen einfach alt und
sterben aus.
Wenn ein Unternehmen feststellt, dass eine Marke nicht mehr profitabel ist oder nicht mehr
zur Unternehmensstrategie passt, sollte man die Mittel für sie kürzen, sie aufgeben oder ver-
äußern. Schwache Geschäftseinheiten benötigen ein unverhältnismäßig hohes Maß an Auf-
merksamkeit des Managements. Dieses sollte sich auf zukunftsträchtige Produkte und Märkte
konzentrieren und sich nicht in die Rettung von jenen verrennen, die kaum Erfolg verspre-
chen.

2.4 Die Rolle des Marketings in der strategischen Planung


2.4.1 Marketing als Leitkonzept in der strategischen Planung
Die strategische Gesamtplanung eines Unternehmens legt fest, in welchen Bereichen es tätig
sein will und welche Ziele es dabei verfolgt. Innerhalb der einzelnen Geschäftseinheiten fin-
det dann eine genauere Planung statt. Die betrieblichen Funktionen innerhalb einer
Geschäftseinheit wie Marketing, Finanzen, Rechnungswesen, Einkauf, Produktion und Per-
sonal müssen zur Erreichung der strategischen Ziele eng und abgestimmt zusammenarbeiten.
Zum Beispiel generiert der Marketingbereich Umsätze, indem er Verkäufe mit den Kunden
einleitet und durchführt. Der Finanzbereich besorgt Geldmittel, indem er Kredit- bzw. Anla-
gevorgänge abwickelt. Die Personalabteilung rekrutiert die benötigten Arbeitskräfte, während
die Einkaufsabteilung das Material für die Produktion und für alle übrigen Aktivitäten
besorgt. Jeder Funktionsbereich verhandelt mit anderen internen und externen Partnern, um
Ressourcen wie Finanzmittel, Arbeitskräfte, Material, Entwicklungskonzepte und Fertigungs-
verfahren zu erhalten.
Es existieren zahlreiche Überschneidungen zwischen der Gesamtstrategie eines Unterneh-
mens und der Marketingstrategie. Das Marketing beobachtet die Wünsche und Bedürfnisse
der Verbraucher und das Potenzial des Unternehmens, diese Wünsche und Bedürfnisse zu
befriedigen. Diese Faktoren bestimmen Mission und Ziele des Unternehmens. Der überwie-
gende Teil der strategischen Planung des Unternehmens geht von Marketingvariablen aus:
Marktanteil, Stand der Marktentwicklung, Wachstum der Märkte usw. Häufig lässt sich keine
klare Trennlinie zwischen strategischer Planung und Marketingplanung ziehen. Einige
Unternehmen bezeichnen daher ihre strategische Planung als strategische Marketingplanung.
Das Marketing nimmt auf mehrere Arten eine Schlüsselrolle in der strategischen Planung ein.

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

1. Marketing ist eine Leitlinie oder Philosophie für die gesamte Tätigkeit des Unterneh-
mens. Da das Marketing die wichtigsten Kundengruppen identifiziert und die Unterneh-
mensstrategie sich um die Befriedigung der Bedürfnisse dieser Kunden dreht, stellt es ein
Leitkonzept für die gesamte Unternehmenstätigkeit dar.
2. Marketing liefert Input für strategische Entscheidungen. Das Marketing liefert Input für
die strategische Planung, indem neue attraktive Marktchancen aufgespürt werden und den
Planern die Möglichkeit gegeben wird, gegenwärtige und künftige Potenziale des Unterneh-
mens daraufhin zu überprüfen, wie es hieraus Vorteile erlangen könnte.
3. Marketing unterstützt die Zielerreichung der einzelnen Geschäftseinheiten mit konkreten
Strategien. Für die einzelnen Geschäftseinheiten erarbeitet das Marketing konkrete Strate-
gien, die es ermöglichen, die Zielvorgaben zu erfüllen. Für jede Geschäftseinheit des Unter-
nehmens entscheiden die Verantwortlichen im Marketing, wie sie mit konkreten Maßnah-
men zur Zielerreichung beitragen können. Dabei besteht das Ziel nicht immer darin, den
Umsatz zu steigern. Es kann auch darum gehen, existierende Umsätze mit einem geringeren
Marketingbudget aufrechtzuerhalten oder sogar die Nachfrage zu senken. Die Aufgabe des
Marketings ist es daher, das Potenzial jeder Geschäftseinheit zu ermitteln, Zielvorgaben für
sie zu finden und zu spezifizieren und diese Ziele zu erreichen.

2.4.2 Der Stellenwert des Marketings innerhalb betrieblicher


Funktionsbereiche
In manchen Unternehmen ist das Marketing eine gleichberechtigte Funktion unter anderen.
Viele Marketing-Manager sind jedoch der Meinung, dass Marketing die absolut wichtigste
Funktion im Unternehmen sei. Sie beziehen sich auf Peter Drucker, der sagte: „Das Ziel eines
Unternehmens ist es, Käufer zu schaffen.“ Die Anhänger dieser Denkrichtung sehen es als
Aufgabe des Marketings, die Mission des Unternehmens festzulegen, seine Produkte und
Märkte zu definieren und alle übrigen Funktionsbereiche zu führen, mit dem Ziel, den Kun-
den zu dienen.
Viele Marketingfachleute sehen heute eher den Kunden und nicht die Marketingabteilung im
Zentrum des Unternehmens. Sie argumentieren, dass das Unternehmen ohne Kunden nicht
erfolgreich sein kann und dass es daher die zentrale Aufgabe sei, Kunden zu werben und zu
halten. „Kunden werden mit Versprechungen geworben und mit Zufriedenstellung gehalten
– das Marketing definiert die Versprechungen und stellt ihre Erfüllung sicher.“
Die tatsächliche Zufriedenstellung des Käufers ist jedoch von der Arbeit aller Abteilungen im
Unternehmen abhängig, aus diesem Grund müssen alle Funktionsbereiche im Unternehmen
zusammenarbeiten, um die Bedürfnisse des Kunden herauszufinden, den Kunden zu bedie-
nen und seine Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen. Jede Abteilung ist dabei ein Teil der
unternehmensweiten Wertschöpfungskette. Dem Marketing kommt innerbetrieblich eine
wichtige integrierende Rolle als Koordinator zu, um sicherzustellen, dass alle Abteilungen
für eine möglichst perfekte Zufriedenstellung des Kunden zusammenarbeiten.
ALDI beispielsweise will Kundennutzen und Kundenzufriedenheit generieren, indem es die
von den Kunden gewünschten Produkte zu den günstigsten Preisen anbietet. Die Marketing-
verantwortlichen spielen bei ALDI eine wichtige Rolle. Sie ermitteln die Bedürfnisse der
Kunden und füllen die Regale mit den gewünschten Waren zu niedrigen Preisen. Sie kreie-
ren Werbekampagnen und Verkaufsförderungsmaßnahmen und stellen den Käufern einen
Kundendienst zur Verfügung. Mit diesen und anderen Aktivitäten tragen die ALDI-Marke-

112
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2.4 Die Rolle des Marketings in der strategischen Planung

ting-Manager zur Schaffung von Kundennutzen bei. Doch die Werbeabteilung braucht auch
die Unterstützung der anderen Fachbereiche. ALDIs Fähigkeit, die richtigen Produkte zu
günstigen Preisen anbieten zu können, hängt von der Kompetenz der Einkäufer ab, die richti-
gen Lieferanten auszuwählen und die günstigsten Konditionen auszuhandeln. Die IT-Abtei-
lung muss schnelle und genaue Informationen darüber bereitstellen, welche Produkte sich in
welchen Filialen wie verkaufen. Und die Verkaufsteams müssen eine effektive, kostengüns-
tige Warenabwicklung gewährleisten. Die Wertschöpfungskette eines Unternehmens ist
immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Erfolg hängt von der Leistung jeder Abteilung
in Bezug auf den Kundenmehrwert sowie von der Koordination der Aktivitäten einzelner
Ressorts ab. Können die Einkäufer nicht die günstigsten Konditionen beim Lieferanten aus-
handeln oder können die Verkaufsmitarbeiter die Waren nicht zu den niedrigsten Kosten ver-
teilen, dann kann auch die Marketingabteilung das Versprechen von unschlagbar niedrigen
Preisen – den „ALDI-Preisen“ – nicht einhalten.
Jede Abteilung in einem Unternehmen hat Vorstellungen darüber, welche Zielgruppe und wel-
che Aktivitäten am wichtigsten sind. Die Produktion konzentriert sich auf Lieferanten und Fer-
tigungsabläufe. Die Abteilung Finanzen bemüht sich um die Aktionäre und um seriöse Investi-
tionen. Die Marketingabteilung hebt Verbraucher und Produkte, Preise, Werbemaßnahmen und
die Distribution hervor. Im Idealfall bringen diese verschiedenen Blickrichtungen eine opti-
male Zufriedenstellung des Kunden mit sich. In der täglichen Praxis sind die Beziehungen
zwischen den einzelnen Abteilungen jedoch von Missverständnissen und Konflikten geprägt.
Wenn sich zum Beispiel die Marketingabteilung den Standpunkt des Kunden zu eigen macht,
kann das bedeuten, dass die anderen Abteilungen in ihren Interessen zurückstecken müssen.
Vorgaben der Marketingabteilung im Sinne der Kunden können die Beschaffungskosten erhö-
hen, Produktionsabläufe durcheinanderbringen, Lagerbestände erhöhen und Probleme mit den
Finanzen verursachen. Aus diesem Grund kann eine starke innerbetriebliche Opposition aus
den anderen Abteilungen gegenüber dem Marketing entstehen.
Trotz dieser Widerstände muss das Marketing andere Abteilungen dahin bringen, stets im
Interesse des Kunden zu denken und diesen in den Mittelpunkt aller Aktivitäten zu stellen.
Die Zufriedenstellung des Kunden erfordert die Anstrengung des ganzen Unternehmens, um
den Zielgruppen den höchstmöglichen Gegenwert zu bieten.
Kundenwert zu schaffen ist viel mehr als nur eine „Marketingtätigkeit“. Ähnlich wie bei
einem großen Sinfonieorchester, in dem auch einige Untergruppen unter der Gesamtleitung
eines Dirigenten spielen, müssen alle ihren Beitrag zum Gelingen leisten. An einem Angebot,
das die Kunden überzeugt, sind alle Abteilungen beteiligt, nicht nur eine einzelne.

2.4.3 Der Stellenwert des Marketings im unternehmensübergreifenden


Marketingsystem
Um das Ziel der Schaffung von Kundennutzen zu erreichen, muss ein Unternehmen über die
eigene Wertschöpfungskette hinausdenken und auch die der Lieferanten, Großhändler und
letztlich auch der Kunden betrachten. Nehmen wir IKEA. Die Menschen strömen nicht nur
deshalb in die Märkte, weil sie die Möbel mögen. Die Scharen zieht es zum Netzwerk von
IKEA, nicht allein zu den Produkten. Weltweit bietet das gut abgestimmte System zur Schaf-
fung von Kundennutzen einen hohen Standard an Qualität, Service, Sauberkeit und Wertig-
keit. IKEA kann dabei nur effektiv sein, wenn es erfolgreich mit seinen Lieferanten und ande-
ren Partnern zusammenarbeitet, um den „Alltag der Kunden zu verbessern“. Unternehmen
suchen die Zusammenarbeit mit anderen Teilnehmern der Lieferkette – Lieferanten, Groß-

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

händler und natürlich auch Kunden –, um die Leistungsfähigkeit des eigenen Wertschöp-
fungsnetzwerks zu optimieren.
Wettbewerb findet in den modernen Märkten nicht mehr nur zwischen einzelnen Konkur-
renten statt, sondern innerhalb des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks, das die konkurrie-
renden Unternehmen zur Erzeugung von Kundennutzen aufgebaut haben. Will Citroën z.B.
erfolgreicher sein als Ford, muss auch das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk von Citroën
effektiver sein als das von Ford. Selbst wenn Citroën die besten Autos baut, können Marktan-
teile verloren gehen, wenn das Händlernetzwerk von Ford bei den Verkaufszahlen und dem
Service in der Kundenzufriedenheit vorn liegt.

2.5 Marketingstrategie und Marketing-Mix


Der strategische Plan definiert die Mission und die Ziele eines Unternehmens. Die Rolle des
Marketings wird in Abbildung 2.6 dargestellt, welche die Hauptaktivitäten in der Steuerung
einer kundenorientierten Marketingstrategie und des Marketing-Mix zusammenfasst.

Absatzmittler Wettbewerber

Produkt
Zi est
el le
f
gr ge
up n
pe

Platzie- Kundennutzen
rung und Preis
-beziehung

Promotion

Lieferanten Öffentlichkeit

Abbildung 2.6: Das Management von Marketingstrategien und Marketing-Mix

Die Kunden stehen im Mittelpunkt. Das Ziel besteht darin, einen Kundennutzen zu schaffen
und profitable Kundenbeziehungen aufzubauen. Anschließend wird die Marketingstrategie
entwickelt – die Logik im Marketing, mittels derer das Unternehmen auf die Erschaffung von
Kundennutzen hinarbeitet und den Aufbau profitabler Kundenbeziehungen erreichen soll.

114
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2.5 Marketingstrategie und Marketing-Mix

Das Unternehmen muss entscheiden, welche Kunden es bedienen möchte (Segmentierung


und Zielgruppenbestimmung) und wie es diese bedienen möchte (Differenzierung und Posi-
tionierung). Es bestimmt den gesamten Markt und dessen Größe und teilt diesen dann in
kleinere Segmente auf. Es wählt die attraktivsten Segmente aus und konzentriert sich auf die
Betreuung und Zufriedenstellung der Kunden in diesen Segmenten. Ausgerichtet an der Mar-
ketingstrategie entwirft man einen integrierten Marketing-Mix aus den vier Ps – Produktpoli-
tik (product), Preispolitik (price), Distributionspolitik (place) und Kommunikationspolitik
(promotion). Um die beste Marketingstrategie und den besten Marketing-Mix zu definieren,
beschäftigt man sich mit Analysen, Planung, Implementierung und Controlling. Durch diese
Aktivitäten beobachtet das Unternehmen die Akteure und Einflüsse im Marketingumfeld
und nimmt notwendige Änderungen vor. Wir werden uns nun die einzelnen Aktivitäten kurz
anschauen und diese in späteren Kapiteln genauer diskutieren.

2.5.1 Kundenorientierte Marketingstrategie


Wie in Kapitel 1 schon hervorgehoben wurde, müssen sich Unternehmen auf ihre Kunden
konzentrieren, um im wettbewerbsintensiven Marktumfeld erfolgreich zu sein. Sie müssen
Kunden von der Konkurrenz abwerben und diese dann durch höheren Kundennutzen an das
Unternehmen binden sowie die Beziehungen zu diesen Kunden weiter ausbauen. Doch
bevor ein Unternehmen Kunden zufriedenstellen kann, muss es deren Bedürfnisse und Wün-
sche verstehen. Deshalb verlangt gut funktionierendes Marketing eine sorgfältige Kunden-
analyse. Unternehmen wissen, dass sie nicht alle Verbraucher in einem gegebenen Markt
bedienen können – jedenfalls nicht alle auf die gleiche Art und Weise. Es gibt zu viele unter-
schiedliche Verbraucher mit zu vielen verschiedenen Bedürfnissen. Die meisten Unterneh-
men befinden sich in einer Position, in der sie manche Segmente besser bedienen können als
andere. Folglich muss jedes Unternehmen den gesamten Markt in Segmente aufteilen, die
attraktivsten Segmente auswählen und Strategien entwickeln, um diese Segmente profitabel
zu bedienen. Dieser Prozess beinhaltet Kundensegmentierung, Marktauswahl, Differenzie-
rung und Positionierung.

Kundensegmentierung
Der Markt besteht aus vielen verschiedenen Typen von Kunden, Produkten und Bedürfnis-
sen. Marketingverantwortliche müssen bestimmen, welche Segmente das größte Potenzial
bieten. Konsumenten können auf verschiedene Arten in Gruppen zusammengefasst und
dementsprechend bedient werden: geografisch, demografisch, psychografisch und verhalten-
sorientiert. Den Prozess, bei dem der Markt in eindeutige Käufergruppen unterteilt wird, die
jeweils unterschiedliche Bedürfnisse, Merkmale oder Verhaltensweisen aufweisen und gege-
benenfalls verschiedene Produktangebote und Marketingprogramme erfordern, nennt man
Kundensegmentierung. In jedem Markt gibt es Kundensegmente, aber nicht alle Kundenseg-
mentierungsmöglichkeiten sind gleichermaßen sinnvoll. Ein Kundensegment besteht aus
Verbrauchern, die auf ähnliche Weise auf Marketingbemühungen reagieren. In der Automo-
bilbranche bilden beispielsweise Verbraucher ein Kundensegment, die sich, unabhängig vom
Preis, die größten und komfortabelsten Autos wünschen. Verbraucher, die sich hingegen nur
für den Preis und die laufenden Kosten interessieren, bilden ein weiteres Segment. Es wäre
schwierig, ein Automodell zu entwickeln, das die erste Wahl für die Verbraucher beider Seg-
mente wäre. Unternehmen sind gut beraten, ihre Anstrengungen auf die Befriedigung der
individuell ausgeprägten Bedürfnisse ausgewählter Kundensegmente zu fokussieren.

115
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

Marktauswahl
Nachdem ein Unternehmen seine Kundensegmente definiert hat, kann es eines oder mehrere
dieser Segmente gezielt ansprechen. Die Marktauswahl enthält die Beurteilung der Attrakti-
vität eines jeden Kundensegments und die Auswahl eines oder mehrerer Segmente. Ein
Unternehmen sollte diejenigen Segmente auswählen, in denen es den größten Kundennutzen
profitabel generieren und über eine längere Zeit aufrechterhalten kann. Ein Unternehmen
mit begrenzten Ressourcen sollte sich besser nur für ein Segment oder wenige, spezielle Seg-
mente oder Marktnischen entscheiden. Solche Nischen sind Kundensegmente, die von gro-
ßen Wettbewerbern übersehen oder ignoriert werden. Beispielsweise verkauft Ferrari jährlich
nur 450 seiner Hochleistungsfahrzeuge in Großbritannien, diese jedoch zu sehr hohen Prei-
sen. Diese Preise reichen von 160.000 Euro für den Ferrari F430 F1 Spider Cabriolet bis hin
zu 1,4 Millionen Euro für einen Ferrari FXX, welcher nur auf Rennstrecken gefahren werden
kann. Die meisten Marktnischen sind jedoch nicht derart exotisch. Die Tetra GmbH stellt Pro-
dukte für Aquaristik und Teiche her. Mit den Tetramin-Flocken dominiert der Anbieter den
Fischfuttermarkt. Alternativ könnte sich ein Unternehmen dazu entschließen, mehrere in
Beziehung zueinander stehende Kundensegmente zu bedienen, die verschiedene Kundenty-
pen mit dem gleichen grundsätzlichen Wunsch enthalten. Abercrombie & Fitch zielt bei-
spielsweise auf Studenten, Teenager und Kinder mit denselben Ansprüchen an Kleidung
und Accessoires ab. Hierzu zählen die Marken Abercrombie & Fitch, Hollister, Gilly Hicks
und Abercrombie. Ein großes Unternehmen könnte sich auch dazu entscheiden, ein vollstän-
diges Produktportfolio für alle Kundensegmente anzubieten. Große Automobilkonzerne wie
BMW und Volkswagen verfolgen diesen Ansatz.
Die meisten Unternehmen treten in einen neuen Markt ein, indem sie zunächst ein einzelnes
Segment bedienen. Wenn sie darin Erfolg haben, folgt der Eintritt in weitere Kundenseg-
mente. So startete Nike zum Beispiel mit innovativen Laufschuhen für ambitionierte Läufer.
Große Unternehmen streben schließlich eine umfassende Marktabdeckung an. So produziert
und verkauft Nike heutzutage eine breite Auswahl an Sportprodukten für jedermann, um
„Athleten auf jeder Stufe ihrer Fähigkeiten zur Ausschöpfung ihrer Potenziale zu verhelfen“.
Nike hat verschiedene Produkte entworfen, um die speziellen Bedürfnisse der Kunden in
jedem bearbeiteten Segment zu bedienen.

Differenzierung und Positionierung


Wenn ein Unternehmen entschieden hat, welche Kundensegmente es bedienen will, muss es
entscheiden, wie es sein Angebot für jedes einzelne Segment differenziert und welche Posi-
tion es im jeweiligen Segment einnehmen möchte. Die Position eines Produkts ist der Platz,
den es in den Köpfen der Verbraucher im Vergleich zu Konkurrenzprodukten einnimmt. Mar-
ketingverantwortliche möchten einzigartige Marktpositionen für ihre Produkte erreichen.
Falls ein Produkt genau wie andere wahrgenommen wird, gibt es für Verbraucher keinen
Kaufanreiz. Positionierung bedeutet, dass ein Produkt einen klaren, eindeutigen und relevan-
ten Platz im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten in den Köpfen der Zielgruppe einnimmt.
Marketingverantwortliche planen die Positionierung so, dass sich ihre Produkte im positiven
Sinn von konkurrierenden Marken abheben und ihnen die größtmöglichen Vorteile in ihren
Zielmärkten verschafft werden.
BMW ist die „Freude am Fahren“. Adidas verspricht „impossible is nothing“. Bei Philips
heißt es „sense and simplicity“. Solche vordergründig einfachen Aussagen formen das Rück-
grat der Marketingstrategie eines Produkts.

116
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2.5 Marketingstrategie und Marketing-Mix

Eine effektive Positionierung beginnt mit der Differenzierung des Marktangebots (differenzier-
tes Marketing) eines Unternehmens, aus der sich ein höherer Nutzen für die Verbraucher ergibt.
Zur Positionierung eines Produkts identifiziert das Unternehmen zunächst eigene Stärken, auf
welche die Position gestützt werden kann. Ein Unternehmen kann einen größeren Kundennut-
zen erreichen, indem es einen günstigeren Preis als die Konkurrenz ansetzt oder zusätzliche
Vorteile anbietet, die einen höheren Preis rechtfertigen. Wenn man jedoch einen großen Nutzen
verspricht, muss man dieses Versprechen auch einhalten. Sobald sich ein Unternehmen für
eine gewünschte Position entschieden hat, muss es große Anstrengungen unternehmen, um
diese Positionierung an die Zielgruppe zu überliefern und zu kommunizieren. Das gesamte
Marketingprogramm sollte die gewählte Positionierungsstrategie unterstützen.

2.5.2 Die Entwicklung eines integrierten Marketing-Mix


Nachdem die übergreifende Marketingstrategie bestimmt wurde, nimmt man die Planung des
Marketing-Mix in Angriff. Hierbei handelt es sich um eines der wichtigsten Konzepte im
modernen Marketing. Wir definieren den Marketing-Mix als eine Gesamtheit steuerbarer tak-
tischer Werkzeuge, welche man kombiniert und einsetzt, um auf dem Zielmarkt bestimmte
erwünschte Reaktionen hervorzurufen. Zum Marketing-Mix gehört alles, was man tun kann,
um die Nachfrage nach seinen Produkten zu beeinflussen. Die vielen Möglichkeiten lassen
sich in vier Gruppen von Maßnahmen aufteilen, die als die „vier Ps“ bekannt sind: Produkt,
Preis, Platzierung und Promotion. Häufig wird Platzierung auch als Distribution und Promo-
tion als Kommunikation bezeichnet. Abbildung 2.7 zeigt ausgewählte Marketinginstrumente
und ihre Zuordnung zu diesen vier Gruppen.

Produkt Preis
Varianten Listenpreise
Qualität Rabatte
Design Nachlässe
Ausstattung Zahlungsziel
Markenname Kundenkredit
Verpackung
Kundendienst

Der Zielmarkt:
Die Positionierung

Promotion Platzierung
Werbung Vertriebskanäle
Sonderaktionen Marktabdeckung
Außendienst Sortiment
Bekanntheit Angebotsorte
Lagerhaltung
Transport

Abbildung 2.7: Die vier Ps des Marketing-Mix

Das Produkt
Das Produkt beinhaltet die Gesamtheit aus Gütern und Dienstleistungen, die ein Unterneh-
men auf dem Zielmarkt anbietet. Ein Automobil zum Beispiel besteht aus Schrauben, Mut-
tern, Zündkerzen, Kolben, Scheinwerfern, Scheiben und vielen anderen Teilen. Daraus
bauen die Automobilhersteller Fahrzeuge in unterschiedlichen Karosserie- und Ausstat-
tungsvarianten und mit vielen zusätzlichen Ausstattungsdetails. Das Auto wird fahrbereit
geliefert, eine umfassende Garantie gehört dazu und, wenn der Käufer es wünscht, auch ein

117
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

Finanzierungspaket, das ebenso selbstverständlich Bestandteil des „Produkts Automobil“ zu


sein hat wie zum Beispiel der Auspuff oder der Rückspiegel.

Der Preis
Der Preis ist das, was die Kunden für das Produkt bezahlen. Die Hersteller empfehlen Ver-
kaufspreise, aber selten kann ein Händler den vollen Preis durchsetzen. In der Regel wird der
Preis mit dem Kunden ausgehandelt. Dabei werden Rabatte eingeräumt, Gebrauchtfahrzeuge
in Zahlung genommen und günstige Zahlungsbedingungen gewährt, um der herrschenden
Konkurrenzsituation zu entsprechen und den Preis in Einklang mit dem Wertempfinden des
Käufers zu bringen.

Die Distribution
Die Platzierung beinhaltet Aktivitäten des Unternehmens, die das Produkt dem Kaufinteres-
senten zugänglich und verfügbar machen. Die meisten Automobilmarken haben eine größere
Anzahl unabhängiger Händlerbetriebe, die ihre Automobile vertreiben. Die Hersteller wäh-
len die Händlerbetriebe sorgfältig aus und unterstützen sie dann intensiv. Die wichtigsten
Händler unterhalten ein größeres Lager an verkaufsfertigen Fahrzeugen, sind jederzeit bereit,
sie den Kaufinteressenten vorzuführen, handeln Preise aus, nehmen Bestellungen an, arran-
gieren die Finanzierung für die Kunden und warten und pflegen das Auto auch noch viele
Jahre nach dem Verkauf.

Die Promotion
Unter Promotion versteht man diejenigen Aktivitäten, mit denen die Vorzüge des Produkts an
die Kaufinteressenten kommuniziert werden und mit denen man diese als Kunden gewinnen
will. Automobilhersteller geben jährlich Millionen von Euro für Werbung aus, um den Kaufin-
teressenten auf das Unternehmen und seine Produkte aufmerksam zu machen. Die Verkäufer
der Händlerbetriebe informieren mögliche Käufer im Sinne des Herstellers und versuchen,
diese zu überzeugen, dass zum Beispiel ein BMW das für sie am besten geeignete Auto ist.
BMW als Hersteller und die jeweiligen Händler führen spezielle Sonderaktionen durch – Son-
derverkäufe, Rabatte, besonders niedrige Zinsen usw. –, um weitere Kaufanreize zu schaffen.
Ein wirkungsvolles Marketingprogramm stellt die Elemente des Marketing-Mix zu einem koor-
dinierten Gesamtprogramm derart zusammen, dass die Marketingziele des Unternehmens
erreicht werden können. Der Marketing-Mix ist wie ein taktischer Werkzeugkasten anzusehen,
mit dem eine starke Position auf den Zielmärkten erreicht werden kann. Es darf jedoch nicht
vergessen werden, dass die vier Ps des Marketing-Mix Instrumente aus der Sicht des Anbieters
sind, mit denen der potenzielle Käufer beeinflusst werden kann. Aus der Perspektive des Kau-
finteressenten müssen diese Instrumente Wünsche und Bedürfnisse erfüllen und einen Nutzen
schaffen. Den „vier Ps“ sollte aufseiten des Konsumenten etwas gegenüberstehen, das sie
anspricht. Der Marketingexperte Lauterborn schlug folgende Einteilung vor:

beim Anbieter: „vier Ps“ beim Kaufinteressenten: „vier Ks“


Produkt Käuferbedürfnisse und -wünsche
Preis Kosten für den Käufer – Anschaffungs- und Folgekosten
Distribution Komfort: Wie leicht kann ich das Produkt erwerben?
Promotion/Kommunikation Kommunikationsbedarf über das Produkt
Tabelle 2.2: Vier Ps beim Anbieter, vier Ks beim Käufer

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2.6 Der Marketingprozess

Während Marketingverantwortliche sich selbst als Vermarkter von Produkten sehen, kaufen
Kunden Lösungen für ihre Probleme. Außerdem sind Verbraucher an mehr als nur dem Preis
eines Produkts interessiert; sie interessieren sich für die gesamten Kosten des Erwerbs, der
Nutzung und der Entsorgung eines Produkts. Sie wünschen sich, dass das Produkt und die
dazugehörigen Dienstleistungen so einfach wie möglich verfügbar sind. Letztlich wollen sie
von einer wechselseitigen Kommunikation profitieren. Marketingverantwortliche sollten
also idealerweise erst an die vier Ks denken und dann die vier Ps auf dieser Basis gestalten.

2.6 Der Marketingprozess


Die Durchführung des Marketingprozesses lässt sich in fünf Managementfunktionen eintei-
len, die aus Abbildung 2.8 ersichtlich sind: Analyse, Planung, Implementierung, Controlling
und die Organisation. Zuallererst werden unternehmensweite strategische Pläne entwickelt,
die dann auf jede Division, jedes Produkt und jede Marke des Unternehmens heruntergebro-
chen werden. In der Implementierungsphase werden diese Pläne umgesetzt. In der Kontroll-
phase misst und evaluiert man die Ergebnisse der Marketingmaßnahmen und leitet im
Bedarfsfall Korrekturmaßnahmen ein. Alle Prozesse begleitend stellt man durch Analysen
Informationen und Auswertungen bereit, die für all diese Aktivitäten benötigt werden.

Analyse

Planung Implementierung Kontrolle


Strategische Pläne Pläne umsetzen Ergebnisse messen
entwickeln

Ergebnisse evaluieren

Marketingpläne
entwickeln Korrekturmaßnahmen
vornehmen

Abbildung 2.8: Marketing-Management: Analyse, Planung, Implementierung und Controlling

2.6.1 Analyse
Die Planung beginnt mit einer vollständigen Analyse und Bestandsaufnahme der Unterneh-
menssituation. Das Unternehmen muss seine Märkte und sein Umfeld untersuchen, um
attraktive Geschäftschancen entdecken und Bedrohungen aus dem Umfeld ausweichen zu
können. Es muss die Stärken und Schwächen analysieren (vgl. Kapitel 2.3.3), ebenso wie
aktuelle und denkbare Marketingaktionen, um festzulegen, welche sich bietenden Gelegen-
heiten genutzt werden sollten. Die Analyse liefert Informationen und zusätzlichen Input für
jede weitere Stufe des Planungsprozesses.

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

2.6.2 Planung
Durch die strategische Planung entscheidet das Unternehmen, wie es die einzelnen Geschäfts-
einheiten betreiben möchte. Die Marketingplanung beinhaltet die Auswahl von Marketingstra-
tegien, die der Erreichung der übergreifenden strategischen Ziele dienen. Ein detaillierter Mar-
ketingplan wird für jedes Geschäft, Produkt und für jede Marke benötigt. Wie sieht ein
Marketingplan aus? Wir konzentrieren uns hier auf Marketingpläne für Produkte oder Marken.
Tabelle 2.3 stellt die wichtigsten Bestandteile eines solchen Marketingplans dar. Der Plan
beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung, in der die wesentlichen Analyseergebnisse,
Ziele und Empfehlungen des gesamten Plans aufgezeigt werden. Der Hauptteil des Plans
besteht aus einer detaillierten SWOT-Analyse der aktuellen Unternehmenssituation.
Als Nächstes werden die Ziele für die Marke detailliert dargestellt und die Besonderheiten
der Marketingstrategie hervorgehoben, die zur Erreichung der Ziele beitragen sollen.

Abschnitt Inhalt
Executive summary Beinhaltet eine kurze Zusammenfassung der Ziele und Handlungsempfeh-
lungen des Plans und dient dazu, dem Management einen schnellen Über-
blick zu verschaffen. Ein Inhaltsverzeichnis sollte hierauf folgen.
Aktuelle Marketingsituation Beschreibt das aktuelle Marktumfeld und die Position des Unternehmens
darin. Beschrieben wird der Markt an sich sowie die Produkt-Performance,
die Wettbewerbssituation und der Vertrieb. Diese Sektion beinhaltet Folgen-
des:
Eine Marktbeschreibung, die den Markt und seine Hauptsegmente definiert
und die Bedürfnisse der Kunden sowie Faktoren des Marketingumfelds ana-
lysiert, die den Kauf eines Produkts beeinflussen.
Eine Produktbewertung, welche die Umsätze, die Preise und die Margen der
Hauptprodukte in der Produktlinie darstellt.
Eine Analyse des Wettbewerbs, die die Hauptkonkurrenten identifiziert und
deren Marktposition und deren Strategien für die Produktqualität, die Preis-
gestaltung, die Distribution und die Werbung beurteilt.
Eine Analyse der Distributionskanäle, welche die aktuellen Verkaufs-Trends
und andere wichtige Faktoren in den Hauptabsatzkanälen beurteilt.
Analyse von Chancen Bewertung der bedeutendsten Chancen und Risiken, denen sich das Produkt
und Risiken stellen muss. Das Management kann so eventuelle positive und negative
Entwicklungen und deren Einfluss auf das Unternehmen und dessen Marke-
tingstrategien antizipieren.
Ziele Es werden die Marketingziele aufgelistet, die das Unternehmen in der
geplanten Zeit erreichen möchte, sowie die Punkte diskutiert, die die Zieler-
reichung beeinflussen könnten.
Wenn das Ziel beispielsweise darin besteht, den Marktanteil auf 15 % zu
erhöhen, dann wird in diesem Abschnitt besprochen, wie das Ziel erreicht
werden kann.
Tabelle 2.3: Bestandteile des Marketingplans

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
2.6 Der Marketingprozess

Abschnitt Inhalt
Marketingstrategie Beschreibt die Marketinglogik, durch die das Unternehmen Kundennutzen
schaffen und Kundenbeziehungen aufbauen will, sowie ausgewählte Ziel-
märkte und die Positionierung auf diesen. Dieser Abschnitt stellt auch spezi-
fische Strategien für jedes Element im Marketing-Mix dar und erklärt, wie
jedes dieser Elemente auf die Chancen und Risiken reagiert, die vorher im
Plan aufgezeigt wurden.
Aktionsprogramme Beschreibt, wie die Strategien in spezifische Aktionsprogramme umgewan-
delt werden. Diese Programme beantworten die folgenden Fragen:
Was muss getan werden?
Wann wird es getan?
Wer wird es tun?
Wie viel wird es kosten?
Budget Erläutert das Marketingbudget, welches im Wesentlichen eine prognosti-
zierte Gewinn- und Verlustrechnung darstellt. Es werden die erwarteten
Umsätze und Kosten der Produktion, des Vertriebs und des Marketings auf-
gezeigt. Sobald es vom höheren Management genehmigt ist, bildet das Bud-
get die Basis für die Produktionsplanung, die Personalplanung sowie für die
Marketingmaßnahmen.
Controlling Beschreibt Maßnahmen zur Kontrolle aller durchgeführten Aktivitäten und
zur Messung der Rendite der Marketinginvestitionen.
Tabelle 2.3: Bestandteile des Marketingplans (Forts.)

Die Marketingstrategie besteht aus spezifischen Strategien für die ausgewählten Zielmärkte,
aus der Positionierung, dem Marketing-Mix und den Marketingausgaben. Sie beschreibt, wie
man einen Kundenwert schaffen will, um wiederum einen Gegenwert von den Kunden zu
erhalten. Es wird auch erklärt, wie die einzelnen Strategien auf Bedrohungen und kritische
Problempunkte reagieren, die vorher im Plan identifiziert wurden.
Weitere Abschnitte des Marketingplans legen ein Aktionsprogramm für die Implementierung
der Marketingstrategie sowie Details des Marketingbudgets fest.
Der letzte Abschnitt beschreibt die Kontrolle, die benötigt wird, um die Fortschritte zu über-
wachen, die Rendite der Marketinginvestitionen zu messen sowie eventuell notwendige Kor-
rekturen durchzuführen.

2.6.3 Implementierung
Gute Strategien zu entwickeln bildet nur den Anfang von erfolgreichem Marketing. Eine per-
fekte Marketingstrategie zählt wenig, wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, diese
richtig umzusetzen. Die Implementierung setzt strategische Pläne und Marketingpläne in
konkretes Handeln um, das die Zielvorgaben des Unternehmens erfüllen soll. Die Realisie-
rung erfolgt durch Mitarbeiter des Unternehmens, welche mit internen und externen Part-
nern zusammenarbeiten. Die Planung befasst sich mit dem „Was“ und „Warum“ der Marke-
tingaktivitäten, bei der Implementierung geht es um das „Wer“, „Wo“, „Wann“ und „Wie“.
Viele Manager glauben, dass „Dinge richtig zu tun“ (Implementierung) mindestens genauso
wichtig ist, wie „die richtigen Dinge zu tun“ (Strategie). Ein Unternehmen kann exakt die
gleiche Strategie wie ein anderes haben, aber durch schnellere oder bessere Umsetzung den-

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

noch erfolgreicher sein. Allerdings ist es oft einfacher, sich gute Strategien auszudenken, als
diese dann umzusetzen.
In einer zunehmend vernetzten Welt müssen Personen auf allen Ebenen des Marketingsys-
tems zusammenarbeiten, um die Marketingstrategien und -pläne umsetzen zu können. Bei-
spielsweise verlangt die Umsetzung des Marketings bei Mercedes-Benz tagtäglich Entschei-
dungen und Aktionen von Tausenden von Personen innerhalb und außerhalb des
Unternehmens. Marketer treffen Entscheidungen über Zielsegmente, Branding, Produktent-
wicklungen, Preissetzung, Werbung und Distribution. Sie sprechen mit den Ingenieuren über
das Produktdesign und mit der Produktion über den Warenbestand. Mit dem Controlling tau-
schen sie sich über Finanzierungen und den Kapitalfluss aus. Außerdem stehen sie auch mit
Personen außerhalb des Unternehmens in Kontakt. Dazu zählen Werbeagenturen für die Pla-
nung entsprechender Kampagnen sowie TV-Sender für die öffentliche Inszenierung. Der Ver-
trieb fördert die Händler in ihren Bemühungen, den Kunden davon zu überzeugen, dass der
Kauf eines Mercedes-Benz einer Entscheidung für „das Beste oder nichts“ entspricht.

2.6.4 Marketing-Controlling
Da auf dem Weg zur erfolgreichen Implementierung eines Marketingplans viele Abweichun-
gen und Überraschungen auftreten können, ist es notwendig, den Ablauf konstant zu über-
wachen. Marketing-Controlling ist der Prozess der Messung und Bewertung der Ergebnisse
eingesetzter Marketingstrategien und die Ergreifung von Korrekturmaßnahmen, um die Errei-
chung der Marketingziele sicherzustellen.
Zweckmäßigerweise erfolgt das Marketing-Controlling in vier Schritten (Abbildung 2.9). Die
Unternehmensleitung hat spezifische Marketingziele vorgegeben. Darauf basierend werden
die tatsächlichen Leistungen im Markt gemessen und die Ursachen eventueller Abweichun-
gen zwischen erwarteten und tatsächlichen Ergebnissen untersucht. Schließlich wird die
Unternehmensleitung Korrekturmaßnahmen vornehmen, um die Lücke zwischen Ziel und
Zielerreichung zu schließen. Das mag im Einzelfall erfordern, die Aktionsprogramme oder
sogar die Ziele zu verändern.

Ziele Was wollen wir


vorgeben erreichen?

Leistung Was
messen geschieht?

Abweichungen
Leistung
gegenüber Plan –
beurteilen
warum?

Korrekturen Was sollen


vornehmen wir unternehmen?

Abbildung 2.9: Der Controlling-Prozess

122
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2.6 Der Marketingprozess

Das operative Controlling befasst sich damit, die Leistung zu überprüfen, die das Unterneh-
men im Laufe eines Geschäftsjahres erbringt. Diese Leistung wird mit den Planvorgaben des
Jahresplans verglichen. Soweit möglich und nötig, werden dann Korrekturen vorgenommen.
Der Zweck des operativen Controllings ist die Sicherstellung der Erreichung der im Jahres-
plan gesetzten Ziele. Sie umfasst auch die Ermittlung der Rentabilität verschiedener Pro-
dukte, Gebiete, Märkte und Distributionskanäle.
Das strategische Controlling überprüft, ob die grundlegenden Strategien des Unternehmens
mit den Geschäftschancen und den Stärken übereinstimmen. Marketingstrategien und -pro-
gramme können sehr schnell veralten und nicht mehr der Situation angepasst sein. Aus die-
sem Grund sollte jedes Unternehmen seine Marketingstrategien in regelmäßigen Abständen
einer Prüfung unterziehen. Das in diesem Kapitel vorgestellte Marketing-Audit eignet sich
nicht nur als Instrument zur Marketingplanung, sondern auch als solches für das Marketing-
Controlling.
Der nachfolgende Exkurs zeigt auf, welche Fragen im Rahmen eines Marketing-Audits
gestellt werden sollten.

Exkurs: Das Marketing-Audit als Situationsanalyse des


Marketing-Umfelds

I. Das Makroumfeld des Marketings


1. Demografie: Welche Trends schaffen Geschäftschancen, welche stellen ein Risiko
dar?
2. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik: Welche Entwicklungen im Bereich der Einkom-
men und Einkommensverteilung, der Preise, Sparquoten und im Bereich von Kre-
diten und Zinsen beeinflussen die Tätigkeit des Unternehmens?
3. Natur und Umwelt: Sind natürliche Ressourcen und Energie verfügbar? Wie wer-
den sich deren Kosten entwickeln? Betreibt das Unternehmen eine verantwor-
tungsvolle Umweltpolitik?
4. Technologie: Welche entscheidenden Technologieveränderungen sind zu erwar-
ten? Stehen dem Unternehmen alle derzeit und in Zukunft benötigten Technolo-
gien zur Verfügung?
5. Politik und Gesellschaft: Welche aktuellen und zu erwartenden politischen Verän-
derungen betreffen die Strategie des Unternehmens?
6. Kultur und öffentliche Meinung: Wie ist die öffentliche Meinung gegenüber Wirt-
schaftsunternehmen allgemein und gegenüber dem eigenen Unternehmen und sei-
nen Produkten? Welche Veränderungen im Lebensstil sind zu erwarten und welche
haben Einfluss auf die Tätigkeit oder den Absatz des Unternehmens?

II. Das Aufgabenumfeld des Marketings


1. Märkte: Wie werden sich Marktgröße, Marktwachstum, die regionale Verteilung in-
nerhalb der Märkte und die Gewinnaussichten verhalten? Welche großen und
wichtigen Kundensegmente sind zu erkennen?

123
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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

2. Konsumenten: Wie wird das Unternehmen von den Konsumenten in Bezug auf
Produktivität, Kundendienst und Preis beurteilt? Wie laufen ihre Kaufentschei-
dungsprozesse ab?
3. Konkurrenz: Wer sind die Hauptkonkurrenten? Welche Strategien verfolgen sie?
Welche Marktanteile haben sie? Was sind ihre Stärken und Schwächen?
4. Vertriebswege: Welche Vertriebswege nutzt das Unternehmen, um die Produkte an
den Käufer zu bringen? Funktionieren diese Vertriebswege optimal?
5. Lieferanten: Welchen Einflüssen unterliegen die Zulieferer des Unternehmens?
Können alle benötigten Produktionsressourcen uneingeschränkt beschafft werden?
6. Öffentliche Meinung: Welche Schlüsselgruppen der Öffentlichkeit stellen ein Prob-
lem oder eine Geschäftschance dar? Wie sollte das Unternehmen mit ihnen umge-
hen?

III. Marketing-Strategie-Audit
1. Mission: Gibt es eine klare und in der Definition auf den Markt ausgerichtete Mis-
sion?
2. Ziele: Hat das Unternehmen klare Ziele gesetzt, um daraus den Marketing-Plan ab-
zuleiten? Entsprechen diese Ziele den Stärken und Chancen des Unternehmens?
3. Strategie: Hat das Unternehmen eine klar umrissene Strategie, um die vorgegebe-
nen Ziele zu erreichen?
4. Budget: Hat das Unternehmen genügend Ressourcen für die Segmente, Produkte,
Regionen und Elemente des Marketing-Mix bereitgestellt?

IV. Marketing-Organisations-Audit
1. Formale Struktur: Hat der oberste Marketing-Verantwortliche im Unternehmen aus-
reichend Vollmacht, um alle Aktivitäten zu steuern, die die Kundenzufriedenheit
beeinflussen? Ist die organisatorische Struktur in Bezug auf Funktions-, Produkt-,
Markt- und Gebietsabgrenzungen optimal?
2. Effizienz der Funktionsbereiche: Findet ausreichender und effizienter Austausch
zwischen dem Marketing, dem Außendienst und den übrigen Abteilungen des Un-
ternehmens statt? Sind die Mitarbeiter gut ausgebildet, motiviert und werden sie
gut geführt und beurteilt?
3. Effizienz der Funktionsschnittstellen: Funktioniert die Zusammenarbeit zwischen
Marketing, Fertigung, Entwicklung, Einkauf, Personalabteilung als echte Koopera-
tion für die gemeinsamen Aufgaben?

V. Marketing-System-Audit
1. Marketing-Informationssystem: Liefert das Marketing-Informationssystem genaue
und zeitgerechte Informationen über aktuelle Entwicklungen? Benutzen die Ent-
scheidungsträger vorhandene Ergebnisse der Marktforschung?
2. Planungssystem: Erarbeitet das Unternehmen jährliche, langfristige und strategi-
sche Planungsunterlagen? Werden sie benutzt?

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2.6 Der Marketingprozess

3. Marketing-Kontrollsystem: Werden die Zielvorgaben des Jahresplans in der Regel


erreicht? Überprüft die Geschäftsleitung regelmäßig den Umsatz und den Gewinn-
beitrag der einzelnen Produkte, Märkte, Regionen und Vertriebswege?
4. Entwicklung neuer Produkte: Hat das Unternehmen eine Organisationsstruktur, die
geeignet ist, neue Produktideen zu sammeln, zu entwickeln und vor Markteinfüh-
rung zu testen? Werden Produkt- und Markttests durchgeführt? Hat das Unterneh-
men Erfolge bei der Einführung neuer Produkte vorzuweisen?

VI. Produktivitäts-Audit
1. Wirtschaftlichkeitsanalyse: Wie hoch sind die Gewinne bei den unterschiedlichen
Produktlinien, Märkten, Regionen und Vertriebswegen, die das Unternehmen be-
dient? Ergibt sich daraus, dass das Unternehmen in bestimmten Geschäftsfeldern
tätig werden, dort expandieren oder sich aus bestimmten Geschäftsfeldern zurück-
ziehen sollte? Welche Konsequenzen hätte diese Vorgehensweise?
2. Kosteneffizienzanalyse: Haben bestimmte Geschäftsfelder unbegründet extrem
hohe Kostenanteile? Wie können die Kosten reduziert werden?

VII. Marketing-Funktions-Audit
1. Produkte: Hat das Unternehmen präzise und umfassende Zielvorstellungen für die
einzelnen Produktlinien entwickelt? Sollten bestimmte Produkte eingestellt oder
neue Produkte aufgenommen werden? Würden einige Produkte von Veränderun-
gen in der Qualität, im Design oder in ihren sonstigen Eigenschaften profitieren?
2. Preis: Was sind die unternehmensinternen Zielvorstellungen, Strategien und Ab-
läufe zur Preisfindung? Stimmen die Preisvorgaben des Unternehmens mit dem
empfundenen Produktnutzen und den Wertvorstellungen der Konsumenten über-
ein? Werden Sonderpreisaktionen in geeignetem Umfang eingesetzt?
3. Vertriebswege: Welche Zielvorstellungen und Strategien hat das Unternehmen in
Bezug auf die Vertriebswege? Ist die Abdeckung durch den eigenen Vertrieb oder
Vertriebspartner und durch den Kundendienst angemessen? Müssen neue Ver-
triebswege aufgebaut oder bestehende modernisiert und intensiviert werden?
4. Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit: Wie sind die Zielvorstel-
lungen für die Werbemaßnahmen des Unternehmens festgelegt? Wie hoch ist das
Werbebudget? Sind die veranschlagten Mittel ausreichend? Wurden die Werbebot-
schaften und die eingesetzten Medien sorgfältig ausgewählt und wie ist der Erfolg?
Hat das Unternehmen ausgearbeitete Programme für die Verkaufsförderung und die
Öffentlichkeitsarbeit?
5. Außendienst: Was sind die Aufgaben und Ziele des Außendienstes? Ist der Außen-
dienst groß genug? Ist er zweckmäßig organisiert? Ist er gut ausgebildet und moti-
viert? Wie werden die Außendienstmitarbeiter im Vergleich zu denen der Konkur-
renz beurteilt?

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

2.6.5 Die Marketingabteilung


Jede Organisation benötigt Mitarbeiter, die die Marketinganalyse, die Marketingplanung, ihre
Durchsetzung und Kontrolle ausführen können. In sehr kleinen Unternehmen kann viel-
leicht eine Person alle Marketingaktivitäten durchführen, in großen werden sich mehrere
Personen mit den Marketingaktivitäten beschäftigen müssen. Dort gibt es zahlreiche Spezia-
listen: Verantwortliche für die einzelnen Marken und Produkte, Außendienstmitarbeiter, Ver-
kaufsleiter, Marktforscher, Werbeleiter und andere Fachleute. Um große Marketingabteilun-
gen besser führen zu können, haben in den letzten Jahren einige Unternehmen die Position
des Chief Marketing Officers (CMO) geschaffen. Moderne Marketingorganisationen lassen
sich anhand verschiedener Kriterien gliedern:

Funktionale Marketingorganisation
Die am häufigsten anzutreffende Form ist die funktionale Organisation des Marketings. Hier
stehen Spezialisten jeweils einem Teilbereich vor: ein Vertriebsleiter, ein Werbeleiter, ein
Marktforschungsleiter, ein Kundendienstleiter, ein Leiter der Produktentwicklung.

Geografische Marketingorganisation
Ein Unternehmen, das überregional international tätig ist, nimmt häufig eine regionale Glie-
derung des Marketings vor. Länder, Regionen oder Verwaltungsbereiche werden spezifisch
betreut. Eine regionale Gliederung des Vertriebs ist oftmals sinnvoll, da die Außendienstmit-
arbeiter vor Ort leben, ihre Kunden gut kennen und Reisezeit und Reisekosten minimiert
werden können.

Produkt- oder markenorientierte Marketingorganisation


Unternehmen mit vielen sehr unterschiedlichen Produkten oder Marken führen häufig eine
produkt- oder markenorientierte Organisation ein. Bei dieser Organisationsform ist jeweils
ein leitender Mitarbeiter für die Strategie und das komplette Marketingprogramm einer
Marke oder eines Produkts zuständig. Ein Produktmanagement in dieser Form gab es zum
ersten Mal bei Procter & Gamble in den USA im Jahre 1929. Eine Neueinführung auf dem Sei-
fenmarkt, die Seife „Camay“, drohte ein Misserfolg zu werden. Daraufhin erhielt ein junger
Mitarbeiter den Auftrag, sich ausschließlich um dieses neue Produkt zu kümmern. Seine
Arbeit wurde ein großer Erfolg und das Unternehmen übernahm das Konzept des Produkt-
managers in vielen weiteren Bereichen. Von da ab führten zahlreiche Unternehmen, beson-
ders in Branchen wie Lebensmittel, Kosmetik oder chemische Industrie, das System der Pro-
dukt- oder Markenverantwortlichen (product manager, brand manager) ein.

Markt- oder kundenorientierte Marketingorganisation


Für Unternehmen, die eine Produktlinie auf verschiedenen Märkten und an Kunden verkau-
fen, die unterschiedliche Bedürfnisse und Präferenzen haben, bietet sich die markt- oder
kundenorientierte Organisation des Marketings an. Die marktorientierte Organisation ähnelt
der Produktorganisation. Ein Marktverantwortlicher verantwortet die Entwicklung von Mar-
ketingstrategien und -plänen für seinen Markt oder seine Kunden. Der Hauptvorteil dieser
Organisationsform ist, dass das Unternehmen entsprechend den Bedürfnissen spezifischer
Kundensegmente organisiert ist.

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2.7 Das Marketingbudget

Große Unternehmen, die eine Vielzahl von Produkten für unterschiedliche geografische
Märkte und Kundengruppen herstellen, verwenden häufig eine Kombination der funktiona-
len, geografischen, produktorientierten und marktorientierten Organisationsformen. Damit
wird sichergestellt, dass jede Funktion, jedes Produkt und jeder Markt genügend Aufmerk-
samkeit erhält. Andererseits kann dies zu erhöhten Managementkosten führen und die Flexi-
bilität des Unternehmens einschränken. Dennoch überwiegen die Vorteile einer Spezialisie-
rung der Organisation.
Die Marketingorganisation hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Unternehmen verlagern den Fokus ihres Markenmanagements vermehrt auf das Kundenma-
nagement – weg vom alleinigen Management der Produkt- oder Markenprofitabilität und hin
zum Management von Kundenprofitabilität und Kundenwert. Sie sehen sich selbst nicht als
Verwalter eines Markenportfolios, sondern als Verwalter eines Kundenportfolios. Und statt
nur den Wert einer Marke zu steuern, betrachten sie sich als Manager für Erlebnisse und die
Beziehung der Kunden mit der betreffenden Marke.

2.7 Das Marketingbudget


Während noch vor einigen Jahren viele Marketingleiter ihr Marketingbudget ohne große
Überlegungen zur Rentabilität der ergriffenen Maßnahmen ausgeben konnten, fragt man
heute immer häufiger nach der Rendite von Marketinginvestitionen. Es wird somit wichtiger,
die Wirkung von Marketingmaßnahmen messen zu können und Verantwortung für das zur
Verfügung stehende Budget zu übernehmen.
Deshalb entwickeln immer mehr Unternehmen Messverfahren, um die Kapitalrendite von
Marketingmaßnahmen (return on marketing investment oder auch Marketing-ROI) bestim-
men zu können. Der Marketing-ROI ergibt sich aus dem Gewinn, der aus einer Marketingin-
vestition resultiert, dividiert durch die Kosten für die entsprechende Maßnahme. Insbeson-
dere die Messung des Ertrags von Marketingmaßnahmen birgt jedoch einige Schwierigkeiten.
Im Gegensatz zur Bestimmung der Kapitalrendite eines Unternehmens (ROI), bei der sich
sowohl das eingesetzte Kapital als auch der Gewinn klar in Zahlen messen und ausdrücken
lassen, kann man die Erträge aus Marketingmaßnahmen oftmals nur schwer quantifizieren.
So bereitet es beispielsweise große Schwierigkeiten, die Wirkung von Werbemaßnahmen
oder von Aktivitäten im Bereich Public Relations zu messen. Es gibt deshalb derzeit noch
keine einheitliche Definition für den Marketing-ROI und kein allgemein akzeptiertes Verfah-
ren für seine Messung.
Die meisten Unternehmen entwickeln jedoch für die Messung der Wirkung ihrer Marketing-
maßnahmen Kennzahlensysteme, die sowohl eher qualitative (Image, Markenbekanntheit,
Kundenzufriedenheit) als auch quantitative (Absatz, Umsatz, Marktanteil) Kriterien enthal-
ten. Einige Unternehmen bilden solche Marketingkennzahlen auch grafisch in „marketing
dashboards“ ab. Diese Darstellungen sollen dem Marketing-Manager auf einen Blick die nöti-
gen Informationen zur Bewertung und Anpassung von Strategien und Maßnahmen liefern.
Neben herkömmlichen Erfolgsmessgrößen wenden Marketingverantwortliche zunehmend
kundenorientierte Messgrößen des Marketingerfolgs an, wie Neukundenakquise, Kundenbe-
ziehungen und -bindung, Customer-Lifetime-Value und Kundenwert. Diese Messwerte erfas-
sen nicht nur den aktuellen Marketingerfolg, sondern auch die künftigen Ergebnisse durch
stärkere Kundenbeziehungen. Abbildung 2.10 zeigt Marketingausgaben als Investitionen, die

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

sich in Form von profitableren Kundenbeziehungen rentieren.1 Marketinginvestitionen füh-


ren zu höherem Kundennutzen, Kundentreue und Zufriedenheit, was sich im Gegenzug in
höherer Attraktivität für die Kunden und Kundenbindung niederschlägt. Dies erhöht die ein-
zelnen Customer-Lifetime-Values und den Gesamt-Kundenwert des Unternehmens. Ein
höherer Kundenwert in Relation zu den Kosten des Marketinginvestments bestimmt die Ren-
dite der Marketinginvestition.

Marketing-Investitionen

Marketing-Ertrag

Steigerung von Kundennutzen und


Kundenzufriedenheit

Erhöhte Attraktivität Erhöhte Kosten der Marketing-


für Neukunden Kundenbindung Investition

Steigerung von customer lifetime value und


Kundenwert (customer equity)

Kapitalrendite der Marketing-Investition

Abbildung 2.10: Die Marketingrendite

Auch wenn das Konzept des Marketing-ROI derzeit noch nicht klar definiert und operationa-
lisiert ist, so wird seine Bedeutung in Zukunft steigen. Das Marketing sieht sich immer stär-
ker der Forderung ausgesetzt, die Effizienz seiner Maßnahmen zu belegen; oder wie ein Mar-
ketingexperte es ausdrückt: Marketer „müssen wissen, wie man rechnet“.

1 Zu einer umfassenden Diskussion dieses Modells und weiteren Informationen zur kundenzentrier-
ten Messung des Marketing-ROI siehe Roland T. Rust, Katherine N. Lemon und Valerie A. Zeithaml,
„Return on marketing: using customer equity to focus marketing strategy“, Journal of Marketing , Ja-
nuar 2004, S. 109–127; Roland T. Rust, Katherine N. Lemon und Das Narayandas, Customer Equity
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tly“, Marketing News, 13. Januar 2012, S. 8.

128
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Zusammenfassung

Z US A M M EN FA SSU N G

Die strategische Planung befasst sich damit, eine Strategie für das langfristige Überleben
und Wachstum eines Unternehmens zu entwickeln. Das Marketing trägt seinen Teil zur
strategischen Planung bei und die strategische Planung weist dem Marketing seine Rolle
zu. Planungsaktivitäten lassen sich in drei große Gruppen einteilen:
 Jahresplanung
 langfristige Planung
 strategische Planung
Die Vorgaben aus der strategischen Planung bilden den Rahmen für alle übrigen Planun-
gen im Unternehmen. Der Prozess der strategischen Planung besteht darin, die Mission
des Unternehmens festzulegen, Stärken und Schwächen zu erkennen, das gesamte
Umfeld zu verstehen, die Schwerpunkte innerhalb des Geschäftsportfolios zu setzen
und die qualitativen und quantitativen Zielvorstellungen und Pläne für die betriebli-
chen Funktionsbereiche zu entwickeln. Eine Aufgabe mit hohen Ansprüchen ist es, eine
schlüssige und geeignete Unternehmensmission herauszuarbeiten. Sie sollte marktori-
entiert, realisierbar und motivierend sein und sich insbesondere auf spezifische Stärken
des Unternehmens stützen, um damit dauerhaft eine optimale Position am Markt zu
erreichen und abzusichern.
Pläne werden auf unterschiedlichen Ebenen entwickelt. Die Pläne höherer Ebenen ent-
halten Ziele und Strategien, die als Zielvorgaben in die nachgeordneten Planungen ein-
gehen. Auf jeder dieser Ebenen sollte ein strategisches Audit das Unternehmen und sein
Umfeld analysieren. Die daraus resultierenden Informationen werden mithilfe der
SWOT-Analyse zusammengefasst, die die Stärken und Schwächen des Unternehmens
herausfiltert und die Chancen und Risiken aufzeigt.
Darüber hinaus erfordert die strategische Planung die Überprüfung des unternehmens-
spezifischen Geschäftsportfolios. Formale Portfolio-Analysen wie die Marktwachstums-
/Marktanteils-Matrix der Boston Consulting Group unterstützen das Management dabei,
die einzelnen Geschäftseinheiten zu beurteilen und zu entscheiden, welche Bereiche
mehr oder weniger Ressourcen erhalten sollen. Manche Unternehmen nutzen jedoch
auch individualisierte Ansätze der Portfolio-Planung, die besser auf ihre Situation zuge-
schnittenen sind.
Aus der Unternehmensmission und der Situationsanalyse lassen sich strategische Ziele
ableiten und Wachstumschancen erkennen. Um die Wachstums- und Gewinnziele zu
erreichen, bieten sich grundsätzlich vier Strategien an, die in der Produkt-Markt-Matrix
aufgezeigt werden:
 Marktdurchdringung
 Marktentwicklung
 Produktentwicklung
 Diversifikation
Wenn die strategischen Zielvorstellungen und Ziele festgelegt sind, muss das Manage-
ment eine ganze Reihe funktionaler Pläne aufstellen, die die Aktivitäten in den Berei-
chen Marketing, Finanzen, Produktion und in allen übrigen Abteilungen koordinieren.

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2 Strategisches Marketing: Kundenmitwirkung, Kundenwert und Kundenbeziehungen

Jeder funktionale Bereich liefert wiederum Input für die strategische Planung. Jede
Abteilung hat jedoch auch unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche Ziele und
Aktivitäten die wichtigsten sind. Die Marketingabteilung stellt den Standpunkt des
Konsumenten in den Vordergrund. Marketing-Manager sollten andererseits auch die
Standpunkte der anderen Funktionsbereiche verstehen und mit den anderen Funktio-
nen zusammenarbeiten, um ein System von Plänen zu entwickeln, das den übergeord-
neten strategischen Zielen am besten entspricht.
Hierzu entwickelt man im Marketing eine kundenorientierte Marketingstrategie. In
deren Mittelpunkt steht der Konsument. Da es viele Käufertypen mit unterschiedlichen
Wünschen und Bedürfnissen gibt, teilt man den Gesamtmarkt in einzelne Segmente auf,
definiert ausgewählte Kundensegmente als Zielsegmente und positioniert sein Angebot
entsprechend. Daraufhin wird ein Marketing-Mix entwickelt, der die Detailplanung für
die Instrumente der als „vier Ps“ bekannten Kategorien Produkt, Preis, Platzierung und
Promotion enthält.
Die Durchführung des Marketingprozesses lässt sich in vier Stufen einteilen: Analyse,
Planung, Implementierung und Controlling. In der Planungsphase werden unterneh-
mensweite strategische Pläne entwickelt, die dann auf jede Division, jedes Produkt und
jede Marke des Unternehmens heruntergebrochen werden. In der Implementierungs-
phase werden diese Pläne umgesetzt. In der Kontrollphase misst und evaluiert man die
Ergebnisse der Marketingmaßnahmen und leitet im Bedarfsfall Korrekturmaßnahmen
ein. Das operative Controlling besteht darin, dass das Erreichen der Planzahlen für
Umsatz und Gewinn überwacht wird. Daraus lassen sich die Gewinnanteile der einzel-
nen Produkte, Regionen, Kundensegmente oder Vertriebswege ermitteln. Das strategi-
sche Controlling prüft, ob die Ziele, Strategien und die Organisationsstruktur des Unter-
nehmens mit dem Marketingumfeld übereinstimmen. Alle Prozesse begleitend stellt
man durch Analysen Informationen und Auswertungen bereit, die für alle diese Aktivi-
täten benötigt werden.
Der größte Teil der Verantwortung für die erfolgreiche Umsetzung aller beschriebenen
Aktivitäten liegt bei der Marketingabteilung. Für die Organisation des Marketings gibt es
mehrere Möglichkeiten. Am weitesten verbreitet ist die funktionale Marketingorganisa-
tion, in der einzelne Marketingfunktionen von Managern geleitet werden, die wiederum
an den Marketingdirektor berichten. Andere Unternehmen benutzen eine regionale
Organisationsstruktur, innerhalb derer sich Außendienst, Verkauf oder andere Funktio-
nen entsprechend geografischer Gebiete spezialisieren. Eine weitere Variante ist die Pro-
duktmanagement-Organisation, bei der Produkte oder Marken einzelnen Produktmana-
gern zugeordnet werden, deren Aufgabe es ist, ihr Produkt oder ihre Marke zu fördern.
Für Unternehmen, die eine Produktlinie auf verschiedenen Märkten und an Kunden
verkaufen, die unterschiedliche Bedürfnisse und Präferenzen haben, bietet sich die
markt- oder kundenorientierte Organisation des Marketings an. Hier verantwortet der
einzelne Mitarbeiter die Entwicklung von Marketingstrategien und -plänen für seinen
Markt oder seine Kunden. Mit der Größe einer Organisation steigt die Wahrscheinlich-
keit, dass man eine Kombination der genannten Gliederungsebenen antrifft.
Leiter einer Marketingabteilung werden immer öfter mit der Frage nach der Rendite der
Investitionen in das Marketing konfrontiert. Deshalb entwickeln immer mehr Unterneh-
men Messverfahren, um die Kapitalrendite von Marketingmaßnahmen (return on mar-
keting investment oder auch Marketing-ROI) bestimmen zu können.

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133
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TEIL II
Märkte und ihre Erforschung

3 Die Analyse des Marketingumfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

4 Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

5 Das Kaufverhalten der Konsumenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten


des Business-to-Business-Marketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

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Die Analyse des
Marketingumfelds

3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3


3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketings . . . . . . . . . . . . . . . 145
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens . . . . . . . . . . . 151

ÜBERBLICK
3.4 Interaktion mit dem Marketingumfeld . . . . . . . . . . . 178
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... diejenigen Einflusskräfte aus dem Umfeld des Marketings beschreiben, die die
Fähigkeit eines Unternehmens, seine Kunden zu bedienen, beeinflussen oder beein-
trächtigen können.
 ... erklären, wie Veränderungen im demografischen und wirtschaftlichen Umfeld
Marketingentscheidungen beeinflussen.
 ... die wesentlichen Trends im natürlichen und technologischen Umfeld eines Unter-
nehmens diskutieren.
 ... die wichtigsten Veränderungen erklären, die im politischen oder im kulturellen
Umfeld eines Unternehmens eintreten können und auf das Marketing einwirken.
 ... erörtern, wie Unternehmen auf das Marketingumfeld reagieren können/sollten.

3.1 Einführung
Im ersten Teil haben Sie die Grundlagen des Marketings sowie die Schritte des Marketingpro-
zesses zum Aufbau profitabler Beziehungen zu den Zielkunden kennengelernt. Im zweiten
Teil gehen wir näher auf den ersten Schritt des Marketingprozesses ein – das Verständnis der
Märkte sowie der Kundenbedürfnisse und -wünsche. In diesem Kapitel zeigen wir, dass das
Marketing nicht in einem Vakuum agiert, sondern in einer komplexen Umgebung, die einem
ständigen Wandel unterliegt. Unternehmen sind so lange erfolgreich, wie sie in der Lage
sind, ihr Angebot an Produkten und Dienstleistungen auf das gegenwärtige Umfeld abzustim-
men. Tatsächlich wirkt das Marketing mehr und mehr in einer eng vernetzten Welt. Unter-
nehmen müssen heutzutage sehr aufmerksam sein und auf die Interessen und Anliegen ver-
schiedener Akteure eingehen. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den unterschiedlichen
Gruppen im Umfeld eines Unternehmens – Lieferanten, Marketingmittler, Kunden, Wettbe-
werber, die Öffentlichkeit und andere – sowie mit relevanten Entwicklungen im Umfeld von
Unternehmen – demografische, ökonomische, ökologische, technologische, politische und
kulturelle. Um effektive Marketingstrategien entwickeln und implementieren zu können und
um Beziehungen mit Kunden und internen sowie externen Partnern zu managen, müssen
Marketingverantwortliche zunächst den Kontext verstehen, in welchem das Marketing agiert,
und die wichtigsten Einflussfaktoren dieser Umgebung identifizieren.
Zu Beginn betrachten wir die massiven Auswirkungen des weltweiten Ölpreis-Einbruchs im
Jahr 2015. Selbst in einer digitalen Welt der Vernetzung und des internetbasierten Wandels
hat der Preis eines Rohstoffs wie Öl tief greifenden Einfluss auf die Weltwirtschaft. Erfolgrei-
che Unternehmen sollten sich auf Veränderungen in ihrem Umfeld vorbereiten und flexibel
darauf reagieren, um ihre Kunden auch weiterhin einbinden und zufriedenstellen zu kön-
nen.

138
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3.1 Einführung

Einführende Fallstudie: Billiges Öl

Anfang 2015 halbierte sich der weltweite Ölpreis. Ein Jahr zuvor hatte der Preis noch 105
US-Dollar pro Barrel betragen, nun war er auf 50 US-Dollar gefallen. Seitdem wurden
Ölinvestoren, die eine rasche Erholung erwartet hatten, regelmäßig enttäuscht. Einige
meinen, ein dreistelliger Ölpreis sei bald nur noch eine ferne Erinnerung. Bis Mitte 2015
hatte eine Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft zu einem weiteren Rückgang auf
43 US-Dollar pro Barrel geführt und Analysten befürchteten einen Tiefststand von 30 US-
Dollar ohne absehbare Erholung. In der Tat gingen der Ölindustrie die Lagerkapazitäten
für das daraus resultierende Überangebot aus — die Lagertanks in den USA waren rand-
voll. Beschreibt man das Ausmaß des Ölschocks, ist eine Übertreibung kaum möglich.
Der Ölpreis basiert auf Angebot und Nachfrage. In den letzten sechs Jahren hat sich die
Inlandsproduktion in den USA verdoppelt, was den Bedarf an externen Zukäufen redu-
zierte (ein Ziel der US-Regierung ist die Unabhängigkeit von ausländischen Öl-Lieferan-
ten). Mittlerweile ist die Nachfrage aus schwachen europäischen und Entwicklungslän-
dern geringer, da die Staaten ihre Reserven effizienter nutzen, und die Nachfrage aus
China spiegelt die dortige wirtschaftliche Verlangsamung wider. Überstieg in der Ver-
gangenheit das Angebot die Nachfrage, regulierte die Organisation Erdöl exportierender
Länder (OPEC) die Produktion, um den Preis zu stützen. Dieses Mal weigerten sich
einige Produzenten, da sie befürchteten, eine geringere Verfügbarkeit von Öl könnte die
Abnehmer zur ersatzweisen Nutzung von Schiefergas bewegen. Die entschiedensten
Gegner blieben im gesamten Jahr 2015 bei ihrer Haltung — die Zahl von Ölbohrinseln in
den USA stieg, neue Versorgungspipelines sollten gebaut werden und das geringe glo-
bale Wirtschaftswachstum dämpfte die Nachfrage nach Öl.
Solange das Angebot die Nachfrage übersteigt, bleibt der Preis niedrig. Die Ölindustrie
und die Wirtschaft insgesamt müssen sich bis auf Weiteres mit dieser grundlegenden
Änderung in ihrem Umfeld arrangieren.
Warum war die Entwicklung überraschend? Eine Prognose bei Ölpreisen ist immer
schwierig. Wie bei einer Handelsware, die zum Tageskurs sowie auf Termin gekauft
wird und bei der Spekulanten auf kleinere Preisveränderungen wetten, ist eine sichere
Vorhersage sehr schwierig. Doch die Situation war extrem, wenn auch nicht unerwartet.
Trotz des beständigen Anwachsens von Erdölvorräten weltweit über mehrere Jahre war
der schnelle Preisverfall von Rohöl für die meisten Akteure in der Multi-Billionen-US-
Dollar-Öl- und Gasindustrie gleichermaßen überraschend wie kostspielig. Tatsächlich
hatten Analysten zum fraglichen Zeitpunkt aufgrund der geopolitischen Spannungen in
der Ukraine und dem Irak eine Ölknappheit und Spitzenpreise erwartet.
Auswirkungen auf die Erdöl produzierenden Länder Der Fall des Ölpreises hatte den
Erdöl exportierenden Ländern schwer zugesetzt, Haushaltsdefizite vergrößert und
Wechselkurse weltweit geschwächt. Energie-Unternehmen waren gezwungen, tausende
Arbeiter zu entlassen und Investmentprojekte zu streichen. Venezuela als einer der
größten Produzenten der Welt sah sich beispielsweise mit der größten wirtschaftlichen
Bedrohung konfrontiert. Güter des täglichen Bedarfs – von Milch bis hin zu Windeln –
wurden knapp. Mit jedem Tag verschärfte sich die Krise durch weiter schrumpfende
Importe, auch die Sozialleistungen wurden drastisch gekürzt.

139
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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Abbildung 3.1: Die norwegische Statoil Mongstad ist die zweitgrößte Erdölraffinerie in Europa
(Quelle: Marius Dobilas/Shutterstock.com)

Venezuela, bereits tief im Sumpf von Korruption und Misswirtschaft versunken, konnte
kaum noch seine Rechnungen bezahlen. Eine Schätzung geht davon aus, dass der Fall
des Ölpreises zu einer Verlagerung von 1,6 Billionen US-Dollar von den Erdöl produzie-
renden hin zu den Erdöl konsumierenden Ländern geführt hat. Allein Venezuela war
mit einer Finanzierungslücke von 39 Milliarden US-Dollar bei den Auslandsschulden
konfrontiert.
Auswirkungen auf die Ölindustrie Für die Ölunternehmen bedeutete das weltweite
Überangebot Einschnitte bei Preisen und Gewinnen. Im Juli 2015 beispielsweise fielen
die Profite von Shell um ein Drittel in nur einem Quartal und das Unternehmen kün-
digte Pläne zum Abbau von 6.500 Stellen an, obwohl die Investitionen in die arktische
Förderung aufrechterhalten wurden. Im Vereinigten Königreich zogen sowohl BP und
BG drastisch die Bremsen bei Kapitalinvestments an. Tatsächlich hatte der niedrige
Ölpreis die Ölunternehmen gezwungen, Kosten massiv zu senken, Organisationen
umzustellen und die Beziehungen zu Lieferanten und Förderländern neu auszurichten.
Für Unternehmen wie Total in Frankreich und Occidental Petroleum lag die Herausfor-
derung darin, eine Situation zu erreichen, in der die Erlöse die Kosten wieder überstei-
gen – und das bei einem Preis von 50 US-Dollar statt 105 US-Dollar pro Barrel. Zahlun-
gen an Lieferanten wurden gekürzt, was sich auch im Verlust von Arbeitsplätzen bei
den betroffenen Unternehmen zeigt: Schlumberger baute 20.000 Stellen ab, Baker Hug-
hes 2.500 und Halliburton 9.000. Andere Ölfirmen wie BP „recyceln“ Projekte in dem
Versuch, sie billiger durchzuführen und bevorzugen dabei Länder mit günstigeren
Bedingungen, um Anreize für Investitionen zu bieten.

140
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3.1 Einführung

Zu einem bestimmten Zeitpunkt hielten die größten Akteure der Branche Schiefer für
eine attraktive alternative Ölquelle, dabei ist dieses Gewinnungsverfahren kosteninten-
siv. Niedrige Ölpreise verändern aber wirtschaftliche Gegebenheiten. Schieferproduzen-
ten verzeichnen heute rückläufige Gewinne, den Abbau von Stellen und Investitionen
und brachliegende Anlagen. Einige Schieferproduzenten in den USA meldeten Insol-
venz an, andere kämpfen noch um ihre Existenz.
Herkömmliche Ölunternehmen zogen sich aus Investments in kostspielige Förderge-
biete zurück – diese mögen bei einem Preis von 100 US-Dollar pro Barrel lukrativ
gewirkt haben, aber nicht bei 50 US-Dollar. Am bekanntesten sind die Ausstiege aus der
arktischen Förderung aufgrund der hohen Kosten. Statoil in Norwegen verschob Boh-
rungen in der norwegischen Arktis; die US-Firma Chevron legte Pläne für die kanadi-
sche Arktis auf unbestimmte Zeit auf Eis. Daneben gaben Statoil, Dong Energie (Däne-
mark) und GDF Suez (Frankreich) allesamt ihre Bohrlizenzen in Grönland zurück.
Sicher hatte der Zusammenbruch der Ölpreise auch negative Auswirkungen auf Nord-
see-Öl und zwang Unternehmen wie BP zur Streichung von fast einem Zehntel seiner
Arbeitsplätze auf den schottischen Ölfeldern. Da Öl und Gas rund ein Fünftel der
gesamten Wirtschafts-Investitionen ausmachen, war davon auszugehen, dass diese Ent-
wicklung auch das allgemeine Investitionswachstum für Großbritannien nach unten
ziehen würde.
Auswirkungen auf die Wirtschaft Markthändler sahen in der Abwärtsbewegung der
weltweiten Ölpreise enorme Folgen für die Verbraucher bei der Erzielung von Einkom-
men und für Regierungen beim Kauf von Waren. Auch die Nachfrage der Konsumenten
war davon betroffen – so stieg die Nachfrage nach spritschluckenden Allradfahrzeugen
bei billigen Benzinpreisen, während die Nachfrage nach sparsamen Modellen zurück-
ging. Einige Branchen schienen besonders stark unter den niedrigen Ölpreisen zu lei-
den. Trotz ihres grünen Images gehörten auch elektrobetriebene Fahrzeuge und Biodie-
sel zu den möglichen Verlierern – schlicht aufgrund ihrer Konkurrenz zu
benzinbetriebenen Fahrzeugen, die jetzt billiger zu fahren sind. Nicht der Ölindustrie
angehörende Unternehmen würden von den sinkenden Ölpreisen dagegen profitieren,
da niedrigere Kosten auch höhere Gewinnspannen bedeuten. Verbraucher verschieben
ihre Ausgaben für die meisten Anschaffungen in solchen Zeiten eher nicht, da sie auch
in Zukunft niedrige Ölpreise erwarten. Unternehmen, für die Öl ein wichtiger Rohstoff
ist, gewinnen ebenfalls.
Allgemein gilt, dass ein rückläufiger Ölpreis die weltweite Nachfrage ankurbelt. Ver-
braucher profitieren dann von niedrigen Benzinpreisen. Für sie – insbesondere die
Autofahrer – sind die niedrigen Ölpreise also ein Segen.
Aber nicht alle Auswirkungen sind positiv – fallende Ölpreise wecken auch die Erwar-
tung von Verbrauchern nach niedrigen Preisen für Waren und Dienstleistungen. Die Ent-
täuschung, wenn sich solche Erwartungen nicht erfüllen, ist groß. Flugbetriebe stehen
unter großem Druck, angesichts des niedrigen Ölpreises günstigere Tickets anzubieten,
obwohl sie das verbrauchte Kerosin möglicherweise zuvor zu weit höheren Preisen ein-
gekauft haben. Wenn Haushalte in China, Europa und Japan ihre Ausgaben nur auf das
Nötigste beschränken, führt dies auch zu einem empfindlichen Dämpfer beim Anstieg
der Nachfrage.

141
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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Die Botschaft an die Marketer Die wichtigste Lektion für Markthändler aus dieser
Ölpreisentwicklung ist, dass stete Wachsamkeit gefordert ist, um sich auf die großen
Veränderungen im Umfeld vorzubereiten. Dabei geht es um mehr als einfaches Beobach-
ten von Veränderungen. Markthändler müssen vielmehr sehr sorgfältig kalkulieren,
inwiefern eine Veränderung im Umfeld neue Geschäftsgelegenheiten oder Risiken für
die Wirtschaft darstellt. So zum Beispiel bei niedrigeren Ölpreisen: Sie bedeuten
Umsatzgewinne für Waren und Dienstleistungen; sie erzeugen Druck zur Preisreduzie-
rung; sie führen zum Verlust von Geschäften mit Ölunternehmen und Erdöl exportieren-
den Ländern; sie machen einige Märkte aufgrund eingeschränkter Zahlungsfähigkeit
weniger attraktiv; sie schwächen die Nachfrage durch Arbeitslosigkeit und geringere
Investitionen von Ölunternehmen haben weitere Auswirkungen auf andere Unterneh-
men; sie verlagern die Nachfrage von bestimmten Produkten auf andere und sie wecken
unrealistische Erwartungen der Verbraucher bezüglich Preisreduzierungen. Eine sorgfäl-
tige Analyse, wie Veränderungen im Marktumfeld sich auf Kunden und Märkte sowohl
im In- als auch im Ausland auswirken, ist daher entscheidend!

Frage
Sehen Sie sich die aktuelle Preisentwicklung je Barrel an. Welche Auswirkungen kön-
nen Sie daraus für
 die Erdöl produzierenden Länder
 die Ölindustrie
 die Wirtschaft und die Konsumenten
ableiten?

Das Marketingumfeld besteht aus den Kräften und den Akteuren außerhalb der Marketingfunk-
tion, die die Fähigkeit des Managements beeinflussen, erfolgreiche und dauerhafte Geschäfts-
beziehungen mit den Kunden aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Das Umfeld des Marketings
bietet einerseits Chancen, Geschäfte abzuschließen, andererseits aber auch Risiken und Bedro-
hungen für die Geschäftstätigkeit. Erfolgreiche Unternehmen wissen, wie wichtig es ist, das
Umfeld fortwährend zu beobachten und sich den ständig ändernden Bedingungen und Trends
anzupassen. Geschieht dies nicht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Strategien, Strukturen, Sys-
teme und die Unternehmenskultur den aktuellen Anforderungen nicht mehr gewachsen sind.
Selbst Großunternehmen wie IBM, viele Fluggesellschaften und Automobilhersteller konnten
in der Vergangenheit Krisen nicht ausweichen, weil sie wichtige Veränderungen in ihrem
Umfeld zu lange nicht wahrhaben wollten und einfach ignorierten.
Wie sieht Marketing in Zukunft aus? Viele Verbraucher fragen sich ebenso wie Marketingprofis,
wie die Zukunft wohl konkret aussehen möge. Nach wie vor verändert sich das Marketingumfeld
grundlegend und mit rasanter Geschwindigkeit. Denken Sie einmal darüber nach, wie Sie heute
Ihre Lebensmittel und die Artikel des täglichen Bedarfs einkaufen. Glauben Sie, dass Ihr Ein-
kaufsverhalten in zehn oder zwanzig Jahren noch genauso ablaufen wird wie heute? Was würden
diese Veränderungen für das heute praktizierte Marketing bedeuten? Einige Zukunftsforscher
sagen voraus, dass es den Einkauf in großflächigen Supermärkten, wie wir ihn heute kennen, im
Jahre 2025 nicht mehr geben wird. Das Wachstum des E-Commerce und die rapide Ausbreitung
des Internets werden dazu führen, dass nahezu alle Produkte für den Haushalt online bestellt
werden. Einzelhändler werden sich dahingehend betätigen, dass sie Produkte aus verschiedenen

142
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3.1 Einführung

Quellen zu großen Gesamtlieferungen zusammenstellen, die jeder Haushalt an die Türschwelle


geliefert bekommt. Strukturpolitisch bedeutet dies, dass Versandhäuser, Logistikunternehmen
und klassische Einzelhändler zu neuartig kombinierten Unternehmensstrukturen fusionieren
werden. Niemand wird mehr Zeit aufwenden müssen, um das preisgünstigste Angebot zu
suchen. Sogenannte Online-Agenten werden das für die Verbraucher erledigen.
Während einerseits also bei der Technologieentwicklung der Blick in die Zukunft gerichtet
wird, ist andererseits beim Marketing für viele Produkte eine Orientierung an der Vergangen-
heit zu beobachten. Auch die Nachfrage nach solchen Retroprodukten steigt, wie das fol-
gende Highlight zeigt.

Marketing-Highlight: Retromarketing – Altbewährtes wiederentdeckt

Ob Vintagemode, Kühlschränke im Design der 60er-Jahre, Partys der 80er-Jahre oder


Nostalgieprodukte wie Creme 21, Ahoi-Brause und Tri-Top-Getränke, die Rückbesin-
nung auf Vergangenes hat sich inzwischen auf viele Konsumbereiche ausgedehnt. Die
Überlegungen, die zu derartigen Konzepten führen, sind teilweise in der heutigen Kon-
sumentenstimmung begründet. Die neue Retrotendenz ist die Antwort auf die wach-
sende Unzufriedenheit und Zukunftsangst der Bevölkerung aufgrund immer komplexe-
rer Technologisierung der Umwelt. Viele Menschen sehnen sich nach besseren Zeiten
gemäß dem Motto „Früher war alles besser“ zurück. Die unzähligen Informationen und
Eindrücke durch Digitalfernsehen, Internet und Mobiltelefonie können schnell zu einer
Reizüberflutung führen, bei vielen Menschen sogar zu einem Gefühl von Werteverlust.
Es entsteht der Wunsch, die Uhr etwas zurückzudrehen und die Dinge langsamer anzu-
gehen. An die Stelle von kurzlebigem Vergnügen ohne tiefere Bedeutung tritt die Suche
nach Orientierung, Glaubwürdigkeit und Tradition. Revivals und Retroprodukte verkör-
pern genau die Sehnsucht nach den Zeiten, in denen vermeintlich alles noch etwas
ruhiger zuging. Sie fungieren als nostalgische Erinnerungsträger, obwohl sich unter der
Retro-Designoberfläche meist modernste Technik verbirgt.
Ein Beispiel für erfolgreiches Retromarketing ist die Neuauflage des MINI Coopers, der
im April 2001 auf den Markt kam. Der alte MINI Classic, der seit 1957 gebaut wurde,
galt als Symbol für einen jungen und weltoffenen Lebensstil, doch hatte die Automobil-
marke Ende der 90er-Jahre nur noch niedrige Marktanteile. Daher stellte sich nach der
Übernahme der englischen Rover-Gruppe bei BMW die Frage, wie das Marketing für
den MINI in Zukunft aussehen sollte. Neben einer zeitgemäßen Rundum-Erneuerung
des Retrolooks wurde auch eine erfolgreiche Werbekampagne ins Leben gerufen, um
den Kultstatus des englischen Kleinwagens hervorzuheben. Dabei sollten insbesondere
Fahrspaß und Emotionen vermittelt und eine regelrechte Mini-Mania bei der trendbe-
wussten Zielgruppe der 18- bis 35-Jährigen ausgelöst werden.
Auch der heutige Erfolg der österreichischen Limonadenmarke „Schartner Bombe“ ist
auf geschicktes Retromarketing zurückzuführen. Die 1926 gegründete Marke hatte ihre
Blütezeit in den 1960er- und 1970er-Jahren und war damit untrennbar mit den wirt-
schaftlichen Aufschwungjahren verbunden, als Limonadenkonsum ein feierliches
Wochenendritual darstellte. In den 1980er- und 1990er-Jahren hatte die Marke Probleme,
den sich ändernden Zeitgeist zu treffen und für die junge Zielgruppe attraktiv zu bleiben.
Dies führte zu wandelnden Markenpositionierungen, die den Markenkern aufweichten.

143
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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Schlussendlich kämpfte die Marke bis in die 2000er hinein mit schwindender Konsumen-
tenakzeptanz und letztlich unbefriedigenden Absatz- und Marktanteilszahlen. 2010 wurde
die Marke „Schartner Bombe“ anhand der Markenmerkmale der 1960er- und 1970er-Jahre
repositioniert. Der ehemalige Markenclaim „Österreichs Bomben-Geschmack“ wurde
ebenso wiedereingeführt wie auch das Ursprungslogo: grüne Markenschrift auf gelbem
Kreis – der stilisierten Sonne. Darüber hinaus erfolgte die kommunikative Einbettung der
Marke in Österreichs Genusskultur, wodurch kulturelle Assoziationen und Identifikation
geschaffen wurden. Im Produktauftritt an die glanzvollen Tage von einst angelehnt, erfolg-
ten die Promotions aber gemäß dem aktuellen Zeitgeist – kreative Social-Media-Kampag-
nen sowie Live-Events wie die sogenannte „Arschbomben-Challenge“. Jährliche zweistel-
lige Wachstumsraten sind der Lohn der Anstrengungen und so zählt die Marke „Schartner
Bombe“ heute wieder zu den erfolgreichsten Erfrischungsgetränken Österreichs.

Abbildung 3.2: Schartner Bombe – Österreichs Bombengeschmack. Seit Kindertagen.


(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der Starzinger GmbH & Co. KG)

Quellen:
BMW Group, Webseite MINI unter: www.mini.de [03.02.2018];
Sanz Grossón, Ulrike: „Retro-Welle: Produkte für Zeitflüchtige“, in: Der Handel, Nr.11/2004;
Wallbraun, Swantje: „Dem Käufer auf den Fersen“, in: Financial Times Deutschland (24.03.2006);
www.schartnerbombe.at/de/zeitreise [03.02.2018]
www.plenos.at/de/arbeiten/advertising/schartner-bombe-image-tv/ [03.02.2018]

144
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3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketings

Die besondere Verantwortung des Marketings bei der Anpassung an Zukunftstrends


Bei derartigen Zukunftsbildern kommen die heutigen Strategen des Marketings natürlich ins
Grübeln. Dem Marketing kommt in Unternehmen die größte Verantwortung zu, Veränderun-
gen und Umbrüche in der Gesellschaft und im Kaufverhalten zu erkennen und Strategien
dafür zu entwerfen. Obwohl jeder Manager in einer Organisation das Umfeld beobachten
muss, können insbesondere Marketingverantwortliche Trends und Chancen aufspüren, denn
sie eignen sich hierfür in zweierlei Hinsicht. Zum einen stehen nur ihnen die entsprechen-
den Instrumente der Marktforschung zur Verfügung, zum anderen sind sie diejenigen, die
sich ständig im Umfeld von Kunden und Konkurrenten bewegen (im Gegensatz zu Ingenieu-
ren, die häufig relativ abgeschlossen in den Entwicklungsabteilungen tätig sind). Mittels sys-
tematischer Beobachtung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfelds sind die Mar-
ketingverantwortlichen in der Lage, Marketingstrategien ständig an neue Herausforderungen
und Chancen anzupassen und zielgerichtet zu überarbeiten.
Das Marketingumfeld besteht aus zwei Bereichen:
 Das Mikro-Umfeld des Marketings ist das engere Umfeld des Unternehmens, das aus den
Kräften innerhalb des Unternehmens und aus den Partnern des Unternehmens besteht. Im
Mikro-Umfeld entstehen die Voraussetzungen dafür, wie die Käufer bedient werden kön-
nen. Zum engeren Umfeld gehören das Unternehmen selbst mit allen Teilbereichen, seine
Lieferanten und seine Partner in den Vertriebswegen, die Kunden, die Wettbewerber und
die am Unternehmen oder an der Branche gezielt interessierte Öffentlichkeit.
 Das Makro-Umfeld des Marketings besteht aus den Kräften, die in einem größeren gesell-
schaftlichen Zusammenhang stehen, wie die demografische Entwicklung, Wirtschaft und
Wirtschaftspolitik, technologische Entwicklung, Natur und Umwelt sowie Politik und Kultur.

3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketings


Die Aufgabe der Marketingabteilung ist es, durch die Befriedigung von Kundenbedürfnissen
und die Schaffung von Kundenwert neue Kunden zu akquirieren und dauerhafte Beziehun-
gen sowohl zu ihnen als auch zu bestehenden Kunden aufzubauen. Der Erfolg wird jedoch
nicht nur vom Marketing, sondern auch von anderen Akteuren seines Mikro-Umfelds abhän-
gen, die auf die Angebotserstellung einwirken. Hierzu gehören die anderen Abteilungen des
Unternehmens, die Lieferanten, die Marketingmittler, die Kunden selbst, die Konkurrenten
und Teilbereiche der Öffentlichkeit, die gemeinsam das Wertschöpfungsnetzwerk des Unter-
nehmens ausmachen (siehe Abbildung 3.3).

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Abbildung 3.3: Die wichtigsten Akteure im Mikro-Umfeld des Unternehmens

145
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3 Die Analyse des Marketingumfelds

3.2.1 Das Unternehmen


Wenn die Marketingabteilung mit dem Aufstellen von Marketingplänen beginnt, muss sie die
Ansichten der anderen Funktionsbereiche im Unternehmen berücksichtigen. Dazu gehören
z.B. die Geschäftsleitung, der Finanzbereich, die Abteilung Forschung und Entwicklung, die
Beschaffungsabteilung, die Produktion und das Rechnungswesen. Diese miteinander in
Beziehung stehenden Bereiche bilden das unternehmensinterne Umfeld. Die Geschäftslei-
tung gibt die Unternehmensmission, die Ziele und die Strategie vor. Das Marketing trifft Ent-
scheidungen innerhalb des vorgegebenen Plans, allerdings müssen die Marketingpläne wie-
derum die Zustimmung der Geschäftsleitung erhalten, bevor sie umgesetzt werden dürfen.
Wie in Kapitel 2 erörtert, sollte darüber hinaus auch mit den anderen internen Abteilungen
eine enge und konstruktive Zusammenarbeit gesucht werden. Das Marketing ist z.B. von der
Finanzabteilung abhängig, da diese Marketingprojekte mittels geeigneter Finanzierung unter-
stützen oder durch fehlende Finanzierung scheitern lassen kann. Die Abteilung Forschung
und Entwicklung ist dafür zuständig, sichere und attraktive Produkte zu entwickeln. Die
Beschaffung kümmert sich um Material und Vorprodukte, während die Produktion dafür ver-
antwortlich ist, dass die angeforderten Mengen in der angestrebten Qualität produziert wer-
den. Das Rechnungswesen schließlich legt Einnahmen und Kosten dar und unterstützt das
Marketing bei der Überwachung der vorgegebenen Ziele. Die einzelnen Abteilungen wirken
also zusammen und haben alle einen Einfluss auf die Pläne und Aktionen des Marketings
und auf seine Fähigkeit, den Konsumenten höchsten Kundennutzen und Kundenzufrieden-
heit zu stiften.

3.2.2 Die Lieferanten


Lieferanten sind sowohl Firmen als auch Einzelpersonen, die Waren liefern oder Dienste
leisten, damit das Unternehmen seine Güter oder Dienstleistungen erstellen kann. Daher sind
sie ein wichtiges Bindeglied im Wertschöpfungssystem des Unternehmens. Unzuverlässig-
keiten hinsichtlich Qualität, Mengen und Lieferterminen bei den Lieferanten können das
Marketing ernsthaft beeinflussen oder behindern. Die Marketingverantwortlichen sollten
daher ein wachsames Auge auf die Verfügbarkeit aller Vorleistungen haben. Lieferengpässe
oder -verzögerungen, Streiks und ähnliche Ereignisse können kurzfristig den Absatz min-
dern, langfristig beeinträchtigen sie die Kundenzufriedenheit, sodass die Kunden an der Lie-
ferzuverlässigkeit zweifeln und Lieferverträge nicht ausschöpfen oder gar kündigen. Marke-
ting-Manager sollten auch immer über die Preise ihrer wichtigsten Rohstoffe informiert sein.
Höhere Beschaffungskosten oder ungünstige Wechselkursentwicklungen bei Importgütern
können zu Preiserhöhungen zwingen, die wiederum Umsatzeinbußen nach sich ziehen. Die
Lieferanten werden daher in der Wertschöpfungskette zunehmend als bedeutender Partner
zur Generierung von Kundenwert angesehen.
Dies zeigt beispielsweise Toyota. Toyota versteht die Bedeutung guter Beziehungen zu den
Lieferanten und hat sogar „Lieferantenwert erzeugen“ in sein Unternehmensleitbild aufge-
nommen. Toyotas Wettbewerber entfremden ihre Lieferanten häufig durch sehr eigennützi-
ges Agieren. Nach Angaben eines Lieferanten setzen Autohersteller jährliche Ziele zur Kos-
tenreduktion für die zu kaufenden Teile. Um diese Ziele zu erreichen, tun sie alles. Im
Gegensatz dazu verbündet sich Toyota mit seinen Lieferanten und hilft ihnen, den hohen
Ansprüchen gerecht zu werden. Toyota veranstaltet gemeinsame Verbesserungsveranstaltun-
gen, hilft beim Training der Angestellten der Lieferanten, gibt tägliche Rückmeldung zur
Leistung und fragt gezielt nach Sorgen und Problemen. Ein höherer Lieferantenwert bedeutet

146
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3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketings

für Toyota, man kann auf den Lieferanten bauen, um sich selbst zu verbessern, um Kosten zu
senken und um neue Produkte schneller zu entwickeln. Sogar nach einer großen Rückrufak-
tion aufgrund von technischen Problemen mit einigen Modellen lenkte Toyota nicht die
Schuld auf die Hersteller des entsprechenden Teils. Stattdessen übernahm Toyota die Schuld
für die fehlerhafte Konstruktion und verkündete seine Unterstützung für den geschätzten
Langzeitlieferanten. In der Summe gelingt es Toyota, durch das Schaffen von Lieferantenwert
günstige, qualitativ hochwertige Fahrzeuge herzustellen, die wiederum zu zufriedenen Kun-
den führen.

3.2.3 Die Marketingmittler


Marketingmittler unterstützen Unternehmen bei Werbung, Vertrieb und Auslieferung an die
Kunden sowie bei der Finanzierung und Zahlungsabwicklung. Hierzu gehören alle Handel-
sunternehmen wie Großhändler, selbstständige Handelsvertreter, aber auch Kaufhauskon-
zerne und große Versandhäuser, Werbeagenturen, Paketdienste, Speditionen und ähnliche
Unternehmen sowie Finanzinstitutionen wie Banken und Leasinggesellschaften. Diese
Akteure übernehmen Aufgaben des Versands oder machen durch die Bereitstellung von
Finanzmitteln Transaktionen erst möglich.
Handel Der Handel umfasst alle Unternehmen, die Waren der Produzenten kaufen und dis-
tribuieren, sie helfen, die Ware an den Kunden zu bringen. Die Auswahl von Handelspart-
nern und die Zusammenarbeit mit ihnen ist für die Hersteller oftmals eine große Herausfor-
derung. War der Handel früher durch mittelständische Familienunternehmen geprägt, haben
sich heute in vielen Branchen bedeutende Unternehmen des Groß- und Einzelhandels, Kauf-
hauskonzerne und Großversandhäuser zwischen den Produzenten und den Käufern positio-
niert. An dieser Stelle sei das Problem der Marktmacht des Handels erwähnt: Die großen
Handelskonzerne haben einen wesentlichen Einfluss darauf, welche Produzenten zum Zug
kommen und bestimmen weitgehend Preise und Konditionen.
Logistikunternehmen Diese Unternehmen bieten ein breites Angebot für die Lagerung der
Ware und für deren Transport auf Schienen, auf der Straße, auf Wasserwegen und in der Luft.
Bei der Entscheidung über Lagerhaltung und Transport gilt es, für jedes Produkt ein optima-
les Gleichgewicht zu finden unter Berücksichtigung von Kosten, Art der Auslieferung,
Geschwindigkeit und Sicherheit. Da immer mehr Konsumenten online einkaufen, hat die
Zahl von Direktlieferungen durch Paketdienste wie DHL an private Haushalte in den letzten
Jahren beträchtlich zugenommen. Aus Herstellersicht birgt dies die Gefahr, dass die Konsu-
menten ihren Service nicht aufgrund der Leistung der eigenen Mitarbeiter, sondern vielmehr
anhand der Freundlichkeit der Fahrer der Kurierdienste bewerten.
Dienstleistungsunternehmen Zu dieser Gruppe gehören Marktforschungsinstitute, Werbe-
agenturen und Marketingberatungen, die einem Anbieter helfen, die für seine Produkte
wichtigen Zielmärkte zu finden und zu analysieren. Möchte man die Dienste einer solchen
Agentur in Anspruch nehmen, sollte vorher und auch während der Geschäftsbeziehung eine
sorgfältige Auswahl und Kontrolle erfolgen, denn gerade diese Dienstleister unterscheiden
sich sehr stark in Kreativität, Qualität, Betreuung und Preis.
Finanzinstitutionen Hierzu gehören Banken, Finanz- und Leasinggesellschaften, Versiche-
rungen und andere Dienstleister, die sich daran beteiligen, Transaktionen zu finanzieren oder
gegen die Risiken zu versichern, die mit dem Kauf und Verkauf von Gütern verbunden sind.
Die meisten Unternehmen und Privatkunden sind darauf angewiesen, ihre Käufe zu finanzie-
ren. Die Arbeit des Marketings kann durch die Erhöhung von Kreditzinsen oder die Limitie-

147
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3 Die Analyse des Marketingumfelds

rung eines Kredits enorm eingeschränkt werden, wenn z.B. die Finanzierung einer Pro-
duktentwicklung oder einer Markteinführung ansteht.
Ebenso wie die Lieferanten sind die Marketingmittler eine wichtige Komponente des Wert-
schöpfungssystems eines Unternehmens. Im Bestreben, zufriedenstellende Kundenbeziehun-
gen aufzubauen, muss es nicht nur die eigene Leistung optimieren, sondern auch effektiv mit
Lieferanten und Marketingmittlern zusammenarbeiten, um die Leistung des gesamten Sys-
tems zu optimieren.
Das Marketing erkennt heute die Wichtigkeit, mit seinen Mittlern zusammenzuarbeiten,
anstatt sie lediglich als Kanal zum Vertrieb ihrer Ware zu betrachten. Wenn Coca-Cola bei-
spielsweise die Exklusivrechte als Versorger einer Fast-Food-Kette unterzeichnet, stellt das
Unternehmen nicht nur Softdrinks bereit, es bietet auch eine umfassende Unterstützung für
das Marketing. Coca-Cola stellt funktionsübergreifende Teams ein, welche das Geschäft der
Händler genauestens erforschen. Man analysiert die Demografie des örtlichen Marktes und
hilft den Partnern bei der Wahl der Colamarken, die in der Gegend bevorzugt werden. Coca-
Cola hat sogar Speisekarten analysiert, um besser zu verstehen, welchen Einfluss die Gestal-
tung, die Bilder, die Schriftart und -größe auf die Kunden haben und was sie dazu bewegt,
mehr Speisen und Getränke zu bestellen. Basierend auf den Ergebnissen der Marktforschung
entwickelt Coca-Cola Marketingprogramme und Werbemittel, die den Händlern helfen, ihre
Getränkeeinnahmen zu verbessern. Beispielsweise stellt das Unternehmen auf seiner Web-
seite (www.cokesolutions.com) den Einzelhändlern eine Fülle an Informationen, Unterneh-
menslösungen und Werbemitteln zur Verfügung. Solch intensive Bemühungen haben Coca-
Cola große Wettbewerbsvorteile gebracht, ungeachtet der heftigen Konkurrenz durch andere
Getränkehersteller.

3.2.4 Die Kunden und die Märkte


Jedes Unternehmen muss seine unterschiedlichen Märkte sorgfältig analysieren. Abbildung 3.4
kategorisiert diese nach der Art ihrer Käufer in sechs Typen.

Märkte
ls-
Hande öffentlich
m e
ärkt Institutio er St
ter- nen Na aatli
iegü c c
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st kte mä hfra he
du mär rkt ge
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In
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Int ärkte
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ation
Endverb

ale

Marketing

Abbildung 3.4: Grundlegende Typologie der Märkte

Wie bereits erwähnt, stellen die Kunden die wichtigsten Akteure im Mikroumfeld des Unter-
nehmens dar. Das Ziel des gesamten Netzwerks ist es, die Kunden mit Gütern zu versorgen
und eine feste, lang anhaltende Beziehung zu ihnen aufzubauen. Dabei kann ein Unterneh-
men einzelne der sechs unterschiedlichen Marktarten oder auch alle bedienen. Der Konsu-
mentenmarkt besteht aus Einzelpersonen und Haushalten, die Güter und Dienstleistungen
zum persönlichen Verbrauch erwerben. Auf Industriegütermärkten werden Güter oder

148
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3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketings

Dienstleistungen erworben, die als Industriegüter in den Produktionsprozess einfließen – sei


es als Vorprodukt oder als Investitionsgut. Auf Handelsmärkten werden Güter gekauft, die in
der Regel ohne weitere Verarbeitungs- oder Produktionsschritte direkt weiterverkauft wer-
den. Märkte öffentlicher Institutionen sind Schulen, Krankenhäuser, Altenheime und andere
Institutionen. Sie erwerben Güter und Dienstleistungen für die Betreuung der ihnen anver-
trauten Personen. Ferner gibt es noch die staatlichen Nachfragemärkte. Der Staat ist ein viel-
fältiger Kunde, er kauft Bauleistungen, Militärgüter, Wissenschaftsausrüstung, Computer,
Pkw und Lkw und vieles andere mehr, um öffentliche Güter und Dienstleistungen zu erstel-
len oder sie zu den Personen zu transferieren, die sie benötigen. Schließlich gibt es noch die
internationalen Märkte, die aus Käufern in anderen Ländern, den dortigen Verbrauchern, der
Industrie, dem Handel und den staatlichen Stellen bestehen.
Für jeden dieser Markttypen gelten spezielle Regeln. Ein Marketingplan muss in den meisten
Fällen bei mehreren Gruppen ansetzen: Eine Brauerei beispielsweise schaltet Werbung direkt
für den Endverbraucher. Gleichzeitig wird der Außendienst beim Handel um Regalplatz, die
Abnahme von Aktionsmengen und die Durchführung von Sonderaktionen werben. Andere
Außendienstmitarbeiter besuchen die Gastronomie und bemühen sich um langfristige Liefer-
verträge.

3.2.5 Die Konkurrenten


Das Konzept des Marketings besagt, dass ein Unternehmen, um erfolgreich zu sein, die Wün-
sche und Bedürfnisse der Kunden besser und/oder anders als die Konkurrenz bedienen
sollte. Aus diesem Grund genügt es nicht, dass das Angebot den Bedürfnissen der Zielgruppe
lediglich angepasst wird. Um einen strategischen Vorteil zu erzielen, muss das eigene Ange-
bot so positioniert werden, dass es eine klare Stellung in den Köpfen der Konsumenten ein-
nimmt und sich von der Konkurrenz differenziert.
Für eine Marketingstrategie, die es ermöglicht, sich von den Wettbewerbern abzuheben, kann
es kein allgemeingültiges Patentrezept geben. Jeder Anbieter muss entsprechend seiner
Größe und seiner Stellung in der Branche eine angemessene Strategie erarbeiten. Anbieter
mit einer beherrschenden Stellung in ihrer Branche können bestimmte Strategien anwenden,
die sich kleine Wettbewerber nicht leisten können. Aber Größe allein reicht nicht aus. Es gibt
sehr erfolgreiche Strategien großer Unternehmen, allerdings existieren auch genügend Bei-
spiele für Strategien, die sich als totale Fehlschläge erwiesen haben. Ebenso können kleine
Anbieter ausgeklügelte Strategien entwickeln, die ihnen im Vergleich zu größeren weit
höhere Renditen verschaffen. In Kapitel 18 werden die Konkurrenzanalyse und verschiedene
Wettbewerbsstrategien näher betrachtet.

3.2.6 Die Öffentlichkeit


Zum Mikro-Umfeld des Marketings gehören auch einzelne Gruppierungen der Öffentlich-
keit, denen sich ein Unternehmen gegenübersieht. Als Öffentlichkeit in diesem Sinne soll
jede Gruppe verstanden werden, die ein aktuelles oder potenzielles Interesse an oder einen
Einfluss auf dessen Handeln und seine Fähigkeit zur Zielerreichung hat.
Nach dieser Definition gehören folgende Gruppierungen zur engeren Öffentlichkeit (siehe
Abbildung 3.5):

149
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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Bürger- Loka
t initiativen Intere le
Staa s
grupp sen-
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lichkei
Unternehmen

s-
Abbildung 3.5: Gruppierungen der Öffentlichkeit im Umfeld eines Unternehmens

Finanzsektor Der Finanzsektor beeinflusst die Möglichkeiten eines Unternehmens, sich


Finanzmittel zu beschaffen. Banken, Investmentbanken und Aktionäre gehören zu diesem
Kreis.
Medien Die Medien verbreiten Nachrichten, alle Arten von Informationen und gelegentlich
pointierte Meinungen der Herausgeber. Zu ihnen gehören insbesondere Zeitungen und Zeit-
schriften, Hörfunk und Fernsehen sowie das Internet.
Staat Die Unternehmensleitung muss die Entwicklungen und Auflagen des Staats berück-
sichtigen. Häufig werden Anwälte zu Rate gezogen, wenn es um Produktsicherheit, Wahrheit
in der Werbung oder ähnliche Themen geht.
Bürgerinitiativen Die Marketingentscheidungen eines Unternehmens können zum Beispiel
von Verbrauchergruppen, Umweltschützern, Minderheiten und anderen Gruppen angegrif-
fen werden. Die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit kann versuchen, vorbeugend und aufklärend
zu wirken, und sollte den Kontakt zu diesen Gruppen pflegen.
Lokale Interessengruppen Jeder Anbieter begegnet auch einer lokalen Öffentlichkeit wie
kommunalen Organisationen oder Anwohnern. Große Unternehmen benennen gewöhnlich
einen Verantwortlichen für kommunale Beziehungen, der Fragen beantwortet, Versammlun-
gen beiwohnt und bei lohnenswerten Anlässen mitwirkt.
Allgemeine Öffentlichkeit (landes-, bundes-, europaweit) Ein Unternehmen muss Aufmerk-
samkeit auf sich ziehen und in Bezug auf seine Produkte und seine Aktivitäten in der Öffent-
lichkeit Beachtung finden. Das Bild, das aktuell in der öffentlichen Meinung verbreitet ist,
beeinflusst sehr stark das Kaufverhalten der Kunden und Interessenten. Viele Unternehmen
investieren daher bedeutende Summen in eine professionell durchgeführte Öffentlichkeitsar-
beit.
Unternehmensinterne Öffentlichkeit Hierzu sind die Mitarbeiter, der Betriebsrat, leitende
Manager und die Geschäftsleitung zu rechnen. Viele Großunternehmen nutzen Mitarbeiter-
zeitschriften oder Newsletters, um ihre interne Öffentlichkeit zu informieren und zu motivie-
ren. Wenn die Mitarbeiter ein gutes Gefühl in Bezug auf ihren Arbeitgeber haben, überträgt
sich diese positive Einstellung auf die externe Öffentlichkeit.
Für jeden dieser Teilbereiche der Öffentlichkeit kann man Marketingpläne vorbereiten wie
für seine Produkte und Marken. Es kommt immer wieder vor, dass ein Unternehmen auf eine
bestimmte Reaktion einer Gruppe der Öffentlichkeit angewiesen ist. Meist strebt es einfach
„goodwill“ an, also eine positive Aufnahme seiner Vorhaben in der Öffentlichkeit und posi-
tive Mund-Propaganda. In besonderen Fällen geht es aber auch darum, dass einer Organisa-

150
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

tion Spenden überlassen oder Zeit geopfert werden soll (z.B. Rotes Kreuz). Man muss daher
der Öffentlichkeit ein Angebot machen, das attraktiv genug ist, damit diese in der gewünsch-
ten Weise reagiert.

3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens


Alle Unternehmen und Organisationen agieren in einem größeren gesamtwirtschaftlichen
Zusammenhang, wodurch sich einerseits Chancen bieten, andererseits aber auch Bedrohun-
gen entstehen können. Abbildung 3.6 zeigt die sechs einflussreichsten Kräfte im Makro-
Umfeld. In den verbleibenden Abschnitten dieses Kapitels beschäftigen wir uns mit diesen
Kräften und zeigen, wie sie die Marketingplanung beeinflussen.

Technologi
lt sc
Umwe Umfeld hes
es Pol
lich i
haft d Um tisch
sc el fel es
irt Umf d
W
Entwic fische
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Kul feld
klun

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ture
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Demog

lles
Unternehmen

Abbildung 3.6: Einflussreiche Kräfte im Makro-Umfeld des Unternehmens

3.3.1 Die demografische Entwicklung


Unter Demografie versteht man die Untersuchung der Bevölkerung anhand der statistischen
Dimensionen Größe, Bevölkerungsdichte, Verteilung im Raum, Alter, Geschlecht, Zugehörig-
keit zu einer ethnischen Gruppe, berufliche Tätigkeit und weiterer geeigneter Merkmale. Die
demografische Entwicklung ist für die Aufgaben des Marketings von allergrößter Bedeutung,
da es hier um die unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung geht, die entsprechend
bestimmter Auswahlkriterien Märkte darstellen. Wir werden im Folgenden die wichtigsten
demografischen Kriterien und ihre Trends auf den Märkten der Welt ansprechen.

Bevölkerungsgröße und Wachstumstrends


Grundsätzlich können für jeden geografisch definierten Markt die Bevölkerungsgröße und ihr
Wachstumstrend benutzt werden, um das Absatzpotenzial für eine Vielzahl von Gütern und
Dienstleistungen grob abzuschätzen. Die Europäische Union in ihrem heutigen Umfang
zusammen mit den verbleibenden Staaten der früheren EFTA hat insgesamt ungefähr 510
Millionen Einwohner.
Die gesamte Weltbevölkerung beträgt heute ungefähr 7,5 Milliarden Menschen. Vorhersagen
der United Nations Population Division prognostizieren, dass die Weltbevölkerung bis 2030
auf 8,1 Milliarden Menschen steigen wird. Allein sechs Länder sind für die Hälfte dieses
Wachstums maßgeblich verantwortlich: Indien für 21 Prozent, China für 12 Prozent, Pakistan
für fünf Prozent, Bangladesch, Nigeria und die USA jeweils für vier Prozent. Die Bevölkerung
Indiens wächst in einer Woche stärker als die der EU in einem Jahr!

151
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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Das Bevölkerungswachstum ist dabei nicht auf eine erhöhte Geburtenrate zurückzuführen,
diese wird in den nächsten Jahrzehnten auf allen Kontinenten außer Europa stetig fallen.
Vielmehr liegt der Hauptgrund der Weltbevölkerungszunahme in der steigenden Lebenser-
wartung. Trotz hoher Sterberaten in Ländern, die von AIDS betroffen sind (beispielsweise im
südlichen Afrika), nimmt die Lebenserwartung insgesamt stark zu.
Es deutet alles darauf hin, dass die Menschheit der Zukunft sich erheblich von der heutigen
unterscheiden wird. So wird beispielsweise die Bevölkerungszahl in Asien, Afrika und
Lateinamerika erheblich steigen, während sie in Europa rückläufig ist. Innerhalb Asiens wird
sich zudem die Verteilung zwischen den Ländern beachtlich ändern: Während die Bevölke-
rungszahl in Japan sinken wird, wächst Indien zahlenmäßig zur stärksten Bevölkerungs-
gruppe heran und übertrifft sogar China.
Eine wachsende Bevölkerung bedeutet, dass es mehr menschliche Bedürfnisse gibt, die es zu
befriedigen gilt. In Abhängigkeit von der Kaufkraft ergeben sich aus dem Bevölkerungs-
wachstum möglicherweise auch zunehmende Marktchancen. Die Bevölkerungsentwicklung
kann dem Marketing gleichzeitig als Frühindikator für die Nachfrage nach bestimmten
Gütern und Dienstleistungen dienen. Bis zum Jahr 2015 gab es beispielsweise in China ein
Gesetz zur Regulierung des Bevölkerungswachstums, das pro Familie jeweils nur ein Kind
vorsah. Dies hatte zur Folge, dass chinesische Kinder sehr verwöhnt werden und mehr Auf-
hebens um sie gemacht wird als je zuvor. Sie werden häufig überschüttet mit Süßigkeiten bis
hin zu Computern, da im Normalfall sechs Erwachsene – die Eltern und zwei Großeltern-
paare – die Kinder verhätscheln. Dies wurde als das „Sechs-Taschen-Syndrom“ bekannt. In
einem durchschnittlichen Haushalt in Peking geben Eltern ungefähr 40 Prozent ihres Ein-
kommens für ihr geliebtes und einziges Kind aus. Dieser Trend regte Spielzeughersteller wie
die dänische LEGO-Gruppe und das amerikanische Unternehmen Mattel dazu an, in den chi-
nesischen Markt einzutreten.
Interessanterweise bewirkte die zuvor geltende Ein-Kind-Politik in China eine weitere
bedeutende demografische Entwicklung – eine rasant alternde Bevölkerung. Durch das
potenzielle „demografische Erdbeben“, wie es einige nennen, werden bis 2024 schätzungs-
weise 58 Prozent der chinesischen Bevölkerung älter als 40 Jahre sein. Darüber hinaus wer-
den durch die Ein-Kind-Politik circa 75 Prozent aller chinesischen Haushalte kinderlos sein,
entweder weil sie sich dazu entschlossen haben, keine Kinder zu bekommen, oder weil das
Einzelkind bereits ausgezogen ist. Hieraus wird eine alternde Gesellschaft resultieren, die
sich selbst versorgen muss, weswegen wiederum Dienstleistungsmärkte erwachsen werden,
zu denen etwa Seniorenbildung, Freizeitclubs und Pflegeheime gehören.

Veränderung der Altersstruktur in der Bevölkerung


Die wichtigste demografische Strukturverschiebung in Europa, den Vereinigten Staaten und
in den reicheren Staaten Asiens ist die Veränderung der Altersstruktur in der Bevölkerung. In
diesen drei Regionen veraltet die Bevölkerung und es ist abzusehen, dass sich diese Situation
über die nächsten fünfzig Jahre verstärken wird. Diese Entwicklung beschränkt sich jedoch
nicht ausschließlich auf Industrienationen. In Lateinamerika wird sich der Anteil der über
60-Jährigen von heute bis 2030 auf 16 Prozent verdoppeln. In China wird ihr Anteil in dieser
Zeit von zehn Prozent auf ungefähr 24 Prozent wachsen. Die Bevölkerung wird aus zwei
Gründen älter:
 Eine langfristige Abnahme der Geburtenrate ist zu beobachten.
 Die durchschnittliche Lebenserwartung erhöht sich.

152
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

2006 war das erste Jahr seit dem Zweiten Weltkrieg, in dem in Europa mehr Menschen
gestorben sind, als geboren wurden; die Geburtsrate in der EU lag 2006 bei zehn Geburten
pro 1.000 Einwohner, während die Sterberate bei 10,1 pro 1.000 Einwohner lag.
Das Geburtendefizit gegenüber früheren Zeiträumen und der damit verbundene Trend zur
Kleinfamilie hat seinen Ursprung im Wunsch der Menschen, einen höheren Lebensstandard
zu genießen, im Wunsch der Frauen nach Berufstätigkeit und in der wirkungsvollen Anwen-
dung von Schwangerschaftsverhütung.

Land 2010 2015 2030 2050


Deutschland 31,26 32,25 47,21 58,11
Frankreich 25,66 29,22 39,06 45,48
Italien 30,78 33,13 41,14 56,34
Großbritannien 24,86 27,76 34,83 39,41
EU (27 Länder) 25,92 28,48 38,33 50,16
Tabelle 3.1: Altersabhängigkeitsverhältnis (in Prozent): Dieser Indikator gibt das Verhältnis der über 64-Jährigen (Bevölke-
rungsanteil, der normalerweise im Ruhestand ist) zu den 15- bis 64-Jährigen (Bevölkerungsanteil, der normalerweise arbeitet)
an, d. h. 100 Menschen im Erwerbsalter (von 15 bis 64 Jahren) stehen X Personen im Rentenalter (ab 64 Jahren) gegenüber.

Quelle: Eurostat, Webseite von Eurostat unter: https://ec.europa.eu/eurostat/de/home [25.09.2018]

Das Durchschnittsalter der Bevölkerung erhöht sich auch, weil die durchschnittliche Lebens-
erwartung zugenommen hat. Vor einem halben Jahrhundert lag diese noch unter 50 Jahren,
bis zum Jahr 2000 stieg sie im Weltdurchschnitt auf 64,6 Jahre an. Für die Industriestaaten
Nordamerikas, Westeuropas und Asiens lag die Lebenserwartung in dieser Zeit sogar bei 74,8
Jahren und man erwartet hier bis zum Jahr 2050 einen Anstieg auf 82,1 Jahre. Auch in den
Entwicklungsländern soll die Lebenserwartung von 63,4 Jahren auf 74 Jahre steigen.
Für das Marketing hat die hier dargestellte Entwicklung wichtige Konsequenzen. Die
Zunahme älterer Konsumenten und der korrespondierende Mangel an jungen Käufern stellt
für Unternehmen und das Marketing nicht zwangsläufig ein Problem dar. Jedoch sollten Mar-
ketingverantwortliche demografische Trends und Entwicklungen verfolgen, um neue Pro-
dukte und Marktchancen zu identifizieren.
Die zunehmend alternde Bevölkerung impliziert z.B. eine höhere Nachfrage nach Gesund-
heitsprodukten und Dienstleistungen, die auf die Bedürfnisse dieser Konsumentengruppe
zugeschnitten sind. So sind die über 60 Jahre alten Menschen heute wohlhabender und akti-
ver und haben einen Lebensstil, der eher einem 40- bis 50-Jährigen gleichkommt. Sowohl der
Gesetzgeber als auch die Industrie können diese einflussreiche Gruppe nicht mehr ignorieren
und müssen die Dienstleistungen und Richtlinien, die ältere Menschen betreffen, unter die
Lupe nehmen. Einige Unternehmen setzen sich bereits mit den demografischen Veränderun-
gen auseinander und passen ihre Produkte den Bedürfnissen der älteren Konsumenten an.

Unterschiede der Generationen in den entwickelten Ländern


In der entwickelten Welt wird häufig zwischen unterschiedlichen Gruppen von Generatio-
nen unterschieden. Hier werden wir die vier größten betrachten. Es sind dies die Babyboo-
mer, die Generation X, die Millennials oder auch Generation Y sowie inzwischen die Genera-
tion Z.

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Babyboomer Die Babyboomer wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen 1946 und
1964 geboren. Über die Jahre waren sie eine der stärksten treibenden Kräfte, welche das Mar-
ketingumfeld gestalteten. Die jüngsten Boomer sind nun Mitte fünfzig, die ältesten gehen auf
die Rente zu. Die alternden Boomer überdenken nochmals den Sinn und Wert ihrer Arbeit,
ihre Verantwortung und ihre Beziehungen.
Nach Jahren des Wohlstands haben wirtschaftliche Flauten und Rezession viele Boomer hart
getroffen, vor allem diejenigen kurz vor dem Ruhestand. Dennoch, die Boomer erreichen nun
ihren Höhepunkt bezüglich Einkommen und Kaufkraft und stellen weiterhin einen lukrativen
Markt dar für Finanzberatung, neue Häuser und Einrichtungen, Reisen und Unterhaltung, Res-
taurantbesuche, Gesundheits- und Fitnessprodukte und für viele andere Produktkategorien.
Die Boomer „denken jung“, egal wie alt sie sind. Eine Studie ergab, dass sich Boomer im
Schnitt zwölf Jahre jünger sehen als sie sind, und statt sich zur Ruhe zu setzen, sehen sie
ihren Ruhestand als Beginn einer neuen Lebensphase. Gerade die aktiveren Boomer haben
keinerlei Absicht, ihren jugendlichen Lebensstil aufzugeben.
Generation X Dem Babyboom folgte ein Geburtenmangel, eine Generation, geboren zwi-
schen 1965 und 1976, die man Generation X (Gen X) nennt und die über keine klar abgren-
zenden Eigenschaften verfügt.
Diese Generation definiert sich nicht nur über den Zeitraum, in dem sie geboren wurde, son-
dern auch über die gemeinsamen Erfahrungen, die sie haben. In den entwickelten Ländern
sorgten steigende Trennungsraten und die wachsende Zahl arbeitender Mütter für die erste
Generation von Kindern mit Hausschlüssel. Diese kamen von der Schule und fanden ein lee-
res Haus vor, da beide Elternteile in der Arbeit waren. Sie sind zwar erfolgsorientiert, aber
weniger materialistisch, sie schätzen Erfahrungen, nicht Anschaffungen. Für viele Gen Xer,
die heute Eltern sind, kommt die Familie zuerst und die Karriere danach. Aus Sicht des Mar-
ketings sind sie eine eher kritische Gruppe, die einen Kauf erst grundlegend überdenkt und
sich genau informiert. Sie präferieren Qualität gegenüber Masse und sie sind weniger anfällig
für offenkundige Verkaufsstrategien.
Einst wurden sie als MTV-Generation bezeichnet, als Bodypiercing tragende Leute, die über
„McJobs“ jammerten. Aber sie sind erwachsen geworden und übernehmen nun das Steuer.
Stück für Stück verdrängen sie den Lebensstil der Babyboomer, während sie die Karrierelei-
ter erklimmen, und viele sind stolze Eigenheimbesitzer mit jungen, wachsenden Familien. Es
ist die bis heute gebildetste Generation und sie besitzt eine gewaltige Kaufkraft. Aber wie
auch die Boomer müssen sie mit dem wachsenden wirtschaftlichen Druck fertig werden. Wie
fast alle anderen auch geben sie ihr Geld vorsichtiger aus. Aber wegen des hohen Potenzials
konzentrieren sich viele Anbieter gerade auf diese Generation als Kernzielgruppe.
Millenials Sowohl die Boomer wie auch die Gen X werden eines Tages die Zügel an die Mill-
ennials (auch Generation Y oder Echoboomer) abgeben müssen. Geboren sind sie zwischen
1977 und 2000 und stellen zahlenmäßig sowohl die Gen X als auch die Boomer in den Schatten.
Die Millennials sind ein riesiger und attraktiver Markt in den meisten entwickelten Ländern.
Ein Merkmal, das alle Jahrtausender gemeinsam haben, ist ihre Gewandtheit beim Umgang
mit Digitaltechnologie. Sie nutzen nicht nur Technologie, sie leben mit ihr. Sie sind die erste
Generation, die mit Computern aufwuchs, mit Smartphones, Internet und sozialen Netzwer-
ken im Internet. Eine Studie ergab, dass 91 Prozent der Jahrtausender im Netz aktiv sind,
womit sie 32 Prozent der Internetnutzer ausmachen. Nach einer anderen Studie sind 77 Pro-
zent der Jahrtausender in sozialen Netzwerken online und 71 Prozent kennen sich mit Chats

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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

aus. Andere Generationen fühlen sich mit Technik wohl, aber die Jahrtausender sind die
Generation, die von ihr geprägt wurde. Für sie ist das nicht etwas Besonderes, sondern eine
Selbstverständlichkeit.
Marketingverantwortliche aus verschiedensten Richtungen nehmen sich die Jahrtausender
als Zielgruppe vor. Diese wird geradezu überflutet mit Marketingbotschaften. Aber anstatt
sich diese Botschaften aufdrücken zu lassen, ziehen sie es vor, Informationen aktiv einzuho-
len und mit den Marken gleichberechtigt zu kommunizieren. Um diese mit Botschaften
gesättigten Verbraucher zu erreichen, sind also kreative Marketingansätze erforderlich.
Generation Z Den Millenials ist die Generation Zero auf den Fersen, die nach dem Jahr
2000 geboren ist (obwohl viele Experten auch nach 1995 geborene Menschen dieser Genera-
tion zuordnen). Diese sogenannte Gen Z stellt heute die wichtigen Märkte für Kinder, Teen-
ager und Twens. Sie stehen als junge Konsumenten für die Märkte von morgen – sie bauen
Beziehungen zu Marken auf, die ihre Kaufentscheidungen weit in die Zukunft hinein beein-
flussen. Mehr noch als die Millenials ist die Gen Z geprägt von einem sicheren und natürli-
chen Umgang mit digitalen Technologien. Für die Generation Z sind Smartphones, Tablets,
iPods, internetverbundene Spielekonsolen, kabelloses Internet sowie digitale und soziale
Medien selbstverständlich – sie ist damit aufgewachsen. Das macht diese Gruppe enorm
mobil, vernetzt und sozial aktiv. „Sobald sie aufwachen, sind sie online“, scherzt ein Ana-
lyst. Ein anderer meint: „Digital ist Bestandteil ihrer DNA.“
Die Gen Z wechselt bei sozialen Kontakten und beim Shoppen mühelos zwischen Online-
und Offline-Aktivitäten. Neueste Studien belegen, dass mehr als die Hälfte der Tweens und
Teenager der Generation Z trotz ihrer Jugend Produktrecherche betreibt, ehe sie selbst oder
ihre Eltern einen Artikel kaufen. Von den Internetkäufern bevorzugt über die Hälfte den
Online-Einkauf in bestimmten Warengruppen, von Elektronik, Büchern, Musik, Sportarti-
keln und Kosmetikprodukten bis hin zu Kleidung, Schuhen und Mode-Accessoires.
Kinder sind heute offenkundig nur schwer für etwas zu begeistern und ihre Aufmerksam-
keitsspanne ist kurz. Der Schlüssel liegt darin, diese jungen Verbraucher einzubeziehen und
sie bei der Gestaltung ihrer Markenerfahrungen zu unterstützen. Ein Experte sagt: „Die
modernen Tweens fordern eine persönlichere, wahrnehmbare, enge und vertraute Verbin-
dung zu ihren Lieblingsmarken.“ Ein weiterer Aspekt, der mit der Generation Z verbunden
ist, ist die Privatsphäre von Kindern und ihre Anfälligkeit für bestimmte Werbemaschen.
Unternehmen, die ihre Werbung auf diese Zielgruppe ausrichten, müssen dies verantwor-
tungsvoll tun, sonst riskieren sie den Zorn der Eltern oder öffentlicher Entscheidungsträger.
Unterschiedliche Marketingstrategien für unterschiedliche Generationen Muss das Mar-
keting wirklich unterschiedliche Produkte und Marketingprogramme für unterschiedliche
Generationen entwerfen? Experten warnen davor, die eine Generation auszublenden, wäh-
rend man attraktive Marketingbotschaften für die andere kreiert. Auch ist zu beachten, dass
jede dieser Generationen Jahrzehnte umspannt. Deshalb werden die Boomer oft auch in die
Unterkategorien frühe Boomer, Kernboomer und späte Boomer unterteilt, und die Millenni-
als in Tweens, Teens und junge Erwachsene. Darüber hinaus kann man Menschen auch nach
Lebensstil und Lebensabschnitt einteilen, da diese Kriterien oftmals über Kauf oder Nicht-
Kauf entscheiden. Weitere Arten der Marktsegmentierung diskutieren wir in Kapitel 7.

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Der sich wandelnde Familienbegriff


Das Idealbild der Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern hat etwas von seinem Glanz
verloren. Die Tendenz geht dahin, später zu heiraten und weniger Kinder zu haben. Wenn
auch die Zahlen von Land zu Land schwanken mögen, ist der allgemeine Trend zu beobach-
ten, dass weniger Paare heiraten und Kinder aufziehen. Paare ohne Kinder im schulpflichti-
gen Alter machen einen wachsenden Prozentsatz der Bevölkerung aus. Dies sind Trends, die
nicht nur in Europa und Amerika, sondern auch in den wohlhabenden Regionen Asiens wie
Japan, Singapur und Hongkong zu erkennen sind.
Der Anteil der arbeitenden Frauen und auch der arbeitenden Mütter nimmt ebenfalls zu. Dieser
Trend erzeugte vielfältige Marktchancen für Kindertagesstätten, Unternehmen der Reinigungs-
und Bewirtungsbranche, Fertignahrungsmittelhersteller und Textilunternehmen, die speziell
Mode für berufstätige Frauen entwerfen. Marketinganstrengungen für Autos, Versicherungen,
Reisen und Finanzdienstleistungen richten sich zunehmend an Frauen im Beruf. Als Ergebnis
dieser Verschiebungen in den Wertvorstellungen und der Abkehr vom traditionellen Rollen-
denken übernehmen die Ehemänner oder männlichen Partner zunehmend häusliche Aufgaben
wie Einkaufen oder Kinderbetreuung. Daher sprechen die Kommunikationsmaßnahmen für
Güter des täglichen Bedarfs oder für langlebige Konsumgüter zunehmend auch die Männer an.
Eine weitere Entwicklung ist die Zunahme der Single- und Zwei-Personen-Haushalte. Diese
umfassen Singles, die alleine leben, Erwachsene, die ohne Trauschein zusammenleben,
Wohngemeinschaften, alleinerziehende Elternteile, kinderlose Ehepaare oder junge Erwach-
sene, die das Elternhaus frühzeitig verlassen und sich eine eigene Wohnung nehmen. Immer
mehr verheiratete Paare lassen sich scheiden oder trennen sich, viele entschließen sich dazu,
gar nicht oder später zu heiraten und keine Kinder zu bekommen.
In Ländern wie Deutschland, Schweden, Dänemark und der Schweiz liegt der Anteil der Ein-
Personen-Haushalte bereits bei rund 20 Prozent aller Haushalte. Seit Mitte der 70er-Jahre ist
die Anzahl der Eheschließungen pro 1.000 Einwohner von über 7,5 auf weniger als 5 gesun-
ken. Gleichzeitig ist die Scheidungsrate (Scheidungen im Vergleich zu Eheschließungen) von
10,6 Prozent im Jahr 1960 auf 46 Prozent im Jahr 2012 gestiegen und die durchschnittliche
Anzahl der Kinder pro Familie fiel von 2,7 Mitte der 60er-Jahre auf 1,4 im Jahr 2012. Hinzu
kommt, dass es in der EU immer mehr Menschen jenseits der 65 gibt – und viele von ihnen
leben allein. Durch diese Entwicklungen entstehen ungewollte Konsequenzen. So wächst
zum Beispiel der Bedarf an Wohnungen, weil immer mehr Menschen alleine leben. Zudem
müssen all die alternden Singles betreut werden, die keine Kinder und wenige Bekannte
haben, die sich im Alter um sie kümmern können. Diese Zielgruppe hat bei vielen Produkten
und Dienstleistungen abweichende Bedürfnisse. Sie braucht kleinere Wohnungen, energie-
sparende und etwas kleinere Hausgeräte und kleinere Packungseinheiten bei Lebensmitteln.
Das Marketing muss diese besonderen Bedürfnisse zunehmend berücksichtigen, da die Zahl
dieser Lebensmodelle inzwischen schneller wächst als die traditioneller Haushalte.

Höheres Bildungsniveau in der Bevölkerung


Der Anteil der Bevölkerung mit einer höherwertigen Ausbildung variiert zwischen den Län-
dern. Allerdings kann in der EU und in anderen Industrienationen ein allgemeiner Trend
beobachtet werden: Laut einer Statistik der OECD verkleinert sich der Abstand zwischen
Männern und Frauen, die einen Universitätsabschluss haben, in den Mitgliedsstaaten zuneh-
mend. In den meisten Ländern wurde bereits eine Gleichverteilung des Bildungsniveaus zwi-
schen Männern und Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahren erreicht.

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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

Insgesamt bleibt festzustellen, dass das Bildungsniveau der Bevölkerung zunimmt. Insbeson-
dere die Volkswirtschaften in Osteuropa und Asien investieren in den Bildungssektor. Aus
dem höheren Anteil gebildeter und interessierter Menschen ist eine erhöhte Nachfrage nach
Qualitätserzeugnissen, Büchern, Zeitschriften, Reisen, Computern und Internetdiensten zu
erwarten.

Zunehmende Betonung von Individualität und Verschiedenartigkeit


In der heutigen Zeit gibt es beträchtliche Migrationswanderungen – sowohl zwischen Län-
dern als auch innerhalb dieser. So hat zum Beispiel in Großbritannien eine Wanderung vom
Norden in den Süden stattgefunden, weil Menschen auf der Suche nach Arbeit sind, und so
ist die Zahl derjenigen, die im Norden Englands leben, auf den niedrigsten Stand seit 200
Jahren gesunken. Derartige Wanderungsbewegungen sind für Marketer besonders interessant,
da sie ihnen zeigen, wo ihre Kunden ansässig sind und welche veränderten Bedürfnisse und
Kaufgewohnheiten diese haben. Weltweite Migrationsbewegungen über Ländergrenzen hin-
weg sind jedoch noch von umfassenderer Bedeutung für das Marketing.

Migration
Der rasante Anstieg der weltweiten Migration hat viele Gründe. Derzeit leben etwa drei Pro-
zent der Weltbevölkerung außerhalb ihres Geburtslandes. Zwar hat die wirtschaftliche Rezes-
sion Ende der 2000er-Jahre zu einem leichten Rückgang der Zahlen geführt, da ein schwa-
ches Wirtschaftswachstum in ihren Heimatländern viele Migranten zur Rückkehr bewogen
hat. Laut den Vereinten Nationen liegt der Anteil der Migranten weltweit jedoch bei 232 Mil-
lionen. Bis zum Jahr 2050 dürfte sich der globale Wanderungsstrom verdoppeln.
Die USA sind das größte Einwanderungsland (mit einem Bevölkerungsanteil von 46 Millio-
nen Menschen im Jahr 2014). In der EU verzeichneten die am stärksten von der Rezession
betroffenen Länder wie Griechenland und Spanien Abwanderungen, während stärkere Wirt-
schaftsnationen wie Großbritannien und Deutschland mehr Zuwanderer anlockten. Im Jahr
2014 stieg die Zahl der im Ausland lebenden Briten erstmalig auf über 5 Millionen, die meis-
ten zog es nach Australien und in die USA. Migration wirkt sich sowohl auf den Ort der
Marktnachfrage aus – wo Menschen erreicht werden – als auch auf die Art der Nachfrage
nach Waren und Dienstleistungen – also die Bedürfnisse von Menschen in veränderten Situ-
ationen.
Höhere Migrationsströme entstehen teilweise durch freiwillige Abwanderung – den altern-
den Gesellschaften der Industrienationen fehlen bis zum Jahr 2050 möglicherweise 100 Mil-
lionen Arbeitskräfte und ein Großteil dieses Verlusts kann durch verstärkte Migration aufge-
fangen werden. So stammten im Jahr 2015 etwa 16 Prozent aller Arbeitskräfte im Vereinigten
Königreich – fast 5 Millionen Menschen, im Vergleich zu 7 Prozent im Jahr 1997 – aus Über-
see und deckten den Personalbedarf in zahlreichen Branchen. Doch neben diesen Faktoren
gibt es weitere Gründe für die Abwanderung aus Entwicklungsländern. Hier steht Afrika vor
besonderen Herausforderungen – bis zum Jahr 2050 wird die Bevölkerung des Kontinents auf
1,8 Milliarden Menschen angewachsen sein, von denen viele in ihrer Heimat ohne wirt-
schaftliche Perspektive bleiben.

157
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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Zu den wichtigsten Gründe für Migration zählen die folgenden:


 Europa: Durch die geografische Nähe und wirtschaftliche Sogkraft ist Europa nach wie vor
ein Hauptziel für Migranten. Um einen stabilen Abhängigkeitsquotienten zwischen Perso-
nen im erwerbsfähigen Alter und solchen im nichterwerbsfähigen Alter zu gewährleisten,
wird Europa bis 2050 etwa 1,3 Milliarden Migranten aufnehmen müssen.
 Russland und der Kaukasus: Russland ist das weltweit zweitgrößte Einwanderungsland –
bis zu 15 Millionen Zuwanderer verstärken die schrumpfende Bevölkerung. Bei dem Ver-
such, eine demografische Krise abzuwehren, hat Russland eine ethnische Krise geschaf-
fen: Die Gastarbeiter sind einem starken nationalistischen Gegenwind ausgesetzt. Auch
gut ein Drittel der russischen Akademiker will das Land verlassen.
 Chinas Peripherie: Die riesige Bevölkerung, der Bedarf an Ressourcen und die Bereit-
schaft, in Nachbarländern zu arbeiten, führt zu Unruhe an Chinas Grenzen. Russische
Nationalisten befürchten im Süden eine Flut von chinesischen Einwanderern.
 Grenze USA/Mexiko: Die US-amerikanische Südgrenze ist eine der am stärksten militari-
sierten Grenzen der Welt – die Ausgaben für Zäune, Sensoren und Überwachungsdrohnen
gegen illegale Einwanderung aus dem Süden belaufen sich auf 8 Milliarden US-Dollar.
Mexiko leidet unter den Folgen: Abwanderung, Drogen und kriminelle Gewalt destabili-
sieren viele Provinzen des Landes.
 Subsaharisches Afrika: Etwa 18 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Trockenzonen. Doch
Umweltflüchtlinge zieht es eher in ärmere Nachbarländer als in weit entfernte Industrie-
staaten. So strömen Menschen gerade in die Länder, die am wenigsten für ihre Aufnahme
gerüstet sind – zum Beispiel die zahlreichen somalischen Flüchtlinge, die über die Grenze
nach Kenia gelangen.
 VAE/Naher Osten: Die Wüstenstaaten des Nahen Ostens weisen die weltweit höchsten
Anteile an Migranten in der Bevölkerung auf. Sowohl in Qatar als auch in den Vereinigten
Arabischen Emiraten stammen sieben von zehn Einwohnern aus dem Ausland – darunter
große Randgruppen aus Südasien.
 Megastädte: Karachi in Pakistan wurde zur gefährlichsten Stadt der Welt erklärt; die 15
Millionen Einwohner leiden unter einer explosiven Mischung aus Armut, ethnischer
Gewalt, Verbrechen und unfähiger Regierung. Die Stadt bietet ein besorgniserregendes
Bild dessen, was andere wuchernde Megastädte wie Kinshasa und Lagos noch erwarten
kann.
 Geldanweisungen: Geldsendungen nach Hause an die Familie sind ein immer wichtigerer
Faktor in der globalen Entwicklung und schaffen wichtige Kapitalströme in den Schwel-
lenländern. Einige Länder sind von diesen Strömen zunehmend abhängig – auf den Phil-
ippinen, in Moldawien und Tadschikistan machen Geldanweisungen etwa knapp die
Hälfte des Bruttosozialprodukts aus.
Ethnische Vielfalt in den Märkten Natürlich bieten Bevölkerungsbewegungen auch interes-
sante Chancen für die Vermarktung spezieller Waren und Dienstleistungen an die ethnischen
Gruppen innerhalb eines Landes. So wurden von Mecca Cola, einer pro-muslimischen Alter-
native zu anderen Colas in Anlehnung an eine antiamerikanische Haltung, in den ersten
zwei Wochen nach Verkaufsstart in Großbritannien bereits 300.000 Flaschen verkauft. Mecca
Cola behauptet sich erfolgreich in seiner Marktnische in der arabischen Welt, vielen europäi-
schen Ländern sowie den USA und Kanada. Ein weiteres Beispiel sind Luxusgeschäfte in
London wie Burberry und Christian Dior oder Händler wie Marks & Spencer, Primark und
H&M, die von den Vorteilen des jährlichen „Ramadan-Ansturms“ schwärmen – dem Einkauf

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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

von Geschenken rund um den heiligen muslimischen Monat Ramadan und das „Eid al-Fitr“-
Fest. Londoner Händler bemühen sich besonders um muslimische Kunden in der Zeit des
Ramadan und Eid – eine Saison, die den Umsätzen nach gleich hinter Weihnachten folgt.
In Großbritannien entwickeln sich im weitesten Sinne Städte mit einer „Super-Vielfalt“, in
der keine einzelne ethnische Gruppe die Mehrheit stellt. Dieser Pluralismus findet sich in
Orten wie Leicester, Birmingham, Slough, Luton und vielen anderen Londoner Bezirken.
Man erwartet jedoch, dass die Bevölkerung eingewanderter und ethnischer Minderheiten
nicht von den derzeit starken afrokaribischen oder asiatischen Gemeinden beherrscht wird,
sondern dass immer mehr Menschen aus allen Teilen der Welt hinzukommen.
Es ist bezeichnend, dass in den USA die Kaufkraft der afroamerikanischen, asiatischen und
vor allem hispanischen Verbraucher für viele Firmen eine entscheidende Rolle spielt. Procter
& Gamble beispielsweise will die Produktreihe der Gain-Reinigungsmittel in eine Mega-
Marke verwandeln – hauptsächlich durch eine stärkere Parfümierung, die von hispanischen
Verbrauchern bevorzugt wird.
Für multinationale Marken liegt die Herausforderung darin, die Markenerfahrungen und
erforschten Kundenpräferenzen aus Mexiko und Russland auf die hispanischen Gemeinden
in Albuquerque und russische Kunden im US-amerikanischen Brighton Beach zu übertragen.
Im Jahr 2012 wurde die „Mehrheits-Minderheits“-Grenze bei den Neugeborenen in den USA
erstmalig überschritten – Weiße mit europäischen Wurzeln machten weniger als die Hälfte
der neugeborenen Kinder aus. Dies markierte einen demografischen Wendepunkt, der Wirt-
schaft und Arbeitskräftepotenzial des Landes bereits verändert.
Interessante neue Märkte entstehen dadurch, dass man die Bedeutung von ethnischen und
religiösen Unterschieden zwischen den Verbrauchern innerhalb eines Landes und grenzüber-
greifend erkennt. So sind türkische Modedesigner führend bei den Bestrebungen, Mode zu
fördern, die nicht gegen muslimische Werte verstößt. Die Zeitschrift „Ala“ ist das erste Mode-
magazin für konservative muslimische Frauen in der Türkei. Der Herausgeber sagt: „Wir
möchten Frauen internationale Mode nahebringen, ohne unsere Werte zu verraten.“ Das
Magazin und die Designer richten sich an die Bedürfnisse wohlhabender Frauen, die wenig
über islamische Designer wissen – denn muslimische Mode ist traditionell ein Geschäft der
Mundpropaganda.
Auch in Großbritannien verändern Gastarbeiter, hauptsächlich aus der Europäischen Union,
den Konsummarkt rasant und eröffnen den Marketingverantwortlichen neue Möglichkeiten.
Im Jahr 2015 schätzte das Oxford University Migration Observatory, dass einer von acht Ein-
wohnern Großbritanniens in Übersee geboren wurde; damit unterstrich es die wachsende
Vielfalt in der britischen Gesellschaft und wies auf die Entstehung vieler neuer Marktchan-
cen hin. So wurde für die lebhafte polnische Gemeinde eine polnische Radiostation eröffnet,
es wurden polnische Straßenschilder aufgestellt, Banken wie NatWest bieten spezielle Kon-
ten für polnische Kunden, die Ketten Tesco und Asda bieten ein breites Sortiment an polni-
schen Delikatessen mit Werbung in den zunehmend verbreiteten polnischsprachigen Medien
in Großbritannien und Immobilienmakler inserieren Kauf- und Mietobjekte in polnischer
Sprache.
Erkennen weiterer Aspekte der Vielfältigkeit in Märkten Vielfalt geht über die ethnische
Herkunft hinaus. So richten sich viele große Unternehmen ganz konkret an schwule und lesbi-
sche Kunden. Die Rolle homosexueller Käufer auf dem Immobilienmarkt gewinnt zunehmend
an Bedeutung. Auch stellt die homosexuelle Gemeinde eine interessante Zielgruppe wohlha-
bender Kunden dar, häufig als Haushalt mit doppeltem Einkommen und wertvollem Wohnei-

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

gentum. Ferner hat diese Gruppe ein besonders großes Interesse daran, Feriendomizile im Aus-
land zu kaufen. Studien legen nahe, dass sich diese Trends in den meisten der liberalen
westlichen Demokratien entwickeln. Als eigenes Marktsegment existieren spezielle Medien
wie Lifestyle-Magazine, die einen Zugang zur homosexuellen Gemeinde ermöglichen.
Auch Erwachsene mit Behinderungen stellen ein interessantes Segment einer vielfältigen
Gesellschaft dar. In den USA leben fast 60 Millionen erwachsene Menschen mit Behinderun-
gen – ein Markt, der den der afroamerikanischen oder hispanischen Bevölkerung übertrifft und
der über eine Kaufkraft von mehr als 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr verfügt. Die meisten
Menschen mit Behinderungen sind aktive Verbraucher. So zeigt eine Studie, dass mehr als
zwei Drittel der Erwachsenen mit Behinderung in den vorherigen zwei Jahren mindestens eine
Geschäfts- oder Urlaubsreise unternommen hatten. 31 Prozent buchten mindestens einen Flug,
mehr als die Hälfte übernachtete in Hotels und 20 Prozent mieteten ein Auto. Über 75 Prozent
der Menschen mit Behinderung essen mindestens einmal pro Woche auswärts.
Wie können Unternehmen Verbraucher mit Behinderungen erreichen? Viele Marketingexper-
ten erkennen heute, dass die Welten von Menschen mit und ohne Behinderungen ein und
dieselbe sind. Werbetreibende wie McDonald’s, Nike und Honda setzen Menschen mit
Behinderungen in ihren großen Werbekampagnen ein. Samsung und Nike haben beispiels-
weise Verträge mit Athleten der Paralympics abgeschlossen und sie zu Stars in ihren Kampa-
gnen gemacht.
Da die Bevölkerung einzelner Länder oder Regionen wie z.B. Europa immer vielfältiger wird,
gestalten erfolgreiche Marketer ihre Marketingprogramme ebenfalls vielseitiger, um die
Chancen in schnell wachsenden Segmenten zu nutzen.
Urbanisierung der Bevölkerung Neben den Migrationsströmen zwischen den Staaten gibt
es auch erhebliche Bewegungen innerhalb einzelner Länder. So besteht ein anhaltender
Trend zur Abwanderung aus den ländlichen Gebieten in die Städte. Es gibt Belege dafür, dass
500 Millionen Landwirte im Laufe der nächsten 50 Jahren in die Städte ziehen werden und
damit den bereits erheblichen Druck auf Metropolen wie Mumbai, Delhi, Dhaka und Shang-
hai (mit jeweils mehr als 20 Millionen Einwohnern) sowie Kinshasa, Kairo und Lagos (mit
jeweils über 15 Millionen Einwohnern) weiter verstärken werden. Innerhalb von drei Jahr-
zehnten hat sich China durch die Abwanderung vom Land in die Städte in eine überwiegend
urbane Gesellschaft verwandelt.
In den meisten entwickelten Ländern hat die Verlagerung der Lebensräume auch zu einer Ver-
lagerung der Arbeitsorte geführt. Die Abwanderung in die Städte brachte beispielsweise einen
massiven Anstieg der Telearbeit mit sich, also der Tätigkeit zu Hause oder in einem ausgela-
gerten Büro durch Nutzung von Firmentelefon, Fax, Modem oder Internet. Dieser Trend wie-
derum hat den Markt für kleine Büros und des Home-Office angekurbelt. Immer mehr Men-
schen arbeiten von zu Hause aus und nutzen dafür den elektronischen Komfort von z.B. PCs,
Smartphones und Breitband-Internetzugang. Viele Marketingexperten umwerben aktiv den
lukrativen Telekommunikationsmarkt. WebEx zum Beispiel, der Web-Konferenzbereich von
Cisco, fördert die Überwindung der Isolation, die oft mit einer Telearbeit einhergeht. Mit
WebEx können sich Menschen begegnen und online über ihre Computer oder Smartphones
zusammenarbeiten, unabhängig von ihrem Standort. „Für effektive Onlinemeetings braucht
man nicht mehr als einen Browser und ein Handy“, meint das Unternehmen. Von überall aus
können Menschen über WebEx mit anderen Personen oder kleinen Gruppen in Verbindung
treten und Präsentationen halten, Dokumente austauschen und gemeinsame Desktops benut-
zen, die vollständig mit Ton und Full-Motion-Videofunktionen ausgestattet sind.

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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

3.3.2 Das volkswirtschaftliche Umfeld


Für einen Markt sind nicht nur die Menschen an sich wichtig, sondern auch ihre Kaufkraft.
Das ökonomische Umfeld besteht aus Faktoren, die sowohl die Kaufkraft als auch die Ver-
brauchergewohnheiten beeinflussen. So unterscheiden sich Länder bisweilen stark in der
Höhe und der Verteilung ihres Einkommens. Marketingverantwortliche müssen dies und die
hieraus resultierenden Chancen sowohl im eigenen als auch in anderen Märkten sehr auf-
merksam beobachten.

Veränderungen bei der Weltordnung


Bei der Höhe und Verteilung der Einkommen gibt es enorme nationale Unterschiede. Einige
Länder haben eine Industriewirtschaft, die aus reichen Märkten für viele verschiedene Güter
besteht. Das andere Extrem ist die sogenannte Subsistenz- oder Bedarfswirtschaft. Diese kon-
sumiert den Großteil der eigenen landwirtschaftlichen und industriellen Erzeugnisse und
bietet nur wenige direkte Absatzmöglichkeiten. Dazwischen gibt es die sogenannten Schwel-
lenmärkte, die über hervorragende Absatzmöglichkeiten für bestimmte Produktgruppen ver-
fügen. Die Einkommensunterschiede und -trends sind ein wichtiger Faktor, um einen
bestimmten Marktwert und Marktattraktivität zu erlangen.
Es ist jedoch auch wichtig zu wissen, dass die wirtschaftliche Weltordnung im 21. Jahrhun-
dert großen und bedeutsamen Veränderungen unterliegt, insbesondere im Hinblick auf
Schwellenländer wie Indien und China. Der Begriff BRIC (Brasilien, Russland, Indien, China)
wird häufig verwendet, um die führende Gruppe der neuen wohlhabenden und rasch expan-
dierenden Länder zu bezeichnen. In Wahrheit jedoch ist diese Gruppe sehr viel größer und
ihre Merkmale treffen zunehmend auch auf Länder wie Südafrika, Indonesien, Mexiko und
andere zu. Interessanterweise wird das Ausmaß der Veränderung dadurch verdeutlicht, dass
in den BRIC-Ländern heute wesentlich mehr Einzelpersonen Dollar-Milliardäre sind als in
Europa. Dennoch ist es paradox, dass die BRIC-Länder bezogen auf ihre Bevölkerung mehr
als die Hälfte des Weltwirtschafts-Wachstums ausmachen und trotzdem arm bleiben.
Interessant ist, dass die Geschichte sich wiederholt: Die Vorherrschaft der USA als größte
Wirtschaftsmacht der Welt begann kurz vor 1890, als der vorherige Wirtschaftsriese von sei-
ner Position verdrängt wurde – nämlich China. Während der 2000er-Jahre betrug das jährli-
che Realwachstum des chinesischen BIP durchschnittlich 10,5 Prozent, verglichen mit 1,7
Prozent in den USA im selben Zeitraum. Dabei sind einige Wirtschaftsexperten skeptisch, ob
China diese Wachstumsrate beibehalten kann. Dennoch exportierte China bis 2010 alle sechs
Stunden so viel wie im gesamten Jahr 1978. Ein wirtschaftlicher Wandel dieser Größenord-
nung hat deutliche Auswirkungen auf die Kaufkraft der Verbraucher – Millionen Chinesen
sind erstmalig in die sogenannte „Konsumentenklasse“ aufgestiegen. Es wird beispielsweise
geschätzt, dass folgende Länder nach dem reinen Wert die fünf größten Lebensmittelmärkte
der Welt sind: China, die USA, Indien, Russland und Brasilien, wobei die USA ein langsame-
res Wachstum verzeichnen als die anderen. Dementsprechend wenden die fünf größten
Lebensmitteleinzelhändler der Welt (Walmart, Carrefour, Tesco, CostCo und Metro) – zwei
amerikanische und drei europäische Unternehmen – aggressive Wachstumsstrategien in die-
sen schnell expandieren Märkten an, während sie gleichzeitig ihre Marktposition im Inland
verteidigen. Dennoch müssen sich internationale Händler in diesen Märkten einem scharfen
Wettbewerb stellen und Erfolg auf dem heimischen Markt bedeutet nicht zwangsläufig auch
Erfolg in den aufstrebenden Märkten. Die Schwellenmärkte jenseits von BRIC stehen etwas
besser da – Länder wie Mexiko, Nigeria und Thailand übertreffen die Ergebnisse der BRIC-
Staaten; tatsächlich könnte man die führende Gruppe heute als MINTS bezeichnen (Mexiko,

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Indonesien, Nigeria, Türkei). Ohne Zweifel jedoch führen die Auswirkungen des wirtschaft-
lichen Wandels, der Verlagerung der Machtverhältnisse in der Weltwirtschaft und neue For-
men der Globalisierung zur Aufspaltung und Neugestaltung ganzer Wirtschaftszweige.

Einkommensverteilung und Kaufkraft


Die derzeitigen Umbrüche in Technologie und Kommunikationstechnik haben teilweise eine
Verlagerung des weltwirtschaftlichen Gleichgewichts vom Westen (insbesondere den USA,
Kanada und Westeuropa) in Richtung der schnell expandierenden Wirtschaftsnationen des
pazifischen Beckens und Asiens mit sich gebracht. Bis zur asiatischen Wirtschafts- und
Finanzkrise im Jahr 1997 konnten viele der asiatischen „Tigerstaaten“ wie z.B. Südkorea,
Taiwan, Thailand, Malaysia, Indonesien und Singapur jährliche Zuwachsraten von mehr als
sieben Prozent, im Vergleich zu zwei bis drei Prozent in Westeuropa und den USA, verzeich-
nen. Offizielle Statistiken haben diese Wachstumsraten für die erste Dekade des 21. Jahrhun-
derts nach unten korrigiert. Nichtsdestotrotz wird die rasante wirtschaftliche Erholung in
Singapur, Taiwan und Südkorea zu höheren verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen als in den
USA und Westeuropa führen.
Im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der Überseemärkte als Fundament für das Wachs-
tum westlicher Geschäfte hat das unsichere Wirtschaftsklima in Asien große Auswirkungen
auf das internationale Marketing. Die Marketingverantwortlichen müssen herausfinden, wie
das veränderte Einkommen die Kaufkraft beeinflusst und inwiefern daraus Bedrohungen
oder Chancen entstehen können.
In Ländern, in denen das verfügbare Einkommen z.B. durch eine Wirtschaftskrise gesunken
ist, wählen finanziell angeschlagene Konsumenten Produkte und Dienstleistungen tendenzi-
ell sorgfältiger aus und erwarten einen höheren Gegenwert. So haben in Japan in Zeiten der
Rezession z.B. Secondhand-Läden einen wahren Boom durchlebt. McDonald’s erzielte wäh-
rend der Krise im Jahr 2008 in Deutschland Rekordumsätze. Value Marketing wird deshalb
für viele Marketingleiter zur Parole. Anstatt qualitativ hochwertige Ware zu hohen Preisen
oder mindere Qualität zu Niedrigstpreisen anzubieten, muss man Wege finden, preisbewuss-
ten Konsumenten ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis im Sinne einer geeigneten Kombi-
nation aus Produktqualität und gutem Service zum fairen Preis anzubieten.
Marketingverantwortliche sollten darüber hinaus ihre Aufmerksamkeit sowohl auf die Ein-
kommensverteilung als auch auf das durchschnittliche Einkommen richten. Bei den Konsu-
menten mit dem größten verfügbaren Einkommen, die in der Regel höheren sozialen Schich-
ten angehören, gibt es kaum Veränderungen des Kaufverhaltens in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten. Im Gegensatz dazu reagieren die unteren Einkommensgruppen sehr empfindlich auf
Einkommenseinbrüche.

Kaufverhalten bei unterschiedlichen Haushaltseinkommen


Im Allgemeinen unterscheiden sich die Ausgabenanteile der Haushalte für bestimmte Pro-
duktgruppen in Abhängigkeit vom Einkommen, wobei die Positionen Ernährung, Wohnung
und Verkehrsmittel in vielen Fällen den größten Anteil am Haushaltseinkommen beanspru-
chen. Einige dieser einkommensbedingten Unterschiede wurden schon vor mehr als einem
Jahrhundert von Ernst Engel beschrieben. Engel hatte beobachtet, dass sich der Bedarf mit stei-
gendem Einkommen auf andere Schwerpunkte verlagerte. Er fand heraus, dass bei steigendem
Einkommen der Anteil, der für Nahrung ausgegeben wird, sinkt, jener, der für das Wohnen aus-
gegeben wird, gleich bleibt und jener für alle anderen Ausgabenkategorien und für das Sparen
steigt. Diese Regel, in der Volkswirtschaftslehre auch als das Engel’sche Gesetz bekannt, wurde
bisher durch nahezu alle nachfolgenden wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt.

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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

Veränderungen bei wichtigen ökonomischen Größen wie Einkommen, Kosten der Lebenshal-
tung, Zinssätzen und Spar- und Ausleihverhalten haben bedeutende Auswirkungen auf die
Märkte. Viele Unternehmen nutzen deshalb Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung für
ihre Planung. Mittels sogenannter Frühwarnindikatoren kann man erkennen, wie sich für das
Unternehmen relevante wirtschaftliche Rahmenbedingungen verändern werden, und dies in
der Strategie berücksichtigen, um aus den Veränderungen resultierende Chancen zu nutzen.

3.3.3 Das natürliche Umfeld


Zum natürlichen Umfeld eines Unternehmens gehören die Ressourcen der Natur, die als
Input dienen und durch seine Tätigkeit berührt oder beeinträchtigt werden können. Maßnah-
men zum Schutz der Umwelt haben in den vergangenen drei Jahrzehnten stetig an Bedeu-
tung gewonnen. Der Schutz der natürlichen Umwelt wird auf lange Sicht eines der wichtigs-
ten Themen für Unternehmen und die Öffentlichkeit bleiben. Weltweit haben in vielen
Großstädten und Ballungsräumen Luft- und Wasserverschmutzung gefährliche Werte
erreicht. Ozonloch, Treibhauseffekt und eine damit verbundene bedrohlich zunehmende
Erwärmung der Erdatmosphäre sind zu ernsthaften Problemen geworden. Vier Trends haben
besondere Bedeutung für das Marketing:
 Verknappung der natürlichen Ressourcen
 steigende Energiekosten
 zunehmende Umweltverschmutzung
 umweltpolitische Interventionen staatlicher und supranationaler Institutionen

Verknappung der natürlichen Ressourcen


Luft und Wasser scheinen unerschöpfliche Ressourcen zu sein, aber besonders hier sind auf
lange Sicht Gefahren zu erkennen. Die Luftverschmutzung erstickt viele der weltgrößten
Städte und die Wasserknappheit ist ein großes Problem in weiten Teilen der Welt. Die nach-
wachsenden Ressourcen wie Nahrungsmittel oder Hölzer müssen ebenfalls überlegt einge-
setzt werden. Der Bedarf an einigen nicht nachwachsenden Rohstoffen wie Erdöl, Kohle und
sonstigen Bodenschätzen führt zu Schwierigkeiten und Engpässen. Unternehmen, deren Pro-
dukte diese immer knapperen Rohstoffe zur Herstellung benötigen, sehen sich hohen Kosten-
steigerungen gegenüber, selbst wenn die Rohstoffe noch verfügbar bleiben. Häufig ist es
schwierig, diese Kosten über den Verkaufspreis an die Käufer weiterzugeben. Eine Entspan-
nung dieser Situation ist nur durch die Erforschung und Entwicklung von Ersatzstoffen und
neuen Technologien oder durch die Entdeckung neuer Rohstoffvorkommen zu erwarten.

Steigende Energiekosten
Eine der nicht erneuerbaren Ressourcen, das Rohöl, stellt den derzeit größten Engpass für
künftiges Wirtschaftswachstum dar. Die großen Industriestaaten der Welt sind zu einem
erheblichen Anteil vom Öl abhängig. Innerhalb der EU-Staaten können die Energiepreise um
bis zu 100 Prozent variieren. Die Abhängigkeit der EU von importierter Energie wird erwar-
tungsgemäß von derzeit 50 Prozent des Gesamtverbrauchs bis 2030 auf 65 Prozent steigen.
Die Sorge um hohe Energiekosten und Versorgungssicherheit wurde durch jüngere Ereignisse
noch verstärkt, wie etwa die Krise in der Ukraine.
Bis Ersatzprodukte entwickelt sind, wird Erdöl für die internationale Wirtschaft und Politik
ein Schlüsselprodukt bleiben. Immer größere Bedeutung kommt deshalb der Entwicklung

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

alternativer Energiequellen wie Wind- und Solarenergie zu. Andere Unternehmen konzent-
rieren ihre Forschungs- und Entwicklungsbemühungen mehr auf die Schaffung energieeffizi-
enter Technologien. Automobilkonzerne arbeiten intensiv an neuen Antriebstechnologien
und energiesparenden Kompaktwagen. Beispielhaft soll hier die Entwicklung von Elektroau-
tos näher betrachtet werden.

Marketing-Highlight: Elektroautos auf dem Vormarsch

Immer mehr Autofahrer wünschen sich alternative Antriebstechnologien für ihre Autos.
Verstärkt wurde dieses Verlangen nicht zuletzt durch die ansteigenden Treibstoffpreise
in den letzten Jahren.
Viele der großen Automobilhersteller setzen nach wie vor verstärkt auf die Hybrid-Tech-
nologie, die aber nur eine Übergangslösung zum reinen Elektroauto sein kann. Als Vorrei-
ter dieser Technologie kommt einem zum Beispiel Toyota mit dem Modell Prius in den
Sinn. Auch Mercedes-Benz und die anderen deutschen Hersteller haben solche hybride
Fahrzeuge im Angebot. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um sogenannte Mild-
Hybride, bei denen der schwach dimensionierte E-Motor nur leichte Unterstützungsarbeit
bei der Beschleunigung, beim Bremsen (die „Rekuperation“, bei der die Bremsenergie in
den Akku eingespeist wird) und beim Start-Stopp-Betrieb an der Ampel oder im Stau leis-
tet. Eine rein elektrische Fahrweise ist zumeist nicht vorgesehen.
Dem öffentlichen Interesse und dem Nachfragedruck sowie den Vorgaben der EU in
puncto Flottenverbräuche und Flotten-CO2-Ausstöße ist es zu verdanken, dass es in den
letzten Jahren dann doch die großen deutschen Autohersteller geschafft haben, reine
Elektrofahrzeuge verkaufsfertig in die Schauräume zu stellen. Bei Daimler ist dies z.B.
der eSmart oder eine elektrische B-Klasse, bei VW der e-up! oder ein e-Golf, und natür-
lich nicht zu vergessen BMW i3 und i8. Doch die Verkaufs- und Zulassungszahlen sind
noch verschwindend gering, die Preise noch hoch.
Aber woran liegen dann die geringen Zulassungszahlen von Elektrofahrzeugen, wenn die
Technik im Prinzip vorhanden ist? Hier wird statt Aufklärungsarbeit gerne auch Sand
gestreut. Allzu gerne verweisen die großen Automobilkonzerne z.B. auf die angeblich
noch nicht reife Akku-Technologie, haben sich aber nach kurzen Stippvisiten in die
Akku-Entwicklung und -Produktion alle wieder aus den entsprechenden Firmenkonst-
rukten verabschiedet. Beliebt ist auch in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die
noch nicht in ausreichender Menge vorhandene Lade-Infrastruktur, die es ja unmöglich
mache, Elektroautos in großer Menge zu verkaufen. Die Hersteller von Wallboxen und
Ladesäulen sowie die Energiewirtschaft, die ja eigentlich am meisten von einem einset-
zenden Boom der Elektromobilität profitieren würden, argumentieren gleich, nur im
gegenteiligen Sinne. Ob dieses „Henne oder Ei“-Gehabe die Sache an sich voranbringt, ist
mehr als fraglich. Außerdem gibt es genügend Fahrzeuge, die sich auch an einer her-
kömmlichen Schukosteckdose z.B. in der heimischen Garage oder im Carport problemlos
laden lassen. Doch was braucht die elektromobile Welt? Bestimmt keine Verzögerungstak-
tik, die nur dazu geeignet ist, den etablierten Unternehmen noch mehr Geld in die
Taschen zu spülen, indem sie weiter von der hohen Marge beim Verkauf von herkömm-
lich angetriebenen Fahrzeugen profitiert.

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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

Wir brauchen Unternehmen, die Innovation leben und das Risiko neuer Technologien
nicht scheuen. Nur damit kann der Durchbruch schnell gelingen. Unübertroffen ist der
Erfolgsweg eines ursprünglich kleinen kalifornischen Joint-Ventures, der Firma Tesla
Motors mit ihren Modellen Tesla Roadster, Tesla Model 3, Tesla Model S und Tesla Model
X. Sie schaffte es, die Automobilbranche mit ihrem schnittigen Elektro-Renner Tesla
Roadster kräftig durcheinanderzuwirbeln. Gegründet 2003 von Martin Eberhardt, Marc
Tarpenning und Ian Wright, finanziert von Elon Musk, dem Gründer von PayPal und Spa-
ceX (der ersten privaten Firma mit einem Großauftrag der NASA – er versorgt mit seiner
Rakete nach der Ablösung der betagten Space-Shuttles die Raumstation ISS), sowie Larry
Page und Sergey Brin, den Mitbegründern von Google, lieferte die Firma Tesla ab 2008
ihren schnittigen Sportwagen Tesla Roadster (bis 2012) mit reinem Elektroantrieb aus.

Abbildung 3.7: Tesla Roadster Model S auf einer Ausstellung in der Vorhalle des Time Warner Center in New York
(Quelle: Richard Levine / Alamy Stock Photo)

Elon Musk, CEO von Tesla Motors, ist das aber noch nicht genug, er greift weiter nach den
Sternen. Das aktuelle Fahrzeug von Tesla, das „Model S“, ein schnittiger, aber trotzdem
geräumiger, familienfreundlicher Elektro-Viertürer, bietet knapp 600 km Reichweite,
absolviert den Spurt auf 100 km/h in 2,7 Sekunden und ist in Deutschland in verschiede-
nen Modellvarianten ab 85.200 Euro zu haben. Tesla engagiert sich auch im Bereich der
Ladetechnik: Um seinen Kunden die Möglichkeit der Schnellladung zu bieten, baut das
Unternehmen weltweit sogenannte Supercharger-Stationen auf. Diese werden in den USA
und Europa an Reiserouten platziert und erlauben die Tesla-Fahrzeuge in 40 Minuten auf
rund 80 % aufladen – kostenlos, versteht sich. Bis heute sind schon über 1.130 Ladestati-
onen mit mehr 8.500 Ladepunkten aufgestellt. Alles in allem scheint Tesla die richtige
Mischung gefunden zu haben, um die Elektromobilität signifikant voranzutreiben. Hier
könnte sich manch ein Mitbewerber eine gewaltige Scheibe abschneiden.
Quelle:
Tesla Motors, Inc., Webseite unter: www.teslamotors.com [04.02.2018]

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Zunehmende Umweltverschmutzung
Die Industrie wird weltweit für Schäden an der natürlichen Umwelt verantwortlich gemacht.
Die Entsorgung chemischer und nuklearer Abfälle, der hohe Quecksilbergehalt in den Mee-
ren, chemische Rückstände im Boden und in der Nahrung und die Verschmutzung der
Umwelt durch biologisch nicht abbaubare Materialien sind nur einige der diskutierten The-
men.
Viele Unternehmen, besonders jene am schmutzigeren Ende der Produktionskette, beklagen
sich über die Kosten, die sich aufgrund der Umweltgesetzgebung oder der Verpflichtung,
neue, umweltgerechte Produktionsmethoden einzuführen, ergeben. Auf der anderen Seite
haben sich aufmerksame Manager den Sorgen der Öffentlichkeit in Bezug auf die Umwelt
durch die Herstellung umweltschonender Produkte, recycelbarer oder biologisch abbaubarer
Verpackungen sowie verbesserter Produktionsprozesse angenommen.
Die Einhaltung von Umweltrichtlinien mag zwar eine Belastung darstellen, bietet jedoch
auch die Chance, neue Absatzpotenziale zu erschließen. Die steigende Nachfrage nach einer
ökologischen Abfallentsorgung – dem Einsammeln, Transportieren, Beseitigen und Recyceln
von festen Abfällen – hat einen stetig wachsenden Wirtschaftszweig geschaffen, der mehrere
Milliarden Euro umsetzt. Die Komplexität der EU-Umweltrichtlinien und nationaler Gesetze
hat einen regelrechten Boom bei Umweltberatungsunternehmen, insbesondere bei der
Umweltanalyse und dem Risiko-Management ausgelöst. Da das Umweltgeschäft seit einiger
Zeit floriert, haben clevere Unternehmer gelernt, wie man mit Abfall viel Geld verdient.
Nischenmärkte für Produkte, die besonders umweltfreundlich sind und für die einige Ver-
braucher Höchstpreise zu zahlen bereit sind, haben sich in vielen Branchen gebildet, ange-
fangen bei Kosmetik- und Hygiene-Artikeln bis hin zu Automobilen. Die meisten Kaufinter-
essenten werden jedoch auch in Zukunft bei ihrer Kaufentscheidung einen Kompromiss
zwischen Umweltbelangen einerseits und Kosten, Leistungsfähigkeit und sonstigen Qualitä-
ten eines Produkts andererseits suchen.

Umweltpolitische Interventionen staatlicher und supranationaler Institutionen


Die Regierungen verschiedener Länder unterscheiden sich stark in ihren Bemühungen, eine
saubere Umwelt zu fördern. Einige verabschieden schärfere Leitlinien und Gesetze, die einen
positiven und dauerhaften Einfluss auf die Umwelt haben als andere. Ein Bericht, der ver-
schiedene Länder anhand von fünf Kriterien hinsichtlich ihrer Umweltverträglichkeit ein-
schätzt, setzt die nordischen Länder an die Spitze. Bewertungskriterien sind z.B., inwiefern
sich die Umweltbemühungen in den wichtigsten Industriezweigen entwickeln und ob
Kooperationen mit anderen Ländern bestehen, um gemeinsam ökologische Probleme zu
lösen. Im Gegensatz zu den nordischen Ländern schneiden Belgien, Italien und Griechenland
auffällig schlecht ab. Während manche Nationen die Umweltproblematik energisch verfol-
gen, kümmern sich andere, vor allem weniger wohlhabende Länder, nur mäßig darum. Der
Grund dafür liegt sowohl in dem Mangel an finanziellen Mitteln als auch am politischen Wil-
len. Aber auch reichere Nationen sind oftmals nicht willens oder in der Lage, die gewaltigen
finanziellen Mittel aufzuwenden, die nötig wären, um wirksame Maßnahmen zugunsten der
Umwelt umzusetzen.
Die allgemeine Hoffnung ist, dass sich die Unternehmen dieser Welt ihrer sozialen Verant-
wortung bewusst werden und dass kostengünstigere Verfahren gefunden werden, um die
Umweltverschmutzung zu kontrollieren und einzudämmen. In vielen Ländern wurde die
Wirtschaft eher dazu gezwungen als überzeugt, sich Umweltschutzprogrammen anzuschlie-

166
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

ßen. Umweltschutzbehörden wurden eingerichtet, um Verschmutzungsrichtlinien durchzu-


setzen und Studien über Umweltbelastungen durchzuführen. Die Umweltgesetzgebung ist in
den vergangenen Jahren erheblich verschärft worden und es ist zu erwarten, dass sich diese
Entwicklung in der Zukunft fortsetzt.
Die Regierungen haben darüber hinaus das Potenzial freiwilliger Abkommen mit der Indust-
rie erkannt. Ziel ist es, den Unternehmen zu helfen, die Umweltstandards kosteneffizient
umzusetzen. Absprachen mit der Regierung über Pläne zum Umweltschutz kommen eher in
den großen, organisierten Branchen der westlichen Industriestaaten wie der Mineralölindus-
trie, der chemischen, der pharmazeutischen Industrie oder im Nahrungsmittelsektor
zustande. Manche Unternehmen gehen sogar über die Regierungsauflagen hinaus. Sie entwi-
ckeln umweltverträgliche Strategien und Maßnahmen und entsprechen den Wünschen der
Konsumenten nach ökologisch sicheren Produkten, recycelbaren oder biologisch abbaubaren
Verpackungen, besseren Verschmutzungskontrollen sowie energieeffizienteren Verfahren.
Viele dieser Unternehmen, von IKEA, LEGO, McDonald’s, IBM, 3M bis hin zu BMW, erken-
nen den Zusammenhang zwischen einer sauberen Umwelt und einer florierenden Wirtschaft.

3.3.4 Das technologische Umfeld


Das technologische Umfeld ist vielleicht die wichtigste Kraft, die unsere Zukunft formt und
gestaltet. Die Technologie hat Wunder wie das Penicillin, Organverpflanzungen, Notebooks
und das Internet hervorgebracht, aber auch so grauenvolle Anwendungen wie die Atom-
bombe, chemische Kriegsführung oder das Maschinengewehr. Auch Produkte wie Automo-
bile, Fernsehgeräte oder Kreditkarten, denen manche durchaus kritisch gegenüberstehen,
sind erst durch Technologie-Einsatz möglich geworden. Unsere persönliche Einstellung zur
Technologie hängt davon ab, ob wir uns mehr für die Erfolge begeistern oder von den Proble-
men und Risiken verunsichern lassen. Das technologische Umfeld ändert sich rapide. Marke-
tingexperten sollten deshalb kommende Technologietrends intensiv beobachten.

Die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts


Ein Großteil der heute alltäglichen Produkte war vor hundert Jahren noch nicht verfügbar:
Fernseher, PCs, Tablets, Smartphones und vieles mehr. Die Liste kann beliebig fortgeführt
werden. Dabei schaffen neue Technologien stets neue Märkte und Absatzmöglichkeiten.
Zumeist ersetzt eine neue Technologie eine ältere. Transistoren dezimierten die Industrie für
Elektronenröhren, Kopierautomaten machten der Industrie für Durchschlagpapier den Gar-
aus, die Digitalfotografie ersetzte nahezu die klassische, optochemisch basierte. Automobile
auf Autobahnen erwiesen sich als Konkurrenz gegenüber den Bahnsystemen und Düsenflug-
zeuge setzten sich gegenüber den Propellermaschinen durch. Immer, wenn traditionelle
Industrien neue Technologien ignorierten oder bekämpften, wurden sie zu Verlierern. Unter-
nehmen, die nicht in der Lage waren, technologische Veränderungen vorherzusehen und mit
ihnen Schritt zu halten, wurden schnell überholt und unterlagen im Wettbewerb.
Mit dem technischen Fortschritt mitzuhalten ist heute in vielen Branchen schwieriger denn
je. Die Lebenszyklen von Technologien sind typischerweise viel kürzer geworden. Als Bei-
spiel kann die Schreibmaschine dienen. Die erste Generation moderner mechanischer
Schreibmaschinen dominierte etwa 25 Jahre lang den Markt. Die folgenden Generationen
hatten kürzere Lebenszyklen: 15 Jahre bei elektromechanischen Modellen, sieben Jahre bei
elektronischen Versionen und fünf Jahre bei den ersten mikroprozessorgesteuerten Modellen.
Heutige Computersoftware hat häufig einen Produktlebenszyklus von weniger als einem Jahr.

167
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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Unternehmen müssen sich deshalb umfassend über die technologischen Trends ihrer Bran-
che informieren und analysieren, ob eintretende Änderungen die Fähigkeit ihrer Produkte,
die Bedürfnisse der Käufer optimal befriedigen zu können, infrage stellen. Die zunehmende
Begeisterung von Kindern für MP3-Player, Mobiltelefone und PlayStations stellt traditionelle
Spielwarenhersteller vor große Herausforderungen. So musste das Traditionsunternehmen
Märklin nach einer 150-jährigen Unternehmensgeschichte, in der es sich von einer kleinen
Fabrik für Blechspielwaren zu einem weltweit bekannten Produzenten von hochwertigem
Metallspielzeug entwickelte, im Jahr 2009 seine Zahlungsunfähigkeit bekannt geben. Auch
Technologien, die in nicht verwandten Branchen erarbeitet werden, können das Schicksal
eines Unternehmens dramatisch beeinflussen. Die Industrie der klassischen mechanischen
Uhren wurde zum Beispiel von Produzenten elektronischer Komponenten, die preiswerte
Quarzuhren anboten, praktisch überrollt.
In den 80er-Jahren baute Sony ein erfolgreiches Geschäft mit Produkten auf, die auf analoger
Technologie beruhten, wie beispielsweise CRT-Röhrenfernseher oder der tragbare Kassetten-
rekorder Walkman. Aber die Welt hatte sich in Richtung LCD-Flachbildschirme und Plasma-
Fernseher sowie MP3-Player entwickelt, die auf Festplattenlaufwerken und Speicherkarten
beruhen. Sonys erfolgreiche Vergangenheit war vor allem durch die Unterhaltungselektro-
niksparte geprägt, doch diese musste in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts große Verluste
hinnehmen, da sie den Trend zur Digitalisierung verschlafen hatte. Im Bereich von Fernseh-
geräten, in dem Sony sich aufgrund des attraktiven Designs, der Markenstärke und der Trini-
tron Technology lange Zeit einer treuen Gefolgschaft sicher sein konnte, profitierte der Rivale
Sharp von der starken Nachfrage nach LCD-Flachbildschirmen und löste Sony als bevorzugte
Marke ab. Heute ist Samsung der Marktführer bei Fernsehern.
Insbesondere die Digitalisierung, die Einzug in viele Wirtschaftsbereiche gehalten hat, wird
zukünftig einen wachsenden Einfluss auf die Technologieentwicklung haben.

Exkurs: Digitale Disruption

Skeptiker gingen davon aus, dass die Entschlüsselung der menschlichen DNA Jahr-
zehnte, wenn nicht Jahrhunderte in Anspruch nehmen würde, als sich im Jahr 1990
Forscher daran machten. Doch bereits 13 Jahre später war der Durchbruch gelungen und
das Human-Genom-Projekt erreichte sein Ziel. Wie war das möglich gewesen? Ein
Grund dafür war die rasche, exponentielle Entwicklung der dafür notwendigen Techno-
logien.
Nunmehr gehen Zukunftsforscher davon aus, dass es mit der Digitalisierung ähnlich
schnell vorangehen wird und damit ganze Wirtschaftszweige tief greifend erschüttert
werden. So sind sich viele Forscher sicher: die digitale Transformation hält ungeahnte
neue Möglichkeiten bereit: Denn die Kombination einzelner Technologien wie der
Cloudtechnologie, der künstlichen Intelligenz, immer weiter steigender Rechnerleis-
tung, der Robotik, des 3-D-Drucks, der Sensorik, Big Data usw. wird in vielen Branchen
zu völlig neuen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen führen.

168
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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

Dabei werden viele dieser Veränderungen von disruptiver Natur sein, d.h., sie werden
bestehende Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle ablösen und ersetzen,
und dies in immer kürzeren Zeitabständen.
Technologischer Fortschritt ist von exponentiellem Wachstum geprägt und so unter-
schätzen viele Unternehmen dessen Dynamik und reagieren zu langsam. Dies passierte
etwa Kodak, als diese – zwar die Erfinder der digitalen Fotografie – zu spät vom Fokus
auf die analoge Fotografie abließen. Kodak wollte sich lange Zeit nicht vom äußerst pro-
fitablen Geschäftsmodell der analogen Fotografie, die auch den Verkauf und die Ent-
wicklung von Filmen umfasste, trennen. In der Regel sind es Neueinsteiger oder Start-
ups, die durch den Einsatz neuer Technologien oder durch das Ändern eines bestehen-
den Geschäftsmodellmusters Branchen verändern oder gar überflüssig machen. Bspw.
machte Netflix Videotheken überflüssig, Spotify forderte die Musikindustrie heraus und
möglicherweise werden Fintechs die Bankenindustrie erschüttern.
Eine Reihe von Schätzungen geht davon aus, dass deshalb ein großer Teil der heutigen
Top-Unternehmen in wenigen Jahren verschwunden sein wird. Ebenso wird ein Groß-
teil der heutigen Arbeitsplätze durch Digitalisierung verschwinden. Dabei vorrangig
jene Tätigkeiten, die einfach und schnell standardisierbar sind. Beispielsweise klassi-
sche Sachbearbeiter mit Routinetätigkeiten, Fabrikarbeiter, aber auch Rechtsanwälte, da
deren Beratungsleistung ebenso standardisiert werden kann. Kreative Tätigkeiten und
jene, bei denen Projekte eigenständig vorangetrieben werden, scheinen sicherer.
Zwar sind diese Effekte zweifelsohne negativ, dennoch bieten die neuen technischen
Möglichkeiten auch eine Reihe von Möglichkeiten: Noch nie war es so einfach, ein
Unternehmen zu gründen, noch nie war es so einfach, an Venture Capital zu gelangen,
noch nie gab es solche Innovationschancen für Produkte und Geschäftsmodelle und
noch nie konnte man so schnell und so einfach Konsumenten und Konsumentinnen auf
dem ganzen Globus erreichen.

Quellen:
Gassmann, O./Frankenberger, K./Csik, M. (2017): Geschäftsmodelle entwickeln. 55 innovative Kon-
zepte mit dem St. Galler Business Model Navigator. Hanser.
Matzler, K./Bailom, F./Friedrich von den Eichen, S./Anschober, M. (2016): Digital Disruption – Wie
Sie Ihr Unternehmen auf das digitale Zeitalter vorbereiten. Vahlen.
o. V.: Wie der technische Fortschritt die Welt verändert. Download unter: http://www.handels-
blatt.com/adv/digital-vernetzt/wirtschaft-technologie/industrial/digitale-disruption-wie-der-tech-
nische-fortschritt-die-welt-veraendert/13946322.html [13.02.2018]
Meyer, J. U.: Digitalisierung der Arbeitswelt: Ist mein Job schon in Gefahr? Download unter: https://
www.karriere.at/blog/digitalisierung-arbeitswelt.html [13.02.2018]

Unternehmen müssen daher stets die neueste technologische Entwicklung im Auge behalten,
um neue Produkt- und Marktchancen zu entdecken und zu nutzen. Wissenschaftler erfor-
schen deshalb eine Reihe von vielversprechenden neuen Produkten und Dienstleistungen
wie z.B. Solarenergie, Elektroautomobile und leistungsstarke Rechner, die man am Körper
tragen oder zusammengefaltet in der Tasche aufbewahren kann. Wissenschaftler arbeiten
aber auch an Visionen wie fliegenden Autos oder Weltraumkolonien. Dabei wird die For-
schung zunehmend von Forschungsgruppen vorangetrieben und weniger von einzelnen

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Erfindern wie Thomas Edison oder Alexander Graham Bell. Viele Firmen senden Marktfor-
scher in ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, um eine verstärkte Marktorientie-
rung der Forschung zu gewährleisten. Oftmals liegt die Herausforderung weniger in der tech-
nischen Umsetzung, als vielmehr in der Wirtschaftlichkeit, nämlich der Entwicklung von
verwertbaren und erschwinglichen Versionen dieser Produkte.

Hoher Kapitalbedarf für Forschung und Entwicklung


Spitzentechnologien und Innovationen erfordern umfangreiche Investitionen in Forschung
und Entwicklung. Insbesondere die pharmazeutische Industrie, die Automobilindustrie, die
Telekommunikations- oder Computerindustrie, die Luft- und Raumfahrt, der Maschinenbau
und die Unterhaltungselektronik sind durch hohe Entwicklungskosten geprägt. Der stetig
wachsende Forschungs- und Entwicklungsaufwand führt dazu, dass sogar größere Unterneh-
men Schwierigkeiten haben, mehrere Technologien gleichzeitig zu führen. Um diese Hürde
zu überwinden, bilden Unternehmen strategische Allianzen, um gemeinsam neue Produkte
und Technologien zu entwickeln, oder kaufen Lizenzrechte für Technologien, die von ande-
ren Unternehmen entwickelt wurden. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Akquisition
kleinerer, innovativer Unternehmen, die keine ausreichenden finanziellen Mittel für die
eigene Vermarktung neuer Technologien haben.

Tendenz zu kleineren Innovationsschritten


Infolge der hohen Kosten, die für die Entwicklung neuer Produkte anfallen, begnügen sich
viele Unternehmen damit, minimale Produktverbesserungen anstelle riskanter Produktinno-
vationen vorzunehmen. Die hohen Kosten und Risiken einer falschen Vermarktung lassen
die Unternehmen vorsichtig an Forschungs- und Entwicklungsaufgaben herangehen. Sie
investieren lediglich, um erfolgreiche Konkurrenzprodukte zu kopieren oder minimale
Änderungen an Verpackung oder Aussehen vorzunehmen. Forschung und Entwicklung sind
häufig eher defensiv als offensiv ausgerichtet.

Zunehmende staatliche Regulierung


Da technische Erzeugnisse immer komplexer werden, müssen sich die Käufer darauf verlas-
sen können, dass Produkte sicher sind. Aus diesem Grund sind offizielle Stellen damit beauf-
tragt, Produkte auf Sicherheit und Zuverlässigkeit zu untersuchen und unsichere aus dem
Verkehr zu ziehen. In der Europäischen Union ebenso wie in den Vereinigten Staaten existie-
ren zum Beispiel komplexe Regulierungen für die Zulassung neuer Medikamente, Maschi-
nen oder Fahrzeuge. Eigene Prüforganisationen wie der Technische Überwachungsverein
(TÜV), die DEKRA AG, der VDI (Verein Deutscher Ingenieure) und der VDE (Verband der
Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) setzen in der Bundesrepublik Sicherheits-
und Qualitätsstandards. Sie überwachen und vergeben Prüfsiegel oder Qualitätszertifikate
für einwandfreie Produkte und ziehen im Gegenzug gefährliche oder unsichere Produkte aus
dem Verkehr. Deutlich verschärfte Vorschriften haben teilweise zu Zulassungsverfahren
geführt, die hohe Kosten verursachen und den Zeitraum von der Produktidee bis zur Markt-
einführung verlängern. Die Verantwortlichen im Marketing müssen sich hierüber und über
die zu beachtenden Bestimmungen und Regelungen im Klaren sein.
Wer im Marketing tätig ist, sollte sich mit den aktuellen Technologien seiner Branche und
deren Entwicklung gut auskennen und verstehen, auf welche Weise neue Techniken dem
Kunden weiterhelfen und menschliche Bedürfnisse befriedigen könnten. Es empfiehlt sich
eine enge Zusammenarbeit der Marketingabteilung mit den Forschungs- und Entwicklungs-

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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

bereichen, um die Entwicklung marktorientiert zu gestalten. Gleichzeitig muss das Bewusst-


sein aller Beteiligten dafür geschärft werden, welche negativen Folgen neue Produkte mit
sich bringen könnten, die den Nutzern schaden oder das Unternehmen in die Kritik bringen.

3.3.5 Das politische Umfeld


Entscheidungen im Marketing werden auch stark von Entwicklungen in der Politik beein-
flusst. Das politische Umfeld besteht aus dem gesetzlichen Regelwerk, aus Behörden und
politischen Gruppen, die auf den einzelnen Bürger und auf Organisationen in einer Gesell-
schaft einwirken und diese in ihren Entscheidungen und Aktivitäten einzuschränken vermö-
gen.

Wirtschaftsrelevante Gesetzgebung
Selbst die liberalsten Verteidiger einer freien Wirtschaft räumen ein, dass eine Gesellschaft
ohne ein Mindestmaß an Gesetzen nicht auskommen kann. Gut abgestimmte Regulierungen
und Gesetze können den Wettbewerb stärken und faire Marktbedingungen schaffen. Nahezu
jede Marketingentscheidung unterliegt deshalb einer Vielzahl von Gesetzen und Bestimmun-
gen.
In den meisten Industriestaaten nimmt die Gesetzgebung, welche die unternehmerische
Betätigung reguliert, stetig zu. In der EU existiert eine Vielzahl an Gesetzen, die das Wettbe-
werbsverhalten, die Produktstandards, die Produktzuverlässigkeit und die finanziellen
Transaktionen der Länder innerhalb der EU regeln. Auch die Vereinigten Staaten haben viele
Gesetze, die sich um Angelegenheiten wie den Wettbewerb, Umweltschutz und Produktsi-
cherheit, aber auch Ehrlichkeit bei Werbeanzeigen, Verpackungen und Beschriftungen sowie
um die Sicherstellung einer fairen Preissetzung kümmern.
Es ist nicht einfach, alle gesetzlichen Regelungen zu verstehen und zu berücksichtigen, die
mit einer Marketingmaßnahme einhergehen. Zunächst gibt es viele Gesetze auf unterschied-
lichen administrativen Ebenen: In der Europäischen Union sind dies die Ebene der EU-
Bestimmungen, die nationale Gesetzgebung (in Deutschland und in Österreich handelt es
sich hier um die Gesetzgebung auf Bundesebene) und die Gesetzgebung der Länder. Es folgen
schließlich die Regelungen der regionalen oder lokalen Behörden (Kommunale Ebene –
Städte und Gemeinden). In vielen Staaten sind die Regelungshierarchien ähnlich aufgebaut.
Häufig besteht Regelungskonkurrenz, die zum Teil durch Rechtsprioritäten (z.B. Bundesrecht
bricht Landesrecht, EU-Recht bindet auch den Bundesgesetzgeber) aufgelöst wird, zum Teil
bleiben aber konkurrierende Regelungen so lange bestehen, wie sie nicht auffallen oder stö-
ren.
Zum Zweiten ändern sich diese Regelungen laufend. Was im letzten Jahr noch erlaubt war,
könnte in diesem Jahr vielleicht schon verboten sein. Im vereinten Europa sind umfangreiche
Neuregelungsvorhaben mit den Zielen der Öffnung von Monopolen, der Harmonisierung
und der Rechtsangleichung im Gang. Diese Projekte brauchen ihre Zeit. Bis zur vollständigen
Umsetzung wird ein Zustand stetigen Wandels herrschen, der für das national und internati-
onal orientierte Marketing Herausforderung und Unsicherheit zugleich bedeutet. Es wird
daher viel zusätzliche Arbeit zu leisten sein, um angesichts dieser Veränderungen der Gesetz-
gebung und der zugehörigen Interpretationen stets auf dem Laufenden zu sein.

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Es existieren mehrere Gründe, warum die Regelung unternehmerischer Tätigkeit so wichtig


genommen wird:
Schutz der Unternehmen untereinander Der erste Grund ist, dass die Unternehmen unter-
einander geschützt werden sollen. Obwohl Unternehmer den Wettbewerb in der Regel als
wichtig bezeichnen, versuchen sie manchmal, ihn auszuschalten, wenn er ihnen nicht
genehm ist. Aus diesem Grund gibt es Regelungen und Gesetze, die den unlauteren Wettbe-
werb definieren und ihn verhindern sollen. Kartellaufsichtsbehörden, Monopolkommissio-
nen und ähnliche Institutionen wachen über die Einhaltung der Bestimmungen (in der Bun-
desrepublik das Bundeskartellamt mit Sitz in Bonn, für den Bereich der EU die Dienststellen
des zuständigen EU-Kommissars).
Schutz der Verbraucher vor unfairen Geschäftspraktiken Der zweite Grund für eine Wirt-
schaftsgesetzgebung ist, die Verbraucher vor unfairen Geschäftspraktiken zu schützen. Es gibt
Unternehmen, die ohne Aufsicht und ohne Androhung von Konsequenzen schlechte Pro-
dukte liefern, in der Werbung Übertreibungen oder Lügen verbreiten und die Kunden mit
Verpackung und Preisen in die Irre leiten würden. Was unfaire Geschäftspraktiken im Detail
sind, ist festgeschrieben und wird von unterschiedlichen Institutionen durchgesetzt. In die-
sem Zusammenhang wurde die EU-Richtlinie zum Schutz der Privatsphäre in der elektroni-
schen Kommunikation beschlossen, die den entsprechenden Behörden die Möglichkeit gibt,
hart gegen Missbrauch und „Spam-Mails“ vorzugehen und Unternehmen, die derartige Mails
versenden, zu bestrafen.
Schutz der Interessen der Gesellschaft Der dritte Grund ist, dass die Interessen der Gesell-
schaft insgesamt geschützt werden sollen. Eine gewinnbringende Unternehmenstätigkeit
muss noch nicht eine bessere Lebensqualität für alle bedeuten. Verschiedene Regelungen set-
zen deshalb dort an, wo nach heutigem Verständnis Unternehmen die Verantwortung und
die Lasten für soziale Kosten aus ihrer Tätigkeit tragen sollen.
Mit weiteren neuen Gesetzen und Verordnungen und ihrer Durchsetzung ist in zunehmen-
dem Umfang zu rechnen. Alle, die im Unternehmen Verantwortung tragen, sollten über die
wichtigsten Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs, der Verbraucher und der Gesellschaft
Bescheid wissen und diese Entwicklungen bei der Planung von Produkten und Marketing-
programmen im Auge behalten. Wer darüber hinaus im internationalen Marketing tätig wird,
sollte zusätzlich die nationalen, regionalen und lokalen Bestimmungen der Zielmärkte ken-
nen.

Die wachsende Bedeutung von Interessenverbänden


Anzahl und Macht von Interessenverbänden haben in den letzten beiden Jahrzehnten erheb-
lich zugenommen. Verbraucherschutzorganisationen, die ihre Wurzeln in den USA haben,
sind inzwischen in ganz Westeuropa und grundsätzlich in allen entwickelten Ländern etab-
liert. Hunderte anderer Verbraucherinitiativen sind auf allen Ebenen, lokal, regional, natio-
nal, europaweit usw. anzutreffen, zum Teil privat, zum Teil als Stiftungen oder Vereine, die
mehr oder weniger stark durch den Staat unterstützt werden.
Andere Interessengruppen, die das Marketing in seine Planungen einbeziehen muss, sind
Umweltschutzinitiativen und Verbände, die sich die Förderung und Unterstützung von Tei-
len der Gesellschaft zum Ziel gemacht haben. Dies sind z.B. Initiativen zur Frauen- und Kin-
derförderung, zum Schutz ethnischer Minderheiten, zur Unterstützung von Senioren oder
zur Integration Behinderter.

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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

Zunehmende Forderung nach ethisch und sozial verantwortungsvollem Handeln


Nicht jeder Missbrauch des Marketinginstrumentariums kann vorausgesehen und durch
gesetzliche Regelungen verboten werden. Bestehende Gesetze weisen möglicherweise
Lücken oder Schlupflöcher auf oder sind aus praktischen Gründen schwer durchsetzbar.
Daher kommt jenseits aller geschriebenen Gesetze und Vorschriften auch sozialen und ethi-
schen Normen eine hohe Bedeutung zu. Gesellschaftlich verantwortlich handelnde Unter-
nehmen ermutigen ihre leitenden Mitarbeiter, zu hinterfragen, was hinter den gesetzlichen
Regelungen steht, und geben ihnen den Spielraum, ethisch und moralisch einwandfrei zu
handeln und einfach „das Richtige zu tun“. Solche Unternehmen suchen aktiv nach Metho-
den und Wegen, die langfristigen Interessen ihrer Käufer und einer lebenswerten Umwelt zu
schützen.
Die zunehmende Besorgnis über die Umwelt und Probleme, die sich z.B. aus der Globalisie-
rung ergeben, haben das Interesse an Fragen der Ethik, der Moral und der Verantwortung für
unsere Gesellschaft in der Bevölkerung neu geweckt. Marketing kommt fast immer mit
irgendeinem dieser Aspekte in Berührung. Weil oftmals gegensätzliche Interessenbereiche
tangiert werden, können gelegentlich auch gut gemeinte Aktivitäten in einer bestimmten
Situation den Organisatoren entgleiten und eine Eigendynamik entwickeln. Um die anste-
henden Probleme verantwortungsbewusst zu lösen, aber auch, um die interessierte Öffent-
lichkeit kompetent zu informieren, haben Unternehmen, Branchen-, Industrie- oder Berufs-
verbände begonnen, Richtlinien für einwandfreies Handeln zu entwickeln.
Auch die Internetnutzung und hier insbesondere die Nutzung sozialer Netzwerke wie Face-
book hat neue soziale und ethische Fragestellungen aufgeworfen. Der Wahrung der Privat-
sphäre gilt dabei die größte Sorge. So müssen Nutzer des Internets oft persönliche Daten
preisgeben, die dann missbraucht werden können. Verbraucher veröffentlichen aber auch
freiwillig private und persönliche Informationen auf Plattformen wie Facebook und You-
Tube, die für andere problemlos zugänglich sind.
Viele der Informationen werden jedoch systematisch von Unternehmen gesammelt, die mehr
über ihre Kunden erfahren wollen, wobei diese selbst oft nicht realisieren, dass sie sich
immer mehr zum gläsernen Konsumenten entwickeln. Unternehmen platzieren Cookies auf
den PCs ihrer Kunden und sammeln mit jedem Mausklick auf ihren Webseiten digitale Infor-
mationen. Kritiker befassen sich nun mit der Frage, ob Unternehmen nicht zu viel von den
Verbrauchern erfahren und die digitalen Informationen missbrauchen könnten. Obwohl die
meisten Unternehmen ihre Datenschutz-Bestimmungen offenlegen und die meisten die
Daten auch verwenden, um ihren Kunden einen zusätzlichen Nutzen zu bieten, kommt es
doch gelegentlich zu Missbräuchen. Deshalb arbeiten Verbraucherschützer und Politiker an
Möglichkeiten, die Privatsphäre des Kunden zu schützen. In Kapitel 4 und Kapitel 20 werden
wir diese und andere Themen rund um das soziale Marketing noch detaillierter besprechen.
Ein weiteres Problem liegt im Zugang und in der Nutzung des Internets durch unautorisierte
Gruppen wie z.B. Minderjährige. Es hat sich gezeigt, dass es sehr schwierig ist, diese Grup-
pen von der Nutzung altersbeschränkter Seiten auszuschließen. Das Internetauktionshaus
eBay wurde Opfer eines 13-jährigen Jungen, der für mehr als drei Millionen Dollar Antiquitä-
ten und seltene Kunstgegenstände eingekauft hatte. Zwar hat eBay strikte Richtlinien, die es
Jugendlichen unter 18 Jahren untersagen, am Handel teilzunehmen, jedoch arbeitet eBay
nach dem Ehrenprinzip (positive/negative Bewertung des Käufers/Verkäufers nach einer
Transaktion), das wenig gegen die Cyberspace-Einkaufstour dieses Jugendlichen ausrichten
konnte.

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Marketing für einen guten Zweck


Um sich in sozialer Verantwortung zu üben und ein positiveres Image aufzubauen, engagie-
ren sich viele Unternehmen für einen guten Zweck. Marketing für einen guten Zweck stellt
eine der am weitesten verbreiteten Formen unternehmerischen Geberverhaltens dar. Es gibt
Anbietern die Möglichkeit, Gutes zu tun, indem der Kauf von Produkten oder Dienstleistun-
gen mit der Mittelbeschaffung für Wohltätigkeitsorganisationen verbunden wird.
Jedes Jahr führen Unternehmen eine Vielzahl solcher Marketingkampagnen durch, hinter
denen häufig sehr große Budgets stehen und die durch zahlreiche absatzfördernde Maßnah-
men ergänzt werden. Diese Art des Marketings hat zu einigen Kontroversen geführt. Kritiker
befürchten, dass das Marketing für einen guten Zweck diesen eher missbraucht.
Unternehmen, die diese Form des Marketings wählen, wandern häufig auf einem schmalen
Grat. Einerseits sind höhere Verkaufszahlen und ein verbessertes Image zu verbuchen, ande-
rerseits müssen sich Unternehmen gegen den Vorwurf des Missbrauchs wehren. Bei sorgfälti-
gem Einsatz dieser Form des Marketings können aber sowohl der Anbieter als auch der gute
Zweck erheblich profitieren: Das Unternehmen gewinnt ein effektives Marketinginstrument,
das gleichzeitig ein positives Bild in der Öffentlichkeit schafft, und die begünstigte Wohltä-
tigkeitsorganisation tritt stärker in die öffentliche Wahrnehmung und erschließt sich eine
wichtige Mittelquelle.

3.3.6 Das kulturelle Umfeld


Das kulturelle Umfeld des Marketings besteht aus Institutionen und anderen Kräften, die die
Grundwerte der Gesellschaft, Wahrnehmungen, Präferenzen und das Verhalten prägen. Jeder
Mensch wächst in einer Gesellschaft auf, die seine Grundüberzeugungen und Werte
bestimmt. Dabei entsteht in ihm ein Weltbild, das seine Beziehungen zu anderen und seine
Einstellung sich selbst gegenüber beeinflusst. Es ist dabei wichtig für das Marketing, diese
bestimmte kulturelle Charakteristik in seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Man sollte
die kulturellen Einflüsse kennen, die das Unternehmen am Zielmarkt vorfindet, und berück-
sichtigen, wie sie von Gesellschaft zu Gesellschaft variieren.

Die Beständigkeit kultureller Werte


Menschen, die einer bestimmten Gesellschaft angehören, haben viele Überzeugungen und
Wertvorstellungen. Deren Kern ist in hohem Maß beständig und konstant. Zum Beispiel sind
viele von uns davon überzeugt, dass man fleißig sein und arbeiten sollte, dass es gut sei, zu
heiraten, ehrlich zu sein und für gute Zwecke zu spenden. Diese Grundüberzeugungen und
Werte, die Eltern an ihre Kinder weitergeben, werden z.B. durch die Schule oder religiöse
Gruppen, das Wirtschaftsleben und den Staat weiter gefestigt.
Sekundäre Überzeugungen können sich hingegen leichter ändern. Der Glaube an die Ehe an
sich ist eine Grundüberzeugung, der Glaube daran, dass Menschen früh heiraten sollten, ist
hingegen eine sekundäre Überzeugung. Marketingexperten haben eine realistische Chance,
sekundäre Überzeugungen zu beeinflussen, jedoch eine verschwindend geringe Chance, eine
Grundüberzeugung zu ändern.

Veränderungen kultureller Werte


Auch wenn Grundüberzeugungen lange Zeiträume überdauern, finden durchaus kulturelle
Veränderungen statt. Man denke dabei an den Einfluss populärer Musikgruppen, Filmstars

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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

und anderer Berühmtheiten auf das Hairstyling, die Kleidung oder sexuelle Normen junger
Menschen. Marketingexperten möchten derartige Veränderungen vorhersehen, um neue
Chancen und Bedrohungen für das Unternehmen zu erkennen. Marktforschungsunterneh-
men haben die Aufgabe, solche Entwicklungen zu antizipieren und zu dokumentieren. So
hat zum Beispiel der Prozentsatz der Personen, die Fitness und Wohlbefinden als sehr wich-
tige Werte angeben, in den letzten Jahren stetig zugenommen. Diese Erkenntnisse sind den
Marketingfachleuten sehr willkommen, da sie zu beurteilen helfen, welche Produkte gute
Chancen haben und welche Werbebotschaft die richtige ist.
Die grundsätzlichen Wertvorstellungen in einer Kultur werden darin ausgedrückt, wie die
Menschen sich selbst und andere, ihre Institutionen und Organisationen, die Gesellschaft an
sich, die Natur, die Erde und das Universum sehen.
Das Bild der Menschen von sich und ihren Mitmenschen Die Menschen variieren stark
darin, wie sehr sie ausschließlich für ihre eigenen Lebensvorstellungen und Lebensziele
arbeiten und inwieweit sie für die Gemeinschaft zu leben bereit sind. Einige setzen persönli-
ches Vergnügen, Spaß und Abwechslung an die erste Stelle. Andere erstreben Selbstverwirk-
lichung durch Religionsausübung, durch Freizeitaktivitäten oder sie verfolgen ambitionierte
Karriere- oder andere Lebensziele. Die Menschen benutzen Produkte und Dienstleistungen
als Instrument zur Selbstverwirklichung und kaufen die Marken, die ihre Vorstellungen am
besten zum Ausdruck bringen.
In den 80er-Jahren nahmen Egoismus und persönlicher Ehrgeiz sehr zu, was auch entschei-
dende Umorientierungen im Marketing nötig machte. In einer „Ich-Gesellschaft“ kaufen die
Leute ihre „Traum-Automobile“ und streben einen „Traum-Urlaub“ an. Diese Menschen ver-
bringen mehr Zeit bei sportlicher Betätigung im Freien (Jogging, Tennis), mit Kunst, Kultur
und Kunsthandwerk.
Heutzutage hingegen streben Menschen wieder nach konservativeren Zielen und Verhaltens-
weisen. Nach der „Ich-Gesellschaft“ glauben einige Soziologen auch wieder einen Trend zu
mehr „Wir-Gesellschaft“ festgestellt zu haben, in der sich die Menschen mehr zusammen-
schließen und füreinander da sein wollen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind Materialismus,
demonstrative Geldverschwendung und ausschweifender Genuss einem umsichtigeren Kon-
sumverhalten sowie einem gemeinschaftsbezogenen, familiären Verhalten mit sozialer Verant-
wortung gewichen. Sparsamkeit, Sorge um die Familie und Gemeinsinn sind wieder auf dem
Vormarsch. Neuere Studien zeigen, dass sich mehr Menschen für Wohltätigkeitsorganisatio-
nen, ehrenamtliche Arbeit und in der Hilfe für andere engagieren als noch vor einigen Jahren.
Dies bedeutet auch verbesserte Marketingperspektiven für Produkte und Dienste, die gemein-
schaftsorientiert sind wie Gesundheitszirkel, Familienferien (z. B. das „Center-Parc“-Konzept),
Gesellschaftsspiele oder auf dem Automobilmarkt das Konzept der „Vans“ und „Minivans“. Zu
erwarten ist auch ein wachsender Markt für Produkte, die als „Gemeinschaftsersatz“ oder
„Gemeinschaftsergänzung“ angesehen werden können. Dies können Produkte wie Videokame-
ras oder Computer mit Internetverbindung sein, die Menschen, die allein sind, darüber hin-
weghelfen können, indem doch Gemeinschaft mit anderen hergestellt wird.
In den letzten Jahrzehnten wurde auch eine Änderung des Verhaltens gegenüber Mitmen-
schen festgestellt. Man tendiert zum „Cocooning“, was bedeutet, dass Menschen sich selte-
ner mit anderen verabreden und häufig Zeit zu Hause verbringen. Diese Entwicklung deutet
auf eine größere Nachfrage nach Produkten zur Gestaltung von Heim und Garten und Unter-
haltungsprodukten wie Videospielen und DVDs hin. „Während sich der Trend hin zu ‚Cocoo-
ning‘ oder ‚Nesting‘ fortsetzt, kommt es gleichzeitig zu einer Verbesserung von Haus und vor

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

allem Garten“, erklärt ein Analyst aus der Freizeitindustrie. Die Menschen lassen ihre Gärten
aufwendig gestalten, bauen luxuriöse Terrassen und Zierbrunnen und stellen große Grills,
Gartenduschen und andere Annehmlichkeiten auf. Im Zusammenhang mit dem „Cocooning“
hat auch die dänische Lebensphilosophie „Hygge“ (Gemütlichkeit, Geborgenheit) an Bedeu-
tung gewonnen und sich inzwischen als Wohntrend etabliert.
Die Einstellung der Menschen gegenüber Organisationen Individuen haben sehr unter-
schiedliche Ansichten von großen Organisationen wie Unternehmen, Behörden, Gewerk-
schaften oder dem Bildungssystem und Hochschulen. Im Großen und Ganzen arbeiten Men-
schen gerne in Organisationen, wobei sie aber erwarten, dass diese ihre Funktionen und
Aufgaben in der Gesellschaft erfüllen. Allerdings hat sich in den späten 80er-Jahren eine
gewisse Skepsis gegenüber den Autoritäten und bestimmten Organisationen eingestellt.
Skandale bei einigen bekannten Unternehmen haben dieses Misstrauen während der 90er-
Jahre verstärkt und dafür gesorgt, dass man diesen nicht mehr blind vertraut. Es wird öfter
nach der Sinngebung und den Methoden gefragt. Am Arbeitsplatz selbst ist ein starker Rück-
gang bei der Loyalität zum Arbeitgeber festzustellen. Viele Menschen betrachten ihre
Arbeitsstelle heute nicht als Quelle der Befriedigung, sondern vielmehr als Quelle des
Gehalts, um die Stunden zu genießen, in denen man nicht arbeiten muss.
Dieser Trend bedeutet für Organisationen, dass sie neue Wege finden müssen, das Vertrauen
der Menschen zu erringen. Sie sollten ihre Werbung und Öffentlichkeitsarbeit einer kriti-
schen Prüfung unterziehen, damit ihre Botschaft auch unter den veränderten Umständen
noch als „ehrlich“ aufgenommen werden kann. Ferner sollten sie ihre Aktivitäten kritisch
untersuchen, damit sie nach wie vor als „nützliche Mitglieder der Gesellschaft“ angesehen
werden. Immer mehr Unternehmen unterstützen öffentliche Belange, damit über sie zusam-
men mit positiven Aktivitäten berichtet wird, was schließlich zu einem positiven Image in
der Öffentlichkeit führt.
Die Einstellung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft Wir finden auch ganz unter-
schiedliche Einstellungen gegenüber der Gesellschaft vor. Die Spannbreite reicht von den
Patrioten, für die das Gemeinwesen alles ist, über Reformer, die die Gesellschaft verändern
wollen, bis hin zu Unzufriedenen oder Aussteigern, die unsere Gesellschaft lieber heute als
morgen verlassen würden. Die Einstellungen des Einzelnen gegenüber Gemeinwesen und
Gesellschaft bestimmen auch seine Reaktionen auf das Marketing und sein Konsumverhal-
ten, seine Sparneigung und seine Einstellung gegenüber Markt und Marktwirtschaft.
In den wohlhabenderen Staaten Asiens, die gerade eine tief greifende Industrialisierung erle-
ben, strebt der überwiegende Teil der Einwohner nach dem Lebensstandard und dem Lebens-
stil, wie ihn die westlichen Industriestaaten vorleben. Die anzutreffende Zurschaustellung
exklusiven Konsums und Stolz auf teure Importprodukte aus Europa oder Amerika als Kenn-
zeichen dafür, dass „man etwas erreicht hat“ und dass man westlich gebildet ist, sind dort
ein typisches Verhalten. Patriotismus beim Einkauf ist dort nicht üblich, weil die eigenen
Produkte als den ausländischen unterlegen und weniger erstrebenswert als die Importwaren
empfunden werden. Die Vorliebe für im Westen produzierte Waren birgt Marketingchancen
für Anbieter dieser Produkte. Im Gegensatz dazu ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten in
den entwickelten westlichen Industrienationen ein Zuwachs an nationalem Konsumenten-
patriotismus zu beobachten. Viele Verbraucher hoffen, dass der Kauf lokaler Produkte ihnen
selbst zugutekommt und lokale Arbeitsplätze sichert.
Insbesondere in den USA konnte man diese Entwicklung beobachten und hat entsprechende
Kampagnen gestartet, so zum Beispiel eine Werbekampagne des Automobilherstellers Chevro-

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3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens

let, der behauptete, Chevrolet sei „der Herzschlag Amerikas“. Viele Produkte tragen US-Flaggen
oder markante „Made in USA“-Aufdrucke wie die Werkzeuge von Black & Decker. Diese Ent-
wicklung wurde durch die Ereignisse des 11. September 2001 (Terroranschlag auf das World
Trade Center) und auch durch die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 nachhaltig verstärkt.
Die Einstellung der Menschen gegenüber der Natur Auch hier kann man die unterschied-
lichsten Einstellungen vorfinden. Die einen fühlen sich von der Natur beherrscht, andere fin-
den sich im Einklang mit ihr und wieder andere wollen sie zähmen. Lange Zeit herrschte in
Verbindung mit einer gewissen Technologiegläubigkeit die Ansicht vor, dass die Menschheit
sich mithilfe der Technik die Natur unterwerfen sollte. Dazu kam die Einstellung, dass sich
die Menschheit unbegrenzt aus der Natur alles holen kann, was sie braucht. Hier hat ein Ein-
stellungs- und Wertewandel eingesetzt, seit wir verstehen, dass die Natur anfällig für Störun-
gen ist, nicht als unerschöpflich angesehen werden darf und sehr wohl durch menschliches
Handeln geschädigt oder zerstört werden kann.
Die zunehmende Liebe zur Natur hat zu einer wachsenden Popularität von Aktivitäten wie
Camping, Bergsteigen, Bootswandern und Segeln oder Angeln geführt. Die entsprechenden
Branchen haben auf dieser Welle mehr Bergsteiger- und Campingausstattungen, Insekten-
schutz, Mountainbikes und weitere Produkte für die Naturbegeisterten entwickelt und ver-
kauft. Reisebüros bieten „Trekking Tours“, Reisen in wilde, unberührte Gebiete an. Nahrungs-
mittelhersteller haben wachsende Märkte für Bio-Produkte und „naturbelassene Produkte“
entdeckt wie „Natur-Frühstücksflocken“, „natürliche Eiscreme“ und eine Reihe von Produkten
mit dem Zusatz „Land“ wie Landschinken, Landbrot, Landmilch usw. Gesundheitsorientierte
Waren und Lebensmittel wie cholesterinreduzierte Margarine oder Obst-Smoothies weisen
überdurchschnittliche Wachstumsraten auf, in der Werbung spielen die Natur und ein gesun-
des ländliches Umfeld eine wichtige Rolle. Einige Unternehmen konnten durch die Inspiration
aus der Natur und die Betonung der Schlichtheit große wirtschaftliche Erfolge erzielen. Auch
Autos mit geringem Verbrauch zählen zu den Produkten, die immer gefragter werden.
Dieser gesunde und natürliche Lebensstil wird auch anderweitig zelebriert. Wellnesspro-
dukte in jeglicher Form finden stark steigenden Absatz. Beispiele sind die Fitnessbranche,
Anbieter alternativer und traditioneller Medizin oder auch Ernährungsberater. Immer mehr
Kunden verlangen nach Produkten, die ihnen helfen, sich gesunder zu fühlen.
Die Einstellung der Menschen gegenüber dem Universum und der Religion Schließlich
bleibt festzustellen, dass die Menschen sehr unterschiedliche Ansichten über den Ursprung
der Welt und ihre Rolle darin haben. Religionsausübung ist in vielen Teilen der Welt ein
wichtiger Bestandteil des Lebens geblieben. In den Vereinigten Staaten und in Westeuropa
wurde jedoch der Anteil der regelmäßigen Kirchgänger Jahr für Jahr immer kleiner. Wenn die
Menschen ihre religiöse Orientierung verlieren, suchen sie Güter und Erfahrungen, die ihnen
ein schnelleres Glücksgefühl in Aussicht stellen. Während der 90er-Jahre wurde der Erfolg
zunehmend anhand beruflicher Karriere, Wohlstand und Besitz gemessen.
Einige Zukunftsforscher sagten jedoch voraus, dass das Interesse an der Religion wieder
zunehmen würde als Teil einer Suche nach einer inneren Zweckbestimmung und einem
neuen Sinn des Lebens. Zum Jahrtausendwechsel hin, so glaubten sie, würde sich eine Umo-
rientierung ergeben, weg vom Materialismus und einer „Hai frisst Hai“-Mentalität, hin zu
mehr langfristig gültigen Werten und einer konsequenteren Unterscheidung dessen, was gut
oder schlecht ist. Einige Experten stellen fest, dass dieser Trend eine neue Spiritualität
widerspiegelt, die die Konsumenten in allem beeinflusst, von der Fernsehshow, die sie sich
ansehen, über die Bücher, die sie lesen, zu den Produkten und Dienstleistungen, die sie kau-

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

fen. Weil die Konsumenten ihren Glauben und ihre Werte nicht vor der Tür lassen, so sagt
ein amerikanischer Experte, beziehen sie ihr Bewusstsein bei der Entscheidung über die
Marke, die sie kaufen, mit ein. Diese Erkenntnis stellt für einige Unternehmen eine einzigar-
tige Marketingchance dar.
Auf vielen Märkten jedoch wird von diesem Wertewandel nicht viel zu spüren sein. Indien,
China und Südostasien sind Gesellschaften, in denen wirtschaftlicher Erfolg und materieller
Besitz einfach die Maßstäbe des gesellschaftlichen Wertesystems sind. Solche Wertvorstel-
lungen gelten auch in den Schwellenländern Europas wie zum Beispiel in der Türkei sowie
in einigen Staaten Lateinamerikas.

3.4 Interaktion mit dem Marketingumfeld


Viele Unternehmen sehen in ihrem Marketingumfeld eine nicht steuerbare, unbeeinflussbare
Größe, die sie hinnehmen und an die sie sich anpassen müssen. Sie nehmen das Marketin-
gumfeld als gegeben hin und versuchen gar nicht erst, es zu ändern. Sie analysieren die
Kräfte aus dem Umfeld und entwickeln Strategien, die es dem Unternehmen ermöglichen
sollen, die Bedrohungen zu überstehen und die Gelegenheiten zu nutzen, die es bietet.
Andere Unternehmen versuchen in gewisser Weise, auf das Umfeld einzuwirken. Sie beob-
achten und reagieren nicht nur, sie ergreifen die Initiative, um die Öffentlichkeit und die
Kräfte in ihrem Umfeld in ihrem Sinn zu beeinflussen. Derartige Unternehmen heuern Lob-
byisten an, um die Gesetzgebung, die ihre Branche und ihre Aktivitäten berührt, mitzugestal-
ten. Sie organisieren große publikumswirksame Auftritte in den Medien, um eine vorteil-
hafte Berichterstattung in Gang zu bringen. Sie schalten Anzeigen und Werbespots, die
redaktionellen Beiträgen täuschend ähnlich sehen, um die öffentliche Meinung zu formen.
Sie führen Gerichtsverfahren und reichen Beschwerden bei Aufsichts- und Kontrollinstituti-
onen wie zum Beispiel beim Bundeskartellamt ein, um Konkurrenten einzuschüchtern. Sie
versuchen, ihre Vertriebspartner durch sehr eng ausgelegte Verträge zu binden, um auf diese
Weise ihre Vertriebskanäle besser kontrollieren zu können.
Auch ein aktives Marketing kann und darf jedoch nicht in jedem Fall auf das Marketingum-
feld einwirken. Häufig muss es sich damit zufriedengeben, einfach zu beobachten und in
geeigneter Weise zu reagieren. Zum Beispiel hätte ein Unternehmen sicherlich große Schwie-
rigkeiten, Bevölkerungsentwicklungen zu beeinflussen. Das Gleiche gilt für das wirtschaftli-
che Umfeld oder grundlegende Werte und Einstellungen, die ihre Verankerung in der Kultur
einer Nation haben. Doch wann immer es möglich ist, werden clevere Marketing-Manager
proaktiv handeln und die Dinge selbst in die Hand nehmen, anstatt dem Marketingumfeld
nur reaktiv zu begegnen.
Die modernen, stärkeren Verbraucher nutzen die neuen digitalen Medien, um ihre Markener-
fahrungen mit Unternehmen und untereinander zu teilen. Das Internet und die sozialen
Medien haben das traditionelle Machtverhältnis zwischen Wirtschaft und Verbrauchern auf
den Kopf gestellt. All diese Veränderungen nutzen sowohl den Unternehmen als auch den
Kunden. Manchmal jedoch kann der Dialog unangenehm werden. Ein junges, kreatives Team
der Ford-Werbeabteilung in Indien brachte eine Printwerbung für den Ford Figo heraus und
veröffentlichte sie ohne Genehmigung im Internet.1 Die Werbung zeigt drei Frauen – gefes-

1 Brent Snavely, „Ford marketing chief apologizes for ads“, USA Today, 27. März 2013; David Angelo,
„CMOs, agencies: it’s time to live your brands“, Advertising Age, 2. Oktober 2013, http://adage.com/
print/244524 und www.youtube.com/watch?v=C5uIH0VTg_o, Zugriff: September 2014.

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3.4 Interaktion mit dem Marketingumfeld

selt, geknebelt und spärlich bekleidet – im Kofferraum eines Figo, an dessen Steuer eine
Karikatur des grinsenden Silvio Berlusconi sitzt (Italiens skandalumwitterter ehemaliger Pre-
mierminister). Der Slogan der Anzeige: „Mit dem extra großen Kofferraum des neuen Figo
lassen Sie Ihre Sorgen hinter sich.“ Ford zog die Werbung rasch zurück, doch sie war bereits
viral gegangen. In wenigen Tagen hatten Millionen von Menschen weltweit die Anzeige gese-
hen, es gab einen Aufschrei der Entrüstung über die Geschmacklosigkeit und Ford wurde
öffentlich abgestraft.
Doch wie können Unternehmen auf Online-Angriffe reagieren? Wird eine Firma zur Ziel-
scheibe, besteht das eigentliche Dilemma in dem Balanceakt, wie weit man für den Schutz
des eigenen Images gehen kann, ohne noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. In einem Punkt
scheinen sich alle Experten einig zu sein: Üben Sie keine Vergeltung. „Es ist selten eine gute
Idee, einen Brand zu bombardieren“, meint ein Analyst. Als Reaktion auf das Werbefiasko
für den Figo veröffentlichte Fords Werbechef eine Entschuldigung und stellte klar, dass Ford
die Anzeige nicht genehmigt hatte und man das Prüfverfahren für Kampagnen mittlerweile
angepasst habe. Die verantwortlichen Mitarbeiter von Fords Werbeagentur wurden fristlos
entlassen. Durch Überwachung und proaktive Reaktion auf scheinbar nicht zu steuernde
Ereignisse in ihrem Umfeld können Unternehmen verhindern, dass eine Negativspirale ein-
setzt und außer Kontrolle gerät – oder sie sogar in etwas Positives umkehren.

Z US A M M EN FA SSU N G

Um neue Geschäftsmöglichkeiten zu entdecken und Bedrohungen abzuwehren, muss


ein Unternehmen das eigene Marketingumfeld ständig beobachten und sich ihm anpas-
sen. Dieses Marketingumfeld besteht aus allen Akteuren und Kräften, die die Fähigkeit
des Unternehmens beeinflussen, effiziente Geschäftsbeziehungen mit den Zielkunden
einzugehen.

Für das Umfeld des Unternehmens bietet sich eine Unterteilung in das Mikro-Umfeld
und das Makro-Umfeld an. Diese Einteilung der Bestimmungsgrößen erfolgt in Analogie
zu der in den Wirtschaftswissenschaften verwendeten Einteilung in Mikroökonomie
und Makroökonomie.
Das Mikro-Umfeld umfasst Akteure, die in unmittelbarer Beziehung zum Unternehmen
stehen und gemeinsam das Wertschöpfungsnetzwerk des Unternehmens bilden. Dazu
zählen sechs Größen:
Das interne Umfeld des Unternehmens beinhaltet die innere Organisationsstruktur mit
ihren Abteilungen und Hierarchiestufen, die die Entscheidungen des Marketings beein-
flussen.
Die Lieferanten und Marketingmittler wie die Zulieferer, die Handelspartner, freien
Handelsvertreter, Speditionen und Logistikpartner, Finanzintermediäre wie Absatzfi-
nanzierungs- und Leasingunternehmen, Werbeagenturen usw. kooperieren miteinander,
um Kundenwert zu schaffen.
Die Märkte, auf denen das Unternehmen agiert, definieren gleichzeitig die entsprechen-
den Kunden – Endverbrauchermärkte, Industriegütermärkte, Handelsmärkte, Märkte
öffentlicher Institutionen, staatliche Nachfragemärkte und internationale Märkte.

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3 Die Analyse des Marketingumfelds

Die Konkurrenten fordern das Unternehmen bei der Befriedigung von Kundenbedürfnis-
sen und bei der Gewinnung von deren Gunst heraus.
Verschiedene Teilbereiche der Öffentlichkeit haben ein aktuelles oder potenzielles Inter-
esse sowie einen Einfluss auf die Zielerreichung des Unternehmens. Hierzu gehören
insbesondere Finanzinstitutionen, die Medien, der Staat, Bürgerinitiativen, lokale Inter-
essengruppen sowie die allgemeine und die unternehmensinterne Öffentlichkeit.
Das Makro-Umfeld des Unternehmens besteht aus den Kräften, die einerseits Chancen
für die Unternehmenstätigkeit schaffen, andererseits aber auch das Unternehmen bedro-
hen und in seiner Existenz gefährden können. Hierzu gehören Entwicklungen, die in der
Bevölkerungsdynamik, in der Wirtschaft, in der Natur, in der Technik sowie in Politik
und Kultur begründet sind.
Das demografische Umfeld zeigt in vielen Ländern Europas, Amerikas und Asiens eine
enorme Dynamik in Form sich ändernder Wachstumsraten, Altersstrukturen, Familien-
formen und Ausbildungsniveaus und übt damit einen starken Einfluss auf das Marke-
ting aus.
Das wirtschaftliche Umfeld wirkt sich mit sich änderndem Realeinkommen und verän-
dertem Kaufverhalten auf das Marketing aus. Konsumenten streben verstärkt eine geeig-
nete Kombination aus Produktqualität und gutem Service zum fairen Preis an.
Im Hinblick auf die Umwelt liegen die wichtigsten Veränderungen in der Knappheit bei
bestimmten Rohstoffen, steigenden Energiekosten, zunehmender Verschmutzung der
Umwelt, sich ausweitenden staatlichen Regulierungen bei Rohstoff-/Abfallkreisläufen
und in einem grundsätzlich steigenden Interesse der Bevölkerung an diesen Themen.
Das technologische Umfeld ist durch einen rapiden technischen Fortschritt, tendenziell
steigende Kosten für Forschung und Entwicklung, eine Konzentration auf kleinere Inno-
vationsschritte anstelle großer technologischer Neuerungen und zunehmend durch
regulierende Eingriffe des Staats gekennzeichnet.
Auch im Rahmen des politischen Umfelds ist eine Zunahme der Gesetzgebungsaktivitä-
ten zu beobachten, die sich auf das Marketing und die Unternehmenstätigkeit beziehen.
Öffentliche Interessengruppen (Gewerkschaften, Bürgerinitiativen) dürften weiterhin an
Bedeutung gewinnen und gleichermaßen Druck auf die Unternehmen und die Politik
ausüben. Ethik und gesamtgesellschaftlich verantwortliches Handeln werden zu Maß-
stäben, an denen die Unternehmen gemessen werden.
Dies leitet über zum kulturellen Umfeld des Marketings. Es sieht so aus, als ob wir lang-
fristig einen Umschwung zu einer „wir“-orientierten Gesellschaft erleben könnten, mit
weniger Loyalität gegenüber und innerhalb von Organisationen, mit zunehmender Wert-
schätzung für die heimatliche Region und eine intakte Natur und einer höheren Bedeu-
tung von eher konservativen Wertemustern.
Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden, um auf das Marketingumfeld ein-
zugehen. Es kann das Marketingumfeld als unbeeinflussbar und gegeben ansehen und
sich darauf einstellen, Bedrohungen auszuweichen und Chancen zu realisieren, oder es
kann versuchen, proaktiv an der Veränderung des Umfelds mitzuwirken.

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Zusammenfassung

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183
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Marktforschung

4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4


4.2 Festlegung des Informationsbedarfs . . . . . . . . . . . . . 191
4.3 Unternehmensinterne Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
4.4 Marketing Intelligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
4.5 Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
4.6 Analyse und internes Management von
Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
4.7 Verbreitung und Nutzung von
Marketinginformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
4.8 Marktforschung in kleinen und mittleren
Unternehmen und Non-Profit-Organisationen . . . 227 ÜBERBLICK
4.9 Internationale Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
4.10 Marktforschung und Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

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4 Marktforschung

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... die Bedeutung von Information für das Verständnis von Märkten und Kunden
erläutern.
 ... das Marketing-Informationssystem einschließlich seiner Teilbereiche definieren.
 ... die vier Schritte des Marktforschungsprozesses beschreiben.
 ... das Vorgehen von Unternehmen bei der Analyse und Nutzung von Marketinginfor-
mationen erläutern.
 ... die besondere Bedeutung der Ethik in der Marktforschung nachvollziehen.

4.1 Einführung
In diesem Kapitel erfahren wir, wie Marketingverantwortliche Einblicke in ihre Kunden und
Märkte gewinnen. Wir sehen uns an, wie Unternehmen die Informationen über die wichtigs-
ten Elemente des Markts zusammenstellen und managen: Kunden, Wettbewerber, Produkte
und Marketingprogramme. Um auf den modernen Märkten bestehen zu können, müssen
Unternehmen wissen, wie man aus Unmengen an Marketingdaten neue Customer Insights
generiert, die dann dazu führen, Kunden einen höheren Nutzen zu bieten.
Wir starten mit einer Fallstudie über die Generationen Y und Z und schauen uns an, wie
deren Einstellungen, Bedürfnisse und Motive ihr Konsumentenverhalten beeinflussen.

Einführende Fallstudie: Die Generationen Y und Z und ihr


Konsumverhalten

Marktforschung hilft Marketingverantwortlichen, wichtige Erkenntnisse über Kunden


zu gewinnen, Märkte und Marktentwicklungen zu verstehen und Trends vorherzuse-
hen. Wie verhalten sich Kunden heute? Bleibt dieses Verhalten konstant oder verändert
es sich mit der Zeit? Welchen Einfluss haben neue Technologien mittel- und langfristig
auf Kunden, Märkte und somit auch auf bestehende Geschäftsmodelle? Worin unter-
scheidet sich beispielsweise das Verhalten der „Generation X“ (zwischen 1965 und
1976 geboren) von der folgenden „Generation Y“ (zwischen 1980 und 1995 geboren)
und der jüngsten „Generation Z“ (nach 1995 geboren)?
Welche Bedürfnisse, Motive und Werte sind ähnlich, welche lassen sich unterscheiden,
und sollten Unternehmen deshalb ihre Geschäftsmodelle überdenken? Grundlegende
Unterschiede zwischen den Generationen zeigen sich im selbstverständlichen Umgang
mit dem Internet und der Bedeutung von Social Media für sie. Die überwiegende Mehr-
heit der Generation Y ist als „Digital Natives“ in einer digitalen Welt aufgewachsen. Die
Generation Z ist hier noch tiefer verwurzelt: 41 Prozent der Jugendlichen der Generation
Z verbringen täglich mehr als 3 Stunden an ihren unterschiedlichen internetfähigen
Devices und widmen sich dabei Inhalten, die nicht im Zusammenhang mit ihrer Ausbil-
dung oder Arbeit stehen.

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4.1 Einführung

Es handelt sich damit bei Generation Y und Z um Generationen, die den Umgang mit
neuen Technologien gewohnt sind und intuitiv mit dem Smartphone über soziale Netz-
werke kommunizieren. Daraus ergeben sich wiederum Bedürfnisse und Motive, die sich
auch im Konsumentenverhalten widerspiegeln.
Der Besitz eines (ersten) eigenen Autos spielt im Leben vieler junger Menschen – insbe-
sondere in Großstädten – heute eine deutlich geringere Rolle als noch vor einigen Jah-
ren. Wichtiger als der Besitz eines Fahrzeugs ist verfügbare Mobilität. Die Generationen
Y und Z haben auch andere Ausdruckmöglichkeiten ihrer eigenen Persönlichkeit und
andere individuelle Mobilitätsansprüche als die Generation X. So wird das Auto heute
häufig als Gebrauchsgegenstand statt als Statussymbol gesehen. Der Besitz eines eigenen
Autos ist schlichtweg nicht mehr notwendig, um in Großstädten von A nach B zu kom-
men, da es zahlreiche Alternativen gibt.
Der eigene Status wird heute eher über das Smartphone und das soziale Netzwerk als
über das eigene Auto definiert. So zeigt eine Umfrage des Hightech-Verbands BITKOM,
dass 97 Prozent der jungen Menschen im Alter von 14 bis 29 nicht mehr ohne Smart-
phone leben wollen. Der Verzicht auf ein eigenes Auto wäre dagegen nur noch für 64
Prozent der Befragten unvorstellbar. Der Zugang zu einem Auto ist für diese Generation
zwar wichtig, das Smartphone aber eben noch wichtiger, denn sie kommt besser ohne
Auto als ohne Mobiltelefon und Internetzugang zurecht. Das Smartphone selbst wird
dann Teil der Mobilitätslösung, weil damit die jeweils optimalen Dienste wie Carsha-
ring, Taxi-, Bahn-, Bus- oder Fahrradfahrten sowie Mitfahrgelegenheiten zu einem indi-
viduellen Mobilitäts-Mix organisiert werden können. Experten sind sich sicher, dass
durch die intelligente Verknüpfung von Mobilitätsangeboten die Nachfrage und Nut-
zung von Shared-Mobility-Angeboten – zumindest in den Großstädten – auch weiterhin
weltweit stark zunehmen wird.
Einige Automobilhersteller bieten deshalb schon sogenannte „Pay-as-you-go“-Modelle
(PAYG), um den Veränderungen im Konsumentenverhalten gerecht zu werden. Zum
Beispiel hat Carsharing großes Potenzial, da sich bereits jeder zweite Autofahrer vorstel-
len kann, solche Angebote zu nutzen. Bei den unter 30-Jährigen sind es sogar zwei Drit-
tel. Auch das ergab eine repräsentative Umfrage von BITKOM. Carsharing ist ein exzel-
lentes Beispiel, wie neue Technologien innovative Geschäftsmodelle auch
branchenübergreifend ermöglichen.
Laut Bundesverband CarSharing e.V. (bcs) nutzen bereits mehr als 1,7 Millionen Bun-
desbürger (Stand: 2017) Carsharing. Täglich melden sich derzeit ca. 1.000 weitere Neu-
kunden bei einem der mehr als 150 Anbieter, wie car2go, DriveNow, Flinkster, cambio
oder stadtmobil, an.
PSA Peugeot Citroën geht mit „Mu by Peugeot“ (mu.peugeot.de) noch einen Schritt wei-
ter und bietet seinen Kunden auch Fahrräder, Scooter, Pkw, Nutzfahrzeuge, Wohnmo-
bile und Zubehör an. Peugeot entwickelte das Programm nach umfangreicher Marktfor-
schung mit Fokusgruppen. Durch diese konnte bestätigt werden, dass sich jüngere
Konsumenten oftmals nicht mehr durch ein eigenes Auto einschränken lassen wollen,
sondern bewusst die Wahlfreiheit aus einer Vielzahl von Mobilitätslösungen vorziehen.

187
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4 Marktforschung

Abbildung 4.1: Generationen Y und Z: das eigene Smartphone als Teil der Mobilitätslösung
(Quelle: Dmytro Zinkevych/Shutterstock.com)

Marktforschung führt häufig zu wichtigen neuen Erkenntnissen durch Customer und


Market Insights. Aufgrund der gewonnenen Marketinginformationen sollten Führungs-
kräfte die bestehenden Geschäftsmodelle kritisch hinterfragen. Worin liegen die mögli-
chen Chancen und Risiken in einem veränderten Verbraucherverhalten? Können Auto-
mobilhersteller Synergien zwischen zwei zunächst noch getrennten Märkten herstellen
oder wachsen diese zukünftig sogar zusammen? Wie ließen sich dadurch vielleicht neue
tragfähige Geschäftsmodelle entwickeln, die sich noch stärker an den Bedürfnissen
einer neuen Generation und dem veränderten Verbraucherverhalten orientieren?

Fragen
1. Für wen ist es wichtig, die Meinung der Bevölkerung zu mobilitätsrelevanten The-
men zu erfahren?
2. Besuchen Sie die Webseiten von Anbietern von Carsharing und Mobilitätskonzep-
ten. An welche Bedürfnisse knüpfen diese mit ihrem Angebot an? Wie positionie-
ren sie sich?
3. Glauben Sie, dass der Besitz eines eigenen Autos langfristig weniger bedeutsam
sein wird? Oder handelt es sich hierbei um einen vorübergehenden Trend?

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4.1 Einführung

Quellen:
Bitkom: Telematik & Navigation: Jeder zweite Autofahrer interessiert sich für Car-Sharing,
unter: http://www.bitkom.org/de/markt_statistik/64026_77561.aspx [30.03.2015];
Webseite des Bundesverbands CarSharing unter: https://carsharing.de/ [13.02.2018]
Prophet Germany GmbH: Für junge Konsumenten hat das Auto als Statussymbol ausgedient, unter:
https://www.prophet.com/about/news/542-fr-junge-konsumenten-hat-das-auto-als-statussymbo-
lausgedient-das-smartphone-wird-zur-mobilittslsung-der-generation-y [31.03.2015].
Hagen, L. (2015): Generation Z: Zwischen Weltretten und YOLO. Download unter: https://derstand-
ard.at/2000011849915/Zwischen-Welt-retten-und-YOLO [13.02.2018]
Studie von Sparks and Honey: Meet Generation Z: Forget everything you learned about millennials.
Download unter: https://de.slideshare.net/sparksandhoney/generation-z-final-june-17 [13.02.2018]
Hubmann, D. (2017): Die Generation Z duldet keine Schranken. Download unter: http://www.klein-
ezeitung.at/auto/jungemobilitaet/5308488/Vordenker_Die-Generation-Z-duldet-keine-Schranken
[13.02.2018]

Um Kundennutzen zu schaffen und enge Kundenbeziehungen aufzubauen, benötigen Marke-


tingverantwortliche aktuelle und aussagekräftige Marketinginformationen. Informationen an
sich sind jedoch weitgehend wertlos. Sie müssen verdichtet und ausgewertet werden, um zu
neuen Erkenntnissen über Märkte und Kunden zu gelangen, zu sogenannten Customer
Insights. Dies sind Einsichten in das Kundenverhalten sowie in Erwartungen und Bedürf-
nisse der Kunden. Das Generieren und Verwenden solcher Erkenntnisse unterstützt Unter-
nehmen dabei, ein tieferes Verständnis über Kunden und Märkte zu erlangen und darauf
Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Ein Marketing-Experte drückte es folgendermaßen aus: „Im
weltweiten Wettbewerb ist die Jagd nach Wettbewerbsvorteilen im Grunde genommen eine
Jagd nach Customer und Market Insights“.
Die hohe Relevanz von Marketinginformationen und Customer Insights lässt sich an Apples
weltweit erfolgreichem iPod verdeutlichen. Der iPod war nicht der erste MP3-Player am
Markt, aber Apple ging als erstes Unternehmen einen Schritt weiter. Apples Marktfor-
schungsabteilung erstellte ausführliche Insights darüber, wie Menschen zukünftig digitale
Musik konsumieren möchten. Es zeigte sich, dass sie zum einen ihre gesamten Musiktitel bei
sich führen möchten und zum anderen ein intuitiv bedienbares, schön gestaltetes Abspielge-
rät bevorzugen. Diese Erkenntnisse führten zu zwei wichtigen Zielen für die Entwicklung des
neuen MP3-Players. Der iPod sollte nicht größer als ein Kartenspiel sein, damit er auch in die
Hosentasche passt, und 1.000 Lieder speichern können. Durch diese Innovation und den
dazugehörigen iTunes-Store gelang es Apple, einen weltweiten Blockbuster auf den Markt zu
bringen und die Musikbranche zu revolutionieren. Apple erreichte im US-Markt der portab-
len Musik-Player später einen Marktanteil von über 75 Prozent. Anschließend folgten wei-
tere Erfolgsprodukte wie das iPhone und das iPad.
Customer und Market Insights sind eine wichtige Grundlage, um Kundennutzen zu schaffen
und Kundenbeziehungen aufzubauen. Allerdings ist es häufig nicht ganz einfach, die not-
wendigen Informationen zu beschaffen. Kundenbedürfnisse und Kaufmotive sind oftmals
alles andere als offensichtlich. Die Konsumenten selbst sind in der Regel nicht in der Lage,
ihre Bedürfnisse und Motive klar zu formulieren.

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4 Marktforschung

Um zielführende Customer Insights zu erhalten, müssen Marketingverantwortliche relevante


Informationen aus einer Vielzahl von Quellen generieren und effektiv verwalten können.
Heute ist der Zugang zu Informationen relativ einfach. So können Unternehmen durch die
sich rasant entwickelnde Informationstechnologie große Mengen an Informationen generie-
ren. Auch Konsumenten produzieren im Zeitalter von Social Media unzählige Marketingin-
formationen, sogenannte „bottom-up“-Informationen, die sich Unternehmen zunutze machen
können.
Tatsächlich haben die zur Verfügung stehenden Informationsmedien und -mengen in den
letzten Jahren beträchtlich zugenommen. So können Verbraucher heute in vielfältiger Weise
mit Unternehmen in Kontakt treten. Es begann zunächst postalisch, dann kamen Callcenter
dazu, gefolgt von E-Mail, Text- bzw. Instant-Messaging und später Blogging sowie sozialen
Netzwerken.
Dies hat zu einer regelrechten Flut von Daten und Informationen geführt, die Personen unter-
einander – aber auch mit Unternehmen – austauschen. Unternehmen, die in der Lage sind,
die für sie relevanten und freiwillig zur Verfügung gestellten Informationen sinnvoll zu nut-
zen, können frühzeitig sehr umfangreiche Customer Insights zu vergleichsweise geringen
Kosten erlangen.
Auf der anderen Seite hat die Datenflut auch dazu geführt, dass viele der heutigen Marke-
ting-Manager zu viele Informationen erhalten, die sie oftmals nicht mehr auf sinnvolle Weise
verarbeiten können. Das ganze Problem kann unter dem Begriff Big Data zusammengefasst
werden. Dieser Ausdruck bezieht sich auf die gewaltigen und komplexen Datenmengen, die
aus der modernen und hoch entwickelten Erzeugung, Sammlung, Speicherung und Analyse
von Informationen entstehen. Tagtäglich erzeugen die Menschen und Systeme weltweit eine
unfassbare Masse an Trillionen von Bytes neuer Daten – das sind Billionen von Gigabytes an
Informationen pro Jahr. Damit könnte man die Speicher von 2,47 Billionen guten alten CD-
ROMs füllen. Aufeinandergestapelt würden sie vier Mal die Strecke bis zum Mond und wie-
der zurück erreichen. Würde man jedes Wort, das jeder lebende Mensch jemals ausgespro-
chen hat, aufschreiben und digitalisieren, würde dies verglichen mit der heutigen täglichen
Datenerzeugungsquote gerade einmal zwei Tagen entsprechen.1 Big Data stellt für Marketing-
Manager Chancen, aber auch Herausforderungen dar. Wenn Unternehmen diese Flut an Big
Data effektiv kanalisieren, können sie wertvolle und frühzeitige Customer Insights gewinnen.
Der Zugang und die Auswertung solcher Datenmengen ist jedoch eine gewaltige Aufgabe.
Wenn ein Unternehmen wie Pepsi Onlinediskussionen zu seinen Marken in Tweets, Blogs
und anderen Quellen mittels der Suche nach bestimmten Schlüsselbegriffen überwacht, so
hat es nicht weniger als sechs Millionen öffentliche Konversationen pro Tag auszuwerten
und mehr als 2 Billionen im Jahr.
Trotz dieser Datenfülle beklagen Marketingverantwortliche immer wieder, dass ihnen die
richtigen Informationen fehlen. Sie brauchen daher nicht mehr Informationen, sie brauchen
bessere. Außerdem geht es darum, die bereits vorhandenen Informationen besser nutzen zu
können. Das erfordert in vielen Unternehmen eine Umstrukturierung der Marktforschung
und Informationsverteilung. Sogenannte „Customer Insights Teams“ sammeln bereits in vie-
len Unternehmen Kunden- und Marktinformationen aus einer Vielzahl von Quellen. Dabei
werden traditionelle Marktforschungsstudien und beobachtbares Verbraucherverhalten mit

1 Yuyu Chen, „Marketers still struggle to harness power of big data“, ClickZ, 12. November 2013,
www.clickz.com/clickz/news/2303229 /marketers-still-struggleto-harness-power-of-big-data-study.

190
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4.2 Festlegung des Informationsbedarfs

den Daten der Onlinekommunikation über das Unternehmen, die Produkte und Marken
zusammengeführt. Hieraus werden Customer Insights abgeleitet.
Unternehmen benötigen somit ein effektives Marketing-Informationssystem, das den Füh-
rungskräften die richtigen Informationen in der richtigen Form und zur richtigen Zeit zur
Verfügung stellt, um Kundennutzen und eine engere Kundenbeziehung zu schaffen.

Das Marketing-Informationssystem (MIS)


Von einem Marketing-Informationssystem spricht man, wenn eine unternehmensinterne
Struktur für die Entscheidungsträger im Marketing zeitgerecht und ausreichend genau Infor-
mationen sammelt, sortiert, zuordnet, analysiert, aufbereitet und auswertet und wenn Mitar-
beiter und informationstechnische Ausrüstung für diese Aufgaben bereitstehen, die aufgrund
genauer Vorgaben und Arbeitsanweisungen ständig und ausschließlich dem Marketing zuar-
beiten.
In Abbildung 4.2 ist ein solches Marketing-Informationssystem abgebildet. Ausgangspunkt
und Ziel sind die Nutzer der Marketinginformationen. Zunächst muss der Informationsbe-
darf der Beteiligten festgelegt werden. In einem zweiten Schritt wird festgestellt, wie die
benötigten Informationen aus unternehmensinternen Datenbanken, aus den täglichen Rück-
meldungen von den Märkten und aus der mittel- und langfristigen Marktforschung gewon-
nen werden können. Anschließend unterstützt das Marketing-Informationssystem die Nutzer
bei der Analyse und Verwendung dieser Informationen, um Customer Insights zu entwi-
ckeln, Marketingentscheidungen zu treffen und Kundenbeziehungen im Rahmen des Custo-
mer Relationship Management (CRM) zu gestalten.

Marketingverantwortliche und andere Nutzer von Informationen


Gewinnung von Customer und Market Insights durch Marketinginformationen

Marketinginformationssystem

Informationsbeschaffung und Aufbereitung

Festlegung Analyse
unternehmens- Marketing Markt-
des und Nutzung
interne Quellen Intelligence forschung
Informations- von
bedarfs Informationen

Das Umfeld des Marketing

Zielgruppen Vertriebswege Wettbewerber Öffentlichkeit makroökonomische


Kräfte

Abbildung 4.2: Das Marketing-Informationssystem

4.2 Festlegung des Informationsbedarfs


Das Marketing-Informationssystem liefert in erster Linie Informationen für die Verantwortli-
chen im Marketing, aber auch für externe Partner wie beispielsweise Lieferanten, Vertrieb-
spartner und Dienstleistungsagenturen. So verschafft die britische Supermarktkette Tesco
ihren wichtigsten Lieferanten Zugang zu Informationen über Kunden und deren Kaufverhal-
ten sowie Lagerbestände. Dell erstellt für Großkunden speziell angepasste Premium-Seiten

191
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4 Marktforschung

im Internet und ermöglicht so den Zugriff auf Produktdesigns, Lieferstatus und Service-Infor-
mationen. Vor diesem Hintergrund ist es bei der Konzeption eines Marketing-Informations-
systems wichtig, die Bedürfnisse aller Nutzer abzubilden.
Das Marketing-Informationssystem sollte das Umfeld des Marketings so überwachen, dass es
Entscheidungsträgern die Informationen liefern kann, die für wichtige Marketingentschei-
dungen benötigt werden. Ein bedarfsgerechtes Marketing-Informationssystem gleicht
zunächst die Informationen, die die Nutzer haben möchten, mit denen ab, die sie wirklich
brauchen und die beschaffbar sind. Sowohl zu viele als auch zu wenige Informationen kön-
nen im Entscheidungsprozess nachteilig sein. Einige Manager werden eine Vielzahl von
Informationen anfordern, ohne vorab zu überlegen, welche sie wirklich benötigen. Anderer-
seits gibt es Entscheidungsträger, die bewusst auf bestimmte Informationen verzichten wer-
den, weil sie meinen, diese schon zu haben. Oder sie erfragen bestimmte Informationen gar
nicht, obwohl diese für sie notwendig wären. Beispielsweise sollten Marketingverantwortli-
che über neue Produkte eines Wettbewerbers informiert sein, die dieser zukünftig einzufüh-
ren plant. Ebenso sollten Markenverantwortliche frühzeitig über positive und negative Stel-
lungnahmen von Konsumenten zu ihren Marken in sozialen Netzwerken Bescheid wissen.
Ahnen sie jedoch von solchen Vorgängen nichts, werden sie die entsprechenden Informatio-
nen auch nicht anfordern.
Gelegentlich kommt es vor, dass man die benötigten Informationen nicht bereitstellen kann,
weil sie entweder nicht erhältlich sind oder weil es auch bei einem Marketing-Informations-
system Grenzen gibt. Ein Produktmanager möchte beispielsweise wissen, wie ein Wettbewer-
ber das Werbebudget im nächsten Jahr aufteilt und wie sich diese Veränderung auf die Markt-
anteile in der Branche auswirkt. Die Informationen über das geplante Budget stehen
vermutlich nicht zur Verfügung. In diesem Fall ist nicht davon auszugehen, dass ein Marke-
ting-Informationssystem in der Lage ist, Prognosen zu Veränderungen bei den Marktanteilen
zu erstellen.
Die Kosten der Beschaffung, Verarbeitung, Speicherung und Bereitstellung von Informatio-
nen können sehr hoch sein. Man muss deshalb immer wieder abwägen, ob der Nutzen
zusätzlicher Informationen die Kosten für deren Bereitstellung wert ist. Nutzen und Kosten
sind häufig jedoch nur schwer zu bewerten. Informationen haben keinen Wert an sich, einen
Nutzen generieren sie erst, wenn man sie in einem Entscheidungsprozess anwendet. In vie-
len Fällen tragen zusätzliche Informationen nur wenig zu einer Veränderung oder Verbesse-
rung einer Entscheidung bei oder die Kosten der Informationen übersteigen die durch eine
bessere Entscheidung erzielten Mehreinnahmen. Marketing-Manager können nicht davon
ausgehen, dass es immer richtig ist, zusätzliche Informationen zu beschaffen. Vielmehr soll-
ten sie sorgfältig deren Kosten und Nutzen gegenüberstellen.
Grundsätzlich kann man die zur Erlangung von Customer Insights benötigten Informationen
aus unternehmensinternen Quellen, der Marketing Intelligence oder der Marktforschung
beziehen.

4.3 Unternehmensinterne Quellen


Die meisten Marketingverantwortlichen nutzen unternehmensinterne Quellen regelmäßig,
insbesondere jedoch, wenn es sich um Entscheidungen der täglichen Planung, der Durchfüh-
rung von Marketingprogrammen oder Kontrollen handelt. Unternehmensinterne Aufzeich-
nungen umfassen Informationen, die aus internen Quellen zusammengetragen werden, um

192
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4.4 Marketing Intelligence

die Marketingleistung zu bewerten oder um Chancen und Möglichkeiten für das Marketing
aufzuspüren. Interne Informationen können einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil ver-
schaffen, da sie oft einen riesigen, weitgehend ungenutzten Vermögenswert darstellen, der
dem Wettbewerb nicht zur Verfügung steht. So sitzen Unternehmen oftmals auf einem regel-
rechten „Schatz“ von ungenutztem Potenzial ihrer eigenen Kundendatenbank, der eigentlich
nur noch gehoben werden muss.
Relevante Informationen können aus verschiedenen Quellen stammen. Die Marketingabtei-
lung liefert Informationen über die Kundenstruktur und -zusammensetzung, das Käuferver-
halten und die Erkenntnisse aus Onlineanalysen. Das Rechnungswesen verfügt über Finanz-
berichte und hat genaue Aufzeichnungen der Umsätze, der Bestellungen, der Kosten und des
Cashflows. Die Produktion berichtet über die Fertigungsplanung, Auslieferungen und Lager-
bestände. Der Außendienst informiert über die Stimmung im Handel und über die Aktivitä-
ten der Konkurrenz. Der Kundendienst liefert Informationen über die Zufriedenheit oder
Unzufriedenheit der Kunden und über auftretende Probleme. Häufig sind auch Studien, die
von einer Abteilung in Auftrag gegeben wurden, für weitere Abteilungen von Interesse. Die
intelligente Nutzung vorhandener unternehmensinterner Quellen kann somit als Grundlage
für aussagekräftige Customer Insights und zur Identifikation von Wettbewerbsvorteilen die-
nen.
Die Informationen aus der unternehmensinternen Berichterstattung sind in der Regel schnel-
ler und günstiger zu erhalten als solche aus externen Quellen. Aber sie bringen unter
Umständen auch Probleme mit sich. Möglicherweise hatte ein interner Bericht eine andere
Zielsetzung und ist für Zwecke des Marketings nicht geeignet. Eine reine Gegenüberstellung
von Erlösen und Produktionskosten der Kostenrechnung sagt zum Beispiel nichts über Mar-
ketingfragen wie die Akzeptanz eines neuen Produkts, die Leistungsfähigkeit des Außen-
dienstes oder das Funktionieren einer bestimmten Handelsschiene aus. Hinzu kommt, dass
die vielen Bereiche eines Unternehmens große Mengen von Informationen bereitstellen. Dies
alles zu überschauen, ist schwierig und zeitraubend. Daher muss das Marketing-Informati-
onssystem die Informationen aufbereiten, ordnen und klassifizieren. Nur so können sie
leicht und schnell in die anstehenden Marketingentscheidungen einfließen.

4.4 Marketing Intelligence


Marketing Intelligence beschreibt die systematische Sammlung und Auswertung öffentlich
zugänglicher Informationen über Kunden, Wettbewerber und Marktentwicklungen. Ziel der
Marketing Intelligence ist es, die strategische Entscheidungsfindung durch ein umfassen-
deres Kundenverständnis zu verbessern, Handlungen von Wettbewerbern zu verfolgen und
zu bewerten und frühzeitig Hinweise auf Chancen und Risiken zu geben. Während die
Marktforschung insbesondere fokussierte Studien zur Gewinnung von Customer Insights zu
einer spezifischen Marketingentscheidung beinhaltet, geht es bei der Marketing Intelligence
vor allen Dingen darum, das allgemeine Marketingumfeld zu überwachen.
Marketing Intelligence hat sich in den letzten Jahren stark verbreitet. Immer mehr Unterneh-
men überwachen intensiv ihre Märkte und versuchen, umfangreiche Informationen über ihre
Wettbewerber zu gewinnen (Competitor Intelligence). Es kommen beispielsweise Methoden
wie das Web- und Social-Media-Monitoring, die Beobachtung des Käuferverhaltens, die
Befragung eigener Mitarbeiter, das Benchmarking von Wettbewerbsprodukten über Internet-
Recherchen oder auch die Messebeobachtung zum Einsatz. Marketing Intelligence kann Mar-
ketingverantwortlichen Einblicke darüber verschaffen, wie sich Verbraucher über ihre Mar-

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4 Marktforschung

ken austauschen und verbunden fühlen. Einige Unternehmen setzen dazu eigene Marktfor-
schungsmitarbeiter ein, um vor Ort zu untersuchen, wie Kunden über ihre Produkte denken,
sprechen und diese anwenden. Außerdem werden regelmäßig der Service und die Anwen-
dungen externer Dienstleister, wie beispielsweise Brandwatch, Meltwater Group oder Niel-
sen, in Anspruch genommen.
In sozialen Netzwerken führen Nutzer Gespräche, vertreten ihre Meinungen und formulieren
ihre Bedürfnisse, Wünsche, Einstellungen, Wahrnehmungen, Ideen und Beschwerden. Täg-
lich tauschen sich Millionen von Teilnehmern durch ihre Beiträge anhand von Posts, Tweets,
Videos, Bildern und Kommentaren aus. Marketing-Manager stehen vor der schwierigen Auf-
gabe, aus all diesen Daten die wirklich relevanten Informationen über ihre Zielgruppe, das
eigene Unternehmen, die Marken, Produkte und Dienstleistungen oder auch den Wettbewerb
herauszufiltern. Professionelle Social Media Software unterstützt sie dabei, den Nutzern
zuzuhören, Daten zu analysieren und selbst aktiv zu werden. So lassen sich zum einen
Umfang und Frequenz von Beiträgen und das vorherrschende Stimmungsbild abbilden, Mei-
nungsführer identifizieren, Beziehungsergebnisse messen und frühzeitig wichtige Vorgänge
erkennen und analysieren. Zum anderen haben Marketing-Manager die Chance, durch eigene
Aktivitäten und werthaltige Kundeninteraktion das Kundenverhalten verstehen zu lernen,
das Kundenengagement zu stimulieren und die Interaktion entsprechend zu moderieren, um
im kontinuierlichen Austausch zu bleiben.
Ein großer Teil der Informationen sollte auch von Personen innerhalb des Unternehmens
gesammelt werden, vor allem von jenen mit direktem Kundenkontakt. Dabei ist zentral, dass
die Mitarbeiter wichtige Informationen erkennen und intern zur Verfügung stellen. Das
Unternehmen selbst muss jedem Mitarbeiter klarmachen, wie wichtig er als Informationsbe-
schaffer ist, und darauf drängen, dass diese Informationen auch bereitgestellt werden.
Ferner kann man wichtige Informationen von Lieferanten, Vertriebspartnern und Großkun-
den beziehen. Auch die Überwachung von Wettbewerbern und deren veröffentlichten Infor-
mationen führt zu wichtigen Erkenntnissen. Unternehmen können Konkurrenzprodukte kau-
fen und analysieren, sie können Absatzentwicklungen verfolgen, neue Patente recherchieren
und sonstige Arten von physisch erkennbaren Hinweisen betrachten. Ein Unternehmen über-
prüft beispielsweise regelmäßig die Parkplätze der Wettbewerber – viele Autos lassen auf
eine größere Anzahl an Aufträgen und Wohlstand schließen, wenige hingegen könnten auf
harte Zeiten innerhalb der Firma hinweisen.
Häufig legen Wettbewerber Informationen im Rahmen von Jahresberichten (bundesanzei-
ger.de), Messen, Pressemitteilungen, Werbung und Internetseiten offen. Darüber hinaus plat-
zieren die meisten Unternehmen heutzutage eine Vielzahl an detaillierten Informationen auf
ihren Internetseiten, um Kunden, Partner, Lieferanten, Investoren oder Franchisenehmer
anzuziehen. Man kann eine Fülle von nützlichen Informationen finden, wie beispielsweise
über die Strategien von Wettbewerbern, Märkte, neue Produkte und sonstige Aktivitäten.
Außerdem ist es oftmals sehr aufschlussreich, wie sich Konsumenten in sozialen Netzwerken
über konkurrierende Marken austauschen. Deshalb sollte sich das Social-Media-Monitoring
nicht nur auf die unternehmenseigenen Marken beschränken.
Selbst eine einfache Jobausschreibung eines Konkurrenten kann sehr aufschlussreich sein.
Als der Microsoft-Gründer Bill Gates vor einigen Jahren die Unternehmenswebsite von Goo-
gle durchsuchte, fand er zufällig auf einer Seite mit Stellenangeboten die Beschreibungen
aller verfügbaren Jobs. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass Google auf der Suche nach
Ingenieuren war, deren Kompetenzen nichts mit Suchmaschinen, dafür aber mit dem Kern-
geschäft von Microsoft zu tun hatten. Mit der Vorwarnung, dass Google eine Geschäftsaus-

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4.4 Marketing Intelligence

weitung über Suchmaschinen hinaus vorbereiten könnte, verschickte Bill Gates einige
E-Mails an Microsoft-Führungskräfte, um mitzuteilen, dass man Google „im Auge behalten
müsse“ und „es danach aussieht, dass sie etwas aufbauen, um mit Microsoft zu konkurrie-
ren“. Ein Marketing-Intelligence-Berater merkt an, dass Unternehmen „häufig überrascht
sind, wenn sie feststellen, wie viel es da draußen zu erfahren gibt. Sie sind zu sehr mit ihren
täglichen Aktivitäten beschäftigt, dass sie nicht erkennen, wie viele Informationen man mit
nur wenigen strategischen Tastatureingaben erlangen kann.“
Informationssuchende haben die Möglichkeit, in einer Vielzahl von Onlinedatenbanken zu
recherchieren. Auch über die Onlineauftritte von Wirtschaftszeitungen lassen sich aktuelle
Wirtschaftsinformationen beziehen. Einige davon sind kostenlos, andere erheben mittler-
weile eine Gebühr oder erfordern ein Abonnement: Wall Street Journal (wsj.com), Financial
Times (ft.com), The Times (timesonline.co.uk), Handelsblatt (handelsblatt.com) etc. Darüber
hinaus bieten Börsenberichte wichtige Informationen. Das Deutsche Patent- und Markenamt
(dpma.de) ermöglicht Onlinerecherchen zu Patenten, Gebrauchsmustern, Marken und
Designs von Wettbewerbern. Gegen eine Gebühr können Unternehmen eine von mehr als
3.000 Onlinedatenbanken und Informationssuchdienste abonnieren, wie z. B. Kompass, Hoo-
ver’s, LexisNexis, Creditreform oder Bürgel.
Doch die Informationssuche geht in beide Richtungen. Da Wettbewerbsinformationen zuneh-
mend systematisch gesammelt werden, ergreifen die meisten Unternehmen heutzutage Maß-
nahmen, um ihre eigenen Informationen vor dem Ausspionieren durch die Konkurrenz zu
schützen.
Apple beispielsweise ist besessen von Geheimniskrämerei und gibt dieses Bestreben an seine
Mitarbeiter weiter. „Bei Apple ist alles vertraulich“, sagt ein Insider. „Apple hält bei seinen
neuen Geräten bis zum Verkaufsstart alles unter Verschluss.“ Werden Informationen über
neue Produkte vor der Markteinführung bekannt, gibt dies den Wettbewerbern Zeit, darauf
zu reagieren. Die Kundenerwartungen werden gesteigert, Marktmacht und Umsätze von
bestehenden Produkten können geschmälert werden. So werden die Mitarbeiter von Apple
in einer Art „Feind-hört-mit“-Mentalität geschult: Ein T-Shirt, das im firmeneigenen Geschäft
angeboten wird, trägt die Aufschrift: „I visited the Apple campus, but that’s all I’m allowed to
say“ (Ich war auf dem Apple-Campus, aber mehr darf ich darüber nicht sagen).2
In vielen Unternehmen mit hochtechnologischen Produktionsverfahren werden keine
Betriebsführungen mehr durchgeführt. Eingeschleuste Spezialisten von weltweiten Wettbe-
werbern könnten die letzten Geheimnisse des eigenen Produktionsverfahrens erkennen.
Der Schaden, der in Deutschland jährlich durch Wirtschaftsspionage entsteht, ist immens. So
warnte der Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) davor, dies zu unterschätzen und
verkündete: „Ich gehe davon aus, dass der Schaden, der deutschen Unternehmen durch Wirt-
schaftsspionage entsteht, mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr beträgt“.
Die zunehmende Anwendung von Marketing Intelligence wirft eine Reihe ethischer Fragen
auf. Obwohl die meisten Methoden legal sind und als Teil eines Konkurrenzkampfes angese-
hen werden können, sind manche auch moralisch fragwürdig. Selbstverständlich können
Unternehmen die Vorteile öffentlich verfügbarer Informationen wahrnehmen. Sie sollten
sich jedoch nicht herablassen, die Konkurrenz auszuspionieren. Aufgrund vieler öffentlich

2 Siehe Adam Lashinsky, „The secrets Apple keeps“, Fortune, 6. Februar 2012, S. 85–94 und Megan
Rose Dickey, „The most extreme examples of secrecy at Apple“, Business Insider, 22. Juli 2013,
www.businessinsider.com/the-most-extreme-examples-ofsecrecy-at-apple-2013–7.

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4 Marktforschung

zugänglicher Quellen sind Unternehmen nicht darauf angewiesen, das Gesetz und ethische
Grundsätze zu brechen, um sich Informationen zu beschaffen.
Europäische Unternehmen liegen bezüglich der Sammlung von Wettbewerbsinformationen
hinter ihrer japanischen und amerikanischen Konkurrenz zurück. In japanischen Unterneh-
men hat es eine lange Tradition, Informationen über die Konkurrenz zu beschaffen. Dies wird
deutlich durch das unternehmensweite Motto von Mitsui: „Informationen sind der Lebens-
nerv des Unternehmens.“
Bislang handeln viele europäische Unternehmen nach der Regel „Was du nicht willst, dass
man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ und bleiben dabei auf der moralischen Seite der
Beschaffungsmaßnahmen von Wettbewerbsinformationen. Doch das europäische Bild ist
heute nicht mehr einheitlich. Der Geschäftsführer eines britischen Wirtschaftsprüfungsunter-
nehmens nennt Frankreich und Italien neben den USA im Zusammenhang mit der Durch-
führung von Wirtschaftsspionage.
Eine Branchenspezialistin ist der Auffassung, dass es grundlegende Unterschiede zwischen
US-amerikanischen und europäischen Unternehmen gibt. Sprachliche und kulturelle Hür-
den hemmen eine grenzüberschreitende Informationsbeschaffung. Eine Annäherung an die
Mitarbeiter von Wettbewerbern ist eine spitzfindige Angelegenheit, da diese häufig auf der
Hut sind, sobald sie jemand aus einem anderen Land anspricht. Die Spezialistin berichtet
zudem, dass Europäer eine größere Loyalität ihrem Unternehmen gegenüber verspüren als
ihre amerikanischen Kollegen.

Sammlung und Aufbereitung von Wettbewerberinformationen


Einige Unternehmen haben eigens eine Stelle eingerichtet, die Informationen für die tägliche
Berichterstattung sammelt und in Umlauf bringt. Diese Mitarbeiter werten relevante Veröf-
fentlichungen aus, fassen wichtige Neuigkeiten zusammen und lassen Marketingverantwort-
lichen die wichtigsten Informationen in konzentrierter Form zukommen. Zudem legen sie
eine Datenbank mit relevanten Informationen an und helfen Führungskräften bei der Beurtei-
lung neuer Informationen. Diese Dienstleistung verbessert die Informationsbasis der Marke-
tingverantwortlichen erheblich.
Es gibt grundsätzlich vier Möglichkeiten, Informationen über Wettbewerber zu gewinnen.
Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen Informationen über Konkurrenten erhält
man zunächst von diesen selbst – aus Geschäftsberichten, Pressemitteilungen, Vorträgen und
aus der Werbung. Gelegentlich liest man etwas über die Wettbewerber in Fachzeitschriften
oder man hört etwas auf Messen und Kongressen. Das Internet stellt selbstverständlich eine
zentrale Quelle für wettbewerbsseitig veröffentlichte Informationen dar. Viele Unternehmen
stellen große Mengen an Informationen auf ihre Webseiten und offenbaren Details, um Kun-
den, Partner, Lieferanten oder Franchisenehmer anzusprechen. Genau diese Informationen
sind aber auch Wettbewerbern per Mausklick zugänglich. Gelegentlich finden sich auch
Pressemitteilungen über neue Produkte oder organisatorische Veränderungen auf der Web-
seite der Konkurrenz. Zudem können Stellenanzeigen im Internet Hinweise auf Expansions-
pläne von Wettbewerbern geben. Neben unternehmenseigenen Webseiten sind es aber auch
solche von Wirtschaftsverbänden, die wichtige Wettbewerberinformationen bereitstellen.
Informationen aus der Beobachtung und Analyse von Wettbewerbsprodukten Durch den
Kauf und die Untersuchung von Konkurrenzprodukten kann ein Unternehmen seine Wettbe-
werber noch besser kennenlernen und die eigenen Produkte anhand der besten Produktei-
genschaften der Wettbewerber optimieren.

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4.5 Marktforschung

Darüber hinaus kann man beim Patentamt regelmäßig überprüfen lassen, welche Patente die
wichtigsten Wettbewerber registrieren ließen.
Informationen von Geschäftspartnern der Wettbewerber Man kann auch versuchen, Liefe-
ranten, Großhändler und Kunden der Wettbewerber als Informationsquelle zu nutzen.
Ein Unternehmen, das weltweit Nassrasiersysteme anbot, teilte einem Großkunden den Start-
termin für eine wichtige Produktneueinführung mit, in der Hoffnung, dass dieser Kunde bei
der Aktion mitziehen würde. Dieser Großkunde ging daraufhin direkt zu dem Hauptkonkur-
renten, zu dem man ebenfalls gute Beziehungen unterhielt, und erörterte dieses Projekt mit
ihm. Der Wettbewerber witterte die große Chance, bündelte alle Kräfte innerhalb des Unter-
nehmens und kam fast gleichzeitig mit einem Parallelprodukt auf den Markt.
Informationen von Bewerbern und Mitarbeitern der Konkurrenz Unternehmen können
Informationen über Wettbewerber in Einstellungsgesprächen oder Gesprächen mit Mitarbei-
tern der Konkurrenz gewinnen. Fachleute sind jedoch der Ansicht, dass auf diesem Gebiet
erhebliche Unterschiede zwischen europäischen und amerikanischen Unternehmen beste-
hen. Unterschiede in Mentalität und Sprache erschweren die gegenseitige Durchdringung
national oder regional geprägter Unternehmensstrukturen. Es ist generell eher schwierig, ver-
trauliche Informationen von Mitarbeitern anderer Unternehmen zu erhalten.
Auch Profile auf Business-Plattformen, wie beispielsweise Xing oder LinkedIn, können als
Informationsquelle genutzt werden. Sie geben Auskunft über die vorhandenen Kompetenzen
und Erfahrungen der Führungskräfte der Wettbewerber, wenn diese gepflegt und von den
jeweiligen Personen öffentlich zugänglich gemacht werden.

4.5 Marktforschung
Zusätzlich zu den Informationen der Marketing Intelligence über Kunden, Wettbewerber und
das Umfeld des Marketings benötigen Marketingverantwortliche oftmals Studien, die ihnen
Customer und Market Insights zu spezifischen Marketingfragestellungen liefern und zur Ent-
scheidungsfindung herangezogen werden können. Meistens geht es um genau definierte Fra-
gestellungen, zum Beispiel wie viele und welche Konsumenten und Unternehmen einen
bestimmten neuen Computer kaufen würden. Oder Heineken N.V. und die UniCredit Group
möchten wissen, welche Darstellungsformen der Fußball-Werbung bei der UEFA Champions
League am wirksamsten sind. Ein anderes Beispiel wäre die Analyse, wie Internetnutzer auf
verschiedene Versionen für die Neugestaltung einer Website reagieren. Da die Verantwortli-
chen im Marketing in der Regel weder die Zeit noch die Mittel haben, alle nötigen Informati-
onen dazu selbst zu beschaffen, greifen sie oftmals auf die Methoden der Marktforschung
zurück.
Die Marktforschung stellt die Verbindung von der Marketingabteilung zu den Verbrauchern,
den Kunden und zur Öffentlichkeit her. Ihre Informationen werden gebraucht, um
 Marketingchancen und Marketingprobleme zu erkennen,
 Marketingaktionen zu konzipieren/optimieren und auf Wirksamkeit zu überprüfen,
 die Marketingleistung zu messen und
 das Marketinggeschehen zu verstehen.

197
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4 Marktforschung

Die Marktforschung definiert den Informationsbedarf für eine bestimmte Maßnahme, schlägt
das Untersuchungsdesign für die Datenerhebung vor, leitet und führt sie durch, analysiert
die Ergebnisse, bereitet diese auf und leitet Handlungsempfehlungen ab.
Die Marktforschung arbeitet der Marketingabteilung in vielerlei Hinsicht zu. Sie liefert Prog-
nosen für Marktpotenziale und künftige Marktanteile. Sie untersucht Kundenzufriedenheit
und Kaufabsichten. Marketing ohne Marktforschung wäre undenkbar. Marktforschung kann
im Unternehmen selbst durchgeführt werden oder teilweise oder komplett an ein externes
Institut vergeben werden. Obwohl die meisten Großunternehmen eigene Marktforschungsab-
teilungen besitzen, greifen sie für spezielle Fragestellungen oder spezialisierte Studien häu-
fig auf externe Marktforschungsinstitute zurück. Ein Unternehmen, das keine eigene Markt-
forschungsabteilung unterhält, wird grundsätzlich auf externe Institute zurückgreifen
müssen, da die benötigten Kompetenzen intern nicht zur Verfügung stehen.
Marktforschung ist keineswegs immer ein langwieriger und komplizierter Prozess, der gro-
ßen Unternehmen vorbehalten ist. Deshalb nutzen viele kleine Unternehmen und Non-Profit-
Organisationen ebenfalls Marktforschung. Mit etwas Geschick kann fast jede Organisation
preisgünstige Alternativen zu den formalen und komplexen Marktforschungstechniken der
großen Unternehmen finden.
Eine Marktforschungsstudie läuft in vier Schritten ab:

Definition von
Entwicklung Datenerhebung Interpretation
Problemstellung und
eines und und Kommunikation
Ziel der Markt-
Untersuchungsplans Datenanalyse der Ergebnisse
forschungsstudie

Abbildung 4.3: Der Ablauf einer Marktforschungsstudie

4.5.1 Problemstellung und Ziel einer Marktforschungsstudie


Marketing-Manager und Marktforscher sollten eng zusammenarbeiten, um die Aufgabenstel-
lung genau zu definieren. Zwischen ihnen muss Einigkeit über die Ziele der Marktforschung
herrschen. Der Marketingverantwortliche kennt die Aufgabe, für welche die Informationen
benötigt werden; der Marktforscher kennt die Methoden und weiß, auf welche Weise die
Informationen beschafft werden können.
Verantwortliche im Marketing sollten über ausreichend Marktforschungswissen verfügen,
um die Planung und die Interpretation der Ergebnisse kompetent begleiten zu können. Wenn
sie zu wenig über Marktforschung wissen, erhalten sie möglicherweise falsche Informatio-
nen, akzeptieren falsche Schlussfolgerungen oder fordern Informationen an, die zu teuer
sind. Auch erfahrene Marketing-Manager sind in dieser Phase auf die Unterstützung des
Marktforschers angewiesen. Er sollte dem Marketingverantwortlichen bei der Problemdefini-
tion helfen und ihm Wege und Methoden aufzeigen, die ihn in seiner Entscheidungsfindung
unterstützen.
In der genauen Abgrenzung der Problemstellung und in der Formulierung der Forschungs-
ziele liegt häufig die größte Herausforderung einer Marktforschungsstudie. Der Marketingver-
antwortliche weiß vielleicht, dass etwas nicht stimmt, kann das Problem aber nicht präzise
beschreiben. Zum Beispiel ließen die Marketing-Manager einer Supermarktkette die Wer-
bung genau analysieren, da sie überzeugt waren, dass unzureichende Werbung für rückläu-
fige Umsätze verantwortlich war. Sie waren sehr verwundert, als ihnen bestätigt wurde, dass

198
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4.5 Marktforschung

die aktuelle Werbung die richtigen Leute mit der richtigen Botschaft zum richtigen Zeitpunkt
erreichte. Für den Umsatzeinbruch gab es eine andere Erklärung: Das Angebot hielt einfach
nicht, was die Werbung versprach. Hätten die Marketing-Manager das zugrunde liegende
Problem der negativen Verbraucherreaktion auf die Produkte, den Kundendienst und die
Preise vorher erkannt, hätten sie dem Unternehmen die kostspielige Werbewirkungsanalyse
ersparen können.
Nachdem die Aufgabe sorgfältig definiert ist, müssen die Ziele der Erhebung festgelegt wer-
den. Ein Marktforschungsprojekt kann drei Arten von Zielen verfolgen:
 Das Ziel einer explorativen Studie ist es, erste vorbereitende Informationen zu sammeln,
die dabei helfen, das Problem zu definieren und Hypothesen zu bilden.
 Eine deskriptive Studie zielt darauf ab, bestimmte Fragestellungen des Marketings
genauer zu beschreiben. Beispiele dafür sind das Marktpotenzial für ein Produkt oder die
Demografie und Einstellungen von Käufern eines bestimmten Angebots.
 Die dritte Gruppe ist die sogenannte Ursachenforschung. Hier steht der Test von Hypothe-
sen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im Vordergrund. Würde z.B. eine zehnpro-
zentige Senkung der Studiengebühren an einer Privatschule dazu führen, dass eine höhere
Zahl an Einschreibungen die geminderten Gebühren wieder wettmacht? Manager begin-
nen häufig mit Vorabforschungen und schließen daran eine beschreibende Forschung oder
Ursachenforschung an.
Die Definition der Aufgabe und der Forschungsziele bestimmt den gesamten Marktfor-
schungsprozess. Um sicherzugehen, dass Einigkeit zwischen den Verantwortlichen aus dem
Marketing und der Marktforschung in allen relevanten Punkten herrscht, sollten die Aufga-
ben- und die Zieldefinition schriftlich festgehalten werden.

4.5.2 Die Entwicklung des Untersuchungsplans


Der zweite Schritt in einem Marktforschungsprojekt verlangt die genaue Bezeichnung der
benötigten Informationen, die Entwicklung eines Plans, wie diese zu beschaffen sind, und
die Vorlage des Untersuchungsdesigns in der Marketingabteilung. Dieser Plan zeigt, woher
vorhandene Daten kommen und erläutert die Ressourcen, Methoden und Instrumente, die
für die Gewinnung neuer Daten eingesetzt werden sollen.

Bestimmung des Informationsbedarfs


Die Aufgabenstellung einer Studie muss in eine Spezifikation für den Informationsbedarf
umgesetzt werden. Diese sollte immer schriftlich fixiert sein. Das ist insbesondere wichtig,
wenn das Forschungsprojekt umfangreich und komplex ist oder wenn es von externen
Marktforschungsinstituten durchgeführt wird. Eine Spezifikation beinhaltet das konkrete
Managementproblem, die Forschungsziele und relevanten Informationen sowie die benötig-
ten Ergebnisse, die dem Marketingverantwortlichen bei der Entscheidungsfindung helfen.
Auch die geschätzten Forschungskosten sollten dabei berücksichtigt werden.
Ein schriftlicher Untersuchungsplan stellt sicher, dass der Marketingverantwortliche und der
Marktforscher an alle relevanten Aspekte gedacht haben und dass sie in den wesentlichen
Punkten in Bezug auf das Forschungsvorhaben übereinstimmen.
Dazu ein Beispiel: Red Bull will herausfinden, ob es sinnvoll wäre, ein Vitaminwasser (ähn-
lich dem „Glacéau vitaminwater“) in verschiedenen Geschmacksrichtungen unter der Marke
Red Bull auf dem Markt einzuführen. In erster Linie bedient Red Bull den weltweiten Markt

199
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4 Marktforschung

für Energydrinks. Vor einiger Zeit wurde das Portfolio dann unter anderem durch die Einfüh-
rung von Red Bull Cola erweitert. Das Unternehmen war der Meinung, dass Red Bull Cola
eine passende Ergänzung zu den Energydrinks sei, da die Red Bull Cola ebenso stark und
natürlich sei wie die Energydrinks. Eine neue Produktlinie Vitaminwasser könnte dabei hel-
fen, die starke Markenposition weiter auszubauen. Daraus ergibt sich folgender Informations-
bedarf:
 Die demografischen, wirtschaftlichen und Lifestyle-Merkmale der Kunden von Red Bull
– Konsumieren die aktuellen Kunden auch Vitaminwasser?
– Passt ein solches Getränk zu ihrem Lifestyle?
– Oder müsste Red Bull damit eine neue Zielgruppe ansprechen?
 Die Charakteristika und das Konsumverhalten der Vitaminwasser-Konsumenten
– Welche Ansprüche und Erwartungen haben sie an ein solches Getränk?
– Wo kaufen sie Vitaminwasser?
– Wann und wie konsumieren sie dieses?
– Welche Marken sind beliebt und wie ist das Preisniveau? (Das neue Red Bull Vitamin-
wasser würde eine starke und klare Positionierung im wettbewerbsintensiven Vitamin-
wasser-Markt erfordern.)
 Händler-Reaktion auf das geplante Red Bull Vitaminwasser
– Würden sie es in ihr Sortiment aufnehmen und den Abverkauf unterstützen?
– Wo würden sie es platzieren? (Fehlende Unterstützung der Händler würde einen starken
Abverkauf gefährden.)
 Prognosen über die geplanten und bestehenden Red-Bull-Getränke
– Würde das Vitaminwasser zu zusätzlichen Umsätzen führen oder vielleicht auch das
bestehende Angebot kannibalisieren?
– Könnte durch das Vitaminwasser der Gesamtgewinn von Red Bull erhöht werden?
Die Marketingverantwortlichen von Red Bull würden diese und weitere Informationen benö-
tigen, um zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wie sie das neue Vitaminwasser am Markt
einführen sollten.
Um den Informationsbedarf von Unternehmen zu bedienen, kann der Marktforscher Primär-
daten, Sekundärdaten oder eine Mischung aus beiden nutzen. Unter Sekundärdaten versteht
man Daten, die zunächst für einen anderen Zweck gesammelt wurden und schon zur Verfü-
gung stehen. Als Primärdaten bezeichnet man solche, die speziell für eine bestimmte Frage-
stellung erhoben werden.

Gewinnung von Sekundärdaten


Marktforscher beginnen meistens damit, vorliegende Sekundärdaten aufzubereiten. Der im
Unternehmen vorliegende Datenbestand kann als erster Einstieg dienen. Darüber hinaus
kann auf ein breites Angebot an Informationsquellen zurückgegriffen werden, angefangen bei
Unternehmensbibliotheken, öffentlichen oder Universitätsbibliotheken bis hin zu wirt-
schafts- oder regierungsseitigen Veröffentlichungen.
Natürlich wäre es für ein einzelnes Unternehmen zu teuer, alle Supermärkte einer Region
abzufahren, um Informationen zu Marktanteilen, Preisen oder Regallängen zu erhalten. Für
solche Fragestellungen gibt es spezialisierte Marktforschungsunternehmen, die derartige

200
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4.5 Marktforschung

Daten laufend für bestimmte Branchen ermitteln und diese zu vergleichsweise günstigen
Preisen zur Verfügung stellen.
The Nielsen Company (nielsen.com) ist weltweit führend bei der Erfassung und Analyse von
Verbraucherverhalten, Verbrauchereinstellungen und Marktentwicklungen. In Deutschland
erforscht das Nielsen Haushaltspanel (nielsen-partner.de) gemeinsam mit 20.000 Nielsen-
Partnerhaushalten die Wünsche der Verbraucher. Das Marktforschungsinstitut erstellt daraus
Insights über Trends und Gewohnheiten, die Unternehmen helfen, vielfältige Fragen zu
beantworten: Was wollen die Konsumenten? Was möchten sie sehen? Was teilen sie? Wofür
begeistern sie sich?
Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK, gfk.com) gehört zu den größten Marktfor-
schungsunternehmen weltweit und ist in über 100 Ländern aktiv. Sie analysiert beispiels-
weise Reichweiten und das Mediennutzungsverhalten von Verbrauchern auf sämtlichen
technischen Geräten (TV, Radio, Laptops, Tablets, Smartphones). Seit 1986 betreibt die GfK
einen bundesweit einzigartigen Testmarkt, das sogenannte Haushaltspanel in Haßloch. Der
kleine Ort in Rheinland-Pfalz ist repräsentativ für Deutschland, weshalb neu entwickelte
Produkte dort auf ihre Marktchancen getestet werden.
Zahlreiche Daten werden von nationalen oder internationalen Organisationen zum Teil kos-
tenlos zur Verfügung gestellt, z.B. von der Weltbank, der Europäischen Kommission oder
dem Statistischen Bundesamt.

Markt- und Unternehmensdaten


Nielsen Deutschland (nielsen.com) liefert Scannerdaten zu Umsätzen, Marktanteilen und Verkaufspreisen aus dem
Handel sowie Daten über den Haushalts- und Medienkonsum.
Information Resources, Inc. (iriworldwide.de) liefert Scannerdaten für die Verfolgung von Produktbewegungen und
den Abverkauf von Neuprodukten im Lebensmittelhandel.
Dun & Bradstreet (dnb.com) unterhält eine Datenbank mit Informationen über mehr als 50 Millionen Einzelunter-
nehmen weltweit.
Hoover’s, Inc. (hoovers.com) bietet Beschreibungen, Finanzberichte und Nachrichten über zahlreiche Großunterneh-
men auf der ganzen Welt.
LexisNexis (lexisnexis.com) stellt Informationen aus Wirtschafts-, Presse-, Verbraucher- und Marketingpublikationen
bereit.
JD Power and Associates (jdpower.com) bietet Informationen von unabhängigen Verbraucherbefragungen zur Pro-
dukt- und Servicequalität, Kundenzufriedenheit und zum Käuferverhalten.
ProQuest (proquest.com) gewährt Zugang zu umfangreichen Datenbanken mit Publikationen, Berichten, Newslet-
tern und Verzeichnissen verschiedener Branchen.
Genios (genios.de) ist auf die Aufbereitung und Bereitstellung von Informationen für Kunden aus Wirtschaft, Politik
und Bildung spezialisiert.

Tabelle 4.1: Ausgewählte externe Informationsquellen

201
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4 Marktforschung

Amtliche Daten und Statistiken


World Bank Open Data (data.worldbank.org) gewährt einen freien Zugang zu Daten über Entwicklungen in einzel-
nen Ländern auf der ganzen Welt.
Die Europäische Kommission (ec.europa.eu/index_de.htm) stellt Informationen über den europäischen Binnenmarkt
bereit.
Das Europäische Patentamt (epo.org) ermöglicht die Recherche und Anmeldung von Patenten.
Eurostat (ec.europa.eu/eurostat/de) ist das statistische Amt der Europäischen Union.
DESTATIS (destatis.de) ist führender Anbieter amtlicher statistischer Informationen in Deutschland.
Germany Trade & Invest (gtai.de) liefert branchenspezifische Marktinformationen und umfassende Publikationen zu
Auslandsmärkten.
Statista (de.statista.com) bietet als weltweit größtes Online-Statistik-Portal Zugang zu relevanten Daten für Markt-
analysen und Firmenrecherchen aus 18.000 Quellen.

Internet-Daten
ClickZ (clickz.com) vereint eine Fülle von Informationen über das Internet und die Nutzer, Verbraucher und E-Com-
merce.
Interactive Advertising Bureau (iab.net) liefert Statistiken zu Onlinewerbung.
comScore (comscore.com) misst das Verbraucherverhalten in der digitalen Welt und wandelt diese Informationen in
Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen um.
Internet World Statistics (internetworldstats.com) liefert Statistiken zur globalen Durchdringung des Internets.
BITKOM (bitkom.org/de) liefert Daten und Statistiken rund um den ITK-Markt.
Tabelle 4.1: Ausgewählte externe Informationsquellen (Forts.)

Onlinedatenbanken und Internetdatenquellen Die meisten Marktforscher nutzen kommerzi-


elle Onlinedatenbanken. Sie sind damit in der Lage, die Suche nach Sekundärdaten selbst
durchzuführen. Mit Onlinedatenbanken lassen sich viele Informationsbedürfnisse, die im
Marketing auftreten können, per Mausklick beantworten. Allgemeine Datenbanken wie z.B.
ProQuest, LexisNexis oder das Online-Statistik-Portal Statista (statista.com) bieten eine
große Fülle an Informationen für Marketingentscheider. Neben kommerziellen Webseiten,
die Informationen gegen eine Gebühr bereitstellen, bieten Verbände, Behörden, Wirtschafts-
magazine und Nachrichtenanbieter kostenlose Informationen an, die jedoch nicht immer
leicht zu finden sind.

Vor- und Nachteile von Sekundärdaten


In der Regel sind Sekundärdaten schneller und günstiger zu bekommen als Primärdaten. Red
Bull könnte mithilfe einer Onlinerecherche sicherlich umfangreiche Informationen in Bezug
auf das Verwendungsverhalten von Vitaminwasser schnell und fast kostenlos erhalten.
Allein der Suchbegriff „Vitaminwater“ würde bei einer Suchmaschine zu über sechs Millio-
nen Treffern führen. Das erscheint zunächst vielleicht erschlagend und ineffizient, dennoch
sind gut geplante und strukturierte Onlinerecherchen durchaus ein sinnvoller Ausgangs-
punkt für Marktforschungsprojekte. So können sich Marktforscher ein Bild darüber machen,

202
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4.5 Marktforschung

welche Sekundärinformationen bereits verfügbar sind, und den weiteren Informationsbedarf


abschätzen.
Um vergleichbare Daten als Primärdaten zu erhalten, würden Wochen oder Monate vergehen
und die Erhebung könnte ein Vielfaches kosten. In vielen Fällen haben Sekundärdaten den
Vorteil, dass Informationen vorliegen, die ein Unternehmen aus Datenschutz- oder Kosten-
gründen gar nicht als Primärdaten erheben könnte.
Für Red Bull wäre es zu aufwendig und zu teuer, selbst die Marktanteile, Preise und Platzie-
rungen von Markenprodukten der Wettbewerber bei sämtlichen Händlern zu erheben. Diese
Daten lassen sich aber von Marktforschungsunternehmen beziehen, die bereits regelmäßig
Auswertungen der Scannerkassen vornehmen und andere Daten im Handel erheben.
Allerdings haben Sekundärdaten auch ihre Grenzen. Marktforscher können kaum alle Daten,
die sie benötigen, aus Sekundärdaten beziehen. Möglicherweise existiert die gesuchte Infor-
mation noch nicht. So kann Red Bull keine Informationen über Verbraucherreaktionen auf
das neue Vitaminwasser erhalten, wenn dieses Produkt noch gar nicht auf dem Markt ist.
Auch wenn Sekundärdaten vorliegen, muss der Marktforscher diese genau prüfen, um
sicherzustellen, dass sie die folgenden Anforderungen erfüllen:
 Relevanz (für die tatsächlichen Informationsbedürfnisse)
 Genauigkeit (durch verlässliche Erhebung und sachkundige Aufbereitung)
 Aktualität (ausreichend aktuell für das konkrete Projekt)
 Unparteilichkeit (durch Objektivität bei der Datensammlung und -analyse)
Sekundärdaten sind eine gute Basis für die Marktforschung und helfen häufig, die Problem-
stellung und die Forschungsziele genau zu definieren. In den meisten Fällen stellen Sekun-
därdaten jedoch keine ausreichende Datenbasis dar und die Erhebung von Primärdaten wird
notwendig.

Gewinnung von Primärdaten


Gute Entscheidungen gründen meistens auf guten Daten. Die gleiche Sorgfalt, die bei der Prü-
fung der Qualität von Sekundärdaten walten muss, gilt es auch bei der Erhebung von Primär-
daten anzuwenden. Diese sollen relevante, genaue, aktuelle und objektive Informationen
widerspiegeln. Dabei kann es sich wahlweise um eine qualitative Erhebung handeln, welche
die Einstellung einer relativ kleinen Stichprobe ermittelt, oder um eine quantitative Erhe-
bung, die aus einer großen Stichprobe statistisch verwertbare Informationen erbringt. Tabelle
4.2 zeigt, welche Entscheidungen bei der Planung einer Erhebung von Primärdaten getroffen
werden müssen.

Methodischer Ansatz Kommunikationsform Stichprobenplan Erhebungsinstrumente


Beobachtung schriftlich (per Post) Grundgesamtheit Fragebogen
Befragung telefonisch Größe der Stichprobe Technische Methoden
Experiment persönlich Auswahlverfahren
online
Tabelle 4.2: Primärdatenerhebung in der Marktforschung

203
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4 Marktforschung

Methodischer Ansatz
Beobachtung Bei der Datenerhebung durch Beobachtung werden Personen, Situationen und
Handlungen beobachtet. Hier einige Beispiele:
 Ein Lebensmittelhersteller lässt in Supermärkten ermitteln, zu welchen Preisen die Kon-
kurrenzprodukte angeboten werden und wie viel Regalplatz und Aktionsflächen seinen
Produkten und denen der Konkurrenz eingeräumt werden.
 Ein Hersteller von Kosmetikprodukten testet seine Werbespots, indem er sie Versuchsper-
sonen vorführen lässt und deren Augenbewegungen, Pulsschlag und andere körperliche
Reaktionen messen lässt.
 Eine Kaufhauskette schickt Testkäufer in die Filialen, um das jeweilige Umfeld und die
Kundenfreundlichkeit der Verkäufer zu testen.
Oftmals werden Beobachtungen mithilfe spezieller Geräte durchgeführt. Diese werden
immer leistungsstärker, kleiner und intelligenter. Testhaushalte haben an ihren Fernsehemp-
fängern Geräte angeschlossen, die aufzeichnen, welche Programme und welche Werbung
gesehen werden. Diese Technik ist inzwischen bis zur Onlineübermittlung weiterentwickelt
worden. Mithilfe dieser Daten lassen sich Informationen über die Anzahl und die demografi-
sche Struktur der Zuschauer unterschiedlicher Programme gewinnen. Die Fernsehsender
nutzen diese Daten, um die Beliebtheit von Programmen zu beurteilen und die Preise für
Werbezeiten entsprechend festzulegen. Werbetreibende können sich an den Sehgewohnhei-
ten ihrer Zielgruppen orientieren.
Die Scannerkassen in Supermärkten zeichnen die Einkäufe der Konsumenten detailliert auf.
Sowohl der Handel als auch die Hersteller von Konsumgütern nutzen diese Informationen,
um den Produktabsatz besser abschätzen und optimieren zu können und um das Ergebnis
der Geschäftsstätte zu verbessern.
Die Erhebung durch Beobachtung vermittelt auch Informationen, die befragte Personen nicht
geben können oder möchten. Unter diesem Gesichtspunkt ist manchmal die Beobachtung der
einzig mögliche Weg. Andererseits hat auch die Beobachtung ihre Grenzen, denn Gefühle,
Einstellungen oder Motive können nicht (oder nicht hinreichend) beobachtet werden. Lang-
fristig angelegtes oder unregelmäßiges Verhalten ist ebenfalls schwer zu beobachten. Aus die-
sem Grund wird die Erhebung durch Beobachtung häufig mit anderen Methoden der Date-
nerhebung kombiniert.
So lassen Marketingverantwortliche nicht nur das Verhalten von Konsumenten beobachten,
sondern auch deren Kommunikation. Wie bereits erwähnt, sollte die Interaktion auf Blogs,
sozialen Netzwerken und Websites selbstverständlicher Teil der Beobachtung sein. Durch
das Monitoring von Internet-Buzz, also dem unstrukturierten Austausch von Konsumenten
über Unternehmen, Produkte und Marken, erhalten Marketingverantwortliche ein natürli-
ches Feedback und möglicherweise Erkenntnisse, die durch andere Erhebungsformen so
nicht gewonnen werden können.
Eine Vielzahl an Unternehmen nutzt nunmehr ethnografische Forschung. Ethnografische
Forschung besteht darin, gut ausgebildete Beobachter zu nutzen, die das „natürliche Lebens-
umfeld“ von Verbrauchern beobachten und dort mit ihnen interagieren. Dies lässt sich am
Beispiel der hochpreisigen Hotelkette Marriott erläutern. Die Hotels befinden sich in der
Regel in bester City-Lage in großen Städten oder Urlaubsorten und beherbergen vor allem
Business-Kunden, häufig mit einem hohen Anteil an internationalen Gästen.

204
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4.5 Marktforschung

Marriott beauftragte das Münchener Büro der Design-Firma IDEO, um der Hotelkette dabei
zu helfen, einen unvoreingenommenen Blick auf Geschäftsreisende zu werfen und bisherige
Erfahrungswerte für eine zunehmend wichtige Kundengruppe zu überdenken: die jungen,
technikversierten Geschäftsleute. Anstatt der üblichen Kundenbefragungen und Gruppenin-
terviews entsendete IDEO ein Team von Beratern, darunter ein Designer, ein Anthropologe,
ein Schriftsteller und ein Architekt, auf eine sechswöchige Reise, um mit Geschäftskunden
in Kontakt zu treten und sich einen möglichst intensiven und persönlichen Eindruck von
ihnen zu verschaffen. Die Gruppe bereiste zwölf Städte, hielt sich dort in Empfangshallen
von Hotels, in Cafés und Bars auf und bat die Gäste, aus ihrem Reisealltag zu erzählen.
Dadurch erfuhren die Berater, dass die Hotels im Allgemeinen nicht gut auf kleinere Grup-
pen von Geschäftsreisenden eingestellt sind. Die Eingangshallen der Hotels sind zumeist zu
dunkel und mehr dafür geeignet, die Zeit totzuschlagen, als zwanglose geschäftliche Gesprä-
che zu führen. Marriott besitzt keine Orte, an denen die Gäste Arbeit und Vergnügen außer-
halb des Zimmers bequem kombinieren können. Ein Berater entsinnt sich, dass er eine weib-
liche Geschäftsreisende dabei beobachtet hatte, wie diese in der Lobby Wein trank und dabei
bemüht war, dass nichts auf ihre Papiere und den Tisch tropfte. „Es gibt nur sehr wenige
Hotels, die sich um solche Probleme kümmern“, sagt er. Das Ergebnis war: Marriott hat die
Eingangshallen seiner Hotels neu gestaltet und einen „sozialen Bereich“ mit kleinen Tischen,
heller Beleuchtung und Wireless-Internetzugang eingerichtet, der sich besser eignet, um dort
Meetings abzuhalten. Ein weiterer Bereich ermöglicht Alleinreisenden, in größeren, ruhigen
Räumlichkeiten zu arbeiten und zu entspannen, ohne sich dabei Sorgen über verschütteten
Kaffee auf ihren Laptops oder ihren Akten machen zu müssen.
Mittlerweile betreiben viele Unternehmen darüber hinaus auch „webnografische“ For-
schung, bei der auch die Onlineinteraktion der Verbraucher in ihrem gewohnten Umfeld im
Internet untersucht wird. Die Beobachtung der Verbraucher, wie sie online interagieren, kann
hilfreiche Insights sowohl für die Online- als auch die Offlinekaufmotive und das Kaufverh-
alten liefern.
Ethnografische Forschung liefert häufig die Art von Information, die sich nicht aus Befragun-
gen oder Fokusgruppen abzeichnet. „Das Schöne an der Ethnografie“, so sagt ein Forschungs-
experte, „ist die Gewinnung eines umfassenden Verbraucherverständnisses, mehr als es die
traditionelle Forschung bietet. Natürlich nutzen Unternehmen nach wie vor Fokusgruppen,
Umfragen und demografische Daten, um einen Einblick in die Gedanken der Verbraucher zu
gewinnen. Menschen jedoch in ihrem gewohnten Umfeld, in dem sie leben und arbeiten, zu
beobachten, ermöglicht Unternehmen auch unausgesprochene Kundenwünsche zu ergrün-
den.“
Im Gegensatz dazu können einige Dinge schlicht nicht beobachtet werden, wie z.B. Stand-
punkte, Motivation oder persönliches Verhalten. Langfristiges oder seltenes Verhalten ist
ebenfalls sehr schwer zu beobachten. Und letztlich sind die Beobachtungen auch sehr
schwierig zu interpretieren. Aufgrund dieser Begrenzungen wenden Marktforscher das Inst-
rument der Beobachtung zusammen mit anderen Datenerfassungsmethoden an.
Befragung Die Erhebung mittels Befragung ist die Methode der Wahl, wenn es darum geht,
deskriptive, also beschreibende Informationen zu beschaffen. Ein Unternehmen, das etwas
über den Wissensstand, die Gewohnheiten, die Präferenzen oder das Kaufverhalten der Men-
schen wissen möchte, kann dies am besten herausfinden, indem es die Betroffenen direkt
fragt. Eine Umfrage kann strukturiert oder unstrukturiert sein. Eine strukturierte Befragung
benutzt formale Fragenkataloge, auf die jeder in der gleichen Weise antworten muss. Bei der

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4 Marktforschung

unstrukturierten Befragung lässt der Interviewer sich auf die Befragten ein und deren Ant-
worten bilden die Leitlinie für das Interview.
Bei Befragungen sind direkte oder indirekte Fragestellungen möglich. Bei der direkten Frage-
stellung heißt es zum Beispiel „Warum kaufen Sie Ihre Bekleidung nicht bei Primark?“, bei
der indirekten Fragestellung heißt es „Welche Leute kaufen Kleider bei Primark?“. Durch die
Beantwortung der indirekten Frage kann der Marktforscher erkennen, aus welchen Gründen
dieser Käufer nicht bei Primark kauft und warum er bei anderen Unternehmen kauft. Dabei
mögen durchaus Gründe zutage kommen, die dem Käufer gar nicht bewusst sind.
Die Befragung ist die am häufigsten angewandte Methode bei Primärdatenerhebungen und
häufig die einzige. Der Hauptvorteil dieser Methode ist Flexibilität. Man kann in den unter-
schiedlichsten Marketingsituationen sehr viele verschiedene Arten von Informationen auf
einmal sammeln. Je nach Gestaltung des Erhebungskonzepts können Informationen schneller
und kostengünstiger beschafft werden, als es durch Beobachtung oder experimentelle Metho-
den möglich ist.
Aber auch diese Methode hat ihre Grenzen. Manchmal können Verbraucher Fragen nicht
beantworten, weil sie sich nicht erinnern oder niemals darüber nachgedacht haben, was sie
bzw. warum sie etwas machen. Gerade bei echten Innovationen fehlt Verbrauchern zudem
oftmals das Vorstellungsvermögen. Dies wird durch ein Zitat des Automobilherstellers Henry
Ford deutlich: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt
schnellere Pferde.“ In anderen Fällen wollen Testpersonen keine Auskunft geben, weil sie
Dinge als privat betrachten und nicht mit dem ihnen unbekannten Interviewer darüber zu
sprechen bereit sind. Andere Testpersonen wiederum geben bereitwillig Auskunft, auch
wenn sie sich nicht auskennen, um informierter und cleverer zu wirken, oder sie geben
erwünschte Antworten, um dem Interviewer zu helfen. Andere sind nicht bereit, sich die
Zeit für die Beantwortung der Fragen zu nehmen. Einige, aber nicht alle diese Probleme kön-
nen durch eine sorgfältige Fragebogengestaltung behoben werden.
Experiment Experimentelle Marktforschung zielt auf Kausalzusammenhänge ab. Es werden
Experimente durchgeführt, bei denen man Testpersonen in vergleichbare Gruppen einteilt.
Eine Gruppe wird einer bestimmten Behandlung unterzogen, die andere nicht. Die dabei
beobachteten unterschiedlichen Reaktionen der Gruppen werden analysiert. In der Regel
sind Schlüsse im Sinne eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs möglich.
Dazu ein Beispiel: Eine Supermarktkette denkt darüber nach, hochwertige Parfums in ihr
Sortiment aufzunehmen. Die experimentelle Marktforschung könnte dazu beitragen, die fol-
genden Fragen zu beantworten:
 Um welchen Prozentsatz könnte sich der Umsatz erhöhen?
 Wie könnte sich das Angebot der Parfums auf den Absatz anderer Produkte auswirken?
 Welche Werbung wäre für die Einführung der Parfums am besten geeignet?
 Wie würden sich unterschiedliche Preisstellungen auf den Absatz der Produkte auswirken?
 Wie wird sich das Angebot von Parfums auf das Image des Unternehmens insgesamt aus-
wirken?
Um zum Beispiel die Wirkung zweier unterschiedlicher Preise zu testen, könnte das Unter-
nehmen ein einfaches Experiment durchführen. Es könnte eine Markteinführung der Par-
fums mit einem Preis A in einer Stadt und mit einem Preis B in einer anderen Stadt vorneh-
men. Wenn die beiden Städte ähnlich sind und die Werbung für das Parfum in beiden
Städten gleich ist, würde der Preisunterschied einen beobachteten Absatzunterschied zwi-

206
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4.5 Marktforschung

schen den beiden Städten erklären. Nach diesem Grundschema lassen sich auch komplexe
Untersuchungsdesigns im Rahmen der experimentellen Marktforschung entwerfen.

Kommunikationsform
Die Antworten auf eine Befragung können schriftlich (per Post), telefonisch, online oder im
persönlichen Interview erhoben werden. Tabelle 4.3 zeigt die wichtigsten Vor- und Nachteile
dieser Methoden auf.

Schriftlicher Persönliches
Telefoninterview Internet
Fragebogen (per Post) Interview
Flexibilität – ++ +++ ++
Umfang der ermittel- ++ + +++ ++
baren Daten
Vermeiden der +++ + – +
Beeinflussung durch
den Interviewer
Steuerung der Stich- + +++ ++ +++
probe
Geschwindigkeit der – +++ ++ +++
Erhebung
Beantwortungsrate – + ++ ++
Kosten ++ + – +++
Tabelle 4.3: Die Stärken und Schwächen von vier wichtigen Methoden der Kontaktaufnahme

Fragebögen per Post haben viele Vorteile. Umfangreiche Sachverhalte können kostengünstig
abgefragt werden. Wahrscheinlich antworten die Befragten auf sehr persönliche Fragen ehrli-
cher als gegenüber einem unbekannten Interviewer oder über das Telefon. Ein Interviewer
kann das Ergebnis nicht beeinflussen oder verfälschen.
Aber es gibt neben den Vorteilen auch Nachteile: Fragebögen sind nicht sehr flexibel, sie
erfordern einfache und eindeutig formulierte Fragen. Alle Befragten antworten auf die glei-
chen Fragen in der gleichen Reihenfolge, spontanes Nachfragen wie bei einem Interview ist
nicht möglich. Das Ausfüllen der Fragebögen erfordert viel Zeit und daher sind die Rück-
laufraten häufig sehr niedrig. Zudem lässt sich in der Regel nicht erkennen, welche Person
innerhalb eines Haushalts den Fragebogen beantwortet hat. Deshalb greifen heute immer
mehr Marketingverantwortliche auf schnellere, flexiblere und kostengünstigere E-Mail- und
Onlineumfragen zurück.
Telefoninterviews sind eine der am besten geeigneten Methoden, wenn man Informationen
schnell erhalten möchte. Beim Telefoninterview kann man situationsbezogen reagieren und
verfügt daher über eine höhere Flexibilität als beim Fragebogen. Der Interviewer kann Fragen
erläutern, soweit sie nicht sofort verstanden werden. Je nachdem, wie die befragte Person
reagiert, können Fragen ausgelassen oder zusätzliche Fragen gestellt werden. Das Telefonin-
terview erlaubt zudem eine genauere Identifizierung der befragten Person, indem zu Beginn
des Gesprächs nach bestimmten Merkmalen oder nach dem Namen gefragt wird. Die Antwor-
trate liegt tendenziell über der von Umfragen per Post.

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4 Marktforschung

Die Fortschritte in der Computer- und Kommunikationstechnologie haben auch die Technik
der Informationserhebung beeinflusst. Heute verwenden viele Marktforschungsinstitute die
sogenannten computergestützten Telefoninterviews (CATI: Computer Assisted Telephone
Interviewing). Zunächst werden mögliche Interessenten angerufen, häufig als Zufallsstich-
probe. Der Interviewer liest seine Fragen vom Bildschirm und gibt die Antwort des Befragten
sofort in den Computer ein. Diese Methode erfordert zunächst größere Investitionen in die
Ausstattung mit Computern und in das Training der Interviewer, macht sich aber schnell
bezahlt, da das Aufbereiten und Codieren der Daten entfällt, Fehler vermieden werden und
Zeit gespart wird.
Aber auch diese Methode hat ihre Nachteile. Die Kosten pro Antwort sind höher als bei
Befragungen per Post und viele lehnen es ab, einem unbekannten Interviewer sehr persönli-
che Fragen am Telefon zu beantworten. Einen Interviewer einzusetzen bedeutet einerseits
Flexibilität, andererseits aber kann es durch diesen zu einer Verfälschung der Ergebnisse
(Bias) kommen. Die Art, wie ein Interviewer spricht, oder feine Unterschiede in der Formu-
lierung der Fragen können die Antworten der Testpersonen beeinflussen. Schließlich können
auch unterschiedliche Interviewer die Antworten unterschiedlich auslegen und dokumentie-
ren. Unter Zeitdruck kann es sogar dazu kommen, dass Antworten einfach fingiert werden.
Im Zeitalter von „Do-not-call“-Listen und Verbrauchern, die sich von Telefonmarketing
belästigt fühlen, verweigern Angerufene außerdem zunehmend das Gespräch mit Intervie-
wern und beenden häufig das Gespräch, noch bevor es zu einem Interview kommt.
Persönliche Interviews lassen sich als Einzelinterview oder Gruppendiskussion durchfüh-
ren. Beim Einzelinterview werden Personen zu Hause, in ihrem Büro, auf der Straße oder in
Einkaufszentren befragt. Der Interviewer muss zunächst um ihre Kooperation werben. Die
Zeit, die solch ein Gespräch in Anspruch nimmt, kann zwischen einigen Minuten und meh-
reren Stunden liegen. Manchmal erhalten die Testpersonen eine kleine Vergütung für die
geopferte Zeit. Die Methode des persönlichen Interviews ist flexibel und mit ihr lassen sich
umfangreiche Informationen beschaffen. Geschulte Interviewer können relativ lange die Auf-
merksamkeit der Befragten an sich binden und mit ihnen auch schwierige Fragen klären. Sie
sind in der Lage, überraschende Äußerungen der Testpersonen spontan zu vertiefen und ent-
sprechend der Situation zu reagieren. In einem persönlichen Interview kann jeder Fragebo-
gentyp verwendet werden. Die Interviewer können den Testpersonen aktuelle Produkte vor-
stellen, Werbeanzeigen oder Verpackungen zeigen und deren Reaktionen und Verhalten
beobachten. Die größten Probleme dieser Methode sind die hohen Kosten und Schwierigkei-
ten bei der Stichprobenauswahl. Persönliche Interviews kosten drei- bis viermal so viel wie
Telefoninterviews. Da die Interviewer einen größeren Spielraum haben, ist auch die Gefahr
der Beeinflussung größer.
Gruppeninterview oder Fokusgruppe Gruppeninterviews sind eine Form der explorativen
Forschung, deren Absicht darin besteht, neue oder versteckte Marktcharakteristika und
Bedürfnisse aufzudecken. Beim Gruppeninterview werden in der Regel sechs bis zehn Perso-
nen eingeladen, um unter Anleitung eines Moderators über ein Produkt, eine Dienstleistung
oder eine Organisation zu diskutieren. Der Moderator benötigt Objektivität, Kenntnis des
untersuchten Objekts und der Branche und ein gewisses Verständnis von Gruppendynamik
und Konsumentenverhalten. Diese Gruppengespräche finden in angenehmer Umgebung
statt, kleine Erfrischungen werden serviert. Normalerweise erhalten die Personen eine Auf-
wandsentschädigung für ihre Teilnahme. Der Moderator beginnt mit allgemeinen Fragen,
bevor er spezifische Themen anspricht. Ein geschickter Moderator wird versuchen, eine ent-
spannte Atmosphäre zu schaffen, in der Hoffnung, dass durch das Gruppenverhalten auch

208
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4.5 Marktforschung

verborgene Gefühle und Gedanken ausgesprochen werden. Er versucht dabei, die Diskussion
auf das zu untersuchende Objekt zu fokussieren – daher auch der Name Fokusgruppen-Inter-
view.
Marktforscher und Marketingentscheider verfolgen die Diskussionen hinter einer Glaswand,
die so beschaffen ist, dass die Teilnehmer ihre Beobachter nicht sehen können, die Beobach-
ter jedoch die Teilnehmer. Während der Sitzung werden entweder schriftliche Aufzeichnun-
gen angefertigt oder es wird ein Video für die spätere Auswertung mitgeschnitten. Immer
häufiger kommen auch Videokonferenzen über das Internet zum Einsatz, um Marketingent-
scheider an entfernten Standorten live an Fokusgruppen teilhaben zu lassen. Mit Kameras
und Sound-Systemen können Marketing-Manager in weit entfernten Sitzungsräumen alles
sehen und hören und nach Belieben mit einer Fernbedienung die Gesichter der Teilnehmer
näher heranholen und beobachten.

Abbildung 4.4: Fokusgruppenforschung mit Kameras und Zwei-Wege-Sound-Systemen, Marketingentscheider können orts-
unabhängig live an Forschungsgruppen teilhaben.
(Quelle: Cultura RM / Alamy Stock Photo)

Gruppendiskussionen sind zu einem der wichtigsten Instrumente der Marktforschung gewor-


den, wenn es darum geht, einen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt von Konsumen-
ten zu erhalten. Dennoch ergeben sich auch bei der Durchführung von Gruppeninterviews
einige Schwierigkeiten. Um Zeit und Kosten zu sparen, werden sie in der Regel mit kleinen
Stichproben durchgeführt, weshalb sich aus ihnen kaum allgemeingültige Aussagen ableiten
lassen. Zudem sind die Testpersonen vor den anderen Interviewteilnehmern nicht immer
offen und ehrlich. „Es kann bei der Durchführung von Gruppeninterviews ein Gruppen-
zwang entstehen, der bei der Suche nach den wirklichen Verhaltensweisen im Weg steht“,
sagt ein Marketing-Manager.

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4 Marktforschung

Obwohl Gruppeninterviews weit verbreitet sind, beschäftigen sich viele Marktforscher mit
dem Forschungsdesign und ändern es ab. Zum Beispiel bevorzugen einige Unternehmen
sogenannte „Immersion Groups“ – vier bis fünf Personen, die mit Produktdesignern infor-
mell sprechen, ohne dass ein Moderator anwesend ist. Auf diesem Weg können die Designer
direkt mit ausgewählten Nutzern über die Entwicklung neuer Programme und Produkte spre-
chen. Das Ergebnis ist fundierter, weil sich die Testpersonen in den Prozess integriert und
nicht nur beobachtet fühlen.
Andere Marktforscher verändern die Umgebung, in der sie Gruppeninterviews abhalten. Um
den Kunden dabei zu helfen, sich zu entspannen und authentische Antworten zu geben,
gestalten sie die Umgebung möglichst komfortabel und dem zu untersuchenden Produkt ent-
sprechend. Zum Beispiel werden Gruppeninterviews für ein Küchenprodukt in einer Küche
und Fokusgruppen für Wohnmöbel in einem Wohn-, Spiel- oder Badezimmer durchgeführt.
So haben sich in den letzten Jahren viele Unternehmen von traditionellen, eher formalen
und zahlenorientierten Forschungsansätzen und Kontaktmöglichkeiten wegbewegt. Stattdes-
sen gehen sie neue Wege, um Verbrauchern zuzuhören, und setzen dabei weniger auf tradi-
tionelle Fragebogenformate.
„Marktforscher sollten sich stärker auf das Zuhören und die Entwicklung von Ideen aus Ver-
brauchersicht konzentrieren und weniger das „Statistik-Monster“ mit immer mehr Zahlen
füttern. Forscher sollten insbesondere ihre Sozialkompetenz einsetzen“, gibt ein Marketing-
verantwortlicher zu bedenken.
Datenerhebung über das Internet Die Fortschritte der Kommunikationstechnologien haben
eine hohe Relevanz für die Marktforschung. Immer mehr Marktforscher sammeln Primärda-
ten mittels Onlinemarktforschung, der Datenerhebung über das Internet. Die gängigen
Methoden sind hierbei die Durchführung von Umfragen im Internet, Onlinepanels, Experi-
menten und Onlinefokusgruppen.
Die Onlinemarktforschung umfasst verschiedene Instrumente. Das gängigste ist das Einbin-
den eines Fragebogens in die Webseite eines Unternehmens und die Schaffung von Anreizen
zum Ausfüllen des Fragebogens. Um Teilnehmer zu einer Befragung einzuladen, dienen
Links in E-Mails oder in Pop-up-Fenstern. Neben dem Ausfüllen von Onlinefragebögen nut-
zen Unternehmen Chatrooms und initiieren Chat-Sessions, um Fragen zu stellen und Live-
Diskussionen oder Onlinefokusgruppen durchzuführen. Man kann durch das Verhalten der
Onlinekunden lernen, indem man die Klicks der Kunden nachverfolgt, während diese die
unternehmenseigene Webseite besuchen oder zu anderen Internetseiten wechseln. Um mehr
über die Wirkung von Angeboten zu lernen, experimentieren Anbieter mit verschiedenen
Preisen, nutzen unterschiedliche Headlines oder bieten verschiedene Produkteigenschaften
auf verschiedenen Webseiten oder zu verschiedenen Zeiten an. Sie nutzen so „Versuchsbal-
lons“, um neue Produktkonzepte zu testen. Andere Unternehmen errichten extra Online-
shops, um neue Produkte und Marketingkampagnen zu testen. Dadurch können sie viel über
das Verhalten von Onlinekunden erfahren, indem sie ihre Klickverläufe, Verweildauer und
Bewegungsmuster etc. auf der Website auswerten.
Das Internet eignet sich besonders gut für die quantitative Forschung. Die meisten Europäer
haben mittlerweile Zugriff auf das Internet, sodass man einen breiten Querschnitt der Ver-
braucher erreicht. Gerade aufgrund der sinkenden Rücklaufquoten und steigenden Kosten
bei traditionellen Umfragen wird Marktforschung über das Internet immer beliebter.
Onlinebefragungen haben mittlerweile etwa einen Anteil von 50 Prozent an allen Befragun-
gen.

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4.5 Marktforschung

Onlinemarktforschung bietet einige Vorteile gegenüber den klassischen Umfragemethoden


und Fokusgruppen. Die wohl offensichtlichsten Vorteile sind Geschwindigkeit und Kostenef-
fizienz. Onlinefokusgruppen verlangen einige Vorausplanungen, die Ergebnisse sind jedoch
praktisch verzögerungsfrei verwendbar.
Auf der Suche nach besseren Methoden, um die Akzeptanz der Verbraucher gegenüber mög-
lichen neuen Produkten vorauszusagen, wendete sich Pepsi an Invoke Solutions, ein Online-
Marktforschungsinstitut, das mehrere Onlinepanels mit 80 bis 100 Personen unterhält. Mit-
hilfe der Panels konnte sich Pepsi eingehend mit der Einstellung der Generation X (in den
60er und 70er Jahren geborene Personen) in Bezug auf den Konsum von Mineralwasser
beschäftigen. In kürzester Zeit war der Getränkeanbieter in der Lage, ein detailliertes Feed-
back von Hunderten Konsumenten zu erfassen und zu verarbeiten. Anfangs war Pepsi ver-
blüfft, dass den Probanden die Idee eines hohen Gehalts an Mineralien im Wasser gefiel.
Nach mehrfacher Auswertung der Onlinepanel-Ergebnisse entschieden sich die Produktent-
wickler von Pepsi allerdings gegen eine höhere Mineralisierung, da dies die Zugabe von
Zucker erfordern würde, um einen angenehmen Geschmack zu erhalten. Dies gefiel wiede-
rum den Verbrauchern nicht. „Mit der Nutzung der Onlinepanels konnten Schlussfolgerun-
gen in nur wenigen Stunden gezogen werden, die mithilfe von Fokusgruppen drei bis vier
Monate gedauert hätten“, sagte ein Geschäftsführer von Invoke.
Onlinemarktforschung ist mit relativ niedrigen Kosten verbunden. Die Teilnehmer können
sich von überall auf der Welt in Fokusgruppen einbringen, wodurch Kosten für Reise und
Unterkunft entfallen. Bei Umfragen über das Internet entstehen kaum Kosten für Porto,
Druck, Briefumschläge und organisatorische Tätigkeiten, die mit anderen Methoden verbun-
den wären. Dadurch machen die Aufwendungen von Onlineumfragen nur 10 bis 20 Prozent
der Kosten aus, die für eine schriftliche, telefonische oder persönliche Befragung anzusetzen
wären. Zudem hat der Umfang der Stichprobe wenig Einfluss auf die Kosten. Wenn der Fra-
gebogen einmal programmiert ist, macht es kaum einen Unterschied, ob zehn oder 10.000
Teilnehmer im Internet befragt werden.
Onlinemarktforschung ist nicht nur großen Unternehmen vorbehalten. Auch kleinere Unter-
nehmen können sie durchführen. So gibt es eine Vielzahl einfach zu bedienender Online-
Umfragetools, wie beispielsweise von SurveyMonkey (surveymonkey.com), die es erlauben,
eigene Umfragen in wenigen Minuten zu erstellen und zu veröffentlichen. Die Basisfunktio-
nen sind teilweise kostenlos.
Neben der erwähnten Zeit- und Kostenersparnis haben webbasierte Umfragen noch weitere
Vorteile. Sie lassen sich interaktiver und ansprechender gestalten, sind oftmals bequemer zu
beantworten und weniger aufdringlich als traditionelle telefonische oder postalische Umfra-
gen.
Sie führen in der Regel auch zu höheren Responseraten. Onlineumfragen und -fokusgruppen
eignen sich sehr gut, um die jugendliche, alleinstehende, wohlhabende und gebildete Bevöl-
kerung zu erreichen oder eine berufstätige und viel beschäftigte Klientel anzusprechen, die
bequem von ihrem eigenen Umfeld aus reagieren kann. Durch das Internet ist es außerdem
möglich, Menschen aus verschiedenen Teilen des Landes zusammenzubringen. Dies gilt ins-
besondere für solche, die über ein höheres Einkommen verfügen und wenig Zeit haben, um
für die Befragung zu einem zentralen Treffpunkt zu reisen.
Marktforscher haben das Internet frühzeitig für quantitative Erhebungen und das Sammeln
von Daten entdeckt. Mittlerweile gehen sie jedoch weiter und bedienen sich auch qualitati-
ver Onlinemarktforschung, wie zum Beispiel durch Onlinetiefeninterviews und -fokusgrup-

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4 Marktforschung

pen oder durch das Auswerten von Blogs und sozialen Netzwerken. Das Internet bietet eine
schnelle und kostengünstige Möglichkeit, auch qualitative Customer Insights zu erhalten.
Onlinefokusgruppen können sehr unterschiedlich gestaltet werden. Meist erfolgen sie in
Echtzeit, in Form von Diskussionen in Chatrooms, bei denen die Teilnehmer und ein Mode-
rator an einem „virtuellen Tisch“ sitzen und Kommentare austauschen. Alternativ können
Forscher Onlineforen einrichten, über die die Befragten im Laufe von mehreren Tagen oder
wenigen Wochen interagieren. Die Teilnehmer kommentieren dabei täglich die Themen der
Fokusgruppen.
Obwohl sie kostengünstig und einfach zu verwalten sind, kann Onlinefokusgruppen die
Dynamik des realen, persönlichen Austauschs fehlen. Um diesen Nachteil zu kompensieren,
ergänzen einige Forscher zusätzliche Interaktionsmöglichkeiten über Sprache und Webcams,
sodass sich der Moderator und die Teilnehmer sehen und hören können. Diesen Ansatz ver-
folgt zum Beispiel das Online-Marktforschungsunternehmen Channel M2.
Die Teilnehmer werden mit traditionellen Methoden rekrutiert und erhalten dann eine Web-
cam, sodass sowohl verbale als auch nonverbale Reaktionen aufgezeichnet werden können.
Sie erhalten Anweisungen per E-Mail mit einem Link zum „virtuellen Interviewraum“ und
eine kostenlose Rufnummer für Telefonkonferenzen. Zur verabredeten Zeit wählen sie sich
ein und betreten den virtuellen Interviewraum mit Live-Videos der anderen Teilnehmer. Für
den weiteren Austausch stehen ein Text-Chat, das Teilen von Bildschirmansichten und Prä-
sentationen und ein Whiteboard zur Verfügung. Wenn die Gruppendiskussion im vollen
Gange ist, entsteht eine bemerkenswert lebendige Atmosphäre. Die Teilnehmer melden sich
spontan zu Wort, schreiben Textbeiträge oder tun beides. Forscher können der Fokusgruppe
unmittelbar beiwohnen oder zu einem späteren Zeitpunkt eine aufgezeichnete Version aus-
werten.
Onlinemarktforschung hat jedoch auch einige Nachteile. Ein großes Problem liegt in der
Überwachung der Onlinestichprobe. Ohne die physische Präsenz der Befragten ist es schwie-
rig zu überprüfen, wer tatsächlich an der Befragung teilgenommen hat. Um solche Stichpro-
ben- und Antwortprobleme zu bewältigen, nutzen viele Online-Marktforschungsunterneh-
men Opt-in-Verfahren (bei denen der Befragte die ausdrückliche Zustimmung für eine
Teilnahme gibt) bzw. Panelbefragungen.
Das Internet wurde in den letzten Jahren zu einem wichtigen neuen Werkzeug für die Markt-
forschung und die Gewinnung von Customer Insights. Heute gehen Marktforscher noch
einen Schritt weiter, als strukturierte Onlineumfragen durchzuführen und Fokusgruppen
und Web-Communitys zu beobachten. Zunehmend analysieren sie auch unstrukturierte Kun-
deninformationen, die im Internet kursieren. Dies beinhaltet auch das Scannen von Kunden-
bewertungen und Kommentaren auf unternehmenseigenen Marken-Websites oder auf den
Websites großer Online-Handelsplattformen wie Amazon oder Ebay. Darüber hinaus werden
sehr anspruchsvolle Webanalyse-Tools eingesetzt, um Massen von Kundeninformationen
und Beiträgen in Blogs oder sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter auszuwerten.
Die vielleicht brisanteste Frage im Rahmen der Onlinemarktforschung betrifft die Privat-
sphäre der Konsumenten. Es wird befürchtet, dass skrupellose Marktforscher E-Mail-Adres-
sen und vertrauliche Antworten, die durch Befragungen gewonnen wurden, verwenden wer-
den, um Produkte zu verkaufen, nachdem die eigentliche Umfrage beendet ist. Man ist über
den Einsatz elektronischer Agenten (wie Spambots oder Trojaner) besorgt, die persönliche
Daten ohne Zustimmung der Befragten sammeln. Wichtig ist es daher, dieses Problem offen
zu kommunizieren, da es andernfalls zur Verärgerung der Verbraucher und strikteren Regu-

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4.5 Marktforschung

lierungen kommen kann. Trotz dieser Bedenken prognostizieren die meisten Branchenken-
ner ein weiteres Wachstum für die Onlinemarktforschung.
Behavioural und Social Tracking sowie Targeting Daher ist das Internet in den letzten Jah-
ren zu einem wichtigen Instrument für die Marktforschung und zur Entwicklung von Custo-
mer Insights geworden. Doch die modernen Marktforscher gehen noch weiter – über Online-
Studien, Zielgruppen und Internet-Communitys hinaus. Sie hören den Kunden verstärkt zu
und beobachten deren Verhalten durch aktive Nutzung der Fülle an freiwilligen, unstruktu-
rierten, noch ungeordneten Informationen, die bereits im Internet kursieren. Wo traditionelle
Marketingforschung schlüssigere Kundenantworten auf strukturierte und manipulative Fra-
gestellungen bieten, kann das sogenannte Online-Listening (Hinhören) auch die Emotionen
und Spontaneität der freiwilligen Verbrauchermeinungen erfassen. Verbrauchern online zu
folgen, kann ebenso einfach sein wie das Durchsuchen von Kundenbewertungen und Kom-
mentaren auf der aktuellen Marken-Webseite oder auf Shopping-Seiten wie Amazon oder
BestBuy. Ebenso kann es die Anwendung anspruchsvoller Instrumente zur Online-Analyse
beinhalten, um die Unmengen an Verbraucherkommentaren zur Marke und die in den Blogs
oder sozialen Medien wie Facebook, Yelp, YouTube oder Twitter geposteten Inhalte genauer
auszuwerten. Den Kunden zuzuhören und sie online einzubinden, kann wertvolle Einblicke
schaffen, wie sich Verbraucher über eine Marke äußern oder ihr gegenüber eingestellt sind.
Auch kann es die Möglichkeit bieten, positive Markenerfahrungen und Kundenbeziehungen
aufzubauen.
Informationen darüber, was Verbraucher tun, während sie durch die Weiten des Internets
surfen – wonach sie suchen, die angeklickten Seiten, wie und was sie einkaufen –, sind für
Marketingverantwortliche Gold wert. Und die modernen Marketing-Manager sind sehr damit
beschäftigt, dieses Gold zu schürfen. Mit einer Praxis, die man Behavioural Targeting nennt
(die gezielte Ansprache eines Nutzers im Internet, basierend auf der Analyse seines Surfver-
haltens), nutzen Marketingverantwortliche die Online-Daten für gezielte Werbung und Ange-
bote an bestimmte Kunden. Legen Sie beispielsweise ein Smartphone in Ihren Einkaufswa-
gen bei Amazon, kaufen es aber nicht, erscheinen auf Ihrem PC möglicherweise immer
wieder Werbeanzeigen für genau dieses Handymodell, sobald Sie das nächste Mal Ihre Lieb-
lings-Sportseite aufrufen, um sich über aktuelle Sportergebnisse zu informieren.
Inzwischen haben sich die „Abhörmethoden“ mithilfe von Web-Analytik und Targeting noch
weiterentwickelt – vom Behavioural Targeting zum Social Targeting. Während das Behaviou-
ral Targeting die Bewegungen der Verbraucher über Webseiten verfolgt, nutzt das Social Tar-
geting auch die einzelnen sozialen Netzwerke und Konversationen aus den sozialen Medien.
Forschungen zeigen, dass Verbraucher sich beim Shoppen an ihren Freunden orientieren
und wahrscheinlich auf die gleichen Anzeigen reagieren. So taucht also nicht einfach eine
Werbung für Laufschuhe von SportDirect.com auf, weil Sie kürzlich online nach Laufschu-
hen gesucht haben (Behavioural Targeting), sondern eine Werbung für ganz bestimmte Lauf-
schuhe, weil ein Freund, mit dem Sie über Twitter vernetzt sind, gerade diese Schuhe auf
SportDirect.com gekauft hat (Social Targeting).
Online-Listening, Behavioural Targeting und Social Targeting helfen Marketingverantwortli-
chen, die Massen an Verbraucherdaten im Internet für ihre Zwecke zu nutzen. Da Marketer
inzwischen auch geschickter in sogenannten Troll-Blogs, sozialen Netzwerken und anderen
Internet-Domains agieren, sind Kritiker um die Privatsphäre der Nutzer besorgt. Wo über-
schreitet gezielte Onlinemarktforschung die Grenze zum Verbraucher-Stalking? Befürworter
halten dagegen, dass Behavioural und Social Targeting mehr nutzen als schaden, da Verbrau-
cher Werbung und Produktinformationen bekommen, die für ihre Interessen relevant sind.

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4 Marktforschung

Bei vielen Kunden und Verbraucherschützern rufen die Onlineverfolgung und das Stalking
von Kunden durch Werbung jedoch mehr als nur ein unheimliches Gefühl hervor. Regulie-
rungsbehörden und andere Organisationen werden hier aktiv. Mittlerweile haben große Inter-
net-Browser und soziale Medien durch „Do-not-Track“-Funktionen (einer Internet-Entspre-
chung des „Anrufe unerwünscht“-Registers) in ihren Diensten auf die Bedenken reagiert.3

Stichprobenplan
In der Marktforschung werden gewöhnlich Schlüsse über das Verhalten großer Konsumen-
tengruppen gezogen, indem man kleine Stichproben der Grundgesamtheit untersucht. Als
Stichprobe bezeichnet man eine Teilmenge der Bevölkerung, die ausgewählt wurde, um die
Bevölkerung insgesamt abzubilden. Idealerweise soll diese Stichprobe repräsentativ sein,
sodass der Marktforscher die Einstellungen und das Verhalten der Bevölkerung insgesamt
möglichst genau abschätzen kann.
Die Auswahl der Stichprobe verlangt drei Entscheidungen:
1. Wer soll befragt werden? Die Antwort ist nicht immer eindeutig. Wen befragt man bei-
spielsweise, um den Entscheidungsfindungsprozess im Fall des Kaufs eines Familienau-
tos zu verstehen: den Ehemann, die Ehefrau, weitere Familienmitglieder – oder sogar
alle?
2. Größe der Stichprobe: Wie viele Personen sollen befragt werden? Große Stichproben lie-
fern zuverlässigere Ergebnisse als kleine. Trotzdem muss man in der Regel nicht die Ge-
samtheit oder eine sehr große Anzahl als Stichprobe ziehen. Wenn die Stichprobe sorg-
fältig ausgewählt ist, kann ein Anteil von weniger als einem Prozent der
Grundgesamtheit bereits zu verlässlichen Ergebnissen führen.
3. Mit welchem Verfahren soll die Stichprobe gezogen werden? Dem Marktforscher stehen
zufallsorientierte Verfahren wie die einfache, die geschichtete Zufallsauswahl oder das
Flächenauswahlverfahren und nicht zufallsorientierte Verfahren wie die willkürliche,
die Beurteilungsauswahl oder das Quota-Verfahren zur Verfügung. Beim Einsatz zufall-
sorientierter Verfahren hat jedes Mitglied der Grundgesamtheit eine bekannte Chance, in
die Stichprobe aufgenommen zu werden, und der Marktforscher kann Konfidenzinter-
valle für den Stichprobenfehler berechnen. Tabelle 4.4beschreibt einige gängige Verfah-
ren der Stichprobenziehung. Wenn zufallsorientierte Verfahren zu kosten- oder zeitin-
tensiv sind, greifen Marktforscher häufig auf nicht zufallsorientierte Verfahren zurück –
auch wenn der Stichprobenfehler in diesen Fällen nicht berechnet werden kann. Die
verschiedenen Arten der Stichprobenziehung haben unterschiedliche Beschränkungen,
was Kosten und Zeit angeht, aber auch, was die unterschiedlichen Gütekriterien und
statistischen Maße betrifft.

3 Zu den Themen Online Behavioral und Social Tracking sowie Targeting siehe Amit Avner, „How so-
cial targeting can lead to discovery“, Adotas, 7. Februar 2012, www.adotas.com/2012/02/how-social-
targeting-can-lead-to-discovery/; Thomas Claburn, „Microsoft finds people want more privacy cont-
rol“, Informationweek-Online, 24. Januar 2013, www.informationweek.com/windows/security/
microsoft-finds-people-want-more-privacy/240146932; Lisa M. Thomas, „We know where you’ve be-
en: emerging rules in online behavioral advertising“, Computer and Internet Lawyer, Februar 2013,
S. 16–19 und Somini Sengupta, „When privacy becomes a business imperative“, International New
York Times, 3. März 2013, www.nytimes.com/2013/03/04 /technology/amiddo-not-track-effort-web-
companies-race-to-look-privacyfriendly.html?_r=0

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
4.5 Marktforschung

Zufallsorientierte Verfahren
Einfache Zufallsauswahl Jedes Element der Grundgesamtheit hat eine bekannte und gleiche Chance,
in die Stichprobe aufgenommen zu werden.
Geschichtete Zufallsauswahl Die Grundgesamtheit wird in Schichten aufgeteilt, die sich gegenseitig aus-
schließen (wie beispielsweise Altersklassen), und aus jeder Schicht wird
dann eine Zufallsstichprobe gezogen.
Flächenauswahlverfahren Die Grundgesamtheit wird in Gruppen aufgeteilt, die sich gegenseitig aus-
schließen (wie beispielsweise Postleitzahlen-Gebiete), und eine Stichprobe
wird aus den für die Untersuchung relevanten Gruppen gezogen.

Nicht zufallsorientierte Verfahren


Willkürliche Auswahl Auswahl derjenigen Elemente der Grundgesamtheit, von denen Informatio-
nen am einfachsten zu bekommen sind (wie beispielsweise Personen in
einer Fußgängerzone).
Beurteilungsauswahl Auswahl derjenigen Elemente einer Grundgesamtheit, die nach Einschät-
zung des Marktforschers besonders aussichtsreich in Bezug auf den Erhalt
genauer Informationen sind.
Quota-Verfahren Der Marktforscher findet und befragt eine vorgegebene Anzahl an Proban-
den, die unterschiedliche Merkmale aufweisen und damit die Struktur der
Grundgesamtheit abbilden.
Tabelle 4.4: Unterschiedliche Verfahren zur Stichprobenziehung

Erhebungsinstrumente
Bei der Erhebung von Primärdaten können Marktforscher im Wesentlichen zwischen zwei
Arten von Instrumenten wählen: dem Fragebogen und rein technischen Methoden.
Fragebogen Der Fragebogen ist das mit Abstand am weitesten verbreitete Instrument der
Marktforschung. Grob gesagt, geht es hier um eine Liste von Fragen, die von Befragten per-
sönlich, telefonisch, postalisch, per E-Mail oder online beantwortet werden. Der Fragebogen
ist ein flexibles Instrument und es gibt viele Möglichkeiten, bestimmte Fragen zu stellen. Er
sollte sorgfältig entwickelt und getestet werden, bevor er in großem Maßstab eingesetzt wird.
Bei der Erarbeitung eines Fragebogens muss der Marktforscher entscheiden, welche Fragen
in welcher Form gestellt werden und in welchem Wortlaut und in welcher Reihenfolge sie
auf dem Fragebogen erscheinen. Jede Frage sollte daraufhin überprüft werden, ob sie einen
Beitrag zu den Forschungszielen leistet. Es kommt häufig vor, dass relevante Fragestellungen
fehlen, während solche, die nicht beantwortet werden können oder müssen, enthalten sind.
Die Form, in der eine Frage gestellt wird, kann die Antwort beeinflussen. Man unterscheidet
geschlossene und offene Fragen. Geschlossene Fragen umfassen alle Antwortmöglichkeiten
und der Befragte kann zwischen ihnen auswählen. Dazu gehören auch Multiple-Choice-Fra-
gen und Fragen, die auf eine Bewertungsskala abzielen. Offene Fragen geben dem Probanden
die Möglichkeit, in eigenen Worten zu antworten. Bei einer Befragung von Fluggästen könnte
die Fluggesellschaft Singapore Airlines einfach danach fragen: „Was halten Sie von Sin-
gapore Airlines?“ Sie könnte die Probanden aber auch darum bitten, einen Satz zu vervoll-
ständigen: „Wenn ich mich für eine Fluggesellschaft entscheide, sind die wichtigsten Krite-
rien ...“ Diese und andere Arten von offenen Fragen offenbaren häufig mehr Informationen
als geschlossene Fragen, da die Befragten in ihrem Antwortverhalten nicht eingeschränkt

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4 Marktforschung

werden. Besonders nützlich sind offene Fragen in der explorativen Forschung, wenn der
Marktforscher herauszufinden versucht, was Menschen denken, und nicht, wie viele
Befragte einer bestimmten Meinung sind. Geschlossene Fragen haben auf der anderen Seite
den Vorteil, dass ihre Antworten einfacher zu interpretieren und auszuwerten sind.
Die Formulierung der Fragen sollte einfach, direkt und unmissverständlich sein. Auch die
Reihenfolge der Fragen ist wichtig. Die erste Frage sollte ein gewisses Interesse beim Intervie-
wpartner wecken. Schwer zu beantwortende oder sehr persönliche Fragen sollten erst am
Ende des Interviews gestellt werden, damit der Proband nicht von vornherein eine defensive
Haltung einnimmt. Die Fragen sollten in logischer Reihenfolge gestellt werden. Sehen wir
uns mögliche Frageformen am Beispiel einer Fluggesellschaft an.

Exkurs: Fragebogen der SAS – Scandinavian Airlines System

Bezeichnung Beschreibung Beispiel

A. Geschlossene Fragen
Ja-/Nein-Frage Mögliche Antworten „Ja“ oder Haben Sie diesen Flug selbst gebucht?
„Nein“ Ja
Nein
Multiple-Choice-Frage Drei oder mehr Antworten Wer begleitet Sie auf diesem Flug?
möglich Keine Begleitung
Ehegatte
Ehegatte und Kinder
Nur Kinder
Geschäftspartner
Mitarbeiter
Freunde
Verwandte
Likert-Skala Aussage, zu der Zustimmung Aussage: „Kleine Fluglinien bieten besseren
oder Ablehnung anhand einer Service als große.“
Skala ausgedrückt werden soll 1 Stimme vollkommen zu
2 Stimme zu
3 Unentschieden
4 Lehne ab
5 Lehne vollkommen ab
Semantisches Differential Bipolare Skala, auf der der Stimulus: „Die Fluglinie SAS ist ...“
Befragte den Punkt auswählt, 3 modern
der am ehesten die Richtung 2
und Stärke seiner Einschätzung 1
widerspiegelt 0
1
2
3 altmodisch
Tabelle 4.5: Mögliche Frageformen bei der Fragebogengestaltung

216
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4.5 Marktforschung

Bezeichnung Beschreibung Beispiel

A. Geschlossene Fragen
Bedeutungsskala Antwortskala von „überhaupt „Die Verpflegung während eines Flugs ist
nicht wichtig“ bis „extrem für mich ...“
wichtig“ 1 extrem wichtig
2 sehr wichtig
3 ziemlich wichtig
4 nicht sehr wichtig
5 überhaupt nicht wichtig
Bewertungsskala von „hervorragend“ bis „Die Verpflegung auf den Flügen der SAS ist
„schlecht“ ...“
1 hervorragend
2 sehr gut
3 gut
4 ausreichend
5 schlecht
Kaufabsichtsskala Skala, mit der der Befragte „Wenn man vom Flugzeug aus telefonieren
seine Kaufabsicht abbildet könnte, würde ich das ...“
1 bestimmt tun
2 wahrscheinlich tun
3 kann ich nicht sagen
4 wahrscheinlich nicht tun
5 ganz bestimmt nicht tun

B. Offene Fragen
Vollständig unstrukturiert Lässt sich auf unendlich viele „Welche Meinung haben Sie über die Flugli-
Arten beantworten nie SAS?“
Assoziationsfrage Worte werden genannt und die „Was fällt Ihnen ein, wenn Sie Folgendes
Probanden sollen ihre ersten hören:“
Assoziationen mit diesen Fluglinie
Begriffen benennen. SAS
Reisen
Satz ergänzen Der Befragte soll einen unvoll- „Wenn ich mich für eine Fluglinie ent-
ständigen Satz zu Ende führen. scheide, ist meine wichtigste Überlegung,
...“
Geschichte abschließen Eine Geschichte ist unvollstän- „Vor einigen Tagen flog ich mit SAS. Das
dig wiedergegeben. Die Ver- Flugzeug war außen und innen in sehr hel-
suchsperson wird gebeten, sie len und freundlichen Farben gehalten.
abzuschließen. Dadurch kamen mir folgende Gedanken und
Gefühle in den Sinn: ...“ Schließen Sie diese
Geschichte ab!

217
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4 Marktforschung

Bezeichnung Beschreibung Beispiel


Bildergänzung Zwei Personen im Cartoon-Stil Zwei Sitznachbarn im Flugzeug. Der erste
sind mit Sprechblasen gezeich- sagt zu seinem Nachbarn: „Ah, hier kommt
net. Die eine sagt oder behaup- das Essen.“ Tragen Sie bitte ein, was Ihrer
tet etwas, die andere Meinung nach der zweite Reisende antwor-
Sprechblase ist leer. Die Ver- ten wird.
suchsperson wird gebeten, sich
in die zweite Person hineinzu-
denken und eine Antwort zu
ergänzen.
Assoziationstest Ein Bild wird gezeigt und die „Bitte beschreiben Sie, was Ihrer Meinung
Versuchsperson soll eine nach im Bild gerade geschieht.“
Geschichte darüber schreiben,
was ihrer Meinung nach im Bild
gerade geschieht.
Tabelle 4.5: Mögliche Frageformen bei der Fragebogengestaltung (Forts.)

Die ausgefüllten Fragebögen werden auf Fehlerfreiheit und Vollständigkeit hin überprüft und
die enthaltenen Antworten für die weitere elektronische Verarbeitung codiert. Mithilfe
mathematisch-statistischer Verfahren werden Häufigkeiten, Mittelwerte und andere statisti-
sche Größen berechnet.
Technische Methoden Obwohl Fragebögen das am häufigsten verwendete Instrument sind,
werden auch andere, rein technische Methoden eingesetzt, um Erkenntnisse über das Ver-
braucherverhalten zu gewinnen. Durch sie lassen sich beispielsweise Informationen zur
Reichweite und Kontakthäufigkeit von Kampagnen über das Fernsehen, Internet und mobile
Endgeräte erheben. Marktforschungsunternehmen wie Nielsen (nielsen.com) erfassen scan-
nerbasierte Verkaufszahlen in Tausenden von Einzelhandelsgeschäften, um Erkenntnisse
über das Kaufverhalten zu gewinnen.
Andere Methoden messen die physikalischen Reaktionen der Probanden. Scanner-Kassen
geben zwar Auskunft darüber, was Kunden gekauft haben, nicht aber darüber, warum sie
etwas gekauft oder eben nicht gekauft haben. Um diese Informationen zu erhalten, setzen
Marktforscher immer häufiger Blickregistrierungssysteme ein.
Spezielle Blickregistrierungssysteme (Eye-Tracker) helfen Marktforschern, das Einkaufs-,
Such- und Orientierungsverhalten von Verbrauchern am Point of Sale zu verstehen. Dadurch
lassen sich wichtige Erkenntnisse zur Optimierung von Produktplatzierungen, Verpackungs-
designs oder auch die Wahrnehmung und Auswirkung von PoS-Materialien (Displays, Regal-
Stopper, Preisauszeichnungen etc.) gewinnen.
Probanden erhalten zu Beginn ihres Einkaufs eine Eye-Tracking-Brille, die sämtliche Blickbe-
wegungen digital aufzeichnet, indem die Pupillenbewegungen über Infrarotstrahlen erfasst
werden. Dadurch lässt sich anschließend analysieren, welche Produkte und visuellen Ele-
mente im Regal wahrgenommen werden und welchen Einfluss dies auf die unterschiedli-
chen Phasen im Kaufentscheidungsprozess hat.

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4.5 Marktforschung

Abbildung 4.5: Blickregistrierungssysteme helfen Marktforschern, das Einkaufs-, Such- und Orientierungsverhalten von Ver-
brauchern am Point of Sale zu verstehen.
(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von © www.delphin-media.de)

Der große Vorteil des Eye-Trackings ist, dass jede noch so kleine Blickbewegung dokumen-
tiert und visualisiert werden kann. Diese Erkenntnisse ließen sich durch Befragungen nicht
erheben. Probanden wären schlichtweg nicht in der Lage, sich an einzelne Blickverläufe zu
erinnern und könnten keine detaillierte Auskunft darüber geben, was sie innerhalb einer
Kaufentscheidung wahrgenommen und vor allen Dingen nicht wahrgenommen haben.

Marketing-Highlight: Eye-Tracking

Menschen geben Werbemaßnahmen oder Webseiten häufig nur wenige Sekunden oder
gar nur Sekundenbruchteile Zeit, eine Botschaft zu überbringen. Bilder werden nur kurz
betrachtet und Texte meist nur flüchtig gelesen. Gleichzeitig steigen sowohl analoge als
auch digitale Reize in unserer Umgebung – sei es durch eintreffende Nachrichten am
Mobiltelefon, Werbebotschaften auf Websites als auch zum Beispiel Plakatwände ent-
lang unserer Straßen.
Werbetreibende Unternehmen haben es folglich immer schwerer, die Aufmerksamkeit
der Verbraucher für ihre Botschaft zu gewinnen.
Doch wie wirkt Werbung und was sind die Erfolgsfaktoren bei der Gestaltung von Wer-
bemedien, Unternehmenswebsites, mobilen Apps oder auch unterschiedlichen Pro-
duktplatzierungen in den Regalen der Einzelhändler vor Ort?

219
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4 Marktforschung

Durch die Eye-Tracking-Methode lassen sich die fixierten Punkte (Fixationen) und
Blickbewegungen (Sakkaden) des Gesehenen der Probanden digital abbilden und analy-
sieren, indem die Pupillenbewegungen mit der Hilfe von Infrarotstrahlen durch Infra-
rotkameras erfasst werden. Bei der Durchführung solcher Experimente sitzen Proban-
den entweder vor einem stationären Eye-Tracker oder tragen ganz bequem eine mobile
Eye-Tracking-Brille, mit der sie sich während der Aufzeichnung ihres Blickverlaufs frei
bewegen können. So lassen sich aufschlussreiche Erkenntnisse darüber gewinnen, wel-
chen Objekten besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird und welche gegebenenfalls
gar nicht wahrgenommen werden. Die Kenntnis liefert für werbetreibende Unterneh-
men und forschende Institutionen wichtige Informationen.
Die Relevanz dieser Untersuchungen für die Unternehmenspraxis lässt sich an einem
einfachen Beispiel darstellen. Es wurde untersucht, wie Banner auf einer Website wahr-
genommen werden und wie sich die Wahrnehmung auf die Kaufintention des beworbe-
nen Produkts auswirkt. Um eine möglichst realistische Situation zu erzeugen, erhielten
die Testpersonen eine Ablenkungsaufgabe: Sie mussten auf der Seite eine bestimmte
verbale Phrase finden. Während der Aufgabenerfüllung wurden mithilfe eines Eye-Tra-
cking-Systems die Blickverläufe aufgezeichnet. Es stellte sich dabei heraus, dass ca. 75
Prozent der Testpersonen den Banner nicht einmal kurzzeitig fixierten. Dieses Ergebnis
wurde auch auf Basis vorhandener Forschungsevidenz erwartet. Überraschend war
jedoch, dass sich bei einem darauffolgenden Produktauswahltest herausstellte, dass der
Banner die spontane Produktwahl beeinflusste, dies aber völlig unabhängig davon war,
ob man den Banner vorher bewusst oder unbewusst wahrgenommen hatte. Ohne
Blickaufzeichnungsgerät hätte man dieses Ergebnis nicht ermitteln können.

Abbildung 4.6: Website mit Banner (Happy-Day als Banner-Produkt) – rechts mit einzelnen Blickpfaden
(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der FH Oberösterreich, Prof. Auinger/Prof. Kindermann)

Eine weitere relevante Anwendung ist der Verpackungstest. Im Regal eines Lebensmit-
telgeschäfts muss ein Produkt wahrgenommen werden, damit es gekauft wird. Aus die-
sem Grund sollte die Verpackung so gestaltet sein, dass es im Mitbewerbsumfeld auch
gesehen wird. Dies kann ebenfalls mit einem Blickaufzeichnungsgerät getestet werden.

220
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4.5 Marktforschung

Somit zeigt sich, wie wichtig es für Unternehmen ist, ihre Kommunikationsmaßnahmen
auch einmal tatsächlich mit der „Kundenbrille“ zu betrachten. Eye-Tracking bietet dabei
vielfältige Möglichkeiten, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und Kontaktpunkte zwi-
schen Unternehmen und Kunden optimal zu gestalten.

Abbildung 4.7: Mobiler Eyetracker von SMI – Messung


(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der FH Oberösterreich, Prof. Auinger/Prof. Kindermann)

Marktforscher aus dem Bereich Neuromarketing gehen noch einen Schritt weiter und bedie-
nen sich der Methoden der Gehirnforschung und medizinischen Diagnostik. Sie nutzen bei-
spielsweise die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) zur bildhaften Darstellung
von Gehirnaktivitäten oder die Elektroenzephalografie (EEG) zur Messung der elektrischen
Gehirnströme von Probanden. Auch Hautwiderstandsmessungen werden durchgeführt, um
die Stärke der psychischen Aktivierung eines Probanden zum Beispiel beim Betrachten eines
Werbespots oder eines Anzeigenmotivs zu messen.
So können unbewusst ablaufende Prozesse und emotionale Zustände erfasst werden, die sich
auf die Kaufentscheidung und Markenwahrnehmung auswirken, aber von Probanden nicht
formuliert werden können. Viele große Unternehmen arbeiten eng mit Marktforschungsun-
ternehmen zusammen, um über Neuromarketing zusätzliche Erkenntnisse darüber zu erlan-
gen, was in den Köpfen der Verbraucher vor sich geht.
eBay nutzt das Neuromarketing, um herauszufinden, was die stärksten positiven Assoziatio-
nen der Verbraucher bei der Verwendung des Online-Zahlungsservice PayPal sind. Die
Gehirnwellen-Forschung hat gezeigt, dass die schnelle Geschwindigkeit von Transaktionen
beim Verbraucher positivere Assoziationen hervorruft als Argumente über Schutz und
Sicherheit von PayPal, die eBay bei vorherigen Werbekampagnen hervorgehoben hat. Durch
diese Erkenntnisse konnte eBay die Kampagnen noch stärker auf die Bedürfnisse der Ver-
braucher ausrichten.

221
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4 Marktforschung

Ein weiteres Beispiel ist die Fachzeitschrift New Scientist. Die Redaktion ließ drei verschie-
dene Designs des Covers einer Ausgabe testen und konnte durch die Erkenntnisse des Neuro-
marketings zwölf Prozent mehr Zeitschriften gegenüber dem Vorjahr verkaufen.
Neuromarketing-Methoden sind durchaus geeignet, Verbraucherverhalten und emotionale
Reaktionen detailliert zu messen. Jedoch liegt die Schwierigkeit in der Interpretation der
Gehirnströme. So sollte Neuromarketing in der Regel in Kombination mit anderen For-
schungsansätzen verwendet werden, um ein vollständigeres Bild von dem, was in den Köp-
fen der Verbraucher vorgeht, zu gewinnen.

4.5.3 Datenerhebung und Datenanalyse


Im nächsten Schritt kann der Marktforscher seinen Plan in Handeln umsetzen. Dazu gehört
die Erhebung, die Aufbereitung und die Analyse der Daten. Die Erhebung der Daten kann
entweder von Marktforschungsspezialisten des eigenen Unternehmens vorgenommen oder –
was häufiger der Fall ist – an entsprechende Institute vergeben werden. Die Erhebung durch
eigene Mitarbeiter hat den Vorteil, dass das Unternehmen einen größeren Einfluss auf die
Durchführung und die Datenqualität ausüben kann. Externe Partner hingegen, die auf die
Erhebung von Daten spezialisiert sind, können die Aufgabe häufig schneller und kostengüns-
tiger durchführen.
Die Datenbeschaffung ist in der Regel der teuerste und für Fehler anfälligste Teil des Markt-
forschungsprozesses. Die Verantwortlichen in der Marktforschungsabteilung des Unterneh-
mens sollten die Feldphase sorgfältig überwachen, damit das Untersuchungsdesign richtig
umgesetzt und Problemen bei der Beantwortung von Fragen vorgebeugt wird. Solche Prob-
leme können auftauchen, wenn befragte Personen unwillig oder unehrlich antworten oder
Interviewer fehlerhaft arbeiten oder sogar manipulieren. Im Anschluss daran müssen die
Marktforscher die erhobenen Daten aufbereiten und analysieren, um wichtige Fakten und
Informationen herauslesen zu können.

4.5.4 Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse


Die Mitarbeiter der Marktforschungsabteilung können nun die Ergebnisse interpretieren,
Schlussfolgerungen ziehen und der Unternehmensleitung berichten. Hier sollten die Spezia-
listen nicht den Fehler machen, die Adressaten mit umfangreichen Zahlendarstellungen und
Statistiken zu überhäufen, sondern schon im Vorfeld die wesentlichen Ergebnisse herausar-
beiten, die das Management in seiner Entscheidungsfindung unterstützen. Die Interpretation
der Daten darf jedoch auch nicht vollständig vorweggenommen werden. Während der Markt-
forscher mit dem Untersuchungsdesign und den statistischen Methoden vertraut ist, wissen
Unternehmensleitung und Marketing mehr über die konkrete Fragestellung und die anste-
henden Entscheidungen. Häufig können Ergebnisse auf unterschiedliche Weise interpretiert
werden und erst die Gespräche zwischen Verantwortlichen aus Marktforschung und Marke-
ting führen zu der richtigen Sichtweise. Die Unternehmensleitung möchte sich meist auch
davon überzeugen, dass die Studien sachgerecht durchgeführt wurden und alle notwendigen
Analysen zur Anwendung kamen. Bei der Betrachtung der Ergebnisse haben viele Marketing-
Manager noch weitere Fragen, die nur mithilfe des Datenmaterials beantwortet werden kön-
nen. Schließlich liegt es bei den Verantwortlichen im Marketing, zu entscheiden, welche
Aktivitäten aus den Untersuchungsergebnissen abgeleitet werden. In einigen Fällen stellen
die Marktforscher den Verantwortlichen im Marketing das Datenmaterial auch direkt zur Ver-
fügung, sodass diese selbst weitere Analysen vornehmen können.

222
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4.5 Marktforschung

Die Interpretation ist eine wichtige Phase im Marketingprozess. Die beste Marktforschung wäre
sinnlos, wenn die Verantwortlichen falsche Schlussfolgerungen blind akzeptieren würden.
Ähnlich verhält es sich, wenn die Interpretationen des Marketingverantwortlichen verzerrt
sind, d.h. er akzeptiert Untersuchungsergebnisse, die seine Erwartungen bestätigen, und weist
solche zurück, die er entweder nicht erwartet oder nicht erhofft hat. Aus diesem Grund sollten
Marktforscher und Marketing-Manager eng zusammenarbeiten und gemeinsam die Verantwor-
tung tragen für den Marktforschungsprozess und die daraus abgeleiteten Ergebnisse.

Marketing-Highlight: Auch Experten können irren

Bevor man sich blind auf die Meinung von Experten verlässt, sollte man sich vor Augen
führen, wie stark ihre Vorhersagen von der Realität abweichen können.

Technologie
 „Alles, was erfunden werden konnte, ist bereits erfunden worden.“ (Der Direktor des
US-Patentamtes 1899)
 „Zugfahrten mit diesen hohen Geschwindigkeiten sind nicht möglich, weil die Rei-
senden nicht atmen können und sofort ersticken würden.“ (Dr. Dioysy Larder, briti-
scher Arzt, 1828 – in dem Jahr, als Stephensons „Rocket“ den Betrieb aufnahm)
 „Kein großes Dampfschiff wird jemals den Atlantik überqueren können, weil es mehr
Kohle brauchen würde, als es transportieren kann.“ (Dr. Dioysy Larder 1859 – zwei
Jahre später überquerte der Dampfer „Great Eastern“ den Atlantik)
 „Ein Flug mit Maschinen schwerer als Luft ist wahrscheinlich nicht möglich.“
(Simon Newcomb, amerikanischer Astronom, 1901 – 18 Monate später gelang den
Gebrüdern Wright der erste Flug mit einem motorgetriebenen Flugzeug)
 „Flugzeuge sind hübsche Spielzeuge, aber ohne jede militärische Bedeutung.“ (Der
französische Marschall Foche 1911)
 „Die Energie, die man aus einem Atom gewinnen könnte, ist zu vernachlässigen.
Jeder, der glaubt, dass man damit eine Energiequelle gefunden hätte, ist ein Träumer.“
(Ernest Rutherford, einer der ersten Atomphysiker nach der Entdeckung der Kern-
spaltung 1919)
 „Meiner Schätzung nach beträgt der Weltmarkt für Computer etwa fünf Geräte.“ (J.
Watson, Chef der IBM im Jahr 1943)
 „Bei einem Unterseeboot kann ich mir nichts anderes vorstellen, als dass die Mann-
schaft erstickt und das Boot zerbricht.“ (H. G. Wells, englischer Schriftsteller, 1902)
 „Für etwa 1980 kann die Menschheit erwarten, dass die gesamte Energie (elektrische
Energie, Atomenergie und Solarenergie) nahezu kostenlos geliefert wird.“ (Henry
Luce, Gründer und Herausgeber der großen US-Zeitschriften Time, Life und Fortune
im Jahre 1956)
 „Nachdem wir schon über 50 ausländische Automarken hier auf dem Markt haben,
wird sich die japanische Autoindustrie sicher keine große Scheibe mehr aus dem
Kuchen des US-Automarkts schneiden können.“ (So kommentierte die Wirtschafts-
zeitschrift Business Week das erste Auftreten japanischer Automobile auf dem US-
Markt 1958)

223
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4 Marktforschung

Unterhaltung
 „Das Fernsehen wird sich auf keinem Markt länger als sechs Monate behaupten kön-
nen. Den Leuten wird es langweilig werden, jeden Abend in so eine kleine Holzkiste
zu starren.“ (Daryl F. Zanuck, Chef der Filmgesellschaft 20th Century Fox, 1946)
 „Er ist ausgesprochen untalentiert und vulgär, was will man uns denn noch alles
anbieten!“ (John Crosby, amerikanischer Fernsehkritiker, über Elvis Presley, 1954)
 „Wir mögen ihren Sound nicht. Gruppen mit Gitarre sind heutzutage einfach out.“
(Die Schallplattenfirma Decca, als sie die Beatles 1962 ablehnte. Auch andere dama-
lige Plattenfirmen lehnten die Beatles ab, bevor sie einen Vertrag mit EMI bekamen)
 „Wenn die siebte Symphonie von Beethoven nicht irgendwie gekürzt wird, wird sie
bald nicht mehr gespielt werden.“ (Philip Hale, Musikkritiker im 19. Jahrhundert)

4.6 Analyse und internes Management von Informationen


Informationen, die durch interne Datenbanken, durch Marketing Intelligence und Marktfor-
schung gewonnen wurden, erfordern in der Regel eine umfassende Analyse, bevor das
Management sie für seine Entscheidungen nutzen kann. Die Datenanalyse kann mithilfe sta-
tistischer Verfahren erfolgen, die Aufschluss über die Beziehungen innerhalb eines Variab-
lensets geben. Eine solche Vorgehensweise erlaubt Managern, über Mittelwerte und Stan-
dardabweichungen der Daten hinauszugehen und Fragen zu Märkten, Marketingaktivitäten
und deren Wirkungen zu beantworten.
Die Analyse von Informationen kann auch eine Anwendung analytischer Modelle beinhal-
ten, die den Marketing-Managern helfen, Customer und Market Insights zu gewinnen und
dadurch bessere Entscheidungen zu treffen. Sobald die Informationen verarbeitet und analy-
siert wurden, müssen diese den entsprechenden Entscheidungsträgern zeitnah zur Verfügung
gestellt werden. In den folgenden Abschnitten werden die Analyse und Verwendung von
Marketinginformationen näher betrachtet.

Customer-Relationship-Management
Das Gestalten von Kundenbeziehungen ist eine zentrale Aufgabe des Marketings. An dieser
Stelle bezieht sich das Customer-Relationship-Management (CRM) insbesondere auf das Dat-
enmanagement und somit auf die Erfassung und Nutzung von Kundendaten aus verschiede-
nen Quellen, um Kundenkontaktpunkte zu gestalten und Kundenbeziehungen aufzubauen.
Es ist sinnvoll, Informationen über sämtliche Kundenkontaktpunkte (Customer-Touchpoints)
zu erfassen. Dies sind beispielsweise Kaufhandlungen, Vertriebskontakte, Service- und Sup-
port-Anrufe, Websitebesuche, Zufriedenheitsumfragen, Zahlungsvorgänge und Markt-
forschungsstudien, also jeder Kontaktpunkt zwischen Kunden und Unternehmen.
Die Frage, wie man diese individuellen Kundendaten am besten analysiert und nutzt, stellt
Unternehmen vor gewisse Herausforderungen. Die meisten Unternehmen werden mit Infor-
mationen über ihre Kunden überflutet. Zudem sind diese Informationen in der Regel über
die gesamte Organisation verstreut und in separaten Datenbanken unterschiedlicher
Unternehmensbereiche abgelegt. Um die Informationen unternehmensweit zugänglich zu
machen, verfolgen heute immer mehr Unternehmen den Ansatz des Customer-Relationship-

224
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
4.6 Analyse und internes Management von Informationen

Managements. Im Rahmen dessen sollen detaillierte Informationen über individuelle Kun-


den abgebildet, Kundenkontaktpunkte gestaltet und die Kundenloyalität erhöht werden.
CRM-Systeme basieren auf einer hoch entwickelten Software und Analyse-Tools, die
Kundeninformationen aus sämtlichen Quellen integrieren und analysieren, um aus den
gewonnenen Erkenntnissen stärkere Kundenbeziehungen aufzubauen. Sie beinhalten rele-
vante Informationen, die der Vertrieb, die Service- und Marketingabteilung über einzelne
Kunden wissen sollten, um einen 360-Grad-Blick auf die Kundenbeziehung zu erhalten.
CRM-Analysten entwickeln Data Warehouses und verwenden ausgefeilte Data-Mining-Tech-
niken, die es ermöglichen, interessante Erkenntnisse über die Kunden aus der Fülle von
Daten zu gewinnen. Ein Data Warehouse ist eine zentrale, unternehmensweite elektronische
Datenbank mit detaillierten Kundeninformationen aus verschiedenen Quellen. Große Men-
gen an Informationen können darin gespeichert, verwaltet und abgerufen werden.
Verdichtet führen diese Informationen oft zu verblüffenden Erkenntnissen für das Marketing.
So lässt sich beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel feststellen, dass die Nachfrage
nach bestimmten Produkten je nach Wetterlage um bis zu 300 Prozent am Tag variieren kann.
In Großbritannien hat die Handelskette Tesco herausgefunden, dass an heißeren Tagen oder
an Tagen mit mehr Sonnenstunden der Absatz von Fertigsalat um 19 Prozent steigt, während
der Absatz von Brokkoli sinkt. Auch Walmart profitiert von vorhandenen Daten und nutzt
die Erkenntnisse für Marketingentscheidungen. Als vor einigen Jahren der Hurrikan Ivan auf
die Küste Floridas zustürmte, wusste der Handelsriese genau, was die Kunden im Einzugs-
gebiet des Hurrikans kaufen würden. „Strawberry Pop-Tarts“, ein in den USA sehr beliebtes
süßes Teiggebäck mit Erdbeerfüllung. Durch die Analyse der Vertriebsdaten vergangener
Jahre konnte ermittelt werden, dass Kunden unmittelbar vor dem Eintreffen von Wirbelstür-
men ihren Vorrat an Pop-Tarts erhöhen, da sie nicht gekühlt oder gekocht werden müssen.
Beispiele für die aktive Teilnahme von Kunden am CRM-Prozess sind die weitverbreiteten
Kunden- und Treuekarten. Diese dienen nicht nur der Kundenbindung, sondern ermöglichen
es auch, individuelle Profile über das Kaufverhalten, Vorlieben oder allgemeine Trends zu
erstellen. Durch den Einsatz von CRM lernen Unternehmen ihre Kunden noch besser verste-
hen. Sie können ein höheres Maß an Kundendienst bieten und stärkere Kundenbeziehungen
aufbauen. Auch lassen sich potenzialreiche Kunden identifizieren und diesen Cross- und
Up-Selling-Produkte sowie weitere Angebote unterbreiten, die auf die spezifischen Kunden-
bedürfnisse zugeschnitten sind.
Neben den vielen Chancen durch CRM sollten jedoch auch die entstehenden Kosten und
möglichen Risiken berücksichtigt werden. Sei es bei der Erhebung der Kundendaten oder bei
deren Bereitstellung und Analyse. Der häufigste Fehler ist, CRM nur als Technologie bzw.
Software-Lösung zu begreifen. Durch die technischen Möglichkeiten allein lassen sich noch
keine profitablen Kundenbeziehungen aufbauen. Auch wird ein Unternehmen nicht die
Kundenbeziehungen verbessern, indem es lediglich eine neue CRM-Software installiert. Als
der CRM-Ansatz in den frühen 2000er-Jahren populär wurde, stürzten sich viele Unterneh-
men übereilt und mit zu ambitionierten Erwartungen auf das Thema und installierten CRM-
Programme, die nicht selten zu enttäuschenden Ergebnissen und fehlerhaften Anwendungen
führten.
CRM funktioniert in der Regel nur, wenn es als Teil einer übergeordneten Kundenbeziehungs-
management-Strategie verstanden wird. „Es gibt viel Gerede über CRM und heutzutage geht es
dabei in der Regel auch um eine Softwarelösung“, sagt ein Analyst. Aber Marketingverant-
wortliche sollten sich zunächst mit den „Grundsätzen des tatsächlichen Kundenbeziehungs-

225
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4 Marktforschung

managements vertraut machen – und anschließend zu Hightech-Lösungen greifen“. Sie sollten


sich zunächst auf das „R“ von CRM konzentrieren, denn das steht für die Beziehung (Relation-
ship), um die es beim Customer Relationship Management geht.

4.7 Verbreitung und Nutzung von Marketinginformationen


Marketinginformationen bleiben so lange wertlos, bis sie von Führungskräften eingesetzt
werden, um bessere Entscheidungen zu erarbeiten. Dazu müssen die von der Marktforschung
zusammengetragenen Informationen dem richtigen Marketingverantwortlichen zur richtigen
Zeit vorgelegt werden.
Häufig verfügen Unternehmen über zentralisierte Marketing-Informationssysteme, welche
die Entscheidungsträger im Marketing mit Leistungsdarstellungen und Aktualisierungen von
Daten und Berichten über laufende Studien versorgen. Die Führungskräfte benötigen diese
Routineberichte, um Entscheidungen über die Planung, Durchführung und Kontrolle der
Marketingaktivitäten zu treffen. Aber Marketing-Manager brauchen auch Informationen, die
über diese Routine hinausgehen. Dies gilt in erster Linie für besondere Situationen und Ent-
scheidungen, die umgehend getroffen werden müssen. Ein Verkaufsleiter kann zum Beispiel
mit einem großen Kunden Schwierigkeiten haben und möchte aus diesem Grunde schnell
eine Zusammenfassung der Umsatz- und Gewinnzahlen der letzten Jahre einsehen. Oder der
Leiter eines Kaufhauses hat den aktuellen Bestseller ausverkauft und wüsste gerne, ob er aus
den Häusern in anderen Städten kurzfristig Ware beziehen könnte.
Die Entwicklungen in der Informationstechnologie haben auch die interne Verteilung von
Informationen revolutioniert. Mit den Fortschritten bei Computern, Software und Telekom-
munikation haben die meisten Unternehmen ihre Marketing-Informationssysteme dezentrali-
siert und stellen die Informationen durch das Intranet und das interne CRM-System des
Unternehmens bereit. Das interne Informationssystem bietet einfachen Zugang zu Marktfor-
schungsinformationen, Berichten, gemeinsam genutzten Dokumenten, Kontaktdaten für Mit-
arbeiter und andere Stakeholder etc.
Cablecom, der größte Kabelnetzbetreiber der Schweiz, stellte zum Beispiel fest, dass unzu-
friedene Kunden in der Regel nach etwa neun Monaten kündigten. Daher entwickelte Cable-
com ein Feedback-Programm, das gezielt Personen selektierte, die seit sieben Monaten Kunden
waren. Die Daten aus dem Programm wurden untersucht und mehr als einhundert Indikatoren
für Kundenabwanderung identifiziert. Welche Indikatoren das genau waren, ist ein streng
gehütetes Geheimnis des Unternehmens, aber sie haben es ermöglicht, wechselwillige Kunden
zu identifizieren. So konnte das „Kundenbindungsteam“ aktiv werden, bevor es zu einer Kün-
digung aufgrund von Unzufriedenheit kam. Erste Studien haben gezeigt, dass es Cablecom
dadurch gelang, die Kündigungsrate von 19 Prozent auf knapp 2 Prozent zu reduzieren.
Darüber hinaus gestatten immer mehr Unternehmen ihren wichtigsten Kunden auf Nachfrage
den Zugriff auf ihre Kundendaten über das Extranet. Lieferanten, Kunden, Vertriebspartner
und andere ausgewählte Mitglieder des Netzwerks können auf das Extranet des Unternehmens
zugreifen, um ihr Benutzerkonto zu aktualisieren, Käufe durchzuführen und Liefertermine zu
prüfen. Zum Beispiel ermöglicht ein Versicherungsunternehmen seinen 200 unabhängigen Ver-
triebsmitarbeitern Zugang zu einer webbasierten Datenbank mit Versicherungsfällen von einer
Million Kunden. Dies erlaubt den Mitarbeitern, die Annahme von Kunden mit hohem Risiko
zu vermeiden und Daten zu den Versicherungsfällen mit der eigenen Kundendatenbank abzu-
gleichen.

226
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4.8 Marktforschung in kleinen und mittleren Unternehmen und Non-Profit-Organisationen

Dank der neuen Technologien haben Marketing-Manager in vielen Unternehmen heutzutage


einen direkten Zugang zu dessen Netzwerk, direkt am Arbeitsplatz oder unterwegs über ihr
Notebook oder Smartphone. Dies gilt zu jedem Zeitpunkt und beinahe von jedem Aufent-
haltsort aus. Das Internet macht es möglich, dass Manager aus dem Home-Office, im Hotel-
zimmer, immer häufiger sogar aus dem Flugzeug via Notebook Informationen aus den Unter-
nehmensdatenbanken oder Daten von externen Informationsdiensten abrufen können.
Solche Systeme ermöglichen es, die benötigten Informationen direkt und schnell abzurufen
und für den jeweiligen Verwendungszweck aufzubereiten. Ortsunabhängig können sie also
Unternehmensinformationen einholen, diese mithilfe statistischer Methoden analysieren
und aufbereiten, Präsentationen und Berichte erstellen und mit anderen über das elektroni-
sche Netzwerk kommunizieren.

4.8 Marktforschung in kleinen und mittleren Unternehmen


und Non-Profit-Organisationen
Die Methoden der Marktforschung sind nicht nur großen Unternehmen vorbehalten. Viele
der hier vorgestellten Ansätze lassen sich in vereinfachter Form auch kostengünstig von klei-
neren Unternehmen anwenden. Es kann zunächst sehr nützlich sein, das eigene Umfeld
genau zu beobachten. Die Standortentscheidung eines Einzelhändlers für eine neue Filiale
kann durchaus darauf basieren, dass der Inhaber mehrere Stunden lang den Fußgänger- und
Fahrzeugverkehr am neuen Standort beobachtet hat. Zur Konkurrenzbeobachtung gehört es,
täglich die relevanten Medien und das Internet auf Anzeigen und Beiträge über die Konkur-
renten hin durchzusehen. Die Einrichtung eines Google-Alerts (google.de/alerts), mit dem
sich auch kleinere Unternehmen und Non-Profit-Organisationen über neue Inhalte im Web
informieren lassen können, stellt dabei eine Möglichkeit dar. Dabei werden zunächst Such-
begriffe (eigenes Unternehmen, Wettbewerber, Marken, Produktbezeichnungen etc.) definiert
und die relevanten Quellen (Web, News, Blogs, Videos, Diskussionen etc.) bestimmt.
Anschließend erhält der Informationssuchende im gewünschten Intervall (bei jeder Neuig-
keit, täglich, wöchentlich) eine E-Mail mit den Suchergebnissen zugestellt.
Der Einstieg in das Social-Media-Monitoring kann durch kostenlose Tools, Testversionen
oder die Basisversionen kostenpflichtiger Anbieter, wie beispielsweise socialmention (social-
mention.com) oder talkwalker (talkwalker.com), erfolgen. Dadurch haben auch bisher wenig
aktive Unternehmen bzw. Unternehmen ohne entsprechendes Budget die Möglichkeit, sich
zunächst mit den Grundlagen des Social-Media-Monitoring vertraut zu machen.
Der Struktur der Kundschaft kann man sich nähern, indem man Kunden im Geschäft beob-
achtet und gegebenenfalls in Gespräche verwickelt. Wertvolle Informationen über die Kon-
kurrenten erhalten Geschäftsinhaber auch bei den Treffen der Innungen, der örtlichen Indus-
trie- und Handelskammern usw., wenn sie diese Konkurrenten in geselliger Runde treffen.
Der Leiter eines örtlichen Museums kann informelle Umfragen durchführen, indem er treue
Besucher zu Diskussionsrunden in örtliche Lokale einlädt, damit diese im Gespräch nützli-
ches Feedback geben. Mitarbeiter von Krankenhäusern können ihre Patienten befragen, wel-
che Wünsche sie haben und wie zufrieden sie mit der Betreuung sind.
Inzwischen gibt es auch viele Initiativen, die sich darum bemühen, kleinen und mittleren
Unternehmen die gleichen Informationen zugänglich zu machen, die Großunternehmen zur
Verfügung stehen. Solche Informationen sind bei den Industrie- und Handelskammern
(dihk.de), bei den Wirtschaftsministerien des Bundes und der Länder, in den Medien, an

227
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4 Marktforschung

Hochschulen und bei berufsständischen Zusammenschlüssen wie zum Beispiel dem VDI
(Verein Deutscher Ingenieure, vdi.de) oder dem HDE (Handelsverband Deutschland, einzel-
handel.de) erhältlich. Eine Übersicht der deutschen Verbände findet man auf dem Informati-
onsportal „Deutsches Verbände Forum“ (verbaende.com). Statistiken und umfangreiche Pub-
likationen lassen sich außerdem über Destatis (Statistisches Bundesamt, destatis.de) und
Eurostat (ec.europa.eu) beziehen.
Auch kleinere Unternehmen und Non-Profit-Organisationen können somit erkenntnisreiche
Customer und Market Insights durch Beobachtungen oder informelle Umfragen gewinnen.
Außerdem können sie sich viele Informationen kostengünstig über das Internet beschaffen,
indem sie z.B. Webseiten von Konkurrenten oder Kunden besuchen oder über Suchmaschi-
nen zielgerichtet nach bestimmten Themen recherchieren. Das lässt sich auch durch kosten-
lose oder günstige Software automatisieren. Durch einen WebSite-Watcher lassen sich Websi-
tes von Wettbewerbern oder Kunden automatisch auf Updates und Änderungen (z.B. News,
Pressemitteilungen etc.) überprüfen. So können effizient Hunderte Websites im Auge behal-
ten werden, ohne diese ständig selbst zu überwachen.

Abbildung 4.8: Kleinere Unternehmen und Non-Profit-Organisationen können auf Websites recherchieren, Suchmaschinen
oder auch entsprechende Software einsetzen.
(Quelle: JohnnyGreig / shutterstock.com)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erhebung von Sekundärdaten und das Durch-
führen von Beobachtungen, Umfragen oder Experimenten auch für kleinere Organisationen
mit geringem Budget möglich sind. Doch auch wenn Komplexität und Kosten hier geringer
sind, müssen die Verantwortlichen sich im Vorfeld sorgfältig über Ziele, Forschungsfragen
und den Untersuchungsplan Gedanken machen und systematisch vorgehen.

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4.9 Internationale Marktforschung

4.9 Internationale Marktforschung


Die Globalisierung der Unternehmenstätigkeit ließ auch die Aufgaben, denen sich Führungs-
kräfte gegenübersehen, anwachsen. Viele Entscheidungsträger müssen heute Kampagnen
über Ländergrenzen hinweg in mehreren Ländern simultan durchführen. In der internationa-
len Marktforschung beginnt man damit, deren Aufgabe zu definieren und einen Marktfor-
schungsplan zu erstellen. Jedoch trifft man bei der internationalen Marktforschung häufig auf
mehr und vielfältigere Aufgaben als bei rein nationalen Studien. National tätige Marktfor-
scher haben es mit relativ homogenen Märkten innerhalb eines einzigen Landes zu tun. Inter-
nationale Marktforscher beschäftigen sich mit Märkten in vielen verschiedenen Ländern.
Diese andersartigen Märkte variieren oft sehr stark, was ihren wirtschaftlichen und techni-
schen Entwicklungsstand, ihre Kultur, ihre Sitten und ihr Kaufverhalten angeht. Sekundär-
daten sind in vielen dieser Länder nur schwer zu erhalten und Primärdaten können gelegent-
lich noch größere Probleme aufwerfen.
Einige der größten internationalen Marktforschungsinstitute agieren weltweit in vielen Län-
dern. Zum Beispiel hat The Nielsen Company Niederlassungen in über 100 Ländern und
beschäftigt weltweit ca. 40.000 Mitarbeiter. Die Mehrzahl der Marktforschungsinstitute ist
jedoch nur in einigen wenigen Ländern tätig. Selbst wenn dort Sekundärdaten erhältlich
sind, müssen sie aus vielen unterschiedlichen Quellen und Land für Land beschafft werden.
Dies erschwert die Zusammenfassung und den Vergleich von Informationen.
Aufgrund nicht vorhandener verlässlicher Sekundärdaten müssen international tätige Markt-
forscher häufig eigene Primärdaten erheben und zusammenstellen. Auch dabei treten Probleme
auf, die man hierzulande oft nicht kennt. Wie soll man eine Stichprobe zusammenstellen, wenn
es im Gastland keine aktuellen Telefonverzeichnisse, E-Mail-Listen, Volkszählungsdaten, kein
nationales statistisches Jahrbuch und keine der anderen Quellen für sozioökonomische Daten
gibt? Solche Informationen fehlen tatsächlich noch in vielen Ländern.
Sobald die Stichprobe festgelegt ist, können die Forscher in den entwickelten Volkswirt-
schaften die meisten Befragten in der Regel bequem per Telefon, per E-Mail, über das Internet
oder persönlich kontaktieren. In anderen Teilen der Welt ist das Erreichen der Befragten oft
nicht so einfach. Insbesondere in Ländern, in denen nur wenige Menschen über Telefone
oder PCs verfügen. Da sich die Marktforscher unter diesen Bedingungen nicht auf die Date-
nerhebung per Telefon, Internet und E-Mail verlassen können, erfolgt ein Großteil der Erhe-
bung dann von Tür zu Tür und konzentriert sich auf drei oder vier der größten Städte.
Während in Deutschland und Großbritannien mehr als 83 Prozent der Menschen einen Inter-
netzugang haben, sind es in Armenien zum Beispiel nur 7 Prozent.4 In einigen Ländern ist
auch die Postzustellung unzuverlässig. In Brasilien zum Beispiel werden geschätzte 30 Pro-
zent der Briefsendungen nicht zugestellt. Schlechte Straßen und unterentwickelte Transport-
systeme machen es in Schwellen- und Entwicklungsländern nahezu unmöglich, entlegene
Regionen zu erreichen, sodass persönliche Interviews schwierig durchzuführen und mit
hohen Kosten verbunden sind. Marktforschung nach unserem Verständnis ist dort nicht
denkbar.
Kulturelle und sprachliche Unterschiede bilden weitere Hindernisse für international tätige
Marktforscher. Fragebögen müssen beispielsweise zunächst übersetzt werden. Für die Aus-
wertung bedarf es dann einer Rückübersetzung der Antworten. Diese Vorgehensweise ist

4 Siehe http://data.worldbank.org/data-catalog/world-development-indicators? cid=GPD_WDI, Zu-


griff Oktober 2015.

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4 Marktforschung

nicht nur teuer, sondern birgt auch viele Fehlerquellen in sich. Selbst innerhalb eines Landes
kann die Sprache zum Problem werden. In Indien zum Beispiel ist Englisch zwar die
Geschäftssprache, aber die Menschen dort könnten eine der 14 Sprachen jeweils mit ver-
schiedenen Dialekten als „Erstsprache“ sprechen.
Die Übersetzung von Fragebögen ist nicht einfach. Feinheiten gehen verloren, weil viele Aus-
drucksweisen oder Redensarten in unterschiedlichen Kulturen abweichende Bedeutungen
haben. Ein dänischer Marktforscher empfiehlt einen Test, um sich dies zu veranschaulichen,
indem unterschiedliche Übersetzer den Fragebogen in die fremde Sprache und zurück in die
heimische Sprache übersetzen. Bei der dänisch-englisch-dänischen Übersetzung auf diese
Art sei beispielsweise aus der Redensart „Aus den Augen, aus dem Sinn“ („out of sight, out
of mind“) die Formulierung „Unsichtbare Dinge sind ungesund“ („invisible things are
insane“) geworden.
Die Rolle der Käufer und der Ablauf des Kaufentscheidungsprozesses sind von Land zu Land
sehr unterschiedlich. Auch die Einstellung gegenüber der Marktforschung mag variieren: In
einem Land kann große Bereitschaft bestehen, eine Frage zu beantworten, in einem anderen
könnte die Bevölkerung sehr verschlossen gegenüber derartigen Fragestellungen sein.
Wie sollte zum Beispiel eine Umfrage zu Hygiene und Kosmetik bei jungen Frauen in einem
orthodox islamischen Land durchgeführt werden? In anderen Ländern empfindet man Fra-
gen zu Shampoo und Deodorant als zu persönlich, um mit Fremden oder in der Öffentlich-
keit darüber zu sprechen. Aber selbst wenn eine Antwortbereitschaft besteht, sind z.B. Men-
schen auf Märkten mit einem hohen Anteil an Analphabeten oft einfach nicht in der Lage zu
antworten. Bevölkerungsgruppen, die sich selbst als Mittelklasse ansehen, machen bei Befra-
gungen oft falsche Angaben, um sich besser darzustellen. Bei einer Marktstudie in Indien
gaben beispielsweise 70 Prozent der Befragten mit mittlerem Einkommen an, bestimmte nati-
onale Teemarken zu konsumieren. Die Anbieter wussten, dass diese Zahl nicht richtig sein
konnte, lag doch ihr Marktanteil deutlich darunter, der überwiegende Teil des in Indien ver-
kauften Tees sind marken- und namenlose Produkte.
Trotz dieser Schwierigkeiten hat mit dem Wachstum des internationalen Handels auch die
internationale Marktforschung beträchtlich zugenommen. Global tätige Unternehmen haben
keine andere Wahl, als Marktforschung, soweit sie möglich ist, zu betreiben. Trotz hoher Kos-
ten und großer Anstrengungen werden offensichtliche Fehlentscheidungen und versäumte
Gelegenheiten als noch teurer als die aufwendige Marktforschung eingeschätzt. Mit zuneh-
mender Praxis und Erfahrung können die nunmehr erkannten Schwierigkeiten immer häufi-
ger vermieden oder überwunden werden.

4.10 Marktforschung und Ethik


Von den meisten Marktforschungsuntersuchungen profitieren das beauftragende oder selbst
forschende Unternehmen und auch dessen Kunden. Durch Marktforschung gewinnen Unter-
nehmen Erkenntnisse über die Bedürfnisse der Verbraucher, wodurch sie bessere Produkte
und Dienstleistungen anbieten und somit die Kundenbeziehungen stärken können. Der Miss-
brauch von Marktforschung kann die Beziehung zu Verbrauchern dagegen auch schädigen
und diese verärgern. So gehört es zu den ethischen Grundprinzipien der Marktforschung,
dass die Privatsphäre der Probanden gewahrt wird und personenbezogene Daten aus For-
schungsergebnissen zu keinem anderen Zweck missbraucht werden.

230
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4.10 Marktforschung und Ethik

4.10.1 Eindringen in die Privatsphäre


Viele Verbraucher denken positiv über Marktforschung und sind davon überzeugt, dass sie
einem nützlichen Zweck dient. So beteiligen sie sich gerne an Befragungen und äußern ihre
Meinungen. Andere dagegen sind sehr kritisch und misstrauisch gegenüber Marktforschung
und lassen sich nur ungern von Forschern kontaktieren. Sie befürchten, dass Marketingver-
antwortliche riesige Datenbanken voller persönlicher Informationen über ihre Kunden auf-
bauen wollen. Manche haben sogar den Verdacht, dass Marktforscher ausgeklügelte Techni-
ken benutzen, um ihre verborgenen Gefühle zu ergründen, sie unbemerkt beim Einkauf
beobachten oder Gespräche belauschen, um dieses Wissen dann zur Manipulation ihres
Kaufverhaltens einzusetzen.
Einige Verbraucher sind offensichtlich in der Vergangenheit mit sogenannten Marktforschungs-
projekten konfrontiert worden, die dann tatsächlich mit Verkaufsversuchen endeten. Andere
Testpersonen verwechseln möglicherweise seriöse Marktforschung mit Telefonmarketing oder
dem Aufbau von Datenbanken und sagen schon „Nein“, bevor das Interview überhaupt
beginnt. Die meisten ärgern sich jedoch einfach über das Eindringen in die Privatsphäre, über
Anrufe zu unpassenden Zeiten und über zu lange oder zu persönliche Befragungen.
Es gibt kaum einfache Antworten, wenn es um Marketingforschung und die Privatsphäre
geht. Ist es beispielsweise gut oder schlecht, wenn Marketingverantwortliche das Klickver-
halten von Verbrauchern auf Websites verfolgen und analysieren oder gezielt Anzeigen auf
Basis der Surfgewohnheiten oder des Social-Media-Verhaltens schalten? Ist es legitim, wenn
Unternehmen Verbraucherdiskussionen auf YouTube, Facebook, Twitter oder anderen öffent-
lichen sozialen Netzwerken überwachen, um schneller reagieren zu können?
Steigender Unmut der Verbraucher hat sich in den letzten Jahren zu einem großen Problem
für die Marktforschungsbranche entwickelt und zu sinkenden Rücklaufquoten und einer
geringeren Teilnahmebereitschaft bei Erhebungen geführt. So stehen Unternehmen heute vor
der Herausforderung, einerseits wichtige, aber potenziell sensible Verbraucherdaten zu
gewinnen und andererseits das Vertrauen der Verbraucher zu erhalten. Letztere ringen dabei
oftmals um den Kompromiss zwischen Personalisierung und Privatsphäre.
Viele Verbraucher tauschen sehr großzügig ihre persönlichen Daten gegen einen kostenlosen
Service, günstige Kredite, Rabatte, Upgrades und sonstige Belohnungen ein. Allerdings
besteht gleichzeitig auch Besorgnis über die Zunahme von Missbrauch und Identitätsdieb-
stahl im Internet.
Eine Studie von TRUSTe, einer Organisation, die die Datenschutzpraktiken von Websites
überwacht, zeigt auf, dass mehr als 90 Prozent der Befragten die Online-Privatsphäre für ein
„sehr wichtiges“ oder „wichtiges“ Thema halten. Mehr als 75 Prozent stimmen der Aussage
zu, dass „das Internet nicht gut reguliert ist und unvorsichtige Menschen einfach ausgenutzt
werden können“. 66 Prozent der Verbraucher wollen nicht, dass Marketingverantwortliche
ihr Onlineverhalten auswerten und individuelle Werbung schalten, um ihren Interessen ent-
gegenzukommen. So verwundert es nicht, dass die Bereitschaft, persönliche Informationen
auf Websites zu offenbaren, weiter abnimmt.
Die Marktforschungsbranche versucht durch Selbstregulierung auf dieses Problem zu reagie-
ren. Die European Federation of Associations of Market Research Organisations (EFAMRO)
und die European Society for Opinion and Market Research (ESOMAR) haben deshalb
gemeinsam der Europäischen Kommission eine Reihe von Änderungen der Richtlinie 95/46/
EG (zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und
zum freien Datenverkehr) vorgeschlagen.

231
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4 Marktforschung

Bereits 1977 wurde als gemeinsamer Standard der Internationalen Handelskammer (ICC) und
ESOMAR der „ICC/ESOMAR Internationale Kodex für die Markt- und Sozialforschung“ ver-
öffentlicht (vgl. Exkurs ICC/ESOMAR: Internationaler Kodex für die Markt- und Sozialfor-
schung).
Die meisten großen Unternehmen (darunter Shell, Siemens, Deutsche Telekom, IBM und
Microsoft) haben einen Chief Privacy Officer (CPO), dessen Aufgabe es ist, die Privatsphäre
der Kunden zu schützen, die geschäftlich mit dem Unternehmen zu tun haben. IBMs CPO
weist darauf hin, dass ihre Arbeit „multidisziplinäres Denken und Verhalten“ erfordert. Sie
arbeitet mit sämtlichen Unternehmensbereichen zusammen, um Kundendaten zu schützen.
Letztendlich hängt es davon ab, ob es Marktforschern gelingt, einen tatsächlichen Mehrwert
für den Austausch von Informationen zu liefern. Erst dann werden Kunden diese auch
bereitwillig zur Verfügung stellen. Zum Beispiel haben die meisten Kunden von Amazon
nichts dagegen, wenn das Unternehmen die Daten ihrer gekauften Produkte analysiert, um
zukünftig relevante Produktempfehlungen abzugeben. Sie sparen dadurch Zeit und empfin-
den dies als nützlich für weitere Kaufentscheidungen. So lässt sich auch die Vielzahl der
freiwilligen Bewertungen und Rezensionen über bereits getätigte Kaufhandlungen erklären.
Selbst konkrete Fragen zu einzelnen Produkten werden von Kunden bereitwillig beantwor-
tet, was dazu führt, dass sich andere Kunden – selbst wenn sie nicht dort kaufen – auf dem
Portal informieren. Marktforscher erhalten dadurch eine aktive Rückmeldung zur Akzeptanz
der eigenen und der konkurrierenden Produkte und somit auch Anregungen für mögliches
Verbesserungspotenzial.
Grundsätzlich lässt sich zusammenfassen: Marktforscher sollten nur die für sie wirklich rele-
vanten Informationen erfragen, diese verantwortungsbewusst nutzen, um Kunden einen
Mehrwert zu liefern und keinerlei personenbezogene Daten ohne die Einwilligung der
Befragten weitergeben.

Missbrauch von Marktforschungsergebnissen


Marktforschungsstudien können starke Überzeugungswerkzeuge sein. Unternehmen nutzen
Untersuchungsergebnisse häufig als Argumente in ihren Anzeigen und ihrer Werbung. Einige
Untersuchungen und Ergebnisse scheinen jedoch nur der Suche nach Verkaufsargumenten
zu dienen oder es wird versucht, gewünschte Ergebnisse zu erzielen. Nur wenige Werber
manipulieren dabei ganz offen ihr Untersuchungsdesign oder verdrehen unverhohlen die
Befunde; meistens handelt es sich eher um subtile „Übertreibungen“.
Der britische Anbieter für Breitband- und Sprachtelefondienste TalkTalk geriet beispiels-
weise aufgrund eines TV-Spots in die Schlagzeilen, weil das Einsparpotenzial für Kunden
bei der Umstellung auf ihren Dienst übertrieben dargestellt worden sei. So wurde suggeriert,
dass Kunden 160 Euro pro Jahr sparen könnten. Wettbewerber beschwerten sich, dass diese
Aussage eine irreführende Übertreibung wäre, da sie auf einer durchschnittlichen Einspa-
rung bestehender TalkTalk-Kunden beruhe, von den angesprochenen Neukunden jedoch
nicht erreicht werden könne. Während TalkTalk argumentierte, dass der Text ihrer Aussage
im TV-Spot mit einem Fragezeichen versehen wurde (und somit als Frage und nicht als defi-
nitive Aussage zu verstehen sei), kritisierte die UK Advertising Standards Authority (ASA)
ein solches Vorgehen als nicht akzeptabel.
In einigen Fällen werden sogenannte unabhängige Studien von Unternehmen bezahlt, die
ein Interesse am Ergebnis haben. Beispielsweise vergleichen vier Studien die Umweltwir-
kungen beim Gebrauch von Wegwerfwindeln im Vergleich zu Stoffwindeln. Die zwei Stu-

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4.10 Marktforschung und Ethik

dien, die von der Stoffwindel-Industrie bezahlt wurden, kommen zu dem Schluss, dass Stoff-
windeln umweltfreundlicher sind, während die anderen beiden Studien, bezahlt von der
Papierwindel-Industrie, genau das Gegenteil folgern. Trotzdem scheinen beide Studien ange-
sichts der zugrunde liegenden Annahmen korrekt zu sein.
Aufgrund der Tatsache, dass Umfragen auch missbraucht werden können, haben mehrere
Organisationen – darunter die European Society for Opinion and Market Research (ESO-
MAR), die European Marketing Association (EMAC), die Academy of Marketing, die Ameri-
can Marketing Association (AMA), die Marketing Research Association (MRA) und der
Council of American Survey Research Organizations (CASRO) – ethische Grundsätze, For-
schungsstandards und Verhaltensnormen entwickelt.
So beinhaltet der Verhaltenskodex „Code of Standards and Ethics for Survey Research“ des
CASRO unter anderem Hinweise zur Verantwortung der Forscher gegenüber Kunden, den
Probanden und der Öffentlichkeit und gibt entsprechende Richtlinien zur Gewährleistung
der Privatsphäre und Vertraulichkeit sowie zur Vermeidung von Belästigungen vor. Auch der
Kodex der ICC/ESOMAR (siehe Exkurs) erfordert die verbindliche Anerkennung und Einhal-
tung der Richtlinien als Grundvoraussetzung einer Mitgliedschaft.
Letztendlich lässt sich unethisches oder unangemessenes Verhalten durch die Vorgabe von
Verhaltensrichtlinien jedoch nicht ganz ausschließen. Jedes Unternehmen muss sich der
eigenen Verantwortung zur Überwachung bei der Durchführung von Marktforschungsstudien
und der Verarbeitung der Daten bewusst sein. Dies sollte nicht nur zum Schutz der Verbrau-
cher, sondern im ureigenen Interesse der forschenden Unternehmen erfolgen.

Exkurs: ICC/ESOMAR: Internationaler Kodex für die Markt- und


Sozialforschung

Die 1948 gegründete ESOMAR (European Society for Opinion and Marketing Research)
ist eine weltweite Vereinigung professioneller Markt- und Meinungsforscher. Dazu zäh-
len 4.900 Mitglieder in über 130 Ländern, die sich sowohl aus Anbietern als auch aus
Nachfragern von Marktforschung zusammensetzen. Die Mission der ESOMAR ist es, die
Markt- und Meinungsforschung weltweit zu fördern, um die Entscheidungsfindung in
Unternehmen und in der Gesellschaft zu verbessern.
Marktforschung ist in hohem Maß vom Vertrauen der Öffentlichkeit abhängig, d.h. dem
Vertrauen darauf, dass Marktforschung in redlicher und objektiver Art und Weise betrie-
ben wird und dass sie dem Befragten keine Nachteile bringt, sondern vielmehr auf des-
sen freiwilliger Mitarbeit basiert. Um diesen Kriterien gerecht zu werden, hat ESOMAR
einen professionellen Verhaltenskodex für die Praxis der Markt- und Sozialforschung
veröffentlicht. Dieser Kodex wurde in erster Linie als ein Rahmen für die Selbstregulie-
rung entwickelt. Er wird international von über hundert nationalen Verbänden der
Markt- und Sozialforschung anerkannt und wurde 1986, 1994 und zuletzt 2008 überar-
beitet und aktualisiert, um den neuen technologischen Entwicklungen sowie den Anfor-
derungen des Datenschutzes gerecht zu werden.

233
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4 Marktforschung

Der neue Kodex deckt alle Bereiche der Markt-, Meinungs- und Sozialforschung ab, von
persönlichen Interviews bis zu Onlinebefragungen. Zudem fordert er die klare Trennung
der Marktforschung von nicht forschenden Tätigkeiten und allen kommerziellen Tätig-
keiten, die auf Einzelpersonen abzielen (z.B. Werbung, Verkaufsförderung, Direktmarke-
ting, Direktverkauf usw.). Es werden klarere Standards gesetzt, die für mehr Verbrau-
cherschutz und Vertrauen sorgen sollen. Besonders wertvoll könnte der Kodex auch für
Schwellenländer sein, insbesondere dann, wenn bisher keine gesetzlichen Regelungen
zu Daten- oder Verbraucherschutz bestehen.
Als Voraussetzung für eine Mitgliedschaft bei ESOMAR muss eine Markt- oder Sozial-
forschung treibende Organisation bzw. Person diesen internationalen Kodex verbind-
lich anerkennen und sich zur Einhaltung der darin aufgestellten Regeln verpflichten.
Der erste Kodex dieser Art erschien 1948. 1976 kamen die Internationale Handelskam-
mer (ICC) und ESOMAR zu der Überzeugung, dass ein einheitlicher internationaler
Kodex sinnvoll wäre, und publizierten 1977 einen gemeinsamen ICC/ESOMAR-Kodex,
der mehrfach überarbeitet und aktualisiert wurde, um den Veränderungen des Marketin-
gumfelds und der Marktforschungspraxis gerecht zu werden. Die aktuelle vierte Auflage
aus dem Jahr 2008 beinhaltet Grundprinzipien und Richtlinien, nach denen sich die
Markt- und Sozialforschungstreibenden richten müssen.

Zweck des Kodex


Dieser Kodex wurde in erster Linie als ein Rahmen für die Selbstregulierung entwickelt.
In diesem Sinne empfehlen ICC/ESOMAR den weltweiten Einsatz des Kodex, um die
folgenden Ziele zu erreichen:
 Aufstellung von ethischen Regeln, die Marktforscher einhalten müssen;
 Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Marktforschung durch Betonung
der Rechte und Sicherheiten, die ihr dieser Kodex garantiert;
 Hervorhebung der besonderen Verantwortung bei der Erhebung der Meinungen von
Kindern und Jugendlichen;
 Sicherung der Freiheit von Marktforschern, sich Informationen zu beschaffen, zu
erfassen und weiterzugeben (nach Artikel 19 der Internationalen Konvention der Ver-
einten Nationen über bürgerliche und politische Rechte);
 Minimierung der Notwendigkeit staatlicher und/oder überstaatlicher Gesetze und
Vorschriften.

Anwendungsbereich des Kodex


Der Kodex gilt für alle Arten von Marktforschung. Er sollte im Zusammenhang mit
anderen ICC- und ESOMAR-Kodizes und Richtlinien, Prinzipien und Rahmeninterpre-
tationen gelesen werden, die unter www.iccwbo.org oder www.esomar.org verfügbar
sind.
Der Kodex definiert Minimalstandards für ethisches Verhalten, die für alle Forscher und
Auftraggeber verbindlich sind, und er gilt vor dem Hintergrund des anwendbaren
Rechts und allen strengeren Standards oder Regeln, die in einem bestimmten Markt
erforderlich sein können. Informationen über solche Anforderungen sind bei ESOMAR
erhältlich.

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4.10 Marktforschung und Ethik

Grundprinzipien des Kodex


Der Kodex basiert auf den folgenden acht Grundprinzipien:
 Marktforscher müssen alle anwendbaren nationalen und internationalen Gesetze
beachten.
 Marktforscher müssen sich ethisch verhalten und dürfen nichts tun, was dem Ruf der
Marktforschung schaden könnte.
 Marktforscher müssen mit besonderer Sorgfalt vorgehen, wenn sie Forschung mit
Kindern und Jugendlichen durchführen.
 Die Teilnahme von Befragten ist freiwillig und muss auf der Grundlage einer ange-
messenen und nicht irreführenden Information über den allgemeinen Zweck und die
Art des Projekts erfolgen, wenn ihre Zustimmung zur Teilnahme eingeholt wird, und
all diese Erklärungen sind einzuhalten.
 Die Rechte der Befragten als Privatpersonen müssen von den Marktforschern respek-
tiert werden, und sie dürfen nicht geschädigt oder benachteiligt werden als unmittel-
bare Folge ihrer Teilnahme an einem Marktforschungsprojekt.
 Marktforscher dürfen niemals zulassen, dass die in einem Marktforschungsprojekt
erhobenen personenbezogenen Daten für irgendeinen anderen Zweck als den der
Marktforschung verwendet werden.
 Marktforscher müssen sicherstellen, dass Projekte und Tätigkeiten genau, transparent
und objektiv konzipiert, ausgeführt, berichtet und dokumentiert werden.
 Marktforscher müssen die anerkannten Prinzipien des fairen Wettbewerbs einhalten.
Für Deutschland gilt zusätzlich ein an die nationalen Erfordernisse angepasstes Regel-
werk. Beispielsweise wird unter dem Grundsatz der Wissenschaftlichkeit der Vorge-
hensweise Folgendes garantiert:
 Untersuchungen der Markt-, Meinungs- und Sozialforschung sind wissenschaftliche
Forschung – einschließlich angewandter wissenschaftlicher Forschung – im Sinne
des Artikels 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Sie dienen
grundsätzlich dem Gewinn generalisierbarer Erkenntnisse und müssen entsprechend
dem Forschungsgegenstand und dem Erkenntnisinteresse mit angemessenen Metho-
den und Techniken empirischer Forschung durchgeführt werden.
 Unter Artikel 7 Datenschutz und Privatsphäre werden ausführliche Regelungen zum
Datenschutz aufgestellt. Dazu gehören genaue Vorgehensweisen bezüglich Daten-
schutz und -erhebung, Datennutzung, Sicherheit und Verarbeitung, Rechte der
Befragten und grenzüberschreitender Übermittlungen.
Quellen:
ESOMAR: Webseite der ESOMAR unter: www.esomar.org [04.02.2018];
ICC/ESOMAR Internationaler Kodex für die Markt- und Sozialforschung, Webseite unter http://
www.esomar.org/uploads/public/knowledge-and-standards/codes-and-guidelines/ICCESOMAR_-
Code_German_.pdf [04.02.2018];
Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. (ADM): Webseite des ADM unter:
www.adm-ev.de [23.02.2015].

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4 Marktforschung

ZUSAMMENFASSUNG

Um einen wirklichen Mehrwert für Kunden zu schaffen, enge Kundenbeziehungen auf-


zubauen und die richtigen Marketingentscheidungen treffen zu können, benötigen Mar-
ketingverantwortliche aktuelle und umfassende Insights über den Markt und ihre Kun-
den. Solche und weitere Erkenntnisse erfordern Marketinginformationen aus einer
Vielzahl unterschiedlicher Bereiche, wie beispielsweise das allgemeine Umfeld des
Unternehmens, potenzielle Abnehmer, Wettbewerber und Vertriebskanäle.
Aufgrund der technologischen Entwicklungen der letzten Jahre können Unternehmen
heute auf große Mengen von Daten zurückgreifen, manchmal sogar auf zu viele. Die Her-
ausforderung besteht darin, aus den großen Datenvolumina nutzbare Informationen zu
gewinnen. Denn trotz einer großen Datenfülle klagen viele Marketingverantwortliche
und Führungskräfte, dass ihnen die richtigen Informationen fehlen. Immer mehr Unter-
nehmen implementieren deshalb ein Marketing-Informationssystem (MIS). Es hilft den
Anwendern, Informationen zu analysieren und zu nutzen und anhand dieser Customer
und Market Insights zu entwickeln, Marketingentscheidungen zu treffen und Kunden-
beziehungen besser zu gestalten. Ein optimal funktionierendes MIS beginnt beim Nutzer
und seinen Bedürfnissen und führt wieder dorthin zurück.
Zunächst hat das MIS die Aufgabe, den Informationsbedarf im Unternehmen festzustel-
len, indem Marketingverantwortliche befragt werden und man festlegt, welche Informa-
tionen wünschenswert, nötig und möglich sind. In erster Linie dient das MIS den Mar-
ketingverantwortlichen und anderen Managern, es kann aber auch externen Partnern
Informationen bereitstellen.
Im nächsten Schritt findet eine Sammlung und Aufbereitung der Informationen statt.
Die benötigten Informationen kann man aus unternehmensinternen Quellen, der Marke-
ting Intelligence oder der Marktforschung erlangen. Interne Berichte dienen der Infor-
mation über Absatz, Kosten, Lagerbestände, Cashflow, Außenstände und Verbindlich-
keiten. Diese Daten sind schnell und kostengünstig zu erhalten, aber sie müssen nahezu
täglich aktualisiert und gegebenenfalls für Marketingentscheidungen aufbereitet wer-
den, wenn man mit ihnen arbeiten möchte. Unter Marketing Intelligence versteht man
die systematische Sammlung und Auswertung öffentlich zugänglicher Informationen
über Kunden, Wettbewerber und Marktentwicklungen. Diese externe Marketingbericht-
erstattung beschafft den Führungskräften also Informationen aus dem Marketingumfeld
des Unternehmens. Die Informationen können von Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten,
Vertriebspartnern oder vom Außendienst kommen. Darüber hinaus lassen sich die
Geschäftsberichte der Wettbewerber, Kongressberichte, Werbekampagnen und Daten-
banken nutzen.
Die eigentliche Marktforschung besteht darin, Informationen zu spezifischen Marketing-
aufgaben des Unternehmens zu sammeln. Sie kann als Vorgang mit vier Schritten darge-
stellt werden:
 Der erste Schritt besteht darin, das Marktforschungsproblem zu definieren und die
Forschungsziele zu bestimmen. Die Ziele lassen sich durch explorative und deskrip-
tive Studien oder auch durch Ursachenforschung verfolgen, bei der Ursache-Wir-
kungs-Zusammenhänge untersucht werden.

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Zusammenfassung

 Im zweiten Schritt geht es um die Entwicklung eines Untersuchungsplans. Hier legt


man nach einer Spezifizierung des Informationsbedarfs fest, welche primären und
sekundären Datenquellen genutzt werden sollen. Sowohl interne als auch externe
sekundäre Datenquellen bieten oft schneller Informationen zu geringeren Kosten als
primäre Datenquellen und liefern manchmal auch Informationen, die ein Unterneh-
men nicht selbst erheben kann. Allerdings kommt es vor, dass sich die benötigten
Informationen nicht durch sekundäre Datenquellen beziehen lassen. Primärdaten
können durch Beobachtung, Umfragen oder Experimente gewonnen werden. Zudem
erfolgt die Bestimmung der Kommunikationsform (Post, E-Mail, Telefon, persönli-
ches Gespräch, Internet), der Stichprobe (wer und wie viele Probanden sind zu befra-
gen, nach welchen Kriterien sollen die Testpersonen ausgesucht werden) und der Ins-
trumente (Fragebogen, technische Methoden).
 In einem dritten Schritt wird das Untersuchungsdesign umgesetzt, indem die benö-
tigten Daten erhoben, aufbereitet und analysiert werden.
 Im vierten und letzten Schritt werden die Ergebnisse interpretiert und kommuniziert.
Das MIS hat nun die Aufgabe, den richtigen Entscheidungsträgern die Informationen
aus internen und externen Quellen und aus der Marktforschung zur richtigen Zeit zuzu-
leiten. Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, die Informationssysteme zu öffnen
und zu dezentralisieren, um ihren leitenden Mitarbeitern jederzeit den Zugang zu allen
Daten zu ermöglichen.
Die Methoden der Marktforschung werden immer öfter auch von kleinen und mittleren
Unternehmen und von Non-Profit-Organisationen erfolgreich eingesetzt. Da diese
zumeist über ein deutlich kleineres Budget als beispielsweise die großen Konsumgüter-
hersteller verfügen, kommt einer sorgfältigen Planung und Durchführung der Informati-
onsbeschaffung eine noch größere Bedeutung zu.
Im internationalen Kontext sieht sich die Marktforschung mit zusätzlichen Herausforde-
rungen konfrontiert. So erhöht sich die Komplexität von Studien, die in mehreren Län-
dern durchgeführt werden, durch Unterschiede in Sprache und Kultur, Präferenzen und
Gewohnheiten der Kunden oder dem technischen und wirtschaftlichen Entwicklungs-
stand der Märkte. Die Beschaffung von Primär- und Sekundärdaten ist oftmals ungleich
schwieriger als in Deutschland, Gleiches gilt für die Vergleichbarkeit der gewonnenen
Daten über Ländergrenzen hinweg.
Immer größere Bedeutung kommt dem Thema Marktforschung und Ethik zu. Aufgrund
der Art und Weise, wie Marktforschung in den letzten Jahren teilweise betrieben und
auch Ergebnisse missbraucht wurden, sind immer weniger Bürger bereit, an Erhebungen
teilzunehmen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat die European Society for
Opinion and Marketing Research (ESOMAR) einen Verhaltenskodex für die Praxis der
Markt- und Sozialforschung erstellt. Er dient dazu, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu
pflegen und zu zeigen, dass die Forscher ihre ethische und berufliche Verantwortung
erkennen, wenn sie Marktforschung betreiben. Denn der Erfolg der Marktforschung
hängt maßgeblich vom Vertrauen der Öffentlichkeit ab – davon, dass sie redlich, objek-
tiv, unaufdringlich und vor allem ohne Nachteile für die Teilnehmer betrieben wird.

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4 Marktforschung

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4 Marktforschung

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240
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Das Kaufverhalten der
Konsumenten

5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 5


5.2 Modell des Konsumentenverhaltens . . . . . . . . . . . . . 247
5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens . . . 250

ÜBERBLICK
5.4 Der Kaufentscheidungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... definieren, was ein Konsumentenmarkt ist, und ein einfaches Modell des Konsu-
mentenverhaltens skizzieren.
 ... zeigen, wie Kultur, Subkulturen und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen
Klasse/Schicht das Kaufverhalten beeinflussen können.
 ... beschreiben, wie Persönlichkeit und psychologische Faktoren die Kaufentschei-
dungen der Verbraucher beeinflussen können.
 ... erläutern, weshalb die Kaufentscheidungsfindung von der Art des Kaufs abhängt.
 ... die einzelnen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses und die daraus resultie-
rende Entscheidungsumsetzung erklären.
 ... den Adaptions- und Verbreitungsprozess neuer Produkte beschreiben.

5.1 Einführung
Wir haben nun erfahren, wie Marketer Informationen sammeln, analysieren und anwenden,
um Customer Insights zu gewinnen und Marketingprogramme zu entwickeln. In diesem
Kapitel werfen wir einen näheren Blick auf das wichtigste Element im Markt – die Kunden.
Ziel des Marketings ist es, Kunden einzubinden und sich zunutze zu machen, wie sie denken
und handeln. Um das Was, Wann und Wie des Konsumentenverhaltens zu beeinflussen,
müssen Marketingmanager zunächst das Warum verstehen. In diesem Kapitel betrachten wir
die Einflüsse und Prozesse des Kaufverhaltens von Endverbrauchern. Im nächsten Kapitel
analysieren wir dann das Kaufverhalten von Geschäftskunden. Wir werden sehen, dass das
Verstehen von Kaufverhalten eine ebenso bedeutende wie schwierige Aufgabe ist.
Um ein besseres Verständnis zu erlangen, wie wichtig es ist, das Konsumentenverhalten zu
verstehen, starten wir mit einer Fallstudie zur Automobilmarke Porsche und sehen uns die
Kaufentscheidungsprozesse von Porsche-Kunden genauer an.

Einführende Fallstudie: Porsche – Wächter der Tradition und Einführer


der Moderne

Porsche ist ein einzigartiges Unternehmen. Es war schon immer eine Nischenmarke für
eine kleine und besondere Gruppe von Autokäufern. Im Jahr 2017 verkaufte Porsche
rund 155.000 Fahrzeuge weltweit und etwa 50.000 in Europa. In diesem Sinne sind Por-
sche-Besitzer ebenso selten wie ihre Fahrzeuge. Daher verbringen die Top-Manager bei
Porsche sehr viel Zeit damit, über ihre Kunden nachzudenken. Sie wollen wissen, wer
ihre Kunden sind, was sie denken und wie sie fühlen. Sie wollen wissen, warum diese
Kunden einen Porsche kaufen und nicht einen Jaguar, Ferrari oder ein großes Mercedes
Coupé. Dies sind die wichtigen Fragen – dabei kennen die Porsche-Fahrer selbst den
Grund für ihren Kauf nicht immer genau. Angesichts des geringen Volumens von Por-
sche und des zunehmend aufgeteilten Automobilmarkts ist es aber zwingend, dass die
Manager ihre Kunden und deren Antrieb verstehen.

242
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5.1 Einführung

Abbildung 5.1: Porsche-Logo 2017


(Quelle: imageBROKER / Alamy Stock Photo)

Das Profil eines Porsche-Besitzers Das Unternehmen wurde 1931 von Ferdinand Por-
sche gegründet – jenem Mann, dem man den Entwurf des original VW Käfer, Adolf Hit-
lers „Volkswagen“, zuschreibt und der als einer der erfolgreichsten Autodesigner aller
Zeiten gilt. Über den Großteil der ersten zwei Jahrzehnte baute das Unternehmen VW
Käfer für die deutsche Bevölkerung sowie Panzer und Käfer für das Militär. Als die Por-
sche AG in den 1950er- und 1960er-Jahren mit dem Verkauf von Fahrzeugen unter der
eigenen Marke begann, entwickelten sich einige Konstanten. Die Firma verkaufte nur
wenige Modelle und schuf sich ein exklusives Image. Die frühen Modelle hatten eine
runde und kurvige Form, die auf dem Original-Käfer basiert, das Design entwickelte
sich mit den berühmten Modellen 356 und 911 jedoch zunehmend unverwechselbar für
Porsche. Schließlich bekamen die Fahrzeuge die typischen luftgekühlten Vier- und
Sechszylinder „Boxer“-Motoren (Zylinder in gegenüberliegender Anordnung) im Heck
des Wagens.
Von Beginn an reizt Porsche ein sehr kleines Segment finanzstarker Käufer. Es sind
erfolgreiche Menschen, die sich selbst als unternehmerisch bezeichnen, selbst wenn sie
als Angestellte tätig sind. Sie stecken sich selbst hohe Ziele und arbeiten ehrgeizig
daran, diese auch zu erreichen. Nicht weniger erwarten sie von der Kleidung, die sie tra-
gen, den Restaurants, in denen sie essen, oder den Autos, die sie fahren. Diese Men-
schen verstehen sich nicht als Teil der normalen Welt, sondern als deren Ausnahme. Sie
kaufen Porsche, da das Fahrzeug ihr eigenes Bild von sich widerspiegelt – es steht für
alles, was die Besitzer in sich selbst und ihrem Leben sehen. Die meisten von uns kau-
fen Fahrzeuge, die Porsche-Manager als Alltagsfahrzeuge bezeichnen. Also Wagen, mit
denen wir zur Arbeit fahren, die Kinder chauffieren und Einkäufe erledigen. Weil wir
die Autos zur Erfüllung dieser täglichen Pflichten benötigen, gründen unsere Kaufent-
scheidungen auf Merkmalen wie Preis, Größe, Sparsamkeit im Spritverbrauch und
anderen praktischen Überlegungen. Porsche aber ist mehr als ein Alltagsfahrzeug.

243
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Die Besitzer wollen es genießen, nicht nutzen. Die meisten Porsche-Kunden interessie-
ren sich nicht für reine Daten, sondern für Emotionen. Ein Porsche ist wie ein Klei-
dungsstück, das der Besitzer trägt und mit dem er gesehen wird. Porsche-Fahrer entwi-
ckeln eine persönliche Beziehung zu ihrem Auto, die mehr von Klang, Vibration und
Fahrgefühl geprägt ist als von der Anzahl der Becherhalter oder der Nutzlast. Sie
bewundern ihren Porsche als Kraftfahrzeug, das ohne Prunk und Protz eine große Leis-
tung bringt.
Menschen kaufen Porsche, weil sie gern fahren. Bräuchten sie nur ein Fahrzeug, das sie
von A nach B bringt, könnten sie ohne Weiteres preiswertere Modelle erwerben.
Von der Nische zur Masse In den ersten zwei Jahrzehnten lebte die Porsche AG nach
der Philosophie von Ferdinand Porsches Sohn Ferry. Dieser schuf den Porsche 356, weil
niemand sonst ein Auto nach seinen Vorstellungen baute. „Es gab keine Marktfor-
schung, wir hatten keine Verkaufsprognosen, keine Berechnungen für Investitionsge-
winne. Nichts. Ich habe einfach mein Traumauto gebaut und stellte mir vor, dass auch
andere Menschen meinen Traum teilten.“ So war die Porsche AG von Anfang an ziem-
lich genau wie seine Kunden: Ein Macher, der nur das Allerbeste erreichen will. Doch
im Laufe der Jahre wurde das Management von Porsche mit einem bedeutenden Prob-
lem konfrontiert: Gab es auch genug Käufer, um die Firma am Leben zu halten? Sicher
hatte das Unternehmen nie die Illusion, die Verkaufszahlen von Peugeot oder BMW
anzupeilen. Um Innovationen zu finanzieren, muss aber sogar ein Nischenhersteller
etwas wachsen. Und Porsche begann sich zu sorgen, dass die Eigenwilligkeit der Por-
sche-Fahrer eines Tages ein Auslaufmodell werden könnte.
Deshalb entwickelte Porsche seine Marke über den Tellerrand hinaus. Anfang der
1970er-Jahre führte Porsche den 914er ein, einen kastigen, mittelmotorigen Zweisitzer,
der weit weniger kostete als der 911er. Damit konnte sich nun auch eine andere Kund-
schaft einen Porsche leisten. Wenig überraschend wurde der 914er zu Porsches bestver-
kauftem Modell. Bis Ende der 1970er-Jahre ersetzte Porsche den 914er durch ein Coupé
mit Schrägheck, das mit etwas aufwartete, das kein anderes reguläres Porsche-Modell je
besessen hatte: einen vorne eingebauten Motor. Für weniger als 16.000 Euro und damit
über 8.000 Euro günstiger als der 911er wurden die 924er- und später die 944er-Modelle
wieder einmal zu Porsches Symbolen für Bezahlbarkeit. Mit 60.000 Fahrzeugen pro Jahr
übertraf Porsche das eigene Verkaufsziel um fast 50 Prozent.
Obwohl diese Fahrzeuge in vielerlei Hinsicht als Verkaufsschlager gelten, waren treue
Porsche-Fahrer empört. Für sie waren diese Einstiegsmodelle viel zu billig und nicht leis-
tungsstark genug. Die meisten loyalen Porsche-Käufer erkannten diese Modelle nie als
„richtige“ Porsche an. Tatsächlich waren viele nicht sehr glücklich damit, ihre Marke nun
mit Kunden teilen zu müssen, die dem Profil des Porsche-Fahrers gar nicht entsprachen.
Sie störten sich an einer Unternehmensstrategie, die sich ihrer Ansicht nach nun auf das
Marketingkonzept „Masse statt Klasse“ konzentrierte. Dieses befleckte Image wurde noch
von der Tatsache verstärkt, dass Nissan, Toyota, BMW und andere Hersteller ihr Angebot
an hochklassigen Sportwagen ausgebaut und damit einen harten Wettbewerb geschaffen
hatten. In der Tat waren der Datsun 280-ZX und der Toyota Supra nicht nur preiswerter
als der Porsche 944er, sie waren auch schneller. Die schwächelnde Wirtschaft streute Por-
sche noch mehr Sand ins Getriebe. Bis zum Jahr 1990 waren die Absatzzahlen von Por-
sche abgestürzt und das Unternehmen stand kurz vor der Insolvenz.

244
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5.1 Einführung

Zurück zu den Wurzeln? Doch Porsche hatte nicht vor, kampflos unterzugehen. Es
erkannte die Fehler der bisherigen Vorgehensweise rasch und stoppte die Produktion
der Einstiegsmodelle. Das ramponierte Image wurde aufpoliert, indem man sich wieder
auf die Luxus-Sparte und sportlichere Technologien konzentrierte. Um das gute Verhält-
nis zu seinen Kunden wiederherzustellen, zielte Porsche bei Preis und Leistung seiner
Modelle wieder auf das obere Ende der Skala. Das Unternehmen setzte sich bescheidene
Verkaufsziele und entschied, dass ein moderates Wachstum mit höheren Spannen auf
lange Sicht profitabler wäre. Es sollte genau ein Porsche weniger gebaut als nachgefragt
werden. Wie ein Manager ausdrückte: „Wir schauen nicht auf die Menge, wir wollen
Exklusivität.“ Porsches Bemühungen hatten die gewünschte Wirkung. Bis Ende der
1990er-Jahre war die Marke wieder der Liebling jener Käuferschicht, die das Auto über
Jahrzehnte hinweg so geschätzt hatte. Die Fahrzeuge galten wieder als exklusiv, das
Unternehmen lag wieder in der Gewinnzone. Doch schon Anfang der 2000er-Jahre
stellte sich Porsche erneut die vertraute Frage: Genügte es, nur auf die treuen Porsche-
Fahrer zu setzen, um die langfristige Existenz zu sichern? Laut dem damaligen Vor-
standsvorsitzenden Wendelin Wiedeking konnte „Porsche sich eben nicht auf das unbe-
ständigste Marktsegment verlassen, um die Unabhängigkeit zu wahren. Wir wollen
nicht irgendwann zur Marketingabteilung eines Großherstellers werden. Wir müssen
eine ausreichende Profitabilität gewährleisten, damit wir unsere künftigen Entwicklun-
gen selbst finanzieren können.“
Also tat Porsche im Jahr 2002 das Undenkbare. Als einer der letzten Autohersteller
betrat es den unersättlichen SUV-Markt. Mit rund 2,5 Tonnen war der Porsche Cayenne
schwerer als jedes andere je von Porsche gebaute Modell, mit Ausnahme einiger Panzer-
Prototypen während des Zweiten Weltkriegs. Auch bei diesen neuen Modellen befand
sich der Motor vorn. Und als erster Porsche war der Cayenne mit fünf Sitzgurten ausge-
stattet. Als sich die Neuigkeit über die Entwicklung dieses Fahrzeugs verbreitete,
konnte man die treuen Käufer der Marke bereits aufstöhnen hören.
Doch dieses Mal befürchtete Porsche offenbar nicht, seine loyalen Kunden zu verschre-
cken. Hatte das Unternehmen etwa schon vergessen, was beim letzten Mal passiert war,
als man sich vom Gewohnten abwandte? Scheinbar nicht. Nachdem einer der ersten
Cayennes vom Band gerollt war, notierte ein Journalist: „Ein Tag hinter dem Steuer
eines Cayenne Turbo mit 444 PS hinterlässt zwei gewaltige Eindrücke. Erstens verhält
und fährt sich der Cayenne nicht wie ein SUV, zweitens fährt er sich wie ein Porsche.“
Dies war kein Einstiegsmodell. Porsche hatte ein zweieinhalb Tonnen schweres Tier
entwickelt, das in etwas über fünf Sekunden von null auf hundert beschleunigte, wie
auf Schienen in die Kurven fuhr und in der Spitze rund 265 km/h erreichte. Dabei bot es
fünf Erwachsenen jeden Komfort in den prächtigen Ledersitzen, ohne dass auch nur die
Windgeräusche von außen nach innen drangen. Zur Krönung des Ganzen konnte es der
Cayenne außerhalb asphaltierter Wege auch noch mit einem Land Rover aufnehmen.

245
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Porsche hat den Porsche unter den SUVs gebaut Doch Porsche erhöhte den Einsatz
noch einmal und enthüllte Pläne für ein weiteres Großfahrzeug. Doch dieses Mal han-
delte es sich um eine tief liegende, fünftürige Luxuslimousine. Wieder ungläubiges
Staunen bei den treuen Porsche-Kunden und der Presse. Doch sobald der Panamera auf
den Straßen rollte, bewies Porsche einmal mehr, dass die loyale Kundschaft nicht zu
kurz kam. Fast so groß wie der Cayenne kann der Panamera bei einer Spitzengeschwin-
digkeit von gut 300 km/h vier Erwachsene transportieren und von null auf hundert in
3,6 Sekunden beschleunigen. Obwohl einige Porsche-Traditionalisten niemals in einen
Porsche mit Frontmotor und mehr als zwei Türen einsteigen würden, bleibt Porsche
dabei, dass zwei Trends diese neuen Modelle nachhaltig machen werden. Erstens hat
ein Teil der Porsche-Fahrer mittlerweile eine neue Lebensphase erreicht, in der sie
unweigerlich andere Bedürfnisse haben – mehr Personen müssen befördert, mehr Dinge
transportiert werden. Dies betrifft nicht nur bestimmte regelmäßige Porsche-Käufer, son-
dern auch neue Kunden, die früher nie die Räume eines Porsche-Händlers betreten hät-
ten. Der Unterschied ist nur, dass die Preisschilder dieses Mal nur die wohlhabenden
Interessenten anlocken und Porsche seine Exklusivität bewahrt. Diese Käufer entspre-
chen auch scheinbar dem Profil der typischen Porsche-Fahrer.
Der zweite Trend liegt im Wachstum der Schwellenländer. Während Europa als Binnen-
markt gilt und die USA lange Zeit der weltweit größte Abnehmer für Porsche waren,
geht das Unternehmen nunmehr davon aus, dass sich China kurzfristig zum größten
Auftraggeber entwickeln wird. Vor zwanzig Jahren machten die USA etwa 50 Prozent
des weltweiten Absatzes von Porsche aus, mittlerweile sind es weniger als 25 Prozent.
In China beschäftigen viele Kunden, die sich ein teures Fahrzeug wie einen Porsche
leisten können, auch einen Chauffeur. Der Cayenne und der Panamera sind bestens
geeignet für Menschen, die sich stilvoll fortbewegen möchten, aber auch spontane
Kurzurlaube einlegen wollen.
Unter dem letzten wirtschaftlichen Abschwung hatten die Absätze fast jedes Herstellers
von hochwertigen Fahrzeugen gelitten. Sind die Zeiten schlecht, gehört der Kauf eines teu-
ren Autos wie Porsche zu den Anschaffungen, die man am längsten aufschiebt. Doch mit
dem erneuten wirtschaftlichen Aufschwung gelingt es Porsche besser denn je, die Bedürf-
nisse seiner Kunden zu befriedigen. Auch ist Porsche heute mehr als je zuvor in der Lage,
sein Markenimage bei den treuen Fahrern und auch neuen Kunden zu pflegen. Porsche-
Kunden zu verstehen, ist noch immer eine schwierige Aufgabe. Doch ein ehemaliger Por-
sche-Manager fasste es so zusammen: „Wenn man seine Kunden wirklich verstehen will,
muss man folgenden Satz verstehen: Wenn ich ein Auto wäre, wäre ich ein Porsche.“

Fragen
1. Analysieren Sie den Kaufentscheidungsprozess eines traditionellen Porsche-Kun-
den.
2. Vergleichen Sie den Kaufentscheidungsprozess traditioneller Porsche-Kunden mit
dem der Käufer von Cayenne oder Panamera.
3. Erläutern Sie, wie sich sowohl eine positive als auch eine negative Einstellung zu
einer Marke wie Porsche entwickelt. Wie kann Porsche die Einstellung von Ver-
brauchern gegenüber der Marke verändern?
4. Welche Rolle spielt die Marke Porsche bei der Selbsteinschätzung der Käufer?

246
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5.2 Modell des Konsumentenverhaltens

Der Erfolg von Porsche zeigt, dass das Konsumentenverhalten viele unerwartete Dimensio-
nen aufweist. Da das menschliche Denken äußerst vielschichtig ist, überrascht es nicht, dass
das Verhalten der Menschen als Konsumenten und Käufer nicht einfach ist. Doch gerade das
Aufdecken der komplexen Struktur des Konsumentenverhaltens ist zentrale Aufgabe des
Marketing-Managements. Ziel des Marketings ist letztendlich Konsum, daher muss das Mar-
keting-Management beim Verstehen des Kunden und seiner Denkprozesse ansetzen.
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Kaufverhalten und dem Konsumentenmarkt. Der
Begriff Konsumentenverhalten bezieht sich auf das Kaufverhalten der Endverbraucher – Ein-
zelpersonen und Haushalte, die Güter und Dienstleistungen zum persönlichen Gebrauch kau-
fen. Die Gesamtheit dieser Endverbraucher bildet den Konsumentenmarkt. In Europa besteht
dieser Markt aus mehr als 500 Millionen Menschen, die jährlich Waren und Dienstleistungen
im Wert von über 8.000 Milliarden Euro konsumieren, was den europäischen Markt zu einem
der attraktivsten Konsumentenmärkte macht. Weltweit besteht dieser aus fast sieben Milliar-
den Menschen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die in Nordamerika, Westeuropa und Japan
lebende Bevölkerung von etwa einer Milliarde Menschen über 70 Prozent der Kaufkraft ver-
fügt. Seit einigen Jahren gewinnen allerdings wohlhabende Schichten in den BRIC-Staaten
schnell an Kaufkraft und Bedeutung für das Marketing. Doch auch innerhalb dieser wohlha-
benden Konsumentenmärkte existieren große Unterschiede bezüglich Alter, Einkommen, Bil-
dungsniveau und Geschmack. Wie die unterschiedlichen Konsumenten ihre Wahl zwischen
den verschiedenen Produkten, Dienstleistungen oder Unternehmen treffen, ist ein komplizier-
tes Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren. Im Folgenden wird genauer beleuchtet, wie
sich diese auf das Konsumentenverhalten auswirken oder es beeinflussen.

5.2 Modell des Konsumentenverhaltens


In früheren Zeiten war das Marketing vielleicht eine leichtere Aufgabe als heute, weil viele
Verkäufe im direkten täglichen Umgang zwischen Anbieter und Käufer stattfanden. Da heut-
zutage Unternehmen und Märkte enorm gewachsen sind, haben die Entscheider im Unter-
nehmen keinen unmittelbaren Kontakt mehr zu den Käufern. Daher müssen sie Marktfor-
schung betreiben, um herauszufinden, was diese möchten. Heute wird viel Geld in die
Marktforschung investiert, um möglichst viel über das Konsumentenverhalten zu erfahren.
 Wer kauft?
 Wie wird gekauft?
 Wann wird gekauft?
 Wo wird gekauft?
 Warum wird gekauft?
Die Frage des „Warum“ stellt hierbei eine der größten Herausforderungen dar. Marketing-
fachleute können zwar das Kaufverhalten der Konsumenten analysieren, um herauszufin-
den, was, wo und wie viel sie kaufen, aber zu erfahren, warum Konsumenten in Kaufent-
scheidungen bestimmte Verhaltensmuster aufweisen, ist keine einfache Aufgabe. Die Lösung
liegt hierbei meist tief im Kopf der Konsumenten verborgen. Oftmals wissen diese selbst
nicht genau, was sie zu einem Kauf bewogen hat.
Ein Marketingexperte sagte hierzu: „Der menschliche Verstand arbeitet nicht linear. Der Ver-
stand ist kein Computer mit Speichereinheiten, wo Marken, Logos oder wiedererkennbare
Verpackungen in klar definierten Ordnern gelagert werden, auf die durch intelligent

247
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

geschriebene Anzeigen oder TV-Werbungen zugegriffen werden kann. Stattdessen herrscht


im Kopf ein wirbelndes Durcheinander einer Masse von Neuronen, die herumspringen, mit-
einander kollidieren und dauerhaft neue Konzepte, Gedanken und Beziehungen im Kopf
einer jeden Person kreieren.“
Die zentrale Frage für das Marketing lautet: Wie reagieren die Verbraucher auf unterschiedli-
che Marketingmaßnahmen, die eingesetzt werden können? Ein Unternehmen, das die Reak-
tion der Verbraucher auf verschiedene Produkteigenschaften, Preise und Werbeanzeigen
kennt, hat seinen Konkurrenten gegenüber einen großen Vorteil. Aus diesem Grund haben
Unternehmen und Wissenschaftler versucht, die Beziehungen zwischen Marketinganreizen
(stimulus) und Käuferreaktionen (response) gründlich zu erforschen. Der Ausgang dieser
Überlegungen ist das Stimulus-Response-Modell des Konsumentenverhaltens, das in Abbil-
dung 5.2 dargestellt ist. Diese Darstellung zeigt, dass Marketing und andere Anreize in die
„Black Box“ des Konsumenten eingehen und bestimmte Reaktionen hervorrufen. Die Marke-
tingfachleute müssen herausfinden, was in der „Black Box“ des Käufers geschieht.

Marketing- Andere Reaktion des


»Black Box« des Käufers
Stimuli Stimuli Käufers
Produkt Wirtschaft Persönlichkeit Entschei- Wahl eines Produkts
Preis Technologie und Einstellung dungs- Wahl einer Marke
Distribution Politik des Käufers findung Wahl eines Händlers
Kommunikation Kultur Zeitpunkt des Kaufs
Kaufmenge

Abbildung 5.2: Modell des Konsumentenverhaltens

Die dem Marketing zur Verfügung stehenden Stimuli lassen sich den Bereichen Produkt,
Preis, Distribution und Kommunikation zuordnen.
Das nachfolgende Highlight beleuchtet am Beispiel von Heimtierfutter, wie ein Verkaufsförde-
rungsprogramm als Kommunikationsmaßnahme den Erfolg eines Produkts beeinflussen kann.

Marketing-Highlight: Sheba – Valentinstag für Ihre Katze

Portugals Markt für Heimtierfutter mit einem Volumen von 350 Millionen Euro pro Jahr
hat durch jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich 22 Prozent 60 Marken entste-
hen lassen. Mars Portugal (vormals Effem, dann Masterfoods), zu dessen Marken Sheba,
Whiskas und Pedigree Pal gehören, hat insgesamt einen Marktanteil von mehr als 50
Prozent. Trotzdem sind nicht alle Marken des Unternehmens gut positioniert.
Mars hat dabei eine wichtige Rolle bei der Marktentwicklung gespielt. Ein großer Teil
des Unternehmenserfolgs rührt daher, dass man das Verhalten der Tierhalter und der
Tiere gleichermaßen zu verstehen versuchte. So weiß man, dass Katzen wählerische
Tiere sind. Sie fressen nur, was sie mögen, was ihnen nicht schmeckt, lassen sie einfach
stehen. Wenn man einer Katze ein Futter vorsetzt, das sie nicht mag, wird sie nach
Alternativen suchen. Ganz anders Hunde: Ein hungriger Hund frisst fast alles und er
wird es schnell fressen. Bei Katzenfutter liegt das Hauptaugenmerk auf Genuss und
Abwechslung, wohingegen es bei Hunden wichtig ist, dass sie schnell, viel und mit
wenig Anstrengung fressen können.

248
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
5.2 Modell des Konsumentenverhaltens

Sheba ist Mars’ Super-Premium-Produkt für Katzen. Aufgrund seiner außergewöhnli-


chen Qualität und des hohen Preises spricht Sheba vor allem die anspruchsvollen Kat-
zen an und eignet sich daher auch als Futter für besondere Gelegenheiten. Trotzdem
geriet die Produktlinie „Sheba“ in Schwierigkeiten. Nachdem bei der Markteinführung
aufwendige Werbe- und Verkaufsförderungsaktionen veranstaltet worden waren, wurde
das Produkt in der Folge mehr oder weniger sich selbst überlassen und dies auf einem
immer härter umkämpften Markt. Da Marketingaktivitäten fehlten und neue Wettbewer-
ber in diese Marktnische eingedrungen waren, hatte Sheba nach einigen Jahren nur
noch eine schwache Marktposition. Nur neun Prozent aller Katzenhalter hatten jemals
eine Dose Sheba gekauft, der Marktanteil war auf zwei Prozent geschrumpft und recht-
fertigte keine hohen Marketingausgaben mehr. Für Sheba ging es nun darum, sich wie-
der nach vorne zu kämpfen oder vom Markt zu verschwinden. Die Antwort von Mars
auf diese Probleme war ein zweistufiges Verkaufsförderungsprogramm am Point-of-Sale
(POS), also unmittelbar am Regalplatz, wo der Kunde seinen Einkauf in den Wagen legt.
Jede der beiden Stufen sollte nicht mehr als ein 30-Sekunden- Fernsehspot zur Haupt-
sendezeit kosten.
Die erste Stufe wurde während der Vorweihnachtszeit in großen Supermärkten durchge-
führt. Die Mitarbeiter der Kampagne sprachen die Kunden an und fragten, ob diese eine
Katze im Hause hätten. Wer eine Katze hatte, erhielt eine Weihnachtspostkarte und eine
100-Gramm-Dose Sheba. Auf diese Weise erhielten sowohl die Katze als auch ihr Besit-
zer ein Geschenk. Diese Aktion erhöhte die Bekanntheit der Marke Sheba. Neben allge-
meinen Informationen ermutigte die Postkarte die Katzenbesitzer dazu, ihren Katzen
das zu geben, was „sie wirklich verdienten“. Die Karte und die Botschaft darauf sollten
eine gute Stimmung zugunsten der Marke Sheba hervorrufen. Mit dieser Aktion wurden
ungefähr 12.000 Katzenfreunde beziehungsweise ihre Katzen erreicht. Die zweite Phase
der Kampagne wurde ähnlich durchgeführt, dieses Mal mit dem Motto Valentinstag.
Auf einer Glückwunschkarte waren zwei Katzen in der Pose eines Liebespaares abgebil-
det und auf der Karte stand: „Weil heute ein besonderer Tag ist, hat Sheba etwas Beson-
deres für Ihre Katze“ und „Lassen Sie Ihre Katze spüren, wie gerne Sie sie haben“. Im
Lauf der Kampagne wurden 11.900 Dosen Sheba an Katzenhalter verschenkt. Auf der
Karte war zusätzlich ein Gutschein im Wert von 50 Cent abgedruckt. Der Geldanreiz
und das Ansprechen der Gefühle veranlassten viele Kunden, danach weiterhin das Pro-
dukt Sheba zu bevorzugen, weil sie dadurch im Unterbewussten die Liebe zu ihrer
Katze bestätigen konnten. Die beiden Promotion-Kampagnen hielten den Rückgang
beim Marktanteil endgültig auf. Die positive Wirkung auf den Bekanntheitsgrad der
Marke und auf das Wiederkaufverhalten war enorm und der Anteil derer, die mindes-
tens einmal Sheba gekauft hatten, stieg von neun auf 22 Prozent an.
Quelle:
Autor des Textes PEDRO QUELHAS BRITO, Universidado do Porto, Portugal

Weitere Stimuli sind bedeutende Ereignisse im Umfeld des Käufers, z.B. in den Bereichen
Wirtschaft, Technologie, Politik und Kultur. Alle diese Anreize gehen in die „Black Box“ des
Käufers ein, wo sie in beobachtbare und messbare Käuferreaktionen umgesetzt werden:
 Wahl eines Produkts
 Wahl einer Marke

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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

 Wahl eines Händlers


 Zeitpunkt des Kaufs
 Kaufmenge
Marketer möchten verstehen, wie Anreize (stimuli) in der „Black Box“ des Konsumenten in
Reaktionen umgewandelt werden. Dabei beeinflusst zunächst die Persönlichkeit des Käufers,
wie er die Anreize wahrnimmt und verarbeitet. Außerdem wird das Käuferverhalten durch
den Kaufentscheidungsprozess selbst beeinflusst.
In diesem Kapitel zeigen wir zunächst, wie Käufereigenschaften das Kaufverhalten beeinflus-
sen, danach beleuchten wir den Kaufentscheidungsprozess näher. Man wird niemals wissen,
was genau in der „Black Box“ geschieht, und damit das Käuferverhalten vorhersagen kön-
nen. Doch können uns diese Modelle dabei helfen, Konsumenten zu verstehen und uns zei-
gen, wie man Käufer beeinflussen kann.

5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens


Ein Kauf wird stark durch kulturelle, soziale, persönliche und psychologische Charakteris-
tika beeinflusst, wie in Abbildung 5.3 dargestellt. In der Regel kann das Marketing auf diese
Größen nicht einwirken, es muss sich jedoch über deren Wirkungen im Klaren sein.

Kulturelle Faktoren
Soziale Faktoren
Persönliche
Kultur Faktoren
Gruppen Psychologische
Alter und Faktoren
Lebensphase
Familie Beruf Motivation
Subkulturen Wahrnehmung Käufer
Finanzielle
Situation Lernen
Rollen und Lebensstil Überzeugungen
Status Persönlichkeit und Einstellungen
Soziale Schicht
und Selbstbild

Abbildung 5.3: Einflussfaktoren auf den Käufer

5.3.1 Kulturelle Faktoren


Kulturelle Faktoren üben einen breiten und tief gehenden Einfluss auf das Käuferverhalten
aus. Aufgabe des Marketings ist es, die Bedeutung von Kultur-, Subkultur- und Klassen-/
Schichtzugehörigkeit des Käufers zu erkennen.

Kultur
Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur ist das grundlegende Motiv für die Wünsche
und das Verhalten einer Person. Menschliches Verhalten ist überwiegend erlernt. Wenn ein
Kind in einer Gesellschaft aufwächst, lernt es von der Familie und anderen wichtigen Institu-
tionen Grundwerte, Wahrnehmungen, Bedürfnisse und Verhalten. Ein Kind in westlichen
Kulturen lernt bestimmte Wertvorstellungen über Leistung, Erfolg und Engagement, Effizienz
und Durchführbarkeit, Fortschritt, materiellen Reichtum, Individualismus, Freiheit, Mensch-

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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

lichkeit, Jugendlichkeit, Fitness und Gesundheit. Manchmal nehmen wir diese Wertvorstel-
lungen als selbstverständlich an, aber sie gelten nicht unbedingt in allen Kulturen.
Marketingfachleute versuchen immer, kulturelle Änderungen auszumachen, damit sie neue
Produkte erschaffen können, welche in der neuen Situation gebraucht werden. Ein solcher kul-
tureller Wandel ist beispielsweise der Trend zu Gesundheit und Fitness. Dieser hat eine Indus-
trie hervorgebracht, die Sportausrüstung und -bekleidung, gesünderes und natürlicheres Essen
und Gesundheits- und Fitnessdienstleistungen bietet. Genauere Untersuchungen dieses Wan-
dels belegen die Komplexität des Konsumentenverhaltens und zeigen die Unterschiede im
internationalen Vergleich. Der Wandel zu mehr Freizeit hat zu einer höheren Nachfrage im
Bereich von Convenience-Produkten und Dienstleistungen geführt, z.B. Mikrowellengeräte
und Fast-Food-Restaurants. Weltweit wird immer mehr auf eine gesündere Ernährung geachtet.
Gleichzeitig wird jedoch immer weniger Zeit zum Kochen aufgewendet. Während der letzten
20 Jahre ist die durchschnittliche Dauer zur Zubereitung einer Mahlzeit von einer Stunde auf
20 Minuten zurückgegangen. Viele Verbraucher äußern Vorbehalte gegenüber Nahrungsmittel-
zusätzen und gentechnisch veränderten Produkten, dennoch finden Lebensmittel, die zum Bei-
spiel gezielt fettarm sind oder den Cholesterinspiegel senken, breite Akzeptanz.

Sozialversicherungspflichtig beschäftigte
Personen
ausländische Arbeitnehmer in Deutschland
Ausländische Arbeitnehmer insg. (Juni 2016) 3.133.874 (entspricht 10,0% aller Beschäftigten)

Davon: Anteil in Prozent


Türkei 17,1
Italien 8,1
Polen 10,3
Serbien/Montenegro 2,3
Griechenland 4,3
Kroatien 4,5
Spanien 2,1
Übrige Welt 51,3
Tabelle 5.1: Ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland (Juni 2016)

Quelle: Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.), „Arbeitsmarkt für Ausländer Juni 2018“, unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/
Statistikdaten/Detail/201807/analyse/analyse-d-arbeitsmarkt-auslaender/analyse-d-arbeitsmarkt-auslaender-d-0-201807-
pdf.pdf [17.12.2018].

Subkulturen
Jede Kultur enthält kleinere Subkulturen oder Gruppen von Menschen, welche ein auf gemein-
samen Lebenserfahrungen und -situationen basierendes Wertesystem teilen. Subkulturen sind
z.B. unterschiedliche Nationalitäten, Religionen, ethnische Gruppen oder geografische Regio-
nen. Viele Subkulturen stellen wichtige Marktsegmente dar und Unternehmen entwerfen häu-
fig maßgeschneiderte Produkte und Marketingmaßnahmen für die Bedürfnisse dieser Gruppen.
Innerhalb von Europa existiert eine Vielzahl von Subkulturen – von Mitgliedern der Cyber-
goth-Szene über Bodybuilder und Motorradfahrer bis zu fundamentalen Christen.

251
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Häufig vernachlässigen Massenanbieter diese Subkulturen, für kleinere Unternehmen als


Nischenanbieter können diese Teilmärkte jedoch sehr attraktiv sein.
Die Subkultur der Gamer Ursprünglich bezog sich der Ausdruck „Gamer“ auf junge Leute,
die Rollen- und Action-Spiele spielten. Heutzutage versteht man unter „Gamern“ eher dieje-
nigen, die Videospiele spielen oder sich damit beschäftigen, sowohl online als auch offline.
95 Millionen der europäischen Erwachsenen spielen regelmäßig und jedes Jahr werden mehr
als 253 Millionen Spiele verkauft. Untersuchungen zeigen, dass der typische „Gamer“ kei-
neswegs, wie so oft angenommen, aus sozial benachteiligten Schichten stammt. Eine Studie
von Game Vision Europe (2017) ergibt Folgendes für Deutschland:1
 Die Spieler sind zu 52 Prozent männlich und zu 48 Prozent weiblich.
 Das Spielen ist besonders bei Jüngeren in der Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen beliebt.
 23 Prozent spielen an der Konsole zu Hause, 42 Prozent auf dem Computer und 28 Prozent
auf ihren Smartphones.
 Die durchschnittliche Zeit, die mit Spielen verbracht wird, beträgt pro Woche etwa 7
Stunden.
 Am populärsten ist das Spielen in Frankreich mit 64 Prozent Gamern, in Großbritannien
und Spanien sind es dagegen nur 43 Prozent bzw. 44 Prozent. Deutschland liegt mit 56
Prozent im Mittelfeld.

Abbildung 5.4: Mehr als 50 Prozent der Deutschen sind einer Studie zufolge Gamer.
(Quelle: Steve Shott (Foto), Pearson Education Ltd. (mit freundlicher Genehmigung))

Eine weitere Subkultur: das Marktsegment „55+“ Aufgrund der älter werdenden Gesell-
schaft werden die reifen Konsumenten zu einer immer attraktiveren Zielgruppe. Seit 2015

1 Siehe https://www.isfe.eu/sites/isfe.eu/files/gametrack_european_summary_data_2017_q3.pdf, Zu-


griff Mai 2018.

252
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

sind die geburtenstarken Jahrgänge über 50, sodass die 50- bis 75-Jährigen 40 Prozent der
erwachsenen Konsumenten ausmachen. 2030 werden die über 65-Jährigen bereits einen
Anteil von 20 Prozent der Bevölkerung einnehmen. Während 1960 in den meisten europäi-
schen Ländern auf jede Person über 65 noch drei Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren kamen,
wird 2060 nur noch ein Kind zwei über 65-Jährigen gegenüberstehen.
In allen Industriestaaten nimmt der Anteil der Senioren zu. Das Segment 50+ ist inzwischen
für fast 50 Prozent aller Ausgaben der Privathaushalte verantwortlich, mehr als bei jeder vor-
herigen Generation. Diese Gruppe hat zweieinhalb Mal so viel verfügbare Mittel wie die 18-
bis 34-Jährigen.
Trotz finanzieller Rückschläge, die aus Wirtschaftskrisen resultierten, stellen die über 55-Jäh-
rigen eine wichtige Gruppe für das Marketing dar, da viele von ihnen über ausreichend Ein-
kommen verfügen und sie Zeit für Konsum, Reisen und Freizeitaktivitäten haben. Sie sind
somit ideale Kunden für exotische Reisen, Restaurants, Hightech-Geräte für den Haushalt,
Freizeitprodukte und -dienstleistungen, Designermöbel und -kleidung, Finanz- und Gesund-
heitsdienstleistungen.
Jahrzehntelang haben Marketingfachleute diese Generation als arm und verbittert betrachtet
und nicht bereit, Marken zu wechseln. Ein Problem liegt darin, dass Markenmanager und
Werbetexter zunehmend jünger werden. „Beauftragen Sie eine Werbung für die Generation
50 plus“, beklagt ein Werbe-Experte, „und Sie bekommen einen grauhaarigen Senior am
Strand in Begleitung eines alternden Golden Retrievers.“
Reife Konsumenten sind jedoch alles andere als engstirnig. Eine Studie fand heraus, dass
diese Generation eher dazu bereit ist als jüngere Menschen, technische Produkte wie Stereo-
anlagen, Computer oder Handys zu vergleichen und Marken zu wechseln. So wurden 25 Pro-
zent der Apple iPhones, die als cool und supermodern gelten, von Leuten über 50 gekauft.
Der Wunsch der Älteren, so jung auszusehen wie sie sich fühlen, macht sie zunehmend auch
zu Abnehmern von Kosmetika, Körperpflegeprodukten, Bio-Nahrungsmitteln, Fitness- und
anderen Produkten, die die Zeichen des Alterns bekämpfen. Der Appell an die aktive und
vielseitige Lebensweise der Zielgruppe ist hier die erfolgreichste Werbestrategie. Kellogg sen-
dete einen Fernsehspot, in dem Menschen im Alter von 53 bis 81 gezeigt wurden, die Eisho-
ckey spielten, Wasserski fuhren, einen Hürdenlauf absolvierten und Baseball spielten. Dazu
wurde als Hintergrundmusik „Wild Thing“ von den Troggs eingespielt. Ein Werbespot eines
Dienstleisters im Gesundheitsbereich zeigt einen Rentner, der sich nach seinem Rückzug aus
der Anwaltstätigkeit seinen Lebenstraum erfüllt und Archäologe wird. Die reiferen Konsu-
menten bilden auch eine attraktive Zielgruppe für Reiseagenturen und Urlaubsanbieter, ins-
besondere weil sie längere und teurere Reisen buchen als junge Menschen.

Soziale Schicht
Nahezu jede Gesellschaft hat eine Art Klassenstruktur. Soziale Klassen oder Schichten sind
zeitlich relativ stabile Teile einer Gesellschaft, deren jeweilige Mitglieder ähnliche Werte,
Interessen und Verhaltensweisen haben. Eine Einteilung der Gesellschaft in sieben Klassen –
in Anlehnung an die Verhältnisse in Großbritannien – ist weitgehend akzeptiert, obwohl die
meisten Staaten ihre eigenen Strukturen aufweisen.

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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Beschäftigung des
Sozialer Status Beschreibung Anteil
Haushaltsvorstandes

Oberschicht Obere Oberschicht Soziale Elite mit geerbtem 1%


Wohlstand

Reichtum, spenden viel


für Wohltätigkeit, Kinder
in Eliteschulen
Mittlere Oberschicht Reichtum und Wohlstand Vorstände, 2%
erarbeitet, sozial aktiv Aufsichtsräte,
Verwaltungsgremien

Mittelschicht Obere Mittelschicht Bildung hat hohen höheres Management, 12%


Bildung

Stellenwert, genießen Verwaltung, Eigentümer


hohes Ansehen von Unternehmen,
freie Berufe
Mittelschicht Durchschnittliches mittleres Management, 32%
Einkommen, leben in Verwaltung
besseren Wohngegenden,
folgen Trends

Arbeiterklasse Arbeiterschicht Führen ein „working-class- Facharbeiter u. Ä. 38%


Beruf

lifestyle“ ohne Rücksicht


auf Einkommen, Job und
Schulbildung

Unterschicht Unterschicht Leben an der angelernte Arbeiter, 9%


Armutsgrenze, oft ohne nicht angelernte Arbeiter
Schulbildung, schlecht
bezahlte Arbeit
Einkommen

Existenzminimum Sichtbare Armut, häufig Gelegenheitsarbeiter, 7%


arbeitslos, vom Staat Hilfskräfte
abhängig, leben von Tag
zu Tag

Abbildung 5.5: Sozioökonomische Gruppierung der Gesellschaft Großbritanniens

Soziale Klassen werden nicht nur über ein einziges Merkmal, zum Beispiel das Einkommen,
festgelegt, sondern als eine Kombination verschiedener Kriterien wie Beruf, Einkommen,
Ausbildung, Vermögen und weiterer Variablen angesehen.
In einigen sozialen Systemen sind unterschiedlichen Klassen spezielle Rollen zugeteilt und
ein Übergang von einer zu einer anderen Klasse ist kaum möglich. In Europa jedoch sind die
Grenzen zwischen den einzelnen Schichten offen, d.h., die Menschen können in eine höhere
soziale Schicht auf- oder auch in eine tiefere absteigen.
Nicht nur die Klassensysteme an sich unterscheiden sich in den verschiedenen Gesellschaf-
ten der Welt, auch der Anteil der jeweiligen Schichten variiert je nach Wohlstand des Lan-
des. Eine karoförmige Struktur (wenige Menschen ganz oben und ganz unten und viele Men-
schen in der Mitte) ist für die meisten Industriestaaten typisch. In weniger entwickelten
Ländern Lateinamerikas und Afrikas ist die Struktur pyramidenförmig, wobei ganz unten
eine breite Masse ärmerer Bevölkerungsteile steht. Wenn sich Länder weiterentwickeln, neh-
men sie zunehmend die karoförmige Struktur an, obwohl es in letzter Zeit Anzeichen dafür
gibt, dass sich der Abstand zwischen Arm und Reich in den Englisch sprechenden Staaten
vergrößert.

254
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

Geschlecht
Alter
Geburtsland
Demografische Variablen Staatsangehörigkeit (zur Zeit der Datenerfassung)
Offizieller Ehe- und Familienstand
Tatsächlicher Ehe- und Familienstand/Partnerschaftsverhältnis
Größe und Zusammensetzung des Haushalts
Wohnort
Geografische Variablen Region
Grad der Urbanisierung
Erwerbsstatus (selbst angegeben)
Stellung im Beruf
Ausgeübte Tätigkeit
Sozioökonomische Variablen Ökonomischer Sektor der ausgeübten Tätigkeit
Höchster Schulabschluss
Monatliches Nettoeinkommen des Haushalts
Tabelle 5.2: Europäische Standardkriterien für sozioökonomische Analysen

Marketingfachleute interessieren sich für die Klassensysteme, weil die Menschen innerhalb
einer sozialen Schicht zu einem ähnlichen Kaufverhalten tendieren. Dies zeigt sich deutlich
bei Produkt- und Markenpräferenzen in den Bereichen Kleidung, Inneneinrichtung, Frei-
zeitaktivitäten und Autos.
Bestimmte Klassensysteme haben größeren Einfluss auf das Kaufverhalten als andere. In den
westlichen Industriestaaten gibt es das Phänomen der „Aufwärts-Mobilität“. Das bedeutet,
dass die „unteren Klassen“ in ihrem Kaufverhalten den höheren Schichten nacheifern. In
anderen Kulturen ist das Kaufverhalten stärker an die soziale Klasse gebunden, z.B. in
Gesellschaften mit einem Kastensystem, wo die Rollen streng verteilt sind. Meist weisen die
Oberklassen unterschiedlicher Gesellschaften untereinander mehr Ähnlichkeiten auf als
zum Rest ihrer eigenen Gesellschaft. Wenn sie bezüglich Produkten und Dienstleistungen,
darunter Nahrung, Kleidung, Haushaltsgüter oder Körperpflegeprodukte, eine Wahl treffen,
sind ihre Entscheidungen weniger kulturgebunden als in den unteren Schichten. Diese Ten-
denz erklärt den weltweiten Erfolg von Luxusgüterherstellern wie Burberry, Tag Heuer oder
Mont Blanc. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die unteren Schichten stärker an die Kul-
tur gebunden sind. Für die jungen Menschen aller Klassen gilt das nicht unbedingt, was
anhand globaler Jugendmarken wie Adidas, Coca-Cola und Swatch zu erkennen ist.

5.3.2 Soziale Faktoren


Das Konsumentenverhalten wird auch durch soziale Faktoren beeinflusst. Dazu zählen die
Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, die Familie sowie soziale Rollen und sozialer Status.
Da diese Aspekte in hohem Maß auf die Konsumentenreaktion einwirken, müssen sie beim
Entwurf von Marketingstrategien berücksichtigt werden.

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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Die Rolle der Gruppe und sozialer Netzwerke


Das Verhalten einer Person wird durch Gruppen beeinflusst. Gruppen, die einen direkten
Einfluss auf eine Person haben und denen diese Person angehört, heißen Zugehörigkeits-
gruppen. Darunter fällt die sogenannte Primärgruppe, zu welcher ein regelmäßiger und meist
informeller Kontakt besteht, z.B. Familie, Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen. Beson-
ders Kinder unterliegen dem sozialen Druck dieser Gruppen, was auch erklärt, warum sich
alle Kinder genau das gleiche Spielzeug zu Weihnachten wünschen. Eine weitere Gruppenart
ist die Sekundärgruppe, in der ein eher formeller und unregelmäßiger Umgang herrscht.
Dazu zählen religiöse Gruppen, Berufsverbände und Gewerkschaften.
Neben den Zugehörigkeitsgruppen gibt es auch die Referenzgruppen. Diese dienen als direk-
ter oder indirekter Bezugs- oder Vergleichspunkt bei der Verhaltens- und Einstellungsbildung
einer Person. Häufig üben solche Referenzgruppen, denen die Person selbst gar nicht ange-
hört, die sie sich jedoch als Vorbild auswählt, einen hohen Einfluss aus. Sie identifizieren
sich mit ihren Idolen, obwohl kein direkter Kontakt besteht. Heutzutage mögen Eltern
erleichtert sein, dass die Helden ihrer Kinder angenehmere Zeitgenossen sind als die Rebel-
len und Punks, die sie selbst früher angehimmelt haben.
Marketingfachleute bemühen sich, die Referenzgruppen ihrer Zielmärkte zu identifizieren.
Referenzgruppen beeinflussen eine Person auf mindestens drei Arten: Sie vermitteln neue
Verhaltensmuster und Lebensstile, sie beeinflussen die Überzeugungen und das Selbstbild
einer Person, weil diese „dazugehören möchte“, und sie üben auch insofern einen gewissen
Druck auf die Person aus, als dass sie bestimmte Produkte und Marken (in Anlehnung an die
Präferenzen der Referenzgruppe) favorisiert.
Der Einfluss von Referenzgruppen variiert sehr stark je nach Produkt und Marke, tendenziell
ist er aber bei auffälligen Käufen wie z.B. eines Vespa-Rollers am stärksten. Ein Produkt kann
aus zwei Gründen in diese Kategorie fallen. Entweder gibt es nur wenige Personen, die das
Produkt besitzen, z.B. Luxusgüter wie eine Rolex-Uhr oder ein Mercedes 190SL aus dem
Jahre 1960; oder aber die Auffälligkeit des Produkts resultiert aus der Nutzung in der Öffent-
lichkeit, wo andere es sehen können, z.B. Red Bull zu trinken oder Zigarren zu rauchen.
In der Abbildung 5.6 wird der Gruppeneinfluss auf die Produkt- und Markenwahl bei vier
Produktarten (öffentliche und private, Luxusgüter und notwendige Güter) veranschaulicht.

Gruppeneinfluss auf Markenwahl


stark schwach
Gruppeneinfluss auf Produktwahl

Öffentliche Luxusgüter Private Luxusgüter

stark Golfclub Videospiele


Skiausrüstung Klimaanlage
Yacht Profiküche

Öffentliche Private
notwendige Güter notwendige Güter
schwach Armbanduhr Matratze
Auto Lampen
Kleidung Kühlschrank

Abbildung 5.6: Intensität des Gruppeneinflusses auf Produkt- und Markenwahl

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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

Wenn jemand ein öffentlich sichtbares Luxusgut wie zum Beispiel eine Yacht kaufen will,
wird er im Allgemeinen stark durch andere beeinflusst. Viele werden den Kauf einer Yacht
bemerken, denn nur wenige besitzen eine und der Besitz einer Yacht fällt auf. Wer sich aus-
kennt, wird den Hersteller der Yacht erkennen, denn diese wird öffentlich sichtbar benutzt.
In diesem Falle sind daher sowohl das Produkt selbst als auch die Marke unübersehbar und
die Meinung anderer kann sehr stark Entscheidungen darüber beeinflussen, ob man über-
haupt eine Yacht besitzen und welche Marke man kaufen sollte. Das andere Extrem bilden
die Güter und Dienstleistungen, die ein Außenstehender nicht bemerkt und bei deren Kauf es
keinen Gruppendruck gibt.
Einfluss von „Word-of-mouth“ und „Buzz Marketing“ Der Einfluss von Mundpropaganda
spielt eine wichtige Rolle beim Konsumverhalten. Persönliche Ratschläge und Weiteremp-
fehlungen vertrauter Freunde, Kollegen und anderer Konsumenten sind glaubwürdiger als
diejenigen aus kommerziellen Quellen, wie Werbung oder durch Verkäufer. Dieser Einfluss
geschieht meist unbewusst, zum Beispiel, wenn sich Konsumenten über Marken unterhalten
oder informieren. Anstatt es dem Schicksal zu überlassen, können Marketingfachleute es
jedoch auch bewusst steuern, ihre Marken ins Gespräch zu bringen.
Hersteller von Produkten, die starken Gruppeneinflüssen unterliegen, sollten herausfinden,
wie sie die Meinungsführer erreichen können. Meinungsführer sind Personen innerhalb
einer Referenzgruppe, die aufgrund besonderer Fähigkeiten, ihres Wissens, ihrer Persönlich-
keit oder anderer Eigenschaften einen besonders starken Einfluss auf die anderen Gruppen-
mitglieder ausüben. Wenn sie reden, hören die Konsumenten zu. Daher versucht das Marke-
ting-Management, Meinungsführer für seine Produkte zu identifizieren und seine
Marketingleistungen auf sie auszurichten. Zum Beispiel breiten sich die angesagtesten
Trends in den Bereichen Musik, Mode und Jugendsprache meist von den Großstädten in die
umliegenden ländlichen Gegenden aus. Aus diesem Grund untersuchen Bekleidungsunter-
nehmen, die eine jugendliche, modebewusste Zielgruppe ansprechen wollen, gezielt das Ver-
halten und den Stil der städtischen Meinungsführer.
Buzz Marketing bedeutet das Anwerben oder Erfinden neuer Meinungsführer, damit diese
als Markenbotschafter die Bekanntheit und Beliebtheit von Produkten erhöhen. Viele Unter-
nehmen schaffen inzwischen Programme für Markenbotschafter und versuchen, aus einfluss-
reichen, aber alltäglichen Konsumenten „Marken-Evangelisten“ zu machen. Eine Studie fand
heraus, dass solche Programme die Wirksamkeit des „Word-of-mouth-Marketing“ um mehr
als 50 Prozent steigern können. So hat die Marke Procter & Gamble beispielsweise mit
„Vocalpoint“ eine aus 500.000 Müttern bestehende „Word-of-mouth-Marketing“-Gemein-
schaft kreiert. Die Mitglieder von „Vocalpoint“ haben ein enormes Netzwerk an Freunden
und reden gerne und viel über alle möglichen Dinge. Die Mütter werden allerdings nicht von
P&G bezahlt oder in ihrer Meinungsfindung beeinflusst, sondern sie bekommen lediglich
Produktinformationen und Gratisproben, mit der Bitte, ihre ehrliche Meinung zu teilen.
Somit erhält ein neues Produkt wie von selbst unzählige persönliche Weiterempfehlungen.

257
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Marketing-Highlight: Social Networking im Internet

In den vergangenen Jahren hat sich explosionsartig eine neue Art der sozialen Interak-
tion ausgebreitet – soziales Netzwerken im Internet – kommuniziert wird über Internet-
medien wie Blogs oder Netzwerkseiten wie Facebook, Twitter, Google+, Instagram und
Snapchat. Diese Begeisterung für internetbasiertes Networking hat große Auswirkungen
auf das Marketing.
Das Marketing vieler Unternehmen arbeitet deshalb daran, diese sozialen Netzwerke für
die Kommunikation und den Aufbau engerer Beziehung zum Kunden zu nutzen.
Anstatt dem Konsumenten mehr Einweg-Werbebotschaften zukommen zu lassen, versu-
chen Unternehmen über das Internet und soziale Netzwerke auf Konsumenten einzu-
wirken und Teil ihres täglichen Lebens zu werden. Sie veröffentlichen beispielsweise
regelmäßig Werbespots oder Kundenvideos auf Seiten wie YouTube.
Adidas hat vor einiger Zeit seinen Schuh adicolor wieder auf dem Markt eingeführt. Es
handelt sich um einen weißen Sneaker, der mit sieben Filzstiften verkauft wird. Adidas
engagierte verschiedene Agenturen, um innovative Videos für Smartphones zu entwer-
fen. Die Kreativen bekamen absolut freie Hand und konnten die ihnen zugeteilte Farbe
nach Belieben umsetzen. „Die Kreativen, die wir ausgesucht haben, haben unserer Mei-
nung nach ein gutes Gespür für die Szene“, sagt ein adidas-Manager. Das Projekt war
nicht an das Produkt gebunden, sondern die Kreativen wurden vielmehr gebeten‚ „die
Farben, die Anpassung des Produkts an den Kunden und den Ausdruck der eigenen
Persönlichkeit zu zelebrieren“. Jede Woche wurde einer der Kurzfilme über E-Mails und
Internetseiten wie YouTube veröffentlicht. Innerhalb der ersten drei Wochen sahen 2,1
Millionen Menschen diese Filme. Nach den ersten beiden Monaten waren es 20 Millio-
nen. Mit jeder weiteren Veröffentlichung stiegen die Zahlen exponentiell an.
Marken von Guinness und IKEA bis hin zu Real Madrid nutzen Twitter. H&M steht mit
seinen Kunden über firmeneigene Facebook- und YouTube-Seiten in Verbindung, hat
eine spezielle H&M-iPad/iPhone-App und jede Menge begeisterte Gruppen. Benetton
unterstützt „the united blogs of Benetton“ mit Blogs aus den Niederlanden bis nach Por-
tugal, Italien, Mexiko und sogar China. Die Firma Cadbury postete mehrere Werbeanzei-
gen, die hinter die Kulissen blicken lassen, um ihre Schokolade zu vermarkten.
Wann immer sich das Marketing jedoch soziale Netzwerke im Internet zunutze macht,
gilt es vorsichtig zu sein. Die Wirkungen sind schwer zu messen und zu kontrollieren.
Letztendlich kontrollieren die Nutzer den Inhalt der Seiten. Marketing im Internet kann
daher auch „nach hinten losgehen“.

Familie
Familienmitglieder können das Kaufverhalten sehr stark beeinflussen. Man kann zwei Fami-
lienarten im Leben eines Menschen unterscheiden. Die Eltern des Käufers bilden die erste
Familie, die sogenannte Herkunftsfamilie. Eltern vermitteln ihren Kindern zum einen
bestimmte Einstellungen gegenüber Religion, Politik und Wirtschaft und zum anderen per-
sönlichen Ehrgeiz, Selbstwertgefühl und Liebe. Selbst wenn eine Person nicht mehr mit
ihren Eltern in Beziehung steht, ist deren Einfluss auf ihr Kaufverhalten immer noch stark.
Gerade in Ländern, wo Großfamilien bestehen und alle Generationen unter einem Dach
leben, kann der Einfluss der Eltern entscheidend sein. Die zweite Familie ist die mit dem

258
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

Lebenspartner gegründete Lebenspartner-Familie. Diese hat einen noch größeren und direk-
teren Einfluss auf das tägliche Kaufverhalten. Dieser Familientyp ist die wichtigste Einkaufs-
organisation in unserer Gesellschaft und intensiv erforscht worden. Die Studien beziehen
sich auf die Rollenverteilung und den Einfluss von Ehemann, Ehefrau und Kindern auf die
Kaufentscheidungen bei bestimmten Produkten und Dienstleistungen.
Der Entscheidungsanteil von Mann und Frau variiert sehr stark je nach Produktkategorie und
Stufe des Kaufentscheidungsprozesses. Mit der Veränderung von Lebensgewohnheiten wan-
delt sich auch die Rollenverteilung beim Kauf. Fast überall auf der Welt ist die Frau traditio-
nellerweise der wichtigste „Einkäufer“ für die Familie, besonders bei Lebensmitteln, Haus-
haltsprodukten und Kleidung. Heutzutage gilt diese Rollenverteilung jedoch immer weniger,
da bereits mehr als 70 Prozent der Frauen in den Industriestaaten einer Berufstätigkeit nach-
gehen und ihre Ehemänner bereit sind, mehr für den Haushalt zu tun. Eine Studie fand her-
aus, dass 65 Prozent der Männer regelmäßig einkaufen gehen und mindestens einmal pro
Woche das Essen zubereiten. Gleichzeitig beeinflussen rund 65 Prozent der Frauen Kaufent-
scheidungen bezüglich eines neuen Autos, 91 Prozent beeinflussen den Kauf eines neuen
Hauses und 92 Prozent der Frauen haben Einfluss auf die Wahl des Urlaubs. Frauen treffen
rund 85 Prozent aller Kaufentscheidungen und kontrollieren ungefähr 73 Prozent aller Haus-
haltsausgaben. „Die heutige Frau ist ... der ernannte leitende Geschäftsführer des Zuhauses“,
so ein Analytiker. Diese Veränderungen lassen annehmen, dass Marketingfachleute, deren
Produktwerbung bisher nur auf den Verkauf an entweder Männer oder Frauen ausgelegt war,
nun auch das jeweils andere Geschlecht umwerben müssen. Beispielsweise machen Frauen
heute 50 Prozent beim Einkauf von Technik aus. Deshalb entwickeln Elektronikhersteller
inzwischen Produkte, die einfacher zu bedienen sind und sich eher an Frauen wenden.
In Westeuropa wird die Mehrheit aller Autos von Frauen gekauft, daher auch der Markt für
hochwertige Kleinwagen. Gleichzeitig hat die Werbeagentur Euro RSCG Worldwide ein
neues Wachstumssegment identifiziert, die sogenannten Metrosexuellen, deren bekanntester
Vertreter David Beckham ist. Dabei handelt es sich um heterosexuelle Männer, die sich für
typisch weibliche Dinge wie Shopping oder Pflegeprodukte interessieren. Ihnen ist der stei-
gende Anteil an Männerpflegeprodukten zu verdanken. Beim Erwerb kostspieliger Produkte
und Dienstleistungen neigen Männer und Frauen dazu, die Entscheidungen gemeinsam zu
treffen.
Gruppenmitglieder können den Kauf auf viele Arten beeinflussen. Zum Beispiel kaufen
Männer ihre Zeitung selbst und Frauen erstehen ihre Strumpfhose ohne Rücksprache mit
dem Partner. Bei anderen Produkten ist jedoch die Kaufentscheidung komplexer und es
ergibt sich eine Rollenverteilung, ähnlich dem Buying Center eines Unternehmens:
 Initiator (Initiator) Die Person, die zuerst den Vorschlag macht oder die Idee hat, ein
bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung zu erwerben.
 Influencer (Beeinflusser) Eine Person, deren Ansicht oder Ratschlag die Kaufentschei-
dung beeinflusst, zum Beispiel ein Bekannter oder ein Verkaufsberater.
 Decider (Entscheider) Die Person, welche letztendlich die Entscheidung über den Kauf
trifft oder an einem Teil der Kaufentscheidung mitwirkt: ob gekauft wird, was gekauft
wird, wie gekauft wird und wo gekauft wird.
 Buyer (Käufer) Die Person, die den tatsächlichen Kauf durchführt. Wenn der Entscheider
seine Wahl getroffen hat, kann auch jemand anderes den Kauf tätigen.
 User (Nutzer) Die Person, die das Produkt benutzt oder die Dienstleistung in Anspruch
nimmt.

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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Rollen und Status


Jede Person gehört mehreren Gruppen an wie Familie, Verein, Organisationen. Die Position
innerhalb einer jeden dieser Gruppen lässt sich anhand der Rolle innerhalb der Gruppe und
mit dem jeweiligen Status definieren.
Jede Rolle bringt einen Status mit sich, der die Wertschätzung dieser Rolle durch die Gesell-
schaft widerspiegelt. Häufig entscheiden sich Käufer für Produkte, die ihren Status innerhalb
der Gesellschaft zeigen. Nehmen wir beispielsweise die verschiedenen Rollen, die eine arbei-
tende Mutter innehat. Bei der Arbeit übernimmt sie die Rolle als Markenmanagerin, in ihrer
Familie die Rolle als Ehefrau und Mutter und bei den von ihr favorisierten Sportveranstal-
tungen tritt sie als begeisterter Fan auf. Als Markenmanagerin wird sie solche Kleidung kau-
fen, die ihre Rolle und ihren Status im Unternehmen unterstreichen, während sie bei den
Sportveranstaltungen ein Fantrikot trägt, um „ihr“ Team zu unterstützen.

5.3.3 Persönliche Faktoren


Die Entscheidungen eines Konsumenten werden auch von persönlichen Charakteristika
geprägt, wie zum Beispiel Alter, Lebensphase, Beruf, finanzielle Situation, Lebensstil, Per-
sönlichkeit und Selbstbild.

Alter und Lebensphase


Was Menschen im Laufe ihres Lebens erwerben, behalten sie nicht für immer. Der
Geschmack in Bezug auf Essen, Kleidung, Möbel und Freizeitgestaltung ist häufig altersab-
hängig. Auch beim Einkauf spielen die Lebensphasen, die eine Familie im Laufe ihres
gemeinsamen Älterwerdens durchläuft, eine Rolle. Die Lebensphasen ändern sich in der
Regel mit demografischen und einschneidenden Ereignissen – Heirat, Geburt, der Kauf eines
Hauses, Scheidung, weiterführende Schulen der Kinder, Änderungen beim persönlichen
Einkommen, Umzüge und Renteneintritt. Marketingexperten bestimmen ihre Zielmärkte
häufig nach solchen Lebensphasen und entwickeln entsprechende Produkte und Marketing-
pläne für jeden Lebensabschnitt.
PersonicX, die Methode zur Zielgruppensegmentierung der riesigen Kommunikationsagen-
tur Acxiom, gruppiert Haushalte in verschiedene Konsumsegmente und Lebensphasen, die
auf bestimmten Verhalten der Kunden und demografischen Merkmalen basieren. PersonicX
versieht die Lebensphasen mit Bezeichnungen wie Jung & in Ausbildung, Jung & Berufsein-
stieg, Kinderlos & aktiv, Familie & kleines Budget, Midlife Single & kleines Budget, Junge
Senioren, Lebensabend & Genügsam-Einfach und Goldener Ruhestand & aktiv. Das Segment
Jung & Berufseinstieg z.B. besteht aus jungen, motivierten, gut ausgebildeten Paaren und jun-
gen Familien, die sich dem Aufbau ihrer Karrieren, sozialen Kontakte und Interessen, insbe-
sondere Fitness und aktive Freizeit, widmen. Midlife Single & kleines Budget bezeichnet
weniger gut ausgebildete Arbeiter mit mittlerem Einkommen, die dabei sind, ihre Existenz
aufzubauen und die Gründung einer Familie planen. „Verbraucher durchlaufen viele
Lebensphasen“, sagt Acxiom. „Mit den Veränderungen in ihrem Leben ändert sich auch das
Verhalten und die Prioritäten beim Kauf. Werbetreibende, die mit vorhandenen Daten den
Zeitpunkt und die Art der wechselnden Lebensphasen bei ihren Kunden ermitteln können,
haben damit einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz.“2
Außerdem hat Acxiom eine Reihe ökonomischer Lebensphasen-Segmente entwickelt, darun-
ter Gruppen wie Squeaking By, Eye on Essentials, Tight with a Purpose, It’s My Life, Full
Speed Ahead oder Potential Rebounders. Die Potential Rebounders sind dabei eher geneigt,

260
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

Ausgaben zu tätigen. Mehr als in jedem anderen Segment werden hier Onlinesuchen durch-
geführt, bevor Waren im Bereich Elektronik, Geräte, Wohndekoration oder Schmuck gekauft
werden. Daher sollten Händler in den betreffenden Warengruppen über eine starke Online-
präsenz verfügen, die Informationen über Preise, Eigenschaften und Besonderheiten sowie
die Warenverfügbarkeit bietet. Die verschiedenen Lebensphasen-Segmente sind auch mit
unterschiedlichen Kaufgewohnheiten verbunden. Die Unterteilung in Lebensphasen ist ein
starkes Marketinginstrument für Marketer aller Branchen, um ihre Zielgruppen besser zu fin-
den, zu verstehen und an sich zu binden. Mit dieser Fülle an Daten über die Besonderheiten
der Lebensphasen der Verbraucher können Marketer praxisnahe, persönliche Kampagnen
schaffen, die auf dem Kaufverhalten sowie dem Austausch mit Marken und dem Umfeld der
Menschen aufbauen.

Beruf
Auch der ausgeübte Beruf spielt beim Kauf von Gütern und Dienstleistungen eine Rolle.
Arbeiter haben einen größeren Bedarf an Arbeitskleidung, während Angestellte oder Beamte
mehr Anzüge kaufen. Aufgabe des Marketings ist es, die Berufsgruppen zu identifizieren, die
ein überdurchschnittliches Interesse an den eigenen Produkten und Dienstleistungen haben.
So sind manche Unternehmen auf Produkte für einen bestimmten Berufszweig spezialisiert.
Dies gilt z.B. für Software-Hersteller, die jeweils individuell zugeschnittene Produkte und
Dienstleistungen für Produktmanager, Buchhalter, Ingenieure, Anwälte oder Ärzte anbieten.

Finanzielle Situation
Natürlich hängt das Kaufverhalten in hohem Maße von der finanziellen Situation des Käu-
fers ab.
Marketing-Manager beobachten Trends bei den Ausgaben, persönlichen Einkommen, Spar-
quoten und Zinssätzen. In der heutigen Zeit der Sparsamkeit haben die meisten Firmen Maß-
nahmen ergriffen, um mehr Kundennutzen durch die Anpassung, Neuausrichtung und neue
Preisgestaltung ihrer Produkte und Dienstleistungen zu erzeugen.
Gemäß dem weltweiten Trend bieten Smartphone-Hersteller, die einst nur hochpreisige
Geräte produzierten, heute eine Reihe günstiger Modelle sowohl für Kunden im Inland als
auch für die Schwellenmärkte an. Die Motorola-Abteilung von Google brachte das ultra-
preiswerte Moto G Phone mit den gleichen Eigenschaften wie die teureren Geräte. Apple
brachte eine einfachere, günstigere Version des iPhone heraus, das iPhone SE. Weil die rei-
chen westlichen Märkte gesättigt und stärker umkämpft waren, hoffen Mobiltelefon-Herstel-
ler, dass die günstigeren Geräte ihnen Vorteile im Wettbewerb und beim Wachstum in weni-
ger wohlhabenden östlichen Schwellenmärkten wie China und Südost-Asien verschaffen.3

2 Zu diesem Zitat und weiteren Informationen zu Acxioms PersonicX-Segmentierung siehe „Acxiom


study reveals insight on evolving consumer shopping behaviors in trying economic times“, Reuters,
13. Januar 2009, www. reuters.com/article/pressRelease/idUS180299+13-Jan-2009+BW20090113;
„Acxiom study offers insight into leisure travelers who still spend freely despite a down economy“,
Business Wire, 18. November 2009 sowie „Acxiom PersonicX and Intelligent solutions for the travel
industry: life-stage marketing“, www.acxiom.com, Zugriff Oktober 2015.
3 Siehe „Apple expected to increase marketing presence abroad with low-cost iPhone“, Advertising
Age, 10. September 2013, www.adage.com/print/244072 sowie Alistair Barr und Edward C. Baig,
„Google targets low-end smartphone market with Moto G“, USA Today, 13. November 2013,
www.usatoday.com/story/tech/2013/11/13/google-motorola-moto-g/3516039/.

261
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Lebensstil
Menschen aus der gleichen Subkultur, sozialen Schicht und Berufsbranche können höchst
unterschiedliche Lebensstile aufweisen. Der Lebensstil beschreibt die Lebensweise einer Per-
son gemäß der psychografischen Segmentierung. Diese beinhaltet eine Messung der wichtigs-
ten AIO-Werte – Aktivitäten (Arbeit, Hobbys, Einkaufen, Sport, soziale Ereignisse), Interes-
sen (Kochen, Mode, Familie, Freizeit) und Meinungen (Opinions) (eigene Themen, Soziales,
Wirtschaft, Produkte). Der Begriff Lebensstil erfasst sehr viel mehr als die soziale Schicht
oder Persönlichkeit eines Menschen. Er steht für das gesamte Verhaltensmuster eines Men-
schen bei seinem Vorgehen und im Austausch mit anderen.
Mit Sorgfalt angewendet kann das Marketingkonzept rund um den Lebensstil Marketern ein
besseres Verständnis für sich ändernde Werte von Verbrauchern und deren Einfluss auf das
Kaufverhalten vermitteln. Verbraucher kaufen nicht nur Produkte; sie kaufen die Werte und
Lebensstile, die diese Produkte verkörpern. So verkauft Triumph nicht einfach Motorräder,
sondern den unabhängigen Lebensstil, seinen eigenen Weg zu gehen. Smirnoff Wodka rät
den Menschen: „Be there“ und adidas fordert seine Kunden auf: „Own the game“. Ein Marke-
tingexperte meint: „Die Produktwahl der Menschen hat immer mehr mit der Wahl von Wer-
ten zu tun. Sie denken nicht: ‚Ich kaufe dieses Wasser, weil es mir schmeckt‘. Sie entschei-
den sich für ein Auto oder eine Fernsehsendung, weil sie damit ausdrücken, wer sie sind.“4

Exkurs: Die Sinus-Milieus – Basissegmentierung der


Gesellschaft auf der Grundlage von Wertorientierungen und
Lebensstilen

Sinus-Milieus®: Reason Why Der soziokulturelle Wandel stellt das Marketing ständig
vor neue Herausforderungen. Sowohl die Fragmentierung der Märkte als auch die im
Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien zu beobachtenden Integra-
tions- und Substitutionsprozesse führen zu Streu- und Effizienzverlusten in der Marke-
tingkommunikation. Erfolgreiche Produktplanung und Kommunikation setzt deshalb
heute eine umfassende und zugleich differenzierte Zuwendung zum Verbraucher voraus
und macht es nötig, Zielgruppen über die herkömmlichen soziodemografischen Merk-
male hinaus präziser zu klassifizieren. Die Sinus-Milieus bieten dafür einen bewährten
Ansatz, der den Wertorientierungen und Lebensstilen der Verbraucher gerecht wird.
Seit drei Jahrzehnten erforscht das SINUS-Institut den Wertewandel und die Lebenswel-
ten der Menschen. Daraus entstanden sind die Sinus-Milieus, eines der bekanntesten
und einflussreichsten Instrumente für die Zielgruppen-Segmentation. Als wissenschaft-
lich fundiertes Modell, das kontinuierlich durch Begleitforschung und Beobachtung
soziokultureller Trends aktuell gehalten wird, spiegeln die Sinus-Milieus die Verände-
rungen in der Gesellschaft wider.

4 Beth J. Harpaz, „New book connects political and lifestyle choices“, 4. November 2006, www.seatt-
lepi.com/lifestyle/291052_lifestylevote04.html; Zu weiteren Informationen zum Lebensstil und Kon-
sumverhalten siehe Michael R. Solomon, Consumer Behavior: Buying, Having, and Being (Upper
Saddle River, NJ: Prentice Hall, 2011), S. 226–233.

262
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

Das Modell der Sinus-Milieus wird laufend an die soziokulturellen Veränderungen in


der Gesellschaft angepasst. Erkenntnisse aus der empirischen Forschung fließen perma-
nent in die Justierung des Modells ein. Während der Anteil der traditionellen Milieus
zurückgeht, beobachten wir ein kontinuierliches Wachstum im modernen Segment. Am
schnellsten wachsen die beiden Zukunftsmilieus Expeditive und Adaptiv-Pragmati-
sche, deren Umgang mit den aktuellen Herausforderungen zukünftige Trends erkennen
lässt.
Was sind die Sinus-Milieus®? Ein Instrument für das strategische Marketing, für
Media und Kommunikation Die Sinus-Milieus sind das Ergebnis von 40 Jahren sozial-
wissenschaftlicher Forschung. Die Zielgruppenbestimmung von SINUS orientiert sich
an der Lebensweltanalyse unserer Gesellschaft. Die Sinus-Milieus gruppieren Men-
schen, die sich in ihrer Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Grundlegende Wert-
orientierungen gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen zur
Arbeit, zur Familie, zur Freizeit, zu Geld und Konsum. Sie rücken also den Menschen
und das gesamte Bezugssystem seiner Lebenswelt ganzheitlich ins Blickfeld. Und sie
bieten deshalb dem Marketing mehr Informationen und bessere Entscheidungshilfen als
herkömmliche Zielgruppenansätze.
Die Sinus-Milieus werden seit Beginn der 80er-Jahre von führenden Markenartikel-Her-
stellern und Dienstleistungsunternehmen für das strategische Marketing, für Pro-
duktentwicklung und Kommunikation ebenso genutzt wie von politischen Parteien,
Ministerien, Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden. Große Medienunternehmen
arbeiten damit seit Jahren genauso wie Werbe- und Mediaagenturen. Mit der Integration
der Sinus-Milieus in die wichtigsten Markt-Media-Studien (z.B. Best4Planning) sowie
in das AGF/GfK-Fernsehpanel sind darüber hinaus interessante Möglichkeiten einer
optimierten Media-Auswertung und Planung gegeben.
Die Sinus-Milieus sind Zielgruppen, die es wirklich gibt – und sie liefern den „roten
Faden“ für Produktentwicklung, Strategie, Positionierung, Kommunikation, Mediapla-
nung und CRM.
Zielgruppenoptimierung mit den Sinus-Milieus® Um Menschen bzw. Zielgruppen zu
erreichen, muss man ihre Befindlichkeiten und Orientierungen, ihre Werte, Lebens-
ziele, Lebensstile und Einstellungen genau kennen und verstehen. Nur dann bekommt
man ein wirklichkeitsgetreues Bild davon, was die Menschen bewegt und wie sie
bewegt werden können. Zunehmend wichtig ist dabei, die Menschen nicht nur als mün-
dige Bürger und Verbraucher (die rational entscheiden) zu analysieren, sondern ein
ganzheitliches Bild der Zielgruppe zu gewinnen: wie sie sich und ihre Umwelt wahr-
nehmen, was sie mögen und was nicht, wie sie leben, denken, fühlen, bewerten. Das hat
Konsequenzen für die Kommunikation, die in der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie
nicht nur das vernünftige Argument liefern, sondern die Zielgruppe darüber hinaus
emotional und sinnlich „packen“ muss.
Die althergebrachte Segmentation nach soziodemografischen Merkmalen oder sozialen
Schichten reicht bei Weitem nicht mehr aus, um die Bürger/Verbraucher/Kunden ken-
nenzulernen. Soziodemografische Zwillinge können sich, manchmal überraschend und
mit unangenehmen Folgen, als unterschiedliche Zielgruppen herausstellen.

263
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Formale Gemeinsamkeiten, eine vergleichbare soziale Lage, vielleicht sogar eine ähnliche
Einstellung zur Produktkategorie, kann mit ganz unterschiedlichen Lebensstilen und Wert-
orientierungen verbunden sein. Konsum- und Markenpräferenzen werden von Lebenszie-
len, Lebensstilen und ästhetischen Präferenzen deutlich mehr bestimmt als von der Sozio-
demografie. Nur die ganzheitliche Betrachtung des Individuums führt also zu realistischen
Beschreibungen der Alltagswirklichkeit, zu Zielgruppen, die es wirklich gibt.
Das Positionierungsmodell „Kartoffelgrafik“ Die folgende Grafik zeigt die aktuelle
Milieulandschaft und die Position der verschiedenen Milieus in der deutschen Gesell-
schaft nach sozialer Lage und Grundorientierung. Seit vielen Jahren ist die Landkarte der
Sinus-Milieus als „Kartoffelgrafik“ bekannt. Wie man sieht, ergeben zehn „Kartoffeln“,
eine für jedes Milieu, ein modellhaftes Abbild der sozialen Schichtung und der Wertes-
truktur unserer deutschen Gesellschaft in ihrer Wechselwirkung. In dieser „strategischen
Landkarte“ können Produkte, Marken und Medien positioniert werden.
Je höher ein bestimmtes Milieu in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener sind Bil-
dung, Einkommen und Berufsgruppe; je weiter es sich nach rechts erstreckt, desto moder-
ner im soziokulturellen Sinn ist die Grundorientierung des jeweiligen Milieus. Was die
Grafik auch zeigt: Die Grenzen zwischen den Milieus sind fließend; Lebenswelten sind
nicht so (scheinbar) exakt eingrenzbar wie soziale Schichten. SINUS nennt das die
„Unschärferelation der Alltagswirklichkeit“. Wäre das nicht der Fall, könnte man schwer-
lich von einem lebensechten Modell sprechen. Berührungspunkte und Übergänge zwi-
schen den Milieus sind deshalb ein grundlegender Bestandteil des Milieukonzepts.

Die Sinus-Milieus® in Deutschland 2018


Soziale Lage und Grundorientierung

Sinus B1
Oberschicht / Sinus C1
Liberal-intellektuelles
Obere 1 Sinus AB12 Milieu Milieu der
MiƩelschicht
KonservaƟv- 7% Performer
etabliertes Sinus C12
8% ExpediƟves
Milieu Sinus B12
10% Sozialökologisches Milieu
Sinus C2 8%
Milieu
MiƩlere AdapƟv-
MiƩelschicht 2 7%
pragmaƟsches
Sinus B23
Milieu
Sinus AB23 Bürgerliche MiƩe 10%
TradiƟonelles Milieu 13%
13% Sinus BC23
HedonisƟsches
Untere
Milieu
MiƩelschicht / 3 Sinus B3 15%
Unterschicht
Prekäres Milieu
9%
© SINUS 2018

Soziale A B MulƟopƟonalität, C ExploraƟon,


Lage
TradiƟons- Modernisierte Lebensstandard, Selbstverwirklichung, Beschleunigung, Refokussierung,
verwurzelung TradiƟon Status, Besitz EmanzipaƟon, AuthenƟzität PragmaƟsmus neue Synthesen
Grund- "Festhalten" "Bewahren" "Haben & Genießen" "Sein & Verändern" "Machen & Erleben" "Grenzen überwinden"
orienƟerung TradiƟon Modernisierung / Individualisierung NeuorienƟerung

Abbildung 5.7: Die Sinus-Milieus® in Deutschland 2018

264
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

Eine in der Marketing- und Mediaplanungspraxis oft hilfreiche Zusammenfassung von


Einzelmilieus kann flexibel, und abhängig von der jeweiligen Problemstellung, gehand-
habt werden – z.B. Zusammenfassung der „jungen Milieus“, d.h. der C-Milieus (Sinus
C1 + C12 + C2 + BC23), oder der „modernen Elite-Milieus“ (Sinus B1 + C1), oder der
„postmateriell geprägten Milieus“ (Sinus B1 + B12), oder der „Zukunftsmilieus“ (Sinus
C2 + C12) etc.
Wem nützen die Sinus-Milieus®? In der immer unübersichtlicher werdenden Situation
überfüllter Märkte und sich ausdifferenzierender Konsumansprüche erweist sich das
Milieumodell als leistungsfähiges, außerordentlich realitätsnahes Instrument für die stra-
tegische Marketing- und Kommunikationsplanung, weil es die Alltagswirklichkeit sensi-
bel genug abbildet und gleichzeitig einen im Zeitverlauf weitgehend stabilen Analyserah-
men zur Beschreibung der sozialen Wirklichkeit liefert. Dies ist wohl der Grund, warum
dieses Zielgruppen-Instrument inzwischen breite Verkehrsgeltung erlangt hat. Die Sinus-
Milieus haben sich als Basis-Zielgruppen in den unterschiedlichsten Märkten bewährt.
Bemerkenswert ist die Vielfalt ihrer Anwendung: Sie dienen der differenzierten
Beschreibung von Kunden- und Käufergruppen, der gezielten Positionierung von Pro-
dukten und Dienstleistungen, der Definition von Marktsegmenten für neue Produkte
und Relaunches, der Aufspürung von Marktnischen, der effizienten Ansprache von
Käuferpotenzialen und nicht zuletzt der Früherkennung und Lokalisierung von neuen
Motivationen und Verfassungen.
Anwendungen und Line Extensions Die Einbeziehung der Sinus-Milieus in die wich-
tigsten Markt-Media-Studien (z.B. Best4Planning) sowie in das AGF/GfK-Fernsehpanel
macht sie unmittelbar für die strategische Marketing- und Media-Planung nutzbar. Sämtli-
che Markt- und Mediadaten können milieuspezifisch ausgewertet werden. Die über die
Sinus-Milieus mögliche qualitative Zielgruppenbeschreibung verbessert in vielen Berei-
chen die Treffgenauigkeit gegenüber konventionellen Planungsansätzen. Bis dato haben
24 deutsche Media-Agenturen ein Zertifikat für die Media-Planung erworben.
Im Jahr 2008 wurden die Sinus-Milieus in das Nielsen Homescan-Panel und in das Niel-
sen Direct Mail-Panel integriert. Und seit 2013 sind die Sinus-Milieus in den GfK-
Panels MediaScope und CharityScope verfügbar. Damit ist über die Erfassung des mili-
euspezifischen Kaufverhaltens und dessen Veränderung eine direkte Erfolgskontrolle
von Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen möglich. Durch Verknüpfung der
Sinus-Milieus mit dem mikro-geografischen Datensystem von microm sind auch Direkt-
marketing-Anwendungen möglich. Die Milieus können – in Deutschland, in Österreich
und in der Schweiz – auf vorhandene Kunden-Adressbestände sowie auf beliebige Flä-
chengliederungen projiziert werden – bis zum Straßenzug bzw. dem Haus als kleinster
Raumeinheit. Auf Basis der Sinus Geo Milieus sind jetzt auch kleinräumige Prognosen
bis zum Jahr 2035 möglich (Milieu Regio Trend).
Seit Ende 1999 stehen die Sinus-Milieus für die Anwendung in der Online-Forschung
zur Verfügung. Dabei kooperiert SINUS in Deutschland mit Respondi, in Österreich mit
INTEGRAL, und in der Schweiz mit GfK Switzerland, in deren Online-Pool die Schwei-
zer Sinus-Milieus integriert sind. Durch die Übersetzung der Sinus-Milieus in die digi-
talen Kommunikationskanäle können heute auch Online-Kampagnen passgenau nach
Sinus-Milieus ausgesteuert werden – ein entscheidender Vorteil bei der crossmedialen
Zielgruppenansprache.

265
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Internationalisierung Die Sinus-Milieus haben sich als strategisches Tool für Marke-
ting und Kommunikation so praktisch erwiesen, dass es entsprechende Ansätze heute
in Deutschland, Schweiz, Österreich und 15 weiteren Ländern gibt. Mit den Sinus-
Meta-Milieus steht zusätzlich ein länderübergreifendes Zielgruppenmodell auf Milieu-
basis für das internationale Marketing zur Verfügung, bis dato entwickelt und eingesetzt
in 44 Ländern.

Abbildung 5.8: Die Sinus-Meta-Milieus® in 44 Ländern

Mit den Sinus-Meta-Milieus ist es möglich, länderübergreifend Kundenbedürfnisse zu


verstehen und zu vergleichen – für die kundenorientierte Ausrichtung von Produkten
und Dienstleistungen sowie eine zielorientierte Markenpositionierung – weltweit.
Ganzheitlicher Ansatz Die auf den Lebenswelten und Lebensstilen der Verbraucher
basierenden Sinus-Milieus sind damit in einem umfassenden Informationssystem ver-
ankert, das für die Zielgruppenoptimierung genutzt werden kann. Dies gilt für alle
Bereiche des Marketings, insbesondere für die Produktentwicklung und die Markenpo-
sitionierung, ebenso wie für die Kommunikations- und Media-Planung.
Auf den folgenden Seiten findet sich eine Kurzübersicht über die Sinus-Milieus in
Deutschland.

266
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

Abbildung 5.9: Sinus AB12 „Konservativ-etabliertes Milieu“ – das klassische Establishment: Verantwortungs- und
Erfolgsethik; Exklusivitäts- und Führungsansprüche, Standesbewusstsein; zunehmender Wunsch nach Ordnung und Balance

Abbildung 5.10: Sinus B1 „Liberal-intellektuelles Milieu“ – die aufgeklärte Bildungselite: kritische Weltsicht, liberale
Grundhaltung und postmaterielle Wurzeln; Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstentfaltung

267
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Abbildung 5.11: Sinus C1 „Milieu der Performer“ – die multi-optionale, effizienz-orientierte Leistungselite: globalöko-
nomisches Denken; Selbstbild als Konsum- und Stil-Avantgarde; hohe Technik- und IT-Affinität; Etablierungstendenz,
Erosion des visionären Elans

Abbildung 5.12: Sinus C12 „Expeditives Milieu“ – die ambitionierte kreative Avantgarde: Transnationale Trendsetter
– mental, kulturell und geografisch mobil; online und offline vernetzt; nonkonformistisch, auf der Suche nach neuen
Grenzen und neuen Lösungen

268
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

Abbildung 5.13: Sinus C2 „Adaptiv-pragmatisches Milieu“ – die moderne junge Mitte mit ausgeprägtem Lebensprag-
matismus und Nützlichkeitsdenken: leistungs- und anpassungsbereit, aber auch Wunsch nach Spaß und Unterhaltung;
zielstrebig, flexibel, weltoffen – gleichzeitig starkes Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit

Abbildung 5.14: Sinus B12 „Sozialökologisches Milieu“ – engagiert gesellschaftskritisches Milieu mit normativen Vor-
stellungen vom „richtigen“ Leben: ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen; Globalisierungs-Skeptiker, Ban-
nerträger von Political Correctness und Diversity (Multikulti)

269
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Abbildung 5.15: Sinus B23 „Bürgerliche Mitte“ – der leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream:
generelle Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung; Wunsch nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten
und harmonischen Verhältnissen; wachsende Überforderung und Abstiegsängste

Abbildung 5.16: Sinus AB23 „Traditionelles Milieu“ – die Sicherheit und Ordnung liebende ältere Generation: verhaf-
tet in der kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur; Sparsamkeit und Anpassung an die Notwen-
digkeiten; zunehmende Resignation und Gefühl des Abgehängtseins

270
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

Abbildung 5.17: Sinus BC23 „Hedonistisches Milieu“ – die spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht /
untere Mitte: Leben im Hier und Jetzt, unbekümmert und spontan; häufig angepasst im Beruf, aber Ausbrechen aus den
Zwängen des Alltags in der Freizeit

Abbildung 5.18: Sinus B3 „Prekäres Milieu“ – die um Orientierung und Teilhabe („dazu gehören“) bemühte Unter-
schicht: Wunsch, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten Mitte – aber Häufung sozialer Benachteili-
gungen, Ausgrenzungserfahrungen, Verbitterung und Ressentiments

Für Abbildungen 5.7 bis 5.18


Quelle: SINUS-Institut, Heidelberg/Berlin; Webseite unter: www.sinus-institut.de
Copyright: SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH (Mit freundlicher Genehmigung)

271
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Persönlichkeit und Selbstbild


Außerdem beeinflusst natürlich auch die Persönlichkeit das Kaufverhalten einer Person.
Unter Persönlichkeit versteht man die einzigartigen psychologischen Charakteristika eines
Menschen, die zu relativ stabilen und vorhersehbaren Reaktionen auf das Umfeld führen.
Persönlichkeit wird oft mit Wesenszügen wie Selbstvertrauen, Dominanz, Geselligkeit, Auto-
nomie, Anpassungsfähigkeit, Zurückhaltung oder Aggressivität umschrieben. Um das Konsu-
mentenverhalten hinsichtlich bestimmter Produkte oder Marken zu analysieren, ist eine
Untersuchung der Persönlichkeitsmerkmale nützlich. Zum Beispiel haben Kaffeehersteller
entdeckt, dass Kaffeetrinker in der Regel recht gesellige Menschen sind. Daher zeigt Nescafé
in seinen Anzeigen und Werbespots Menschen, die sich zu einer Tasse Kaffee treffen.
Die Idee dahinter ist die, dass auch Marken eine Persönlichkeit haben. Konsumenten neigen
dazu, eine Marke zu wählen, die zu ihrer eigenen Persönlichkeit passt. Eine Markenpersön-
lichkeit ist eine bestimmte Mischung menschlicher Eigenschaften, die auf eine bestimmte
Marke übertragen werden. Forscher unterscheiden fünf Markenpersönlichkeiten:
1. Aufrichtigkeit (bodenständig, ehrlich, gesund und fröhlich)
2. Spannung (risikofreudig, temperamentvoll, kreativ und trendig)
3. Kompetenz (zuverlässig, intelligent und erfolgreich)
4. Kultiviertheit (mit gehobenem Niveau und charmant)
5. Rauheit (in der freien Natur und robust)
Man fand auch heraus, dass einige bekannte Marken stark mit einer bestimmten Eigenschaft
assoziiert werden. Land Rover mit „Rauheit“, Apple mit „Aufregung“, Dove mit „Sinnlich-
keit“, die BBC mit „Fairness“ und BMW mit „Spannung“. Diese Marken ziehen also tenden-
ziell diejenigen Menschen an, die diese Eigenschaften selbst in hohem Maße besitzen.
Im Marketing spricht man auch vom Selbstkonzept einer Person (oder vom Selbstbild). Die
grundlegende Annahme ist, dass die Produkte, die eine Person kauft oder besitzt, zu ihrer
Identitätsbildung beitragen und die eigene Persönlichkeit widerspiegeln. Zusammengefasst
könnte man sagen: „Wir sind, was wir besitzen.“ Um das Konsumentenverhalten nachvoll-
ziehen zu können, muss man zunächst den Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und
gekauften Produkten verstehen.
Apple nutzt diese Konzepte schon seit langer Zeit in seinen „Get a Mac“-Werbespots, die
zwei Personen als Computer charakterisieren: Der eine spielt die Rolle des Apple Mac, der
andere die eines normalen PCs. Beide haben unterschiedliche Persönlichkeiten und Selbst-
konzepte. „Hallo, ich bin ein Mac“, sagt der junge Jeansträger. „Und ich bin ein PC“, sagt der
andere, der eine Brille, Anzug und Krawatte trägt. Die beiden Männer diskutieren über die
Vorteile eines Mac gegenüber dem PC, wobei der Mac selbstverständlich besser abschneidet.
Die Werbung stellt die Markenpersönlichkeit des Mac als jung, relaxt und cool dar. Der PC
wird als konservativ, alltäglich und ein wenig idiotisch dargestellt. Der Spot soll vermitteln,
dass Junge oder Junggebliebene einen Mac brauchen.

5.3.4 Psychologische Faktoren


Die Kaufentscheidung einer Person unterliegt außerdem dem Einfluss der vier wichtigen psy-
chologischen Faktoren Motivation, Wahrnehmung, Lernen und Überzeugungen und Einstel-
lungen.

272
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

Motivation
Eine Person hat zu einem bestimmten Zeitpunkt viele verschiedene Bedürfnisse. Einige sind
rein biologisch wie Hunger oder Durst. Andere sind psychologisch und rühren aus dem
Bedürfnis nach Anerkennung oder Zugehörigkeit her. Die meisten dieser Bedürfnisse sind in
der Regel nicht stark genug, um eine Person dazu zu bringen, sofort eine Reaktion zu zeigen.
Ein Bedürfnis wird dann zum Motiv, wenn es einen bestimmten Grad an Intensität erreicht.
Ein Motiv (oder ein Antrieb) ist ein derartig starkes Bedürfnis, das die Person veranlasst,
eben dieses Bedürfnis zu befriedigen. Einige Psychologen haben Theorien zur menschlichen
Motivation entwickelt. Zwei der bekanntesten Theorien stammen von Sigmund Freud und
Abraham Maslow. Sie haben allerdings ganz unterschiedliche Konsequenzen für Konsumen-
tenforschung und Marketing.
Motivationstheorie nach Freud Sigmund Freud unterstellt, dass den Menschen die tatsächli-
chen psychologischen Motive ihres Handelns weitgehend unbewusst bleiben. Er geht davon
aus, dass Menschen viele ihrer Bedürfnisse unterdrücken, wobei diese Bedürfnisse nie ganz
beseitigt oder kontrolliert werden können. Vielmehr offenbaren sie sich in Träumen, Verspre-
chern, neurotischem oder zwanghaftem Verhalten oder schlimmstenfalls in Psychosen. Gemäß
Freud ist eine Person also niemals in der Lage, die eigene Motivation gänzlich zu verstehen.
Konsumenten wissen oft nicht oder können nicht erklären, warum sie sich für ein spezielles
Produkt entscheiden. In der Motivationsforschung werden eingehende Informationen aus
kleinen Konsumentengruppen gewonnen, um die tieferen Motive für die Produktwahl aufzu-
decken. Es werden indirekte Befragungsmethoden und Tiefeninterviews durchgeführt und
projektive Techniken angewandt. Dabei kommen Wortassoziations-, Satzergänzungs- und
Bildinterpretationstests sowie Rollenspiele zur Anwendung, um Emotionen und Einstellun-
gen gegenüber Marken und Kaufsituationen aufzudecken.
Diese Methoden haben im Hinblick auf das Konsumentenverhalten viele interessante, aber
auch einige seltsame Ergebnisse hervorgebracht. Beispielsweise ergab eine Studie, dass
einige Konsumenten keine Trockenpflaumen kaufen, da sie diese aufgrund ihrer runzligen
Oberfläche an Alter und Krankheit erinnern. Trotz ungewöhnlicher Rückschlüsse ist die
Motivationsforschung auch heute noch ein wichtiges Instrument, um das Konsumentenver-
halten besser zu begreifen.
Einige Unternehmen stellen Teams aus Psychologen, Anthropologen und anderen Sozialwis-
senschaftlern zusammen, um Motivationsforschung zu betreiben. Manche Werbeagenturen
führen routinemäßig persönliche Gespräche durch, um sich ins Innere eines Konsumenten ver-
setzen zu können, andere bitten die Verbraucher, ihre favorisierten Marken mit Tieren oder
Autos zu vergleichen, um bewerten zu können, welches Ansehen mit den verschiedenen Mar-
ken assoziiert wird. Wieder andere vertrauen auf Hypnose, Traumtherapie, sanftes Licht und
stimmungsvolle Musik, um in die Tiefen der Konsumentenpsyche vorzudringen. Solche Tech-
niken werden von einigen Experten als Hokuspokus abgetan. Was inzwischen als „interpretive
consumer research“ bezeichnet wird, nutzen jedoch immer mehr Marketingfachleute, um tiefer
in die Verbraucherpsyche vorzudringen und bessere Strategien zu entwickeln.
Motivationstheorie nach Maslow Abraham Maslow wollte erklären, warum Menschen zu
bestimmten Zeitpunkten von bestimmten Bedürfnissen angetrieben werden. Man könnte
sich z.B. fragen, weshalb eine Person sehr viel Zeit für die persönliche Sicherheit aufbringt,
während eine andere nach Anerkennung strebt. Maslow liefert als Erklärung, dass menschli-
che Bedürfnisse in einer Hierarchie vom dringendsten bis zum schwächsten angeordnet
sind. Seine Hierarchie der Bedürfnisse ist in Abbildung 5.19 wiedergegeben.

273
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Bedürfnis
nach Selbst-
verwirklichung
Ästhetische Bedürfnisse
(Ordnung, Schönheit)
Kognitive Bedürfnisse
(Verstehen, Verständnis)
Bedürfnis nach Anerkennung
(Selbstwertgefühl, Status)
Soziale Bedürfnisse
(Zugehörigkeitsgefühl, Liebe)
Bedürfnis nach Sicherheit
(Sicherheitsgefühl, Schutz)
Elementare Bedürfnisse (Hunger, Durst)

Abbildung 5.19: Die Hierarchie der Bedürfnisse in Anlehnung an Maslow

Die Bedürfnisse sind von unten nach oben entsprechend ihrer Wichtigkeit angeordnet. Eine
Person erfüllt zuerst das wichtigste Bedürfnis. Wenn dieses befriedigt ist, wirkt es nicht mehr
als Antrieb und das nächstwichtige Bedürfnis tritt an seine Stelle. Zum Beispiel hat ein hun-
gernder Mensch (Hierarchie-Ebene 1) kein Interesse an der Kunstszene (Hierarchie-Ebene 6).
Es interessiert ihn auch nicht, wie andere ihn sehen und einschätzen (Hierarchie-Ebenen 3
und 4), und auch nicht, ob er saubere Luft einatmet (Hierarchie-Ebene 2). Doch sobald das
wichtigste Bedürfnis (Hunger) befriedigt ist, drängt sich das nächste nach vorn (Obdach,
Schlafgelegenheit).
Die von Maslow entwickelte Hierarchie ist nicht für alle Kulturen gültig. Wie die Helden der
Hollywoodfilme vorführen, stehen in der angelsächsischen Kultur Individualität und Selbst-
verwirklichung an oberster Stelle. Dahingegen sind in Japan und den deutschsprachigen Län-
dern das ästhetische Bedürfnis nach Ordnung und das soziale Bedürfnis nach Zugehörigkeit
von großer Bedeutung und in Frankreich, Spanien, Portugal und verschiedenen Ländern
Lateinamerikas und Asiens zählen besonders die Bedürfnisse nach Sicherheit und Zugehö-
rigkeit.

Wahrnehmung
Eine Person, die motiviert ist, ist auch bereit zu handeln. Wie sie handelt, hängt aber von
ihrer Wahrnehmung der Situation ab. Zwei Personen, die dieselbe Motivation haben und
sich in derselben Situation befinden, können sich ganz unterschiedlich verhalten, weil sie
die Situation unterschiedlich wahrnehmen.
Die zentrale Frage ist, weshalb zwei Personen die gleiche Situation unterschiedlich wahrneh-
men. Alle Menschen nehmen Informationen über ihre fünf Sinne auf: Sehen, Hören, Rie-
chen, Ertasten und Schmecken. Allerdings empfängt, organisiert und interpretiert jeder die

274
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5.3 Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens

sensorischen Informationen auf individuelle Art und Weise. Wahrnehmung ist also der Vor-
gang, bei dem Personen Informationen auswählen, organisieren und interpretieren, um sich
ein sinnvolles Bild von der Situation zu machen. Es lassen sich drei Arten des Wahrneh-
mungsvorgangs unterscheiden: selektive Wahrnehmung, selektive Verzerrung und selektives
Erinnern.
Selektive Wahrnehmung Jeder von uns ist täglich unzähligen Anreizen ausgesetzt. Im Durch-
schnitt stürmen jeden Tag zwischen 3.000 und 5.000 Werbebotschaften auf uns ein. Es ist
unmöglich, allen Aufmerksamkeit zu schenken. Studien zeigen, dass die meisten Menschen
sich nur an drei oder vier Werbespots pro Tag erinnern. Dieses Phänomen der selektiven
Wahrnehmung, also das Ausblenden der meisten Informationen, bedeutet für das Marketing,
dass es sehr schwierig ist, die Beachtung der Konsumenten zu erlangen. Eine Werbebotschaft
geht bei den Konsumenten, die keine Käufer der beworbenen Produktkategorie sind, meist
ganz verloren. Selbst diejenigen, die schon Käufer sind, nehmen eine Botschaft möglicher-
weise nicht wahr, es sei denn, diese sticht aus der Vielzahl anderer Werbeanzeigen hervor.
Deshalb müssen Marketingfachleute besonders hart daran arbeiten, die Aufmerksamkeit der
Kunden auf sich zu ziehen.
Selektive Verzerrung Selbst wenn ein Werbestimulus wahrgenommen wird, ist nicht sicher,
dass er die beabsichtigte Wirkung zeigt. Jede Person fügt neue Informationen einem bereits
existierenden geistigen Raster hinzu. Die selektive Verzerrung beschreibt die Tendenz, Infor-
mationen entsprechend der persönlichen Bedeutung abzuwandeln.
Menschen tendieren dazu, Informationen so zu interpretieren und damit zu verzerren oder
anzupassen, dass sie das unterstützen, was sie schon wissen. Aufgrund dieser selektiven Ver-
zerrung ist es für das Marketing wichtig, die bereits bestehenden Präferenzen aufzudecken
und in positiver Weise für die Werbung zu nutzen.
Selektives Erinnern Viel von dem, was Menschen erfahren und lernen, geht durch Vergessen
wieder verloren. Informationen, welche den eigenen Einstellungen und Überzeugungen ent-
sprechen, werden eher im Gedächtnis behalten.
Die Phänomene der selektiven Wahrnehmung, der selektiven Verzerrung und des selektiven
Erinnerns erschweren es dem Marketing, Konsumenten durch eine Werbebotschaft zu errei-
chen. Dies erklärt, weshalb in der Werbung so viele auffällige Effekte und Wiederholungen
eingesetzt werden. Während einige Verbraucher besorgt sind, durch Werbebotschaften beein-
flusst zu werden, ohne es überhaupt zu merken, haben die meisten Marketingfachleute
Bedenken, dass ihre Werbung überhaupt wahrgenommen wird.

Lernen
Menschen lernen durch Handeln. Lernen bezeichnet das Ändern des eigenen Verhaltens auf-
grund von Erfahrungen. Einige Wissenschaftler behaupten, dass der Großteil menschlichen
Handelns erlernt ist. Lernen erfolgt aus dem Zusammenspiel von Antrieb, Stimuli, Impulsen,
Reaktionen und Bestätigung.
Ein Antrieb ist ein starker innerer Stimulus, der zum Handeln veranlasst. Dieser Antrieb
wird zum Motiv, wenn er sich auf ein bestimmtes Stimulus-Objekt richtet. Ihr Antrieb zur
Selbstverwirklichung könnte Sie zum Beispiel dazu motivieren, eine Kamera zu kaufen. Ihre
Reaktion auf die Idee des Kamerakaufs wird von bestehenden Impulsen bedingt. Impulse
sind schwächere Stimuli, die bestimmen, wann, wo und wie eine Person reagiert. Solche
Hinweise liegen beispielsweise vor, wenn Sie Kameras in einem Schaufenster sehen oder
von einem Sonderangebot hören. Dadurch wird die Reaktion, nämlich eine Kamera zu kau-

275
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

fen, beeinflusst. Angenommen, Sie kaufen eine Nikon-Kamera und sind damit sehr zufrie-
den. Dann werden Sie diese vermutlich häufig nutzen und somit wird Ihre Reaktion (also der
Kauf) positiv bestätigt. Wenn Sie das nächste Mal eine Kamera, ein Fernglas oder ein ähnli-
ches Gerät kaufen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Sie wieder ein Produkt von
Nikon kaufen. Sie generalisieren Ihre Reaktion, also den positiven Kauf, und übertragen Ihre
Erfahrungen auf andere ähnliche Stimuli. Das Gegenteil der Generalisierung ist die Diskrimi-
nierung. Sie sehen sich z.B. ein Fernglas von Olympus an und entdecken dabei, dass dieses
leichter und kompakter ist als das von Nikon. Diskriminierung bedeutet, dass jemand gelernt
hat, Unterschiede zu erkennen und daraus seine Reaktion abzuleiten.
Die praktische Relevanz der Lerntheorie liegt darin, dass Nachfrage für ein Produkt erzeugt
werden kann, indem man es mit starken Antrieben in Verbindung bringt, motivierende
Impulse nutzt und positive Bestätigung vermittelt.

Überzeugungen und Einstellungen


Aus Handeln und Lernen entstehen Überzeugungen und Einstellungen, welche wiederum
für das Konsumentenverhalten sehr wichtig sind. Eine Überzeugung ist ein Denkmuster in
Bezug auf eine bestimmte Sache.
Sie könnten der Überzeugung sein, dass eine Kamera von Nikon gute Bilder macht und auch
bei häufigem Gebrauch lange hält. Diese Überzeugungen können auf tatsächlichem Wissen,
auf persönlichen Meinungen oder auf Glauben beruhen und von Emotionen begleitet sein.
Wenn Sie nun der Überzeugung sind, dass eine Kamera von Nikon recht schwer ist, so stellt
sich die Frage, ob diese Überzeugung Ihre Kaufentscheidung beeinflusst oder nicht.
Das Marketing interessiert sich sehr für die Überzeugungen der Menschen hinsichtlich
bestimmter Produkte und Dienstleistungen, denn sie bilden das Marken- und Produktimage,
welches wiederum das Kaufverhalten nachhaltig beeinflusst. Wenn bestehende Überzeugun-
gen negativ sind und daher viele Konsumenten vom Kauf abhalten, muss das Marketing eine
Kampagne ins Leben rufen, um diese Überzeugungen zu korrigieren.
Menschen haben Einstellungen gegenüber Religion, Politik, Bekleidung, Musik, Nahrung
und eigentlich gegenüber fast allen Dingen im Leben. Unter Einstellungen versteht man die
relativ konstanten Bewertungen, Gefühle und Neigungen, die eine Person im Hinblick auf
eine Sache oder Idee hat. Einstellungen entscheiden darüber, ob man bestimmte Dinge mag
oder nicht, also ob man von etwas angezogen oder abgestoßen wird.
Vielleicht vertreten Sie Einstellungen wie „Kaufe das Beste“, „Japaner haben die besten Pro-
dukte“ und „Kreativität und Selbstverwirklichung sind mit das Wichtigste im Leben“. Dann
würde der Kauf einer Digitalkamera der japanischen Marke Nikon gut zu Ihren bestehenden
Einstellungen passen.
Einstellungen sind nur schwer zu ändern, denn sie sind Teil eines Schemas. Will man also
eine bestimmte Einstellung ändern, kann dies schwierige Anpassungen bei vielen anderen
Einstellungen erfordern. Daher ist es für ein Unternehmen einfacher, die eigenen Produkte
auf bereits bestehende Einstellungen auszurichten, anstatt zu versuchen, diese zu verändern.
Natürlich gibt es Ausnahmen, die den großen Aufwand, bestehende Einstellungen zu modifi-
zieren, rechtfertigen. Dazu ein Beispiel:
In den späten 1950er-Jahren, als Honda sich entschlossen hatte, den US-Markt für Motorrä-
der in Angriff zu nehmen, sah sich das Unternehmen vor eine Entscheidung gestellt: Man
konnte seine Motorräder entweder auf dem kleinen und etablierten Markt verkaufen oder

276
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess

versuchen, neue Gruppen von Kunden zu gewinnen. Neue Kunden dazuzugewinnen und
damit den Markt zu vergrößern war schwieriger und kostspieliger, denn viele Menschen hat-
ten Motorrädern gegenüber eine negative Einstellung. Motorräder wurden mit schwarzen
Lederjacken, Klappmessern und Außenseitern assoziiert. Trotz dieser ungünstigen Grundein-
stellung entschloss sich Honda zu einer umfassenden Werbeaktion. In der groß angelegten
Kampagne wurde das Motorradfahren als positive und saubere Freizeitbeschäftigung propa-
giert. Das Leitthema „Sie treffen die nettesten Leute auf einer Honda“ kam gut an und viele
Menschen entwickelten eine neue Einstellung gegenüber dem Motorradfahren. Anfang der
1990er-Jahre stand Honda jedoch wieder vor einem ähnlichen Problem. Von der großen
Motorradfahrergemeinde war nur ein harter Kern übrig geblieben. Honda machte sich ein
zweites Mal daran, die Einstellungen der Konsumenten zu verändern. Die neue Kampagne
„Komm fahr mit uns!“ sollte die Einstellung gegenüber dem Motorradfahren wieder dahin
gehend verändern, dass es allgemein als Spaß bringend und aufregend angesehen würde.

5.4 Der Kaufentscheidungsprozess


Das Konsumentenverhalten und der Kaufentscheidungsprozess sind das Ergebnis eines kom-
plexen Zusammenspiels kultureller, sozialer, persönlicher und psychologischer Faktoren.
Wenn auch viele dieser Faktoren nicht durch das Marketing beeinflusst werden können, so
kann das Wissen über sie nützlich sein, um potenzielle Käufer zu identifizieren und um Pro-
dukte und Werbebotschaften besser auf die Bedürfnisse der Konsumenten auszurichten. Das
Marketing muss bei der Analyse des Konsumentenverhaltens sehr vorsichtig sein. Denn häu-
fig lehnen Verbraucher Produkte ab, die auf den ersten Blick als tolles Angebot wirken. In der
Werbegeschichte gibt es eine lange Liste solcher Misserfolge. Zu ihnen gehören neue Auto-
modelle, die den Käufern nicht gefielen (Ford Edsel), die LaserVision-Abspieltechnologie
von Philips, Einmalunterwäsche aus Papier oder viele Fertiggerichte und parfümierte Liköre,
die sich nicht etablieren konnten.
Bisher wurden die kulturellen, sozialen, persönlichen und psychologischen Einflüsse auf
das Konsumentenverhalten erläutert. Im Folgenden soll gezeigt werden, welche Abläufe den
Kaufentscheidungen zugrunde liegen. Zunächst werden unterschiedliche Arten von Kaufent-
scheidungen erläutert, anschließend werden die Phasen des Kaufentscheidungsprozesses
und zum Abschluss der Kaufentscheidungsprozess bei neuen Produkten näher beleuchtet.

5.4.1 Arten von Kaufentscheidungen


Das Konsumentenverhalten hängt von der Art der Kaufentscheidung ab. Je nachdem, ob es
sich um den Kauf einer Zahnpasta, eines Tennisschlägers, eines hochwertigen Fotoapparats
oder eines neuen Autos handelt, wird das Kaufverhalten sehr unterschiedlich ausfallen. Je
komplexer eine Kaufentscheidung ist, desto mehr Personen sind daran beteiligt und desto
intensiver sind die Überlegungen zum Kauf. Abbildung 5.20 zeigt die unterschiedlichen
Arten von Kaufentscheidungen, abhängig vom Grad des Involvements und der Bedeutung
von zwischen Marken bestehenden Unterschieden.

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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

High Involvement Low Involvement


Große
Unterschiede Komplexes Variety
zwischen Kaufverhalten Seeking
Marken

Geringe
Unterschiede Dissonanz
Habitualisiertes
zwischen reduzierendes
Kaufverhalten
Marken Kaufverhalten

Abbildung 5.20: Vier Ausprägungen von Kaufentscheidungen

Komplexes Kaufverhalten
Komplexes Kaufverhalten liegt vor, wenn sich der Konsument in einer High-Involvement-
Situation befindet und wenn zwischen den verschiedenen Marken große Unterschiede beste-
hen oder wenn das Produkt kostspielig und risikoreich ist oder wenn es nur selten gekauft
wird. Typisch für das komplexe Kaufverhalten ist, dass sich der Käufer zunächst einmal
intensiv über die Produktkategorie informieren wird. Als Beispiel betrachten wir eine Per-
son, die entschlossen ist, ein Notebook zu kaufen. Anfangs weiß sie vielleicht nicht, welche
Ausstattungs- und Leistungsmerkmale für sie relevant sind.
Der Kaufinteressent durchläuft jedoch einen Lernprozess, wobei er als Erstes Überzeugungen
und anschließend Einstellungen zum Produkt entwickelt, um schließlich eine wohl bedachte
Kaufentscheidung zu treffen. Die Anbieter von High-Involvement-Produkten müssen die Vor-
gänge der Informationssuche und der Beurteilung beim Kunden begreifen. Ihr Marketing
sollte den Käufern dabei helfen, die Ausstattungsmerkmale des Produkts und deren Wichtig-
keit erkennen zu lernen. Dabei weisen sie natürlich darauf hin, über welche besonderen
Eigenschaften die eigenen Produkte verfügen. Hilfreich ist hierbei beispielsweise die Bereit-
stellung von Broschüren, die dem Käufer die für seine Wahl benötigten Informationen lie-
fern. Aufgabe des Marketings ist es also, die Vorzüge der eigenen Marke herauszustellen.
Außerdem kann das Verkaufspersonal in den Fachgeschäften sowie das persönliche Umfeld
der Käufer dazu motiviert werden, die Kaufentscheidung zugunsten der eigenen Marke zu
beeinflussen.

Dissonanz reduzierendes Kaufverhalten


Kaufverhalten zum Abbau von Dissonanz liegt vor, wenn ein teurer, selten durchgeführter
oder risikobehafteter Kauf ansteht, bei dem jedoch zum Kaufzeitpunkt keine großen Unter-
schiede zwischen den Marken erkennbar sind. Ein Beispiel dieser Art wäre der Kauf von
Teppichboden oder Parkett. Diese Anschaffung ist relativ teuer und für andere sichtbar. Viele
Käufer nehmen an, dass die Fußbodenbeläge derselben Preiskategorie, wenn auch unter-
schiedlicher Marken, mehr oder weniger gleich seien. Da die wahrgenommenen Unter-
schiede zwischen den Marken nur gering ausfallen, kaufen die Interessenten entweder im
erstbesten Geschäft oder verschaffen sich nur einen globalen Überblick über das Angebot.
Die Kaufentscheidung ist größtenteils auf die Bequemlichkeit beim Kauf oder einen niedri-
gen Preis zurückzuführen.
Nach dem Kauf können sich jedoch Zweifel und Unzufriedenheit einstellen, was auch als
Nachkauf-Dissonanz bezeichnet wird. Dies ist besonders dann wahrscheinlich, wenn
gewisse Nachteile am gekauften Produkt entdeckt werden oder wenn man positive Dinge

278
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess

über ein anderes Produkt, das man nicht gekauft hat, erfährt. Um solche Dissonanz zu ver-
meiden, müssen in der Nachkaufphase Marketingmaßnahmen betrieben werden, die dem
Käufer versichern, dass er eine gute Entscheidung getroffen hat.

Habitualisiertes Kaufverhalten
Das habitualisierte Kaufverhalten findet bei den alltäglichen Gewohnheitskäufen in einer
Low-Involvement-Situation statt. Ein geringes Engagement der Käufer geht mit wenigen
Unterschieden zwischen den Marken einher. Nehmen wir als Beispiel den Kauf von Salz. Die
Verbraucher haben hierfür meist keine bestimmte Markenpräferenz, sie gehen in den Super-
markt und greifen ins Regal. Wenn sie mehrere Male hintereinander die gleiche Marke kau-
fen, geschieht dies eher aus Gewohnheit als aus Markentreue. Im Allgemeinen trifft diese Art
des Kaufverhaltens für günstige und regelmäßig gekaufte Produkte zu.
Für diese Produkte suchen die Verbraucher weder intensiv nach Informationen, um die
Unterschiede der einzelnen Marken zu vergleichen, noch überlegen sie lange, welche Marke
sie kaufen sollen. Stattdessen nehmen die Konsumenten eher passiv Produkt- und Markenin-
formationen über die Werbung im Fernsehen und in Zeitschriften auf. Häufige Wiederholung
der Anzeigen führt vielmehr zu Markenbekanntheit als zu Markentreue. Die Verbraucher bil-
den keine Einstellungen zugunsten einer bestimmten Marke, sondern wählen eine Marke,
die sie kennen, und bewerten nur selten ihre Entscheidung in der Nachkaufphase. Folglich
beinhaltet der Kaufprozess einen gewissen Markenglauben, der durch passives Lernen ent-
steht und ein spezielles Kaufverhalten zur Folge hat.
Da Käufer bei Low-Involvement-Produkten keine starke Markenbindung aufweisen, setzt das
Marketing häufig auf Sonderangebote und Verkaufsförderungsaktionen, um die Kunden dazu
zu bewegen, die Marke auszuprobieren. Für derartige Produkte sind eine hohe Distributions-
rate und eine vorteilhafte Platzierung im Supermarktregal von großer Bedeutung. Die Wer-
bung sollte sich auf einige Schlüsselbotschaften beschränken, die durch Symbole und Bilder
eine leichte Wiedererkennung begünstigen. Auch sollten Werbekampagnen aus kurzen, häu-
fig wiederholten Botschaften bestehen. Das Fernsehen ist dafür besser geeignet als Printme-
dien, da es passives Lernen ohne eigene Anstrengungen ermöglicht. Eine einfache Methode
ist es, gemäß der Konditionierungstheorie das Produkt mit einem einprägsamen Symbol zu
versehen, sodass es der Konsument im Supermarkt schnell identifizieren kann.
Um sich als Marke abzusetzen, bietet Charmin Toilettenpapier z.B. die Sorten Ultrastrong,
Ultrasoft und Freshmate (feucht), die so saugfähig sind, dass man viermal weniger Papier
braucht und dadurch die Haut schont. Außerdem fördert Charmin das Involvement mit sei-
ner Webseite „Sit or quat“ sowie einer Smartphone-App, über die Reisende unterwegs sau-
bere öffentliche Toiletten finden und im Internet bewerten können.

Variety Seeking
In einer Low-Involvement-Situation bei gleichzeitig deutlichen Markenunterschieden liegt
das Kaufverhalten des Variety Seekings vor, d.h. Verbraucher wechseln häufig die Marke.
Wenn man zum Beispiel oft die Tee- oder Keksmarke wechselt, so hat das weniger mit Unzu-
friedenheit als vielmehr mit dem Wunsch nach Abwechslung zu tun. Jemand kauft zum Bei-
spiel, ohne lange zu überlegen, eine Packung Kekse, beim Verzehr bewertet er sie dann. Beim
nächsten Kekskauf wählt er eine andere Marke, nur um zu wissen, wie diese Kekse schme-
cken. Dies bedeutet allerdings nicht, dass er mit seinem vorherigen Kauf unzufrieden war.

279
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

In diesen Produktkategorien verfolgen Marktführer und kleinere Unternehmen oftmals unter-


schiedliche Strategien. Der Marktführer wird versuchen, seine Position zu festigen und das
Kaufverhalten in Richtung habitualisierte Routinehandlung zu lenken. Dafür ist es wichtig,
den Regalplatz im Supermarkt zu dominieren, immer liefern zu können und Werbung mit
einfachen Erinnerungsbotschaften durchzuführen. Die kleineren Unternehmen verfolgen das
Ziel, die Käufer durch niedrige Preise, Sonderangebote, Couponaktionen und Probepäckchen
zum Markenwechsel zu bringen. In ihrer Kommunikation werden Gründe dargelegt, warum
man mal etwas Neues ausprobieren sollte.

5.4.2 Phasen des Kaufentscheidungsprozesses


Die meisten Großunternehmen lassen den Kaufentscheidungsprozess detailliert untersuchen,
um herauszufinden, was Verbraucher kaufen, wo sie kaufen, wie und wie viel sie kaufen,
wann sie kaufen und warum sie kaufen. Fast alle diese Fragen können durch Auswertung der
tatsächlich erfolgten Käufe beantwortet werden. Doch das Warum des Konsumentenverhal-
tens und des Kaufentscheidungsprozesses zu verstehen, ist etwas schwieriger, da sich die
Antworten darauf im Kopf des Konsumenten befinden.
Auf den nächsten Seiten werden die Phasen des Kaufentscheidungsprozesses dargelegt. Fol-
gende in Abbildung 5.21 dargestellte Phasen werden vom Konsumenten durchlaufen:

Wahrnehmung Informations- Bewertung von Kauf- Verhalten in der


des Bedarfs suche Alternativen entscheidung Nachkaufphase

Abbildung 5.21: Die Phasen des Kaufentscheidungsprozesses

Offensichtlich beginnt der Kaufvorgang lange vor dem tatsächlichen Kauf und wirkt noch
lange nach. Das veranlasst das Marketing dazu, sich mit dem gesamten Kaufentscheidungs-
prozess auseinanderzusetzen und nicht nur mit der eigentlichen Kaufentscheidung.
Das Modell geht davon aus, dass der Verbraucher diese fünf Phasen bei jedem Kauf durch-
läuft. Doch bei den schon angeführten Gewohnheitskäufen überspringen Konsumenten
manchmal einige Stufen oder gehen in einer anderen Reihenfolge vor. Der eigentlichen Ent-
scheidung zum Kauf der gewohnten Zahnpastamarke geht lediglich die Wahrnehmung des
Bedarfs voraus, nämlich wenn man feststellt, dass die alte Tube leer ist. Bei dieser Entschei-
dung werden also die Stufen Informationssuche und Vergleich der Alternativen weggelassen.
Dennoch ist das Modell sehr gut geeignet, da es alle Phasen aufzeigt, die ein Verbraucher in
einer für ihn neuen und komplexen Kaufsituation durchläuft.
Zur Veranschaulichung kehren wir noch einmal zum Kamerabeispiel zurück. Es ist zu klä-
ren, wodurch das Interesse für eine Digitalkamera geweckt wurde und welche Vorgänge die
Person durchlaufen hat, bevor sie schließlich ihre Kaufentscheidung getroffen hat.

Die Wahrnehmung des Bedarfs


Der Kaufentscheidungsprozess beginnt mit der Wahrnehmung eines Bedarfs, d.h. der Ver-
braucher erkennt einen Mangel oder ein Bedürfnis, er stellt einen Unterschied zwischen sei-
ner aktuellen und einer erwünschten Situation fest. Das empfundene Bedürfnis kann durch
interne Stimuli ausgelöst werden. Dies ist der Fall, wenn ein natürliches Bedürfnis wie Hun-
ger, Durst oder Schlaf so stark wird, dass ein Drang oder Trieb daraus entsteht. Aus früheren
Erfahrungen hat die Person gelernt, wie dieser (An-)Trieb befriedigt werden kann.

280
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess

Ein Bedürfnis kann aber auch durch externe Stimuli geweckt werden. Zum Beispiel kommen
Sie an einer Bäckerei vorbei und der Duft frisch gebackener Brötchen verursacht bei Ihnen ein
Hungergefühl. Vergleichbare Reaktionen können entstehen, wenn man das neue Auto des
Nachbarn sieht oder einen Fernsehwerbespot für Ferien in der Karibik. In diesem Stadium
muss das Marketing diejenigen Faktoren und Situationen erkennen, die normalerweise die
Bedarfswahrnehmung hervorrufen. Marktforscher befragen Verbraucher, um herauszufinden,
welche Arten von Bedürfnis entstehen und warum der Verbraucher zur Bedürfnisbefriedigung
auf ein bestimmtes Produkt zurückgreift. Möglicherweise antworten Sie, dass Sie das Bedürf-
nis verspürten, eine Kamera kaufen zu müssen, nachdem Ihre Freunde Urlaubsfotos gezeigt
hatten. Indem Marktforscher solche Informationen sammeln, können sie die Anreize bestim-
men, die am häufigsten das Interesse an einem bestimmten Produkt wecken. Darauf aufbauend
können sie dann Marketingmaßnahmen entwickeln, die genau diese Anreize nutzen.
Im Vergleich zu Tieren sind Menschen besonders für visuelle Stimuli anfällig. Jüngst haben
Psychologen und Marktforscher allerdings festgestellt, dass der eher unbewusst funktionie-
rende Geruchssinn ebenfalls eine wichtige Rolle bei Kaufentscheidungen spielt. Dies nutzen
Lebensmittelgeschäfte z.B. aus, wenn sie eine Bäckerei in ihre Geschäftsräume aufnehmen.

Informationssuche
In der Regel sucht ein potenzieller Käufer nach Produktinformationen. Wenn jedoch der Kau-
fantrieb stark und ein geeignetes Produkt leicht zu bekommen ist, wird es der Konsument
häufig ohne Informationssuche kaufen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand keine
Zigaretten mehr hat, er aber rauchen möchte und vor seinem Haus ein Zigarettenautomat
angebracht ist. Es ist ziemlich sicher, dass er sich eine Schachtel Zigaretten aus dem Automa-
ten ziehen wird. Ist das erwünschte Produkt nicht so leicht zu bekommen oder ist der
Antrieb nicht so stark ausgeprägt, wird die Person das Bedürfnis nur im Gedächtnis behalten
oder aber mit der Informationssuche in Bezug auf das Bedürfnis beginnen. So zum Beispiel,
wenn sich jemand dazu entschließt, ein neues Auto zu kaufen. Er wird vermutlich in nächs-
ter Zeit der Autowerbung, den Autos von Freunden und Gesprächen über Autos mehr Auf-
merksamkeit schenken als sonst. Oder er wird im Internet recherchieren, mit Freunden über
sein Vorhaben reden und Informationen auf anderen Wegen suchen.
Unter bestimmten Umständen zeigt eine Person eine erhöhte Aufmerksamkeit. Sie sind zum
Beispiel viel aufmerksamer, wenn jemand von Digitalkameras spricht, Sie sehen sich Wer-
bung für Kameras an und achten darauf, welche Kamera Freunde und Bekannte benutzen.
Möglicherweise beginnen Sie dann auch eine aktive Informationssuche, bei der Sie sich Bro-
schüren von Kamera-Anbietern besorgen, sich mit Freunden darüber unterhalten und sich
auch auf andere Arten Informationen zum Thema verschaffen. Die Suchintensität hängt
davon ab, wie ausgeprägt Ihr Antrieb ist, wie viele Informationen Sie schon haben und wie
leicht weiteres Informationsmaterial zu beschaffen ist. Weitere Kriterien sind, wie wichtig
Ihnen mehr Informationen sind und ob Ihnen die Recherche Spaß macht. Je komplizierter
die Kaufentscheidung ist, desto intensiver fällt die Informationssuche des Konsumenten aus.
In der Regel kann sich ein Verbraucher folgender Informationsquellen bedienen:
 Persönliches Umfeld: Familie, Freunde, Nachbarn, Bekannte, Kollegen
 Hersteller und Handel: Werbung, Verkaufspersonal, Verpackungen, Schaufenster, Internet
 Allgemein zugängliche Quellen: Massenmedien, Stiftung Warentest und ähnliche Institu-
tionen
 Produkterfahrungen: Betrachten, untersuchen und nutzen des Produkts

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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Der Einfluss dieser Informationsquellen hängt vom Produkt und vom Käufer ab. Im Allge-
meinen lässt sich sagen, dass ein Verbraucher den größten Anteil der Information von den
Herstellern und aus dem Handel bezieht, also aus Quellen, die durch das Marketing beein-
flusst werden können. Doch üben Quellen aus dem persönlichen Umfeld, also Familie,
Freunde, Nachbarn usw., den größten Einfluss aus. Beim Erwerb von Dienstleistungen (z.B.
Reisen) ist der Einfluss der persönlichen Quellen besonders hoch. Es scheint eine Funktions-
teilung dahin gehend zu geben, dass Hersteller und Handel den Kaufinteressenten informie-
ren, während das persönliche Umfeld den beabsichtigten Kauf prüft und bei der Bewertung
der Produkte mitwirkt.
Nur wenige Werbekampagnen sind so effektiv wie Unterhaltungen zwischen Nachbarn, die
über den Gartenzaun hinweg ihre Erfahrungen mit neuen Produkten austauschen. Der
„Nachbarzaun“ wird dabei zunehmend digital. Moderne Verbraucher teilen ihre Meinungen,
Fotos und Erfahrungen kostenlos in den sozialen Medien. Und Käufer können neben Infor-
mationen über das infrage kommende Produkt eine Fülle an Nutzerbewertungen auf Seiten
wie Trivago, TripAdvisor oder Yelp finden. Während einzelne Nutzerbewertungen qualitativ
stark abweichen, bietet eine ganze Gruppe oftmals zuverlässige Einschätzungen – Erfahrun-
gen aus erster Hand von Menschen wie Ihnen, die das Produkt tatsächlich gekauft und aus-
probiert haben.
Je mehr Informationen vorliegen, desto besser weiß der Verbraucher über Marken und Pro-
dukteigenschaften Bescheid. Diese Informationen haben dazu beigetragen, einige Marken
auszuschließen. Ein Unternehmen sollte seinen Marketing-Mix so gestalten, dass die Ver-
braucher die Vorteile deutlich erkennen und positive Kenntnisse über das Produkt erwerben.
Falls dies nicht gelingt, scheitert der Anbieter beim Absatz seiner Produkte.
Ein Marketer muss deshalb wissen, welche anderen Marken die Konsumenten beim Produkt-
kauf berücksichtigen und welche Strategien die Wettbewerber verfolgen. Das Marketing
sollte auch die für die Kaufinteressenten relevanten Informationsquellen und deren Wichtig-
keit kennen. Dazu muss ermittelt werden, wie die Käufer zum ersten Mal von einer Marke
erfahren haben, welche Informationen sie darüber erhalten haben und welche Bedeutung sie
den einzelnen Informationsquellen beimessen. Auf Basis dieser Informationen kann man
dann die eigene Marketingplanung durchführen.

Bewertung von Alternativen


Wir wissen jetzt, wie ein Verbraucher Produktinformationen für seine Entscheidung nutzt.
Doch nun stellt sich die Frage, wie der Käufer zwischen den verbliebenen Marken auswählt.
Das Marketing muss sich daher mit den Vergleichs- und Auswahlprozessen bei der Bewer-
tung von Alternativen auseinandersetzen. Dies wird durch die Tatsache erschwert, dass es
sich nicht um einen einzigen einfachen Auswahlprozess handelt, sondern um mehrere
simultan und parallel laufende Entscheidungsabläufe.
Einige Grundannahmen helfen, die Vergleichs- und Auswahlprozesse beim Käufer zu verste-
hen. Zunächst unterstellen wir, dass jeder Käufer gewisse Bedürfnisse befriedigen möchte
und daher auf der Suche nach einem bestimmten Nutzen ist, den er durch den Kauf von Pro-
dukten oder Dienstleistungen erhält. Weiterhin nehmen wir an, dass ein Käufer ein Produkt
als ein Bündel von Produkteigenschaften ansieht, welche in unterschiedlichem Maß dazu
geeignet sind, Nutzen zu stiften und Bedürfnisse zu befriedigen. Bei Kameras sind diese Pro-
dukteigenschaften u.a. die Bildqualität, leichte Bedienbarkeit, Größe und Gewicht der
Kamera und der Preis. Konsumenten werden sich unterschiedlich entscheiden, je nachdem,
welche dieser Attribute sie zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse als relevant erachten.

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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess

Außerdem misst jeder Konsument den einzelnen Eigenschaften unterschiedliche Wichtigkeit


bei. Dabei liegt ein Unterschied zwischen der Wichtigkeit einer Eigenschaft und der ihr
momentan entgegengebrachten Beachtung vor. Wenn ein Käufer über die Produktcharakteris-
tika nachdenkt, stehen manche Eigenschaften im Vordergrund. Dabei muss es sich nicht um
die wichtigste Eigenschaft handeln, es geht nur darum, dass diese Eigenschaft im Moment
die größte Aufmerksamkeit erfährt. Gründe dafür können sein, dass der Konsument gerade
eine Werbeanzeige darüber gesehen hat oder im Freundeskreis darüber diskutiert wurde.
Möglicherweise hat der Konsument andere Eigenschaften vergessen, doch berücksichtigt er
diese wieder, sobald sie ihm ins Gedächtnis gerufen werden.
Darüber hinaus entwickeln Käufer Überzeugungen zu den einzelnen Marken. Aus der
Summe dieser Überzeugungen ergibt sich das Markenimage. Die Überzeugungen können
sowohl auf eigenen Erfahrungen beruhen als auch auf selektiver Wahrnehmung, selektiver
Verzerrung und selektivem Erinnern.
Ferner beurteilt ein Konsument die Eigenschaften, indem er ihnen einen bestimmten Nutzen
zuweist. Diese Nutzenfunktion zeigt, wie sich die Bedürfnisbefriedigung je nach Ausprägung
der einzelnen Produkteigenschaften ändert. Das Bedürfnis eines Konsumenten wird umso
besser erfüllt, je eher bestimmte Attribute zutreffen. Er geht davon aus, dass seine Zufrieden-
heit mit steigender Bildqualität zunimmt. Dafür ist er auch bereit, eine mittelschwere Kamera
anstelle einer ultraleichten zu akzeptieren. Nach dem, was er bis jetzt gelernt hat, würde er
jedoch eine kompakte Kleinkamera einer großen Kamera vorziehen. Kombiniert man die
Ausprägungen der einzelnen Attribute, bei denen der empfundene Nutzen am höchsten ist,
erhalten wir die ideale Kamera. Jemand würde genau diese Kamera bevorzugen, wenn diese
erhältlich und für ihn erschwinglich wäre.
Schließlich hat der Käufer Einstellungen bezüglich der unterschiedlichen Marken, nachdem
er Vergleiche und Bewertungen angestellt hat. Dabei können durchaus mehrere Bewertungs-
ansätze zum Einsatz kommen. Dies hängt jedoch von der Persönlichkeit des Konsumenten
und der Entscheidungssituation ab.
Im genannten Beispiel hat ein Verbraucher nun vier Kameras von Sony, Ricoh, Nikon und
Canon in die engere Wahl genommen. Weiterhin wird unterstellt, dass derjenige hauptsäch-
lich auf folgende vier Eigenschaften Wert legt: Bildqualität, Handhabung, Kameragröße und
Preis. Tabelle 5.3 zeigt seine Erwartungen, inwiefern die einzelnen Marken die Eigenschaften
erfüllen können.

Attribute
Kamera
Bildqualität Handhabung Kameragröße Preis
Sony 9 6 6 3
Ricoh 6 8 6 6
Nikon 8 7 8 6
Canon 4 6 8 9
Tabelle 5.3: Markenerwartungen bei Kameras

Dieser Konsument ist davon überzeugt, dass die Sony-Kamera die Punktzahl von 9 bei der
Bildqualität erreicht, nicht ganz einfach in der Handhabung ist (6 Punkte) sowie mittelgroß
(6 Punkte) und recht teuer ist (3 Punkte). Dieses Erwartungsschema wendet er auch für die

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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

anderen Marken an. Um vorhersagen zu können, welche Kamera der Verbraucher kaufen
wird, sind weitere Überlegungen erforderlich. Die Vorhersage wäre denkbar einfach, wenn
ein Kameratyp bei allen Attributen am besten abschneiden würde. Liegen aber wie hier
unterschiedliche Ausprägungen vor, kann der Käufer sich die Entscheidung erleichtern,
indem er nur eine einzige Eigenschaft berücksichtigt. Wenn also der Preis am wichtigsten ist,
wird derjenige die Canon kaufen. Wenn jemand eine besonders einfache Handhabung
wünscht, entscheidet er sich für die Ricoh oder Nikon. Die meisten Käufer machen ihre Ent-
scheidung allerdings von mehreren Attributen abhängig, wobei sie jedem eine bestimmte
Wichtigkeit zuordnen. Kennt man die Gewichtung der einzelnen Produkteigenschaften, kann
man vorhersagen, welche Kamera der Verbraucher kaufen wird. Angenommen, er misst der
Bildqualität eine Wichtigkeit von 40 Prozent zu, der Handhabung 30 Prozent, der Größe 20
Prozent und dem Preis zehn Prozent, so ergibt sich durch Multiplikation daraus folgendes
Nutzenprofil:
Sony: 0,4(9) + 0,3(6) + 0,2(6) + 0,1(3) = 6,9
Ricoh: 0,4(6) + 0,3(8) + 0,2(6) + 0,1(6) = 6,6
Nikon: 0,4(8) + 0,3(7) + 0,2(8) + 0,1(6) = 7,5
Canon: 0,4(4) + 0,3(6) + 0,2(8) + 0,1(9) = 5,9
Daraus kann man folgern, dass dieser Konsument die Kamera von Nikon kaufen wird. Dieses
Modell bezeichnet man als Erwartungswertmodell der Konsumentenentscheidung. Es han-
delt sich dabei nur um eines von vielen möglichen Entscheidungsmodellen, das beschreibt,
wie Konsumenten bei der Auswahl vorgehen. Die Beurteilung von Alternativen kann sich
auch auf andere Art vollziehen. Zum Beispiel könnte jemand nur solche Kameras berück-
sichtigen, die ein bestimmtes Merkmal oder mehrere Merkmale unbedingt erfüllen müssen.
In diesem Fall muss die Kamera einen TV-Anschluss haben. Da dies nur auf die Sony-
Kamera zutrifft, entscheidet er sich dafür. Dies nennt man konjunktives Modell der Konsu-
mentenentscheidung. Oder aber derjenige legt Mindestwerte für die jeweiligen Attribute fest.
Zum Beispiel muss die Bildqualität mindestens 7 sein oder die Handhabung einen Wert von
mindestens 9 aufweisen. Dieser Konsument würde entweder die Kamera von Sony, Ricoh
oder Nikon wählen, da sie alle drei die gewünschten Anforderungen erfüllen. Dieses Modell
wird als disjunktives Modell der Konsumentenentscheidung bezeichnet.
Auf welche Weise Verbraucher Kaufalternativen vergleichen und bewerten, kommt auf den
einzelnen Käufer und die jeweilige Kaufsituation an. In einigen Fällen wenden Konsumenten
sorgfältige Berechnungen und logisches Denken an. In anderen Fällen unternehmen sie
kaum etwas oder gar nichts, um Alternativen zu vergleichen. Stattdessen vertrauen sie auf
ihre Intuition und tätigen einen Impulskauf. Manchmal trifft ein Verbraucher seine Kaufent-
scheidung allein, ein anderes Mal befragt er Freunde, Testzeitschriften oder das Verkaufsper-
sonal.
Aufgabe von Marketern ist es, herauszufinden, in welcher Weise Käufer die einzelnen Mar-
ken- und Produktalternativen vergleichen und bewerten. Wenn sie wissen, welche Auswahl-
und Vergleichsvorgänge sich abspielen, können sie Schritte zur Beeinflussung der Kaufent-
scheidung unternehmen. Nehmen wir einmal an, dass ein Verbraucher aufgrund der guten
Bildqualität sehr stark dazu neigt, die Kamera von Sony zu kaufen. Welche Strategien könnte
ein anderer Hersteller, zum Beispiel Nikon, jetzt noch einschlagen, um diesen Verbraucher
zu beeinflussen? Es gibt mehrere Möglichkeiten. Nikon könnte sein Kameramodell modifi-
zieren und eine leichtere und günstigere Version herausbringen, bei der dafür einige Ausstat-
tungsdetails fehlen. Nikon könnte versuchen, die Überzeugungen und Einstellungen der

284
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
5.4 Der Kaufentscheidungsprozess

Käufer gegenüber bestimmten Produktmerkmalen zu verändern, insbesondere wenn eine


bestimmte Eigenschaft von den Käufern als unwichtig eingeschätzt wird. Nikon könnte auch
versuchen, die Einstellung der Verbraucher gegenüber Sony und anderen Konkurrenten zu
ändern. Schließlich könnte das Unternehmen den Versuch unternehmen, die Liste der Eigen-
schaften, die von den Käufern als wichtig angesehen werden, zu ändern bzw. die Wichtig-
keit, die diesen Eigenschaften zugestanden wird, zu vermindern oder zu erhöhen. Zum Bei-
spiel könnte man in Werbeanzeigen hervorheben, dass eine gute Kamera unbedingt klein und
einfach in der Handhabung sein muss. Man betont also diejenigen Merkmale, die das eigene
Produkt kennzeichnen und hebt sich damit von den anderen Herstellern ab.

Kaufentscheidung
In der Bewertungsphase bringt der Käufer die einzelnen Marken in eine bestimmte Reihen-
folge und bildet daraus Kaufabsichten. Im Allgemeinen fällt die Kaufentscheidung des Kon-
sumenten so aus, dass er die von ihm bevorzugte Marke kauft. Zwei Faktoren können jedoch
zwischen Kaufabsicht und Kaufentscheidung noch stören (siehe Abbildung 5.22).

Einstellungen
anderer Personen
Bewertung Kauf-
möglicher Kaufabsicht
Alternativen entscheidung
Unerwartete
situative Faktoren

Abbildung 5.22: Kaufentscheidungsfindung – Phasen von der Bewertung möglicher Alternativen bis zur eigentlichen Kauf-
entscheidung

Zum einen sind dies die Einstellungen anderer Personen. Wenn zum Beispiel jemand, der
Ihnen nahesteht, der Ansicht ist, dass Sie die billigste Kamera kaufen sollten, nimmt die
Wahrscheinlichkeit ab, dass Sie eine teure Kamera kaufen werden. Dabei hängt der Einfluss
durch andere Personen davon ab, wie stark die Einstellungen dieser Personen einwirken und
wie groß die Bereitschaft ist, sich der Meinung dieser Personen anzuschließen bzw. unterzu-
ordnen.
Zum anderen unterliegt die Kaufabsicht auch noch unerwarteten situativen Faktoren. Der
Konsument bestimmt seine Kaufabsicht aufgrund bestimmter Faktoren wie z.B. erwartetes
Familieneinkommen, erwarteter Preis oder erwarteter Nutzen durch das gekaufte Produkt.
Steht der Käufer kurz vor dem Kauf, können unerwartete Situationen eintreten und die Kauf-
absicht ändern. So könnte sich ein anderer Kauf als viel dringender erweisen, zum Beispiel
wenn der Kühlschrank oder die Waschmaschine plötzlich nicht mehr funktioniert. Oder ein
Freund von Ihnen berichtet, dass er mit der ausgesuchten Kamera schlechte Erfahrungen
gemacht hat. Dementsprechend münden Präferenzen und sogar konkrete Kaufabsichten
nicht immer in einen tatsächlichen Kauf. Präferenzen und Kaufabsichten geben die Tendenz
für das Kaufverhalten vor, aber nur selten bestimmen sie allein das Ergebnis.
Die Entscheidung eines Konsumenten, seine Kaufabsicht zu ändern, aufzuschieben oder
nicht mehr durchzuführen, wird stark vom wahrgenommenen Risiko bestimmt. Viele Käufe
sind mit einem gewissen Risiko behaftet. Wenn die Verbraucher sich über den Erfolg des
Kaufs nicht sicher sind, können sich Bedenken und Angst einstellen. Die Intensität des wahr-
genommenen Risikos hängt von der Höhe der Ausgabe, vom Grad der Unsicherheit und vom
Selbstvertrauen des Konsumenten ab. In dieser Phase unternehmen viele Kaufinteressenten

285
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

absichernde und risikomindernde Maßnahmen wie zum Beispiel die Verschiebung des
Kaufs, das Einholen zusätzlicher Informationen oder aber die Bevorzugung von Produkten,
die eine umfassende Garantie bieten. Eine gute Marketingabteilung kennt die Risiko auslö-
senden Faktoren und bietet dem Konsumenten daher geeignete Informationen und Unterstüt-
zungsmöglichkeiten, die das wahrgenommene Risiko senken sollen.

Verhalten in der Nachkaufphase


Die Aufgabe des Marketings endet nicht nach erfolgtem Kauf, wenn Waren und Kunden das
Haus verlassen haben. Von großem Interesse für das Marketing ist, ob der Kunde mit dem
Kauf zufrieden oder unzufrieden ist, was sich in seinem Verhalten in der Nachkaufphase
widerspiegelt. Die Gründe, warum der Käufer zufrieden bzw. unzufrieden ist, lassen sich
durch den Vergleich von Erwartungen des Konsumenten an das Produkt mit der tatsächlich
wahrgenommenen Erwartungserfüllung erklären. Wenn das Produkt nicht den Erwartungen
entspricht, ist der Käufer enttäuscht. Erfüllt oder übertrifft es sogar die Erwartungen, wird
der Käufer zufrieden oder gar begeistert sein.
Die Erwartungen der Verbraucher basieren auf Informationen und Botschaften, die sie von
Anbietern, Freunden und anderen Quellen erhalten haben. Wenn ein Anbieter die Leistung
seines Produkts übertrieben darstellt und dann die dadurch erzeugten Erwartungen des Käu-
fers nicht erfüllt werden, führt dies zu Unzufriedenheit. Je größer die Diskrepanz zwischen
erwarteter und wahrgenommener Leistung ist, desto größer ist die Unzufriedenheit des Kun-
den. Daraus ergibt sich, dass ein Anbieter nur wahre Behauptungen über die Leistungen und
Vorzüge des Produkts aufstellen sollte, sodass keine falschen Erwartungen bei den Kaufinter-
essenten geweckt werden.
Nehmen wir das Beispiel der Automobilclubs und Pannenhilfsdienste. Sie neigen zu pessi-
mistischer Werbung, indem sie angeben, dass sie 30 Minuten benötigen, um das Pannenfahr-
zeug zu erreichen. Kommt nun das Hilfsfahrzeug jedoch schon nach 20 Minuten an, ist der
Kunde zufrieden. Wird jedoch mit einer Zusage von zehn Minuten geworben, sind die
Betroffenen verärgert, wenn das Hilfsfahrzeug erst nach 15 oder 20 Minuten eingreifen kann.
Bei fast allen großen Käufen kommen nach dem Kauf Zweifel oder Unsicherheit über die
getroffene Entscheidung auf, was als kognitive Dissonanz bezeichnet wird. Zunächst sind die
Käufer mit den Vorteilen der gewählten Marke zufrieden. Sie sind glücklich, dass sie die
Nachteile der nicht gekauften Marke vermeiden konnten. Andererseits ist jeder Kauf mit
Kompromissen verbunden. Daher fallen den Käufern in der Nachkaufphase die Nachteile der
gekauften Marke auf und sie grübeln, welche Vorzüge der nicht gewählten Marke ihnen ent-
gehen. Aus diesen Gründen ist nach fast jedem Kauf eine gewisse Dissonanz auszumachen.
Warum ist es so wichtig, den Kunden zufriedenzustellen? Die Zufriedenstellung der Konsu-
menten ist ein zentraler Schlüssel, weil der Unternehmensumsatz auf zwei Gruppen beruht,
nämlich den neuen Kunden und den Wiederholungskunden. In der Regel ist es teurer, neue
Kunden zu gewinnen, als Wiederholungskunden zu behalten. Trotzdem kann es manchmal
schwieriger sein, die Kunden zu halten, die schon regelmäßig die Produkte kaufen. Der beste
Weg ist, sie zufriedenzustellen. Ein zufriedener Kunde kauft beim nächsten Mal wieder das-
selbe Produkt, empfiehlt es weiter und neigt dazu, auch weitere Produkte des gleichen
Unternehmens zu kaufen. Außerdem ist er weniger empfänglich für die Werbung und Pro-
dukte der Konkurrenz. Viele Marketingfachleute halten es für wichtig, den Kunden nicht nur
zufriedenzustellen, sondern förmlich zu begeistern. Denn ein begeisterter Kunde greift mit
noch höherer Wahrscheinlichkeit auf das gleiche Produkt zurück und empfiehlt es auch eher
weiter.

286
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess

Ein unzufriedener Kunde reagiert anders. Während ein zufriedener Kunde drei Personen von
seinen guten Erfahrungen erzählt, berichtet ein unzufriedener Kunde elf Personen von seiner
Unzufriedenheit. Eine Studie ergab sogar, dass 13 Prozent der Personen, die mit einem
Unternehmen Probleme hatten, sich darüber bei mehr als zwanzig Personen beklagten. Es ist
klar zu erkennen, dass sich negative Mundpropaganda schneller und weiter verbreitet als
positive. Dies schadet dem Unternehmen insofern, als sich negative Einstellungen gegenüber
dem Unternehmen und dessen Produkten aufbauen.
Daher tun Unternehmen gut daran, die Kundenzufriedenheit regelmäßig zu messen. Sie kön-
nen sich schließlich nicht darauf verlassen, dass sich die unzufriedenen Käufer mit ihren
Beschwerden und Klagen an sie wenden. Ganz im Gegenteil, man weiß, dass sich 96 Prozent
der unzufriedenen Käufer nie beim Unternehmen melden. Aus diesem Grund sollten Unter-
nehmen Maßnahmen einführen, welche die unzufriedenen Kunden dazu ermutigen sollen,
ihre Beschwerden einzureichen. Auf diese Weise erfährt das Unternehmen, wie seine Pro-
dukte beurteilt werden und wo Verbesserungen nötig oder möglich sind.
In vielen Fällen versuchen unzufriedene Käufer, die empfundene kognitive Dissonanz durch
verschiedene Handlungen zu reduzieren. Falls Sie mit dem Kauf einer Kamera von Nikon
unzufrieden sind, können Sie diese umtauschen. Sie können sich aber auch Werbeanzeigen
von Nikon anschauen, in denen die Vorzüge der Kamera betont werden, oder aber Sie zeigen
die Kamera Ihren Freunden, die Ihnen daraufhin bestätigen, wie toll sie diese finden. Viel-
leicht vermeiden Sie es gänzlich, über Kameras zu lesen, um nicht auf ein besseres Angebot
zu stoßen.
Neben einem funktionierenden Beschwerde-Management können Unternehmen weitere
Dinge tun, um die Unzufriedenheit in der Nachkaufphase zu senken und den Kunden hin-
sichtlich ihres Kaufs ein gutes Gefühl zu verschaffen. Beispielsweise schreibt Toyota Neuwa-
genbesitzer an und gratuliert ihnen zum Kauf eines tollen Wagens. Außerdem wirbt das
Unternehmen mit zufriedenen Toyota-Fahrern, die positiv über ihr Auto sprechen, und
nimmt Anregungen und Verbesserungsvorschläge der Kunden entgegen.
Die Bedürfnisse des Kunden und den Kaufentscheidungsprozess als Ganzes zu verstehen, ist
die Grundlage für erfolgreiches Marketing. Wenn man die Phasen Bedarfswahrnehmung,
Informationssuche, Bewertung von Alternativen, Kaufentscheidung und Verhalten in der
Nachkaufphase begreift, kann man wertvolle Hinweise darauf erhalten, wie man die Bedürf-
nisse der Konsumenten besser befriedigen kann. Durch die Kenntnis der Kaufakteure und
deren jeweiligen Einfluss auf die Kaufentscheidung können effiziente Marketingpläne und
attraktive Angebote für den Zielmarkt entwickelt werden.

5.4.3 Kaufentscheidungsprozesse bei neuen Produkten


Im vorausgehenden Kapitel wurden die Phasen des Kaufentscheidungsprozesses untersucht.
Die Konsumenten durchlaufen diese Stufen mehr oder weniger schnell und auch die Reihen-
folge der einzelnen Phasen kann variieren. Wie bereits gesehen, sind dabei die Persönlichkeit
des Käufers, das Produkt und die jeweilige Kaufsituation entscheidend.
Im Folgenden soll dargelegt werden, wie Konsumenten beim Kauf eines neuen Produkts vor-
gehen. Unter einem neuen Produkt versteht man eine Ware oder eine Dienstleistung, die von
möglichen Käufern als neu wahrgenommen wird. Auch wenn das Produkt schon eine ganze
Weile auf dem Markt ist, ist es dennoch interessant zu sehen, wie Konsumenten zum ersten
Mal von einem Produkt erfahren und wie sie folglich darüber entscheiden, ob sie dieses Pro-
dukt in Zukunft annehmen.

287
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Als Adoptionsprozess bezeichnet man den mentalen Vorgang, den ein Individuum vom ers-
ten Kontakt mit einem neuen Produkt bis hin zu dessen endgültiger Annahme, d.h. seiner
regelmäßigen Nutzung, durchläuft.

Der Adoptionsprozess bei neuen Produkten


Folgende Phasen kennzeichnen den Adoptionsprozess bei neuen Produkten:
1. Kenntnis Der Konsument hört von dem neuen Produkt, hat jedoch noch keine Informati-
onen darüber.
2. Interesse Der Konsument sucht nach Informationen über das neue Produkt.
3. Bewertung Der Konsument überlegt, ob es sinnvoll ist, das neue Produkt auszuprobie-
ren.
4. Test Der Konsument kauft und testet das neue Produkt.
5. Adoption Der Konsument entscheidet sich, in Zukunft für diesen Verwendungszweck
regelmäßig Gebrauch vom neuen Produkt zu machen.
Aus diesem Modell geht hervor, dass das Neuprodukt-Marketing die Konsumenten beim
Durchlaufen dieser Stufen unterstützen sollte. Ein Hersteller von Heimkino-Anlagen kann
zum Beispiel erkannt haben, dass viele Verbraucher nicht über die Phase des Interesses hin-
auskommen und somit das neue Produkt nie ausprobieren. Dies kann allgemein an Unsicher-
heit oder am hohen Preis liegen. Als Marketingmaßnahme würde sich hier eine Aktion in
Zusammenarbeit mit dem Fachhandel anbieten, bei der Interessenten eine Anlage gegen eine
geringe Gebühr ein paar Tage zu Hause testen können und eine Kaufoption erhalten.

Individuelle Adoptionsbereitschaft
Bei der Bereitschaft, Neuheiten anzunehmen, bestehen große Unterschiede. In jeder Produkt-
kategorie gibt es sogenannte Innovatoren. Dies sind Verbraucher, welche die Neuheiten sehr
früh annehmen. Andere Konsumenten akzeptieren Neuheiten erst viel später. Dies hat zu
einer Unterteilung der Verbraucher entsprechend ihrem Grad an Innovationsbereitschaft und
ihren Adoptionszeiten geführt, wie in Abbildung 5.23 veranschaulicht wird.

2,5% 34% 34%


Innovatoren Frühe Mehrheit Späte Mehrheit
13,5% 16%
Frühe Adopter Nachzügler

Abbildung 5.23: Adoptionskurve: Unterschiede des Käuferverhaltens bei der Einführung von neuen Produkten

Nach einem verhaltenen Start nimmt die Anzahl der Personen, die das neue Produkt verwen-
den, schnell zu. Nach Erreichung eines Höhepunkts fällt die Kurve wieder ab, da nun ledig-
lich ein kleiner Anteil übrig ist, der das Produkt nicht angenommen hat. Die ersten 2,5 Pro-
zent, die das neue Produkt akzeptieren, sind die Innovatoren. Die nächste Gruppe der frühen
Adopter (oder Nachahmer) beläuft sich auf 13,5 Prozent. Dann folgen zunächst die frühe
Mehrheit, also der schnellere Teil der Mehrheit, dann die späte Mehrheit, also der langsa-
mere Teil der Mehrheit, und zum Schluss die Nachzügler.

288
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5.4 Der Kaufentscheidungsprozess

Den fünf verschiedenen Gruppen entsprechen unterschiedliche Werthaltungen und Lebens-


einstellungen:
Innovatoren sind risikofreudig und probieren gerne etwas Neues aus.
Frühe Adopter nehmen Neuerungen sehr früh an und sind dabei dennoch vorsichtig. Häufig
gelten sie als Meinungsführer in ihrer Gemeinschaft.
Die frühe Mehrheit, also der schneller reagierende Teil der Mehrheit, verhält sich etwas
abwartend, auch wenn er Neuerungen schneller als der Durchschnitt annimmt. In dieser
Gruppe finden sich selten Meinungsführer.
Die späte Mehrheit, also der langsamer reagierende Teil der Mehrheit, ist skeptisch. Eine Neue-
rung wird erst dann akzeptiert, wenn der Großteil diese bereits erprobt und angenommen hat.
Nachzügler sind traditionsbewusst und lassen Veränderungen nur sehr zögerlich zu. Sie neh-
men eine Neuerung erst an, wenn diese selbst schon wieder eine gewisse Tradition besitzt.
Aus dieser Klassifizierung ergibt sich, dass ein innovatives Unternehmen die Charakteristika
der Innovatoren und der frühen Adopter kennen sollte, um sie gezielt anzusprechen. Die
Innovatoren im Bereich von PCs sind eher Personen mittleren Alters mit höherem Einkom-
men und Bildungsniveau. Außerdem sind sie meist Meinungsführer in ihren Gemeinschaf-
ten. Die Tendenz geht auch dahin, dass diese Innovatoren rationaler, eher introvertiert und
weniger gesellig sind als der Durchschnitt. Im Allgemeinen sind Innovatoren meist jünger,
gebildeter und verfügen über ein höheres Einkommen als die späteren Nachahmer oder dieje-
nigen, die das neue Produkt gar nicht annehmen. Innovatoren sind ungewöhnlichen Dingen
gegenüber aufgeschlossener, sie leben mehr nach eigenen Maßstäben und Wertvorstellungen
und sind eher bereit, Risiken einzugehen. Ihre Markentreue ist geringer ausgeprägt als beim
Durchschnitt und es ist recht wahrscheinlich, dass sie sich für spezielle Verkaufsförderungs-
maßnahmen wie Rabattaktionen oder Gratisproben interessieren.
Unternehmen, die Produkte anbieten, welche einem starken Gruppeneinfluss unterliegen,
müssen besonders darauf achten, die Meinungsführer in den relevanten Referenzgruppen
anzusprechen. Man findet Meinungsführer in allen Gesellschaftsschichten. Eine Person kann
in einem bestimmten Produktbereich als Meinungsführer gelten und in anderen wiederum
als Meinungsfolger. Daher versucht das Marketing-Management, Meinungsführer für seine
Produkte zu identifizieren, ihre Mediennutzung zu ermitteln und sie durch direkte Botschaf-
ten anzusprechen. Dies wird teilweise in der Musikindustrie genutzt, wo beispielsweise
Radio-Moderatoren und Clubs großen Einfluss auf die gewünschte Zielgruppe ausüben. In
anderen Fällen können Werbeanzeigen oder TV-Spots Meinungsführerschaft simulieren,
indem dort zwanglose Gespräche zwischen verschiedenen Menschen dargestellt werden.
Dies kann das Bedürfnis der Konsumenten, anderweitig Rat einzuholen, reduzieren.

Einfluss durch andere Personen


Der Einfluss anderer Personen spielt bei der Annahme neuer Produkte eine entscheidende
Rolle. So können der Austausch von Ansichten, Einstellungen und Ratschlägen bezüglich
neuer Produkte und Marken die Kaufwahrscheinlichkeit verändern bzw. das Kaufverhalten
sehr stark beeinflussen.
Der Einfluss, den andere ausüben, hängt von der jeweiligen Situation und der Persönlichkeit
des Konsumenten ab. Grundsätzlich hat die Meinung anderer in der Bewertungsphase im
Annahmeprozess eines neuen Produkts eine stärkere Bedeutung als in anderen Kaufentschei-
dungsphasen. Außerdem ist der persönliche Einfluss auf den späteren Teil der Mehrheit, die

289
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5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

ein neues Produkt annimmt, stärker ausgeprägt. Besonders in risikobehafteten Kaufsituatio-


nen ist die persönliche Einflussnahme von großer Bedeutung.

Rolle der Produkteigenschaften


Die Eigenschaften eines neuen Produkts tragen auch zur Geschwindigkeit bei, mit der dieses
auf dem Markt angenommen wird. Manche Produkte werden praktisch über Nacht zum Mark-
terfolg (iPod und iPhone), andere tun sich mit der Marktakzeptanz sehr schwer und benötigen
dafür lange Zeit (Digital-Fernsehen). Die ersten HDTVs beispielsweise wurden in den 90er-Jah-
ren eingeführt, wobei der Anteil der deutschen Haushalte, die 2010 ein solches System besa-
ßen, bei 6,14 Millionen lag. Im Jahr 2017 hatten bereits 27,84 Millionen Haushalte HDTV.5
Die folgenden fünf Kenngrößen sind für die Annahme neuer Produkte wichtig. Hierbei sollen
die zwischenzeitlich etablierten HDTVs als Beispiel dienen.
Relativer Vorteil bezeichnet den Grad an Überlegenheit des neuen Produkts gegenüber vor-
handenen Produkten. Je größer der wahrgenommene Vorteil ist, desto schneller wird die
Annahme auf dem Markt stattfinden.
HDTVs bieten eine erheblich verbesserte Bildqualität, was ihre Akzeptanz beschleunigte.
Kompatibilität bezeichnet, inwieweit das neue Produkt mit den Werten, Einstellungen und
Erfahrungen potenzieller Käufer übereinstimmt und sich technologisch mit anderen Produk-
ten verbinden lässt.
HDTVs passen hervorragend zu den Lifestyles der fernsehschauenden Bevölkerung. In den
Anfangsjahren waren die HDTVs noch nicht kompatibel mit Programmierungs- und Sen-
desystemen, was die Akzeptanz schmälerte. Erst nachdem immer mehr HD-Programme und
-Kanäle zur Verfügung standen, hat sich die Akzeptanz rasant erhöht.
Komplexität gibt an, wie schwierig es ist, das neue Produkt zu verstehen und zu benutzen.
HDTVs sind nicht sehr komplex und lassen sich leicht bedienen. Mit einer größeren Aus-
wahl an Programmen und sinkenden Preisen stieg die Adoptionsrate bei HDTV-Anwendun-
gen daher schneller als die bei komplexeren Innovationen.
Teilbarkeit gibt an, inwiefern das neue Produkt ausprobiert oder nur teilweise gekauft wer-
den kann.
Die frühen HDTVs und HD-Kabel- und Satellitensysteme waren recht teuer und wurden
daher selten installiert. Erst mit den günstigeren Preisen erhöhte sich die Zahl der Anwender.
Vermittelbarkeit bezeichnet, inwiefern die Erfahrungen mit dem neuen Produkt anderen ver-
mittelt werden können.
Die Erfahrungen mit einem HDTV lassen sich anderen leicht vermitteln.
Für die Annahme eines neuen Produkts spielen noch weitere Faktoren eine Rolle, wie zum
Beispiel Anfangs- und Folgekosten, Risiko und Ungewissheit, soziale Anerkennung und der
Einsatz eines Meinungsführers. Bevor neue Produkte entwickelt und eingeführt werden,
muss das Marketing alle diese Faktoren gründlich untersuchen.

5 https://www.vprt.de/hdtv/content/tv-monitor-2017-deutliches-wachstum-beim-hdtv-empfang,
16.04.2018

290
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Zusammenfassung

Z US A M M EN FA SSU N G

Bevor Marketingstrategien entwickelt werden, muss der jeweilige Markt als Ganzes ver-
standen werden. Der Konsumentenmarkt besteht aus Gütern und Dienstleistungen für
den persönlichen Verbrauch, wobei sich die Konsumenten sehr stark in Bezug auf Alter,
Einkommen, Bildung, Geschmack und andere Faktoren unterscheiden. Das Marketing
muss verstehen, wie die Konsumenten Marketingmaßnahmen und andere Stimuli in
Kaufreaktionen umsetzen. Das Konsumentenverhalten wird durch die Charakteristika
des Käufers und seinen Kaufentscheidungsprozess beeinflusst. Die Charakteristika des
Käufers setzen sich aus vier Hauptfaktoren zusammen: kulturelle, soziale, persönliche
und psychologische Größen.
Die Kultur ist der ausschlaggebende Faktor für die Wünsche und das Verhalten einer
Person. Dazu gehören Grundwerte, Wahrnehmungen, Präferenzen und das Verhalten,
das eine Person in der Familie und in weiteren Schlüsselinstitutionen erlernt. Marke-
tingfachleute suchen dabei besonders nach kulturellen Veränderungen oder Verschie-
bungen, woraus neue Arten, Kundenbedürfnisse zu befriedigen, resultieren. Soziale
Klassen sind Gruppen, deren Mitglieder ähnliche Positionen in der Gesellschaft einneh-
men. Die Einordnung basiert auf Berufstätigkeit, Einkommen, Bildung, Vermögen und
anderen Variablen. Es ist davon auszugehen, dass Menschen, die unterschiedlichen Kul-
turen, Subkulturen und sozialen Klassen angehören, auch unterschiedliche Produkt-
und Markenpräferenzen aufweisen.
Soziale Faktoren beeinflussen ebenfalls das Konsumentenverhalten. Die Referenzgruppen
einer Person wie Familie, Freunde, Vereine oder Berufsverbände haben einen starken Ein-
fluss auf die Produkt- und Markenwahl. Die Position einer Person innerhalb einer derarti-
gen Gruppe kann als Rolle und Status definiert werden. Ein Konsument bevorzugt diejeni-
gen Produkte und Marken, die seiner Rolle und seinem Status entsprechen.
Weiterhin beeinflussen Alter und Lebensphase, berufliche Tätigkeit, finanzielle Situa-
tion, Lebensstil und Persönlichkeit des Verbrauchers neben weiteren persönlichen und
psychologischen Faktoren die Kaufentscheidung. Die Bedürfnisse junger Käufer unter-
scheiden sich erheblich von denen älterer Käufer, frisch Verheiratete haben andere
Bedürfnisse als ältere Paare im Ruhestand und Verbraucher mit hohem Einkommen kau-
fen anders ein als solche, die finanziell eher eingeschränkt sind.
Mit zunehmender Komplexität einer Kaufsituation steigen auch die Anzahl der am Kauf
beteiligten Personen und der Grad an Involvement. Die wichtigsten Arten von Kaufver-
halten sind: komplexes Kaufverhalten, Dissonanz reduzierendes Kaufverhalten, habitu-
alisiertes Kaufverhalten und Variety Seeking.
Wenn etwas gekauft werden soll, durchläuft der Konsument einen mehrstufigen Ent-
scheidungsprozess, der aus Bedürfniswahrnehmung, Informationssuche, Bewertung
von Alternativen, Kaufentscheidung und Aufarbeitung des Kaufs in der Nachkaufphase
besteht. Aufgabe des Marketings ist es, das Konsumentenverhalten und die jeweiligen
Einflüsse darauf in jeder dieser Stufen nachzuvollziehen. Damit wird die Grundlage
geschaffen, für jeden Zielmarkt ein funktionierendes Marketingprogramm zu entwi-
ckeln. In Bezug auf neue Produkte lässt sich sagen, dass die Verbraucher darauf unter-
schiedlich schnell reagieren, was von den persönlichen Charakteristika der Konsumen-
ten und von den Produktmerkmalen abhängt. Die Anbieter sollten gezielt versuchen, die
Aufmerksamkeit der Innovatoren und frühen Adopter – insbesondere der Meinungsfüh-
rer in den Gruppen – auf ihre Produkte zu lenken.

291
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
5 Das Kaufverhalten der Konsumenten

Das Kaufverhalten einer Person ist das Ergebnis eines komplizierten Zusammenspiels
all dieser kulturellen, sozialen, persönlichen und psychologischen Faktoren. Obwohl
das Marketing die wenigsten davon beeinflussen kann, sind sie doch bei der Identifizie-
rung potenzieller Käufer hilfreich. Mit diesem Wissen kann man Strategien entwickeln,
um Konsumenten vom eigenen Produkt zu überzeugen.

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USA Today (01.04.09)

294
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Märkte für Industriegüter –
Besonderheiten des Business-
to-Business-Marketings

6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 6


6.2 Märkte für Industriegüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen . . . . . . . . . 307

ÜBERBLICK
6.4 Handel von Industriegütern über das Internet . . . 319
6.5 Der öffentliche Sektor als Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . 322
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... Märkte für Industriegüter definieren und diese von Konsumgütermärkten unter-
scheiden.
 ... die wichtigsten Faktoren aufzählen, die das Kaufverhalten von Unternehmen und
Organisationen prägen.
 ... die Schritte des Kaufentscheidungsprozesses in einem Unternehmen oder in einer
Organisation beschreiben.
 ... Unterschiede bei Kaufentscheidungen öffentlicher Institutionen und staatlicher
Stellen formulieren und erklären, wie diese ihre Kaufentscheidungen treffen.

6.1 Einführung
Im letzten Kapitel haben wir uns mit dem Kaufverhalten von Endverbrauchern beschäftigt
und den Faktoren, die dieses beeinflussen. In diesem Kapitel werden wir das Gleiche für
Geschäftskunden machen – also solche Kunden, die Waren und Dienstleistungen kaufen, um
damit eigene Waren und Dienstleistungen herzustellen, die sie wiederum an andere verkau-
fen. Ähnlich wie beim Verkauf an Endkunden müssen Unternehmen beim Marketing für
Geschäftskunden deren Aufmerksamkeit gewinnen und profitable Kundenbeziehungen auf-
bauen, indem sie einen außergewöhnlichen Kundennutzen schaffen.
Starten wir mit einer Fallstudie zur Firma UPS, die Sie wahrscheinlich als Unternehmen für
die Paketlieferung in Ihrer Nachbarschaft kennen. Es zeigt sich allerdings, dass der größte
Anteil des Geschäfts von UPS nicht auf solche Kunden entfällt, sondern auf Geschäftskun-
den wie große Unternehmen. Um im B2B-Markt erfolgreich zu sein, muss UPS mehr leisten,
als lediglich Pakete abzuholen und auszuliefern. Es geht um eine enge Zusammenarbeit mit
den Kunden, um deren bevorzugter Logistikpartner zu werden.

Einführende Fallstudie: UPS – ein strategischer Logistikpartner für


Geschäftskunden

Erwähnt man UPS, denken die meisten Menschen sofort an die vertrauten braunen Lkw
mit freundlichen Fahrern, die durch die Nachbarschaft rumpeln und Pakete verteilen.
Mit der europäischen Zentrale in Brüssel und seinem Hauptumschlagplatz am Flugha-
fen Köln/Bonn ist UPS einer der großen Akteure in der europäischen und globalen
Logistik. Allein in Europa bedienen rund 44.000 Beschäftigte etwa 11.500 Kontroll-
punkte mit fast einer halben Million Quadratmeter an Lagerfläche. Weltweit liefern die
Fahrer in ihren braunen Uniformen mehr als 4,3 Milliarden Pakete pro Jahr aus. Dabei
gehen rund 400 Flüge ab und nach Europa – und das täglich.

296
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6.1 Einführung

Abbildung 6.1: Paketauslieferung in UK


(Quelle: Geoff Smith / Alamy Stock Photo)

Ein Großteil der Umsätze von UPS stammt jedoch nicht aus der Belieferung von Privat-
kunden, sondern von Geschäftskunden, die die Pakete versenden. Und für die
Geschäftskunden leistet UPS mehr als für die pünktliche Zustellung von Omas Paket
aus dem Urlaub. Für Unternehmen ist der Paketversand nur ein Teil eines wesentlich
komplexeren Logistikprozesses, der Bestellungen, Inventuren, Auftragsstatus-Kontrol-
len, Rechnungen, Zahlungsverkehr, Rücksendungen von Ware, Lieferfahrzeug-Flotten
und sogar internationale grenzüberschreitende Transaktionen beinhaltet. Unternehmen
brauchen zeitnahe Informationen über ihre ausgehenden und eintreffenden Pakete –
was enthalten sie, wo befinden sie sich gerade, an wen sind sie adressiert, wann kom-
men sie an und wie hoch ist die Rechnung. UPS weiß, dass solche Logistikprozesse für
viele Firmen ein echter Albtraum sein können.
Hier kommt UPS ins Spiel. Denn Logistik ist genau das, was UPS am besten kann. Im
Laufe der Jahre entwickelte sich UPS zu weit mehr als nur einem Paketlieferdienst für
die Nachbarschaft. Heute ist UPS ein 44 Milliarden Euro schweres Großunternehmen,
das eine Vielzahl globaler Logistiklösungen bietet. Während viele Geschäftskunden den
Umgang mit Logistikprozessen scheuen, wirbt UPS mit dem Slogan: „We ? logistics“.
Nach Ansicht von UPS ist „die neue Logistik die stärkste Kraft im modernen Geschäfts-
leben“. Es geht um mehr, als Waren auf effiziente Weise und pünktlich dorthin zu brin-
gen, wo sie gebraucht werden. „Bei Logistik geht es um die Bewegung von Waren als
Wettbewerbsvorteil“, sagt das Unternehmen. „Sie erleichtert Ihnen das Tagesgeschäft.
Sie können Ihre Kunden besser bedienen. Und Logistik kann Ihrem Unternehmen beim
Wachsen helfen. Es ist eine völlig neue Denkweise.“

297
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

Wenn es also um die neue Logistik überall auf der Welt geht, ist UPS wahrscheinlich kom-
petenter als jedes andere Unternehmen. UPS bietet seinen Geschäftskunden effiziente
multimodale Verpackungen sowie Dienstleistungen im Post- und Frachtversand. Darüber
hinaus kann es Kunden bei der Rationalisierung des Einkaufs, der Verschlankung der
Inventurprozesse, der Auftragsabwicklung, der Lagerhaltung, der Zusammenstellung und
sogar der Anpassung von Produkten unterstützen und die Garantieleistungen für Repara-
turen und Rücksendungen nach dem Verkauf steuern. Im Geschäftskundenfeld leistet
UPS also mehr als nur die reine Paketauslieferung. Als Logistikpartner arbeitet das Unter-
nehmen Hand in Hand mit den Geschäftskunden und unterstützt sie bei der Gestaltung
und Verfeinerung ihrer gesamten Logistikstrategie und Betriebsführung.
UPS ist bestens ausgestattet, um die logistischen Bedürfnisse für quasi alle Unterneh-
mensgrößen zu regeln. Das Unternehmen beschäftigt fast 400.000 Mitarbeiter, verfügt
über eine Flotte von fast 100.000 Lieferfahrzeugen, betreibt die neuntgrößte Airline der
Welt und hat 1.907 Standorte in über 220 Ländern. Der Vertriebsriese ist gleichzeitig der
größte internationale Zollspediteur. Mit rund 882 internationalen Flügen pro Tag zu
oder von weltweiten Bestimmungsorten kann UPS seine Geschäftspartner auch bei der
Abwicklung des komplexen internationalen Frachtwesens begleiten.
Auf einer allgemeinen Ebene kann UPS einfach für den Paketversand eines Unterneh-
mens eingesetzt werden. Auf einer tiefer gehenden Ebene kann UPS die Firmen jedoch
auch bei der Verbesserung der eigenen gesamten Logistikabwicklung beraten. Es kann
Großkunden bei der Neuausrichtung der Logistiksysteme unterstützen, um den Fluss
von Waren, Finanzen und Informationen in beide Richtungen der Lieferkette besser zu
synchronisieren. Geht man noch eine Ebene tiefer, können die Unternehmen UPS auch
mit der Übernahme und Abwicklung eines Teils oder auch des gesamten Logistikbe-
triebs beauftragen. Der Elektronikhersteller Toshiba hat beispielsweise den gesamten
Bereich der Reparaturabwicklungen von PCs und Laptops an UPS übertragen – mit
allem Drum und Dran. Die Logistikprozesse von UPS halfen Toshiba bei der Lösung
eines der größten Probleme, nämlich der Durchlaufzeit bei Laptop-Reparaturen. Mike
Simons von Toshiba meint dazu: „Als wir UPS beauftragten, waren sie für uns (nur) ein
Paketdienst, der einen PC aus der Fabrik zum Kunden transportiert. Als wir uns dann
aber mit ihnen zusammensetzten und unsere gesamte Lieferkette betrachteten, dabei
auch über Reparaturabwicklungen und Ersatzteilverwaltung sprachen, entwickelte sich
aus der Zusammenarbeit sehr viel mehr.“ Heute schicken Kunden ihre reparaturbedürf-
tigen Laptops an eine besondere UPS-Stelle in der Nähe des Worldport-Luftfrachtzent-
rums. Hier nehmen UPS-Mitarbeiter die Pakete in Empfang, ermitteln die Probleme zur
Feststellung des Reparaturbedarfs, entnehmen die benötigten Ersatzteile, führen die
Dienstleistung rasch aus und senden die Geräte an die Besitzer zurück. UPS kann einen
Laptop mittlerweile in nur einem Tag reparieren und versenden und damit einen Repa-
raturdienst, der seinerzeit vom Versand bis zum Wiedereintreffen beim Kunden zwei bis
drei Wochen beanspruchte, auf vier oder weniger Tage verkürzen. Gemeinsam haben
UPS und Toshiba die Erfahrungen, die Kunden mit dem Reparaturdienst machen,
erheblich verbessert.

298
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6.1 Einführung

Und was tut der „große Braune“ nun für seine Kunden? Die Antwort hängt davon ab,
wer der Kunde ist. Für die Menschen in der Nachbarschaft bietet UPS mit seinen
bekannten Fahrzeugen den einfachen und effizienten Abhol- und Lieferdienst. Im
Geschäftsbereich jedoch entwickelt das Unternehmen immer tiefer gehende Kundenbe-
ziehungen. UPS-Mitarbeiter arbeiten tatkräftig und eng mit den Geschäftskunden
zusammen, um ein weitreichendes Angebot an Logistikdiensten zu bieten. Diese erlau-
ben es dem Kunden, die eigenen Logistikprozesse zu verfeinern, Kosten zu senken und
bessere Dienstleistungen zu erbringen. UPS leistet mehr als nur Paketversand, es wird
zu einem strategischen Logistikpartner. „Etwas, das wir über UPS gelernt haben, ist ihre
Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit“, sagt Simon von Toshiba. „Sie
haben das Erlebnis, das wir für unsere Kunden schaffen möchten, wirklich verstanden.“

Fragen
1. Wodurch unterscheidet sich UPS’ Markt für Privatkunden von jenem für Geschäfts-
kunden?
2. Wie reagiert UPS auf die Faktoren der unterschiedlichen Märkte?
3. Wie kann die Zusammenarbeit von UPS mit Geschäftskunden charakterisiert wer-
den?

Die meisten großen Unternehmen verkaufen ihre Produkte überwiegend an andere Unterneh-
men und nicht an den Endverbraucher. Die Produkte gehen als Vorleistungen in die Produkte
und Dienstleistungen ihrer Kunden ein. Dies gilt sowohl für Unternehmen der Elektroindus-
trie (Siemens) und der chemischen Industrie (BASF) als auch für solche der Bauwirtschaft
(Bilfinger), der Computerbranche (IBM) und Zulieferer der Automobilhersteller (Continen-
tal). Auch große Unternehmen der Konsumgüterindustrie verkaufen ihre Produkte zunächst
als Industriegüter an andere Unternehmen oder als Handelsware an den Groß- und Einzel-
handel.
Im Folgenden werden die Verkäufe an Unternehmen als Verkäufe von Industriegütern
bezeichnet, ungeachtet dessen, ob sie als Industriegüter in die Produktion eingehen oder
Käufe des Handels sind. Industriegütermärkte umfassen alle Organisationen, die Güter und
Dienstleistungen nachfragen, um sie in der eigenen Produktion von anderen Erzeugnissen
und Dienstleistungen zu verwenden, sie weiterzuverkaufen oder zu vermieten, zu verleasen
oder auf andere Weise gewerblich zu verwenden. Die zugehörigen Kaufentscheidungsvor-
gänge können als Kaufentscheidungsprozesse in Unternehmen und anderen Institutionen
bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um die Entscheidungsprozesse, bei denen instituti-
onelle Käufer einen Bedarf feststellen und anschließend Produkte alternativer Marken und
Lieferanten identifizieren, überprüfen und auswählen. Unternehmen, die den Absatz an
andere Wirtschaftsunternehmen anstreben, müssen alles tun, um die Märkte für Industriegü-
ter und das Kaufverhalten der Institutionen (Unternehmen, Organisationen) zu verstehen,
um ihnen größtmöglichen Nutzen stiften zu können und profitable Kundenbeziehungen auf-
zubauen.

299
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

6.2 Märkte für Industriegüter


Märkte für Industriegüter sind sehr groß, denn die meisten Unternehmen verkaufen nicht an
Endverbraucher, sondern an andere Unternehmen. Die erzielten Umsätze mit Unternehmen
übersteigen deshalb bei Weitem die mit Endverbrauchern. Grund dafür ist, dass die Bestand-
teile eines fertigen Produkts über viele Stufen gekauft, verarbeitet und weiterverkauft wer-
den, bevor das Produkt den Endverbraucher erreicht. Abbildung 6.2 zeigt die zahlreichen
Bearbeitungsstufen, die erforderlich sind, um ein Paar Schuhe herzustellen. Einem einzigen
Verkauf an den Endverbraucher gehen viele Wertschöpfungsstufen und Transaktionen zwi-
schen den vorgeschalteten Produzenten voraus.

Der Die Die Der Der Der


Häutehändler Gerberei Schuhfabrik Großhändler Einzelhändler Verbraucher
kauft ein: kauft ein: kauft ein: kauft ein: kauft ein: kauft:
Tierhäute bearbeitete Leder, Absätze Schuhe Schuhe Schuhe
Chemikalien Häute Schnürsenkel Lagerräume Verkaufsraum
Maschinen Chemikalien Nähfäden Ausrüstung Innen-
Arbeit und Maschinen Maschinen Fahrzeuge einrichtung
Energie Arbeit und Arbeit und Arbeit und Arbeit und
Energie Energie Energie Energie
er verkauft: sie verkauft: sie verkauft: er verkauft: er verkauft:
bearbeitete Leder fertige Schuhe Schuhe Schuhe
Häute

Abbildung 6.2: Wertschöpfungsstufen am Beispiel Schuhe

6.2.1 Charakteristika der Märkte für Industriegüter


Sowohl auf den Märkten für Industriegüter als auch auf jenen für Konsumgüter werden Per-
sonen tätig, die als Käufer agieren und Kaufentscheidungen treffen, um Bedürfnisse zu
befriedigen. Die Hauptunterschiede liegen in den Marktstrukturen und der Art der Nachfrage
sowie in den zu treffenden Entscheidungen und den zugehörigen Kaufentscheidungsprozes-
sen.

Marktstruktur und Nachfrage


Industriegütermärkte umfassen weniger Kunden, dafür aber mit größerem Absatzvolumen.
B-to-B-Kunden weisen oftmals eine stärkere geografische Konzentration auf.
Die Nachfrage von Industriegüterkäufern hängt von der Nachfrage des Endverbrauchers ab.
Die Nachfrage in vielen Industriegütermärkten ist unelastisch – sie ist also kurzfristig nicht stark von Preisänderun-
gen betroffen.

Kaufentscheidungsprozess
Am Beschaffungsprozess sind mehrere Personen beteiligt.
B-to-B-Käufer treffen komplexere Kaufentscheidungen.
Der Kaufprozess von Industriegütern ist stärker formalisiert und erfolgt professionell.
Im B-to-B-Markt arbeiten Verkäufer und Abnehmer eng zusammen und bauen langfristige Beziehungen auf.
Tabelle 6.1: Charakteristika von Industriegütermärkten

300
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6.2 Märkte für Industriegüter

Marktstruktur und Nachfrage


Anbieter von Industriegütern haben es mit weniger Kunden, aber mit viel größeren Absatzvo-
lumina pro Kunde zu tun. Ein Reifenhersteller wie Continental oder Michelin hat zwar im
Ersatzgeschäft eine große Anzahl von Werkstattbetrieben aller Art und die Reifenhändler als
potenzielle Käufer, für die Erstausstattung kommen jedoch nur die Autohersteller als Kun-
den infrage. Der Absatz als Erstausstattung ist unter Marketinggesichtspunkten besonders
wichtig, da viele Autofahrer die Marke der Erstausrüstung auch für den Ersatz wählen (wer
zum Beispiel Michelin-Reifen auf seinem Fahrzeug hat, kauft zum Ersatz ebenfalls Michelin).
Bestimmte B-to-B-Märkte weisen eine starke geografische Konzentration auf: Internationale
Finanzdienstleistungen haben Schwerpunkte in New York, London, Zürich und Frankfurt.
Die Großchemie konzentriert sich in den Räumen Rotterdam, Antwerpen, Basel, Ludwigsha-
fen und Leverkusen, die Filmbranche in Hollywood und in Indien und die deutschen Kaf-
feeröster und -importeure in Bremen und Hamburg.
Die Nachfrage nach Industriegütern ist eine abgeleitete Nachfrage – sie ist in letzter Instanz
von der Nachfrage nach Konsumgütern abhängig. Die Nachfrage nach Stahl für die Automo-
bilproduktion beruht auf der Nachfrage nach Kraftfahrzeugen. Geht die Nachfrage danach
zurück, sinkt auch die nach Stahl und nach allen anderen Industriegütern für den Automo-
bilbau. Aufgrund dieses Zusammenhangs überspringen die Anbieter von Industriegütern
zunehmend ihre direkten Kunden und platzieren Marketingmaßnahmen beim Endverbrau-
cher.
In vielen Industriegütermärkten besteht eine unelastische Nachfrage. Das bedeutet, dass die
Nachfrage, zumindest kurzfristig, nicht oder nur sehr schwach auf Preisänderungen reagiert.
Eine Preissenkung bei Leder wird nicht dazu führen, dass die Schuhhersteller kurzfristig
mehr Leder kaufen. Dies ist nur denkbar, wenn sich durch die Preissenkung auch ein niedri-
gerer Preis für Schuhe ergeben und dadurch die Nachfrage nach Schuhen zunehmen würde.
Schließlich ist für Industriegütermärkte eine stark schwankende Nachfrage charakteristisch.
Die Nachfrage für viele Industriegüter und Dienstleistungen tendiert dazu, stärker zu
schwanken als jene für die meisten Konsumgüter. Eine kleine prozentuale Veränderung bei
der Nachfrage nach Konsumgütern kann große Änderungen bei der Nachfrage nach Indus-
triegütern hervorrufen.

Der Kaufentscheidungsprozess
Unternehmen und Organisationen stehen gewöhnlich komplexeren Kaufentscheidungen
gegenüber als Endverbraucher. Beim Kauf von Industriegütern ist eine große Anzahl von Per-
sonen am Entscheidungsprozess beteiligt und die Käufer verfügen in der Regel über eine
höhere Professionalität. Häufig werden die Käufe von gut ausgebildeten Einkäufern durchge-
führt, die in ihrem ganzen Berufsleben nichts anderes gemacht haben als zu lernen, wie man
am günstigsten einkauft. Je komplexer der Kauf ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass meh-
rere Personen in die Kaufentscheidung einbezogen werden. Für einen umfangreichen Ein-
kauf von Rohstoffen und Vorprodukten setzen sich in der Regel Projektgruppen aus Kaufleu-
ten, Technikern und Mitgliedern der Geschäftsleitung zusammen. Die Anbieter von
Industriegütern müssen über ein gut ausgebildetes Verkaufs- und Außendienstpersonal ver-
fügen, um mit den geschulten Einkäufern der Kunden erfolgreich verhandeln zu können.
Mit den Käufen sind häufig hohe Ausgaben, komplexe technische und wirtschaftliche Über-
legungen und das Zusammenwirken zwischen vielen Beteiligten auf allen Ebenen der kau-
fenden Organisation verbunden. Aufgrund dieser Komplexität benötigen Unternehmen und

301
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

Organisationen oftmals viel Zeit, bis sie ihre Kaufentscheidung treffen. Der Kauf eines großen
Computersystems kann sich zum Beispiel über mehrere Monate bis zu mehr als einem Jahr
erstrecken und mehrere Millionen Euro kosten. Vor und während der Installation gilt es,
viele technische und organisatorische Einzelheiten zu klären. Innerhalb der kaufenden Orga-
nisation sind viele Mitarbeiter an diesen Arbeiten beteiligt, von der Geschäftsleitung über
mittlere Führungskräfte bis hin zu den Computernutzern.
Das nachfolgende Highlight zeigt am Beispiel des Kaufs eines eigenen Geschäftsjets, auf wen
sich das Marketing richten sollte und wer in derartige Entscheidungsprozesse eingebunden
werden sollte.

Marketing-Highlight: Geschäftsjets – Spielzeug für Manager oder


sinnvolle Investition?

Das Wort „Jet Set“ wurde einst benutzt, um Reiche und Berühmte zu bezeichnen, die
sich in den ersten Jahren des Düsenzeitalters regelmäßig die Reise mit einem Flugzeug
leisten konnten. Heute ist dies nichts Besonderes mehr, nahezu jeder kann sich Flugrei-
sen leisten, wenn er möchte.
Die Reise mit dem eigenen Flugzeug ist hingegen etwas Besonderes geblieben und war
bisher Berühmtheiten wie Bill Gates oder Madonna vorbehalten. Obwohl die Finanz-
krise nachhaltige Spuren in der Business-Jet-Branche hinterlassen hat und mittlerweile
das Geschäftsmodell, Geschäftsjets im Teileigentum zu erwerben, – bspw. bei NetJets –
besteht, gibt es nach wie vor einen Markt für unternehmenseigene Flugzeuge. Zwar
bleibt die Zahl an jährlich verkauften Business-Jets auf konstantem Niveau, es gibt aber
einen Trend zu größeren langstreckentauglichen – und damit teureren – Business-Jets.
Business-Jets kosten mehrere Millionen Euro, doch bei näherer Betrachtung erweisen
sich unternehmenseigene Flugzeuge als sinnvolle Investition:
 Die Kosten für Geschäftsreiseflugzeuge gehen zurück. Die typischen Betriebskosten
einer mit acht bis 19 Sitzen ausgestatteten Dassault Falcon 900EX betragen noch
1.500 Euro pro Betriebsstunde bei 1.000 Betriebsstunden jährlich. Schon bei vier Mit-
reisenden liegt der Anteil pro Person unter 400 Euro, das entspricht ungefähr dem
Preis der Businessklasse im Linienverkehr. Wenn acht Personen fliegen, sinkt der
Preis pro Person schon auf das Niveau der Economy Class, bei 16 Passagieren auf das
Niveau einer Last-Minute-Buchung.
 Geschäftsreiseflugzeuge ermöglichen es, die knappste Ressource eines Unternehmens
– die Zeit der leitenden Mitarbeiter – sinnvoll einzusetzen. Richard Gaona von Air-
bus Industries dazu: „Es ist nicht die Geschwindigkeit eines Flugzeugs, die hier
zählt, es ist die Geschwindigkeit, mit der man sich an die Spitze des Wettbewerbs set-
zen kann.“ Diese Feststellung gewinnt immer mehr an Bedeutung, da verstärkte
Sicherheitsvorkehrungen sowie zunehmendes Verkehrsaufkommen den Linienflug
belastend und sehr zeitintensiv machen.
 In einem eigenen Geschäftsflugzeug werden Sicherheit und Vertraulichkeit von
Daten und Informationen gewahrt, wie es auf einem Linienflug und selbst in einer
First-Class-Lounge nicht möglich ist. Auch während der Reise sind Besprechungen
möglich, die Maschine dient als Konferenzraum und als mobiles Büro.

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6.2 Märkte für Industriegüter

 Am oberen Ende der Modellskala stehen große Maschinen wie der Airbus A319 oder
Boeing BBJ als fliegende, voll ausgestattete Apartments, die es ermöglichen, in nur
vier Tagen New York, Paris, Moskau, Peking und Tokio zu bereisen und dort
Geschäftstreffen durchzuführen.
Aus Sicht des Marketings ist es eine leichte Aufgabe, die möglichen Kunden auszuma-
chen. Die wenigen Organisationen, die es sich leisten können, einen Jet zu kaufen und
zu unterhalten, sind schnell identifiziert. Schwieriger ist es, die Hauptentscheidungsträ-
ger persönlich zu erreichen und ihre Motive sowie die Entscheidungsprozesse in ihrer
Organisation zu verstehen, um anschließend zu analysieren, welche Faktoren bei ihrer
Entscheidung wichtig sein werden. Für jeden Kaufinteressenten oder potenziellen Käu-
fer ist schließlich ein individueller Marketingansatz zu entwickeln.
In die Kaufentscheidung gehen sowohl rationale als auch subjektive Faktoren ein. Ein
Unternehmen, das einen Geschäftsjet kauft, wird zunächst die Qualität, die Leistungsfä-
higkeit, den Preis, die Unterhaltskosten und den Kundendienst beurteilen. Um den Auf-
trag zu erhalten, reicht es jedoch nicht aus, ein herausragendes Produkt anzubieten. Der
Anbieter muss auch den Faktor Mensch berücksichtigen, der auf die Kaufentscheidung
einwirkt. Laut Gulfstream, einem führenden US-Anbieter von Geschäftsflugzeugen,
kann der Kaufprozess von unterschiedlichen Personen angeregt werden:
 dem Vorstandsvorsitzenden als dem eigentlichen Nutzer,
 einem anderen Vorstandsmitglied, das die Sicherheit oder die Effizienz in einem
international tätigen Unternehmen verbessern will,
 dem leitenden Piloten des Unternehmens,
 durch Verkaufsbemühungen des Flugzeuganbieters wie zum Beispiel Werbung in
Zeitschriften, ein persönliches Anschreiben oder den Besuch eines leitenden Verkäu-
fers.
Der Vorstandsvorsitzende nimmt eine zentrale Stellung bei der Kaufentscheidung ein,
er wird aber beeinflusst durch:
 den oder die Piloten des Unternehmens in allen flugtechnischen Fragen,
 den Finanzvorstand des Unternehmens,
 die übrigen Mitglieder des Vorstands.
Jeder Teilnehmer an diesem Kaufvorgang wirkt durch seine Rolle und seine Bedürfnisse
auf die Entscheidung ein. Ein Verkäufer, der den Finanzvorstand mit günstigen Konditi-
onen beeindruckt und den Piloten mit technischen Details überzeugt, wird das Flug-
zeug nicht verkaufen können, solange er die psychologischen und emotionalen Kompo-
nenten in dieser Kaufentscheidung übersieht. „Für einen solchen Verkauf brauchen Sie
alle auf Ihrer Seite. Wenn Sie das Kind im Manne nicht entdecken, das sich für die
Schönheit Ihres neuen Jets begeistert, werden Sie die Maschine nicht verkaufen. Erst
wenn Sie dem Kunden Abenteuer und Aufregung vermitteln, werden Sie den Jet auch
verkaufen“, so ein erfahrener Verkäufer von Gulfstream.

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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

Der Pilot des Unternehmens hat in der Regel nicht nur ein Mitspracherecht, sondern ein
Vetorecht in allen Fragen, was die Ausrüstung angeht. Faktisch kann er den Kauf einer
bestimmten Maschine verhindern, wenn er sich zum Beispiel negativ über die Schlecht-
wetter-Flugeigenschaften einer Maschine äußert. Er beeinflusst also nicht nur, sondern
dient als „Informationsselektierer“ für diese Investition. Die Mitarbeiter der Rechts- und
der Einkaufsabteilung haben, obwohl sie für den Kaufvertrag zuständig sind und die
Beschaffung des Jets abwickeln, vergleichsweise wenig Mitspracherecht in Bezug auf
die Auswahl eines Flugzeugtyps. Die Nutzer des Flugzeugs, also das mittlere Manage-
ment und vielleicht auch wichtige Kunden, haben zumindest ein geringes Mitsprache-
recht.
Die Mitsprache derart vieler Personen bei der Kaufentscheidung lässt eine Gruppendy-
namik entstehen, die vom Anbieter schwer zu durchschauen ist.
 Wer bildet das eigentliche Buying Center?
 Welche Prioritäten haben die einzelnen Personen?
 Wie findet die Abstimmung unterschiedlicher Interessen im Hause statt?
 Wer dominiert die Entscheidungen, wer muss sich fügen?
Quellen:
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thouse, 'Business jet is business sense', Interavia (September 1999), S. 121-4 und 'If you need to
know the price . . .', Interavia (September 1999), S. 127-30; 'Bombadier catches up with itself',
Interavia (September 1999), S. 147-8; 'When security is the issue', Interavia (September 1999), S.
154; EuroBusiness (August 2000); Bill Sweetman, 'Quiet supersonics in sight', Interavia (November
2001), S. 19-20; Kevin Done, 'Business jets "hold key to supersonic travel'' ', Financial Times (28.
Juli 2000), S. 8; Special Report, 'Corporate aviation', Financial Times (7. Mai 2003), S. I-IV; 'Con-
corde Special', The Independent (21 Oktober 2003); Ann Treneman, 'The part-time jet set', The
Times Magazine (8. November 2003), S. 48-52; Mariko Sanchanta, Companies International:
'Honda begins selling business jets', Financial Times (19. Oktober 2006); 'Boeing business jets sales
momentum continues with seven new orders', M2 Presswire (21. Mai 2007); Kevin Done, Compa-
nies International: 'Demand for business jets increases to record level', Financial Times (13. Feb-
ruar 2007); IQJETS, Webseite von IQJETS unter: www.iqjets.com/pages/investors [20.03.2015].
www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/dassault-bombardier-embraer-gulfstream-busi-
nessjets-beliebter-a-1012557.html [04.02.2018]
https://www.netjets.com/de-de/ [04.02.2018]

Beschaffungsvorgänge sind in Unternehmen und Organisationen in der Regel stärker formali-


siert als die Käufe der Endverbraucher und basieren häufig auf detaillierten Produktspezifi-
kationen. Aufträge werden ausschließlich schriftlich erteilt, die kaufenden Abteilungen müs-
sen eine sorgfältige Auswahl und Evaluierung der möglichen Lieferanten durchführen.
Darüber hinaus sind abgestufte Einkaufs- und Unterschriftsvollmachten entsprechend fachli-
cher Kompetenz und Einkaufsvolumen verbindlich im Organisationsplan festgelegt. In vie-
len Unternehmen gibt es Einkaufsrichtlinien oder sogar Einkaufshandbücher, die den
Beschaffungsvorgang ganz genau regeln.
Auf dem Markt für Industriegüter sind Käufer und Verkäufer häufig in größerem Ausmaß auf-
einander angewiesen, als es auf dem Markt für Konsumgüter der Fall ist. Anbieter von Kon-
sumgütern agieren üblicherweise relativ unabhängig von ihren Kunden. Anbieter von Indus-

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6.2 Märkte für Industriegüter

triegütern arbeiten dagegen in allen Stadien des Kaufprozesses eng mit ihren Kunden
zusammen. Sie helfen ihnen dabei, Probleme zu benennen und optimale Lösungen zu finden
und unterstützen sie auch nach dem Kauf. Die Lieferanten passen die Produkte häufig genau
an den Bedarf des Kunden an. Auf kurze Sicht sind Produktbedarf und -lieferfähigkeit sowie
Kundendienstbedarf sicherlich die ausschlaggebenden Kriterien für die Auswahl des Liefe-
ranten. Aber in Industriegütermärkten spielen darüber hinaus insbesondere die Perspektiven
für eine langfristige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Anwender und Lieferant eine
entscheidende Rolle.
In den vergangenen Jahren änderte sich deshalb die Beziehung zwischen Lieferanten und
Anwendern in vielen Branchen von geradezu feindselig zu eher freundschaftlich. Immer
mehr Unternehmen bemühen sich, ein partnerschaftliches Verhältnis zu ihren Lieferanten
aufzubauen und ein dichtes und verlässliches Netz an Lieferanten zu schaffen (Lieferante-
nentwicklung). So ging Volkswagen neue Wege beim Aufbau von Lieferbeziehungen für das
Werk der Marke „Škoda“, indem kleine Produktionseinheiten der Zulieferer direkt im Werk
angesiedelt wurden. Hinterachsen, Sitze und Innenausstattung werden unter unternehmeri-
scher Führung der Lieferanten im Škoda-Werk hergestellt. Ein derartiges Modell geht noch
deutlich weiter als „Just-in-time“-Konzepte oder die Ansiedlung von Zulieferern in der Nähe
eines Werks.

Weitere Charakteristika von Industriegütermärkten


Direktkäufe Unternehmen kaufen zu einem hohen Anteil direkt bei den Produzenten ein,
das heißt ohne Einschaltung des Handels oder von Mittlern. Dies gilt besonders für Käufe,
die technisch komplex sind oder ein hohes Volumen haben. Große Autovermieter wie Sixt
kaufen ihre Fahrzeuge direkt bei den Herstellern. Diese gehen dann zu einem großen Teil in
die Vermietung und zu einem kleineren in Langzeitmieten oder Leasing. Ähnlich kaufen
Luftfahrtgesellschaften Flugzeuge direkt bei Boeing oder Airbus und Universitäten Computer
direkt bei HP, IBM oder anderen Herstellern.
Gegenseitigkeit Unternehmen oder Organisationen versuchen oft, eine Gegenseitigkeit bei
Geschäftsbeziehungen zu erreichen. Ein Papierhersteller kann zum Beispiel seine benötigten
Chemikalien bei einem Chemieunternehmen kaufen, welches bei diesem wiederum sein
Papier kauft. Große Autovermieter kaufen bedeutende Flotten von Autos, erwarten aber
Gegenseitigkeit dadurch, dass die Händler dieser Marken Kunden vermitteln sollen, wenn es
darum geht, Mietfahrzeuge als Unfall- oder Pannenersatz bereitzustellen.
Leasing Bei der Anschaffung von Anlagegütern durch Unternehmen hat sich die Praxis
durchgesetzt, dass diese Güter auch geleast statt gekauft werden können. Druckmaschinen,
Kraftwerke, Flugzeuge, Heupressen, Kopiergeräte und Bohrinseln sind Beispiele dafür.
Nahezu jeder Anbieter von Anlagegütern und nahezu jeder Kunde für diese Güter hat heute
Beziehungen zu einer oder mehreren Leasinggesellschaften. Es geht häufig nur noch darum,
ob die Leasinggesellschaft des Lieferanten oder die Leasingpartner des Kunden die Investiti-
onen finanzieren sollen. Der größte Käufer von Verkehrsflugzeugen ist zum Beispiel keine
Fluggesellschaft, sondern die Flugzeug-Leasinggesellschaft GPA mit Sitz in Irland.
Der Leasingnehmer kann einige Vorteile erzielen: Das Unternehmen verfügt über mehr Kapi-
tal, es bekommt die neuesten Produkte und kann Steuervorteile realisieren. Die Leasingfirma
hat die Chance, mit Kunden Geschäfte zu machen, die sich einen Kauf nicht leisten können.

305
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

6.2.2 Ein Modell für das Kaufverhalten von Organisationen


In erster Linie müssen Marketingfachleute verstehen, wie die Entscheidungsträger in Organi-
sationen und Unternehmen auf Anreize des Marketings reagieren. Abbildung 6.3 zeigt ein
Modell, das den Ablauf der Kaufentscheidung in einer Organisation beschreibt.

Das Umfeld Die Organisation als Käufer Handeln des Käufers


Anreize aus Sonstige Das Buying Center - Kaufentscheidung für
dem Marketing: Anreize: ein bestimmtes Produkt
Der Kauf- bzw. eine bestimmte
entschei- Dienstleistung
dungs- - u.U. Festlegung eines
Produkt Wirtschaft prozess Stammlieferanten
Technologie
Preis Politik - Bestellmenge, Liefer-
Platzierung mit Einflüssen der einzelnen
Kultur handelnden Personen bedingungen, Zusagen
Promotion über Liefermenge
Wettbewerb mit Einflüssen aus ihrem
Zusammenwirken - Kundendienst-
bedingungen, Zahlungs-
mit Einflüssen aus der Organisation bedingungen

Abbildung 6.3: Ein Modell des Käuferverhaltens beim Kauf von Industriegütern

Ähnlich wie beim Absatz von Konsumgütern bestehen die Anreize des Marketings, die auf
die Entscheidungsträger wirken, aus den vier Ps: Product, Price, Place, Promotion.
Andere Anreize aus dem gesellschaftlichen Umfeld beeinflussen ebenfalls die Entschei-
dungsträger im Buying Center und damit den Kaufentscheidungsprozess: Wirtschaft, Tech-
nik, Politik, Kultur sowie Wettbewerber und deren Aktionen und Reaktionen.
Diese Anreize werden von außen in die Organisation hineingetragen und dort in Käuferreak-
tionen umgesetzt:
 Auswahl des Produkts oder der Dienstleistung
 Auswahl des Lieferanten
 Festlegung der Bestellmengen und der Lieferzeitpunkte
 Vorgaben für Liefer-, Zahlungs- und Servicebedingungen
Innerhalb einer Organisation umfassen die Kaufaktivitäten zwei große Bereiche:
 das Buying Center, bestehend aus allen Personen, die auf irgendeine Weise zur Kaufent-
scheidung beitragen
 den Kaufentscheidungsprozess, das heißt den Gesamtablauf einer Kaufentscheidung
Um erfolgversprechende Marketing-Mix-Strategien zu entwerfen, müssen Marketingverant-
wortliche die Abläufe einer Kaufentscheidung innerhalb eines Unternehmens und die daran
beteiligten Akteure kennen. Nur so kann man erfolgreich Anreize setzen, die schließlich zum
Kauf führen.

306
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6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen

6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen


Das Modell in Abbildung 6.3 wirft vier Fragen über das Kaufverhalten auf:
 Welche Kaufentscheidungen treffen Organisationen als Käufer? (Kaufentscheidungen von
Unternehmen)
 Wer nimmt am Kaufentscheidungsprozess teil? (Buying Center)
 Welche Einflüsse auf den Kaufentscheidungsprozess sind die stärksten? (Organisationsbe-
zogene Einflussgrößen)
 Wie werden die Kaufentscheidungen getroffen? (Phasen des Kaufprozesses)

6.3.1 Kaufentscheidungen von Unternehmen


Für eine Kaufentscheidung sind eine Reihe von Teilentscheidungen zu treffen. Deren Anzahl
und Reihenfolge hängen vom Typ der Kaufsituation ab.

Haupttypen der Kaufsituation


Die Kaufsituationen lassen sich in drei Kauftypen unterscheiden:
 identischer Wiederkauf (straight rebuy) als Routine-Entscheidung
 modifizierter Wiederkauf (modified rebuy) mit einer geringfügigen Abwandlung des Ent-
scheidungsprozesses
 Erstkauf (new task) mit umfangreichen Auswahl- und Abstimmungsvorgängen
Der identische Wiederkauf Beim identischen Wiederkauf wird etwas ohne Veränderungen
nachbestellt. Dies geschieht üblicherweise als Routine-Ablauf durch die Einkaufsabteilung.
Mithilfe von in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen wählt die beschaffende Organisa-
tion zwischen mehreren Lieferanten aus. Man geht davon aus, dass zukünftig 90 Prozent die-
ses Kauftyps über das Internet abgewickelt werden.
Lieferanten, die regelmäßig an eine Organisation liefern, versuchen einen guten Standard
ihrer Produkt- und Servicequalität beizubehalten. Häufig bieten sie der Einkaufsabteilung
vereinfachte Bestellverfahren an, sodass die Einkäufer Zeit sparen können. Potenzielle Liefe-
ranten, die bisher noch nicht an eine Organisation geliefert haben, versuchen, verbesserte
Produkte und günstigere Konditionen anzubieten oder Unzufriedenheit mit den bestehenden
Lieferanten auszunutzen. Sie versuchen, sich mit einer kleineren Bestellung Zugang zu
einem Unternehmen zu verschaffen und hoffen darauf, im Laufe der Zeit immer größere
Anteile des Bestellvolumens liefern zu können.
Der modifizierte Wiederkauf In dieser Kaufsituation möchte die beschaffende Organisation
Veränderungen bei Produktspezifikationen, Preisen, Konditionen oder Lieferanten vorneh-
men. In der Regel sind wesentlich mehr Personen beteiligt als beim identischen Wiederkauf.
Die Lieferanten, die gegenwärtig am Zug sind, werden unter Druck gesetzt, ihr Bestes zu tun,
um die Belieferung auch in Zukunft fortsetzen zu dürfen. Potenzielle Lieferanten sehen die
Situation als eine Gelegenheit, ihr Angebot als das bessere darzustellen, um nach Möglich-
keit in der Zukunft berücksichtigt zu werden.

307
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

Identischer Wiederkauf Modifizierter Wiederkauf Erstkauf


Unternehmens- komplexe öffentliche
Elektrizität, Büromaterial Neue Fahrzeuge Berater- spezifische Bauvorhaben (Brücken,
Gas, Wasser (PKW oder LKW) dienste Bauten Autobahnen, Stau-
dämme)
reine vollständige
Routine Neuverhandlung

Kaugummis, Chemikalien elektrische Personal- Produktionsausrüstung Militärgüter,


Zigaretten als Vorprodukte Bauteile computer wie Maschinen, Ausrüstung
Computersysteme usw. für die
Raumfahrt

Abbildung 6.4: Drei Varianten der Kaufsituation beim Kauf von Industriegütern

Der Erstkauf Ein Unternehmen, das ein Produkt oder eine Dienstleistung zum ersten Mal
kauft, wird mit der Situation des Erstkaufs und einer noch nicht da gewesenen Aufgabe kon-
frontiert. Die Anzahl der Entscheidungsteilnehmer und die Intensität der Bemühungen,
genaue Informationen zu erhalten, wird umso größer sein, je größer die Kosten und vor allem
die zu erwartenden Risiken aus dieser Entscheidung für das Gesamtunternehmen sind. Die
Situation des Erstkaufs stellt die größte Herausforderung und Chance für einen Marketer dar.
Er kann versuchen, die Entscheidung an so vielen Punkten wie möglich zu beeinflussen und
Hilfe und Informationen für die Kaufentscheidung zu geben.
Die beschaffende Organisation trifft die wenigsten Entscheidungen bei einem identischen
Wiederkauf und die meisten bei einem Erstkauf. Bei Letzterem müssen die Käufer Entschei-
dungen treffen in Bezug auf Produktspezifikationen, Lieferanten, Preisgrenzen, Zahlungsbe-
dingungen, Bestellmengen, Lieferzeitpunkte und Kundendienstverpflichtungen. Die Reihen-
folge dieser Entscheidungen variiert mit jeder Kaufsituation und unterschiedliche
Entscheidungsträger beeinflussen jede der Teilentscheidungen.
Viele Käufer bevorzugen es, eine komplette Lösung für ein Problem von einem einzigen Ver-
käufer zu erwerben, anstatt Produkte und Dienstleistungen selbst über mehrere Lieferanten
zusammenstellen zu müssen. Der Auftrag geht in der Regel an den Anbieter, der das System
zu liefern vermag, welches den Bedarf des Käufers am besten deckt und sein Problem am
ehesten löst. Ein solcher Systemverkauf (oder Lösungsverkauf) ist oft eine Schlüsselkompo-
nente im Business-Marketing und entscheidend für das Gewinnen und Halten von Kunden.
Im Bereich der Anlagegüter spielt das Systemangebot als Marketinginstrument eine große
Rolle, wie der folgende Exkurs zeigt.

Exkurs: Das Systemangebot als Instrument des


B-to-B-Marketings

Praxis der Systemangebote und Einschaltung sogenannter Generalunternehmer


Im Bereich des Kaufs von Anlagegütern bevorzugen viele Käufer Systemangebote als
Komplettlösungen. Das Modell entstand, als in vielen Ländern staatliche Dienststellen
im Bereich des Militärs oder der Telekommunikation komplette Systeme kaufen woll-
ten. Große Unternehmen übernahmen es, alle Bestandteile eines Systems zu beschaffen,
zusammenzustellen und aufeinander abzustimmen, ungeachtet dessen, ob diese
Bestandteile selbst produziert wurden oder Fremdbezüge waren.

308
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6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen

Wenn zum Beispiel ein Staat oder heute ein privatisiertes Telekommunikationsunter-
nehmen in einem Schwellenland den Aufbau oder die Modernisierung eines Telefon-
netzes in Auftrag gibt, stellt der Anbieter, der hier Generalunternehmer genannt wird,
ein Paket aus den in Tabelle 6.2 genannten Bestandteilen zusammen:

Endgeräte (Telefon/Fax/Modem) liefern; im Bereich der Endgeräte eine nationale Produktion oder ein Gemein-
schaftsunternehmen (Joint Venture) starten
Kommunikationstechnische Infrastruktur: Verbindungszentralen für Städte und Regionen, große Anlagen in
Unternehmen und Dienststellen, Richtfunkstrecken, technische Voraussetzungen für internationale Übergänge
Energieversorgung aller Anlagen und Netze einschließlich Notstromversorgungen
Bauarbeiten für Telefonzentralen und Organisation, Richtfunktürme, Tiefbau für Kabelverlegungen
Kabel- und Glasfaserverbindungen einschließlich der Bauarbeiten
Satellitenübertragungsstationen einschließlich der Bauarbeiten
Computerausrüstung für Verbindungen, Verbindungsregistrierung, Gebührenerfassung und automatisierte
Fakturierung der Dienste
Ergänzende oder verwandte Dienste wie Mobilfunknetz, Datenübertragung, Wetterdatenübertragung, Flugsi-
cherung, Marine- und Küstenfunk, Geodäsie
Ausrüstung für Wartung, Erweiterungen und Aufnahme weiterer Dienste
Aushandeln internationaler Verträge und Kooperationen
Eventuell Verkauf von Überleitungsdienstleistungen an Nachbarstaaten
Schulung aller Mitarbeiterkategorien direkt und/oder indirekt über Fortbildung von Ausbildern und Multiplika-
toren
Unterstützung beim Marketing für bestehende und neue Produkte
Internationale Vermarktung der Produkte der aufgebauten Kommunikationsindustrien, Image-Aufbau als ver-
lässlicher Partner
Tabelle 6.2: Das Systemangebot als Instrument im Industriegütermarketing; Angebot eines Generalunternehmers für
den Aufbau eines Telefon- und Telekommunikationsnetzes in einem Schwellenland

Viele Anbieter des Anlagenbaus erkannten, dass die Käufer beziehungsweise Käufer-
staaten solche Angebote honorieren. Sie haben das Systemangebot als Marketinginstru-
ment entdeckt und entwickelt. Es umfasst zwei Stufen: Zunächst bietet der Verkäufer
nicht nur ein Produkt, sondern eine Gruppe in Zusammenhang stehender Produkte an.
Ein Hersteller von Industrieklebstoff bietet nicht nur den Klebstoff an, sondern auch
Klebepistolen und geeignete Klebeflächentrockner. Im nächsten Schritt ergänzt dieser
Hersteller sein Angebot zum kompletten branchentypischen Produktions- und Distribu-
tionssystem.

309
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

Abbildung 6.5: Systemangebote und Generalunternehmerschaften im Bahnbau: Transrapid in Shanghai


(Quelle: Pressebilder Siemens AG Bereich Transportation Systems, siehe auch Webseite unter: www.siemens.com. Alle
Bilder mit freundlicher Erlaubnis der Siemens AG, München, Unternehmenskommunikation, Bildredaktion)

Die Systemangebote im Bahnbau gehören zu den umfangreichsten und komplexesten


Aufgaben überhaupt. Sie beginnen bei der Grundkonzeption mit der Auswahl der Sys-
teme und reichen über Planung und Bau von Trassen, Bahnhöfen, Brücken und Tun-
nels, Entwurf und Realisierung der Leit-, Signal- und Steuerungssysteme und Fahrlei-
tungen, Beschaffung des rollenden Materials und der Antriebe (Waggons, Lokomotiven,
Triebwagenzüge bzw. Antriebssysteme im Fahrweg) bis zu Lieferverträgen oder zur
Eigenproduktion der Bahnstromversorgung. Zu modernen erweiterten Systemangeboten
gehören Projektträger-, Betriebsführungs- und Wartungsverträge ebenso wie langfristige
Finanzierungsmodelle unter Einbeziehung öffentlicher und privater Partner (Public-pri-
vate-Partnerships). In dieser Branche lässt sich eine Marketingorientierung auf hohem
Niveau feststellen.
Wenn es zu Systemangeboten kommt, erreicht ein Anbieter einerseits eine starke Posi-
tion, andererseits werden immer höhere Anforderungen in Bezug auf Koordination,
Logistik, Know-how und Übernahme von Verantwortung an ihn gestellt. Für mittelstän-
dische Unternehmen ist der Rang eines Generalunternehmers oft nur noch im Rahmen
von Arbeitsgemeinschaften zu erreichen, häufiger wird sich ein Mittelständler mit der
Rolle des qualifizierten Zulieferers begnügen müssen.
Sind große und komplexe Systemangebote verlangt, wird oftmals das Unternehmen den
Zuschlag erhalten, welches das umfassendste Angebot vorlegt.

310
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6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen

In dem folgenden Fallbeispiel hat die indonesische Regierung den Bau einer Zementfab-
rik in Jakarta ausgeschrieben. Ein amerikanischer und ein japanischer Anbieter haben
ihre Angebote mit den entsprechend enthaltenen Teilleistungen eingereicht.

Position Anbieter aus USA Anbieter aus Japan


Auswahl des Geländes ja ja
Entwurf der Fabrik ja ja
Einsatz und Führung des Baupersonals ja ja
Baudurchführung ja ja
Schlüsselfertige Übergabe der Anlage ja ja
Auswahl und Schulung des Betriebspersonals nein ja
Vertrieb des Zements im Lande nein ja
Gründung von Bauunternehmen zur Durchführung nein ja
von Straßenbauprojekten im ganzen Land und zur
Errichtung von Bürobauten in der Hauptstadt
Jakarta (Initiative des japanischen Anbieters)
Beitrag zur Regionalentwicklung nein ja
Preis des Komplettangebotes niedriger als der Anbie- deutlich höher als der
ter aus Japan Preis des US-Anbieter
Tabelle 6.3: Projekt einer Zementfabrik in Indonesien – Erstellung durch einen Generalunternehmer

Den Zuschlag erhielt das japanische Unternehmen aufgrund der Gesamtbeurteilung des
Angebots.
Die Japaner waren kreativer und haben mehr angeboten als die amerikanische Konkur-
renz. Da die Unterstützung beim Absatz und der Vorschlag, Straßenbau und Hochbauten
durchzuführen, als Beitrag zur Regionalentwicklung gewertet wurden, erhielten die
Japaner trotz des höheren Angebotspreises den Zuschlag.

Bewertung Anbieter aus USA Anbieter aus Japan


Bewertung aus Sicht der Auftrag- Systemangebot in engem Sinne Umfassendes Angebot unter
geber: als Bau der Zementfabrik Berücksichtigung der Notwendig-
keiten für Infrastruktur und Regi-
onalentwicklung
Tabelle 6.4: Bewertung der Projektvorschläge für die Zementfabrik

Bei diesem Vorhaben hat der japanische Anbieter den engen Blickwinkel des Systeman-
gebots (eine Zementfabrik anbieten) verlassen und Vorschläge gemacht, wie diese Fab-
rik auch einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes leisten kann. Er hat
sich eine weite Perspektive der Bedürfnisse seines möglichen Kunden zu eigen
gemacht. Dies ist als Systemmarketing im besten Sinn anzusehen.

311
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

6.3.2 Buying Center


Wer sind die Personen, welche die Güter und Dienstleistungen kaufen, die ein Unternehmen
oder eine Organisation benötigt? Unter dem Begriff Buying Center wird die faktische Organi-
sationseinheit verstanden, die aus Individuen und Teileinheiten der Organisation zusam-
mengesetzt ist und über die Einzelheiten des jeweiligen Kaufvorgangs entscheidet.
Dem Buying Center gehören alle Organisationsmitglieder an, die eine der folgenden fünf Rol-
len in dem jeweiligen Kaufentscheidungsprozess übernommen haben:
1. Nutzer Diejenigen Mitglieder der Organisation, die das Produkt oder die Dienstleistung
nutzen oder verwenden werden. Die Benutzer geben häufig den Anstoß zur Beschaf-
fung. Sie wirken darüber hinaus bei der Definition der Produktspezifikationen mit.
2. Beeinflusser Organisationsmitglieder, welche die Kaufentscheidung beeinflussen kön-
nen. Die Beeinflusser beteiligen sich an der Erstellung der Spezifikationen und an der
Beschaffung von Informationen zu alternativen Lösungen. In der Regel gehören Techni-
ker zu den besonders wichtigen Einflussnehmern.
3. Einkäufer Personen, die aufgrund ihrer formalen Autorität die Lieferanten auswählen
und die Kauf- und Lieferbedingungen aushandeln. Einkäufer sind nicht immer bei der
Festlegung der Produktspezifikationen beteiligt. Sie besitzen jedoch die wichtigste
Funktion bei der Auswahl der Lieferanten und der Verhandlungsführung.
4. Entscheider Personen, die formelle oder informelle Machtbefugnis haben, den Auftrag
an einen Lieferanten zu erteilen. Bei Routinekäufen wie den identischen Wiederkäufen
liegt die Befugnis, einen Kaufvorschlag endgültig zu bestätigen oder zu verwerfen, häu-
fig bei der Einkaufsabteilung der beschaffenden Organisation.
5. Gatekeeper Personen, die den Informationsfluss steuern können. Es gibt Einkaufsabtei-
lungen oder Unternehmen, die den direkten Kontakt der Außendienstvertreter der Liefe-
ranten zu den Nutzern und Entscheidern nicht erlauben. Techniker können durch Emp-
fehlung oder Abraten den Auswahlvorgang entscheidend beeinflussen. Auch
Chefsekretärinnen beeinflussen manche Entscheidung und sind wichtige Angehörige
dieser Gruppe.
Das Buying Center ist keine feste und formal eingerichtete Einheit der beschaffenden Organi-
sation. Es ist eine Gesamtheit von mit dem Kaufvorgang verbundenen Aufgaben und Rollen,
die von verschiedenen Personen mit verschiedenen Teilaufgaben von Kauf zu Kauf gebildet
wird. Für die einzelnen Käufe, Kaufsituationen und die zu kaufenden Produkte bilden sich
innerhalb einer Organisation die jeweils zugehörigen Buying Centers. Für einige Routine-
käufe kann zum Beispiel eine einzige Person wie der Einkäufer des Unternehmens alle Rol-
len im Buying Center übernehmen. Für komplexere Entscheidungen, zum Beispiel den Bau
einer neuen Betriebsstätte, können dem Buying Center 20 oder 30 Personen aus allen Abtei-
lungen und Leitungsebenen angehören.
Das Konzept des Buying Centers spiegelt die komplexen Vorgänge, die zum Kauf führen,
wider. Die verkaufende Organisation sollte die Rollenverteilung im Buying Center des Kun-
den kennen, um die Entscheidungsfindung effizient beeinflussen zu können. Marketer, die
weltweit tätig sind, lernen ganz unterschiedliche Ebenen der Einflussmöglichkeiten auf
Buying Center kennen. Eine Studie, in der Kaufentscheidungsprozesse in den USA, Schwe-
den, Frankreich und Südostasien untersucht und verglichen wurden, hat gezeigt, dass Ein-
käufer aus den USA Alleingänger sind, im Gegensatz zu ihren Kollegen in manchen anderen
Ländern. Schweden besitzt bei Einkäufen die höchste, die USA hingegen die niedrigste

312
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6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen

Teambestrebung, obgleich die Unternehmen beider Länder strukturell sehr ähnlich sind. Bei
Kaufentscheidungen verlassen sich schwedische Unternehmen in höherem Maße auf Techni-
ker, sowohl auf die eigenen als auch auf die der Anbieter, als es Unternehmen in anderen
Ländern tun.
Jedes Buying Center enthält normalerweise Teilnehmer, die zwangsläufig in die Kaufent-
scheidung einbezogen werden. So wird bei der Anschaffung eines Geschäftsjets der künftige
Pilot vermutlich immer zurate gezogen werden. Diesem Buying Center gehören neben dem
Piloten vermutlich ein Einkäufer, Mitglieder der Rechtsabteilung, ein Vorstandsmitglied und
weitere Personen, die formell mit der Kaufentscheidung zu tun haben, an. Manchmal sind
selbst für Mitglieder des Buying Centers nicht alle am Einkauf Beteiligten offen erkennbar.
Zum Beispiel kann ein Vorstandsmitglied, das selbst großes Interesse am Fliegen hat und
sehr viel von Flugzeugen versteht, im Buying Center mitwirken. Es könnte im Hintergrund
wirken und die Entscheidung in seinem Sinne beeinflussen. Viele Kaufentscheidungen von
Unternehmen und Organisationen werden auf diese Weise entscheidend durch die kompli-
zierten Interaktionen und die ständig wechselnden Zusammenhänge und Koalitionen im
Buying Center bestimmt.

6.3.3 Organisationsbezogene Einflussgrößen


Die Käufer in Unternehmen und Organisationen unterliegen vielfältigen Einflüssen, wenn es
darum geht, eine Kaufentscheidung zu treffen. Geht man davon aus, dass wirtschaftliche Ein-
flüsse am wichtigsten sind, wird ein Käufer denjenigen Anbieter auswählen, der den nied-
rigsten Preis oder das beste Produkt oder den besten Service anbietet. Diese Betrachtungs-
weise stellt wirtschaftliche und rationale Kriterien in den Vordergrund. Inzwischen ist
jedoch auch für das Industriegütermarketing anerkannt, dass Emotionen und persönliche
Präferenzen eine bedeutende Rolle spielen können.
Von einer Werbung für Lastwagen ist zu erwarten, dass Vorteile technischer Art, der Leistung
und bezüglich der Kosten hervorgehoben werden. Eine Anzeige des Lkw-Herstellers Volvo
zeigte jedoch zwei Männer, offensichtlich Lastwagenfahrer, die auf einem Fabrikhof rauften.
Darunter ist zu lesen: „Ein Lkw von Volvo löst alle Ihre Fuhrparkprobleme, nur nicht die Ent-
scheidung, wer den Lkw heute fahren darf.“ Der Tenor der Anzeige ist, dass die Lkw-Modelle
eines Fuhrparks dazu beitragen können, qualifizierte Fahrer anzuziehen. Die Anzeige hebt
auf das Design des Lkws und auf seine Bequemlichkeit und Geräumigkeit ab. Abschließend
wird festgestellt, dass Lkw von Volvo „Fuhrparks profitabler und Fahrer besitzergreifender
machen“.
Wenn die Angebote verschiedener Lieferanten sehr ähnlich sind, haben die Einkäufer wenig
Anlass für strikt rationales Entscheiden. Da sich die Ziele der Organisation mit jedem Liefe-
ranten verwirklichen lassen, können sie persönlichen Faktoren eine größere Rolle bei ihren
Entscheidungen einräumen. Wenn Konkurrenzprodukte sich andererseits stark voneinander
unterscheiden, können die Entscheidungsträger für ihre Wahl zur Rechenschaft gezogen wer-
den. Sie tendieren dann dazu, wirtschaftlichen Faktoren große Bedeutung in ihrer Analyse
beizumessen.
Abbildung 6.6 zeigt die verschiedenen Einflüsse auf Käufer in Unternehmen und Organisati-
onen, die aus dem Umfeld, aus der Organisation, aus gruppendynamischen Vorgängen und
aus der Person selbst herrühren.

313
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Einflüsse aus dem Umfeld


der Organisation
Einflüsse aus Zielen
und Struktur
Höhe der Nachfrage der Organisation Einflüsse aus dem
Wirtschaftliche Aussichten Zusammenwirken Einflüsse aus den
Ziele
in der Organisation Persönlichkeiten
Finanzierungskosten Festlegungen
bezüglich Vorgehen der Handelnden
Verfügbarkeit Autorität
auf den Märkten Status innerhalb Alter
Stand des technischen
Fortschritts Festlegung der Hierarchie Bildung Käufer in der
der Beschaffungs- Einfühlungsvermögen Organisation
Stand von Politik Position im
aktivitäten und Entgegenkommen
und Gesetzgebung Unternehmen
Organisations- Überzeugungskraft
Entwicklungen bei Persönlichkeitsstruktur
struktur, Position
konkurrierenden Risikobereitschaft
der Beschaffung
Unternehmen
innerhalb der
Gesamtorganisation

Abbildung 6.6: Die wichtigsten Einflüsse auf das Kaufverhalten beim Industriegüterkauf

Umfeldbezogene Faktoren
Die Käufer in Unternehmen und Organisationen werden stark durch Größen aus dem gegen-
wärtigen und aus dem zu erwartenden wirtschaftlichen Umfeld beeinflusst, wie zum Bei-
spiel der Primärnachfrage, den wirtschaftlichen Aussichten und Aktivitäten der Wettbewer-
ber. Sobald die wirtschaftliche Unsicherheit zunimmt, schränken Unternehmen neue
Investitionen ein und versuchen, ihre Lagerbestände zu reduzieren.
Ein wichtiger Faktor sind Engpässe bei Rohmaterialien. Viele Unternehmen unterhalten
heute wieder größere Lagerbestände, um eine stabile Versorgung zu gewährleisten. Auch Ver-
änderungen aus den Bereichen Technologie, Politik oder Verhalten konkurrierender Unter-
nehmen wirken sich auf Mitglieder eines Buying Centers und deren Kaufentscheidungen
aus. Daneben können kulturelle Einflüsse und Sitten das Einkaufsverhalten von Unterneh-
men und Organisationen stark beeinflussen, dies gilt insbesondere im internationalen Marke-
ting. Marketingfachleute müssen diese Faktoren beobachten und in ihre Entscheidungen ein-
beziehen.

Innerorganisationale Faktoren
Jede Organisation, die als Käufer auftritt, hat ihre eigenen Zielvorstellungen, Richtlinien,
Prozesse, Strukturen und Systeme, die der Anbieter akzeptieren und verstehen muss. Für
diesen stellen sich folgende Fragen: Wie viele Personen sind an der Kaufentscheidung betei-
ligt? Wer sind die Personen? Was sind ihre Bewertungs- und Auswahlkriterien? Welche
Richtlinien und Limits setzt die Organisation ihren Einkäufern?

Interpersonelle Faktoren
Das Buying Center besteht aus vielen Teilnehmern, die sich gegenseitig beeinflussen. Für
einen Außendienstmitarbeiter des Anbieters ist es oft schwer, herauszufinden, welche inter-
personellen Beziehungen und gruppendynamischen Prozesse in die Kaufentscheidung ein-
gehen. Häufig sind die wirklich Mächtigen bei einer Kaufentscheidung für einen Außenste-
henden nicht zu erkennen. Der Teilnehmer des Buying Centers mit der höchsten Stellung hat
nicht zwangsläufig den größten Einfluss auf die Kaufentscheidung. Es gibt mehrere Gründe,
warum die einzelnen Personen im Buying Center eine Machtstellung haben und Einfluss auf

314
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6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen

die Kaufentscheidung nehmen: Sie können sanktionieren und belohnen, sie werden von
anderen Teilnehmern besonders geschätzt, sie besitzen spezielle Sachkenntnis oder es ver-
bindet sie eine besondere Beziehung mit anderen Teilnehmern, die ebenfalls ein großes Inte-
resse an der Angelegenheit haben. Diese interpersonellen Beziehungen sind oft sehr subtil.
Marketingverantwortliche müssen das Zusammenwirken der einzelnen Personen verstehen
und bei der Planung von Strategien berücksichtigen.
Für den Paket- und Brief-Express-Dienst DHL sind zum Beispiel Sekretärinnen und Assisten-
ten eine wichtige Zielgruppe. Sie erhalten von ihrem Chef den Auftrag, ein Paket zu verschi-
cken, haben aber oft die Ermessensfreiheit, das Kurierunternehmen auszuwählen. Aus die-
sem Grund versucht DHL in speziell auf diese Zielgruppe ausgerichteten Zeitschriften und
Magazinen zu werben.

Intrapersonelle Faktoren
Jede der an einer Kaufentscheidung mitwirkenden Personen bringt persönliche Motive,
Sichtweisen und Präferenzen in den Entscheidungsprozess ein. Diese Faktoren werden wie-
derum durch Charakteristika wie Alter, Einkommen, Bildung, berufliche Identifikation, Per-
sönlichkeit und Risikobereitschaft bestimmt. Darüber hinaus hat jeder Teilnehmer seinen
persönlichen Stil, mit dem er die Kaufentscheidung angeht. Einige mögen sehr analytisch
vorgehen und präzise Bewertungen der konkurrierenden Angebote vornehmen, bevor sie
ihre Empfehlung aussprechen. Andere wiederum gehen intuitiv vor und schrecken auch
nicht davor zurück, vor der Kaufentscheidung die Verkäufer gegeneinander auszuspielen.

6.3.4 Phasen des Kaufprozesses


Tabelle 6.5 zeigt die acht Phasen des Kaufentscheidungsprozesses für drei unterschiedliche
Kaufsituationen. Beim Erstkauf werden normalerweise alle Phasen durchlaufen. Beim modi-
fizierten oder identischen Wiederkauf fallen einige dieser Phasen weg. Im Folgenden werden
wir daher den Ablauf für eine typische Erstkaufsituation untersuchen.

Kaufsituationen

Modifizierter Identischer
Phasen des Kaufprozesses Erstkauf
Wiederkauf Wiederkauf
1. Problemerkennung ja vielleicht nein
2. Beschreibung des Bedarfs ja vielleicht nein
3. Festlegung der Produkteigenschaften ja ja ja
4. Suche nach Lieferanten ja vielleicht nein
5. Einholung von Angeboten ja vielleicht nein
6. Auswahl und Festlegung der Lieferanten ja vielleicht nein
7. Festlegung des Bestellverfahrens ja vielleicht nein
8. Überprüfung von Qualität und Leistungsfä- ja ja ja
higkeit der Lieferanten
Tabelle 6.5: Kaufentscheidungsprozess und Art des Kaufs

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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

1. Phase: Problemerkennung
Ein Kaufvorgang wird eingeleitet, wenn jemand im Unternehmen ein Problem oder ein
Bedürfnis erkennt, das mit einem bestimmten Produkt oder einer bestimmten Dienstleistung
gelöst beziehungsweise befriedigt werden kann. Die Problemerkennung kann von internen
oder externen Anreizen ausgelöst werden. Ein interner Auslöser kann der Beschluss im
Unternehmen sein, dass ein neues Produkt angeboten werden soll. Möglicherweise verlangt
dieses neue Produkt neue Produktionsanlagen oder den Kauf bisher nicht bezogener Roh-
stoffe. Interne Auslöser sind zum Beispiel auch der Bedarf an Ersatzteilen für eine defekte
Maschine oder wenn ein Einkäufer die Lieferungen eines Zulieferers aus Gründen der Quali-
tät, des Services oder wegen des Preises negativ beurteilt und einen neuen Lieferanten sucht.
Externe Auslöser können sein: neue Ideen eines Einkäufers, der eine Messe besucht hat, oder
der Besuch eines Vertreters, der bessere Produkte oder niedrigere Preise anzubieten hat.
Industrielle Marketingexperten weisen die Kunden mit ihren Werbemaßnahmen häufig auf
mögliche Probleme hin und zeigen ihnen, wie ihre Produkte und Dienste bei der Lösung helfen
können. Ein Beispiel ist die ausgezeichnete Kampagne der Beratungsfirma Accenture mit dem
Titel: „High performance. Delivered“ (Starke Leistung. Abgeliefert). B-to-B Werbung verfährt
ebenso. Eine Anzeige von Accenture hebt die Notwendigkeit hervor, dass Unternehmen mit
der Entwicklung mobiler Technologien Schritt halten. „Ziehen Sie Ihre Kunden an?” fragt die
Werbung und zeigt Motten, die das helle Licht eines Smartphone-Displays umschwirren. Die
Lösung: „Wir helfen Kunden, Mobilität nicht nur zur Vernetzung mit Kunden einzusetzen –
sondern auch mit Mitarbeitern, Firmen und Maschinen auf webfähigen Geräten aller Art. Das
ist starke Leistung. Abgeliefert.“ Andere Kampagnen erzählen die Erfolgsgeschichte, wie
Accenture seinen Kunden bei der Ermittlung und Lösung vielfältiger Probleme helfen konnte.

2. Phase: Beschreibung des Bedarfs


Nachdem ein Bedürfnis festgestellt wurde, erstellt der Einkäufer eine erste Beschreibung des
Bedarfs. Diese enthält die Charakteristika und die benötigte Menge des Kaufgegenstands. Für
den Routinebedarf stellt dieses Verfahren keine besonderen Anforderungen. Für komplexere
Produkte empfiehlt sich für den Einkäufer jedoch die Zusammenarbeit mit Ingenieuren, Nut-
zern, Verwendern oder externen Beratern, um den Bedarf genau zu definieren. Das Team
möchte dann vielleicht die Relevanz von Zuverlässigkeit, Haltbarkeit, Preis und anderen
gewünschten Produkteigenschaften hervorheben. In dieser Phase kann der aufmerksame
Marketingexperte den Käufern bei der Ermittlung ihrer Bedürfnisse helfen und Informatio-
nen über den Nutzen der jeweiligen Produktmerkmale zur Verfügung stellen.

3. Phase: Festlegung der Produkteigenschaften


Als Nächstes legt die einkaufende Organisation alle technischen Produkteigenschaften fest,
häufig mit Unterstützung einer Entwicklungsgruppe, die eine Wertanalyse durchführt. Hier-
bei handelt es sich um eine Methode der Kostenreduzierung, bei der Bauteile sorgfältig dar-
aufhin untersucht werden, ob sie neu entwickelt, standardisiert oder mit einfacheren Pro-
duktionsmethoden hergestellt werden können. Das Team legt die optimalen Charakteristika
fest und spezifiziert darauf aufbauend den Bedarf. Auch ein Anbieter kann die Wertanalyse
ins Spiel bringen, um dem Kunden eine optimale Lösung vorzuschlagen. So kann er unter
Umständen aus einer Situation des identischen Wiederkaufs eine Erstkaufsituation machen,
jedoch mit dem von ihm vorgeschlagenen Produkt.

316
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
6.3 Beschaffungsprozess in Organisationen

4. Phase: Suche nach Lieferanten


Die kaufende Organisation begibt sich nun auf die Suche nach geeigneten Lieferanten. Wenn
die möglichen Lieferanten noch nicht bekannt sind, können für die Lieferantensuche Liefe-
rantenverzeichnisse oder Fachzeitschriften zurate gezogen, vorhandene Angebote gesichtet
oder ähnliche geeignete Suchmethoden durchgeführt werden. Immer größere Bedeutung bei
der Suche nach Lieferanten kommt natürlich dem Internet zu, hier haben kleine Lieferanten
die gleiche Möglichkeit, sich zu präsentieren, wie ihre großen Wettbewerber.
Je mehr die Beschaffungsaufgabe von der Routine abweicht, je mehr es sich um neue Metho-
den oder Technologien handelt, je komplexer und kostspieliger die zu beschaffende Leistung
ist, desto größer wird der Zeitaufwand sein, der für die Suche nach Lieferanten angesetzt
werden muss. Ein Anbieter ist für diese Situation des Suchenden dann gut vorbereitet, wenn
er in den großen Branchenverzeichnissen und in den Fachzeitschriften präsent ist, wenn er
in der Branche einen guten Ruf hat und wenn sein Unternehmen über Niederlassungen oder
Regionalvertretungen für alle Interessenten und möglichen Kunden leicht zu erreichen ist.

5. Phase: Einholung von Angeboten


Während der Phase der Einholung von Angeboten lädt die beschaffende Organisation qualifi-
zierte Lieferanten ein, Angebote einzureichen. Die darauf zu erwartenden Reaktionen sind
unterschiedlich. Einige Lieferanten werden nur einen Katalog senden, andere werden einen
Außendienstmitarbeiter vorbeischicken. Wenn die Einkaufsaufgaben jedoch komplex oder
sehr kostspielig sind, wird der Käufer genaue schriftliche Projektvorschläge oder geeignete
Präsentationen von jedem infrage kommenden Lieferanten anfordern.
Das Vertriebspersonal der Anbieter sollte gut geschult sein, Angebote auf konkrete Kunden-
anfragen zu erarbeiten, zu schreiben und zu präsentieren. Derartige Angebote, die zugleich
Projektlösungsvorschläge sind, sollten keine rein technischen Dokumente sein, sondern
zugleich wirkungsvolle Instrumente des Marketings. Präsentationen sollten Vertrauenswür-
digkeit ausstrahlen und bewirken, dass sich das Unternehmen schon hier von der Konkur-
renz abhebt.

6. Phase: Auswahl und Festlegung der Lieferanten


Die Mitglieder des Buying Centers prüfen nun die Angebote und wählen einen oder mehrere
Lieferanten aus. Während dieses Prozesses der Lieferantenauswahl wird im Buying Center
häufig eine Übersicht oder Checkliste mit den gewünschten Eigenschaften der Lieferanten
und ihrer Bedeutung aufgestellt. Letztere hängt vom Typ des zu tätigenden Kaufs und der
damit verbundenen Kaufsituation ab. In einer Umfrage nannten leitende Einkäufer die fol-
genden Eigenschaften als sehr bedeutsam für die Beziehung zwischen Lieferanten und Kun-
den:
 Produkte und Dienstleistungen hoher Qualität
 Pünktlichkeit bei der Lieferung
 ethisch und moralisch einwandfreies Verhalten des liefernden Unternehmens
 Ehrlichkeit in den Lieferanten-Kunden-Beziehungen
 konkurrenzfähige Preise
Als weitere wichtige Faktoren wurden genannt:
 Reparatur- und Kundendienstqualität

317
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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

 Beratung in Bezug auf Technik und Einsatz


 Standort und Erreichbarkeit
 Leistungsfähigkeit in der Vergangenheit und Ruf des liefernden Unternehmens
Die Mitglieder des Buying Centers überprüfen die potenziellen Lieferanten anhand solcher
Kriterien und wählen den besten aus. Häufig wird ein formalisiertes Verfahren angewandt,
um bei jeder Entscheidung auf früher gemachte Erfahrungen zurückgreifen zu können.
Bei Käufen, die keine Routinekäufe mehr sind und bei denen es um Material für besondere
Aufgaben geht, treten mehr und mehr Kriterien der Leistungsfähigkeit des Lieferanten und
dessen Fähigkeit, auf die Wünsche des Käufers einzugehen, in den Vordergrund. Käufer kön-
nen versuchen, mit bevorzugten Lieferanten wegen besserer Preise und besserer Konditionen
zu verhandeln, bevor der Auftrag endgültig vergeben wird. Zum Schluss bleibt vielleicht ein
Lieferant übrig oder einige wenige Lieferanten. Viele Käufer bevorzugen mehrere gleichwer-
tige Lieferquellen, um nicht von einem Lieferanten vollständig abhängig zu sein und um
jederzeit Vergleiche von Preisen und Leistungsfähigkeit anstellen zu können.

7. Phase: Festlegung des Bestellverfahrens


Das kaufende Unternehmen bereitet in dieser Phase eine Festlegung der regelmäßig wieder-
kehrenden Bestellprozeduren vor. Dazu gehört die endgültige Bestellung an den ausgewähl-
ten Lieferanten mit den nötigen technischen Spezifikationen, der benötigten Qualität, dem
gewünschten Liefertermin, Regelungen für Beanstandungen, Rückgaben oder Gutschriften
(zum Beispiel bei Zeitschriften oder Frischdienstwaren wie Joghurt, Frischmilch usw.) und
Gewährleistungs- und Garantievereinbarungen.
Bei der vertraglichen Regelung der Beschaffung von Dienstleistungen wie Wartung, Repara-
turen und dem Betrieb bestimmter Anlagen, aber auch bei Just-in-time-Lieferkonzepten
schließt man in der Regel Rahmenverträge ab. Ein solcher regelt die langfristige Beziehung
und Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Kunde. Während die grundlegenden technolo-
gischen und kommerziellen Vertragsinhalte im Rahmenvertrag geregelt sind, können Einzel-
heiten mittels diverser, Volumen und Lieferzeit spezifizierender Abrufaufträge festgelegt
werden. In vielen Fällen hält der Lieferant einen Lagerbestand vor und der Computer des
Käufers sendet diesem automatisch Bestellungen, sobald bestimmte Lager-Mindestbestände
unterschritten werden. Ein Rahmenvertrag ermöglicht es, relativ kleine Bestellungen aufzu-
geben und trotzdem dafür die Konditionen für Großaufträge anzuwenden.
Viele Großkunden wenden heute das Vendor-managed Inventory bzw. den Ansatz eines liefe-
rantengesteuerten Bestands an, in dem sie die Zuständigkeit für Aufträge und Inventuren an
ihre Lieferanten übertragen. In diesen Systemen teilen die Kunden Umsatz- und Inventurin-
formationen direkt mit den wichtigsten Lieferanten. Die Lieferanten wiederum prüfen die
Bestände automatisch und füllen diese bei Bedarf auf. So übernehmen die meisten Großliefe-
ranten der wichtigsten Einzelhändler wie Carrefour, Tesco, Walmart und Sainsbury’s die Ver-
antwortung für den lieferantengesteuerten Bestand.

318
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6.4 Handel von Industriegütern über das Internet

8. Phase: Überprüfung von Qualität und Leistungsfähigkeit der Lieferanten


Die kaufende Organisation wird sich intern informieren lassen, ob die beschafften Produkte
oder Dienstleistungen den Erwartungen entsprechen. Diese Leistungsbeurteilung kann regel-
mäßig und formalisiert oder von Fall zu Fall informell geschehen. Sie kann dazu führen, die
Beziehungen mit dem Lieferanten unverändert fortzusetzen, sie an häufig kritisierten Punk-
ten zu ändern oder die Geschäftsbeziehung zu beenden. Aufgabe der Marketingabteilung des
Anbieters ist es, die Lieferungen mit den gleichen kritischen Blicken zu prüfen, wie es die
Eingangskontrolle und die Nutzer beziehungsweise Verwender beim Käufer tun werden, und
dafür zu sorgen, dass beim Käufer die zugesagte und erwartete Zufriedenheit eintritt.
Die vorgestellten acht Phasen, die üblicherweise bei einem Erstkauf für eine neue Beschaf-
fungsaufgabe eintreten, dienen als ein Modell des Kaufentscheidungsprozesses in Organisati-
onen. In der Realität mögen die Dinge viel komplizierter liegen. In den Situationen des iden-
tischen oder leicht variierten Wiederkaufs sind einige dieser Phasen weniger wichtig oder
entfallen.
Im Buying Center sind unterschiedliche Personen zu verschiedenen Zeitpunkten und Phasen
des Einkaufsprozesses tätig. Obwohl bestimmte Phasen und Schritte der Kaufentscheidungs-
findung fast immer stattfinden, ist es grundsätzlich möglich, die Reihenfolge abzuwandeln,
Schritte zu verändern oder zusätzliche Schritte hinzuzufügen. Manche Phasen werden mög-
licherweise auch mehrfach durchlaufen. Schließlich kann eine Kundenbeziehung auch viele
verschiedene Kaufvorgänge beinhalten, die in unterschiedlichen Phasen des Kaufprozesses
stattfinden. Der Verkäufer muss die gesamte Kundenbeziehung steuern, nicht nur individu-
elle Kaufvorgänge.

6.4 Handel von Industriegütern über das Internet


In den letzten Jahren hat der Fortschritt im Bereich der Informationstechnologie Business-to-
Business-Geschäftsbeziehungen grundlegend verändert. Der Bereich der Onlinebeschaffung,
oft auch als E-Procurement bezeichnet, wächst rapide. Unternehmen können elektronische
Beschaffung auf verschiedenen Wegen betreiben.
So gibt es sogenannte Reverse Auctions, Rückwärtsauktionen, in denen sie ihre Kaufanfragen
online stellen und Lieferanten zur Abgabe eines Gebots auffordern können. Oder sie engagie-
ren sich im Online-Handelsbörsen, in denen Unternehmen gemeinsam an der Vereinfachung
des Handelsprozesses arbeiten. Sie können ihre eigenen Unternehmenswebseiten einrichten,
wie beispielsweise General Electric, das eine eigene Seite besitzt, auf welcher das Unterneh-
men Ausschreibungen platziert, über Konditionen verhandelt und Bestellungen aufgibt, oder
sie können auf Marktplätzen im Internet aktiv werden.
Unterstützend wirkt dabei auch eine weitere technische Entwicklung, das Industrielle Inter-
net, wie das nachfolgende Highlight am Beispiel von General Electric zeigt.

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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

Marketing-Highlight: Industrielles Internet bei General Electric:


Warum B2B nicht bieder hoch zwei bedeutet

Eine gewisse Zeit lang galt B2B-Marketing als farblos, langweilig und wenig kreativ im
Vergleich zum B2C-Marketing für Marken wie Apple, Coca-Cola und Zara. Man hielt
B2B-Marketing für das einfallsloseste Gebiet im Bereich der kreativen Werbung. Das von
General Electric beworbene neue „Big Data“-Konzept – das Industrielle Internet –
beweist jedoch, dass dieses Vorurteil nichts mit der Realität zu tun hat, und steht für die
Revolutionierung sowohl des B2B als auch des Marketings.
The General Electric Company (GE) wurde 1892 in New York gegründet, hat eine lange
und weitschweifige Produkthistorie, die Düsentriebwerke, Turbinen, Lokomotiven,
elektrische Übertragungssysteme und Verteilungsmotoren sowie medizinische Bildtech-
nik umspannt (www.ge.com). In seiner Veröffentlichung „Industrial Internet: Pushing
the Boundaries of Minds and Machines“ aus dem Jahr 2012 legt GE eine umfangreiche
Agenda für die Zukunft seiner Geschäftstätigkeit fest: „Mit dem Aufstieg des Industriel-
len Internets steht die Welt an der Schwelle einer neuen Ära der Innovation und des
Wandels. Dieser vollzieht sich durch die Konzentration auf das globale Industriesystem,
das dank des Internets über die Macht fortschrittlicher IT, Analytik, kostengünstiger
Messverfahren und neuer Ebenen der Konnektivität verfügt.“ Die Forschungs- und Ent-
wicklungsabteilung von GE prägte den Begriff „Industrielles Internet“. Dabei wird eine
Vielzahl verbundener Maschinen und Geräte aus der Produktion von GE um verschie-
dene Sensoren ergänzt. Hierdurch soll eine Fülle an Daten gesammelt werden, die es
dem Hersteller ermöglichen, die Effizienz von GE-Produkten durch Verbindung des
Gerätenetzwerks mit der digitalen Welt zu verbessern.
Die Idee, Geräte mit Sensoren zur Kommunikation und Datenerfassung auszustatten, ist
nicht neu (dies wird oftmals als „Internet der Dinge“ bezeichnet); das Ausmaß jedoch,
in dem GE dieses Konzept als Industrielles Internet umsetzt, übersteigt alle bisher unter-
nommenen Ansätze. Das Ausstatten von Menschen und Objekten mit Sensoren ermög-
licht es Computern, riesige Datenmengen zu sammeln.
GE schuf die fiktionale Welt von „Datalandia“, um das Industrielle Internet zu veran-
schaulichen und zu bewerben. Dazu produzierte das Unternehmen eine Reihe von
Kurzfilmen, in denen „sexy“ Vampire neben „bedrohlichen“ Aliens und Werwölfen auf-
treten. Das digitale Marketing-Team von GE produzierte die Serie in Hamburg auf der
größten Modellbahnanlage der Welt. In Datalandia – „Big Data rettet kleine Stadt“ – stel-
len die Filme den möglichen Nutzen des Industriellen Internets heraus. Hier kommuni-
zieren Züge mit dem Internet, Düsentriebwerke liefern Informationen an die Wartungs-
crew, Krankenwagen stehen mit dem Klinikpersonal in Verbindung und Windturbinen
verbreiten Daten in Echtzeit.

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6.4 Handel von Industriegütern über das Internet

In mancher Hinsicht können B2B-Firmen das Industrielle Internet analog zur Kommer-
zialisierung des Internets selbst Anfang der 1990er-Jahre betrachten. Viele der ersten
Unternehmenswebseiten und E-Marktplätze waren B2B-Seiten, über die Chemikalien
und Metalle verkauft wurden. Sie waren die Vorreiter der Internetnutzung zu einer Zeit,
als viele Firmen für Verbrauchsgüter noch versuchten, die Nutzung dieses neuen Kanals
zu verstehen. In gleichem Maße müssen B2B-Firmen nun lernen, wie sie vom Industri-
ellen Internet profitieren können. Forrester Research schätzt, dass bis 2020 der E-Com-
merce im B2B-Bereich einen weltweiten Absatz von 1,3 Billiarden Dollar erreichen
wird, was weitaus mehr ist als der Umsatz des E-Commerce in B2C-Märkten. Daher bie-
tet die Nutzung des Internets und des E-Commerce den B2B-Firmen neue Möglichkeiten
über Online-Plattformen und vernetzte Computer. Das Industrielle Internet wird wahr-
scheinlich ebenfalls neue Märkte und Geschäftsmodelle schaffen, die zwingend neue
Arten des Marketings fordern.
Insgesamt dürften die möglichen Auswirkungen des Industriellen Internets auf B2B-
Märkte und Marketingstandards erheblich sein. Geschäftskunden gründen ihre Kaufent-
scheidungen eher auf Vorteile denn auf Besonderheiten. Für das Industrielle Internet
könnten dies z.B. Produkte sein, die bestehende Standards für das Flugwesen verbes-
sern, wovon auch Kunden in den B2C-Märkten profitieren. Beispiele dafür sind weniger
Flugverspätungen und die Beibehaltung günstiger Angebote. Auf diese Art können B2B-
Lösungen auch Geschäftskunden dabei unterstützen, einen Mehrwert für ihre Endkun-
den zu erzeugen.
Quelle: Adaptierte Version einer Unternehmensfallstudie von Andrew Pressey, Birmingham Busi-
ness School

Unternehmen können auch sogenannte Extranet-Links mit den Hauptlieferanten etablieren.


So können sie z.B. direkte Beschaffungsportale mit Lieferanten wie Dell oder Staples einrich-
ten, über die Kunden des Unternehmens direkt Ausrüstung, Materialien und Zubehör bestel-
len. Staples betreibt eine Abteilung für B-to-B-Beschaffung namens Staples Advantage, deren
Angebot an Büroausstattung und Dienstleistungen den Bedarf von Unternehmen jeder Größe
deckt – von Betrieben mit 20 Mitarbeitern bis zu den sogenannten Fortune 1000. Vermarkter
im B-to-B-Geschäft können Kunden, die online einkaufen möchten, durch gut gestaltete und
leicht bedienbare Webseiten unterstützen. Das Magazin „BtoB“ beispielsweise bewertete die
Webseite von Cisco Systems – Weltmarktführer für webbasierte Netzwerk-Hardware, Soft-
ware und Dienste mit Standorten in so ziemlichen jedem europäischen Land – als eine der
zehn besten B-to-B-Webseiten.
Mit der Einführung elektronischer Beschaffungsverfahren können auf Dauer bedeutende
Rationalisierungs- und Kostensenkungspotenziale realisiert werden. Darüber hinaus reduzie-
ren elektronische Beschaffungsverfahren das Zeitfenster zwischen Bestellung und Lieferung
deutlich. Dies ist vor allem für Unternehmen mit Überseelieferanten wichtig. Was die bishe-
rige Geschichte des Internethandels lehrt, ist, dass neue Geschäftsmodelle sich sowohl für
Lieferanten als auch für die Kunden lohnen müssen. Sehr oft wurden Lieferanten in der Ver-
gangenheit benachteiligt durch Initiativen, die insbesondere auf den Vorteil der Kunden
abzielten. Als Ergebnis kam es oftmals zu nicht tragfähigen Geschäftsmodellen, wie zum Bei-
spiel den sogenannten „vertikalen Märkten“. Drittanbieter fungierten als Vermittler für Nach-
fragen und versuchten dann Preisnachlässe bei den Lieferanten auszuhandeln. Heute meidet
man solche Modelle.

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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

Generell nutzen die modernen Marketer im Bereich B2B eine Bandbreite an digitalen und sozi-
alen Marketingansätzen – von Webseiten, Blogs und Smartphone-Apps bis hin zu den großen
sozialen Netzwerken wie Facebook, LinkedIn, YouTube und Twitter, um Geschäftskunden zu
erreichen und überall, jederzeit Kundenbeziehungen aufzubauen. Das digitale und Social-
Media-Marketing wurde rasch zu dem neuen Raum für die Einbindung von Kunden.
Richtig aufgesetzt bringt Business-to-Business-E-Procurement viele Vorteile mit sich. Grund-
sätzlich werden Transaktionskosten minimiert, was zu einer effizienteren Abwicklung für
Kunden und Lieferanten führt. E-Procurement reduziert die Zeit zwischen Auftragseingang
und Warenlieferung. Webbasierte Einkaufsprogramme eliminieren die mit traditionellen
Bestellabläufen verbundene Papierarbeit und schaffen Transparenz über die Bestellhistorie.
Die durch elektronische Beschaffungsverfahren erlangten Zeit- und Kosteneinsparungen
ermöglichen dem Einkaufspersonal eine stärkere Konzentration auf strategische Fragestel-
lungen wie die Identifizierung von besseren Lieferquellen oder die Zusammenarbeit mit Lie-
feranten zur Minimierung von Kosten und Entwicklung neuer Produkte.
Dennoch birgt die elektronische Beschaffung weiterhin auch Probleme. Das Internet macht es
zwar möglich, dass Lieferanten und Kunden Geschäftsdaten miteinander austauschen und
sogar die Produktentwicklung gemeinsam betreiben, jedoch kann es auch jahrelang aufge-
baute Lieferanten-Kunden-Beziehungen zerstören, da immer mehr Unternehmen im Internet
nach neuen und besseren Lieferanten suchen. Darüber hinaus weisen elektronische Beschaf-
fungsverfahren vereinzelt auch heute noch Mängel in Bezug auf die Datensicherheit auf.

6.5 Der öffentliche Sektor als Käufer


Bisher haben wir das Kaufverhalten von Unternehmen und Organisationen diskutiert. Ganz
ähnlich finden die Prozesse der Kaufentscheidungsfindung in öffentlichen Institutionen und
staatlichen Stellen statt. Darüber hinaus gibt es bei diesen beiden Käufergruppen noch
zusätzliche Charakteristika und spezifische Anforderungen. Im folgenden Abschnitt werden
die besonderen Punkte des Absatzes an Institutionen und staatliche Dienststellen näher
betrachtet.

6.5.1 Öffentliche Institutionen


Der Teilmarkt der öffentlichen Institutionen besteht aus Schulen, Krankenhäusern, Altershei-
men, Gefängnissen und anderen Einrichtungen, die Güter und Dienstleistungen für diejenigen
beschaffen, deren Betreuung ihnen anvertraut ist. Sie unterscheiden sich durch ihre Aufgaben-
stellungen und durch die Finanzkraft ihrer Betreiber. Institutionen als Abnehmer sind zumeist
gekennzeichnet durch enge Budgets und wenig Spielraum für die Entscheidungsträger.
Die Betriebsleitung einer Mensa beziehungsweise das zuständige Studentenwerk versuchen
beispielsweise, den schwierigen Balanceakt zwischen preisgünstigem Einkauf einerseits und
Qualitätsansprüchen andererseits zu meistern. Ziel des Einkaufs ist hier nicht die Gewinn-
maximierung, Ziel ist auch nicht die Kostenminimierung. In diesem Fall geht es darum, eine
gute Versorgung mit gesunden Mahlzeiten sicherzustellen, die auch zum Gesamtbild der
Hochschule beiträgt. Es gilt daher, Anbieter zu suchen, die eine gute Qualität zuverlässig lie-
fern und trotzdem preisgünstig sind. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, verfügen
viele Anbieter, gerade im Bereich des Großküchenbedarfs, über eigenständige Marketingstra-
tegien, eigene Produktlinien und separate Vertriebsorganisationen, die diesen Bereich großer
Absatzvolumina intensiv mit einem professionell gestalteten Angebot betreuen.

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6.5 Der öffentliche Sektor als Käufer

Viele Marketingverantwortliche bauen separate Abteilungen auf, um auf die besonderen


Anforderungen und Bedürfnisse institutioneller Käufer zu reagieren. So vermarktet die Proc-
ter & Gamble Professional Division professionelle Rezepturen für Reinigungs- und Waschmit-
tel für Bildungs- und medizinische Einrichtungen sowie andere institutionelle und gewerbli-
che Kunden.1

6.5.2 Staatliche Stellen


Der Verkauf an staatliche Stellen bietet für viele Unternehmen gute Geschäftsmöglichkeiten.
Die Beschaffung durch Unternehmen oder Organisationen und durch staatliche Stellen
ähnelt sich auf vielerlei Art. Aber es gibt auch entscheidende Unterschiede, die beachtet wer-
den müssen, wenn ein Unternehmen erfolgreich Produkte und Dienstleistungen an staatliche
Dienststellen verkaufen möchte. Um erfolgreich zu sein, müssen die Anbieter die Entschei-
dungsträger in den Behörden ausmachen, die Determinanten kennen, die das Käuferverhal-
ten beeinflussen, und den dort stattfindenden Entscheidungsfindungsprozess verstehen.
Staatliche Dienststellen als Käufer gibt es auf nationaler beziehungsweise Bundesebene, auf
der Ebene der Länder oder Kreise und bei den Kommunen. Auf nationaler Ebene werden die
größten Auftragsvolumen vergeben, dies gilt sowohl für den zivilen als auch für den militäri-
schen Bereich. In der Bundesrepublik Deutschland werden wegen der föderalen Struktur
und aus Gründen der Standortförderung viele Aufträge von regionalen Untergliederungen
der Bundesinstitutionen vergeben. Wo eine nationale oder internationale Standardisierung
erforderlich ist, wird sie von zentralen Organisationen (BWB – Bundesamt für Wehrtechnik
und Beschaffung, Bundesagentur für Arbeit usw.) vorgegeben, die Aufträge werden jedoch
auch dezentral vor Ort vergeben. Diese Kompetenzstrukturen mögen jedoch in anderen Län-
dern zum Teil grundlegend anders organisiert sein und müssten in der Marketingpraxis von
der jeweiligen Landesgesellschaft oder dem Partner vor Ort ermittelt werden.
Ähnlich wie Endverbraucher und Einkäufer in Unternehmen werden auch die Einkaufsver-
antwortlichen der öffentlichen Hand durch umweltbedingte, innerorganisatorische sowie
inter- und intrapersonelle Faktoren beeinflusst. Die Beobachtung, Überwachung und Kont-
rolle ist jedoch bei den Einkäufern der öffentlichen Hand erheblich stärker als bei den erstge-
nannten Gruppen. Die Kontrolle erfolgt durch Abgeordnete, durch Institutionen wie den
Bund der Steuerzahler, durch die Medien und durch eine interessierte Öffentlichkeit. Weil
diese Kaufvorgänge einer solch starken öffentlichen Kontrolle unterliegen, sind die Aus-
schreibungs- und Vergabeverfahren sehr aufwendig und mit dem Ausfüllen einer Vielzahl
von Formularen verbunden. Bürokratische und politische Empfindlichkeiten sind hoch und
der einzelne Anbieter muss sich zwischen den Institutionen seinen Weg suchen. Das Proze-
dere des Bewerbens um Regierungsaufträge variiert sehr stark von Land zu Land. Wer hier
international erfolgreich sein will, muss die regionalen Praktiken im Bereich der Auftrags-
vergabe beachten.
Bei der Auftragsvergabe staatlicher Stellen spielen auch nicht-wirtschaftliche Kriterien eine
große Rolle. Vom jeweiligen Staat erwartet die Öffentlichkeit besondere Berücksichtigung
und eine Bevorzugung beispielsweise kleiner und mittelständischer Unternehmen, solcher
mit kritischer Geschäftslage oder mit einem Standort in wirtschaftlich schwachen Regionen.
Abgeordnete wollen häufig Einfluss dahin gehend ausüben, dass Großaufträge an Firmen in
ihrem Wahlkreis gehen oder dass Großprojekte von nationaler Bedeutung in ihrem Wahlkreis

1 Siehe www.pgpro.com, Zugriff Oktober 2015.

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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

realisiert werden. Anbieter dürfen diese Vorgänge nicht außer Acht lassen, wenn sie sich um
Aufträge staatlicher Stellen bemühen.
Staatliche Stellen vergeben ihre Aufträge meistens über Ausschreibungen. Bei diesen ist in
der Regel der Bieter mit dem niedrigsten Preis zu berücksichtigen. Gelegentlich dürfen
begrenzte Preiszugeständnisse für überlegene Qualität und Zuverlässigkeit bei der Terminer-
füllung gewährt werden. Es gibt auch die sogenannten beschränkten Ausschreibungen für
qualifizierte Bieter, wo zum Beispiel im Bereich von Entwicklungsaufträgen die Unterneh-
men zuerst ihre Eignung nachweisen müssen, derartige Projekte durchzuführen. Nach wie
vor besteht eine starke Tendenz bei den Regierungen, nationale Bieter gegenüber ausländi-
schen Unternehmen zu bevorzugen, auch wenn ausländische Unternehmen günstigere Ange-
bote abgeben. Die Wettbewerbsaufsicht (Bundeskartellamt und EU-Wettbewerbskontrolle)
versucht jedoch, diese Verzerrungen zu reduzieren. In der Europäischen Union müssen Auf-
träge ab einem bestimmten Volumen europaweit im „Amtsblatt der Europäischen Union“
bekannt gemacht werden.
Die Einkaufspraktiken staatlicher Stellen mögen für Außenstehende, die nur Klagen gehört
haben, kompliziert und frustrierend erscheinen. Geklagt wird über zu viel Bürokratie, unnö-
tige Vorschriften, eine zu hohe Bedeutung des Preises, lange Entscheidungswege, häufige
Änderungen bei Personal und Verantwortlichkeiten und unvorhersehbare Richtlinienände-
rungen. Trotz dieser Hindernisse sollte nicht verkannt werden, dass die Formalitäten in der
Regel in kurzer Zeit erledigt werden können. Staatliche Einkaufsstellen sind im Allgemeinen
hilfsbereit, wenn es darum geht, Informationen über Bedürfnisse und Einkaufsverfahren zu
erhalten. Häufig ist eine staatliche Einkaufsstelle genauso eifrig dabei, einen neuen Lieferan-
ten zu finden, wie der Lieferant neue Kunden gewinnen möchte.
Zahlreiche Unternehmen verfügen heute über eigene Marketingabteilungen für die Betreu-
ung von Kunden der öffentlichen Hand, wie zum Beispiel GE, Boeing oder Goodyear. Diese
Unternehmen haben erkannt, dass Angebote für den öffentlichen Sektor nicht nur eine Reak-
tion auf eingehende Anfragen sein dürfen, sondern in erster Linie Vorschläge, wie die öffent-
liche Hand ihre Aufgaben besser erfüllen kann. Die Angebote müssen die Beiträge der einzel-
nen Unternehmensbereiche in geeigneter Weise darstellen und eine gemeinschaftliche
Leistungserstellung vorbereiten. Gut ausgearbeitete Angebote sind eine hervorragende Visi-
tenkarte für das Unternehmen, auch für spätere Geschäfte oder solche in anderen Regionen
oder mit anderen Partnern des öffentlichen Sektors.
Im letzten Jahrzehnt erfolgte ein Großteil der von Regierungen getätigten Käufe online. Im Ver-
einigten Königreich zum Beispiel hat die Efficiency and Reform Group (Teil des Cabinet Office)
ein eigenes Online-Beschaffungsportal. Für ganz Europa hat die EU das Projekt PEPPOL gestar-
tet – Pan-European Public Procurement OnLine – und im September 2012 OpenPEPPOL einge-
führt. Hierbei handelt es sich um einen internationalen Non-Profit-Verband aus privaten und
öffentlichen Mitgliedern. Ziel von OpenPEPPOL ist die Schaffung zahlreicher Vorteile: z.B.
neue Geschäftsmöglichkeiten und höhere Wettbewerbsfähigkeit für Wirtschaftsbetriebe, beson-
ders für kleine und mittelständische Unternehmen, mit gleichzeitiger Kostensenkung durch
automatisierte Ausschreibungsverfahren; deutliche Einsparungen bei den Verwaltungs- und
Verfahrenskosten für öffentliche Auftraggeber durch standardisierte, zügige und rationalisierte
Abläufe; eine schnellere Entwicklung sowie ein Kapazitätsausbau in der ICT-Branche durch
eine stärkere Nachfrage nach neuen, nutzerfreundlichen IT-Lösungen.2

2 Siehe www.peppol.eu, Zugriff Mai 2018.

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Zusammenfassung

Z US A M M EN FA SSU N G

Der Markt zum Verkauf an Unternehmen, Institutionen und staatliche Dienststellen ist
sehr groß. In vielen Punkten ähneln sich dieser Markt und jener für Konsumgüter. Auf
dem Markt für Industriegüter hat man es jedoch mit wenigen, dafür zumeist größeren
Kunden zu tun, die zudem regional häufig stärker konzentriert sind.
Die Nachfrage ist in der Regel eine abgeleitete Nachfrage, sie ist unelastisch und starken
Schwankungen unterworfen. In der einkaufenden Organisation sind viele Mitglieder in
den Entscheidungsprozess eingeschaltet, die für den Einkauf Verantwortlichen sind gut
ausgebildet und agieren professioneller als Endverbraucher. Die Kaufentscheidungen
sind im Allgemeinen komplexer und der Kaufvorgang ist stark formalisiert.
Zu den Nachfragern von Industriegütern gehören Unternehmen, die Güter und Dienst-
leistungen beschaffen, um daraus Produkte und neue Dienstleistungen herzustellen und
zu verkaufen. Weiterhin gehören die Unternehmen des Groß- und Einzelhandels dazu,
die Güter kaufen, um sie mit Gewinn weiterzuverkaufen. Die Käufer auf diesem Markt
sehen sich drei Kaufsituationen gegenüber: identischer Wiederkauf, modifizierter Wie-
derkauf und Erstkauf. Die Entscheidungseinheit der kaufenden Organisation, das
Buying Center, kann aus vielen Personen bestehen, die unterschiedliche Rollen und
Aufgaben übernommen haben. Ein Anbieter auf diesem Markt muss Folgendes über das
Buying Center wissen: Wer sind die wichtigsten Mitglieder? Bei welchen Entscheidun-
gen üben sie Einfluss aus? Wie stark ist ihr Einfluss? Welche Auswahl- und Prüfkriterien
wenden die einzelnen Entscheidungsträger an? Der Anbieter muss auch die Einflüsse
des Umfelds, jene aus dem Zusammenwirken der Personen und die in der Person lie-
genden Einflüsse auf den Kaufvorgang erkennen und verstehen.
Der Entscheidungsfindungsprozess besteht aus acht Phasen:
1. Problemerkennung
2. Beschreibung des Bedarfs
3. Festlegung der Produkteigenschaften
4. Suche nach Lieferanten
5. Einholung von Angeboten
6. Auswahl und Festlegung der Lieferanten
7. Festlegung des Bestellverfahrens
8. Überprüfung von Qualität und Leistungsfähigkeit der Lieferanten
Da der Einkauf in Unternehmen, in Organisationen und bei staatlichen Dienststellen
zunehmend professionalisiert wird, müssen sich die Anbieter darauf einstellen und die
Mitarbeiter in Marketing und Vertrieb gut auf ihre Aufgabe vorbereiten.
Der Teilmarkt der öffentlichen Institutionen besteht aus Schulen, Hochschulen, Kran-
kenhäusern, Pflegeheimen, Kirchen, Gefängnissen und vielen anderen Einrichtungen,
welche die Personen in ihrer Obhut mit Gütern und Dienstleistungen versorgen.
Begrenzte Budgets und relativ strikte, häufig einengende Vorschriften für die jeweiligen
Einkäufer sind charakteristisch für diesen Markt.

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6 Märkte für Industriegüter – Besonderheiten des Business-to-Business-Marketings

Der Markt mit staatlichen Stellen als Käufern ist ein sehr großer und wichtiger Teil-
markt. Dienststellen des Staats auf allen Ebenen kaufen Produkte und Dienstleistungen
für die Verteidigung, für die Ausbildung, für soziale Aufgaben und andere Bedürfnisse
der Öffentlichkeit. Charakteristisch für die Einkaufspraktiken der öffentlichen Hand
sind vielfältige Formalitäten und genaue Liefervorgaben, häufig zusammen mit öffentli-
chen Ausschreibungen oder Verträgen für besondere Aufgaben. Die Einkäufe der öffent-
lichen Hand finden unter den wachsamen Augen der Parlamente, der Medien und vieler
weiterer Institutionen statt. Aus diesem Grund sind häufig mehr Formulare und mehr
Unterschriften als bei Verkäufen an Privatpersonen oder Privatunternehmen nötig.
Außerdem sind typischerweise längere Bearbeitungszeiten zwischen Angebotseinho-
lung und Auftragserteilung zu erwarten.

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Literatur und Quellen

Literatur und Quellen


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327
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
TEIL III
Strategische Optionen
und Marketing-Mix

7 Marktsegmentierung und Positionierung . . . . . . . . . . . . . . 331

8 Produkte, Dienstleistungen und Marken. . . . . . . . . . . . . . . 383

9 Die Entwicklung neuer Produkte und P


roduktlebenszyklusstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447

10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen


der Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493

11 Strategien der Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525

12 Distribution und Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559

13 Einzelhandel und Großhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607

14 Integrierte Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 647

15 Werbung und Public Relations (PR)/


Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693

16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung . . . . . . . . . . 739

17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles


und Social-Media-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785

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Marktsegmentierung und
Positionierung

7.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 7


7.2 Kundensegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
7.3 Auswahl von Zielmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

ÜBERBLICK
7.4 Differenzierung und Positionierung. . . . . . . . . . . . . . 358
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

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gen und Wiederholen von Definitionen

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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... die vier wichtigsten Schritte zur Entwicklung einer kundenorientierten Marke-
tingstrategie beschreiben: Marktsegmentierung, Auswahl von Zielmärkten, Differen-
zierung und Positionierung.
 ... die wichtigsten Segmentierungskriterien für Konsumgüter- und Industriegüter-
märkte benennen und erläutern.
 ... erklären, wie Unternehmen Marktsegmente entsprechend ihrer Attraktivität aus-
wählen und eine Marktabdeckungsstrategie entwickeln.
 ... erklären, wie Unternehmen ihre Produkte positionieren können, um größtmögliche
Vorteile gegenüber der Konkurrenz aufzubauen.

7.1 Einführung
Sie kennen nun die Definition von Marketing und wissen, wie wichtig es ist, Verbraucher
und das Marktumfeld zu verstehen. Mit diesem Hintergrundwissen können Sie nun tiefer in
die Marketingstrategien und -maßnahmen einsteigen. Dieses Kapitel befasst sich näher mit
den wichtigsten kundenbezogenen Marketingstrategie-Entscheidungen – die Unterteilung
von Märkten in sinnvolle Kundengruppen (Segmentierung), die Wahl der Zielgruppen (Tar-
geting), die Schaffung von Marktangeboten, die auf die Zielgruppen zugeschnitten sind (Dif-
ferenzierung) und Positionierung des Angebots im Bewusstsein der Verbraucher (Positionie-
rung). Die nachfolgenden Kapitel untersuchen dann die taktischen Marketinginstrumente –
die vier P –, mit denen Marketingverantwortliche diese Strategien in die Praxis umsetzen.
Als Einstieg in unsere Diskussion rund um Segmentierung, Zielgruppen, Differenzierung
und Positionierung beschäftigen wir uns mit dem Online-Modehändler Asos, der bereits von
Beginn an eine konsequente Ausrichtung auf seine Zielgruppe verfolgte und damit Erfolg
hatte – auch wenn das Geschäftsmodell einer mehrfachen Änderung unterzogen wurde.

Einführende Fallstudie: Asos – Fast Fashion für schnelle Kunden

Von Beginn an irritierte der Onlinemodehändler Asos seine Kritiker durch eine konse-
quente Ausrichtung auf seine Zielgruppe und beständige Anpassung seines Geschäfts-
modells. Asos teilte seinen Markt sehr sorgfältig auf und achtete darauf, seine Kunden
besser zu bedienen als der Wettbewerb. Durch die Konzentration auf seine Zielgruppe
und eine konstante Feinjustierung des Geschäftsmodells werden dem Kunden viele Vor-
teile geboten. Doch es lief nicht immer so reibungslos für das Unternehmen und auch in
der Zukunft liegen noch große Herausforderungen.

332
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7.1 Einführung

Abbildung 7.1: Asos-Webseite und App


(Quelle: Newscast Online Limited / Alamy Stock Photo)

Der erste Anlauf Als das ursprüngliche Unternehmen As Seen On Screen (Asos) im
Jahr 2001 an der Londoner Börse notiert wurde, war es für seine Repliken vom Roten
Teppich bekannt – es verkaufte Kopien der Kleider von Filmstars. Das Konzept war ein-
fach – gefiel einem das Outfit einer Schauspielerin im Fernsehen oder in einem Film,
konnte man die preiswerte Version davon auf der Asos-Webseite finden. Das erste
Geschäftsmodell bestand darin, die von den Stars getragenen Modelle zu zeigen und zu
verraten, wo diese zu haben sind – etwa durch eine Verlinkung auf die Webseite des
Anbieters gegen Gebühr (eine Gebühr, die die Markeninhaber auch oft nicht zahlen
wollten). Echte Modefans blickten sofort verächtlich auf das Start-up herab, Stars moch-
ten die Idee ebenfalls nicht und so war dem Geschäftsmodell kein großer Erfolg beschie-
den.
Die zweite Version Asos ersetzte das Geschäftsmodell und verkaufte dann selbst die
Produkte von Drittanbietern, statt die Kunden einfach mit fremden Webseiten zu verlin-
ken. Für das Geschäft ging es rasch aufwärts – 2011 gehörte Asos zu den größten Mode-
anbietern in Großbritannien, dessen Seite jeden Monat von 11 Millionen Einzelkunden
besucht wurde. Eine Hälfte des Umsatzes wurde in Großbritannien erlöst, die zweite
Hälfte auf internationalen Märkten. Ein Onlinemodehändler kann nie groß werden,
behaupteten Kritiker und unterschätzten die internetaffine Generation, welche mit 16
bis 34 Jahren die Kernkundschaft von Asos bildet. Daher ist seit der Gründung alles,
was Asos tut, auf den imaginären 22-jährigen Kunden ausgerichtet – das Durch-
schnittsalter der Käufer. Diese lassen sich in drei Zielgruppen einteilen: sogenannte Fas-
hion Forwards, damit sind Trendsetter gemeint. Die Fashion Passengers folgen den
Trends, während die Functional Fashions weniger trendbewusst sind.

333
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Kundenkommunikation wird in erster Linie in Blogs, Tweets oder auf Facebook geführt.
Dabei passen die meisten Asos-Mitarbeiter genau in das demografische Profil der Kun-
denbasis: jung, modisch und überwiegend weiblich. Es ist möglicherweise die größte
Stärke des Unternehmens, genau zu wissen, wer seine Kunden sind. Mitarbeiter einzu-
stellen, die genau dem Typus der Käuferschicht entsprechen, scheint der Garant dafür
zu sein die Kundenbedürfnisse genau zu kennen. Eine Folge dieses Vorgehens ist die
getarnte Marketingstrategie in den sozialen Netzwerken. Teenager glauben, sie hätten
Asos über diese Blogs und Tweets „entdeckt“ und haben nicht das Gefühl, von einer raf-
finierten Verkaufsmasche geködert worden zu sein.
Immer bereit, seine Kritiker zu verwirren, wurde der Fashion Finder gegründet – ein
Dienst, über den Marken beworben werden, die Asos selbst nicht im Angebot hat. In
Anlehnung an die US-amerikanischen Mode-Portaldienste Plyvore und ShopStyle soll
dieser Dienst Asos zu einer „ersten Anlaufstelle für Mode“ statt eines einfachen
Onlinestores machen. „Wenn man bei einem Modemagazin arbeitet, besteht die Aufgabe
darin, den Leser durch die Welt der Mode zu führen und diese auf den Seiten aufzube-
reiten. Warum können Händler das nicht auch?“, so Asos-Gründer Nick Robertson.
In den darauffolgenden fünf Jahren strebte Asos ein Umsatzziel von 1 Milliarde Pfund
sowie die Vertretung in fünf Märkten an. Die fünf Zielländer sollten die USA, Frank-
reich, Großbritannien, Deutschland und China sein. Sollte Asos der Durchbruch in
Asien gelingen, dürfte die Erfolgsgeschichte eine neue Dimension erreichen.
Der Absturz – ein wahrer Sturm der Ereignisse Im Jahr 2014 wurde Asos aber von
einer echten Krise getroffen, alles schien gleichzeitig schiefzulaufen. Die Gewinne bra-
chen in sechs Monaten um ein Fünftel ein, Analysten begannen bereits über eine neue
Onlineblase zu sprechen. Ein Kostenanstieg um 45 Prozent durch den teuren Marktein-
tritt in China und herbe Verluste bei diesem Unterfangen legten nahe, dass die Expan-
sion zu schnell vorangetrieben worden war. Das chinesische Wagnis kostete das Unter-
nehmen 8 Millionen Pfund, die Belieferung des Landes erwies sich als schwierig.
Mittlerweile wurden 60 Prozent des Umsatzes im internationalen Geschäft erzielt,
wobei dort höhere Margen als in Großbritannien erzielt wurden. Doch das Unternehmen
verkaufte über eine einzige Website und hatte dadurch keinen Mechanismus, um län-
derspezifische Preiserhöhungen oder Ermäßigungen umzusetzen. Die allgemeinen
Preisnachlässe auf breiter Front und parallel über alle Länder führten zum weiteren
Rückgang der Profitabilität – etwa zehn Prozent der Produkte waren jederzeit von Preis-
nachlässen betroffen. Das Unternehmen führte daraufhin eine „Preisgestaltung nach
Zonen“ ein und versuchte damit, in verschiedenen Märkten mit unterschiedlichen Prei-
sen zu reagieren.
Bricht für Asos ein neues Zeitalter an? Der Absturz war spektakulär, doch trotz der
Probleme im Jahr 2014 setzte Asos sein Wachstum fort und blieb in der Gewinnzone.
Alle relevanten Kriterien scheinen positiv – aktive Kunden, neue Kunden, Auftragsfre-
quenz, Artikelanzahl je Warenkorb. Noch immer verfügt das Unternehmen über eine
große globale Wachstumskapazität. Natürlich bleibt Nick Robinson bei seinem Ansatz,
dass man sich „voll und ganz auf den globalen Ausbau des Geschäftsmodells als welt-
weit führende Modeseite für Kunden in den Zwanzigern konzentrieren“ will. Er glaubt,
dass sich das Unternehmen von den Erschütterungen im Jahr 2014 erholt und wieder
Fahrt aufgenommen hat, besonders in den Übersee-Märkten.

334
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7.1 Einführung

Doch die Konkurrenz erfasste rasch das Potenzial von Onlinemode. Verkauften andere
Unternehmen in der Vergangenheit ihre Ware noch gern über Asos, wollten sie jetzt
mehr Kontrolle über ihre eigenen Marken und besonders über ihre Kundenbeziehungen.
Einst war Asos der einzige Onlineanbieter für preiswerte Mode, heute gibt es massen-
haft neue Wettbewerber wie Boohoo oder Missguided. Traditionelle Händler wie
Topshop und sogar M&S rüsten ihre Onlinegeschäfte auf. Die Marke Next, deren Direc-
tory-Versandgeschäft die Konkurrenz längst überholt hat, steigert die Umsätze bei Dritt-
marken. Auch Amazon hat den attraktiven Online-Modehandel im Blick. In der Realität
sind niedrige Preise und schnelle Leistungen mittlerweile für alle Kernbereiche von
Asos in Großbritannien und Europa zur Gewohnheit geworden und stellen keinen
besonderen Wettbewerbsvorteil mehr dar.

Fragen
1. Wie hat Asos anfänglich den Modemarkt aufgeteilt und seine Zielgruppen be-
stimmt?
2. Wie teilt Asos den Markt heute auf und wie werden die Zielgruppen heute ange-
sprochen? Sollte eine Neuausrichtung in Erwägung gezogen werden?
3. Hat Asos noch einen Wettbewerbsvorteil?

Ein Unternehmen, sei es im Konsum- oder im Industriegütergeschäft, kann in der Regel nicht
für alle Käufer im gleichen Maß attraktiv sein. Zu zahlreich, zu weit verteilt und zu unter-
schiedlich sind diese in ihren Bedürfnissen und in ihrem Kaufverhalten. Man sollte deshalb
nicht versuchen, einen Markt in seiner Gesamtheit zu bedienen, sondern jene Teile eines
Markts identifizieren, die man am besten bearbeiten kann. Segmentierung ist daher ein Kom-
promiss zwischen der Annahme des Massenmarketing, dass alle Menschen gleich behandelt
werden können, und der entgegengesetzten Vermutung, dass jede Person eine maßgeschnei-
derte Einzellösung benötigt. Es müssen kundenorientierte Marketingstrategien entwickelt
werden, die die richtige Beziehung zum richtigen Kunden aufbauen.
Der Schwerpunkt im Marketing verlagert sich immer mehr weg vom Massenmarketing hin zu
einer zielgruppenorientierten Vorgehensweise. Hierbei geht es um die Identifizierung von
Marktsegmenten, die Auswahl eines oder mehrerer Segmente und die Ausarbeitung eines
entsprechenden Marketing-Mix. Für eine effiziente Zielgruppenansprache wird ein zielgrup-
pengerechtes Produkt entwickelt und die Preise, Vertriebswege und Kommunikationsmaß-
nahmen werden entsprechend angepasst.
Zielgruppenmarketing hilft den Anbietern, ihre Absatzchancen besser zu identifizieren und
zu entwickeln, d.h. sie können das richtige Produkt für jeden Zielmarkt entwickeln und den
Preis, die Distributionskanäle und die Werbung genau auf den Zielmarkt abstimmen. Wäh-
rend beim Massenmarketing breit gestreute Maßnahmen, vergleichbar einem Schuss aus der
Schrotflinte, ohne große Wirkung verpuffen können, lassen sich beim Zielgruppenmarketing
die Marketingbemühungen auf genau definierte Kaufinteressenten mit speziellen Kaufab-
sichten konzentrieren.

335
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Auswahl der zu bedienenden Festlegung eines


Kunden Nutzenversprechens

Segmentierung Differenzierung
Unterteilung des Differenzierung des Markt-
Gesamtmarkts in angebots, um einen höheren
kleinere Segmente Kundenwert zu erzielen
Wert für Zielkunden
schaffen
Targeting Positionierung
Auswahl des Zielsegments Positionierung des
oder der Zielsegmente Marktangebots in den
Köpfen der Zielkunden

Abbildung 7.2: Marktsegmentierung, Marktauswahl und Marktpositionierung

Aus Abbildung 7.2 wird die Vorgehensweise des Zielgruppenmarketings ersichtlich. Im Rah-
men der Kundensegmentierung teilt man den Markt in Käufergruppen mit unterschiedlichen
Bedürfnissen, Eigenschaften oder Verhaltensweisen ein, die unterschiedliche Produkte und
einen differenzierten Marketing-Mix erfordern. Hierfür wendet man verschiedene Methoden
der Marktsegmentierung an und erarbeitet dann Profile für die daraus resultierenden Markt-
segmente. Bei der Marktauswahl wird jedes Marktsegment auf seine Attraktivität hin bewer-
tet und es werden eines oder mehrere Zielsegmente ausgewählt. In den beiden letzten Schrit-
ten entscheidet man, welches Nutzenversprechen man gegenüber den potenziellen Kunden
abgeben möchte und wie man Kundennutzen schaffen und vermitteln kann. Im Rahmen der
Differenzierung und Positionierung wird für jedes Zielsegment eine klare Abgrenzung und
Positionierung des Produkts gegenüber dem Wettbewerb bestimmt und ein detaillierter Mar-
keting-Mix entwickelt. Im Folgenden gehen wir näher auf die einzelnen Schritte ein.

7.2 Kundensegmentierung
Märkte bestehen aus Nachfragern, die sich unter anderem durch ihre Wünsche, ihre Ressour-
cen, ihre Wohnorte, ihre Einstellung zum Kauf und ihre Kaufgewohnheiten unterscheiden.
Mittels Kundensegmentierung teilt man große heterogene Märkte in kleinere, in sich homo-
gene Segmente auf. Diese lassen sich dann effizient bearbeiten, indem man Produkte und
Dienstleistungen entwickelt, die ihren einzigartigen Bedürfnissen entsprechen.
In den folgenden Abschnitten werden diese Themen behandelt:
 Segmentierung von Konsumgütermärkten
 Multivariate Segmentierung
 Segmentierung von Industriegütermärkten
 Segmentierung internationaler Märkte
 Anforderungen an eine effiziente Segmentierung

7.2.1 Segmentierung von Konsumgütermärkten


Es gibt nicht nur eine Methode, einen Gesamtmarkt in Segmente aufzuteilen. Marketer ver-
wenden in der Regel unterschiedliche Segmentierungsvariablen, allein und in Kombination
miteinander, um die bestehende Marktstruktur bestmöglich abzubilden. In Tabelle 7.1 sind

336
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7.2 Kundensegmentierung

die wichtigsten Segmentierungskriterien aufgelistet. Es geht dabei um geografische, demogra-


fische, psychografische und verhaltensorientierte Kriterien.

Geografische Merkmale
Großregionen in der Bundesrepublik zum Beispiel Bayern, Südwesten mit Baden-Würt-
temberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Westen mit Nordrhein-Westfalen,
Norden mit Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, neue Bundes-
länder und Berlin
in Großbritannien England, Wales, Schottland und Nordirland, in den
USA die Pazifikküste, die Gebirgsregionen, der mittlere Nordwesten, der
mittlere Südwesten, der mittlere Nordosten und die Großen Seen, der
mittlere Südosten, die südlichen Atlantikstaaten, die mittleren Atlantik-
staaten, die Neuenglandstaaten usw.
Stadt- und Gemeindegrößenklassen unter 5.000 Einwohner, 5.000–20.000, 20.000–50.000, 50.000–
100.000, 100.000–250.000, 250.000–500.000, 500.000–1.000.000,
1.000.000–4.000.000, über 4.000.000 Einwohner
Siedlungsdichte und Siedlungsform Dorf, Kleinstadt, Mittelstadt, Großstadt, Ballungsraum
Klima landesspezifisch tropisch, subtropisch, gemäßigtes Klima, kaltes Klima

Demografische Merkmale
Lebensalter unter 6 Jahre, 6–11, 12–19, 20–34, 35–49, 50–64, über 65 Jahre
Geschlecht männlich, weiblich
Position im Familienlebenszyklus jung/allein lebend, jung/als Paar lebend und ohne Kinder, jung/verheira-
tet und Kleinkind im Haushalt, mittleres Alter/verheiratet und größere
Kinder im Haushalt, mittleres Alter/Kinder aus dem Haus, ältere Perso-
nen/alleinstehend oder als Paar, sonstige Fälle
Haushaltseinkommen (in €) < 10.000, 10.000–15.000, > 15.000–20.000, > 20.000–30.000,
> 30.000–50.000, > 50.000–75.000, > 75.000–100.000, > 100.000
Berufliche Tätigkeit Kaufmännischer oder handwerklicher Beruf, Angestellter, Arbeiter,
Beamter, Landwirt, Rentner oder Pensionär, Vollzeitbeschäftigter, Teil-
zeitbeschäftigter, Arbeitsloser
Schulabschluss Hauptschule, Realschule, Fachschule, Gymnasium/Abitur, Fachabitur,
Fachhochschulabschluss, Universitätsabschluss
Religion evangelisch, katholisch, islamisch, jüdisch, ohne Religionszugehörigkeit
Staatsangehörigkeit derzeit ca. 200 Staatsangehörigkeiten

Psychografische Merkmale
Zugehörigkeit zu sozialer Klasse Unterschicht, obere Unterschicht, Arbeiterschicht, Mittelschicht, obere
Mittelschicht, untere Oberschicht, Oberschicht
Lebensstil und Lebensziele Personen mit Aufsteigermentalität, Gleichgültige, Erfolgreiche, Resig-
nierte
Persönlichkeit zwanghaft, gesellig, autoritär, anspruchsvoll etc.
Tabelle 7.1: Segmentierungsmerkmale für Konsumgütermärkte und Beispiele für mögliche Ausprägungen

337
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Verhaltensorientierte Merkmale
Kaufanlass Routinekäufe, besondere Kaufanlässe
Gesuchter Nutzen Qualität, umfassende Bedienung, niedriger Preis
Käuferstatus Nichtkäufer, früherer Käufer, Erstkäufer, regelmäßiger Käufer
Nutzungsintensität niedrig, durchschnittlich, stark
Treueverhalten keine Kundentreue, durchschnittliche, starke, absolute Treue zum Pro-
dukt
Stadien der Kaufbereitschaft Produkt unbekannt, bekannt, genauere Kenntnisse, interessiert, Kauf-
entscheidung steht fest
Einstellung gegenüber dem Produkt begeistert, positiv, gleichgültig, ablehnend, feindlich
Tabelle 7.1: Segmentierungsmerkmale für Konsumgütermärkte und Beispiele für mögliche Ausprägungen (Forts.)

Geografische Segmentierung
Die geografische Segmentierung wird anhand geografischer Kriterien vorgenommen. Dabei
handelt es sich je nach Aufgabenstellung um Staaten, Bundesländer oder vergleichbare Ein-
heiten, Landkreise, Städte oder Stadtteile. Ein Unternehmen trifft eine Entscheidung, ob es
nur ein Segment oder wenige derart definierte Segmente oder ob es alle bedienen will, um
dann aber unter Umständen auf bestehende Unterschiede zwischen den Segmenten einzuge-
hen. Viele Unternehmen lokalisieren heute Produkte, Werbung, Kampagnen und Verkaufsför-
derungen, um sich dem Bedarf individueller Regionen anzupassen.
Die großen Klimaunterschiede innerhalb Europas bedingen z.B. unterschiedliche Lebensge-
wohnheiten und Esskulturen. Im Süden (Italien, Spanien, Frankreich) findet ein größerer
Teil des täglichen Lebens im Freien statt als im Norden. So hat z.B. das Ignorieren unter-
schiedlicher Küchengrößen zu vielen Marketingfehlern geführt. Außerdem gibt es andere
Mahlzeiten, andere Zubereitungen von Speisen und andere Verpackungsgrößen bei vielen
Nahrungsmitteln.
Coca-Cola nahm in Spanien seine Zwei-Liter-Flaschen wieder vom Markt, nachdem man
festgestellt hatte, dass diese nicht in die Kühlschränke passten. Philips erzielte auf dem japa-
nischen Markt erst Gewinne, nachdem es kleine Kaffeemaschinen anbot, die den beengten
Platzverhältnissen angepasst waren.
Auch in vielen Kulturtechniken wie zum Beispiel beim Hausbau sind geografisch erhebliche
Unterschiede festzustellen. Von regional verwurzelten Unternehmen wie Handwerksbetrie-
ben werden diese speziellen Techniken beherrscht, überregionale und international tätige
Anbieter (zum Beispiel Fertighaushersteller) müssen diese Kenntnisse häufig erst gemeinsam
mit regionalem Fachpersonal erwerben.

Demografische Segmentierung
Demografische Segmentierung bedeutet, den Gesamtmarkt in Gruppen aufzuteilen, die durch
Variablen wie Alter, Geschlecht, Familiengröße, Position im Familienlebenszyklus, Einkom-
men, Beruf, Bildung, Religion, ethnische Gruppe und Nationalität bestimmt sind. Demografi-
sche Kriterien sind die wichtigste Basis der Marktsegmentierung. Dafür gibt es zwei Gründe:
Zum einen sind Bedürfnisse, Wünsche und Verbrauchsgewohnheiten eng mit demografi-
schen Kriterien verbunden. Zum anderen lassen sich diese vergleichsweise einfach messen.

338
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7.2 Kundensegmentierung

Selbst wenn andere Kriterien zur Segmentierung herangezogen werden sollen, müssen die
demografischen Kriterien ermittelt werden, um Aussagen zur Größe des Markts und zur
Erreichbarkeit der Käufer treffen zu können.
Segmentierung nach Altersgruppen Die Wünsche und Bedürfnisse von Konsumenten
ändern sich mit deren Alter. Einige Unternehmen verwenden eine Segmentierung nach Alter
und Position im Lebenszyklus, um spezifische Produkte anzubieten oder um spezielle Mar-
ketingmethoden für unterschiedliche Alters- und Lebenszyklusgruppen anwenden zu kön-
nen. Marketer müssen allerdings hinsichtlich Alter und Stellung im Lebenszyklus beachten,
dass sie nicht in ein Denken in Stereotypen verfallen.
Vitaminpräparate werden beispielsweise in unterschiedlichen Zusammensetzungen für fol-
gende Segmente angeboten:
 vier- bis zwölfjährige Kinder (in Form von Kaudragees)
 Teenager
 Erwachsene (eine Zusammensetzung für Männer und eine für Frauen)
 Senioren
 schwangere Frauen
Auch McDonald’s nimmt eine Segmentierung vor und adressiert Kinder, Jugendliche,
Erwachsene und Senioren mit unterschiedlicher Werbung. Bei den Programmen der privaten
Fernsehanbieter lässt sich eine zielgruppenorientierte Ausrichtung von Programmen und
Werbezeiten ausmachen. Inzwischen sind auch komplette Fernsehstationen auf bestimmte
Zielgruppen ausgerichtet wie zum Beispiel der Kinderkanal und der Musikkanal MTV.
Beim Spielwarenhersteller LEGO wird eine besonders genaue Segmentierung im Bereich des
Markts für Kinder angestrebt:

Produkteigenschaften und
Alter (Geschlecht) Serie
Motive
1½ bis 5 Jahre LEGO Duplo altersentsprechend großer Maßstab,
Themen wie Stadt, Bauernhof, Flugha-
fen, Burg und Piraten
4 bis 7 Jahre LEGO Juniors vielfältig einsetzbare Steine und Ele-
mente zum freien Bauen
4 bis 14 Jahre LEGO Creator thematisierte Einzelmodelle in verschie-
denen Maßstäben
5 bis 12 Jahre (Mädchen) LEGO Disney Princess und LEGO Friends Märchen zum Nachspielen und Themen
rund um Haus und Pferde
5 bis 14 Jahre LEGO Spielthemen realitätsnahe und Fantasie-Spielthe-
men, wie z.B. Stadt (Polizei, Feuerwehr,
Baustelle), Weltraum, Burg, Piraten und
Abenteurer
außerdem Lizenzthemen, wie LEGO Star
Wars, The Hobbit oder Minecraft
Tabelle 7.2: Segmentierung nach Altersgruppen beim Spielwarenhersteller LEGO

339
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Produkteigenschaften und
Alter (Geschlecht) Serie
Motive
7 bis 16 Jahre LEGO Technic sehr detaillierter, realistischer Modell-
bau
10+ Jahre LEGO Mindstorms detaillierter Modellbau & Programmie-
rung des NXT-Steins
12+ Jahre LEGO Architecture detaillierte Modelle bekannter Sehens-
würdigkeiten
Tabelle 7.2: Segmentierung nach Altersgruppen beim Spielwarenhersteller LEGO (Forts.)

Segmentierung nach Stellung im Lebenszyklus In bestimmten Märkten bildet eine Segmen-


tierung nach der Stellung im Lebenszyklus die einzige erfolgversprechende Vorgehensweise.
Zu diesen gehört jener für Pauschalreisen. Hier lassen sich die folgenden Gruppen unter-
scheiden:

Gruppe (Beispiele) Erwartungen


18 bis 30 Jahre/Single „4 x S“ für Sonne, Sand, See, Sex
Familien mit Kindern Kinderspiele, Kinderbetreuung, Familienprogramm, Kinderdisco
Senioren Komfort, Unterhaltung, Betreuung, Service
Tabelle 7.3: Segmentierungsansätze auf dem Markt für Pauschalreisen

Segmentierung nach Geschlecht Unterschiedliche Produkte für Männer und Frauen sind
immer schon üblich gewesen bei Kleidung, Haarpflege- und Kosmetikprodukten oder Zeit-
schriften. Inzwischen hat man weitere Segmentierungsmöglichkeiten entdeckt. Lange haben
Männer und Frauen die gleichen Deodorants benutzt. Inzwischen wurden Produkte mit star-
ker Betonung des Femininen ebenso entwickelt wie zum Beispiel ein Deodorant für Männer
von Nivea.
Auch die Autoindustrie hat begonnen, eine Segmentierung nach Geschlecht vorzunehmen.
So gibt es einige kleine Pkws, die überwiegend von Frauen gekauft und für deren Bedürfnisse
entwickelt werden (Audi A1, Opel Corsa, Peugeot 208). Bei Fahrzeugen für die Familie geht
man davon aus, dass Frauen den Argumenten für Sicherheit (steife Karosseriezelle, elektro-
nische Sicherheitssysteme) besonders aufgeschlossen gegenüberstehen, dass Türen leicht
aufgehen müssen (damit Einkäufe und Kinder leicht ins Auto gelangen) und dass auch geräu-
mige Fahrzeuge leicht zu bedienen sein sollten.
Ein vernachlässigtes Segment bezüglich des Geschlechts kann neue Chancen eröffnen. So
hatte Harley-Davidson sein Produktdesign und sein Marketing ausschließlich auf Männer
zwischen 35 und 55 Jahren ausgelegt. Doch inzwischen sind Frauen im Motorradbusiness
eines der am schnellsten wachsenden Kundensegmente. Die Zahl der Harley-Davidson-Besit-
zerinnen hat sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Das Unternehmen bemüht sich nun,
Frauen vom Rücksitz auf den Fahrersitz zu bewegen und reizt mit dem Bild einer starken,
unabhängigen Frau, die das Gefühl des Abenteuers liebt. Grundsätzlich bleibt Harley-David-
son jedoch seinem Image treu. „Ich glaube nicht, dass wir pinke Harley-Davidson-Maschinen
auf der Straße sehen werden. Die Harleys sollen an Frauen verkauft werden, und zwar an die
Frauen, die auch wirklich eine Harley fahren wollen“, so ein Analytiker.

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7.2 Kundensegmentierung

Segmentierung nach Einkommen Die Segmentierung nach Einkommen wird häufig für Pro-
dukte wie Pkw, Kleidung, Kosmetikartikel und Reisen verwendet. Viele Unternehmen spre-
chen die Zielgruppe der wohlhabenden Käufer mit Luxusgütern und besonderen Dienstleis-
tungen an, so z.B. die Marken der französischen Unternehmensgruppe LVMH: Louis Vuitton-
Taschen, Moët & Chandon-Champagner und Hennessy-Cognac. Luxushotels bieten z.B. spe-
zielle Programme an, um besonders wohlhabende Reisende anzusprechen.
Auch viele Händler haben ihre Strategien an die Jagd nach der „Platinwährung“ angepasst –
sie wollen eine breitere, jüngere, internationalere Zielgruppe sehr wohlhabender Käufer in
ihre Geschäfte an Standorten wie London oder Birmingham locken. Persönliche Kaufbera-
tung steigert die Attraktivität der Läden für die Käufer, die viel Geld, aber wenig Zeit haben.
Und russisch- sowie chinesisch-sprachiges Personal zieht verstärkt reiche Kunden aus die-
sen Ländern in die Geschäfte.
Dennoch wachsen nicht alle Unternehmen dadurch, dass sie sich auf das Segment mit dem
höchsten Einkommen konzentrieren. Indem etablierte Einzelhändler immer anspruchsvol-
lere Ladenlokale mit größerer Auswahl und zusätzlichen Dienstleistungen entwickeln, schaf-
fen sie auch einen Markt für solche Anbieter, die weniger wohlhabende Marktsegmente
bedienen wollen. Unternehmen wie ALDI oder Lidl haben aus dieser Möglichkeit einen Vor-
teil gezogen, indem sie mit einer schlanken Organisation, einer eingeschränkten Produktaus-
wahl und einer günstigen Lage ihre Preise niedrig halten.

Psychografischer Ansatz der Markts0egmentierung


Bei der psychografischen Segmentierung teilt man die Käufer gemäß ihrer Zugehörigkeit zu
einer sozialen Klasse, ihres Lebensstils oder ausgewählter Persönlichkeitsmerkmale in ver-
schiedene Gruppen ein. Dabei können Angehörige ein und derselben demografischen
Gruppe ganz unterschiedliche psychografische Merkmale aufweisen.
Segmentierung nach Klassenzugehörigkeit Mitglieder verschiedener sozialer Klassen haben
unterschiedliche Präferenzen in Bezug auf Autos, Bekleidung, Möbel, Freizeitaktivitäten,
Lesegewohnheiten und Händler. Viele Unternehmen entwerfen Produkte oder Dienstleistun-
gen für bestimmte soziale Klassen, indem sie Ausstattungsmerkmale anbieten, die von dieser
Klasse nachgefragt werden. Zum Beispiel gibt es in England Ferienzentren, die sich an die
britische „working class“ richten und die mit Bingo, Spielautomaten und Disco eine auf
diese Gruppe zugeschnittene Unterhaltung anbieten. Bei den Center Parks hingegen liegt die
Betonung auf Natur und Erholung für die mittlere Schicht. Gehobene soziale Klassen wiede-
rum fühlen sich von den Clubanlagen des Club Med angesprochen, die in Skigebieten oder
an exotischen Badestränden liegen und sehr gute Verpflegung und eine große Auswahl an
sportlichen Aktivitäten bieten.
Segmentierung nach Lebensstilen Wie wir in Kapitel 5 bereits angesprochen haben, wird das
Interesse an Gütern auch durch die Lebensgewohnheiten beeinflusst. Umgekehrt drücken die
Güter, die man kauft und besitzt, den Lebensstil aus. Modelle für eine Lebensstilsegmentie-
rung werden von Unternehmen selbst, von Werbeagenturen oder Marktforschungsunterneh-
men entwickelt.
Lebensstilsegmentierungen können von anderen Segmentierungskriterien überlagert oder
mit ihnen kombiniert werden. Für Seniorenmärkte definiert man oftmals zunächst Segmente
anhand von Alter und Position im Lebenszyklus, um dann im Rahmen einer weiteren Seg-
mentierung verhaltensorientierte Kriterien und Lebensstile zu berücksichtigen. Daraus las-
sen sich die folgenden Gruppen ableiten:
 Entdeckertypen, die im Alter neue Aktivitäten aufnehmen wollen (Reisen, Sport)

341
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

 Organisatoren oder „Macher“, die Aktivitäten für Freunde und Verwandte organisieren
 Teilnahmslose, die zu nichts Lust haben (ihnen ähnlich ist die nächste Kategorie)
 Sich selbst Bedauernde („Wir armen Alten“)
 Ängstliche
 Bequeme (häufig aufgeschlossene Kunden für Komfort im und um das Haus)
 Die Status-quo-Gruppe, die nichts verändern will
Eine andere Marktstudie beschäftigte sich mit dem Verzehr von Schokolade zu verschiede-
nen Anlässen. Dabei stellten sich zwei Typen heraus:
 Junge Frauen, die an einsamen Abenden Schokolade naschen, um sich zu trösten.
 Junge Männer, die nach der Arbeit und nach dem Sport noch etwas essen wollen, ohne
sich Zeit für die Zubereitung einer Mahlzeit zu nehmen.
Für den Typ der „depressiven Schokoladenascherin“, wie er in der Studie genannt wurde, sind
Geschmack und Aufmachung wichtig. Hier müssen einzeln fein verpackte Schokoladenstücke
mit besonderem Geschmack angeboten werden, die dann ruhig etwas mehr kosten dürfen.
Für die Männer des zweiten Typs eignen sich die feinen, elegant verpackten Schokoladen
nicht. Sie kaufen gerne im Vorübergehen einen Schokoriegel, den sie dann schnell zwischen
verschiedenen Aktivitäten essen.
Segmentierung nach Persönlichkeit Besonders findige Marketingfachleute nutzen Persön-
lichkeitsmerkmale zur Marktsegmentierung, indem sie ihren Produkten Persönlichkeiten zur
Seite stellen, die jenen ihrer Käufer entsprechen. Beispiele für diese Vorgehensweise finden
sich bei Zigaretten (die Freiheit, die der Cowboy erleben kann), Kosmetik (Identifikation mit
schönen, erfolgreichen Menschen), Versicherungen und alkoholischen Getränken.
Im Motorradmarkt nutzte Honda die Segmentierung nach Persönlichkeit, um sich auf dem US-
Markt zu behaupten. Mittlerweile sind auch Vespa und Triumph diesem Beispiel gefolgt. Ein
Werbespot von Honda zeigt ein Kind, das vergnügt auf seinem Bett auf und ab springt, wäh-
rend der Sprecher kommentiert: „Dein ganzes Leben hast du versucht, genau hierhin zu kom-
men“. Die Werbung erinnert den Zuschauer an das euphorische Gefühl, das er empfand, als er
sich zum ersten Mal von Autoritäten gelöst hat und genau das tat, was die Eltern immer unter-
sagt hatten. Anklang findet diese Werbung daher vor allem bei Trendsettern und Unabhängig-
keit liebenden Persönlichkeiten aller Altersstufen, sie spricht das rebellische, unabhängige
Kind in jedem von uns an. Die Zweiräder des Wettbewerbers Vespa ziehen in erster Linie coole
Individualisten an. Diese Strategie wird durch Vespa-Boutiquen unterstützt. Die dort vermit-
telte Art der Individualität unterscheidet sich von derjenigen, die durch die Darstellung von
Triumph-Motorrädern in dem Kinofilm „Mission Impossible 2“ oder durch das rebellische Bild
der gesetzlosen Biker in „The Wild One“ mit Marlon Brando verkörpert wird.
Segmentierung nach Marken-„Stämmen“ Marketing-Manager bezeichnen markenfokus-
sierte, psychografische Segmente manchmal als Marken-„Stämme“ – Gruppen von Kernver-
brauchern mit gemeinsamen Merkmalen, Markenerfahrungen und einer starken Affinität zu
bestimmten Marken.1 Der Apple-„Stamm“ z.B. setzt sich aus modernen, technikaffinen Indivi-
dualisten zusammen; der Nike-„Stamm“ vereint leistungsstarke Athleten. Marken derselben

1 Weiteres zu Marken-„Stämmen“ finden Sie bei Tina Sharkey, „What’s your tribe?“, Forbes, 25. Januar
2012, www.forbes.com/sites/tinasharkey/2012/01/25/whats-your-tribe-tap-into-your-core-consumers-
aspirations-like-nike-gatorade-babycenter-and-rei-do/; Seth Godin, Tribes: We Need You to Lead Us
(Portfolio, 2008)

342
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7.2 Kundensegmentierung

Produktkategorie zielen oft auf sehr verschiedene Markenstämme. So sind beispielsweise


McDonald’s und Starbucks beide Imbiss- und Coffeeshop-Konzepte, ihre Markenstämme unter-
scheiden sich jedoch wie Tag und Nacht.

Verhaltensorientierte Segmentierung
Die verhaltensorientierte Segmentierung teilt die Kaufinteressenten in Gruppen ein, basierend
auf Wissensstand, Einstellungen, der Nutzung und den Reaktionen auf ein Produkt. Viele Mar-
ketingfachleute sind der Meinung, dass Verhaltensvariablen die beste Ausgangsbasis für die
Schaffung von Marktsegmenten bilden. Eine Segmentierung kann erfolgen anhand von:
 Kaufanlässen
 Nutzenerwartungen
 Nutzerstatus
 Nutzungshäufigkeit
 Produktloyalität
Segmentierung nach Kaufanlässen Käufer können danach gruppiert werden, wann sie ein
Produkt planen zu kaufen, tatsächlich kaufen oder benutzen. Die Segmentierung nach Kauf-
anlässen kann einem Unternehmen helfen, bestimmte Verwendungsanlässe zu schaffen.
Orangensaft z.B. wird meist zum Frühstück getrunken, wohingegen die Produzenten damit
werben, dass Orangensaft ein kaltes Erfrischungsgetränk für den ganzen Tag ist. Für einige
Feiertage, wie Muttertag, werden spezielle Marketingstrategien entwickelt, um den Verkauf
von Schokolade, Blumen, Karten und anderen Geschenkartikeln zu fördern. Es gibt spezielle
Angebote und Werbemaßnahmen für diesen und andere Feiertage.
Segmentierung nach Nutzenerwartungen Eine besonders zielführende Methode der Segmentie-
rung ist die Einteilung der Kaufinteressenten nach ihren Nutzenerwartungen an das Produkt.
Die Segmentierung nach Nutzen erfordert zunächst, dass die Hauptvorteile, die Konsumenten
von einer Produktklasse erwarten, identifiziert werden. Dann sind die Konsumententypen, die
den jeweiligen Nutzen verlangen, sowie die Marken, die diesen bieten, zu bestimmen.
Durch eine Segmentierung nach Nutzenerwartungen können Unternehmen verdeutlichen,
warum die Käufer ausgerechnet ihre Produkte kaufen sollen. Sie können die Haupteigen-
schaften herausstellen und aufzeigen, wie sich das Produkt von anderen Produkten auf dem
Markt abhebt. Große und stark kontrastierende Segmente können zum Anlass genommen
werden, um neue Produktlinien zu entwickeln. Es lassen sich auch völlig neue Nutzenerwar-
tungen definieren und Marken aufbauen, die diese erfüllen.
Segmentierung nach Nutzer- bzw. Käuferstatus Hier wird die Segmentierung darauf ausge-
richtet, ob der Interessent bereits Käufer war oder nicht und wie oft er gekauft hat. Es lassen
sich folgende Kategorien unterscheiden:
 Nichtkäufer
 Ehemalige Käufer
 Potenzielle Käufer
 Erstkäufer
 Regelmäßige Käufer
Die Marktposition eines Unternehmens beeinflusst dessen Fokus auf diese Gruppen. Wäh-
rend Marktführer darauf abzielen, potenzielle neue Käufer zu werben, beschränken sich klei-
nere Unternehmen tendenziell darauf, regelmäßige Käufer von der Konkurrenz abzuwerben.

343
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Die potenziellen Kundengruppen beinhalten auch Menschen in prägenden Lebensphasen –


wie junge Ehepaare und Eltern –, die zu wichtigen Kunden werden können. IKEA z.B. liefert
10 Prozent aller in Großbritannien verkauften Möbel – jedenfalls behauptet das Unterneh-
men, dass einer von zehn Europäern in einem IKEA-Bett gezeugt wurde. IKEA zielt auch
ganz aktiv auf frisch Geschiedene. Nach einer Trennung müssen neue Wohnungen eingerich-
tet werden, häufig ohne üppige Mittel. Der typisch provokative Werbeansatz von IKEA ver-
wandelt die eigentlich schwierigen Probleme in etwas Positives und macht „Neu-Singles“ zu
einer wichtigen Käuferschicht für die preisgünstigen Möbel.2
Einen anderen Weg ging Kellogg mit einem Vollkornflockenprodukt. Man war der Ansicht,
dass das Segment der gesundheitsbewussten Käufer nicht groß genug sei. Im Marketing
betonte man den überlegenen Geschmack des Produkts und sprach so vor allem ehemalige
Nichtkäufer an.
Segmentierung nach Nutzungshäufigkeit Auf einigen Märkten lassen sich seltene, gelegentli-
che und häufige Nutzer identifizieren. Häufige Nutzer (heavy users) stellen oft nur einen
kleinen Prozentsatz der Marktteilnehmer, sind aber für einen hohen Anteil am Gesamtum-
satz verantwortlich.
Derartige Erkenntnisse führten auch dazu, dass viele Fluggesellschaften sogenannte Vielflie-
ger-Programme eingeführt haben. Diese richten sich vor allem an Geschäftsleute, die regel-
mäßig fliegen und teure Tickets kaufen. An diese Programme sind häufig Bonusleistungen
gekoppelt, deren Ausmaß mit der Flughäufigkeit steigt und die damit die Loyalität der Vielf-
lieger sichern.
Segmentierung nach Produktloyalität Viele Unternehmen gehen dazu über, Märkte anhand
der Loyalität ihrer Kunden zu segmentieren. Man geht davon aus, dass einige Kunden abso-
lute Markentreue zeigen, also eine bestimmte Marke zu jeder Gelegenheit wieder kaufen (z.B.
Apple). Die zweite Gruppe zeigt in gewissem Maß Markentreue und wechselt regelmäßig
zwischen zwei oder drei Marken. Eine dritte Gruppe zeigt überhaupt keine Markentreue. Ent-
weder möchten diese Käufer immer wieder etwas Neues ausprobieren oder sie kaufen dieje-
nige Marke, die gerade am günstigsten angeboten wird.
In der Regel konzentriert man sich auf die besonders loyalen Kunden, bietet ihnen Treuepro-
gramme an und versucht so, eine enge Bindung zwischen dem Käufer und seiner Marke zu
etablieren und diesen treuen Käufern zusätzliche Anreize zu bieten, damit sie immer wieder
die gleiche Marke kaufen. Nestlé hat in einigen Ländern den „Casa-Buitoni-Club“ gegründet,
der Informationen über italienisches Essen und italienische Lebensart vermittelt. Swatch
unterstützt den „Swatch-Club“, der seine Mitglieder beim Aufbau von Sammlungen berät
und ihnen Sondereditionen bevorzugt anbietet.
Die Effektivität von Treueprogrammen und die Segmentierung nach Produktloyalität werden
durch die Kaufgewohnheiten der Konsumenten eingeschränkt. Absolut loyale Kunden sind
selten und in vielen Märkten nur schwer zu identifizieren. Viele Konsumenten sind promiskui-
tiv und polygam in ihren Beziehungen zu Marken. Diejenigen, die eine bestimmte Marke favor-
isieren, werden dennoch hin und wieder Alternativen testen, viele Konsumenten wählen
grundsätzlich aus einem ganzen Spektrum bevorzugter Produkte. Selbst die polygamen Mar-
kenkäufer tauschen ihr Repertoire an Favoriten regelmäßig aus und kaufen bei der Konkurrenz.

2 Andrew Ward, „Retailer still strong on the home front“, Financial Times, 14. Januar 2011, S. 19; Sean
Poulter, „This flatpack nation“, Daily Mail, 7. Oktober 2010, S. 25.

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7.2 Kundensegmentierung

Ein Unternehmen kann durch die Analyse von Verhaltensmustern der Konsumenten in seinem
Markt sehr viel lernen. Zuerst müssen die eigenen, treuen Konsumenten analysiert werden. So
kann beispielsweise Apple durch die Analyse von Mac-Fanatikern seinen Zielmarkt genauer
bestimmen und das Marketing weiterentwickeln. Durch eine Analyse der weniger treuen Kun-
den kann das Unternehmen herausfinden, welche Marken am stärksten im Wettbewerb zur
eigenen Marke stehen. Werden zusätzlich noch Konsumenten analysiert, die die eigene Marke
meiden, so kann das Unternehmen Rückschlüsse auf seine Marketingschwächen ziehen.

7.2.2 Multivariate Segmentierung


Die meisten Unternehmen segmentieren ihre Märkte anhand mehrerer Kriterien. Es wurde
schon gezeigt, wie zum Beispiel LEGO zunächst nach dem Lebensalter segmentiert, bis sich
unterschiedliche Interessen entwickeln, und darauf aufbauend verschiedene Produktlinien
anbietet. Anbieter auf Seniorenmärkten segmentieren oftmals gleichzeitig nach Lebensalter,
Lebensstil und Einkommen.

Einfache multivariate Segmentierung


Viele Unternehmen segmentieren Märkte, indem sie zwei oder mehrere demografische Varia-
blen kombinieren. So werden zum Beispiel Seifenmarken von ganz unterschiedlichen Men-
schen benutzt, als Kriterien zur Marktsegmentierung eignen sich vor allem das Geschlecht
und das Alter.
In den USA befragte man vor einigen Jahren Männer und Frauen nach ihrer bevorzugten
Seife und erhielt folgende Ergebnisse:
 Die drei Top-Marken bei den Männern, Dial, Safeguard und Irish Spring, erzielten zusam-
men 30 Prozent Marktanteil.
 Bei den Frauen erzielten die drei Marken Dial, Zest und Coast zusammen 23 Prozent
Marktanteil.
 Bei den 45- bis 68-jährigen Männern und bei den 35- bis 44-jährigen Frauen war Dial die
beliebteste Marke.
 Bei den 18- bis 24-jährigen Männern und Frauen war die Marke Coast der Favorit.
Rein demografische Variablen wie das Lebensalter und das Geschlecht können mit Variablen
anderer Dimensionen, zum Beispiel der Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse, kombiniert
werden und zwei- oder mehrdimensionale Segmentierungsräume ergeben.

Fortgeschrittene multivariate Segmentierung


Bei der fortgeschrittenen multivariaten Segmentierung werden mehrere Variablen gleichzei-
tig zur Segmentbildung herangezogen. So entsteht ein vergleichsweise umfassendes Bild der
Konsumenten. Ein Beispiel hierfür ist die bereits vorgestellte Lebensstilsegmentierung, die
auf der simultanen Verarbeitung mehrerer psychografischer Kriterien basiert.
Ein international tätiges Pharmaunternehmen wurde mit einer gesetzlichen Beschränkung
seines Marketingbudgets konfrontiert und musste daher seine Mittel gezielter einsetzen. Eine
Studie über die Effizienz des Außendienstes ergab beispielsweise neun typische Tätigkeits-
bilder bei Allgemeinärzten, die Einfluss auf die Effizienz der Pharmaberater hatten. Zu ihnen
gehörten unter anderem:
Innovatoren Darunter verstand man Ärzte, die viele Medikamente in großen Mengen ver-
schrieben. Diese Ärzte waren jederzeit bereit, neue Konzepte auszuprobieren. Sie waren

345
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

innerhalb des Berufsstands als Meinungsführer und Forschertypen angesehen. Daraus ergab
sich allerdings, dass sie stets viel beschäftigt waren und sich selten die Zeit nahmen, einen
Pharmaberater zu empfangen. Für den Außendienst sind diese Ärzte schwierige Partner, aber
sie sind der Schlüssel zu einem andauernden Erfolg eines neuen Medikaments. Aufgrund
dieser Erkenntnisse wurde ihre Betreuung umstrukturiert. Sie erhielten besonderes, auf ihre
Ansprüche zugeschnittenes, forschungsorientiertes Informationsmaterial.
Kinderschreck So wurden Ärzte bezeichnet, die viele Medikamente verschrieben und sich
auch die Zeit nahmen, einen Pharmaberater zu empfangen. Andererseits hatten diese Ärzte
fast niemals Kinder als Patienten. Es wäre daher sinnlos für Marketing und Außendienst
gewesen, ihnen Medikamente für Kinder oder für die Behandlung von Babys und Kleinkin-
dern vorzustellen.
Hausfrauenpraxen Vereinzelt gab es Ärztinnen, die ihren eigenen Haushalt und ihre eigene
Familie hatten und die Praxis nicht in Vollzeitbeschäftigung betrieben. Wegen dieser zeitli-
chen Einschränkungen hatten sie nur wenige Patienten. Sie verschrieben auch kaum Medika-
mente. Für den Außendienst des Pharmaunternehmens waren diese Praxen keine lohnenden
Ziele.
Diese Erkenntnisse führten dazu, dass die Gesamtheit aller Arztpraxen segmentiert, Kampag-
nen auf die einzelnen Segmente zugeschnitten und so dem Außendienst ein geeignetes Steu-
erungsinstrument an die Hand gegeben wurde.

Mehrstufige Segmentierung
Häufig ist eine mehrstufige Segmentierung nötig. International tätige Unternehmen segmen-
tieren ihre Märkte zunächst nach Regionen oder Staaten (Makrosegmentierung) und segmen-
tieren dann innerhalb der Gebiete weiter (Mikrosegmentierung). Dies reflektiert entweder
unterschiedliche Bedürfnisse der einzelnen Regionen oder die Autonomie, die den regiona-
len Managern eingeräumt wird. Häufig nutzt man bei der Makrosegmentierung demografi-
sche und bei der Mikrosegmentierung psychografische oder verhaltensorientierte Kriterien.
Eine schwedische Studie über Industriegütermärkte belegt diese Vorgehensweise:
 Makrosegmentierung benutzt zumeist die geografische Lage, die Unternehmensgröße, die
Unternehmensstruktur und das Alter der Unternehmen als Segmentierungskriterien.
 Die bei der Mikrosegmentierung genutzten Kriterien sind vielfältiger: Unternehmensziele,
Marktnischen, Wettbewerbsverhältnisse, Wettbewerbsvorteile, Expansionsvorhaben, per-
sönliche Bedürfnisse, Produktionsverfahren, bediente Kundengruppen, Größe der Kunden.
Gelegentlich existieren auch mehr als zwei Segmentierungsebenen. Im Industriegütermarke-
ting kann auf einer dritten Ebene beispielsweise anhand der Personen innerhalb eines
Buying Centers segmentiert werden. Personen in verschiedenen Positionen erhalten unter-
schiedliche Ansprachen und Informationsmaterialien. So verläuft ein Gespräch mit dem
Nutzer einer Maschine anders als eines mit dem Finanzdirektor, der das Budget im Auge
behält.

7.2.3 Segmentierung von Industriegütermärkten


Viele der bisher diskutierten Segmentierungsvariablen werden für Konsum- und Industriegü-
termärkte gleichermaßen verwendet. Auch Unternehmen lassen sich geografisch, nach Nut-
zenerwartungen, Nutzerstatus, Nutzungshäufigkeit und Produkttreue segmentieren. Bei

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7.2 Kundensegmentierung

Märkten mit Unternehmen als Käufern kommen jedoch noch einige Segmentierungsvariab-
len hinzu:
 Charakteristika des Unternehmens
 Kriterien der Nutzung
 Organisation und Durchführung der Beschaffung
 Situative Faktoren
 Einflüsse der handelnden Personen und aus der Organisation
Tabelle 7.4 führt einige wichtige Fragestellungen auf, die Anbieter bei der Entscheidung,
welche Kunden sie bedienen wollen, berücksichtigen sollten.

Charakteristika des Unternehmens


Branche Auf welche Branchen, die dieses Produkt kaufen können, sollten
wir uns konzentrieren?
Unternehmensgröße Auf welche Unternehmensgrößen sollten wir uns konzentrieren?
Standorte Welche Gebiete/Regionen sollten wir bedienen?

Kriterien der Nutzung


Technologien Auf welche eingesetzten Technologien bei den Kaufinteressenten
sollten wir unser Angebot konzentrieren?
Verwender oder Nicht-Verwender Ist es aussichtsreicher, das Produkt Nicht-Verwendern, schwachen,
mittleren oder starken Verwendern anzubieten?
Fähigkeiten der Verwender Sollen wir uns an Kunden wenden, die viele oder wenige unterstüt-
zende Dienstleistungen benötigen?

Durchführung der Beschaffung


Organisation des Einkaufs Sind für uns Unternehmen mit zentralem Einkauf oder mit dezent-
raler Einkaufsverantwortung günstiger?
Innerbetriebliche Machtstrukturen Sollten wir uns auf Unternehmen konzentrieren, bei denen die
technischen Abteilungen entscheiden, oder sind für uns Unterneh-
men günstiger, bei denen die Finanzabteilung oder das Marketing
dominieren?
Bestehende Geschäftsbeziehungen Sollten wir uns auf Unternehmen konzentrieren, mit denen wir
lang etablierte Geschäftsbeziehungen unterhalten, oder können
wir uns einfach die Unternehmen heraussuchen, die uns als
Abnehmer am günstigsten erscheinen?
Einkaufspolitik der Kunden Sollten wir auch Leasingmöglichkeiten und Wartungsverträge
anbieten? Müssen wir Systemangebote machen und uns als Gene-
ralunternehmer betätigen? Ist die Abgabe von Angeboten im ver-
schlossenen Umschlag vorgeschrieben?
Kaufkriterien Sollen wir den Schwerpunkt auf Nachfrager legen, die Qualität
suchen, die kontinuierliche Betreuung benötigen, oder auf solche,
die das günstigste Angebot suchen?
Tabelle 7.4: Ansätze der Segmentierung für Industriegütermärkte

347
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Situative Faktoren
Dringlichkeit Sollen wir Abnehmer suchen, die schnelle und zuverlässige Liefe-
rungen und Services benötigen?
Einsatzbedingungen für unser Produkt Sollen wir uns auf bestimmte Verwendungen unseres Produkts
konzentrieren oder sollen wir alle Einsatzbedingungen abdecken?
Größe der Bestellungen und Lieferlose Sind für uns große oder kleine Bestellungen interessanter? Häufig
wird es beides geben: Großaufträge für Verwendung als Vorpro-
dukt und Kleinbestellungen für Nachrüstung und Ersatzbedarf.

Einflüsse der handelnden Personen und aus der Organisation


Ähnlichkeiten bei Käufern und Verkäufern Sollten wir uns in erster Linie an Interessenten wenden, die ähnli-
che Mitarbeiter und Wertvorstellungen haben wie wir?
Einstellung gegenüber Risiken Sollen wir risikofreudige oder risikoscheue Kunden suchen?
Kunden- und Lieferantentreue Sollen wir uns auf Unternehmen konzentrieren, die Treue und Fair-
ness gegenüber ihren Lieferanten zeigen?
Tabelle 7.4: Ansätze der Segmentierung für Industriegütermärkte (Forts.)

7.2.4 Segmentierung internationaler Märkte


Nur sehr wenige Unternehmen werden die Ressourcen oder den Willen haben, in allen Län-
dern der Welt tätig zu werden. Einige der ganz großen internationalen Unternehmen wie zum
Beispiel Unilever, Coca-Cola oder Sony sind immerhin in mehr als zweihundert Staaten
tätig. Die meisten müssen ihre Tätigkeit jedoch auf einige ausgewählte Länder konzentrieren.
In vielen verschiedenen Ländern tätig zu sein, bringt große Herausforderungen für ein Unter-
nehmen mit sich. Unterschiedliche Länder, auch jene, die nahe beieinander liegen, können
dramatisch in ihren wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen von-
einander abweichen. Analog zur Segmentierung der heimischen Märkte müssen internatio-
nal tätige Unternehmen ihre Märkte deshalb in Segmente mit ähnlichen Rahmenbedingun-
gen, Marktcharakteristika oder Kaufgewohnheiten gruppieren.
Dabei kann man sich einer oder mehrerer Segmentierungsvariablen bedienen. Im Rahmen
einer geografischen Segmentierung lassen sich Marktregionen bilden wie Westeuropa, Nahost,
Afrika, Nordamerika, Lateinamerika oder Asien. In vielen Regionen haben sich Länder zu poli-
tischen oder wirtschaftlichen Organisationen oder Freihandelszonen zusammengeschlossen
wie zum Beispiel die Europäische Union, die Association of South-East Asian Nations
(ASEAN) oder die nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA). Derartige Wirtschaftsräume
reduzieren die Handelsschranken zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten und erleichtern
das internationale Marketing dadurch, dass größere homogene Märkte entstehen.
Eine geografische Segmentierung unterstellt, dass Nationen, die geografisch nebeneinander
liegen, Gemeinsamkeiten aufweisen. Obgleich dies häufig der Fall sein mag, gilt es nicht
immer. Zum Beispiel haben das Vereinigte Königreich und Frankreich einiges gemeinsam.
Beide unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Kultur und der wirtschaftlichen Situation von
ihrem Nachbarn Spanien.
Aber auch innerhalb einer Region können sich die Menschen erheblich voneinander unter-
scheiden. Von Europa aus wird Südamerika mit seinen etwa 420 Millionen Einwohnern häu-
fig als eine homogene Region angesehen. Dabei wird oft vergessen, dass sich zum Beispiel

348
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7.2 Kundensegmentierung

Venezuela von Argentinien genauso unterscheidet wie Sizilien von Norwegen. Viele Süd-
amerikaner sprechen gar kein Spanisch, so die 200 Millionen Menschen in Brasilien, die Por-
tugiesisch sprechen.
Andere internationale Segmentierungsansätze knüpfen an wirtschaftlichen Kennzahlen wie
dem Pro-Kopf-Einkommen oder dem Wirtschaftswachstum an. Die wirtschaftliche Struktur
prägt die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Produkten und Dienstleistungen und damit die
Möglichkeiten, die sich dem Marketing bieten. Einige Länder wie zum Beispiel die „Gruppe
der Acht“ (USA, Großbritannien, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Japan,
Kanada, Italien und Russland) weisen hoch industrialisierte Volkswirtschaften auf. Eine
andere Gruppe lässt sich als Schwellenländer bezeichnen (an der Schwelle zur Industriali-
sierung). Zu ihnen zählen beispielsweise Brasilien, China, Mexiko, Malaysia und Taiwan.
Auch Kriterien aus Politik und Rechtsordnung wie Typ und Stabilität der Regierung, Aufge-
schlossenheit gegenüber ausländischen Unternehmen, Freiheit oder Regulierung des Zah-
lungsverkehrs und der Grad der vorhandenen Bürokratie können zu einer Segmentierung
von Ländern führen. Solche Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Auswahl der zu
bedienenden Auslandsmärkte und der Art des Markteintritts. Gleiches gilt für kulturelle Fak-
toren. Internationale Märkte können anhand gemeinsamer Sprachen, Religionen, Werte und
Einstellungen, Sitten und Verhaltensmuster gruppiert werden.
Wenn internationale Märkte anhand geografischer, wirtschaftlicher, politischer, kultureller
und anderer Faktoren in Segmente eingeteilt werden, geht man davon aus, dass sich aus
unterschiedlichen Ländern Gruppen bilden lassen. Die neuen Kommunikationstechnologien
jedoch, wie Satellitenfernsehen und das Internet, vernetzen Kunden in aller Welt; die Marke-
tingverantwortlichen können die Segmente gleichgesinnter Kunden also überall auf der Welt
ermitteln und erreichen. So können sie weltweite Zielgruppen über alle nationalen Markt-
grenzen hinweg definieren, z.B. anhand von Einkommens- und Verhaltenskriterien. Herstel-
ler hochwertiger Pkw oder von Luxusgütern wenden sich auf allen internationalen Märkten
an die Wohlhabenden, ungeachtet dessen, in welchem Land diese Menschen leben. Im Rah-
men einer solchen Cross-Market-Segmentation werden Konsumenten mit identischem
Bedarf und Kaufverhalten gruppiert, auch wenn sie aus unterschiedlichen Ländern kommen.

7.2.5 Anforderungen an eine effiziente Segmentierung


Es existieren immer mehrere Wege, einen Markt zu segmentieren, aber nicht alle Segmentie-
rungen sind sinnvoll. Ein Anbieter von Speisesalz könnte ermitteln, wie viele Menschen
blond, rothaarig oder schwarzhaarig sind. Aber die Haarfarbe wird das Kaufverhalten bei
Salz sicher nicht beeinflussen. Unter der Annahme, dass Salzverbraucher aufgrund von Mar-
ketingmaßnahmen nicht mehr oder weniger Salz kaufen und dass es keine Qualitäts- und
Preisunterschiede gibt, würde es nicht sinnvoll sein, diesen Markt zu segmentieren. Für eine
sinnvolle Aufteilung sollten die Marktsegmente folgende Eigenschaften aufweisen:
Messbarkeit Die Größe der Segmente, die Kaufkraft und die Profile ihrer Mitglieder müssen
messbar sein. Manche Segmentierungsvariablen sind jedoch nur schwer zu ermitteln. So soll
es in Europa über 30 Millionen Linkshänder geben, eine Menge, die fast den Bevölkerungs-
zahlen Polens oder Kanadas entspricht. Trotzdem sprechen nur wenige Unternehmen dieses
Segment direkt an. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass nur wenige Daten darüber vor-
liegen und das Segment schwer zu bestimmen ist.
Zugänglichkeit des Segments Die Marketingsegmente können effektiv erreicht und bedient
werden, sowohl physisch als auch kommunikativ. Nehmen wir an, ein großer Dufthersteller

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
7 Marktsegmentierung und Positionierung

findet heraus, dass männliche und weibliche Singles mit einem aktiven Leben und vielen
sozialen Kontakten eine wichtige Kundengruppe sind. Sofern diese Gruppe nicht an
bestimmten Orten lebt oder einkauft bzw. nicht in bestimmten Medien aktiv ist, werden
diese Kunden nur schwer zu erreichen sein.
Bedeutung des Segments Die einzelnen Segmente müssen eine Mindestgröße aufweisen oder
Mindestgewinne in Aussicht stellen können. Ein Segment sollte die größtmögliche homo-
gene Gruppe sein, die mit einem auf sie abgestimmten Marketingprogramm bedient werden
kann. Bestimmte maßgeschneiderte Sonderausführungen wie zum Beispiel ein Auto für Per-
sonen mit einer Körpergröße unter 1,40 Meter würden einfach nicht genug Käufer finden, um
die hohen Entwicklungskosten zu rechtfertigen.
Differenzierbarkeit Die Segmente sind begrifflich unterscheidbar und reagieren unterschied-
lich auf verschiedene Marketingelemente bzw. -programme. Wenn Männer und Frauen auf
Marketingmaßnahmen für Softdrinks gleich reagieren, so bilden sie keine unterschiedlichen
Segmente.
Durchführbarkeit und Umsetzbarkeit Marketingprogramme müssen in der Lage sein, die
identifizierten Marktsegmente individuell zu adressieren. Eine kleine Fluggesellschaft iden-
tifizierte sieben unterschiedliche Kundensegmente. Als es dann an die Umsetzung ging,
stellte man jedoch fest, dass man gar nicht die Ressourcen hatte, sieben Segmente mit eige-
nen Marketingprogrammen zu bedienen.

7.3 Auswahl von Zielmärkten


Hat man einen Markt in Segmente unterteilt, gilt es, diese zu bewerten und zu entscheiden,
wie viele und welche von ihnen bedient werden sollen. Im Folgenden beschäftigen wir uns
mit der Frage, wie Unternehmen Zielmärkte bewerten und auswählen können.
Marktsegmente sind auf zwei Fragestellungen hin zu überprüfen:
 Ist dieses Marktsegment für unser Unternehmen attraktiv?
 Kann unser Unternehmen für dieses Marktsegment ein passendes und wettbewerbsfähiges
Angebot unterbreiten?

7.3.1 Eignung und Attraktivität von Marktsegmenten


Bei der Bewertung von Segmenten sollte man deren Größe und voraussichtliche Wachstums-
raten, ihre Struktur sowie die Ziele und Ressourcen des Unternehmens ins Kalkül ziehen.
Segmente mit ausreichender Größe und günstigen Wachstumsaussichten sind selbstverständ-
lich vordergründig die interessantesten. Unterschiedliche Unternehmen werden jedoch in
der Regel zu voneinander abweichenden Bewertungen einzelner Segmente gelangen. Einige
Anbieter suchen solche mit großem Umsatz, hohen Wachstumsraten und hohen Gewinner-
wartungen. Jedoch stellen die größten, am schnellsten wachsenden Segmente nicht für jedes
Unternehmen den attraktivsten Zielmarkt dar.
Ein Segment kann zwar die ideale Größe und ein ausreichendes Wachstum aufweisen, aber
trotzdem nicht attraktiv erscheinen. Man sollte zunächst einige wichtige strukturelle Fakto-
ren überprüfen, welche die langfristige Attraktivität bestimmen. Hierzu gehört, dass man
einen genauen Blick auf die aktuellen und die potenziellen Wettbewerber wirft. Ein Segment
verliert entscheidend an Attraktivität, wenn dort bereits mehrere starke und aggressive Kon-
kurrenten tätig sind. Es besteht auch eine Bedrohung durch Ersatzprodukte. Ein Segment ist

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7.3 Auswahl von Zielmärkten

weniger attraktiv, wenn aktuelle oder potenzielle Ersatzprodukte existieren, die den Preis-
spielraum und die Gewinnerwartungen beschneiden. Entscheidend ist auch die Machtposi-
tion der Käufer, die bei einer entsprechenden Konstellation Preise drücken, mehr Qualität,
Leistungen oder Service zum gleichen Preis verlangen und die Konkurrenten gegeneinander
ausspielen können.
Eine weitere zu berücksichtigende Größe stellt die Macht der Lieferanten dar. Für einen Pro-
duzenten verliert ein Segment an Attraktivität, wenn er von seinen Zulieferern für Rohstoffe,
Ausrüstung oder Dienstleistungen unter Druck gesetzt werden kann oder wenn nicht genü-
gend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Dominieren bei den Zulieferern große
Unternehmen, besteht ein hoher Konzentrationsgrad, existieren keine Ersatzprodukte oder
Ausweichlieferanten oder handelt es sich um ein wichtiges Schlüsselprodukt, so können die
Lieferanten tendenziell höhere Preise durchsetzen oder bei der Qualität und den verbunde-
nen Leistungen (Fracht, Verarbeitungsgrad, Reinheit usw.) Abstriche machen.
Auch wenn ein Segment die richtige Größe und das richtige Wachstum aufweist und deshalb
als attraktiv beurteilt werden kann, sollte ein Unternehmen seine Zielvorstellungen und
seine Ressourcen für dessen Bedienung sorgfältig überprüfen. Auch ein vermeintlich attrakti-
ves Segment ist zu ignorieren, wenn es mit den langfristigen Zielen des Unternehmens nicht
vereinbar ist oder die Aufmerksamkeit und Energien von den Hauptzielen ablenkt. Manch-
mal handelt es sich dabei um Segmente, die zwar schnelle Gewinne versprechen, aus
umweltpolitischen Gesichtspunkten, aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung oder
wegen politischer Grundüberzeugungen jedoch äußerst problematisch erscheinen. In den
letzten Jahren kam häufig Kritik an einzelnen Unternehmen auf, die mit fragwürdigen Pro-
dukten und Taktiken Segmente wie Kinder, Senioren und Bevölkerungsschichten mit niedri-
gem Einkommen ansprachen.
Selbst starke Unternehmen können in Schwierigkeiten geraten, wenn sie in einem neuen
Segment einen schwachen Start haben. Bevor man sich für den Eintritt in ein neues Segment
entscheidet, sollte zunächst die Position auf dem Gesamtmarkt überprüft werden. Ein konti-
nuierlich steigender Marktanteil beispielsweise ist ein Indiz für unternehmerische Stärke,
während ein sinkender Marktanteil auf strukturelle Schwächen hindeutet, die durch den
Eintritt in ein weiteres Segment zumeist nicht behoben werden können. Man sollte daher kri-
tisch prüfen, ob genug Energie, Ausdauer und Ressourcen vorhanden sind, um in einem
neuen Marktsegment ein wirtschaftlich profitables Niveau zu erreichen. Ein Segmenteintritt
ohne bestehende Vertriebsstrukturen beispielsweise könnte sich als sehr kostenintensiv
erweisen.
Die Entscheidung, ein Segment zu bedienen, wird auch von außerhalb des Marketings liegen-
den Faktoren beeinflusst. Wie ist die Kostensituation des Unternehmens? Besteht die Mög-
lichkeit, Kapazitäten besser auszulasten? Ergänzt das neue Segment die technologischen
Stärken des Unternehmens, sind Synergie-Effekte zu erwarten?

7.3.2 Auswahl von Zielsegmenten


Da Käufer einzigartige Wünsche und Bedürfnisse haben, stellt eigentlich jeder einzelne einen
potenziellen separaten Markt dar. Idealerweise müsste ein Anbieter ein maßgeschneidertes
Marketingprogramm für jeden einzelnen Konsumenten entwerfen. Obwohl dies in bestimm-
ten Fällen geschieht, ist eine solche Vorgehensweise meistens nicht möglich, da man sich
einer großen Anzahl von Käufern mit kleinen Kaufmengen gegenübersieht. Man versucht
daher für die Auswahl eines Zielmarkts, breite Käufergruppen zu identifizieren, die jeweils

351
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
7 Marktsegmentierung und Positionierung

auf ähnliche Weise ihren Bedarf definieren und auf Marketinganreize reagieren. Die Band-
breite der Marktsegmentierung reicht vom Massenmarketing (man nimmt keine Segmentie-
rung vor) bis hin zum Mikromarketing (jeder Kunde ist ein Segment). Dazwischen existieren
Formen wie das Zielgruppenmarketing (die Bearbeitung ausgewählter Segmente) oder das
Nischenmarketing.

Massenmarketing Zielgruppen- Nischenmarketing Mikromarketing


marketing (Lokales oder
(Undifferenziertes (Differenziertes (Konzentriertes individuelles
Marketing) Marketing) Marketing) Marketing)

Breite Enge
Zielgruppenansprache Zielgruppenansprache
Abbildung 7.3: Abstufungen der Marktsegmentierung

Massenmarketing
Beim undifferenzierten Marketing (oder Massenmarketing) sind Produkte, Distribution und
Werbung für alle Käufer gleich konzipiert. Man ignoriert die Unterschiede zwischen den ein-
zelnen Segmenten und bedient den Markt mit einem Einheitsangebot. Dies kann sinnvoll
sein, wenn die Unterschiede als gering und unbedeutend einzuschätzen sind und man zu der
Überzeugung gelangt, dass das Produkt den Ansprüchen mehrerer Segmente genügt. Das
Angebot konzentriert sich auf die Gemeinsamkeiten bei den Bedürfnissen der Kaufinteres-
senten und nicht auf die Unterschiede. Man entwickelt ein Produkt und ein Marketingpro-
gramm, das den größten Teil der Kaufinteressenten anspricht.
Coca-Cola zum Beispiel produzierte lange Zeit nur ein einziges Produkt, in einer einzigen
Flaschengröße, und erwartete, dass dies jedermann gefallen würde. Henry Ford präsentierte
den Konsumenten lediglich ein Auto, das T-Modell, und dieses war auch nur in einer Farbe
erhältlich, in Schwarz. Ford verlor jedoch im Laufe der Zeit aufgrund dieser Strategie die
Marktführung. Argumente für das Massenmarketing sind die geringen Kosten, die niedrige
Preise und damit die Erschließung breiter Käuferschichten ermöglichen sollen. Eine einheit-
liche Produktlinie bedeutet geringe Kosten für Produktion, Lagerhaltung, Transport und Wer-
bung. Wenn von vornherein auf Marktforschung für Segmentierung verzichtet wird, sinken
auch die Kosten für Marktanalyse und Produktmanagement.
Heutzutage erschweren viele Faktoren das Massenmarketing. Die einstigen Massenmärkte
sind in eine Vielzahl kleinerer Segmente zersplittert. Dies macht das Massenmarketing mit
nur einem Produkt in den meisten Bereichen unmöglich, wenn dieses zum Beispiel von den
Tropen bis in die Arktis oder für verschiedene ethnische und gesellschaftliche Gruppen
angeboten werden müsste. Es ist zunehmend schwieriger, ein Produkt oder ein Produktpro-
gramm zu entwickeln, das alle diese Gruppen anspricht. Auch das Entstehen neuer Werbe-
medien und Vertriebskanäle hat die Praxis des „Eines passt für alle“-Ansatzes erschwert.
Somit ist es nicht verwunderlich, dass sich immer mehr Unternehmen aus dem Massenmar-
keting zurückziehen und sich dem Zielgruppenmarketing zuwenden.

Zielgruppenmarketing
Ein Unternehmen, das differenziertes Marketing (oder Zielgruppenmarketing) betreibt, berück-
sichtigt die unterschiedlichen Bedürfnisse, Wahrnehmungen und das Kaufverhalten der Käufer.
Es versucht, Segmente, die einen homogenen Markt bilden, zu isolieren, und passt sein Angebot
so an, dass es mit den Bedürfnissen eines oder mehrerer Segmente übereinstimmt.

352
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7.3 Auswahl von Zielmärkten

Bei diesem Marketingansatz bietet der Hersteller zwei oder mehr Produkte an, die sich in
Bezug auf Ausstattung, Aussehen, Qualität, Verpackung, Größe usw. unterscheiden. Coca-
Cola zum Beispiel ging in einem späteren Schritt dazu über, sowohl die Verpackungsgrößen
zu variieren als auch andere Produkte wie Fanta (Orange) oder Sprite (Zitrone) einzuführen.
Das Argument für das Marketing mit Produktvarianten ist, dass die Verbraucher einen unter-
schiedlichen Geschmack und unterschiedliche Bedürfnisse haben, die sich im Laufe der Zeit
durchaus ändern können und bedient werden sollten.
Durch das Angebot segmentspezifischer Produkte oder Dienstleistungen hofft ein Unterneh-
men auf höheren Absatz und eine stärkere Position in jedem der bedienten Märkte. Häufig
zielt man auch darauf ab, Käufer bei einem Wiederholungskauf mit geänderten Bedürfnissen
nicht zu verlieren (Pkw: erst Zweisitzer, dann Familienkombi).
Differenziertes Marketing schafft in der Regel mehr Umsatz als undifferenziertes Marketing.
Eine Fluggesellschaft hat auf einer Transatlantikstrecke in einem Airbus A340 folgende Tarif-
struktur:
 Passagiere in der Economyclass mit Tickets zwischen 500 Euro (Reisebüro/Vorausbu-
chung) und etwa 1.000 Euro (freies Economy-Ticket)
 Passagiere der Businessclass mit mehr Komfort und mit Tickets für ca. 3.000 Euro
 Passagiere in der First Class, von denen jeder etwa 5.000 Euro bezahlt hat
Die Fluggesellschaft hätte keine Probleme, alle Sitze eines Fluges zum Preis von ca. 500 Euro
zu verkaufen. Mit diesem Preis wäre jedoch nicht einmal Kostendeckung erreicht. Anderer-
seits ließe sich mit den Preisen der Businessclass oder der First Class das Flugzeug nicht bis
zur hundertprozentigen Auslastung füllen und es wäre ebenfalls keine Kostendeckung
erreicht. Möglicherweise müssten auf lange Sicht kleinere Maschinen eingesetzt werden. Da
einige Passagiere offensichtlich immer bereit sind, für Komfort und Flexibilität bei der
Buchung mehr zu bezahlen, und andere Passagiere sich den Flug nur dann leisten können,
wenn er preiswert ist, wird über das Instrument des differenzierten Angebots beiden Grup-
pen gegenseitig die Reise ermöglicht.
In vieler Hinsicht bietet Zielgruppenmarketing einige Vorteile gegenüber dem Massenmarke-
ting. Ein Unternehmen kann seine Produkte und Dienstleistungen, seine Distributionskanäle
und seine Kommunikation auf die Interessenten ausrichten, die es optimal bedienen kann,
und arbeitet dadurch effizienter. Es kann auch sein, dass sich das Unternehmen gegenüber
einer geringeren Anzahl an Konkurrenten behaupten muss, weil sich andere Wettbewerber
möglicherweise entschlossen haben, das ausgewählte Segment nicht zu bedienen.
Differenziertes Marketing erhöht jedoch die Kosten. Für ein Unternehmen ist es im Normalfall
teurer, zehn Einheiten von zehn unterschiedlichen Produkten zu entwickeln und zu produzie-
ren, als hundert Einheiten eines einzelnen Produkts. Unterschiedliche Marketingpläne für ver-
schiedene Segmente umzusetzen, erfordert zusätzliche Marktforschung, Prognosen, Ver-
kaufsanalysen, Kommunikationsplanung und ein Management der Absatzkanäle. Um sich für
eine differenzierte Marketingstrategie zu entscheiden, muss ein Unternehmen zusätzliche Ver-
käufe gegenüber den erhöhten Kosten abwägen.

Nischenmarketing
Marktsegmente sind normalerweise große erkennbare Gruppen innerhalb des Gesamtmarkts.
Der Automobilmarkt beispielsweise kann grob in einen Markt für Luxusfahrzeuge, für Sport-
wagen, für die obere und untere Mittelklasse und für Kleinwagen segmentiert werden. Das

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7 Marktsegmentierung und Positionierung

konzentrierte Marketing (oder Nischenmarketing) wendet sich an enger definierte Untergrup-


pen in diesen Segmenten.
Auf vielen Spezialgebieten des Maschinenbaus wie zum Beispiel bei Abschleppfahrzeugen,
Feuerwehrleitern oder Krankenwagen sind einige wenige mittelständische Unternehmen
bundes- oder europaweit Marktführer. Auch in den USA werden ähnliche Segmente von
kleinen Spezialanbietern beherrscht. Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Oshkosh Truck,
das auf dem Markt für Flughafen-Rettungsfahrzeuge US-Marktführer ist.
Solche Marktnischen sind in der Regel sehr klein und die Anbieter müssen alles aufbieten,
um die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen. Diese sind im Gegenzug bereit, Preisaufschläge
zu bezahlen. Ferrari kann für seine Produkte hohe Preise verlangen, denn seine loyalen Kun-
den sind überzeugt, dass kein anderes Automobil dem Gesamtangebot von Ferrari in Bezug
auf Produkt, Service und Status nahekommen kann.
Das Nischenmarketing gibt auch kleineren Unternehmen die Möglichkeit, effizient im Markt
zu konkurrieren, indem sie ihre beschränkten Ressourcen auf Nischen konzentrieren, die für
die großen Konkurrenten unwichtig sein mögen oder von ihnen übersehen werden. Zum Bei-
spiel bietet eine Reihe kleiner Reiseveranstalter exklusive Safaris in Afrika an, die so in den
Katalogen der großen Anbieter nicht zu finden sind. Zudem ist heute der Betrieb eines Inter-
net-Shops so günstig, dass selbst die Bedienung vermeintlicher Nischenmärkte profitabel
erscheint. Besonders kleine Unternehmen entdecken die Vorzüge des Geschäfts mit Nischen-
märkten im Web.
Nischenmarketing wird jedoch auch von großen Unternehmen betrieben. So bietet Nike
nicht nur Produkte für Massensportarten wie Fußball, Basketball oder Leichtathletik an, son-
dern auch für kleine Nischen wie Straßenhockey.
Ein konzentriertes Marketing kann äußerst profitabel sein. Gleichzeitig birgt es aber auch
höhere Risiken. Unternehmen, die ihr Geschäft nur auf einem oder wenigen Segmenten auf-
bauen, werden bei Schwierigkeiten in diesem Segment Probleme bekommen. Oder größere
und besser ausgestattete Wettbewerber entscheiden sich, dasselbe Segment zu bedienen.
Daher ziehen es viele Firmen vor, in mehreren Marktsegmenten aktiv zu sein. Tatsächlich
entwickeln oder erwerben einige große Unternehmen eigene Nischenmarken – mit dem Ziel,
dass diese sich auf kleineren, spezialisierten Märkten effektiver behaupten und in der Hoff-
nung, dass heutige Nischenmarken sich eines Tages zu Hauptmarken entwickeln.3

Mikromarketing
Unternehmen, die Segmente oder Nischen bedienen, richten ihr Angebot und ihr Marketing-
programm genau auf die in diesen identifizierten Bedürfnisse aus. Dennoch passen sie ihr
Angebot nicht an die Kundenwünsche eines jeden einzelnen Käufers an. Zielgruppenmarke-
ting und Nischenmarketing stellen vielmehr die Mitte zwischen den beiden Extremen Mas-
senmarketing und Mikromarketing dar. Letzteres ist darauf ausgerichtet, die Produkte und
Marketingprogramme an den Geschmack und die Bedürfnisse einzelner Personen und an
bestimmte Standorte anzupassen. Mikromarketing beinhaltet lokales und individuelles Mar-
keting:
Lokales Marketing Zum lokalen Marketing gehört es, Produkte und Marketingaktionen auf
lokal begrenzte Kundengruppen wie die Bevölkerung einer Stadt oder eines Stadtteils auszu-
richten. Das lokale Marketing hilft einem Unternehmen, regional oder lokal bestehende

3 Siehe dazu Jack Neff, „Making the case for the Titans“, Advertising Age, 7. Oktober 2013, S. 14.

354
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7.3 Auswahl von Zielmärkten

Unterschiede bezüglich Demografie und Lebensstilen in seinem Sinne mit einem genau dar-
auf abgestimmten Angebot zu nutzen. Die lokalen Händler als „Kunden vor Ort“ begrüßen
derartige Bemühungen, weil dadurch auch ihre Position gestärkt wird. So richtet IKEA
bestimmte Promotion-Aktivitäten am lokalen Umfeld seiner Möbelhäuser aus. Ähnlich ver-
fährt Tesco in Großbritannien. Die Analyse der geodemografischen Charakteristika seiner
Kunden und die Nutzung weiterer Kundendaten ermöglicht Tesco die Anpassung der Ver-
kaufsfläche an das jeweilige Umfeld und die spezifischen Bedürfnisse der lokalen Kunden.
Fortschritte in der Kommunikationstechnologie ermöglichen mittlerweile das gezielte
Ansprechen von Kunden, die sich der Filiale eines Händlers nähern. Diese werden über die
Ortungsfunktion des Smartphones zunächst identifiziert und dann mittels SMS oder Apps
über spezielle Anzeigen oder Angebote motiviert, das Geschäft zu besuchen – und beispiels-
weise den Coupon für einen Cappuccino bei Starbucks einzulösen. Man spricht hier von
sogenannten Location based services.
Lokales Marketing hat aber auch einige Nachteile. Es kann zu einer Erhöhung der Produk-
tions- und Marketingkosten kommen, da die Kostenvorteile der Massenproduktion geschmä-
lert werden. Zudem tauchen möglicherweise Probleme in der Logistik auf, wenn Unterneh-
men versuchen, die unterschiedlichen Anforderungen verschiedener regionaler und lokaler
Märkte zu berücksichtigen. Das Image einer Marke kann verwässern, wenn an unterschiedli-
chen Orten verschiedene Produkte angeboten und Botschaften kommuniziert werden. Den-
noch wiegen die Vorteile des lokalen Marketings seine Nachteile oftmals auf, da sich Unter-
nehmen immer häufiger fragmentierten Märkten gegenübersehen und sich zunehmend neuer
Technologien zu deren individueller Bearbeitung bedienen können.
Individuelles Marketing Im Extremfall wird das Mikromarketing zum Marketing für jeden
einzelnen Käufer, d.h. Produkt- und Marketingprogramm werden auf die Bedürfnisse und
Vorlieben jedes einzelnen Kunden abgestimmt. Individuelles Marketing wird auch als „One-
to-One-Marketing“, „Customised Marketing“ oder „Segment-of-one-Marketing“ bezeichnet.
Die Dominanz des Massenmarketings, die ein Ergebnis der Industrialisierung war, hat die
Erinnerung daran verwischt, dass individuelles Marketing über viele Jahrhunderte die vor-
herrschende Form war. Die Kunden wurden als Individuen bedient: Der Schneider lieferte
einen maßgeschneiderten Anzug, der Schuhmacher die Schuhe dazu und der Schreiner fer-
tigte Möbel genau nach den Vorgaben seiner Kunden an.
Gerade heute erlauben es die neuen Technologien auch großen Unternehmen wieder, zum
individuellen Marketing zurückzukehren und damit genau auf die Wünsche der einzelnen
Käufer einzugehen. Leistungsfähige Computer, detaillierte Datenbanken, automatisierte Pro-
duktionsstraßen und Kommunikationstechnologien haben dazu beigetragen, eine individua-
lisierte Massenproduktion, die sogenannte Mass Customization, zu ermöglichen. Hierunter
versteht man die Fähigkeit, im Rahmen der Massenproduktion den Wünschen einzelner
Kunden entsprechende, individuell konfigurierte Produkte zu fertigen.
Auf den Märkten für Konsumgüter findet man solche individualisierten Produkte, angefan-
gen bei Pauschalreisen, Kleidung und Möbeln bis hin zu Computern und manufakturgefertig-
ten Fahrrädern. Durch das One-to-One-Marketing wurden die Beziehungen zu den Kunden
wichtiger als je zuvor. War Massenproduktion das Marketingprinzip des 20. Jahrhunderts, so
ist seit Beginn des 21. Jahrhunderts das interaktive Marketing in den Mittelpunkt gerückt.
Marketing-Manager suchen auch neue Wege, um die Werbebotschaften zu personalisieren.
Plasma-Bildschirme, die weltweit in Einkaufszentren stehen, können heute z.B. die Gesich-
ter der Käufer analysieren und auf das Geschlecht, das Alter oder die Ethnologie der Kunden
zugeschnittene Anzeigen schalten. Die Gesichtserkennungstechnologie geht noch einen

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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Schritt weiter, indem sie die Person wahrnimmt und Botschaften wie Angebote an ihre Inter-
essen und Kaufverhalten anpasst. Auch Marketingexperten im Bereich B2B entdecken neue
Möglichkeiten, ihre Angebote entsprechend zu gestalten. Auf dem Weltmarkt für Landwirt-
schaftsmaschinen produziert John Deere beispielsweise Ansaat-Geräte, die in mehr als 2 Mil-
lionen Versionen zu haben sind und so den individuellen Kundenanforderungen entspre-
chen. Die Sämaschinen werden mit jedem Arbeitsablauf und in einem Produktionsbereich
einzeln hergestellt. Die massenweise Anpassung an Kundenwünsche ermöglicht so eine
Abgrenzung von der Konkurrenz.

Auswahl einer Segmentstrategie


Bei der Auswahl der zu bedienenden Märkte sind viele Faktoren zu berücksichtigen. Die bes-
ten Strategien sind diejenigen, die von den Möglichkeiten und Ressourcen des Unternehmens
ausgehen. Das konzentrierte Marketing bietet sich insbesondere für Unternehmen mit
beschränkten Mitteln an. Die jeweils optimale Strategie hängt auch von der Veränderbarkeit
des Produkts selbst ab. Undifferenziertes Marketing ist daher für Produkte wie Orangen oder
Stahl sinnvoll. Bei Produkten, die man in Konstruktion und Ausstattung variieren kann, wie
Automobile oder Fotoapparate, sollte man die Chance der Differenzierung oder Konzentration
nutzen. Weiterhin ist die Position innerhalb des Produktlebenszyklus zu berücksichtigen.
Wenn ein Unternehmen ein neues Produkt einführt, ist es zweckmäßig, zunächst nur eine Ver-
sion vorzustellen. Undifferenziertes oder konzentriertes Marketing sind daher am ehesten
geeignet. Im Reifestadium des Produktlebenszyklus kann man dann zum differenzierten Mar-
keting übergehen. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Veränderbarkeit der Märkte. Undifferen-
ziertes Marketing ist angebracht, wenn Käufer den gleichen Geschmack haben, über ähnliche
Budgets verfügen und gleichartig auf Marketinganreize reagieren. Schließlich sind die Marke-
tingstrategien der Wettbewerber wichtig. Setzen diese Marktsegmentierung ein, könnte undiffe-
renziertes Marketing schlimmstenfalls einem wirtschaftlichen Selbstmord gleichkommen.
Andererseits kann ein Unternehmen viel gewinnen, wenn die Konkurrenten undifferenziertes
Marketing einsetzen, indem es gezielt differenziertes oder konzentriertes Marketing betreibt.

7.3.3 Die Festlegung der zu bedienenden Marktsegmente


In jedem Segment sind spezifische Voraussetzungen und Anforderungen zu erfüllen, um
erfolgreich agieren zu können. Wenn diese grundsätzlich mit den Stärken des Unternehmens
übereinstimmen, ist zu prüfen, ob es die Fertigkeiten und die Ressourcen hat, um in diesem
Segment erfolgreich zu sein. Selbst wenn ein Unternehmen die nötige Stärke hat, muss es
Fähigkeiten und Ressourcen einsetzen, die denen der Wettbewerber überlegen sind, um
wirklich erfolgreich zu sein. Ein Unternehmen sollte nur dann in einem Segment tätig wer-
den, wenn es einen überlegenen Gegenwert anbieten kann und Vorteile gegenüber den Kon-
kurrenten hat.
Das Unternehmen in Abbildung 7.4 ist in keinem der attraktiven Segmente sehr stark. Die
Segmente 13 und 17 sehen interessant aus, denn sie sind attraktiv und entsprechen den Stär-
ken des Unternehmens. Segment 3 ist ähnlich, aber das Unternehmen müsste dort noch Leis-
tungsfähigkeit aufbauen, wenn es konkurrieren will. Die Segmente 1, 6 und 9 sind attraktiv,
aber man hat dort keine Stärke zu bieten und müsste in diesen Bereichen neue Stärken auf-
bauen, wenn man konkurrenzfähig sein will. Ohne diese Investition erscheint es wenig ziel-
führend, in diese Segmente zu gehen. Man muss deshalb entscheiden, ob es sich lohnt, in
mehr als ein Segment neu einzutreten und zu investieren. Für die Segmente 2 und 12 wäre
das Unternehmen gut gerüstet, aber sie sind nicht attraktiv.

356
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7.3 Auswahl von Zielmärkten

100
S = Segment
S6

S1
Attraktivität des Marktsegments

S9

S3
S 13
50

S 17

S2

S 12
0

0 50 100
Relative Stärke des Unternehmens
Abbildung 7.4: Portfolio von Kundensegmenten eines Maschinenbau-Unternehmens

Soziale Verantwortung bei der Auswahl von Zielsegmenten


Eine intelligente Auswahl von Marktsegmenten hilft Unternehmen, effizienter und erfolgrei-
cher zu agieren, indem sie sich auf Segmente konzentrieren, die für sie am gewinnbringends-
ten sind. Auch der Konsument profitiert von speziell auf ihn und seine Bedürfnisse zuge-
schnittenen Angeboten. Jedoch kann Zielgruppenmarketing auch Spannungen erzeugen. Das
größte Problem besteht gewöhnlich in einer zielgerichteten Ansprache von sozial schwachen
oder benachteiligten Verbrauchern und dem Angebot von umstrittenen oder potenziell
schädlichen Produkten. So werden beispielsweise immer wieder Anbieter von Cerealien,
Softdrinks oder Fast Food bis hin zu Spielzeug und Mode für ihre an Kinder gerichteten Mar-
ketingmaßnahmen kritisiert. Man sorgt sich, dass die Kinder negativ in ihrem Konsumver-
halten beeinflusst werden.
Weitere Probleme treten auf, wenn Marketingmaßnahmen für Produkte, die auf Erwachsene
zugeschnitten sind, auch auf das Segment der Kinder übergreifen – sei es absichtlich oder
unabsichtlich. So spricht z.B. der Wäschehersteller Victoria’s Secret mit seiner extrem erfolg-
reichen Kollektion in Pink, die als jung, hip und sexy gilt, junge Frauen zwischen 18 und 30
Jahren an. Kritik erntet das Unternehmen allerdings, weil Pink auch bei Mädchen im Alter
von etwa 11 Jahren der letzte Schrei ist. Gerade junge Mädchen stürmen wegen des Designs
und der Werbebotschaften in die Stores, mit oder ohne Begleitung ihrer Eltern. Kritiker sor-
gen sich, dass das Marketing von Damenwäsche über Kosmetik bis hin zur Barbiepuppe
junge Mädchen direkt oder indirekt ins Visier nehme und so einen zu frühen und starken
Fokus auf Erotik und Aussehen lege.
Fast-Food-Unternehmen nutzen das Internet und soziale Medien, um Regelungen, die die
Vermarktung ihrer Produkte an Kinder betreffen, zu umgehen. Einige Kritiker sind der
Ansicht, dass mehr zum Schutz der Kinder getan werden muss, andere verlangen sogar, an
Kinder gerichtete Werbung komplett zu verbieten. Es gibt natürlich Befürchtungen, dass Kin-
der im digitalen Zeitalter anfälliger für zielgerichtete Marketingbotschaften sind. Herkömmli-
che TV- und Printwerbung für Kinder enthält häufig offenkundige Ansätze, die von Eltern

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7 Marktsegmentierung und Positionierung

leicht zu erkennen und kontrollieren sind. In digitalen Medien ist die Werbung jedoch subtil
in den Inhalt eingebettet und kann von Kindern auf eigenen, kleinen Geräten angesehen wer-
den, die sich der Aufmerksamkeit der Eltern entziehen. Ein solches Marketing kann die Form
integrierter „Advergamers“ annehmen – Videospiele, die speziell entwickelt wurden, um
Kinder an das Produkt zu binden. Oder es besteht aus eingebetteten Anzeigen, Quizzen oder
Produktplatzierungen, mit denen Marketingexperten Markenprodukte, TV-Sendungen,
beliebte Charaktere oder verkaufsfähige Objekte übergreifend bewerben können.
Nicht jeder Versuch, Kinder, Minderheiten oder andere spezielle Segmente zu erreichen, ruft
direkte Kritik hervor. Zumeist profitieren die anvisierten Konsumenten von den ihnen offe-
rierten Produkten. Samsung wendet sich mit einem einfach zu bedienenden größeren Telefon
mit besserem Lautsprecher direkt an Senioren. Colgate bietet eine große Auswahl an Zahn-
bürstenformen und Zahncremes unterschiedlicher Geschmacksrichtungen speziell für Kin-
der; angefangen mit einer Zahnpasta, die den Kleinen beim Entfernen der Plaque-Monster
hilft, bis hin zu Bürsten im Spiderman- oder Barbie-Design. Solche Produkte zielen darauf
ab, Kindern zu zeigen, dass das Zähneputzen Spaß macht.
Die wachsende Popularität des Internets und anderer zielgerichteter, direkter Medien hat
neue Bedenken über möglichen Missbrauch des Zielgruppenmarketings entfacht. Das Inter-
net ermöglicht eine viel genauere Ansprache und so können die Macher fragwürdiger Pro-
dukte oder irreführender Werbung ungehindert ein schutzloses Publikum erreichen. Skru-
pellose Marketing-Manager können heute spezifische, irreführende Werbung direkt per E-
Mail an Millionen argloser Verbraucher senden. Marketingexperten nutzen heute raffinierte
Analysemethoden, um die digitalen Bewegungen der Kunden nachzuverfolgen und detail-
lierte Kundenprofile zu erstellen, die höchst persönliche Informationen enthalten. Solche
Profile dienen dann der massiven Ansprache einzelner Verbraucher mit personalisierten
Markenbotschaften und Angeboten. Das sogenannte Hyper-Targeting kann Marketingverant-
wortlichen und Verbrauchern nutzen, wenn die richtige Markeninformation zu den richtigen
Kunden gelangt. Zu weit getrieben oder falsch angewendet kann Hyper-Targeting den Kun-
den jedoch mehr schaden als nutzen. Marketing-Manager müssen diese neuen Instrumente
des Zielgruppenmarketings daher verantwortungsvoll einsetzen.
Wesentlich beim Zielgruppenmarketing ist nicht, wer erreicht wird, sondern vielmehr wie
und wofür jemand erreicht wird. Kritik wird dann geäußert, wenn Marketingexperten aus-
schließlich versuchen, Profit zu erzielen, indem sie benachteiligte Segmente gezielt oder
durch fragwürdige Produkte oder Strategien ansprechen. Ein sozial verantwortliches Marke-
ting sollte nicht nur die Interessen des Unternehmens verfolgen, sondern insbesondere auch
jene der angesprochenen Zielgruppen.

7.4 Differenzierung und Positionierung


Neben der Entscheidung, welche Marktsegmente angesprochen werden sollen, muss sich ein
Unternehmen auch in Klaren darüber sein, welche Werte es vermitteln möchte und welche
Position es in den jeweiligen Segmenten erreichen will. Die Produktpositionierung ist die
Art und Weise, wie ein Konsument das Produkt bezüglich wichtiger Attribute wahrnimmt,
d.h. welchen Platz dieses Produkt im Kopf des Kunden im Vergleich zu Konkurrenzproduk-
ten einnimmt. Produkte werden zwar in Fabriken hergestellt, die Marke entsteht jedoch im
Kopf des Kunden.

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7.4 Differenzierung und Positionierung

Hat ein Unternehmen sich ein genaues Bild vom Markt und von den dort anzutreffenden
Zielgruppen verschafft, gilt es, eine Strategie zur Marktbearbeitung zu bestimmen. Die Her-
ausforderung besteht darin, die Stärke des Unternehmens und die Anforderungen und Chan-
cen des Markts bzw. einzelner Segmente aufeinander abzustimmen. Hierzu sind zwei
Schritte erforderlich: erstens die Identifizierung einer Kundengruppe, aus deren Sicht man
mit seinem Angebot einen besonderen, von anderen Anbietern differenzierenden Vorteil bie-
tet und zweitens die Positionierung dieses Angebots in den Köpfen der Verbraucher. Diffe-
renzierung und Positionierung müssen die Antwort liefern auf die Frage des Kaufinteressen-
ten: „Warum soll ich gerade Ihr Produkt kaufen?“.
Wie wichtig die genaue Positionierung eines Unternehmens und seines Angebots ist, um
Erfolg am Markt zu haben, zeigt das nachfolgende Highlight am Beispiel der TRUMPF-
Gruppe und der Schott AG.

Marketing-Highlight: Erfolgreiche Positionierung am Beispiel der


TRUMPF-Gruppe und der SCHOTT AG

TRUMPF-Gruppe: Wettbewerbsdifferenzierung durch Innovation Durchschnittlich 15


Prozent Unternehmenswachstum seit 1950, heute Weltmarktführer als Hersteller von
Werkzeugmaschinen zur Blechbearbeitung und von industriellen Lasern: Die TRUMPF-
Gruppe mit Sitz in Ditzingen bei Stuttgart behauptet sich mit ihrem Geschäftsbereich
für Werkzeugmaschinen seit vier Dekaden an der Spitze ihres Markts. Schlüssel zum
Erfolg ist die anhaltende Innovationsfähigkeit des Unternehmens.
Das Unternehmen positioniert sich als Premiumanbieter mit höchsten Anforderungen
an Produkt, technischen Service und Dienstleistungen. Professor Berthold Leibinger, bis
zu seinem Wechsel in den Aufsichtsrat im November 2005 über 40 Jahre in der operati-
ven Führung des Unternehmens, sieht in der Kurzformel „Innovation als Unterneh-
mensprinzip“ das prägende Merkmal von TRUMPF. Was aber macht das Positionie-
rungsmerkmal „Innovation“ aus? Wie rechnen sich Innovationen? Und: Wie lässt sich
Innovationsfähigkeit aufrechterhalten? Es ist die Fähigkeit, Bestehendes zu hinterfragen
und Neues mutig anzugehen, meint Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, seit November
2005 Vorsitzende der Geschäftsführung. Schwierigkeiten optimistisch zu begegnen, Fra-
gen zu stellen, die neu sind, und so neue Antworten zu finden – das ist gelebte Innova-
tionskultur bei TRUMPF.
TRUMPF beweist diese Fähigkeit tagtäglich und reduziert Innovation nicht auf Technik
und Technologie. Vielmehr sieht TRUMPF das ganze Unternehmen als innovatives
„Gesamtkunstwerk“ mit ständigen Innovationen in den vier zentralen Feldern Maschi-
nen, Märkte, Menschen und Methoden.
Maschinen In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts reüssierte TRUMPF mit der paten-
tierten Nibbeltechnologie (Ausstanzen einer Form mit einer Serie von Einzelhüben
eines Stempels) in der Blechbearbeitung. Bereits Anfang der 90er-Jahre war TRUMPF
das erste Unternehmen, das Lasertechnologie, also das „Werkzeug Licht“, in der Ferti-
gungstechnik zu industrieller Serienreife führte. Beides waren Technologiesprünge, die
den Markt revolutionierten. Technologiesprünge in der beschriebenen Dimension sind
allerdings nicht der Alltag. Dennoch zeigt TRUMPF beständig Innovationskraft – durch

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7 Marktsegmentierung und Positionierung

die gezielte Weiterentwicklung der Maschinen, beispielsweise durch Ergänzungsange-


bote in puncto Automatisierung. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr: Mit durch-
schnittlich acht Prozent vom Umsatz investiert TRUMPF regelmäßig doppelt so viel in
Forschung und Entwicklung wie der Branchendurchschnitt. Außerdem hat TRUMPF
den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis zum Prinzip gemacht. Mit dem Wissen
um die Anforderungen des Markts gelingt es, innovative Forschungsansätze in indust-
rietaugliche Lösungen umzusetzen.
Märkte Schon früh hat TRUMPF die ganze Welt als Markt verstanden. Seit 1963 baut das
Unternehmen sein internationales Terrain konsequent aus. Das bewährte Muster der
Markterschließung wird dabei kontinuierlich verfeinert – auch ein Beispiel für Innovati-
onskraft. Zunächst leisten Werksvertretungen Pionierarbeit in den neuen Märkten, indem
sie Kundenpotenziale ausloten. Zeigt sich der Markt reif, gründet TRUMPF eigene Ver-
triebs- und Servicegesellschaften, um schließlich im dritten konsequenten Schritt auch
direkt vor Ort zu produzieren – vorausgesetzt, es handelt sich um einen großen Absatz-
markt. Heute beträgt der Auslandsanteil am Umsatz etwa 80 Prozent. Produziert wird in
Deutschland, China, Frankreich, Großbritannien, Japan, Mexiko, Österreich, Polen, in der
Schweiz, in Tschechien und den USA. Insgesamt 60 Tochtergesellschaften betreuen inter-
nationale Märkte, sind nah beim Kunden. Auch die Positionierung innerhalb der einzel-
nen Märkte ist eindeutig. TRUMPF ist kein Spezialmaschinenhersteller, sondern strebt
immer mindestens mittlere Losgrößen an. Ein modulares Maschinenkonzept erlaubt es,
Standardmaschinen kundenspezifisch auszulegen.
Menschen Nur gemeinsam mit den Mitarbeitern lassen sich Innovationsprozesse und
damit Veränderungen gestalten. Deshalb pflegt das Unternehmen eine offene Kommuni-
kationspolitik und fördert ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Auf der Personalseite
wagte TRUMPF in Deutschland schon Mitte der 90er-Jahre, ein weit reichendes betriebli-
ches Bündnis für Arbeit zu schließen. Es hatte zum Ziel, Arbeitskosten zu senken und
Arbeitsplätze an deutschen Standorten zu sichern. Bei allen Wachstumsstrategien im
Ausland ist die Sicherung der Arbeitsplätze im Inland integraler Bestandteil der Überle-
gungen des Managements. Als Meilenstein gilt auch das „lebensphasenorientierte“
Arbeitszeitmodell, das TRUMPF 2011 einführte: Die Mitarbeiter können alle zwei Jahre
neu entscheiden, ob sie von ihrer Standard-Arbeitszeit nach oben oder unten abweichen
wollen. Ziel ist, die betrieblichen Notwendigkeiten besser mit den privaten Interessen der
Arbeitnehmer zu vereinbaren – von der Kindererziehung bis zur Pflege von Angehörigen.
Methoden Dem Familienunternehmen TRUMPF ist es gelungen, groß zu werden und
trotzdem individuell zu bleiben. Die dezentrale Organisationsstruktur basiert auf klei-
nen Einheiten und hoher Verantwortung beim Einzelnen. Flache Hierarchien geben
Ideen, Innovationen und der Kreativität der Mitarbeiter Raum. Dabei vernetzt das Unter-
nehmen im Bedarfsfall einzelne Teams bereichsübergreifend zu umfassenden Entwick-
lungs- und Fertigungsprojekten. Eine der tief greifendsten methodischen Veränderungen
wurde an allen Fertigungsstandorten eingeführt: die taktgesteuerte Fließmontage der
Maschinen nach der eigens entwickelten Methode „SYNCHRO“. Das Innovationspoten-
zial wird am Beispiel der TruMatic 6000 – einer Maschine zur kombinierten Blechbear-
beitung mit Stanz- und Laserschneidkopf – deutlich. Die Umstellung auf Fließmontage
im Jahr 2001 verkürzte im ersten Schritt die Durchlaufzeit um 63 Prozent, die Flächen-
produktivität stieg um 60 Prozent. Kontinuierliche Verbesserungen an Prozessen und
Abläufen brachten bis 2006 eine weitere Verkürzung der Durchlaufzeit um zehn Prozent
sowie eine Steigerung der Flächenproduktivität um zusätzliche 25 Prozent.

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7.4 Differenzierung und Positionierung

Direkt an der Nahtstelle zum Kunden schließt sich der Kreis. Für Interessenten und
Kunden – zu 90 Prozent besteht die Klientel aus mittelständischen Unternehmen mit
bis zu 50 Mitarbeitern – leistet sich TRUMPF in Ditzingen, London, Paris und anderen
Standorten Vorführzentren mit dem aktuellen Maschinenpark. Wer dort hinkommt,
erwartet das Außergewöhnliche, will die innovative Problemlösung. Die größte Heraus-
forderung ist dabei die Live-Präsentation – der Praxisbeweis der Leistungsfähigkeit von
Maschine und Maschinenbedienern. Hier werden an einem Tag und im Beisein des
Kunden Blechteile programmiert, anschließend gestanzt oder mit Laser geschnitten
sowie gebogen und lasergeschweißt, tägliche Innovation zum Anfassen sozusagen.
Quellen:
Geschäftsberichte der TRUMPF-Gruppe;
Pressemitteilung unter: http://www.trumpf.com/nc/de/presse/pressemitteilungen/pressemittei-
lung/rec-uid/60668.html [31.03.2015];
Webseite der TRUMPF-Gruppe unter: http://www.trumpf.com. [04.02.2018]

CERAN-Kochflächen der SCHOTT AG: Positionierung hin zum Erfolg Richtige Positi-
onierung war das Marketinginstrument, das die deutsche SCHOTT AG anwendete, als
sich bei der Markteinführung der CERAN-Kochflächen auf dem US-Markt der Erfolg
nicht sofort einstellen wollte. Alle Voraussetzungen für einen Erfolg schienen gegeben.
Das Material hatte eine absolut geschlossene Oberfläche, es war leicht zu reinigen und
versprach eine lange Lebensdauer. Bei CERAN findet keine mechanische Ausdehnung
statt, wenn die Beheizungstechnologie eingeschaltet ist. Damit gibt es keine Verspan-
nungen und die Wärmeleitung ist derart minimal, dass die Kochfläche kühl bleibt, auch
wenn Kochzonen eingeschaltet sind. Selbst nach zehn Jahren Benutzung sehen
CERAN-Kochflächen noch wie neu aus.
Als man sich bei SCHOTT entschloss, auch den amerikanischen Markt zu bedienen,
hatte man mit einigen Schwierigkeiten gerechnet. Man müsste mit dem Produkt ameri-
kanische Hersteller von Elektroherden überzeugen, die dann bei Absatzmittlern, wie
zum Beispiel Händlern, Architekten und Bauträgern, CERAN−Kochflächen einführen
müssten. Diese Absatzmittler sollten dann die Endverbraucher als Käufer gewinnen.
Schott machte sich daran, CERAN an 14 ausgesuchte Hersteller von Küchen und Elek-
troherden zu verkaufen. Die Repräsentanten dieser Hersteller hörten bei den Vorführun-
gen aufmerksam zu, bestellten erste Muster und Prototypen und dann geschah lange
Zeit nichts.
Eine daraufhin durchgeführte Marktuntersuchung machte zwei Problemkreise sichtbar:
 Zum einen hatte SCHOTT es versäumt, CERAN nicht nur bei den Herstellern, son-
dern auch bei den Absatzmittlern und bei den Endverbrauchern zu positionieren.
 Zum anderen war die Positionierung über Produkteigenschaften versucht worden,
die für den Verbraucher auf den ersten Blick nicht so interessant erschienen. Die
Kunden hätte es interessiert, wie dieses neue Produkt aussieht, während die Einfüh-
rungskampagne den Schwerpunkt auf technische Aspekte legte.
Auf diesen Ergebnissen aufbauend führte die SCHOTT AG eine Neupositionierung von
CERAN durch. Der Schwerpunkt der Werbung lag jetzt bei der Eleganz und Schönheit
des neuen Materials und den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten beim Produktde-
sign.

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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Die Werbung titulierte nun die schwarz glänzenden CERAN-Kochflächen als den
„Abendanzug für Ihre Küche“ in einem Anzeigenmotiv mit einem Frack als Hinter-
grund. Eine intensive Kampagne übermittelte die neue Position an Absatzmittler und
Endkäufer. Dort positionierte Schott CERAN als „mehr als nur ein Kochfeld, vielmehr
ein wertvolles und edles Instrument für ausdrucksvolle Küchengestaltung“. Um diese
Position der Eleganz und der Schönheit zu unterstreichen, zeigten einige Werbemotive
eine CERAN-Kochfläche mit einer eingeschalteten rot glühenden Kochzone. Zusätz-
lich zur Werbung wurde intensive Öffentlichkeitsarbeit betrieben, die viele Berichte in
Fachpublikationen für Bauen und Wohnen, Heimwerken und Architektur zur Folge
hatte. Ein Video wurde produziert und von 150 lokalen Fernsehsendern übernommen.
Für die zusätzliche Aktivierung nachgelagerter Absatzmittler wurde ein weiteres Video
erstellt, das den Verkäufern und Außendienstmitarbeitern erklärte, wie sie den Kunden
die Vorteile der CERAN-Kochflächen vermitteln sollten. Heute verkaufen sich die
CERAN-Kochflächen auch in den USA sehr gut. Alle namhaften Hersteller, mit denen
man zusammenarbeitet, kaufen die Kochflächen zum Einbau in ihre Produkte. Die
SCHOTT AG ist mit ihrem Produkt CERAN Weltmarktführer.

7.4.1 Positionierungsmodelle
Im Rahmen der Planung einer Differenzierungs- und Positionierungsstrategie erstellen Mar-
ketingverantwortliche Positionierungsmodelle. Anhand dieser Modelle kann die Kunden-
wahrnehmung der eigenen Marken derjenigen der Konkurrenzmarken gegenübergestellt wer-
den, um so die unterschiedlichen Positionierungen abzubilden. Abbildung 7.5 zeigt ein
Positionierungsmodell für verschiedene Geländewagen (Sport Utility Vehicles, SUVs). Die
Positionen der Kreise verdeutlichen, wie Konsumenten einzelne Marken innerhalb der bei-
den Dimensionen Preis und Nutzenversprechen (Luxus versus Leistung) einschätzen. Die
Kreisgröße bildet den relativen Marktanteil der Marke im jeweiligen Segment ab.
So betrachten Kunden den marktführenden Cadillac Escalade als preiswertes, großes, luxuri-
öses Allrad-Fahrzeug, bei dem Luxus und Leistung im Gleichgewicht sind. Der Escalade
wird als urbaner Luxus positioniert, und „Leistung“ bezieht sich in diesem Fall wahrschein-
lich auf Kraft und Sicherheit. In der Werbung für den Escalade findet sich jedenfalls kein
Hinweis auf Offroad-Fahrspaß.
Im Gegensatz dazu werden der Range Rover und der Land Cruiser als Luxus-Fahrzeuge mit
Offroad-Leistungen positioniert. Der Toyota Land Cruiser beispielsweise kam 1951 als All-
rad-Fahrzeug, ähnlich einem Jeep, auf den Markt und wurde entwickelt, um die härtesten
Gelände und Klimazonen der Welt zu erobern. In den letzten Jahren hat der Land Cruiser
seine Positionierung auf Abenteuer und Leistung bewahrt, jedoch den Luxus-Anspruch hin-
zugefügt. Die Webseite prahlt mit „legendärer Offroad-Fähigkeit“ mit entsprechenden Tech-
nologien wie dem Acoustic Control Induction System, um das meiste aus der Drehzahl her-
auszuholen. „Machen Sie Berge zu Maulwurfshügeln“. Das Unternehmen weist jedoch
darauf hin, dass die Robustheit des Fahrzeugs durch „die verfügbare Bluetooth-Freispre-
cheinrichtung, DVD-Entertainment und aufwendige Ausstattung einen weicheren Charakter“
bekommen hat.

362
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
7.4 Differenzierung und Positionierung

85
1) Cadillac Escalade
6 2) Infiniti QX56
3
75
Preis (in Tsd. US-$)

3) Lexus LX570
4) Lincoln Navigator

5 5) Toyota Land Cruiser


65 1
6) Land Rover Range Rover

2 4
55

45
Luxus Leistung
Nutzenversprechen
Abbildung 7.5: Positionierungsmodell für verschiedene Geländewagen

7.4.2 Entwicklung einer Differenzierungs- und Positionierungsstrategie


In manchen Situationen mag es vergleichsweise leicht fallen, eine Positionierungsstrategie
zu entwickeln. Ein Unternehmen, das in einigen Segmenten schon für gute Qualität bekannt
ist, kann eine ähnliche Position in einem neuen Markt erreichen, wenn es dort genug Käufer
gibt, die auf Qualität Wert legen. In vielen Fällen werden jedoch zwei oder mehrere Unter-
nehmen auf der Suche nach der gleichen Position in einem Segment aufeinandertreffen. Bri-
tish Airways und Lufthansa bemühen sich beispielsweise auf dem Markt der Geschäftsreisen
in Europa um das gleiche Segment. Jedes Unternehmen muss bei einem derartigen Aufeinan-
dertreffen sein Angebot durch eine einzigartige und unverwechselbare Zusammenstellung
von Vorteilen so gestalten, dass sich eine große Zielgruppe innerhalb des angestrebten Seg-
ments von diesem Angebot angesprochen fühlt und es dem Konkurrenzprodukt vorzieht.
Wichtig ist, dass eine Markenpositionierung alle Bedürfnisse und Vorlieben eines genau defi-
nierten Zielmarkts bedient. Obwohl beispielsweise McCafé und Starbucks beides Coffee
Shops sind, unterscheiden sie sich sowohl in ihrer Produktpalette als auch in der Atmo-
sphäre. Jedoch sind beide auf ihre Weise erfolgreich, da sie jeweils den richtigen Nutzen für
ihre Zielgruppe schaffen.
In den letzten Jahren haben die Eigenmarken in Supermärkten deutlich an Bedeutung
gewonnen. Die Handelsunternehmen verfügen inzwischen nicht mehr nur über Marken im
Preiseinstiegsbereich wie „ja!“ von Rewe oder „Gut & Günstig“ von Edeka, sondern sie haben
erkannt, dass Eigenmarken einerseits große Ertragsspannen ermöglichen und zudem als Mög-
lichkeit der Profilierung und Differenzierung vom Wettbewerb dienen. Die Sortimente wur-
den folglich um Eigenmarken erweitert, die als hochwertige Qualitäts- oder sogar Premium-
Produkte oder als „gesunde“ (Bio-)Produkte positioniert und dementsprechend gestaltet und
vermarktet werden. Beispiele sind Rewe Bio und Rewe Feine Welt der Rewe Group (siehe
Tabelle 7.5), wie das folgende Highlight zeigt.
Der Prozess der Differenzierung und Positionierung umfasst vier Schritte: Identifizierung
möglicher Wettbewerbsvorteile zum Aufbau einer angestrebten Position, Auswahl der richti-
gen Wettbewerbsvorteile, Entwicklung einer Positionierungsstrategie und deren wirksame
Kommunikation im Markt.

363
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

M a r k e t in g - H ig h lig h t :D ie u n t e r s c h ie d lic h p o s it io n ie r t e n E ig e n m a r k e n
der REWE Group

Die REWE Group verfügt über ein breites Spektrum an Eigenmarken im Food-, Near
Food- und Non-Food-Bereich. Die Marken stehen für unterschiedliche Produktverspre-
chen und erfüllen damit im Sortiment unterschiedliche Funktionen. Das Angebot
umfasst beispielsweise die Marke „ja!“ im Preiseinstiegsbereich, „REWE Beste Wahl“,
mit preisgünstigen Produkten auf dem Qualitätsniveau von Herstellermarken, die Pre-
mium- Marke „REWE Feine Welt“, die für Spezialitäten oder andere besondere Pro-
dukte steht, „REWE Bio“ mit dem Angebot von Bioprodukten oder die Marke „REWE
Regional“, die über ein regionales Produktangebot verfügt. Zusätzlich bietet „REWE frei
von“ spezielle Produkte ohne Lactose oder Gluten an, umfasst die Marke „Wilhelm
Brandenburg“, ein breites Angebot an Fleisch und Wurst, und werden Non Food-Artikel
unter der Marke „Vivess“ vermarktet. Tiernahrung wird unter der Marke „Zoo Royal“
vermarktet. Gesunde, genussfertige Snacks werden als Marke „REWE to go“ angeboten.

Beispiel- Waren-
Marke Positionierung Artikelanzahl
produkt gruppe
ja! ja! Früchte- Qualitäts- und Preiseinstieg; Food, Ca. 600
Müsli Alternative zum Discounter Near Food,
Non Food
REWE Pizza Produkte auf Qualitätsniveau von Marken- Food, Ca. 1200
Beste Capricciosa artikeln, jedoch zu günstigeren Preisen; Near Food
Wahl breites Sortiment mit großer Sortenvielfalt
REWE Aprikosen im Premium-Produkte mit Spezialitäten aus Food Unter 200
Feine Welt Speckmantel Deutschland und aller Welt;
besondere Produkte hinsichtlich Herkunft,
Herstellungsverfahren, Zutaten oder Rezeptur
REWE Bio Naturreis Bio-Produkte nach EU-Richtlinien und zusätz- Food Ca. 450
lich ca. die Hälfte der Produkte vom Öko-
Verband Naturland zertifiziert;
Bio-Produkte, bei denen die Faktoren Gesund-
heit, Nachhaltigkeit und Genuss im Einklang
stehen
REWE frei H-Vollmilch Laktose- und glutenfreie Produkte, die für Food Ca. 35
von laktosefrei Genuss ohne Verzicht stehen
REWE Äpfel National eingeführte Regionalmarke, die Pro- Food: Schwer- Durchschnittlich
regional dukte aus der Region für die Region bietet; punkt auf 40 Produkte je
Gebietsclusterung umfasst 21 Regionen Obst und Region
Gemüse
Tabelle 7.5: Eigenmarken der REWE Group

364
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7.4 Differenzierung und Positionierung

Beispiel- Waren-
Marke Positionierung Artikelanzahl
produkt gruppe
Wilhelm Gemischtes Marke steht für Frische, Kompetenz und Food: Erhält- Ca. 500
Branden- Hackfleisch Metzgertradition im Bereich Fleisch, Geflügel lich am
burg und Wurst; großer Teil aus eigener Produktion Selbstbedie-
nungsregal
oder an der
Bedienungs-
theke
VIVESS Topfreiniger Produkte aus den Warengruppen Schreib- Non Food Ca. 700
waren, Haushaltswaren, Textilien, Elektro,
Sport- und Spielwaren, Qualität auf Marken-
artikelniveau; festes Listungssortiment und
zusätzlich monatlich wechselndes Aktion-
ssortiment zu diversen Themenwelten
REWE TO Tomate Mozza- gesunde, frische, genussfertige Snacks und Food Ca. 1.200
GO rella Sandwich Mahlzeiten, Convenience
ZooRoyal Vital Menü Qualitätssortiment zum fairen Preis Tiernahrung 60
(für Katzen)
Tabelle 7.5: Eigenmarken der REWE Group (Forts.)
Quellen:
https://www.focus.de/finanzen/news/unternehmen/neues-shop-konzept-aral-tankstellen-setzen-auf-rewe-to-go-
shop_id_6859475.html [04.02.2018]
https://www.rewe.de/marken/eigenmarken/ [04.02.2018]

Identifizierung möglicher Wettbewerbsvorteile


Um profitable Beziehungen zu Zielkunden aufzubauen, müssen Marketingfachleute Kunden-
bedürfnisse besser verstehen als es ihre Wettbewerber tun. Eine Positionierung darf nicht auf
leeren Versprechen aufbauen. Positioniert sich ein Unternehmen mit Produkten von bester
Qualität, so muss diese Qualität auch geboten werden. Es reicht nicht aus, lediglich eine
Position durch Slogans zu kommunizieren. Das Unternehmen muss hinter seiner Aussage
stehen und das, was es vermittelt, auch leben.
Im Folgenden geht es um Möglichkeiten, wie ein Unternehmen sein Angebot von dem der
Konkurrenz abheben kann und damit einen Wettbewerbsvorteil erlangt. Grundsätzlich kann
eine Differenzierung des Angebots anhand der Produkte, der Dienstleistungen, der Vertriebs-
kanäle, der Mitarbeiter oder des Images erfolgen. Hierauf aufbauend lässt sich dann eine auf
dem Kundennutzen basierende Positionierung vornehmen.
Differenzierung über das Produkt Ein Unternehmen kann sein Produkt differenzieren. Es
gibt jedoch Produkte wie Brathähnchen, Stahl oder Salz, die diesbezüglich nur einen kleinen
Spielraum eröffnen. Trotzdem ist auch hier gelegentlich eine erfolgreiche Differenzierung
möglich. Ein Unternehmen, das unter einer Marke Brathähnchen vertreibt, kann höhere
Preise durchsetzen, wenn seine Hähnchen auf Dauer zarter und frischer als jene der Wettbe-
werber sind.

365
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Differenzierung über Ausstattungsoptionen Andere Unternehmen bieten Produkte an, die


sehr stark differenzierbar sind, so z.B. Automobile oder Möbel. Hier stehen eine Fülle von
Design-Parametern zur Verfügung. Man kann eine Auswahl an Standard- oder Zusatzausstat-
tungen anbieten, die die Wettbewerber nicht offerieren.
Die Automobilhersteller Volvo und Mercedes haben viele Jahre lang besondere Sicherheits-
merkmale zur Differenzierung gegenüber der Konkurrenz herausgestellt. Fluggesellschaften
benutzen größere Sitze und mehr Fußraum als Argument der Abgrenzung gegenüber anderen
Airlines.
Differenzierung über Leistung Häufig werden Produkte auch nach der Leistung oder ver-
wandten Merkmalen differenziert: Geschirrspüler oder Staubsauger lassen sich zum Beispiel
anhand der Geräuschdämpfung oder der Saugleistung voneinander abheben.
Differenzierung über Aussehen Weitere Differenzierungsmerkmale sind Design und Stil. Unter-
nehmen wie Apple, Bang und Olufsen, Jaguar, Braun oder Loewe verfolgen diese Strategie.
Möglichkeiten zur Differenzierung lassen sich auch aus den folgenden Attributen ableiten:
 Innovation (3M)
 Langlebigkeit (Waschmaschinen von Miele)
 Zuverlässigkeit (Mercedes-Benz)
 Einfache Durchführbarkeit von Reparaturen (Lkw im Baueinsatz)
Differenzierung über Produktnutzen Viele Produkte werden über die Vorteile, die sie bringen,
oder den Nutzen, den sie erfüllen, positioniert. Elmex-Zahnpasta verhindert Karies, Sensodyne
schützt empfindliche Zähne. Bei den Süßwaren gelten Ferrero Rocher und Giotto als kleine
Mitbringsel, während Mars und Snickers den Hunger zwischendurch stillen sollen.
Differenzierung über Verwendungsanlass Viele Produkte und Dienstleistungen werden dar-
über positioniert, wo und wann man sie verwendet. Vor der Urlaubszeit bieten Autohäuser
einen Sicherheits-Check an, bestimmte Geschenkartikel werden zum Muttertag oder Valen-
tinstag besonders beworben. KitKat wird als kleine Mahlzeit für die kurze Pause empfohlen
(„Have a break, have a KitKat“), während man die Pfefferminzschokolade-Täfelchen „After
Eight“ in gemütlichen Momenten am Nachmittag oder am Abend („nach acht“) genießt.
Differenzierung über Dienstleistungen Neben der Differenzierung des eigentlichen Produkts
kann man eine Differenzierung auch über (zusätzliche) Dienstleistungen vornehmen. Einige
Unternehmen erlangen Wettbewerbsvorteile durch eine schnelle, zuverlässige oder beson-
ders sorgfältige Zustellung. Das bekannte Londoner Kaufhaus Harrod’s liefert in nachgebau-
ten Lieferwagen im Stil der 20er-Jahre aus, ein besonders beliebter Service in der Vorweih-
nachtszeit. Dominos Pizzaservice verspricht die Zustellung einer Bestellung in weniger als
30 Minuten, ansonsten gewährt man einen Preisnachlass.
Montage und Inbetriebnahme Durch diese beiden Leistungen kann sich ein Unternehmen
deutlich von anderen abheben. IBM zum Beispiel ist in weiten Bereichen dafür bekannt, dass
die Installationen professionell vorgenommen werden. Die Kundendiensttechniker bringen
alle gekauften Komponenten auf einmal mit und nehmen alles in Betrieb. Mancher Konkur-
rent lässt alles von verschiedenen Lieferanten an die Anschrift des Kunden schicken und fin-
det sich dann ein, wenn alle Teillieferungen vorliegen. Meistens wurde dann doch noch
etwas vergessen. Wenn IBM beauftragt wird, den Umzug eines Rechners durchzuführen, bie-
tet man in der Regel den Umzug und die Wiederinbetriebnahme von Geräten der Konkurrenz
gleich mit an.

366
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7.4 Differenzierung und Positionierung

Wartung und Reparaturen sind ein weiterer wichtiger Teilbereich. Für einen wirklich erst-
klassigen Reparaturservice würden viele Autofahrer gerne etwas mehr ausgeben und längere
Wege in Kauf nehmen.
Schulungen und Beratung Einige Unternehmen differenzieren ihre Produkte, indem sie Trai-
ning, Schulung und Weiterbildung ergänzend zu ihrem Produkt anbieten. Komplizierte elek-
tromedizinische Geräte wie Röntgengeräte oder Computertomografen verlangen eine Einwei-
sung des Bedienungspersonals. Andere Unternehmen bieten kostenlose oder separat zu
bezahlende Beratungsleistungen an. Eine Rückversicherung, also eine Versicherung, bei der
die Versicherungen ihre Risiken versichern können, bietet ihren Mitgliedsunternehmen Bera-
tung für das tägliche Geschäft an und gibt Anregungen, wie neue Geschäftsfelder erschlossen
werden können.
Kreative Unternehmen haben immer wieder neue Einfälle, um einen höheren Kundennutzen
zu bieten und sich damit vom Angebot der Konkurrenz abzuheben. Das US-Unternehmen Mil-
liken ist ein Beispiel dafür. Milliken liefert Handtücher an Großwäschereien, die sie im Rah-
men eines Komplettservices an Industriekunden vermieten und laufend auswechseln und
waschen. Obwohl Milliken das teuerste Unternehmen der Branche ist, hat es den höchsten
Marktanteil. Wie ist es möglich, dass dieses Unternehmen einen höheren Preis durchsetzen
kann? Die Antwort liegt darin, dass Milliken zahlreiche Zusatzleistungen anbietet, weshalb das
rein materielle Produkt „Handtuch“ einen relativ geringen Anteil an der Gesamtleistung aus-
macht, während die Zusatzleistungen einen beträchtlichen Anteil darstellen.
Milliken stellt Prospekte und Material für Werbekampagnen bereit und trainiert das Außen-
dienst- und Verkaufspersonal der Geschäftspartner vor Ort. Die Bestellungen werden online
angenommen, die Geschäftspartner werden mit Marketinginformationen versorgt und Quali-
täts-Management-Programme werden gefördert. Weiterhin bietet Milliken Unterstützung
durch Außendienstmitarbeiter für Sonderkampagnen an.
Schnelligkeit der Leistungserbringung Geschwindigkeit ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil
geworden. Anbieter für schnelle Mahlzeiten („fast food“) oder für Fotografien, Schuhabsätze,
Kleiderreinigung oder Brillenreparatur in einer Stunde („Express-Service“) haben sich über-
all, gerade auch in bevorzugten zentralen Lagen, niedergelassen. Diese Dienstleistungen brin-
gen dem Kunden den Vorteil, dass er auf einer einzigen Einkaufstour seine Auftragsarbeiten
abgeben und auch sofort wieder mitnehmen kann und somit nur einmal wegen derartiger
Erledigungen unterwegs ist.
Schnelligkeit begünstigt auch eine rasche Entscheidung bei kostspieligen Käufen. In England
und den USA erprobte Toyota ein Konzept, bei dem ein gut ausgestatteter „Lexus“ innerhalb
von zwei Tagen geliefert werden konnte, im Gegensatz zu einem Zeitraum von mehreren
Wochen, den die Konkurrenz von der Auftragsannahme bis zur Auslieferung benötigte.
Differenzierung über Vertriebskanäle Unternehmen, die sich über Vertriebskanäle differen-
zieren, gewinnen Wettbewerbsvorteile über die Art und Weise der Gestaltung ihres Vertriebs-
wegs. Amazon.com beispielsweise hebt sich mit seinem reibungslos funktionierenden
Direktkanal von anderen ab.
Differenzierung über Mitarbeiter Unternehmen haben die Möglichkeit, einen starken Wett-
bewerbsvorteil zu erzielen, wenn sie besseres Personal als die Konkurrenz einstellen und
dieses intensiver schulen und trainieren. Wer je mit Singapore Airlines geflogen ist,
schwärmt von der Anmut der Flugbegleiterinnen. McDonald’s ist für aufmerksames Personal
bekannt, IBM für Professionalität und hohes Fachwissen. Nahezu alle großen Handelsunter-
nehmen legen heute viel Wert darauf, durch sorgfältig ausgewähltes und gut ausgebildetes
Personal einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu erreichen.

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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Differenzierung über die Mitarbeiter erfordert, dass ein Unternehmen zunächst sein Personal
für den Kundenkontakt gezielt auswählt und dann sorgfältig schult. Das Personal muss kom-
petent sein, über das für die Aufgabe erforderliche Fachwissen verfügen und sich höflich,
freundlich und korrekt verhalten. Darüber hinaus sollten die Mitarbeiter eigene Initiative für
ein besseres Kundenverständnis ergreifen, klar mit ihnen kommunizieren und schnell auf
Fragen, Wünsche oder Probleme eingehen.
Differenzierung über Image Selbst wenn sich konkurrierende Angebote sehr ähnlich sind,
können Kaufinteressenten allein aufgrund des Images eines Unternehmens oder einer Marke
einen Unterschied empfinden. Daher arbeiten Unternehmen daran, sich ein Image zu schaf-
fen, das sich von dem der Wettbewerber unterscheidet. Idealerweise sollte das Image einer
Marke aus einer einzigartigen, unverwechselbaren Botschaft bestehen, welche die Hauptvor-
teile und die Positionierung des Produkts übermittelt. Ein Image lässt sich jedoch nicht über
Nacht oder mit einigen Anzeigen aufbauen. Wenn „IBM bedeutet guten Service“ als wahr
und gültig empfunden werden soll, muss dies von allen Aussagen und Aktivitäten der Zent-
rale und der Organisation von IBM unterstützt und bestätigt werden.
Hilfreich für die Imagedifferenzierung sind Symbole und Logos mit hohem Wiedererken-
nungseffekt. Unternehmen entwerfen deshalb Markenzeichen und Schriftzüge, die für eine
unmittelbare Wiedererkennung sorgen. Sie assoziieren sich selbst mit Objekten und Eigen-
schaften, die Qualität oder andere Attribute symbolisieren, z.B. der Mercedes-Stern, die
Johnnie-Walker-Figur, das Michelin-Männchen oder das Lacoste-Krokodil.
Marken und deren Image lassen sich auch mithilfe bestimmter Personen aufbauen. So wird
Nespresso mit Georg Clooney in Verbindung gebracht, das Internet-Reiseportal Ab-in-den-
Urlaub mit Michael Ballack, Braun mit Sebastian Vettel oder Nivea mit Joachim Löw. Einige
Unternehmen werden mit Farben assoziiert, so z.B. T-Mobile mit Magenta, Milka mit Lila
oder Ferrari mit Rot.
Kult-Positionierung Kult-Positionierung ist stark im Bereich von Kinderprodukten verbreitet.
Für J. R. R. Tolkien wäre es angesichts seines Lebenswerks „Herr der Ringe“ undenkbar gewe-
sen, dass dieses jetzt den Verkauf von Vesperdosen und Kartoffelchips unterstützt. Kult-Posi-
tionierung kann hohe Umsätze generieren, wenn Merchandising an einen wirklichen Bestsel-
ler anknüpft, jedoch stellen sich nur ein oder zwei Filme pro Jahr als Kassenschlager heraus
und das Interesse an Merchandising-Produkten variiert sehr stark. So bescherte z.B. der Ver-
kauf von Star-Wars-Artikeln der Spielzeugindustrie große Verluste, während Harry-Potter-
Bücher und -Filme eine wahre Hysterie auslösten.
Es gilt auch zu bedenken, dass der Kult-Status eine unvorhersehbare Wirkung und Dauer hat.
Hinzu kommt, dass die Loyalität und das Bewusstsein dem Kult und nicht dem Produkt gel-
ten. Wollen Anbieter Kult-Positionierung einsetzen, müssen sie jeden Trend frühzeitig erken-
nen, regelmäßig Merchandising-Rechte erwerben und ständig bereit sein, einen neuen Kult
zu bedienen, je nachdem, welcher gerade in Mode kommt.
Differenzierung über Herkunft Die Herkunft positioniert ein Produkt, indem es mit dem Ort
der Herstellung in Verbindung gebracht wird. Das Mineralwasser Perrier wird gezielt mit
Champagner und französischer Lebensart in Verbindung gebracht. Audi positionierte sich
mit „Vorsprung durch Technik“ als deutsches Produkt, Renault reklamiert mit dem Untertitel
„Créateur d’Automobiles“ das Renommee Frankreichs für Kreativität, Mode usw. für sich.
Foster’s Bier möchte mit australischem Ungestüm, Männlichkeit und Naturverbundenheit in
Verbindung gebracht werden. Der nachfolgende Exkurs zeigt, wie ein europäisches Unter-
nehmen eine Reihe seiner Biere über die Herkunft positioniert hat.

368
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7.4 Differenzierung und Positionierung

Exkurs: Die Herkunft macht den Unterschied

Städte nutzen häufig berühmte Persönlichkeiten, um sich zu positionieren. Oftmals sind


es geschichtliche Fakten, die hier eine Rolle spielen – die Persönlichkeiten sind in vielen
Fällen in der Stadt geboren, gestorben oder haben dort gelebt. Bekannte Beispiele hierfür
sind Mozarts Salzburg, Wagners Bayreuth und Shakespeares Stratford-upon-Avon.
Städte oder Regionen selbst wiederum können Unternehmen bei der Positionierung gan-
zer Produktportfolios helfen. Durch den Zusammenschluss mit der brasilianischen Com-
panhia de Bebidas das Américas (AmBev) gelang der belgischen InBev-Gruppe (ehemals
„Interbrew“) im Jahr 2004 mit einem Marktanteil von damals 14 Prozent die Positionie-
rung als größte Brauereigruppe der Welt. 2008 übernahm die InBev-Gruppe die US-ameri-
kanische Brauerei Anheuser-Busch und ist seitdem als Anheuser-Busch InBev (ABInBev
NV) mit mehr als 200 Marken in über 140 Ländern vertreten. Das Unternehmen behauptet
seinen Einfluss auf dem europäischen Markt, indem es sich bei der Vermarktung seiner
Produkte auf seine geografische Herkunft beruft. Und diesbezüglich hat InBev einiges vor-
zuweisen. In Belgien trieb das Unternehmen 1366 zum ersten Mal unter dem Namen „Den
Hoorn“ Handel. 400 Jahre später wurde der Name in „Artois“ geändert. „Stella Artois“
bleibt das meist getrunkene Bier in Belgien. „Bass“, eine weitere Marke von „InBev“,
könnte vermutlich Anspruch auf das beste „product placement“ aller Zeiten haben, denn
es nimmt in Manets Werk „Bar dans les Folies Bergère“ einen exponierten Platz ein. Wei-
tere Biersorten, die das Unternehmen vermarktet, sind Boddington’s, „the cream of Man-
chester“, Newcastle Brown und das irische Caffrey’s.
Whitebread, seinerzeit Eigentümer vieler Getränke von InBev, hat seine Restaurant-Ketten
geografisch positioniert. Pizza Hut und TGI Friday sind beide als „amerikanische“ Lokale
positioniert, wobei Pizza Hut auf Familien ausgerichtet ist, während das TGI Friday die
Zielgruppe der 20-Jährigen anspricht. Das Café Rouge ist französisch, das Costa Coffee ist
europäisch, Brewer Fayre ist altenglisch und das Beefeaters, welches vor allem Fleischge-
richte serviert, britisch.
Da immer mehr produzierende Unternehmen niedrigere Arbeitskosten anstreben, kann
das Label „Made in …“ dazu beitragen, dass Arbeitsplätze in Ländern mit höheren Lohn-
kosten erhalten bleiben. Käufer meiden Prada-Taschen, die nicht in Italien hergestellt
wurden und Artikel von Louis Vuitton, die nicht aus Frankreich stammen. Nicht nur bei
Luxusgütern entwickeln die Kunden einen Widerstand, wenn sich die Unternehmen illo-
yal verhalten. Als beispielsweise der Staubsaugerhersteller Dyson ankündigte, seine Pro-
duktion von Europa nach Malaysia zu verlagern, fielen die Verkaufszahlen rapide.
Quellen:
Anheuser-Busch InBev Annual Report 2017, Webseite von Anheuser-Busch InBev unter: http://
www.ab-inbev.com/content/dam/universaltemplate/ab-inbev/News/press-releases/public/2017/
07/HY%20Report%202017%20FINAL.pdf [04.02.2018]
Kapner, Fred: „The last sector where Made in Europe matters“, in: Financial Times (04.12.2003), S.
16;
Marsh, Peter: „Dust is settling on the Dyson clean-up“, in: Financial Times (12.12.2003), S. 12.

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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Auswahl der relevanten Wettbewerbsvorteile


Angenommen, ein Unternehmen wäre in der glücklichen Lage, mehrere potenzielle Vorteile
gegenüber der Konkurrenz zu haben. Es muss sich dann entscheiden, wie viele und welche
dieser Vorteile herausgestellt werden sollen.
Anzahl der Wettbewerbsvorteile Einige Marketingfachleute vertreten die Auffassung, dass
nur ein einziger Wettbewerbsvorteil aggressiv im Zielmarkt kommuniziert werden sollte. Der
Werbe-Fachmann Rosser Reeves ist zum Beispiel der Ansicht, dass ein Unternehmen zu
jeder Marke ein Alleinstellungsmerkmal entwickeln und dabei bleiben soll, man bezeichnet
dies als Unique Selling Proposition (USP). Jede Marke soll genau eine Eigenschaft wählen
und sich selbst als Nr. 1 im Hinblick auf diese bewerben. Solche Eigenschaften können die
beste Qualität, der beste Service, der niedrigste Preis oder die innovativste Technologie sein.
Die Schwierigkeit, in der heutigen Zeit eine technisch-funktionale Führungsrolle halten zu
können, hat dazu geführt, dass sich einige Unternehmen darauf konzentrieren, ein emotiona-
les Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln. Davon ausgehend, dass objektiv alle konkurrie-
renden Erzeugnisse vergleichbare Leistungen erbringen, sollen emotionale Präferenzen und
Assoziationen der Einzigartigkeit beim Kaufinteressenten hervorgerufen werden. Man
spricht hier von einer Emotional Selling Proposition (ESP). Führende Marken wie Rolls-
Royce, Ferrari oder Rolex haben das geschafft. Mag sein, dass andere Fahrzeuge schneller als
ein Ferrari sind, aber die „roten Autos aus Modena mit dem Pferd“ sind eine Legende.
Einiges spricht jedoch dafür, dass man die Positionierung auf mehr als ein Argument stützen
sollte. Das mag besonders dann der Fall sein, wenn zwei oder mehr Wettbewerber einen
Anspruch auf Platz 1 in Bezug auf ein bestimmtes Attribut geltend machen. Steelcase, ein
Büromöbelhersteller, versucht sich mit zwei Attributen von der Konkurrenz zu differenzie-
ren: mit der höchsten Pünktlichkeit bei den Lieferungen und mit der besten Unterstützung
beim Aufbau der Möbel. Volvo wählte immer eine Positionierung in den beiden Dimensio-
nen „am sichersten“ und „am langlebigsten“. Die Gefahr bei der mehrfachen Argumentation
liegt in einer Streuung, die zum Verlust einer klaren Positionierung und der Glaubwürdigkeit
führen kann.
Da viele Marktsegmente immer spezialisierter und damit immer schmaler werden, versuchen
einige Unternehmen, ihre Basis zu verbreitern, indem sie mehrere Segmente ansprechen. Bei
Zahnpasten gibt es drei Schwerpunkte, nämlich Kariesvorbeugung, reinen Atem und weiße
Zähne. Viele Käufer möchten nun alle drei Vorteile auf einmal und so standen die Entwickler
vor der Frage, wie man alle drei Wünsche mit einem Produkt befriedigen könnte, bezie-
hungsweise wie man die Käufer davon überzeugen könnte, dass eine bestimmte Zahnpasta
alle drei Vorteile auf einmal bietet. Die Lösung war, eine Zahnpasta zu entwickeln, die in drei
verschiedenfarbigen Strängen aus der Tube kommt, um die drei Vorteile farblich zu verdeut-
lichen. Mit dieser Zahnpasta konnten drei Segmente bedient werden anstatt eines einzigen.
Auswahl der Wettbewerbsvorteile Nicht alle Unterschiede und Alleinstellungsmerkmale
sind bedeutungsvoll oder wichtig und lassen sich wirklich verwerten. Jeder Unterschied
birgt ein Potenzial in sich, zusätzlichen Nutzen für den Käufer zu schaffen, aber auch zusätz-
liche Kosten zu verursachen. Daher muss man genau abwägen, auf welche Weise man sich
von den Konkurrenten unterscheiden will. Ein Unterschied ist es dann wert, herausgearbei-
tet zu werden, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

370
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7.4 Differenzierung und Positionierung

Wichtig Der Unterschied bietet den Käufern einen relevanten Zusatznutzen.

Die Konkurrenten bieten derartiges nicht an oder das Unternehmen kann es in unver-
Markant wechselbarer Weise liefern.

Überlegen Der Unterschied ist die beste Lösung, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Vermittelbar Der Unterschied kann den Käufern erklärt und sichtbar gemacht werden.

Nicht imitierbar Die Verbesserung kann von den Wettbewerbern nicht einfach kopiert werden.

Bezahlbar Die Käufer können es sich leisten, für den Unterschied zu zahlen.

Wirtschaftlich Das Unternehmen kann den Unterschied gewinnbringend vermarkten.

Tabelle 7.6: Kriterien für die Bedeutung von Unterschieden für die Positionierung

Immer wieder unterlaufen Unternehmen Fehler bei der Differenzierung, weil die ausgemach-
ten Unterschiede eines oder mehrere dieser Kriterien nicht erfüllen:
 Das Westin Stamford Hotel in Singapur warb einst damit, das höchste Hotel der Welt zu
sein. Für die Gäste war das nicht wichtig, sie sahen keinen Vorteil darin, wohl eher Nach-
teile.
 Der Baumarkt Praktiker hat mit seinen Rabattaktionen („20 Prozent auf alles“) jahrelang
konsequent die tatsächlichen Bedürfnisse (Beratung, Service, großes Sortiment und nicht
zuletzt das emotionale Erlebnis, etwas selbst zu gestalten) der Baumarktkunden ignoriert
und es nicht geschafft, die preissensiblen Neukunden an sich zu binden. Als Billiganbie-
ter konnte sich der Baumarkt zwar positionieren (obwohl er kein Kostenführer war), bei
Beliebtheitsumfragen kam Praktiker dadurch allerdings nicht auf die vordersten Plätze.
Dies führte dazu, dass Kunden – insbesondere bei sehr günstigen Angeboten – zwar in die
Filialen kamen, ihren sonstigen Bedarf aber eher beim Wettbewerb befriedigten.
 Der Drogeriemarkt dm beschäftigt sich intensiv mit dem Einkaufserlebnis und dem rele-
vanten Zusatznutzen für seine Kunden. So finden diese in den großzügig ausgelegten Fili-
alen Wasserspender, Kinder-Spielecken, Babywickeltische, Kundentoiletten mit kostenlo-
sen Hygieneartikeln, Lupen an den Einkaufswagen für ältere Menschen und breite Gänge,
die auch das gleichzeitige Passieren mit Kinderwagen ermöglichen. Selbst für angebro-
chene Produkte gibt der Drogeriemarkt eine Rücknahme-Garantie. Schlecker dagegen
setzte auf kleine Verkaufsflächen mit wenigen Mitarbeitern, begrenztem Sortiment und
engen Gängen. Ein deutlicher Unterschied, der den Kunden beim Einkauf nicht verborgen
blieb und dazu beitrug, dass Schlecker 2012 Insolvenz anmeldete.
Einige Vorteile gegenüber der Konkurrenz mögen zu gering sein, andere in der Entwicklung
zu kostspielig oder mit dem Gesamtprofil des Unternehmens nicht vereinbar. Nehmen wir
an, dass ein Unternehmen eine Positionierungsstrategie entworfen und die Liste der mögli-
chen Wettbewerbsvorteile auf vier reduziert hat. Jetzt wäre eine Methode nötig, um den Wett-
bewerbsvorteil auszuwählen, der für die weitere Entwicklung das größte Potenzial böte.
Tabelle 7.7 zeigt eine systematische Vorgehensweise, mehrere mögliche Wettbewerbsvorteile
zu beurteilen und den richtigen auszuwählen.

371
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Technologie Kosten Qualität Service


Einschätzung der eigenen 8 6 8 4
Position (1–10)
Einschätzung der Position 8 8 6 3
des Konkurrenten (1–10)
Notwendigkeit dringen- gering groß gering groß
der Verbesserung
(groß–mittel–gering)
Finanzierbarkeit und gering mittel gering groß
Schnelligkeit
(groß–mittel–gering)
Fähigkeit des Konkurren- mittel mittel groß gering
ten, sich zu verbessern
(groß–mittel–gering)
Handlungsempfehlungen abwarten beobachten beobachten investieren
Tabelle 7.7: Analyse von Wettbewerbsvorteilen

In der Übersicht vergleicht das Unternehmen vier Attribute, nämlich Technologie, Kosten,
Qualität und Service, mit der aktuellen Situation bei dem Hauptkonkurrenten. Nehmen wir
an, dass beide Unternehmen bei den Technologien auf 8 stehen (1 Punkt = schlecht, 10
Punkte = gut). Dies bedeutet, dass beide Unternehmen einen guten Stand hinsichtlich der
Technologie haben. Das Unternehmen stellt sich nun die Frage, ob es sich lohnt, die neuen
Technologien weiterzuentwickeln, speziell im Hinblick auf die hohen Kosten.
Der Konkurrent steht bei den Kosten besser da (8 anstelle von 6). Dies kann das Unterneh-
men in Bedrängnis bringen, falls sich der Markt als sehr preisempfindlich erweisen sollte.
Das Unternehmen bietet höhere Qualität als der Hauptkonkurrent (8 statt 6). Abschließend
bleibt festzuhalten, dass beide Unternehmen einen Service bieten, der unter dem Durch-
schnitt liegt (4 beziehungsweise 3).
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob das Unternehmen zunächst bei den Kosten und
beim Service Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Konkurrenzunternehmen erreichen
könnte. Trotzdem müssen auch andere Faktoren betrachtet werden. Wie wichtig sind die Ver-
besserungen bei jedem dieser Kriterien für die Zielgruppe? Die dritte Zeile zeigt, dass Verbes-
serungen sowohl bei den Kosten als auch beim Kundendienst für die Kaufinteressenten
wichtig wären. Kann das Unternehmen sich diese Verbesserungen leisten? Wenn ja, wie
schnell können sie umgesetzt werden? Aus der vierten Zeile lässt sich ablesen, dass das
Unternehmen den Kundendienst schnell und kostengünstig organisieren und verbessern
könnte. Aber, sollte man sich dazu entschließen, wäre der Konkurrent fähig, seinen Kunden-
dienst ebenfalls zu verbessern? Die fünfte Zeile zeigt, dass der Wettbewerber nur eine geringe
Fähigkeit zur Verbesserung des Kundendienstes hat. Dies könnte daher kommen, dass dort
niemand den Kundendienst für wichtig hält oder dass keine Mittel für den Ausbau des Kun-
dendienstes vorhanden sind. In der letzten Zeile ist beschrieben, welche Maßnahmen bei
jedem Attribut zu treffen wären.
Für das Unternehmen ist es in diesem Fall am sinnvollsten, in die Verbesserung des Services
zu investieren, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Der Kundendienst ist den Kunden

372
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7.4 Differenzierung und Positionierung

wichtig, das Unternehmen kann sich eine Verbesserung finanziell leisten, sie schnell umset-
zen und der Konkurrent wird möglicherweise nicht in der Lage sein, dasselbe zu tun.

Entwicklung einer Positionierungsstrategie


Die Positionierung über den Kundennutzen bzw. das Preis-Leistungs-Verhältnis bietet eine
Reihe von Alternativen, die auf dem Wert eines Angebots aus Kundensicht im Vergleich zu
seinem Preis beruhen. Verbraucher entscheiden sich typischerweise für das Produkt bzw. die
Dienstleistung, das bzw. die ihnen den größten Nutzen bietet. Das Marketing wird daher ver-
suchen, die eigene Marke anhand des dominierenden Nutzens, den sie gegenüber den Kon-
kurrenzprodukten bietet, zu positionieren. Die sich daraus ergebende Positionierung
beschreibt das Preis-Leistungs-Verhältnis des Produkts bzw. das Nutzenversprechen, eine
Gesamtheit verschiedener Nutzenelemente im Verhältnis zu dem Preis, der für das Produkt
aufzuwenden ist. Die Positionierungsstrategie liefert also die Antwort auf die Frage der Kon-
sumenten, warum sie gerade meine Marke kaufen sollen.
Das Nutzenangebot eines Volvos basiert auf hohen Sicherheitsstandards, Zuverlässigkeit,
Geräumigkeit und gutem Design, dies alles für einen Preis, der höher als der Durch-
schnittspreis vieler anderer Anbieter liegt. Trotzdem erscheint dies den Käufern als ein faires
Angebot in Bezug auf das gesamte Preis-Leistungs-Verhältnis.
Die Abbildung 7.6 zeigt denkbare Preis-Leistungs-Verhältnisse, mittels derer ein Unterneh-
men seine Produkte positionieren kann.

Preis

Höher Gleich Niedriger

Mehr Mehr für Mehr zum Mehr für


mehr selben Preis weniger
Leistung

Gleich Das Gleiche


für weniger

Weniger Weniger für


weniger

Abbildung 7.6: Gestaltungsmöglichkeiten des Preis-Leistungs-Verhältnisses

In Abbildung 7.6 finden wir:


 überlegene Nutzenkombinationen (dunkelrote Felder), also Kombinationen, mit denen ein
Unternehmen Wettbewerbsvorteile erreicht,
 Verliererpositionen (hellrote Felder), die vom Markt in der Regel nicht akzeptiert werden,
 in der Mitte erscheint eine Positionierung, die allenfalls ein Mitziehen, jedoch ohne Wett-
bewerbsvorteile, erlaubt.

373
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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Im Folgenden wollen wir auf die fünf Positionen, die ein Unternehmen zum Gewinner
machen können, eingehen:
 Mehr für mehr
 Mehr zum selben Preis
 Das Gleiche für weniger
 Weniger für weniger
 Mehr für weniger
„Mehr für mehr“ Diese Positionierung bedeutet, dass man das bestmögliche Produkt oder die
beste denkbare Dienstleistung anbietet und einen hohen Preis durchzusetzen versucht, um die
erhöhten Kosten der Leistungserstellung wieder hereinzuholen. Anbieter, die „nur das Beste“
anbieten, finden sich in allen Produkt- und Dienstleistungssparten, angefangen bei Hotels,
Restaurants, Nahrungsmitteln und Mode bis hin zu Automobilen, Möbeln und Küchenein-
richtungen. Die Hotelkette Ritz-Carlton, Schreibgeräte von Montblanc oder Automobile von
Mercedes-Benz beanspruchen für sich überlegene Qualität, handwerkliches Können, Langle-
bigkeit, Leistung und Stil und setzen einen entsprechenden Preis an. Zum Angebot gehört
nicht nur höchste Qualität, sondern auch ein gewisses Prestige für den Käufer. Durch diese
Produkte werden Status und Lebensstil ausgedrückt. Daher ist es nicht erstaunlich, dass in
vielen Fällen der Preisunterschied jenen in der Qualität bei Weitem überschreitet.
Die Verbraucher erscheinen manchmal überrascht, sogar begeistert, wenn ein neuer Anbieter
mit ungewöhnlich teuren Produkten den Markteintritt wagt. In den Massenmärkten für Kaf-
fee oder Tee gibt es ungewöhnlich teure Angebote. Mit Häagen-Dazs wurde eine Super-Pre-
mium-Eiscreme zu Preisen eingeführt, die niemals zuvor für ein Produkt dieser Kategorie
gefordert worden waren. Starbucks trat als eine vergleichsweise teure Marke in den Kaffee-
markt ein. Im Allgemeinen sollte ein Unternehmen immer die Augen dafür offen haben, ob
Produkte entsprechend dem Motto „viel mehr zu einem viel höheren Preis“ in bestimmten,
wenig entwickelten Produkt- oder Dienstleistungskategorien eingeführt werden können.
Jedoch können sich Marken, die ganz auf die Strategie „Mehr für einen hohen Preis“ setzen,
im Nachhinein als sehr verletzbar erweisen. Häufig treten Nachahmer auf, welche die gleiche
Qualität zu einem niedrigeren Preis versprechen. So reichen die Mitbewerber von Starbucks
als Premium-Kaffeeanbieter von Costa Coffee und Café Nero bis hin zu McDonald’s. Bei
Luxusgütern, die sich in der Hochkonjunktur gut verkaufen, kommt es häufig zu Absatzein-
brüchen, wenn sich eine allgemeine Rezession abzeichnet und die Konsumenten vorsichtiger
bezüglich ihrer Ausgaben werden.
„Mehr zum selben Preis“ Unternehmen können die Position eines Konkurrenten, der „Viel
zu einem hohen Preis“ anbietet, mit Produkten angreifen, die vergleichbare Qualität zu
einem niedrigeren Preis bieten. In den USA führte Toyota die Marke „Lexus“ mit dem Ansatz
„Mehr für das gleiche Geld“ ein. In der Werbung hieß es: „Zum ersten Mal in der Geschichte
ist es möglich geworden, ein 72.000-Dollar-Auto gegen ein 36.000-Dollar-Auto in Zahlung zu
geben und trotzdem noch aufzusteigen.“ Man versuchte, den hohen Qualitätsanspruch des
neuen Lexus durch Besprechungen in Automobilzeitschriften, durch die großzügige Vertei-
lung eines Videos, auf dem ein Mercedes und ein Lexus verglichen wurden, und durch
Berichte über einen besseren Kundendienst bei den Lexus-Händlern bekannt zu machen und
zu unterstreichen. Viele Mercedes-Besitzer wechselten zu Lexus. Die Wiederkaufrate bei
Lexus ist inzwischen auf 60 Prozent gestiegen, doppelt so hoch wie der Branchendurch-
schnitt.

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7.4 Differenzierung und Positionierung

„Das Gleiche für weniger“ Das Gleiche für weniger Geld anzubieten, dürfte eine schlagkräf-
tige Positionierung nach dem Preis-Leistungs-Prinzip darstellen – wer macht nicht gerne ein
gutes Geschäft? Der Erfolg von Amazon.com in Großbritannien beruht zu einem großen Teil
auf Preisunterbietungen gegenüber dem stationären Buchhandel (in der Bundesrepublik
Deutschland ist diese Positionierung wegen der Preisbindung für Bücher nicht ohne Weiteres
möglich). Discounter wie ALDI wenden diese Positionierung an. Sie behaupten nicht, andere
oder bessere Produkte anzubieten. Sie führen teilweise die gleichen Marken wie alle anderen
Geschäfte, aber sie geben die Kostensenkungen, die sie aus ihrer Marktmacht beim Einkauf
und durch eine konsequente Rationalisierung in den Ladenlokalen und bei der Logistik
erwirtschaften, an die Kunden weiter.
Andere Unternehmen entwickeln Marken, unter denen sie ähnliche Produkte wie der jewei-
lige Marktführer zu niedrigeren Preisen anbieten, in der Hoffnung, damit Kunden von die-
sem wegzulocken. Beispiele dafür sind die Prozessoren von AMD und Cyrix, die vergleich-
bare Funktionen wie die Chips des Marktführers Intel bieten.
„Weniger für weniger“ Es wird immer einen Markt für Produkte geben, die weniger zu einem
entsprechend niedrigeren Preis bieten. Nur sehr wenige Menschen möchten oder können
sich bei allem das Allerbeste leisten. In vielen Fällen sind die Käufer mit weniger als der
potenziellen Höchstleistung sehr glücklich, wenn diese Einschränkung durch einen günsti-
geren Preis ausgeglichen wird. Viele Reisende zum Beispiel verzichten gerne auf ihrer
Ansicht nach unnötige Dinge wie ein Schwimmbad im Hotel, Kabelfernsehen, ein teures Res-
taurant oder Pfefferminztaler auf dem Kopfkissen, wenn die Übernachtung entsprechend
preisgünstiger ist.
Eine Positionierung nach der Regel „Weniger für weniger Geld“ bedeutet, dass man reduzier-
ten Leistungs- oder Qualitätsansprüchen der Käufer mit deutlich herabgesetzten Preisen
begegnet. Billigfluglinien wie EasyJet und Ryanair versuchen, den Markt dort zu bedienen,
wo die Deregulierung es zulässt. Es ist sicher ein Irrtum anzunehmen, dass diese Positionie-
rung nur diejenigen Käufer anspricht, die über wenig Geld verfügen. Auch Geschäftsrei-
sende, deren Unternehmen die Reiseausgaben konsequent senken möchten, nutzen heute
Billigfluglinien. Zu deren Stammkunden gehören Menschen, die über große Entfernungen
zur Arbeit pendeln, ebenso wie die Besitzer von Ferienhäusern im Süden, die für kurze Trips
oder für die Anreise in die Sommerferien diese günstigen Reisemöglichkeiten nutzen.
Ebenso häufig findet man auf diesen Billigflügen Leute, die mal schnell zum Shopping nach
Paris, London oder Mailand fliegen, und Golfspieler, die ein Wochenende mit Gleichgesinn-
ten in Schottland und ein anderes in Spanien verbringen.
„Mehr für weniger“ Das beste Angebot besteht natürlich darin, „Mehr für weniger Geld“
anzubieten. Viele Unternehmen nehmen für sich in Anspruch, genau dies zu schaffen. Einige
Waschmittelhersteller beanspruchen für ihre Produkte die beste Waschleistung und den
niedrigsten Preis. Auf kurze Sicht kann ein Unternehmen sicherlich eine derartige Positio-
nierung vornehmen.
Auf lange Sicht dürfte es jedoch sehr schwierig werden, diese Position zu halten. Wenn man
mehr anbieten möchte, ist dies in der Regel mit höheren Kosten verbunden. Dies macht es
auf Dauer schwierig, auch die zweite Bedingung, nämlich „für weniger Geld“ zu erfüllen.
Unternehmen, die sich auf eine derartige Strategie einlassen, riskieren, den Markt an diejeni-
gen zu verlieren, die von vornherein eine klare Aussage machen.

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7 Marktsegmentierung und Positionierung

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass für jede Marke eine Positionierungsstrategie gefun-
den werden muss, die den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Zielmärkte gerecht wird.
„Mehr für mehr“ wird einen bestimmten Zielmarkt ansprechen, „Weniger für weniger“ einen
anderen. Trotzdem ist in der Regel auf jedem Markt Platz für viele unterschiedliche Anbieter,
von denen jeder seine Position behaupten kann.
Das Entscheidende ist, dass jedes Unternehmen eine eigene Positionierungsstrategie findet,
die es für seine Zielgruppe als etwas Besonderes hervorhebt. Wer nur „das Gleiche zum glei-
chen Preis“ anbietet, schafft damit keinen Wettbewerbsvorteil und lässt das Unternehmen als
eines unter vielen ohne besonderes Profil mitlaufen. Unternehmen, die auf eine der drei Ver-
liererpositionen („Das Gleiche für mehr“, „Weniger für mehr“ oder „Weniger für das Glei-
che“) zurückfallen, werden unausweichlich scheitern. Die Käufer merken sehr schnell, dass
sie ein schlechtes Geschäft gemacht haben, sie berichten anderen Menschen davon und mei-
den künftig diese Marke.

Entwicklung einer Positionierungsaussage


Die Positionierung eines Unternehmens oder einer Marke sollte in einer Positionierungsaus-
sage zusammengefasst werden. Die Aussage sollte folgende Bestandteile haben:
 Zielsegment und Bedürfnis
 Marke
 Konzept
 Unterscheidungskriterium
Zum Beispiel: „Für viel beschäftigte und mobile Geschäftsleute, die immer auf dem Laufen-
den sein müssen, ist BlackBerry eine kabellose Verbindungslösung, die es ihnen ermöglicht,
mit Daten, Menschen und mit der Infrastruktur des Unternehmens verbunden zu bleiben,
wenn sie unterwegs sind, einfach und verlässlich und zudem besser als mit vergleichbaren
Technologien.“
Die Positionierung eines Produkts äußert sich zuerst in der Zugehörigkeit zu einer bestimm-
ten Kategorie und zeigt dann die Unterschiede zu anderen Produkten dieser Kategorie. Durch
das Platzieren in einer speziellen Kategorie wird auf Parallelen zu anderen Produkten der
Kategorie hingewiesen. Jedoch kann sich ein Produkt nur durch Differenzierung innerhalb
dieser Kategorie behaupten.
Gelegentlich platzieren Marketingverantwortliche eine Marke in einer überraschend anderen
Kategorie, ehe sie die Unterschiede herausstellen. Als Nissan zum Beispiel sein kleines, flip-
piges Stadtauto, den Cube, herausbrachte, suchte man nach einem Weg, die Marke in dem
schon übervollen Segment der Kleinwagenmodelle abzugrenzen. So positionierte Nissan den
Cube nicht als kleines Auto, sondern als persönliches „Mobilgerät“ – ein Fahrzeug, das den
individuellen, mobilen, vernetzten Lebensstil der jungen Zielgruppe anspricht. Nachdem er
schon in Japan äußerst beliebt war, kam der Nissan Cube in den USA auf den Markt – als
Fahrzeug, das „junge Menschen zusammenbringt – so wie jedes Mobilgerät, das sie besit-
zen“. Es gehört „zum lockeren, aktiven Leben, das genauso einfach personalisiert werden
kann wie ein Handy oder eine Webseite“. Eine solche Positionierung außerhalb der üblichen
Kategorie verhalf dazu, den Cube außergewöhnlich zu machen.4

4 Siehe Stuart Elliott, „With the car industry in trouble, Nissan rolls out the mobile device“, New York
Times, 6. April 2009, www.nytimes.com; Dan Neil, „Nissan’s cube is coolness in a box“, Los Angeles
Times, 6. März 2009, S. 1 und www.nissanusa.com/cube, Zugriff August 2015.

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7.4 Differenzierung und Positionierung

Kommunikation und Umsetzung der Zielposition


Sobald sich ein Unternehmen für eine Position entschieden hat, sollte es alle erforderlichen
Maßnahmen einleiten, um die sich aus dieser Position ergebenden Verpflichtungen zu erfül-
len und die Kunden über diese Position zu informieren. Wenn man sich entschlossen hat,
eine Position auf bessere Qualität und besseren Kundendienst aufzubauen, muss man diese
Versprechungen halten. Die Bestimmung des Marketing-Mix – Produkt, Preis, Distribution
und Kommunikation – beinhaltet auch die Festlegung der konkreten Einzelheiten der Positi-
onierungsstrategie.
Wenn ein Unternehmen die Position „höchste Qualität“ anstrebt, muss alles in höchster Qua-
lität vorhanden sein. Die Produkte müssen in höchster Qualität produziert werden, es muss
ein Preis im oberen Segment verlangt werden, Groß- und Einzelhändler müssen höchsten
Qualitätsstandards genügen und die Werbung wird in qualitativ hochwertigen Medien
geschaltet. Die konkrete Umsetzung erfordert, dass das Unternehmen mehr Kundendienst-
personal einstellt und ausbildet, Handelspartner sucht, die einen guten Ruf haben, und
schließlich Werbebotschaften erarbeiten lässt, die diese Neuerungen zielsicher an interes-
sierte Gruppen übermitteln können. Nur wenn alle diese Punkte beachtet werden, wird es
möglich sein, eine andauernde und glaubhafte Positionierung mit hoher Qualität und hohem
Serviceniveau zu erreichen.
Für Unternehmen ist es häufig leichter, eine gute Positionierungsstrategie vorzulegen, als sie
tatsächlich umzusetzen. Eine Position zu erreichen oder erfolgreich zu verändern, dauert
normalerweise eine lange Zeit. Wenn ein Unternehmen eine angestrebte Position aufgebaut
hat, muss es sehr sorgfältig daran arbeiten, diese durch kontinuierliche Leistung und geeig-
nete Kommunikation zu halten. Es sollte die Position genau beobachten und bei Bedarf
anpassen, um Änderungen in den Bedürfnissen der Käufer zu berücksichtigen und geänderte
Strategien der Konkurrenten abzufangen. Führende Marken wie Coca-Cola, Nescafé, Sni-
ckers, BMW, Johnnie Walker und Chanel nehmen solche Anpassungen immer wieder vor
und können so ihre Position behaupten.
Auch gilt es, plötzliche Veränderungen, die die Kunden verunsichern könnten, zu vermei-
den. Coca-Cola vergaß dies, als es New Coke einführte und damit scheiterte. Starke Preissen-
kungen bei Marlboro führten dazu, dass die Verbraucher das Vertrauen in die Marke verloren
und diese aus der Liste der zehn meistgekauften Zigarettenmarken verschwand. Drastische
Änderungen haben nur ganz selten Erfolg. Die Position eines Produkts sollte sich langsam,
bei gleichzeitiger Anpassung an die kontinuierlichen Veränderungen des Marktumfelds, ent-
wickeln.

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7 Marktsegmentierung und Positionierung

ZUSAMMENFASSUNG

Die Schritte beim Zielgruppenmarketing sind:


 Marktsegmentierung
 Auswahl von Zielmärkten
 Differenzierung und
 Positionierung im Markt
Durch die Segmentierung von Märkten lassen sich Chancen besser aufspüren und in der
Folge Produkte und Marketing-Mix so entwickeln, dass sie die Bedürfnisse der Konsu-
menten optimal befriedigen. Marktsegmentierung bedeutet, den Markt in definierbare
Käufergruppen aufzuteilen, für die es lohnend sein könnte, separate Produkte oder
einen speziellen Marketing-Mix aufzubauen. Das Marketing kann sich dabei einer Viel-
zahl von Segmentierungsvariablen bedienen, aus denen es die für den jeweiligen Markt
am besten geeigneten auszuwählen gilt. Für das Konsumgütermarketing sind die Haupt-
kriterien der Segmentierung geografische, demografische, psychografische und verhal-
tensorientierte Variablen. Im Industriegütermarketing werden Segmentierungskriterien
angewandt, welche die Unternehmen anhand allgemeiner Kennzahlen, der Nutzung der
Produkte oder Dienstleistungen, der Organisation und Durchführung der Beschaffung,
situativer Faktoren und mithilfe von Kaufmethoden und persönlichen Charakteristika
der handelnden Personen darstellen. Inwiefern ein Segmentierungsansatz geeignet ist,
zeigt sich daran, ob die gefundenen Segmente messbar, ausreichend groß und bedeut-
sam und für das Marketing zugänglich und bearbeitbar sind.
Als Nächstes muss der Anbieter die besten der ermittelten Marktsegmente identifizie-
ren. Hierzu untersucht man zunächst die Größe und die Wachstumscharakteristik der
einzelnen Segmente, ihre strukturelle Attraktivität und die Übereinstimmung mit den
Zielvorstellungen und Ressourcen des Unternehmens.
Anbieter können vier verschiedene Methoden wählen, um in einen Markt einzutreten.
Das Massenmarketing ist eine Entscheidung für Massenproduktion und Massenabsatz
eines Produkts und versucht, jeden erreichbaren Käufer mit dem gleichen Marketing-
Mix anzusprechen. Beim Zielgruppenmarketing versucht man, verschiedene Gruppen,
die jeweils einen Markt bilden, zu identifizieren und Produkte und Marketing-Mix auf
ausgewählte Zielgruppen abzustimmen. Das Nischenmarketing wendet sich an ver-
gleichsweise kleine und eng definierte Untergruppen innerhalb solcher Segmente. Beim
Mikromarketing passen die Anbieter ihr Angebot an die Wünsche lokal abgrenzbarer
Kundengruppen oder sogar eines jeden einzelnen Kunden an.
Im Anschluss daran ist zu entscheiden, wie man seine Produkte differenzieren und
positionieren will. Im Rahmen der Differenzierung arbeitet ein Unternehmen gezielt
seine Stärken heraus, damit es die Bedürfnisse der Zielmärkte optimal bedienen kann.
Differenzierung soll einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen.
Es geht darum, den Kunden einen höheren Nutzen zu bieten. Für die Differenzierung
selbst hat man fünf Ansatzpunkte:
 Differenzierung über das Produkt
 Differenzierung über Dienstleistungen
 Differenzierung über Vertriebskanäle

378
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Literatur und Quellen

 Differenzierung über Mitarbeiter


 Differenzierung über das Image
Technische Innovationen sind heute relativ schnell und leicht für alle Wettbewerber in
einem Markt verfügbar oder imitierbar. Das Produkt selbst ist daher immer weniger dazu
geeignet, eine dauerhafte Positionierung zu tragen. Service und Image werden deshalb
zu sehr wichtigen Faktoren, aufgrund derer die Käufer zwischen den einzelnen Produk-
ten und Marken unterscheiden. Auch die Differenzierung über sach- und fachkundige
Mitarbeiter oder über Vertriebskanäle gewinnen an Bedeutung.
Positionierung im Markt bedeutet, die Ansichten des Käufers über das Unternehmen
und seine Produkte zu steuern. Es geht hier vor allem um Wahrnehmungen. Die Positio-
nierung über den Kundennutzen bzw. das Preis-Leistungs-Verhältnis bietet eine Reihe
von Positionierungsalternativen, die auf dem Wert eines Angebots aus Kundensicht im
Vergleich zu seinem Preis beruhen. Die erfolgversprechenden Strategien reichen von
„Mehr für mehr“, wobei man den Kunden ein überlegenes Produkt zu einem hohen
Preis anbietet, bis hin zu „Weniger für weniger“, wobei man mit einfachen Produkten zu
niedrigen Preisen in den Markt geht.
Um die Wahrnehmungen der Käufer bezüglich eines Produkts zu beeinflussen, stehen
verschiedene Positionierungsstrategien zur Verfügung. Bei diesen geht es immer darum,
das Produkt mit bestimmten Attributen zu belegen. Unternehmen haben dauerhaft
Erfolg, wenn sie über lange Zeit eine klare Positionierung innehaben und keine abrup-
ten Brüche in ihrer Marktposition vornehmen.

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gen/pressemitteilung/rec-uid/60668.html [31.03.2015]
TRUMPF Gruppe, Geschäftsberichte der TRUMPF Gruppe, Webseite der Trumpf Gruppe unter:
www.trumpf.com [31.03.2015].
Volkswagen AG, Geschäftsbericht 2013, Webseite der Volkswagen AG unter: www.volkswagen.de
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[01.02.2010].
Wong, Elaine: „P&G, Dial, Unilever target the middle man“, in: Brandweek (18.05.09), S. 8.

381
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Produkte, Dienstleistungen
und Marken
8.1
8.2
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
Der Produktbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
8
8.3 Produktentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

ÜBERBLICK
8.4 Services-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
8.5 Markenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
8.6 Weitere Überlegungen zu Produkten . . . . . . . . . . . . 437
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444

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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... definieren, was ein Produkt ist, einschließlich der Begriffe Kernprodukt, reales
Produkt und erweitertes Produkt.
 ... die wesentlichen Klassifikationen von Produkten darstellen.
 ... die Entscheidungen nachvollziehen, die Unternehmen bezüglich Produktlinien
und Produktfamilien zu treffen haben.
 ... erklären, warum Unternehmen Marken aufbauen und managen.
 ... definieren, was eine Dienstleistung ist.
 ... die besonderen Charakteristika beschreiben, die beim Marketing für Dienstleistun-
gen bestimmend sind.
 ... erklären, welche Überlegungen beim Marketing für Dienstleistungen zusätzlich
anzustellen sind.
 ... für ein Dienstleistungsunternehmen Marketingstrategien entwickeln und dabei
aufzeigen, wo Sie Potenziale für eine Differenzierung des Angebots, für Qualitätsver-
besserungen und für eine Erhöhung der Produktivität sehen.

8.1 Einführung
Nach der Betrachtung der auf Kundennutzen fokussierten Marketingstrategien gehen wir nun
näher auf den Marketing-Mix ein: die taktischen Instrumente, die Marketing-Manager zur
Umsetzung ihrer Strategien, Einbindung von Kunden und Schaffung des größtmöglichen
Kundennutzens einsetzen. In diesem und im nächsten Kapitel lernen wir, wie Unternehmen
ihre Produkte und Marken entwickeln und steuern. In den dann folgenden Kapiteln befassen
wir uns mit Preisgestaltung, Vertrieb und Marketing-Kommunikationsinstrumenten. Das Pro-
dukt ist in der Regel der erste und grundlegendste Marketingaspekt. Wir beginnen mit einer
scheinbar einfachen Frage: Was ist ein Produkt? Es wird sich zeigen, dass diese Frage gar
nicht so einfach ist.
Ehe wir in diesem Kapitel darauf eingehen, können wir uns eine interessante Produktge-
schichte ansehen. Beim Marketing geht es um den Aufbau von Produkten und Marken, zu
denen Kunden eine starke Beziehung entwickeln. Wenn Sie also an Top-Marken denken,
welche kommt Ihnen zuerst in den Sinn? Vielleicht eine der bekannten, weltweiten Kultmar-
ken wie Coca-Cola, Nike oder McDonald’s. Vielleicht auch ein Technologieunternehmen wie
Google, Facebook oder Amazon. Eine der faszinierendsten Entwicklungen der letzten Jahre
war jedoch der Taxi-Dienst Uber und sein Einfluss auf die Städte in der ganzen Welt.

384
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8.1 Einführung

Einführende Fallstudie: Uber – das Killer-Produkt im Markt der


Personenbeförderung

Die Welt wird Zeuge eines Kampfs um die Zukunft des Personentransports – er wird
genau vor unseren Häusern und Büros ausgetragen, und er ist im vollen Gang. Uber und
eine wachsende Zahl finanziell gut ausgestatteter Start-ups (wie der konkurrierende Mit-
fahrdienst Lyft) wollen erreichen, dass ein Taxi zu bekommen ebenso einfach wird wie
online einen Tisch im Restaurant zu reservieren oder einen Preis auf Amazon nachzuse-
hen. Eine Taxifahrt ist dann einfach nur ein weiteres Angebot, das man über sein Smart-
phone abrufen kann. Doch all diese Unternehmen haben ein noch ehrgeizigeres Ziel – sie
wollen das private Auto in den modernen Städten komplett überflüssig machen.
Im Jahre 2009 brachte Uber die Idee auf den Markt, dass Passagiere die nächste Mitfahr-
gelegenheit über ihr Smartphone buchen und den Weg des Fahrzeugs zum Abholpunkt
nachverfolgen können. Nach der Fahrt erfolgt die Zahlung automatisch über die Abbu-
chung von der Guthabenkarte des Kunden – peinliches Trinkgeldzählen entfällt. Uber
bietet eine einfache Bedienung und macht es damit wesentlich angenehmer, ein Taxi zu
buchen als eines auf der Straße anzuhalten. Um Teil des Netzwerks zu werden, erhalten
Uber-Fahrer eine etwa einstündige Einarbeitung, ein kostenloses iPhone mit der Uber-
App, etwas Ausstattung für die Windschutzscheibe und schon sind sie im Geschäft. Sie
sind keine Angestellten, sondern freiberufliche Fahrer. Uber besitzt keine eigenen Fahr-
zeuge, es vermittelt die Passagiere über die Smartphone-App an eine bereits bestehende
Flotte – und das genau ist das Produkt von Uber.
Uber wurde von Travis Kalanick und Garret Camp in San Francisco gegründet – beide hat-
ten schon Erfahrung mit Start-ups. Die Idee bestand darin, Kunden mehr Komfort und das
Gefühl einer stilvollen Fahrt zu ermöglichen (Uber setzte zu Beginn große und luxuriöse
Fahrzeuge ein). Zu der Zeit begrenzte San Francisco wie viele andere Städte die Zahl der
lizenzierten Taxis ungeachtet der schnell wachsenden Bevölkerung – in der Folge muss-
ten Fahrgäste sehr lang warten und Taxis waren schwer zu bekommen. Die begrenzte
Anzahl verfügbarer Taxis führte auch dazu, dass große Taxi-Unternehmen sich nicht
besonders um einen zügigen Kundendienst bemühten, da sie ihre Einnahmen mit der Ver-
mietung von Fahrzeugen an die Fahrer sicherten. Uber startete das Geschäft mit 307 Milli-
onen US-Dollar, das es von Geldgebern wie Google Ventures (dem Investment-Bereich von
Google) und Amazon-Gründer Jeff Bezos erhalten hatte. Im Jahr 2013 konnte das Unter-
nehmen 1 Milliarde US-Dollar für Taxifahrten in 70 Städten weltweit, in denen es den
Dienst bis dahin gab, in Rechnung stellen. Bis 2015 hatte Uber einen Marktwert von 40
Milliarden US-Dollar erreicht. Im Lauf der Geschäftsentwicklung wurde Uber zu einem
der beliebtesten und gleichzeitig meistgehassten Start-ups der Smartphone-Ära. Kunden
liebten die Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Annehmlichkeit des Diensts, beschwer-
ten sich jedoch bitterlich über die sprunghafte Preisgestaltung – in den Spitzenzeiten der
Nachfrage stieg auch der Preis. Über die Preise regelt Uber Angebot und Nachfrage. Die
Anhebung der Beförderungsentgelte zu den Stoßzeiten ist ein Anreiz für die Fahrer, sich
auf den Weg zu machen und ihre Dienste anzubieten. Von den 10 US-Dollar Fahrpreis, die
bei normaler Auslastung berechnet werden, bleiben dem Fahrer etwa 8 US-Dollar. In
Stoßzeiten, wenn die Preise bis zu vier Mal so hoch liegen – zum Beispiel an Feiertagen
oder bei schlechtem Wetter – kann der Gesamtfahrpreis schon mal 40 US-Dollar betragen,
wovon der Fahrer 32 US-Dollar erhält. Uber gibt seinen Kunden Gelegenheit, dem höhe-
ren Fahrpreis zuzustimmen, ehe sie das Taxi besteigen.

385
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

In vielen Ländern wurde Uber von Marktregulierern blockiert, welche die „Interessen
von Kunden schützen“ wollten, dabei aber insbesondere das Geschäft der herkömmli-
chen Taxibetriebe im Sinn hatten. In Paris blockierten lizenzierte Taxifahrer die Aus-
fahrten zu den wichtigsten Flughäfen und sorgten in der Stadt für einen Verkehrskol-
laps, um ihren Widerstand gegen diese neue Art des Wettbewerbs auszudrücken. In
London versammelten sich 2014 massenhaft Taxifahrer auf dem Trafalgar Square und
brachten den Verkehr mit ihrem Protest gegen die Konkurrenz von Uber zum Erliegen.
Die Proteste weiteten sich von Paris und London bis nach Berlin und Madrid aus. Es gab
mehrere Versuche, Uber aus den europäischen Städten zu verbannen, trotz der Begeiste-
rung der Kunden für diesen neuen Dienst. Empörte Gegner des Unternehmens warfen
Uber vor, das Leben der Passagiere durch unerfahrene Fahrer in den Taxis zu riskieren,
fragwürdige Versicherungen im Fall eines Schadens anzubieten und die Preise mit dem
Ziel der Ausschaltung von Konkurrenten zu senken. Tatsächlich räumte Uber eine über-
mäßig aggressive Verkaufsstrategie in einigen Fällen ein. Bei Beschwerden der Taxifah-
rer-Gewerkschaften – die häufig vorkommen – rief Uber seine Kunden dazu auf, E-Mails
oder Tweets an die Regulierungsbehörde zu senden und das Unternehmen zu unterstüt-
zen. Betrachtet man die Geschichte von Uber, ist diese auch immer von Auseinanderset-
zungen geprägt: Zu nennen sind hier der Streit mit den deutschen Regulierungsbehör-
den über das dortige Verbot eines der angebotenen Dienste, das raffinierte Abwerben
von Fahrern von dem aufstrebenden Rivalen Lyft, das Umgehen von Aufsichtsbehörden
und anderen Regierungseinrichtungen, um die eigene Personenbeförderungs-Revolu-
tion auf den Markt zu bringen. Uber ist in eine Menge Auseinandersetzungen verwi-
ckelt, insgesamt aber bereit für die Konfrontation.
Bis zum Jahr 2012 hatte Uber Konkurrenz von neuen Start-ups wie Sidekick und Lyft
bekommen. Auch diese Unternehmen brachten ihre Kunden und Fahrzeuge über eine
Smartphone-App zusammen, gingen jedoch noch einen Schritt weiter und erlaubten
jedem Fahrer mit einem freien Platz, Passagiere aufzunehmen, die über ihr Smartphone
eine Fahrt angefragt hatten. Die Reaktion von Uber bestand in einem eigenen Fahrge-
meinschafts-Angebot – UberX – in dem die Fahrer ihre privaten Wagen einsetzten. Uber
verzeichnet eine rasante weltweite Expansion und ist mittlerweile in den größten Städ-
ten Indiens, Chinas sowie Europas vertreten. Im Jahr 2014 umfasste die internationale
Expansion 246 Städte in 46 Ländern. Der Begriff „Uber-Nomics“ wurde für die Tatsache
geprägt, dass Uber als Teil einer neuen „Sharing Economy“ entstanden ist, die ständig
neue Uber-ähnliche Geschäftsmodelle für so ziemlich jeden Bereich hervorbringt – für
Wäschereien (Washio), Massagen (Zeel), Alkohol (Minibar). Das Fortune-Magazin glaubt
jedoch, dass die Uber-Manie nur ein Symbol für etwas weitaus Größeres ist. Es ist eine
neue Art „Plattform“-Produkt, das Unternehmen und Markt künstlich erzeugt – Ange-
stellte werden zu Unternehmern, Lieferketten werden zu Marktplätzen und Nutzer
erhalten Macht. Die Sharing Economy ermöglicht die Miete eines zusätzlichen Zimmers
oder einer Urlaubsunterkunft auf Airbnb oder HomeAway. Bei Guesty oder Urban Bell-
hop kann die Begrüßung der Gäste und die Endreinigung nach deren Abreise gebucht
werden. Eine Flut neuer Produkte und Dienste von neuen Start-ups im Bereich der Sha-
ring Economy ist im Entstehen, die in vielen traditionellen Märkten eine Menge radikal
verändern werden.

386
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8.1 Einführung

Abbildung 8.1: Protest von Taxifahrern gegen die Verschiedenheit der Regulierung von Taxis und der Regulierung der
Uber-Konkurrenz, in Portland, USA, 2015
(Quelle: Aaron Parecki (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Uber_Protest_Portland_(15652884204).jpg), „Uber
Protest Portland (15652884204)“, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode))

Fragen
1. Definieren Sie Ubers Produkt.
2. Charakterisieren Sie die Produktdimensionen von Ubers Produkt.

Wie die Geschichte von Uber zeigt, müssen Marketing-Manager für den Aufbau von Kunden-
beziehungen Produkte, Dienstleistungen und Marken schaffen und managen, die sie mit den
Kunden vernetzen und den größtmöglichen Kundennutzen bringen – selbst wenn damit die
Aufspaltung eines traditionellen Markts verbunden ist.
Dieses Kapitel beginnt mit einer trügerisch einfachen Frage: „Was ist ein Produkt?“ Nachdem
wir diese Frage beantwortet haben, werden wir untersuchen, wie wir eine Aufteilung in Pro-
dukte für Endverbraucher und Produkte für Industriegütermärkte vornehmen können. Wir
werden dann die wichtigen Entscheidungen diskutieren, die Unternehmen hinsichtlich ein-
zelner Produkte, Produktlinien und des Sortiments treffen. Bezüglich einzelner Produkte
werden wir ergänzende Entscheidungen analysieren, die über den Produktentwurf im enge-
ren Sinn hinausgehen. Dazu gehören Entscheidungen aufgrund des Markennamens, der Ver-
packung und Kennzeichnung und eines Konzepts produktunterstützender Dienstleistungen.
Auf die Dienstleistungen als eigenständiges Produkt wird im Speziellen noch einmal einge-
gangen. Anschließend widmen wir unsere Aufmerksamkeit dem Aufbau und Management
von Marken.

387
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

8 .2 Der Produktbegriff
Ein Paar Sportschuhe von adidas, eine Frisur von Udo Walz, ein Konzert von Lady Gaga, ein
Nutzfahrzeug von Mercedes, Volvo oder Iveco, ein Pauschalurlaub, eine medizinische Bera-
tung oder ein Politiker, der sich zur Wahl stellt – all dies sind Produkte.
Wir definieren ein Produkt wie folgt:
Ein Produkt ist jedes Objekt, das auf einem Markt zur Beachtung oder Wahl, zum Kauf, zur
Benutzung oder zum Verbrauch oder Verzehr angeboten wird und geeignet ist, damit Wün-
sche oder Bedürfnisse zu befriedigen.
Zu den Objekten, die wir auf diese Weise als Produkt definieren, gehören:
 alle gegenständlichen Objekte (z. B. ein Auto oder ein Schreibblock)
 Dienstleistungen
 Personen (z. B. ein Kandidat im Wahlkampf)
 geografische Orte
 Organisationen und Ideen (z.B. politische Parteien oder Organisationen wie Greenpeace)
Dienstleistungen sind Produkte, bestehend aus Aktivitäten, Nutzen oder Bedürfnisbefriedi-
gungen, die keine gegenständliche Komponente haben und deren Kauf nicht ihren Besitz
bedingt. Beispiele sind Bankdienstleistungen, ein Haarschnitt oder die Arbeit von Handwer-
kern.

8.2.1 Produkte, Dienstleistungen und Erlebnisse


Das Produkt ist im gesamten Marktangebot das Schlüsselelement. Die Planung des Marke-
ting-Mix beginnt mit der Formulierung eines Angebots, das den Zielkunden einen Wert
bringt. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Unternehmen und den Kunden stüt-
zen sich dann allein auf dieses Angebot. Das Angebot einer Firma beinhaltet häufig sowohl
materielle Waren als auch Dienstleistungen, wobei der Anteil der beiden Komponenten sehr
unterschiedlich gewichtet sein kann. Das eine Extrem sind dabei rein materielle Güter; das
Angebot besteht also aus physischen Gütern, wie zum Beispiel Seife, Zahnpasta oder Salz, zu
denen keine Dienstleistungen angeboten werden. Das andere Extrem ist reiner Service, d.h.
es werden primär Dienstleistungen angeboten. Zwischen diesen beiden Extremen sind aller-
dings noch viele andere Güter-Dienstleistungs-Kombinationen möglich.
Da sich Produkte und Dienstleistungen unterschiedlicher Anbieter immer ähnlicher werden,
gehen diese dazu über, Kundenwert durch Erfahrungen und Erlebnisse zu schaffen. Diese
waren schon immer wichtig in der Unterhaltungsindustrie – Disney hat durch seine Filme
und Themenparks sehr lang anhaltende Erinnerungen geschaffen. Auch Autohersteller wie
Mercedes-Benz stellen nicht nur hochwertige Autos her und verkaufen sie, sondern gehen
noch einige Schritte weiter, um ihren Kunden besondere Erlebnisse vermitteln zu können.
Sie bieten beispielsweise Fahrertrainings oder Reisen an oder bauen Museen, um ihre Mar-
kenwelten erlebbar zu machen. „Eine Marke, ein Produkt oder eine Dienstleistung ist mehr
als nur eine physische Sache. Menschen, die sich mit der Marke verbunden fühlen, geben ihr
eine Bedeutung und einen Wert“, sagt ein Marketingverantwortlicher. Und ein anderer fügt
hinzu: „Es ist das höchste Ziel, ein Kundenerlebnis erfolgreich zu managen.“

388
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8.2 Der Produktbegriff

8.2.2 Dimensionen eines Produkts


Die Produktplanung erfolgt grundsätzlich in drei Dimensionen. Dabei stellt jede weitere die-
ser Dimensionen einen Nutzenzuwachs für den Kunden dar.
Im Zentrum steht das Kernprodukt, das Objekt, das die Frage beantwortet: „Was möchte der
Kunde wirklich kaufen?“ Abbildung 8.2 illustriert, wie sich ein Produkt um das Kernprodukt
herum aufbaut. In der Regel bezeichnet das Kernprodukt den Nutzen des Produkts oder die
problemlösende Dienstleistung, nach der die Kaufinteressenten suchen. Eine junge Frau, die
einen Lippenstift kauft, sucht mehr als nur Farbe für ihre Lippen. Charles Revlon vom Kos-
metikhersteller Revlon sah die Dinge so: „In der Fabrik stellen wir Kosmetikprodukte her.
Wenn diese über den Ladentisch gehen, werden sie zu Erwartungen und Hoffnungen.“ Theo-
dore Levitt, ein US-Marketingfachmann, fasste das Ganze so zusammen: „Der Kunde kauft
nicht einen 10-mm-Bohrer, weil er einen Bohrer haben will, sondern er braucht und kauft
eigentlich 10-mm-Löcher.“

Erweitertes
Aufbau, Einbau Produkt
und Installation

Reales
Verpackung Produkt
Produkt-
Marken- funktionalität
Kernprodukt
name
Frei-Haus- Kernnutzen
Kunden-
Lieferung des Produkts
dienst und
und oder der
Reparatur-
Zahlungs- Dienstleistung
möglich-
ziel oder keiten
Teilzahlung
Qualität Produktdesign

kostenlose
Telefon- Schulungen
Hotline

Gewährleistung

Abbildung 8.2: Die drei Produktdimensionen: Kernprodukt, reales Produkt und erweitertes Produkt

Aus diesem Grunde muss eine Produktdefinition mit dem Basisnutzen, den das Produkt für
den Käufer bietet, beginnen.
Auf der nächsten Ebene muss der Basisnutzen ergänzt und in ein reales Produkt verwandelt
werden. Fünf Charakteristika machen das reale Produkt aus:
 die Qualität
 die Produktfunktionalität
 das Design
 die Marke des Produkts
 die Verpackung

389
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Das iPad beispielsweise ist ein konkretes Produkt. Sein Name, die Bestandteile, Stilmerk-
male, Verpackung und andere Eigenschaften wurden sorgfältig zusammengestellt, um den
wesentlichen Kundennutzen zu schaffen: in Verbindung zu bleiben.
In der Dimension des erweiterten Produkts müssen das Kernprodukt und das reale Produkt
um weitere Dienstleistungen und Bedürfnisbefriedigungen für den Käufer ergänzt werden. Es
genügt beispielsweise nicht, nur ein Tablet wie das iPad anzubieten. Dieses muss eine voll-
ständige Lösung für mobile Kommunikation bieten. Wenn sich der Interessent zum Kauf
eines derartigen Geräts entschließt, erwartet er in der Regel Zusatzleistungen wie eine Garan-
tie, einen schnellen Reparaturservice oder eine kostenlose Telefon-Hotline. Für den Käufer
sind diese Ergänzungen wichtige Bestandteile des Gesamtangebots. Apple bietet auch ein rie-
siges Sortiment an Apps und Zubehör sowie einen iCloud-Dienst, der Fotos, Musik, Doku-
mente, Apps, Kalender, Kontakte und andere Inhalte der Nutzer von jedem Standort aus auf
sämtliche Geräte integriert.
Der Endverbraucher neigt dazu, das von ihm erworbene Produkt als ein Bündel von Nutzen
anzusehen, das seine Bedürfnisse zu befriedigen verspricht. Das Marketing legt zunächst fest,
welche Kernbedürfnisse der potenziellen Käufer befriedigt werden sollen und können, dar-
aus wird das reale Produkt entwickelt und schließlich um die Elemente des erweiterten Pro-
duktbegriffs ergänzt. Man strebt an, ein Nutzenbündel zu schaffen, das die Kaufinteressenten
zufriedenstellt.
Heutzutage hat sich der Wettbewerb in vielen Branchen überwiegend auf das Niveau des
erweiterten Produkts verlagert. Durchschlagender und nachhaltiger Erfolg eines Produkts
ergibt sich häufig erst daraus, dass ein Angebot die Käufer nicht nur zufriedenstellt, sondern
darüber hinaus mitreißt, entzückt und begeistert.
Wenn Hotelgäste hochwertige Kosmetikartikel im Bad, aktuellen Lesestoff und ein „Betthup-
ferl“ auf dem Kopfkissen vorfinden, handelt es sich um eine Ergänzung zum Angebot der
Übernachtung.
Bedacht werden muss allerdings, dass jede Produktergänzung zusätzliche Kosten verursacht.
Es sollte daher exakt kalkuliert werden, ob potenzielle Mehrerlöse durch die Produktergän-
zung die zusätzlichen Kosten decken. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass jede Produkter-
gänzung schnell zu einer Selbstverständlichkeit wird, die immer und überall erwartet wird.
Hotelgäste erwarten heutzutage beispielsweise ein Angebot an Kabelfernsehen und Internet-
zugang. Anbieter, die sich hervorheben wollen, müssen deshalb ständig nach neuen Wegen
suchen.

8.2.3 Produktklassen
Auf der Suche nach Marketingstrategien für die einzelnen Produkte und Dienstleistungen
haben Marketingfachleute verschiedene Vorschläge für Produktklassifikationen gemacht, die
an bestimmte Charakteristika der Produkte anknüpfen. Im Folgenden untersuchen wir zwei
dieser Einteilungen, ihre Begründung und Konsequenzen.

Verbrauchs- und Gebrauchsgüter


Produkte können entsprechend ihrer Dauerhaftigkeit und Gegenständlichkeit klassifiziert
werden.
Verbrauchsgüter oder nicht dauerhafte Wirtschaftsgüter sind Güter, die während einer oder
weniger Nutzungen verbraucht werden, wie zum Beispiel Bier, Seife oder Kosmetik.

390
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8.2 Der Produktbegriff

Gebrauchsgüter oder langlebige Wirtschaftsgüter werden über längere Zeit genutzt und
überleben normalerweise viele Nutzungen. In diese Kategorie gehören z.B. elektrische Haus-
haltsgeräte, Möbel, Computer und Fahrzeuge. Im Bereich der Wirtschaft gehören alle Maschi-
nen, Fahrzeuge und Anlagen als sogenannte Investitionsgüter in diese Kategorie.

Konsumgüter und Industriegüter


Produkte können auch hinsichtlich ihrer Abnehmer unterschieden werden. Dies führt zu der
Einteilung in Konsum- und Industriegüter.

Konsumgüter
Güter, die Endverbraucher für ihren persönlichen Gebrauch oder Verbrauch kaufen, werden
als Konsumgüter bezeichnet. Diese lassen sich anhand der Kaufgewohnheiten der Konsu-
menten in weitere Untergruppen einteilen (siehe: Tabelle 8.1).
Güter des täglichen Bedarfs Als Güter des täglichen Bedarfs werden solche bezeichnet, wel-
che die Verbraucher regelmäßig kaufen, für deren Vergleich und Kauf sie sich nicht viel Zeit
nehmen und die sie bei Bedarf sofort erwerben. Die meisten dieser Produkte kosten nicht viel
und sind überall erhältlich. Beispiele für diese Kategorie sind Zigaretten, Zeitungen, Papier-
taschentücher oder Eis aus der Tiefkühltruhe.
Bei dieser Kategorie ist noch eine weitere Unterteilung üblich in:
 Regelmäßiger Bedarf: Diese Güter werden von den Verbrauchern regelmäßig gekauft, wie
zum Beispiel Ketchup, Zahnpasta oder Brot.
 Gelegentlicher und ungeplanter Bedarf: Einem Kauf von Gütern dieser Produktkategorie,
auch Impulsgüter genannt, liegen von vornherein keine Planung oder Kaufabsichten
zugrunde. Viele Geschäfte führen sie, aber kaum ein Kunde hat sie auf seinem Einkaufs-
zettel stehen. In den Wartezonen vor den Kassen sind sie aufgestellt: Schokoladenriegel,
Zeitschriften, Zigaretten und Tabak.
 Dringender Bedarf in Sondersituationen: Diese Güter werden gekauft, wenn ein dringen-
des Bedürfnis nach ihnen besteht. Aspirin bei plötzlichem Kopfschmerz, eine Packung
Pflaster, wenn man sich in den Finger geschnitten hat, Schneeschieber und Winterreifen,
wenn einmal ein harter Winter früh einsetzt. Die Hersteller dieser Güter müssen ihren
Absatz vorbereiten, indem sie vor der Saison möglichst viele ihrer Partner reichlich mit
Lagerbeständen ausrüsten. Wenn dann die spezielle Bedarfssituation eintritt, sind die Pro-
dukte überall sofort erhältlich.
Suchgüter Hierbei handelt es sich um Konsumgüter, die weniger häufig gekauft werden. Ver-
braucher betreiben erheblichen Aufwand, um Informationen über Zweckmäßigkeit, Qualität,
Preis und Design zu sammeln, Produktalternativen zu ermitteln und zu vergleichen. Möbel,
Bekleidung, Gebrauchtwagen und große Haushaltsgeräte gehören zu dieser Kategorie. Such-
güter werden vorzugsweise selektiv vertrieben, ausgewählte Händler bieten den Konsumen-
ten Unterstützung hinsichtlich der Informationsbeschaffung und Auswahlentscheidung.
„Speciality“-Güter Bei „Speciality“-Gütern handelt es sich um Konsumgüter mit einzigarti-
gen Charakteristika oder um herausgehobene Markenprodukte, für die eine größere Käufer-
gruppe bereit ist, besondere Bemühungen für den Kauf auf sich zu nehmen. Hierbei kann es
sich um besondere Marken oder Typen von Automobilen handeln, um Unterhaltungselektro-
nik der Spitzenklasse, um eine professionelle Fotoausrüstung oder Musikinstrumente. Wenn

391
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

eine Musikbox aus den 50er-Jahren angeboten wird, ist dies eine solche Spezialität, denn
jeder Liebhaber wäre bereit, viele Kilometer zu fahren, um sie zu erstehen.
Unberücksichtigte Güter Die Kategorie „Unberücksichtigte Güter“ besteht aus Konsumgü-
tern, von denen die Verbraucher entweder nicht wissen, dass es sie gibt, oder die sie kennen,
deren Kauf sie jedoch normalerweise nicht in Erwägung ziehen würden. Die meisten grund-
legenden Innovationen sind den Konsumenten zunächst unbekannt und werden erst durch
Werbung bewusst wahrgenommen. Klassische Beispiele von Produkten, die zwar bekannt
sind, aber nicht unmittelbar einen Kaufwunsch auslösen, sind Lebensversicherungen,
Alarmanlagen im Haus und große, kostspielige Nachschlagewerke. Aufgrund der besonderen
Charakteristika benötigen diese Güter sehr viel Werbung, persönlichen Verkauf und andere
Marketinganstrengungen.

Konsumgüter

Güter des Unberücksichtigte


Suchgüter „Speciality“-Güter
täglichen Bedarfs Güter

Abbildung 8.3: Einteilung der Konsumgüter nach Kaufgewohnheiten

Güter des täg- „Speciality“- Unberücksichtigte


Güterkategorie Suchgüter
lichen Bedarfs Güter Güter

Englischer convenience shopping goods speciality goods unsought goods


Begriff goods

häufiger Kauf, Kauf weniger Markenpräferenz Käufer kennt das Ange-


wenig Planung, häufig, mehr Pla- und Markentreue bot und die Alternativen
kaum Preisver- nung und Überle- beim Käufer, kaum, wenig Interesse
gleich, geringes gung, Vergleich besonders oder sogar emotionale
Engagement der Alternativen bewusst getätig- Ablehnung
Käuferverhalten in Bezug auf ter Kauf, kaum
Preis, Qualität, alternative Mar-
Aussehen usw. ken, geringe
Preisempfindlich-
keit

Preisgestaltung niedriger Preis höherer Preis hoher Preis unterschiedlich

weitverbreitete selektiver Ver- Exklusivvertrieb unterschiedlich


Distribution und Einkaufsmöglich- trieb durch aus- durch einen oder
Distributions- keiten gewählte wenige Handel-
dichte Händler spartner pro Ver-
triebsregion
Tabelle 8.1: Charakteristika von Konsumgütern nach Kaufgewohnheiten

392
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8.2 Der Produktbegriff

Güter des täg- „Speciality“- Unberücksichtigte


Güterkategorie Suchgüter
lichen Bedarfs Güter Güter
in der Regel Mas- Werbung und sorgfältig abge- aggressive Werbung
senmarketing Verkauf durch stimmte und ziel- und aggressives Marke-
Werbung und
durch den Her- Hersteller und gerichtete ting durch Anbieter und
Verkaufsförde- steller Handel Werbung durch Absatzmittler
rung Hersteller und
Handel
Zahnpasta, Tages- Möbel, Mar- Luxusgüter wie Lebensversicherungen,
Beispiele zeitung, Benzin, kenkleidung, Rolex-Uhren oder Blutspende
Waschmittel Fernseher Armani-Anzüge
Tabelle 8.1: Charakteristika von Konsumgütern nach Kaufgewohnheiten (Forts.)

Industriegüter
Grundsätzlich nehmen wir die Unterscheidung von Gütern entsprechend der Verwendung
vor, für die das Gut gekauft wurde. Wenn zum Beispiel ein Rasenmäher für den Garten zu
Hause angeschafft wird, sehen wir ihn als Konsumgut an. Wird derselbe Rasenmäher für den
Einsatz in einem Garten- und Landschaftspflegebetrieb oder für einen Restaurantvorgarten
gekauft, wird er als Industriegut bezeichnet. Industriegüter werden von Unternehmen und
Organisationen gekauft, um dort weiterverarbeitet oder genutzt zu werden.
Sie können in drei Hauptkategorien eingeteilt werden:
 Rohmaterial und Zulieferteile
 Anlagegüter
 Betriebs- und Hilfsstoffe, Dienstleistungen

Industriegüter –
Güter und Dienste
als Vorleistungen

Betriebs- und
Rohmaterial und Hilfsstoffe,
Anlagegüter
Zulieferteile Dienstleistungen

Rohstoffe, Grundstücke und Versorgung mit Gas,


Vorprodukte, Gebäude, Maschinen Wasser, Strom, Pro-
Baugruppen und und Produktions- duktivdienstleistungen
Teile ausrüstung wie Reinigung,
Wartung, Reparaturen

Abbildung 8.4: Unterteilung der Industriegüter in drei Kategorien

Rohmaterial und Zulieferteile Hierbei handelt es sich um Industriegüter, die vollständig in


das Produkt eingehen, sei es über eine Weiterverarbeitung oder als Bestandteil des Einzelpro-
dukts. Dabei sind nochmals zwei Gruppen zu unterscheiden:
 Rohmaterial: Zu dieser Gruppe gehören Produkte der Landwirtschaft (Weizen, Baum-
wolle, Fleisch, Früchte, Gemüse) und Rohstoffe aus der Natur (Fische, Holz, Erdöl, Eise-

393
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

nerz usw.). Landwirtschaftliche Produkte werden von vielen kleineren Produzenten gelie-
fert, die sie zum weitergehenden Absatz an Marketinginstitutionen (zum Beispiel
landwirtschaftliche Genossenschaften) abgeben, wo sie teilweise aufbereitet und weiter-
verarbeitet werden (Milch, Käse, Fleisch) und bei denen sich die Bedarfsträger (Nahrungs-
mittelindustrie, Gastronomie) eindecken können. Die Rohstoffe aus der Natur (Erdöl, Erze,
Holz) haben häufig ein großes Volumen und unbearbeitet noch geringe Preise pro Volu-
men- oder Gewichtseinheit. Aus diesem Grund ist der Anteil der Transportkosten sehr
hoch.
 Bearbeitete Materialien und Zulieferteile: Die zweite Gruppe dieser Kategorie sind bear-
beitete Materialien und Zulieferteile. Zu den Materialien gehören Eisen und Metalle in
allen Formen, Zement, Garne und Stoffe, Klebstoffe und Chemikalien. Zulieferteile sind
beispielsweise kleine Motoren, Getriebe, Reifen, Glühlampen und was sonst noch in ein
fertiges Produkt eingeht. Bearbeitete Materialien werden normalerweise weiterverarbeitet,
Roheisen wird zu Stahl verarbeitet, und Garn wird zu Gewebe gesponnen. Die Zuliefer-
teile gehen als eigener Bestandteil vollständig in das Fertigprodukt ein, ihre äußere Form
bleibt unverändert und ist auch im Endprodukt erkennbar. Elektro-Kleinmotoren werden
in Staubsauger eingebaut, DVD-Laufwerke in Computer und Reifen, Sitze, Scheiben und
Radios in Automobile.
Die meisten dieser Industriegüter werden direkt vom Hersteller an die industriellen Verwen-
der verkauft. Preis und Zuverlässigkeit sind die wichtigsten Faktoren im Marketing. Werbung
und Marke des Produkts treten auf diesem Markt in ihrer Bedeutung zurück.
Anlagegüter Anlagegüter werden eingesetzt zur Durchführung und Unterstützung des Pro-
duktionsprozesses.
 Bauten und Anlagen sind langlebige Güter wie Büro- und Produktionsbauten sowie fest
installierte große Maschinen und Anlagen (zum Beispiel Fließbänder oder Pressen).
 Einrichtungen sind mobile Ausrüstungsgegenstände für Fertigung und Verwaltung wie
Handbohrmaschinen, Büromöbel, Gabelstapler, Telefone und Faxgeräte. Diese Produkte
haben eine kürzere Lebensdauer als die Bauten und Anlagen und unterstützen lediglich
den Fertigungsprozess.
Betriebs- und Hilfsstoffe, Dienstleistungen Die Produkte der dritten Kategorie sind Industrie-
güter, die nicht in das Endprodukt eingehen und die alle Tätigkeiten im Unternehmen
ermöglichen und unterstützen.
 Betriebs- und Hilfsstoffe werden benötigt, um den täglichen Betrieb aufrechtzuerhalten
(Schmierstoffe, Kohle, Papier, Bleistifte) bzw. für Erhaltung und Reparatur (Farbe, Nägel,
Besen). Diese Produkte entsprechen den Gütern des regelmäßigen Kaufs bei den Konsum-
gütern, weil sie fast immer mit einem Minimalaufwand an Aufmerksamkeit und oftmals
ohne Vergleich beschafft werden.
 Dienstleistungen (besser: Produktivdienstleistungen) umfassen Erhaltungs- und Repara-
turarbeiten (Fensterputzen, Computerreparatur) sowie spezifische Beratungsleistungen in
Marketing oder Recht (Vertretung durch einen Anwalt, Entwurf einer Werbekampagne).
Für wiederkehrende Dienstleistungen wird häufig ein Vertrag über lange Zeiträume für die
regelmäßige Durchführung der Arbeit abgeschlossen.

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8.2 Der Produktbegriff

Ausweitung des Produktkonzepts


In den letzten Jahren hat das Marketing das Produktkonzept erweitert und um zusätzliche
vermarktbare Objekte ergänzt, zu denen Organisationen, Personen, Orte sowie Ideen und
Überzeugungen gehören.
Organisationen unternehmen oft Anstrengungen, um die Organisation selbst zu „verkaufen“.
Das Marketing für Organisationen besteht aus Aktivitäten, die unternommen werden, um die
Überzeugung und das Verhalten der Zielgruppe gegenüber einer Organisation zu formen und
zu beeinflussen. Sowohl gewinnorientierte wie auch nicht gewinnorientierte Organisationen
betreiben Marketing. Wirtschaftsunternehmen betreiben Öffentlichkeitsarbeit oder Marke-
tingkampagnen, um auf sich aufmerksam zu machen und Kunden zu gewinnen bzw. an sich
zu binden. IBM unternimmt beispielsweise große Anstrengungen, erste Anlaufstelle bei der
Suche nach „Lösungen für das E-Business“ (E-Business-Solutions) zu werden. Ähnlich
betreiben alle großen nicht gewinnorientierten Organisationen wie Kirchen, Hochschulen,
Stiftungen, Museen und Theatergruppen Marketing, um ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen,
Kunden, Mitglieder oder Stifter anzuwerben und Finanzmittel zu sammeln.
Personenmarketing besteht aus Aktivitäten, die unternommen werden, um Einstellungen
und Verhalten einer Zielgruppe gegenüber bestimmten Personen zu formen und zu beeinflus-
sen. Kandidaten für ein politisches Amt müssen geschickt darin sein, sich selbst, ihre Par-
teien und ihre Wahlplattformen in geeigneter Weise zu vermarkten, um Unterstützung für
ihre Programme und die für eine Wahl erforderlichen Stimmen zu erhalten. Entertainer und
Sportler unternehmen Marketinganstrengungen, um ihre Bekanntheit und ihr Einkommen zu
steigern. Freiberufler wie Ärzte, Anwälte, Steuerberater und Architekten betreiben Marke-
ting, um ihr eigenes Renommee zu pflegen und Klienten anzuziehen. Bekannte Unterneh-
mensführer benutzen Marketing als strategisches Instrument, sowohl um ihre Unternehmen
zu fördern als auch sich selbst. Unternehmen, gemeinnützige Organisationen, Mannschaften
aus dem Sport, Kunstvereine, religiöse Gruppen und andere Organisationen betreiben heute
Personenmarketing. Die Verbindung mit bekannten Persönlichkeiten hilft diesen Organisati-
onen häufig dabei, ihre Ziele leichter zu erreichen. Unternehmen wie Coca-Cola, Adidas,
Nike, McDonald’s und die Deutsche Post haben Millionen investiert, um ihren Bekanntheits-
grad mithilfe von prominenten Persönlichkeiten weiter auszubauen.
Beim Marketing für Orte handelt es sich meistens um Fremdenverkehrsmarketing oder um
Standortmarketing. Städte, Regionen und ganze Nationen konkurrieren um Besucher,
Zuwanderer, Messen und Kongresse, Sportereignisse wie Olympische Spiele oder Firmen-
sitze, Betriebsansiedlungen und neue Fabriken. Einige der genannten Institutionen haben
Entwicklungsagenturen, die den Interessenten bei der Planung helfen und ihnen Ansied-
lungsflächen für aktuelle Um- und Ansiedlungen verkaufen sollen. Ein erfolgreiches Beispiel
ist Irland. Während der „Irish Development Board“ über 1.200 Betriebsansiedlungen nach
Irland geholt hat, hat parallel dazu der „Irish Tourist Board“ erfolgreich Touristen ins Land
geholt und den Fremdenverkehr zu einem wichtigen Wirtschaftszweig gemacht. Der „Irish
Export Board“ hat irische Unternehmen bei ihrem Weg ins Ausland unterstützt und im Aus-
land für Importe aus Irland geworben.
So wirbt beispielsweise Südafrika für sich als Urlaubsziel mit „More than you can imagine“,
Malaysia mit „Malaysia. Truly Asia“ und Indien betont die faszinierende Vielfalt und Ander-
sartigkeit mit „Incredible India“.
Marketing kann auch für Ideen betrieben werden. Natürlich ist es in gewissem Sinne immer
Marketing für eine Idee, zum Beispiel für die Idee, dass eine bestimmte Zahncreme die

395
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Zähne vor Karies schützen könnte. Hier jedoch wollen wir das Marketing für gesellschaftli-
che Ziele und Ideen betrachten. Es geht dabei um gesundheitsorientierte Kampagnen, das
Rauchen und den Alkohol- oder Drogenmissbrauch einzuschränken oder den sexuellen
Missbrauch von Kindern und Heranwachsenden zu bekämpfen, umweltorientierte Kampag-
nen für den Natur- und Artenschutz, für Luft- und Wasserreinhaltung oder um Kampagnen
für eine Bildungsreform, Organspende, Familienplanung, Menschenrechte oder Gleichbe-
handlung. Im englischen Sprachraum hat sich dafür der Begriff „Social Marketing“ durchge-
setzt. Ein umfassendes und überzeugendes „Social Marketing“ sollte sich jedoch nicht auf
das Instrument der Werbung beschränken. Viele Kampagnen enden als Fehlschlag, weil sie
einer aufwendigen Werbekampagne Priorität zuweisen und es versäumen, die übrigen Instru-
mente eines ausgewogenen Marketing-Mix zu entwickeln und einzusetzen.

8.3 Produktentscheidungen
Produktentscheidungen können auf drei Ebenen getroffen werden: Entscheidungen über ein-
zelne Produkte, über Produktlinien und bezüglich der Zusammensetzung des Sortiments.

8.3.1 Entscheidungen über einzelne Produkte


Abbildung 8.5 zeigt die zentralen Entscheidungen, welche die Entwicklung und das Marke-
ting einzelner Produkte betreffen. Wir werden uns auf Produkteigenschaften, Markenma-
nagement, Verpackung, Kennzeichnung und Etikettierung sowie produktunterstützende
Dienstleistungen konzentrieren.

Produkt-
Produkt- Marken- u
unterstützende
Verpackung K
Kennzeichnung
eigenschaften management Dienst-
leistungen

Abbildung 8.5: Individuelle Produktentscheidungen

Produkteigenschaften
Ein Produkt zu entwickeln bedeutet, den Gesamtnutzen zu definieren, den es bieten soll.
Dieser Gesamtnutzen drückt sich aus in greifbaren Produkteigenschaften wie Qualität, Aus-
stattung und Design. Die Entscheidungen über diese Produkteigenschaften sind besonders
bedeutsam, da sie die Reaktionen der Kaufinteressenten gegenüber dem Produkt stark beein-
flussen.
Die Qualität eines Produkts ist eines der wichtigsten Positionierungsinstrumente des Marke-
tings und eine bedeutende Determinante des Kundennutzens und der Kundenzufriedenheit.
Qualität lässt sich in die beiden Dimensionen Qualitätsniveau und Beständigkeit der Qualität
unterteilen. Bei der Produktentwicklung muss zunächst ein Qualitätsniveau festgelegt wer-
den, das die Position des Produkts auf dem entsprechenden Zielmarkt bestimmt. Der Begriff
Produktqualität steht für die Fähigkeit des Produkts, seine Funktion zu erfüllen und ist der
Oberbegriff für die Summe aller positiven Eigenschaften wie Langlebigkeit, Zuverlässigkeit,
Präzision, einfache Handhabung oder leichte Reparatur. Obwohl einige dieser Eigenschaften
objektiv gemessen werden können, sollte für die Zwecke des Marketings die Qualität so beur-
teilt werden, wie sie der Kaufinteressent empfindet. Das Unternehmen Siemens definiert

396
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8.3 Produktentscheidungen

Qualität für sich zum Beispiel wie folgt: „Qualität liegt dann vor, wenn unsere Kunden
zurückkommen und nicht unsere Produkte.“1
In der Vergangenheit sind Qualität und Zuverlässigkeit immer stärker ins Zentrum des Inter-
esses und der Anstrengungen der Industrie in Japan, den USA und Westeuropa gerückt. Nach
japanischem Vorbild wurden auch in den USA und in Westeuropa „Qualitätszirkel“ einge-
richtet oder ein „umfassendes Qualitätsmanagement“ (englisch: Total Quality Management,
TQM) eingeführt. Gute Qualitätssicherungsprogramme gehen jedoch über neue Prüfungsme-
chanismen der Endkontrolle oder Klebeetiketten mit Qualitätsslogans auf der Ware hinaus.
Das ganze Unternehmen muss sich für eine kontinuierliche Verbesserung der Qualität einset-
zen. Alle Hierarchieebenen müssen dahin gehend geschult und motiviert werden, der Quali-
tät oberste Priorität einzuräumen. Beim umfassenden Qualitätsmanagement geht es nicht
darum, Fehler zu entdecken und zu beheben, nachdem sie geschehen sind. Fehler sollen
durch geeignete Konstruktion und verbesserte Fertigungsmethoden gar nicht erst entstehen.
Neben der Vermeidung fehlerhafter Produkte ist es die zentrale Aufgabe des umfassenden
Qualitätsmanagements, den Nutzen für den Käufer zu erhöhen. Wenn die Qualität aus der
Perspektive des Kunden definiert wird und wenn Produktdefekte in Beziehung zu den
Bedürfnissen und Erwartungen der Käufer gesetzt werden, kann ein absoluter Qualitätsan-
spruch nicht mehr nur als eine Errungenschaft moderner Fertigung angesehen werden. Sie
ist vielmehr ein wichtiges und eindrucksvolles Argument auf dem Weg zur vollständigen
Überzeugung und Zufriedenstellung des Kunden.
Kaum ein Unternehmen bietet jedoch die technisch höchstmögliche Qualität an. Nur wenige
Kunden könnten sich diese hohe Qualität leisten, die in Produkten wie in einem Rolls-
Royce, einer Leica-Kamera oder einer Rolex-Uhr realisiert ist. Stattdessen suchen die Unter-
nehmen ein akzeptiertes Qualitätsniveau als vernünftigen Kompromiss zwischen den Kosten
auf der einen und den Bedürfnissen der Zielgruppe und der Qualität konkurrierender Pro-
dukte auf der anderen Seite.
Ungeachtet dessen, wie hoch das angestrebte Qualitätsniveau ist, sollten alle Unternehmen
auch Qualitätsbeständigkeit anstreben. Unter dieser Größe verstehen wir eine gleichblei-
bende Qualität der gelieferten Produkte. In diesem Sinne kann ein Unternehmen wie Nissan
die gleiche Qualität anbieten wie Rolls-Royce, und zwar wenn kontinuierlich die Qualität
geliefert wird, die der Kunde erwartet und für die er bezahlt.
Für viele Unternehmen hat das Versprechen absoluter Qualität die Rolle einer wichtigen
Marktstrategie übernommen. Der Begriff strategische Qualität bedeutet, dass man auf lange
Sicht und absolut zuverlässig Produkte und Dienstleistungen anbietet, die den Wünschen
und Notwendigkeiten der Käufer nach Qualität entsprechen. Ein Unternehmen, das konse-
quent diese strategische Qualität anbietet, wird stets einen Wettbewerbsvorteil gegenüber
den Konkurrenten haben. Qualität ist nicht nur eine Aufgabe, die gelöst werden muss, Quali-
tät ist auch eine hervorragende Gelegenheit, sich im Wettbewerb zu profilieren. Darüber hin-
aus ist aber Qualität zu einer Notwendigkeit im Wettbewerb geworden. Die höchstmögliche
Qualität wurde in weiten Bereichen zum Standard, und nur noch Produkte, die diesem Stan-
dard genügen, finden ihren Markt.

1 Zitate und Definitionen übernommen aus Philip Kotler, Marketing Insights from A to Z (Hoboken,
NJ: Wiley, 2003), S. 148.

397
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Produktausstattung Ein Produkt kann dahin gehend variiert werden, dass verschiedene Aus-
führungen mit unterschiedlicher Ausstattung angeboten werden. Ein Basismodell, ohne
jeden Luxus, bildet meistens den Grundstock des Produktspektrums. Davon ausgehend wer-
den Eigenschaften hinzugefügt und Modelle höheren Niveaus entwickelt. Die Produktaus-
stattung ist ein geeignetes Wettbewerbsinstrument, um das Produkt eines Unternehmens
gegenüber denen der Konkurrenz hervorzuheben. Der erste Produzent zu sein, der neuartige
und nützliche Produkteigenschaften anbietet, ist eine der besten Methoden, sich im Wettbe-
werb durchzusetzen.
Um den Bedarf für neue Produkteigenschaften zu identifizieren und zu entscheiden, welche
davon die Produkte des Unternehmens künftig aufweisen sollten, kann das Unternehmen
regelmäßig Befragungen bei den bisherigen Käufern durchführen. Dabei sollten Fragen wie
diese gestellt werden: Wie gefällt Ihnen unser Produkt? Welche Eigenschaften des Produkts
mögen Sie am meisten? Was sollten wir mit dem Produkt mitliefern, um es zu verbessern?
Wie viel Geld wäre Ihnen die vorgeschlagene Produkteigenschaft wert? Die Antworten kön-
nen dem Unternehmen eine Vielzahl von Ideen liefern. Von diesen Ideen sollte jede darauf-
hin geprüft werden, welchen Nutzen sie den Kunden bietet und wie viel sie das Unterneh-
men kosten würde. Eine solche Analyse sollte Einsicht geben, welche Produkteigenschaften
die Verbraucher im Verhältnis zu ihren Kosten sehr hoch einschätzen und die Wettbewerbs-
position des Produkts tatsächlich entscheidend verbessern könnten.
Design Eine wichtige Methode, ein Produkt von anderen abzuheben und den Kunden zusätz-
lichen Nutzen zu stiften, ist es, ihm ein unverwechselbares Aussehen mitzugeben. Einige
Unternehmen haben ihr Design als Bestandteil ihrer Unternehmenskultur etabliert, wie Bang
und Olufsen in der Unterhaltungselektronik oder Braun bei Rasierapparaten und kleinen
Haushaltsgeräten. Sie haben erkannt, dass Design im Konkurrenzkampf ein mächtiges Werk-
zeug des Marketings darstellen kann. Die Unternehmenskultur von der schwedischen Möbel-
kette IKEA ist beispielsweise „småländsk“: Sparsamkeit ist eine Tugend, Verschwendung
wird nicht geduldet. Diese Überzeugung spiegelt sich sowohl im einfachen (aber ansprechen-
den) IKEA-Design wider als auch in der Auswahl der Werkstoffe, traditionelle skandinavi-
sche Materialien wie helles Holz, Leinen und Baumwollstoff.
„Design“ ist ein umfassenderer Begriff als „Stil“. Der Begriff „Stil“ beschreibt die äußere
Erscheinung eines Produkts. Ein sensationelles Aussehen mag die Aufmerksamkeit auf sich
ziehen, dies bedeutet jedoch nicht, dass das Produkt auch optimal funktioniert, manchmal
verschlechtert sich die Funktionalität sogar. Ein großer Sessel mag gut aussehen, er kann
dabei jedoch sehr unbequem sein. Design bezieht sich nicht nur auf die Oberfläche, es reicht
bis in den Kern des Produkts. Gutes Design unterstützt nicht nur das Aussehen, sondern
auch Nutzen und Funktionalität. Ein erfolgreicher Designer strebt nicht nur nach gutem Aus-
sehen des Produkts, sondern beachtet bei der Konstruktion auch die leichte, sichere und kos-
tengünstige Benutzung sowie die wirtschaftliche Produktion und Distribution.
Dass sich Investitionen in das Design lohnen, ist von einigen weltweit tätigen Unternehmen,
die dem Design einen hohen Stellenwert eingeräumt haben, erkannt worden. Apples iMac-
Computer, der 1998 eingeführt wurde, kombiniert Stil und Funktionalität. Als Antwort auf
die Projektanforderung, einen Computer für Endverbraucher zu gestalten, der einfach, benut-
zerfreundlich und kostengünstig ist, entwickelte Jonathan Ive, Chefdesigner von Apple, den
preisgekrönten iMac. Seine Pfiffigkeit und unverwechselbare Farbgestaltung haben dem
Computer seinen Erfolg beschert, er wurde der am schnellsten verkaufte Computer in der
Geschichte Apples. Auch Apples MP3-Player iPod verdankt seinen Erfolg zu einem großen
Teil dem Design, ebenso wie das iPhone. Auch andere Unternehmen wie Canon (Kameras),

398
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8.3 Produktentscheidungen

Sony oder Loewe (Unterhaltungselektronik), Swatch (Uhren) und diverse Automobilherstel-


ler haben von ihrem Bekenntnis zum Produktdesign profitiert.
Differenzierung durch gutes Design ist ein wichtiger Teil der Strategie bei sogenannten Premi-
umprodukten, das heißt Produkten höchster Qualität, wie zum Beispiel Automobile von Por-
sche, Uhren von Rolex, Anzüge von Armani oder Möbel von Rolf Benz. Produkte mit gutem
Design heben sich aus der Masse der übrigen Produkte hervor. Gutes Design lenkt die Aufmerk-
samkeit auf das Produkt, verbessert die Leistungsfähigkeit und Handhabung, verringert die
Produktionskosten und berücksichtigt alle Handgriffe, die bei Produktion, Montage, Transport,
Aufstellung und Recycling vorgenommen werden müssen. Mit all dem ist gutes Design in der
Lage, dem Produkt einen starken Wettbewerbsvorteil auf den Zielmärkten zu verschaffen.

Markenmanagement
Eine der wichtigsten Fähigkeiten von Marketern ist es, eine Marke zu schaffen, sie am Leben
zu erhalten, sie zu schützen und zu stärken. Eine Marke ist ein Name, ein Begriff, ein Zei-
chen, ein Symbol, ein spezielles Design oder eine denkbare Kombination aus diesen, die
dazu verwendet wird, Produkte oder Dienstleistungen eines Anbieters oder einer Gruppe
von Anbietern zu markieren. Eine Marke identifiziert den Produzenten oder den Lieferanten
des Produkts. Verbraucher sehen die Marke als einen wichtigen Teil des Produkts an. Die
Marke besitzt das Potenzial, die Unterscheidung der Produkte eines Unternehmens von
denen der Konkurrenz zu schärfen. Zudem trägt eine starke Marke dazu bei, dass nicht nur
die grundlegenden funktionalen Bedürfnisse des Käufers befriedigt werden, sondern auch
den psychologischen Wünschen und Bedürfnissen entgegengekommen wird. Der Beitrag
einer Marke zum Nutzen für den Kunden ist allerdings nur schwer greifbar und messbar.
Kaum ein Produkt wird heute noch markenlos angeboten. Selbst Salz oder Zucker sind
zumeist in Tüten verpackt, die einen Markennamen tragen. Schrauben, Nägel und Kleinteile
tragen den Namen des Händlers auf der Verpackung und in Automobilen sind Teile wie
Zündkerzen, Reifen und Filter verarbeitet, die andere Markennamen haben als das Fahrzeug.
Auch bei Agrarprodukten und Früchten sind Marken die Regel, wie zum Beispiel Kartoffeln
von Pfanni, Ananas von Dôle und Bananen von Chiquita.
Mitte der 1980er-Jahre begann der Handel mit der Einführung von Produkten, die er als
namenlos („No Names“) oder „Weiße Ware“ markierte. Es handelte sich dabei um Basispro-
dukte, die etwas einfacher verpackt waren, und preisgünstigere Versionen von Massenpro-
dukten wie Spaghetti, Papiertaschentüchern, Schokolade oder Pfirsiche in Dosen darstellten.
Damit hat der Handel den namenlosen Produkten seine Marke mit auf den Weg gegeben und
sich dem Käufer gegenüber für die Qualität der Produkte verbürgt. Es handelt sich somit
auch um Markenprodukte – jedoch um Handelsmarken und nicht um solche von Herstellern.
Mit diesen Eigenmarken im Preiseinstiegssegment konnten die Handelsunternehmen den
preissensiblen Verbrauchern entgegenkommen und ein Gegengewicht zu den Angeboten der
Discounter schaffen.
Nutzen der Marke für den Käufer Die Markengebung nützt dem Käufer auf folgende Weise:
 Eine Marke ist zugleich eine Qualitätsaussage. Käufer, die immer die gleiche Marke kau-
fen, wissen, dass sie bei jedem Kauf die gleiche Qualität erhalten.
 Marken erhöhen die Effizienz des Käufers, er kauft schneller und zielgerichteter ein. Ein
Käufer, der seinen Warenkorb ausschließlich mit namenlosen Produkten füllen möchte,
muss sich viel intensiver informieren, kauft mit größerer Ungewissheit und geht größere
Risiken ein.

399
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

 Eine Marke bewirkt, dass sich ein Kaufinteressent mit einer Produktneuheit beschäftigen
kann, die ihm nutzen könnte. Der Markenname ist die Basis, auf der die Beschreibung der
Qualitäten eines neuen Produkts aufbauen kann.
Nutzen der Marke für den Anbieter Dem Anbieter bietet ein Markenname folgende Vorteile:
 Markenname und gewerbliche Schutzrechte (z.B. Warenzeichen oder Patente) schützen
den Entwickler und Produzenten vor unautorisierten Imitationen.
 Ein Markenname hilft dem Anbieter, eine loyale Stammkäuferschaft aufzubauen.
 Markennamen ermöglichen Marktsegmentierung und Positionierung der Produkte.
 Mit einem Markennamen ist der Lieferant für den Handel leichter zu finden, wenn Ware
beschafft werden soll oder wenn es zu Reklamationen kommt.
 Der Anbieter kann aufgrund des Markennamens einen höheren Preis (Preispremium) ver-
langen.
Der Aufbau und das Management von Marken ist eine der wichtigsten Aufgaben des Marke-
tings. Markenstrategien werden wir deshalb im späteren Verlauf des Kapitels noch einmal im
Detail aufgreifen.

V erpackung
Viele der Produkte, die auf dem Markt angeboten werden, müssen verpackt werden. Sicher-
lich ist die Verpackung in der Regel eng an das Produkt gebunden, sie kann aber auch zu
einem wichtigen Instrument des Marketings werden.
Zum Prozess der Verpackung gehören schon alle Tätigkeiten, die sich mit dem Entwurf und
der Herstellung des Behälters und der Etiketten für das Produkt beschäftigen. Die Verpa-
ckung übernimmt wichtige Schutz- und Steuerungsfunktionen für das Produkt. Sie schützt
es vor Beschädigungen und Verschmutzungen vor dem Kauf, hilft insbesondere bei Lebens-
mitteln dabei, dass sie frisch bleiben, und transportiert und präsentiert viele wichtige Infor-
mationen zum Produkt und seiner Handhabung.
Obwohl es die ursprüngliche Funktion der Verpackung war, das Produkt zu umhüllen und
zu schützen, hat sich die Verpackung zu einem wichtigen Marketinginstrument entwickelt.
Die wachsende Dominanz von Handelsformen mit Selbstbedienung führte zu neuen Funktio-
nen der Verpackung:
 Die Verpackung soll die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
 Die Verpackung soll das Produkt beschreiben.
 Die Verpackung soll anpreisen und den Verkauf einleiten.
Es wird ein stilles Einverständnis unterstellt, dass die Endverbraucher bereit sind, etwas
mehr zu bezahlen, wenn die Verpackung für Bequemlichkeit, Schutz, Sicherheit, Zuverläs-
sigkeit, Information und Prestigegewinn steht.
Eine gute Verpackung lässt den Kunden sofort erkennen, welche Marke er vor sich hat. Der
typische Käufer in einem Supermarkt geht in einer Minute an 300 Artikeln vorbei. Bei mehr
als 60 Prozent aller Käufe fällt die Entscheidung, welches Produkt gekauft wird, erst unmit-
telbar am Regal, wenn die Ware in den Einkaufswagen gelegt wird. An diesem Punkt inten-
sivsten Wettbewerbs kann die Verpackung die allerletzte Chance des Anbieters sein, noch
eine Entscheidung zugunsten seines Produkts herbeizuführen.

400
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
8.3 Produktentscheidungen

Neuartige Verpackungen können einem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber


der Konkurrenz verschaffen.
Heinz revolutionierte zum Beispiel die 170 Jahre alte Gewürzindustrie, indem es die gute
alte Ketchupflasche umdrehte, sodass Verbraucher den Ketchup auch bis zum letzten Trop-
fen einfach herausdrücken können. Im Folgejahr stieg der Umsatz um das Dreifache vergli-
chen mit der Wachstumsrate des Branchendurchschnitts.
Ein Prototyp guter Verpackung ist aufgrund ihrer Unverwechselbarkeit die klassische Coca-
Cola-Flasche. Und als die ersten Zahncremes in Pumpbehältern verkauft wurden, erregten
sie große Aufmerksamkeit.
In den letzten Jahren ist der Sicherheitsaspekt der Verpackung stark in den Vordergrund
getreten. Dazu gehören kindersichere Verpackungen, die bei aggressiven Putzmitteln oder
Medikamenten das unbefugte Öffnen durch kleine Kinder verhindern. Weiterhin ist es nicht
zuletzt wegen der Häufung von Erpressungsfällen notwendig geworden, im Lebensmittelbe-
reich die Behälter so zu gestalten, dass unbemerkte Manipulationen nicht mehr möglich
sind.
Eine Verpackung für ein neues Produkt zu entwickeln, erfordert viele Entscheidungen. Die
erste Teilaufgabe ist es, ein Verpackungskonzept zu entwerfen. Darin ist aufgeführt, was die
Verpackung für das Produkt darstellen und leisten soll. Es beantwortet Fragen wie: Was soll
die Hauptfunktion der Verpackung sein? Soll sie in erster Linie das Produkt schützen? Soll
die Verpackung eine neue Methode des Ausgießens, Verteilens usw. ermöglichen? Soll die
Verpackung bestimmte Informationen zum Produkt oder zum Anbieter liefern?
Wenn das Verpackungskonzept festgelegt ist, müssen die Entscheidungen über die Verpa-
ckung selbst in allen Einzelheiten getroffen werden:
 die Größe der Verpackung
 die Form der Verpackung (ein oder mehrere Elemente – zum Beispiel Flasche in Schach-
tel, 6er-Packung etwa bei Bier und Cola)
 das Material der Verpackung beziehungsweise ihrer Elemente
 die Farbgebung für die Verpackung
 die Aufschriften, die Logos und der Text auf der Verpackung
 die Präsentation der Marke
Diese einzelnen Elemente müssen zusammenpassen, um die Positionierung und Marketings-
trategie für das Produkt zu unterstützen und zu bestätigen. Die Verpackung muss sich mit der
Werbung, der Preispolitik und mit den Vertriebskanälen für das Produkt im Einklang befin-
den.
Wenn ein neues Produkt eingeführt werden soll, untersuchen Unternehmen in der Regel
mehrere Varianten der Verpackung. Bei diesen Tests ergibt sich meistens, dass eine für den
Gebrauch am besten geeignet ist, eine andere erfüllt in idealer Weise die Anforderungen für
Lagerung und Verteilung bei den Händlern, und eine dritte erbringt die besten Reaktionen
bei den Käufern. Um die beste Verpackung herauszufinden, muss aus diesen Zwischenergeb-
nissen eine Synthese erarbeitet werden.
Wenn die Verpackung ausgesucht und schließlich eingeführt ist, sollte das Unternehmen
regelmäßig ihre Wirkung in Bezug auf die sich wandelnden Präferenzen der Verbraucher und
auf technologische Fortschritte hin untersuchen. In der Vergangenheit war es vielleicht mög-
lich, eine Verpackung 15 Jahre lang unverändert zu benutzen. Unter den heutigen Verhältnis-

401
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

sen ist es ratsam, Verpackungen alle zwei oder drei Jahre einer gründlichen Überprüfung zu
unterziehen. Eine eingeführte Verpackung auf dem aktuellen Stand zu halten, erfordert in
den meisten Fällen nur geringfügige Anpassungen, welche die Käufer häufig nicht einmal
bemerken. Diese Anpassungen sollten regelmäßig erfolgen, um den Anschluss nicht zu ver-
lieren. Gelegentlich gibt es aber Veränderungen, die dramatisch sind, komplexe Entscheidun-
gen verlangen und mit hohen Kosten und Risiken verbunden sind.
Aus Sicht des Marketings müssen die entstehenden Kosten in Beziehung zu dem Nutzen, der
durch die Verpackung entsteht, gesetzt werden. Der Nutzen liegt darin, dass der dem Käufer
gelieferte Wert mit einer zweckmäßigen Verpackung steigt und dass dies vom Käufer
honoriert wird.
Bei den Entscheidungen über die Verpackung sind je nach Produktkategorie der Umwelt-
schutz und die relevante Gesetzgebung in der Bundesrepublik beziehungsweise der EU zu
beachten.
Tetra Pak beispielsweise, ein schwedischer multinationaler Hersteller von Verpackungen, ist
bekannt für seine innovativen Lösungen. Tetra Pak entwickelte eine antiseptische Verpa-
ckung, die bei Milch, Fruchtsäften und anderen leicht verderblichen flüssigen Nahrungsmit-
teln eine Lagerung und Lieferung ohne Kühlung ermöglicht. Nicht nur, dass dieses Verpa-
ckungssystem umweltfreundlich ist, es bietet auch wirtschaftliche und distributive Vorteile.
Die antiseptische Hülle erlaubt es Molkereien, ihre Produkte über ein größeres Gebiet hinweg
zu vertreiben, ohne in Kühlsysteme für Lkw und Gebäude zu investieren. Supermärkte kön-
nen die Produkte in normalen Regalen anbieten und sparen so den wertvollen Platz in den
Kühlregalen. Tetra Pak wirbt für den Nutzen seiner Verpackung direkt bei den Endverbrau-
chern und initiiert Recycling-Programme zum Schutz der Umwelt.
Bei der Gestaltung der Verpackung sollte man auch darauf achten, wie leicht sie zu öffnen ist.
Lässt sie sich zu leicht öffnen, verliert die Verpackung ihren Schutz- und Transportcharakter
und öffnet sich möglicherweise von allein, was gerade bei Lebensmitteln, Getränken, Medi-
kamenten und Produkten, die sich leicht verteilen, wie Streichhölzer oder Blumenerde, sehr
ungünstig sein kann. Lässt sich die Verpackung aber selbst mithilfe einer Schere und ande-
rem Werkzeug nur äußert schwer und mühselig öffnen, führt das beim Kunden zu Frust und
Ärger. Derartige Verpackungen sind nur für sehr wenige Produkte tatsächlich sinnvoll, wer-
den aber von Herstellern trotzdem allzu häufig genutzt. Amazon arbeitet zusammen mit
Microsoft, Fisher-Price und anderen Unternehmen daran, frustfreie Verpackung zu entwi-
ckeln, um dem Ärger beim Auspacken entgegenzuwirken.

K ennzeichnung und Etikettierung


Die Kennzeichnung und Etikettierung von Produkten reicht von einfachen Klebeetiketten
oder Anhängern bis zu komplexen Grafiken, die selbst Bestandteil der Verpackung sind. Min-
destanforderung ist eine Identifizierung als bestimmtes Produkt oder als eine bestimmte
Marke, wie zum Beispiel ein Chiquita-Etikett auf einer Banane.
Die nächste Stufe ist dann eine Bewertung oder Beschreibung des Produkts, wobei dies
Größenangaben, Handelsklassen, Herkunft, Zusammensetzung oder Haltbarkeitsdatum sein
können. Viele dieser Dinge sind branchenspezifisch vorgegeben. Hierzu gehören auch Kurz-
beschreibungen zur Verwendung, Rezepte, Warnhinweise und Hinweise auf Betriebserfor-
dernisse (Strom, Spannung, zu verwendende Treibstoffart).
Schließlich kann eine optisch ansprechend gestaltete Verpackung, wie schon erwähnt, selbst
ein Teil der Werbung für das Produkt sein. Beispiele hierfür sind aufwendig gestaltete Verpa-

402
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
8.3 Produktentscheidungen

ckungen mit Rezepten im Lebensmittelbereich oder bei Küchengeräten, Fotos bei Medien
(z.B. ein Buchumschlag oder ein Karton für Software) und bei Spielwaren.
Labels und Markenlogos können die Markenpositionierung unterstützen und der Marke Cha-
rakter verleihen. Markenlabels und Logos können sogar ein entscheidendes Element beim
Aufbau der Marken-Kunden-Beziehung sein. Kunden fühlen sich häufig sehr von den Logos
als Symbole für die Marke angezogen, für die sie stehen. Denken Sie an die Emotionen, die
Logos von Unternehmen wie Coca-Cola, Google, Twitter, Apple und Nike hervorrufen. Logos
müssen zu gegebener Zeit überarbeitet werden. Unternehmen müssen bei der Veränderung
solcher wichtigen Markensymbole jedoch vorsichtig sein. Als der Bekleidungseinzelhändler
Gap z.B. ein moderneres Design des vertrauten Logos herausbrachte – mit dem bekannten
weißen Text auf dem blauen Quadrat – gingen Kunden auf die Barrikaden und übten online
enormen Druck aus. Nach nur einer Woche führte Gap das altbekannte Logo wieder ein.
Die Kennzeichnung und Etikettierung der Produkte sah sich in der Vergangenheit stets der
Kritik ausgesetzt, dass Anbieter nur das am Produkt anbrachten, was sie für nötig oder für
nützlich hielten. Aus diesem Grunde wurden in nahezu allen nationalen oder supranationa-
len Rechtsordnungen Kennzeichnungspflichten eingeführt. Dies können Angaben über den
Preis pro Einheit, Haltbarkeitsdatum oder Nährwertangaben im Nahrungsmittelbereich sein.
Neben allen Marketinggesichtspunkten ist daher auch sicherzustellen, dass die Kennzeich-
nung der Produkte diesen Vorgaben entspricht.

Produktunterstützende Dienstleistungen
Ein weiteres Element der Produktstrategie ist der Kundendienst oder Service. Es geht hierbei
um Dienstleistungen, die als Ergänzung zu einem Produkt angeboten werden. An späterer
Stelle im Kapitel gehen wir auf die Besonderheiten von Dienstleistungen ein, die eigenstän-
dig als Produkt vermarktet werden. Hier beschäftigen wir uns mit Dienstleistungen, welche
die materiell angebotenen Produkte ergänzen oder ihre Nutzung erst ermöglichen. Diese wer-
den auch als produktunterstützende oder produktergänzende Dienstleistungen bezeichnet.
Mehr und mehr Unternehmen bedienen sich solcher Dienstleistungen, um ihrem Produkt
mit einer sinnvollen und willkommenen Ergänzung einen weiteren Wettbewerbsvorteil zu
verschaffen. Je nach Ausgestaltung können sie zum kaufentscheidenden Faktor und für
Unternehmen zur zentralen Einnahmequelle werden.
Beispiele für produktergänzende Dienstleistungen sind Zustellung, Aufstellung und
Anschluss beim Kauf einer Waschmaschine oder das Verpacken von Geschenken und Liefe-
rung ins Haus bei Einkäufen im Einzelhandel, Lounges von Fluggesellschaften oder die Vor-
Ort-Reparatur eines Laptops.
Guter Kundendienst ist eine sinnvolle Investition zur Abrundung des Angebots, die von den
Käufern gerne angenommen und auch honoriert wird. Außerdem ist es auch von der Kosten-
seite günstiger, vorhandene Kunden ein wenig zu verwöhnen und dadurch zu binden, als
immer wieder neue Kunden zu werben oder zu versuchen, verlorene Kunden zurückzuge-
winnen. Bei zwei gleichartigen Unternehmen wird stets dasjenige im Wettbewerb die Nase
vorn haben, das bei gleichen Angeboten den besseren Kundendienst und die bessere Unter-
stützung anbietet. Unternehmen mit besserem Serviceangebot wachsen schneller, können
höhere Preise durchsetzen und machen größere Gewinne. Diese These wurde durch Studien
der letzten Jahre eindeutig bestätigt.
Ein Unternehmen muss seine Produkte und seine ergänzenden Dienstleistungen so definie-
ren, dass sie den Vorstellungen und Bedürfnissen der Zielgruppen entsprechen. Für die For-

403
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

mulierung einer Strategie sollte zunächst ermittelt werden, welche Dienstleistungen die Ziel-
gruppe benötigt und wünscht und welche Bedeutung sie ihnen beimisst. Selbstverständlich
unterscheiden sich die Kunden bezüglich ihrer Präferenzen. Für den einen mögen Kreditge-
währung und Finanzdienstleistungen wichtig sein, für den anderen schnelle und zuverläs-
sige Belieferung oder schnelle Installation. Andere Käufer sehen die Schwerpunkte bei tech-
nischer Information und kompetenter Beratung, bei einer gründlichen Einweisung für den
täglichen Betrieb oder bei der Betreuung nach dem Kauf und bei Reparaturdiensten. Um den
Bedarf der Käufer zu ermitteln, genügt es nicht, nur Beschwerden über Kommentarkarten
oder Anrufe auf einer kostenlosen Hotline abzuwarten. Das Unternehmen sollte von sich aus
Käufer- und Nutzerbefragungen durchführen, um sowohl eine Beurteilung des aktuellen Ser-
vices zu erhalten als auch Ideen für neue Angebote zu schöpfen.
Sobald man den Wert der einzelnen Dienstleistungen für den Kunden ermittelt hat, gilt es,
die Kosten für deren Umsetzung auszuloten. Man versucht dann, ein Bündel von Leistungen
anzubieten, das sowohl den Konsumenten erfreut als auch Umsatz für das Unternehmen
generiert.
Zusätzliche Dienstleistungen können ebenfalls wichtige Innovationen sein, um die Kunden-
beziehung zu stärken. In den USA hat Starbucks auf das Problem des unschlüssigen Kunden
reagiert, der dringend Koffein braucht, aber von der Warteschlange zwischen ihm und dem
begehrten Kaffee abgeschreckt ist. Das Unternehmen hat eine Smartphone-App für Vorbestel-
lungen eingeführt, sodass der Kaffee beim Eintreffen des Kunden schon fertig ist. Fast-Food-
Ketten testen und entwickeln ebenfalls Bestell-Apps dieser Art. Solche Bestell-Apps stellen
offenbar eine neue Dienstleistung dar, die sowohl die Effizienz im Restaurant als auch die
Umsätze erhöht.2

8.3.2 Entscheidungen über Produktlinien


Unter einer Produktlinie verstehen wir eine Gruppe von Produkten, die durch ähnliche
Funktion, Kundengruppen, Vertriebswege oder ein ähnliches Preisniveau eng miteinander
verbunden sind. Zum Beispiel betreibt Marriott mehrere Hotelketten und Nike stellt unter-
schiedliche Produktlinien für Sportschuhe und -bekleidung her.
Die wichtigste Produktlinienentscheidung betrifft die Länge, d.h. die Anzahl der Artikel in der
Produktlinie. Diese ist zu kurz, wenn sich der Gewinn durch Hinzufügen weiterer Produkte
erhöhen lässt, und zu lang, wenn eine Entfernung von Artikeln zu einer Gewinnsteigerung
führt. Die Länge einer Produktlinie wird von den Zielen und verfügbaren Ressourcen des
Unternehmens beeinflusst. Unternehmen, die sich mit einem vollständigen Sortiment positio-
nieren wollen beziehungsweise hohe Marktanteile und Wachstum anstreben, entscheiden sich
meistens für lange Produktlinien. Sie nehmen dabei auch in Kauf, dass eventuell einige Einzel-
produkte keine Gewinne erwirtschaften. Unternehmen, die mehr auf kurzfristige Gewinne aus
sind, tendieren zu kurzen Produktlinien mit ausgewählten Einzelprodukten.
Mit der Etablierung unterschiedlicher Produktlinien nebeneinander verfolgt man auch Ziele
wie Up-Selling oder Cross-Selling. BMW versucht beispielsweise Käufer eines 1er-Modells
zum Kauf der 3er-, 5er- oder 7er-Serie zu bewegen. Hewlett-Packard strebt Cross-Selling-
Effekte durch den Verkauf von Druckern und Druckerpatronen an. Ein weiteres Ziel könnte

2 Siehe Olga Kharif, „The end of the coffee line“, Bloomberg BusinessWeek, 26. November 2014, S. 33–
34.

404
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8.3 Produktentscheidungen

darin liegen, sich gegenüber konjunkturellen Schwankungen abzusichern, indem Produktan-


gebote mit unterschiedlichen Preisniveaus gemacht werden.
Ein Unternehmen kann seine Produktlinien auf zwei Arten erweitern: durch Füllen der Pro-
duktlinie oder durch Ausdehnen der Produktlinie. Das Füllen der Produktlinie ergibt sich,
wenn weitere Artikel zur bestehenden Produktlinie hinzugefügt werden. Es gibt mehrere
Gründe, warum Produktlinien aufgestockt werden: zusätzliche Gewinne, zufriedene Händ-
ler, die Nutzung überschüssiger Kapazitäten, eine führende Position als Vollsortimenter und
das Schließen von Marktlücken, um Wettbewerber in Schach zu halten. Man schießt jedoch
über das Ziel hinaus, wenn eine Kannibalisierung der Umsätze und verwirrte Kunden die
Folge sind. Das Unternehmen muss sicherstellen, dass neue Artikel sich deutlich von den
bereits im Sortiment vorhandenen unterscheiden.
Bei der Ausdehnung der Produktlinie wird die bestehende Produktlinie durch neue Artikel
in weitere Bereiche verlängert. Dies lässt sich wie folgt durchführen:
 Produktlinie nach unten verlängern
 Produktlinie nach oben verlängern
 Produktlinie in beide Richtungen verlängern
 Lücken in der Produktlinie schließen.
Mit dem Entschluss, neue Produkte anzubieten, steigen jedoch auch die Kosten: Es entstehen
zusätzliche Entwicklungskosten und Kosten für den Maschinenpark, Lagerkosten, Umrüst-
kosten in der Fertigung und Werbekosten zur Einführung des neuen Produkts. Daher müssen
Produktlinienerweiterungen sorgfältig geplant werden.
Abbildung 8.6 stellt diese Möglichkeiten dar.

hoch hoch hoch


neue
Produkte

bisherige neue bisherige


Produkte Produkte Produkte
Preis

Preis

Preis

neue bisherige neue


Produkte Produkte Produkte

niedrig niedrig niedrig


niedrig Qualität hoch niedrig Qualität hoch niedrig Qualität hoch

Erweiterung niedrigere Erweiterung höhere Erweiterung in beide


Qualität Qualität Richtungen

Abbildung 8.6: Möglichkeiten der Erweiterung einer Produktlinie

Produktlinienerweiterung nach unten


Eine solche liegt vor, wenn man das Premiumsegment eines Markts bedient und jetzt die Pro-
duktlinie nach unten ausdehnen will. Möglicherweise hat sich ein Anbieter erst ein Image
hoher Qualität aufgebaut und sieht sich nun durch Kostensenkungen in der Lage, auch
Marktsegmente zu niedrigeren Preisen zu bedienen. Oder man will auch in den unteren
Preissegmenten vertreten sein, damit nicht Konkurrenten von dieser vermeintlich noch

405
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

freien Position angezogen werden. Möglicherweise vermutet man das künftige Wachstum in
den unteren Preissegmenten. Mercedes führte deshalb zunächst die C-Klasse, dann die A-
Klasse und schließlich den Smart ein.
Ein Risiko der Produktlinienerweiterung nach unten ist der Effekt, dass bei einem preisgüns-
tigeren Angebot der gleichen Marke häufig der Absatz am oberen Ende der Skala deutlich
zurückgeht. Die Tatsache, dass der Absatz eines Produkts nicht aufgrund der Einführung
eines Konkurrenzprodukts, sondern wegen eines neuen Produkts der eigenen Marke zurück-
geht, wird als Markenkannibalismus bezeichnet.
Andererseits kann es auch ein Fehler sein, die unteren Bereiche des Markts nicht zu bedie-
nen. Rollei baute keine preiswerten Fotoapparate und Xerox bot keine kleinen Kopierer an.
Es entstanden Lücken in der Produktlinie, welche die japanischen Anbieter schnell und
erfolgreich schließen konnten.

Produktlinienerweiterung nach oben


Unternehmen, die am unteren Ende des Markts angesiedelt sind, möchten sich häufig auch
am Premiumsegment beteiligen. Gelegentlich werden sie durch höhere Wachstumsraten und
Gewinnspannen am oberen Ende angezogen oder sie wollen sich, nicht zuletzt auch aus
Image-Gründen, als Anbieter des gesamten Spektrums etablieren. Manchmal geht es auch
darum, dem Gesamtangebot durch das Angebot am oberen Ende Prestige zu verleihen (so
zum Beispiel bei der Einführung des Infiniti von Nissan).
Die Produktlinienerweiterung in den Premiumbereich birgt die Gefahr, dass Anbieter der
oberen Produktklassen ihrerseits eine Erweiterung nach unten vornehmen. Um eine Marke
am oberen Ende zu etablieren, vergeht eine gewisse Zeit, da Kaufinteressenten es einem
Anbieter des unteren Segmentes nicht ohne Weiteres zutrauen, ihre hohen Qualitätsansprü-
che zu befriedigen. Für eine schnelle Einführung kann es außerdem hinderlich sein, dass
weder die Außendienstorganisation noch die Händler den gehobenen Ansprüchen dieser
Produkte von einem Tag auf den anderen gewachsen sind.

Simultane Produktlinienerweiterung
Für Unternehmen, deren Betätigungsfeld die Mitte des Markts ist, kann eine Produktliniener-
weiterung in beide Richtungen sinnvoll sein. Sony als Erfinder des kleinen Kassettenabspiel-
geräts Walkman führte diese Geräte zunächst in einer mittleren Qualität und Preislage ein.
Als die ersten Billigimitationen auf den Markt kamen, erweiterte Sony diese Produktlinie
auch in den Niedrigpreismarkt. Da Sony dort zwar einfache, aber zuverlässige und qualitativ
hochwertige Geräte anbot, errang die Marke auch hier einen hohen Marktanteil. Gleichzeitig
bediente Sony die Wünsche derer, die nicht nur abspielen, sondern auch aufnehmen wollten
oder an besonders hochwertigen Musikaufnahmen Interesse hatten. Für diesen Teil der
Nachfrage entwickelte man Geräte der oberen Preisklassen.

Lücken in der Produktlinie schließen


Für manche Unternehmen bieten sich Produktlinienergänzungen innerhalb des gegenwärtig
angebotenen Produktspektrums an, ohne dass eine Ausweitung über die bisherigen Pro-
duktgrenzen hinaus stattfindet. Es gibt viele Gründe für eine solche Ergänzung: zusätzlicher
Gewinn, Kapazitätsauslastung, Zufriedenstellung des Handels oder Schließen von Schlupflö-
chern für Konkurrenzanbieter. Sony beispielsweise schloss Lücken in seiner Produktlinie
durch die Ergänzung von solarbetriebenen und wasserfesten Walkmans sowie besonders

406
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8.3 Produktentscheidungen

leichten Geräten für Sportler, die mit einem zusätzlichen Schweißband ausgestattet sind.
Wenn eine solche Produktlinienerweiterung jedoch übertrieben wird, kann dies zu Mar-
kenkannibalismus und Verunsicherung der Käufer führen. Man sollte daher sicherstellen,
dass sich die neu eingeführten Produkte von den bisherigen deutlich unterscheiden.

8.3.3 Entscheidungen über das Produktportfolio


Ein Unternehmen mit mehreren Produktlinien verfügt über einen Produkt-Mix (oder ein Pro-
duktportfolio). Ein Anbieter, der zunächst nur mit Kosmetikprodukten am Markt war, hat
heute vier Produktlinien im Sortiment: Kosmetik, Schmuck, Mode und Haushaltsartikel.
Jede Produktlinie besteht aus einem breiten Angebot von Artikeln oder Unterkategorien. Kos-
metik umfasst die Unterkategorien Lippenstifte, Puder, Nagellack, Lidschatten usw. Jede
Unterkategorie wird möglicherweise wieder in unterschiedlichen Variationen oder Produkt-
formen angeboten, zum Beispiel Lidschatten in verschiedenen Farbnuancen, aber auch in
verschiedenen Formen wie Stift, Roller oder Puder. Ein Produktportfolio stellt sich in vier
Dimensionen dar: Breite, Länge, Tiefe und Homogenitätsgrad oder Synergiefaktor.
Die Breite des Produktportfolios bezieht sich auf die Anzahl der Produktlinien. Unterneh-
men mit einem breiten Sortiment sind beispielsweise 3M mit über 60.000 Produkten oder
Henkel mit den Bereichen Waschmittel, Kosmetik und Kleber.
Die Länge des Produktportfolios bezieht sich auf die insgesamt vorhandene Anzahl an Pro-
dukten innerhalb der Produktlinien. Nestlé ist Weltmarktführer im Bereich Mineralwasser,
neben den bekannten Marken Perrier und Vittel hat das Unternehmen 70 weitere Marken im
Portfolio.
Die Tiefe drückt aus, in wie vielen verschiedenen Varianten ein Produkt auf dem Markt ange-
boten wird (z. B. Pulver, Tabs und Gel als unterschiedliche Darreichungsformen für Wasch-
mittel).
Der Homogenitätsgrad des Produktportfolios beschreibt, wie nah oder wie weit die einzel-
nen Produkte bezüglich Produktion, Vertriebskanälen, Werbung, Nutzung oder anderer Krite-
rien voneinander entfernt sind. Die Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten einzelner Pro-
duktfamilien sehen wie folgt aus:

Gemeinsamkeiten Produkte
gemeinsame Produktion gemeinsame Grundstoffe, Fertigungsabläufe oder Fertigungstechnologien
gemeinsame Verwendung z.B. Kaffee, Kaffeemaschinen, Kaffeesahne, Kaffeefilter, Kaffeegeschirr, Gebäck
zum Kaffee (z.B. Melitta)
gemeinsamer Absatz z.B. Autobatterien, Reifen, Räder, Autowerkzeuge, Autoradios, Autotelefone
oder Sportkleidung, Sportschuhe, Sportgeräte, Sportuhren, Sportkosmetik (z.B.
Adidas)
Tabelle 8.2: Synergien aus Produktion, Verwendung oder Absatz

Bei Unternehmen wie Henkel, Beiersdorf oder Procter & Gamble sind Mehrfach-Synergien
über viele Produktfamilien in der Produktion (gemeinsame Basis bei Kosmetik, Seifen und
Waschmitteln) sowie im Vertrieb zu beobachten. Bei der Gruppe Kraft (Käse und Lebensmit-
tel), Jacobs (Kaffee) und Suchard (Kakao und Schokolade) besteht Synergie im wichtigsten
Vertriebskanal Lebensmittelhandel.

407
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Die hier angeführten Dimensionen des Sortiments bilden die Grundlage für die gegenwärti-
gen und zukünftigen Produktstrategien. Um Wachstum zu erreichen, kann ein Unternehmen
nach vier Konzepten Expansionsstrategien entwickeln (siehe Tabelle 8.3).

Expansionsstrategien
Neue Produktlinien = Verbreiterung des Produkt- Die neu einzuführenden Produktlinien profitieren vom
portfolios guten Ruf des Gesamtunternehmens und seiner Marken
Erweiterung bestehender Produktlinien = Verlängerung Das Unternehmen ist etablierter Anbieter und expan-
des Produktportfolios diert auf das volle Sortiment seiner Produktkategorie.
Angebot von ergänzenden Versionen der Produkte = z. B. Fahrzeuge mit Allrad-Antrieb, Cabrios, Kombis etc.
Vertiefung des Produktportfolios
Homogenität erhöhen oder senken Kostenersparnis und Erhöhung des Marktanteils
(Beispiel: Händler von Kleintransportern nimmt
Wohnmobile ins Angebot auf).
Tabelle 8.3: Expansionsstrategien

8.4 Services-Marketing
Einer der zentralen Trends in unserer Wirtschaft über die letzten beiden Jahrzehnte war das
Wachstum des Dienstleistungssektors. In den großen Staaten Westeuropas, in Amerika und
Japan sind inzwischen mehr Personen im Dienstleistungssektor beschäftigt als in allen ande-
ren Sektoren der jeweiligen Wirtschaften zusammen. Öffentliche und privatwirtschaftlich
erbrachte Dienstleistungen erreichen hier zwischen 60 und 75 Prozent der gesamten Leis-
tungserstellung in den nationalen Volkswirtschaften. In den internationalen Handelsbezie-
hungen beträgt der Anteil der Dienstleistungen inzwischen fast ein Viertel aller Exporte. Zu
den Branchen, die zum Dienstleistungssektor gezählt werden, gehören Tourismus, Finanz-
dienstleistungen oder Logistik. Produktorientierte Unternehmen wie zum Beispiel die Auto-
mobilindustrie ergänzen ihr Angebot mit produktbegleitenden Dienstleistungen wie Repara-
tur und Wartung, Mobilitätsgarantien, komfortablen Ausstellungsräumen, Finanzierung und
weiteren Diensten. Für viele Länder gilt, dass das gesamte Wachstum des Arbeitsmarkts aus-
schließlich durch den Dienstleistungsbereich getragen wird.
Zwischen den verschiedenen Anbietern von Dienstleistungen bestehen Unterschiede. Der
Staat selbst ist ein wichtiger Anbieter von Dienstleistungen durch z.B. öffentliche Kranken-
häuser und Schul-/Hochschulbildung. Im „Non-Profit“-Sektor finden wir Dienstleistungsins-
titutionen wie z.B. Museen, Kirchen oder karitative Organisationen.

8.4.1 Charakteristika von Dienstleistungen


Wenn ein Dienstleistungsunternehmen ein Marketingprogramm entwirft, sollte es vier
Hauptcharakteristika von Dienstleistungen im Auge behalten:

408
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8.4 Services-Marketing

Immaterialität/ Nichtgreifbarkeit Beteiligung von Leistungserbringer und


Nutzer
Dienstleistungen können vor dem Kauf
weder angeschaut, probiert, angefasst, Dienstleistungen können nicht von ihren
gehört noch geschmeckt werden. Leistungserbringern getrennt werden.

Dienstleistungen

Schwankungen in der Nichtlagerfähigkeit und


Dienstleistungsqualität Nichttransportfähigkeit
Die Qualität von Dienstleistungen hängt Dienstleistungen lassen sich nicht für
davon ab, wer sie wann, wo und wie späteren Verkauf oder spätere Nutzung
durchführt. lagern.

Abbildung 8.7: Die vier Charakteristika von Dienstleistungen

In den folgenden Abschnitten gehen wir genauer auf diese Merkmale ein.

1. Immaterialität
Immaterialität bedeutet, dass Dienstleistungen nicht greifbar sind. Sie können vor dem Kauf
nicht ausgestellt werden und man kann sie nicht anfassen, fühlen oder hören, bevor sie
erbracht werden. Der Käufer einer Stereoanlage kann das Gerät in Ruhe ansehen und anhö-
ren, bevor er es kauft. Der Käufer einer Flugreise bekommt zunächst nur eine Bordkarte und
das Versprechen, er werde zum gewünschten Zeitpunkt mit dem Flugzeug an den Zielort
transportiert.
Da es bei Dienstleistungsangeboten wenig Materielles gibt, das der Käufer überprüfen kann,
ist die Ungewissheit groß. Um seine Ungewissheit zu reduzieren, sucht der Kaufinteressent
nach Indizien für die Qualität der Dienstleistung. Er wird aus dem, was er als Geschäftslokal
vorfindet, wer dort bedient, welche Ausrüstung vorhanden ist und welche Kommunikations-
mittel dort genutzt werden, seine Schlüsse ziehen. Daher ist es für den Dienstleistungsanbie-
ter wichtig, die Dienstleistung auf irgendeine Art greifbar und messbar zu machen. Während
die Anbieter von materiellen Produkten versuchen, sich Wettbewerbsvorteile durch immate-
rielle Ergänzungen zu verschaffen (schnelle Lieferung, verlängerte Garantie, Finanzierung
oder Leasing, Kundenbetreuung nach dem Kauf), müssen die Anbieter der Dienstleistungen
materiell greifbare Ergänzungen suchen, die als Indizien für die Qualität ihrer immateriellen
Leistung dienen.
Da Dienstleistungen nicht greifbar sind und dies für den Käufer ein erhöhtes Risiko bedeutet,
spielt Mund-zu-Mund-Propaganda (eine Empfehlung oder ein Abraten) bei Dienstleistungen
eine größere Rolle als bei materiellen Angeboten. Aus diesem Grund ist es beim Marketing
für Dienstleistungen besonders wichtig, Meinungsführer zu gewinnen und zufriedene Kun-
den zu veranlassen, das Angebot bei Freunden und Kollegen und in der Familie weiter-
zuempfehlen.
Ein weiteres aus der Immaterialität resultierendes wichtiges Instrument des Marketings für
Dienstleistungen ist eine einfache und klare Preisgestaltung.

409
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Verkauf, Verbrauch oder


Logistik: Lagerung und Benutzung folgen dem
Materielle Güter Produktion, auch auf Vorrat
Verteilung Kauf, auch zu einem spä-
teren Zeitpunkt
Auftragserteilung, Ver-
Vorhaltung für Spontan- tragsabschluss, Leistungs-
Bereitstellung von Kapazi-
Dienstleistungen kauf oder Einplanung erstellung und die
täten, Beschaffungslogistik
und Reservierung Nutzung erfolgen gleich-
zeitig
Tabelle 8.4: Untrennbarkeit von Leistungserbringung und Nutzung bei der Dienstleistung

2. Die Beteiligung von Leistungserbringer und Nutzer


Materielle Güter werden hergestellt, gelagert, dann verkauft und schließlich benutzt oder
verbraucht. Im Gegensatz dazu werden Dienstleistungen zunächst verkauft und danach
gleichzeitig und am selben Ort erstellt und genutzt. Die „Beteiligung von Leistungserbringer
und Nutzer“ bzw. Untrennbarkeit der Dienstleistung bedeutet, dass eine Dienstleistung nicht
ohne den Menschen oder die Maschine, die sie verrichten, ausgeführt werden kann. Zugleich
ist in der Regel auch der Kunde selbst (Arztbesuch) oder ein Gut des Kunden (Autoreparatur)
in den Prozess der Dienstleistungserstellung integriert. Man bezeichnet dies auch als die
Integration des externen Faktors.
Diese Interaktion zwischen Leistungserbringer und Nutzer ist typisch für Dienstleistungen.
Beide tragen auch zu Erfolg oder Misserfolg bei. Der Erfolg einer Popgruppe entsteht mit dem
Publikum, die Lehrerin, die guten Unterricht bietet und von ihren Schülern gemocht wird,
hat ihre Klienten zufriedengestellt. Es ist daher besonders wichtig für Dienstleistungsanbie-
ter, das Personal im Hinblick auf eine positive Wechselwirkung mit den Kunden zu trainie-
ren.

3. Schwankungen in der Dienstleistungsqualität


Da bei Leistungserstellung und -nutzung Menschen beteiligt sind, ist ein großes Potenzial für
Qualitätsschwankungen gegeben. Die Qualität einer Dienstleistung hängt davon ab, welche
Person sie ausführt und wann, wo und wie sie ausgeführt wird. Aus diesem Grund ist es
schwierig, die Qualität von Dienstleistungen konstant zu halten. So kann beispielsweise ein
Angestellter eines Hotels höflich und zuvorkommend sein und schnell arbeiten, während
sein Kollege nur wenige Schritte von ihm entfernt weniger freundlich und langsam ist. Aber
selbst die Bedienung durch ein und dieselbe Person kann in Abhängigkeit von der Tageszeit,
aber auch von dem Verhalten ihres Gegenübers, Schwankungen unterliegen. Die Fähigkeit,
Kunden zufriedenzustellen, hängt in erster Linie von dem Verhalten der Mitarbeiter ab. Eine
gute Marketingstrategie allein bewirkt nichts, wenn die Mitarbeiter ihre Aufgaben unzurei-
chend erledigen und eine schlechte Dienstleistungsqualität liefern.

4. Nichtlagerfähigkeit und Nichttransportfähigkeit


Für Dienstleistungen ist charakteristisch, dass sie nicht für einen späteren Verkauf oder eine
spätere Nutzung aufbewahrt werden können. In manchen Ländern stellen Ärzte und Zahn-
ärzte ihren Patienten auch dann die Rechnung, wenn sie zum vereinbarten Sprechstunden-
termin nicht erscheinen, weil der Arzt wegen der Reservierung auch keinen anderen Patien-
ten behandeln konnte.

410
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8.4 Services-Marketing

Bei einer gleichmäßig verteilten Nachfrage resultieren für die Anbieter von Dienstleistungen
aus der Nichtlagerfähigkeit in der Regel keine Probleme, dies ändert sich jedoch, wenn die
Nachfrage und damit die Auslastung starken Schwankungen unterliegen. Öffentliche Ver-
kehrsbetriebe richten beispielsweise Fahrzeuggrößen und Fahrzeugbestand häufig am Bedarf
der Hauptverkehrszeiten (Berufsverkehr) aus, aus diesem Grund sieht man in den verkehr-
sarmen Zeiten große, jedoch schwach ausgelastete Fahrzeuge. Viele Dienstleistungsunterneh-
men versuchen jedoch Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen. So verlangen
Hotels beispielsweise niedrigere Preise in der Vor- oder Nachsaison, um mehr Gäste anzuzie-
hen, oder Restaurants arbeiten in Spitzenzeiten mit Teilzeitkräften.

Marketing-Highlight: Spezialisierte Dienstleistung im industriellen


Maßstab – LSG Sky Chefs

„Der größte Airline-Caterer der Welt“


LSG Sky Chefs ist der weltweit größte Anbieter von Dienstleistungen rund um den
Bordservice. Dazu gehören Catering, Bordverkaufsprogramme, Bordserviceequipment
und die damit verbundene Logistik, Consulting und das Betreiben von Lounges. LSG
Sky Chefs liefert jährlich 628 Millionen Mahlzeiten, insbesondere für mehr als 300
Fluggesellschaften an 209 Flughäfen in 50 Ländern. Zum Kundenkreis des Unterneh-
mens zählen alle internationalen sowie zahlreiche nationale und regionale Fluggesell-
schaften. Intensität, Umfang und Dauer der Geschäftsbeziehungen mit den rund 300
Hauptkunden sind individuell sehr unterschiedlich und variieren von weltweiten Ver-
trägen bis hin zu Vereinbarungen für einzelne Standorte.
Im Airline-Catering-Markt hält LSG Sky Chefs mit 20 Prozent Anteil am weltweiten
Markt Position zwei hinter dem chinesischen Touristikkonzern HNA, der durch Kauf
des schweizerischen Anbieters Gategroup und des französischen Verpflegers Servair
nunmehr auf 27 Prozent Weltmarktanteil kommt. LSG Skychefs hat sein Portfolio in den
vergangenen Jahren auf dem Kerngeschäft verwandte Bereiche ausgedehnt. Zum einen
werden den Airline-Kunden erweiterte Leistungen angeboten, um die zunehmend diffe-
renzierten Kundenanforderungen zu erfüllen. Dies umfasst sowohl den Ausbau der
kulinarischen Exzellenz hinsichtlich ethnischer Speisen, welche stärker nachgefragt
werden, sowie das komplette Management von Bordverkaufsprozessen, angefangen bei
der Erfassung von Konsumentenbedürfnissen über Produktauswahl, Nachfrageprog-
nose, Logistik, Verkaufsprozess bis hin zur Abrechnung. Zum anderen bietet das Unter-
nehmen über seine Tochtergesellschaft SPIRIANT die Entwicklung, Beschaffung sowie
Planung, Transport- und Lagerlogistik von Cateringequipment einer wachsenden
Anzahl internationaler Fluggesellschaften an. LSG Sky Chefs offeriert seine umfangrei-
che Expertise, basierend auf den Kernkompetenzen kulinarische Exzellenz und Logis-
tik, zunehmend auch weiteren Kundengruppen wie Betreibern von Zügen, Schul- und
Universitätsmensen sowie Einzelhandelsketten. Zur Anreicherung der eigenen Kompe-
tenzen geht das Unternehmen aktiv Partnerschaften ein, wie zum Beispiel mit Retailin-
Motion. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Unternehmens unter
www.lsgskychefs.com.

411
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

LSG Lufthansa Service Holding AG


Umsatz (Mio. €) 3.194
Weltweiter Marktanteil Bordverpflegung 2016 20 %
Mitarbeiter 35.530
Fluggesellschaften als Kunden mehr als 300
Betriebe weltweit 203
Tabelle 8.5: Kenndaten der LSG Lufthansa Service Holding AG im Geschäftsjahr 2016

Quelle: LSG Lufthansa Service Holding AG

Abbildung 8.8: Desserts für Fluggäste werden von Hand dekoriert. Dabei ist es wichtig, dass ein Dessert dem anderen
gleicht. (Quelle: (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:LH_LSG_Z7B4576_k.jpg), „LH LSG Z7B4576 k“, https://crea-
tivecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode)
(Quellen: Geschäftsbericht 2016: http://lsg-group.com/app/uploads/lsg_ar2016_digital/#p=41 [06.02.2018]
www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schweizer-gate-group-uebernimmt-kontrolle-bei-servair-14596795.html [06.02.2018])

8.4.2 Marketingstrategien für Dienstleistungsanbieter


Ähnlich wie auf Märkten für materielle Produkte bedienen sich Dienstleistungsunternehmen
des Marketings, um starke Marken zu entwickeln und sich auf ihren ausgewählten Zielmärk-
ten zu positionieren. Fluglinien wie „Ryanair“ und „easyJet“ positionieren sich selbst als
sogenannte „no frills“, als preiswerte Fluggesellschaften. In einem qualitativ gehobenen Seg-

412
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8.4 Services-Marketing

ment positionieren sich hingegen Fluglinien wie Singapore Airlines und Lufthansa. In der
Gastronomie findet man ein von Fast-Food-Restaurants wie „McDonald’s“ bis hin zu
anspruchsvollen Sternerestaurants reichendes Spektrum. Diese und andere Unternehmen
bauen ihre Positionierung durch den Einsatz traditioneller Marketinginstrumente auf, wel-
che sich nicht wesentlich von jenen der Anbieter materieller Produkte unterscheiden. Wegen
der oben genannten Besonderheiten von Dienstleistungen sind jedoch auch spezielle
Ansätze und Maßnahmen im Marketing für Dienstleistungen erforderlich.

8.4.3 Die Service-Profit-Chain


In einem Dienstleistungsgewerbe entsteht die Leistung durch direkte Interaktion zwischen
dem Kunden und dem Service-Mitarbeiter vor Ort. Die Effektivität der Interaktion wiederum
hängt von den Fähigkeiten des Mitarbeiters und den Abläufen ab, die den Mitarbeiter in sei-
ner Tätigkeit unterstützen. Erfolgreiche Dienstleister richten ihre Aufmerksamkeit daher
sowohl auf die Kunden als auch auf die Mitarbeiter. Sie begreifen dies als Service-Profit-
Chain, welche die Gewinne mit der Zufriedenheit von Mitarbeitern und Kunden eng ver-
knüpft. Diese Kette besteht aus fünf Gliedern:3
1. Interne Voraussetzungen für die Qualität der Dienstleistung Personalauswahl und Per-
sonalschulung unterliegen strengen Kriterien, die Arbeitsumgebung genügt höchsten
Anforderungen und die Mitarbeiter, die den Kunden gegenübertreten, erhalten die best-
mögliche Unterstützung. Daraus entstehen ...
2. Zufriedenheit, Loyalität und Engagement bei den Servicemitarbeitern Sehr zufriedene
und hoch motivierte Mitarbeiter, die hart und produktiv arbeiten, daraus ergeben sich ...
3. Ein höherer Nutzen und Wert der Dienstleistung für den Kunden Vom Kunden als ef-
fektiv und effizient wahrgenommene Erstellung der Dienstleistung schafft ...
4. Zufriedene, überzeugte und treue Kunden Zufriedene Käufer, die dem Anbieter die
Treue halten, stets als Kunden wiederkommen und durch Empfehlungen kontinuierlich
neue Kunden mitbringen, hieraus ergeben sich für den Dienstleistungsanbieter ...
5. Zufriedenstellende Gewinne und Wachstum Leistung und Wirtschaftlichkeit des Unter-
nehmens im Sinne seiner unternehmerischen Zielsetzungen.
Die Unternehmensziele in Bezug auf Wachstum und Gewinn zu erreichen bedeutet also, sich
um diejenigen zu bemühen, deren Aufgabe es ist, sich um die Kunden zu bemühen. Die
Schlussfolgerung daraus lautet, dass das Marketing für Dienstleistungen mehr verlangt als
das traditionelle externe Marketing, das Marketing nach außen mit den „vier Ps“. Wie in
Abbildung 8.9 zu sehen, müssen ebenso große Anstrengungen im Sinne eines internen Mar-
ketings und eines interaktiven Marketings unternommen werden.

3 Siehe James L. Heskett, W. Earl Sasser Jr. und Leonard A. Schlesinger, The Service Profit Chain: How
Leading Companies Link Profit and Growth to Loyalty, Satisfaction, and Value (New York: Free Press,
1997); Heskett, Sasser und Schlesinger, The Value Profit Chain: Treat Employees Like Customers and
Customers Like Employees (New York: Free Press, 2003); Christian Homburg, Jan Wieseke und Way-
ne D. Hoyer, „Social identity and the service-profit chain“, Journal of Marketing , März 2009, S. 38–
54 sowie Rachael W. Y. Yee et al., „The service-profit chain: a review and extension“, Total Quality
Management & Business Excellence, 2009, S. 617–632.

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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Unternehmen

Internes Externes
Marketing Marketing

Mitarbeiter Kunden
Interaktives
Marketing
Abbildung 8.9: Drei Teilbereiche des Marketings in Dienstleistungsunternehmen

Internes Marketing
Unter internem Marketing ist zu verstehen, dass der Dienstleistungsanbieter in die Leistungs-
fähigkeit und Überzeugungskraft seiner Mitarbeiter investieren sollte. Es gilt, insbesondere
die Mitarbeiter, die mit den Kunden Kontakt haben, zu trainieren und zu motivieren.
Anzustreben ist, dass alle Mitarbeiter des Unternehmens als ein Team arbeiten, damit der
Kunde zufriedengestellt werden kann. Es reicht nicht aus, eine Marketingabteilung traditio-
nelles Marketing betreiben zu lassen, während der Rest der Mitarbeiter seine eigenen Wege
geht. In einem Dienstleistungsunternehmen muss jeder Einzelne marketingorientiert han-
deln. Diese Überzeugungsarbeit, die dem externen Marketing vorausgeht, ist das eigentliche
interne Marketing. Es würde keinen Sinn ergeben, wenn ein Dienstleistungsunternehmen in
der Werbung erstklassige Dienste anbieten würde und die Mannschaft des Unternehmens
noch nicht bereit, noch nicht willens oder nicht in der Lage wäre, die angebotenen Dienste
auch wirklich erstklassig durchzuführen.
Im Einzelhandel beispielsweise kann schon eine einfache Sache wie ein Lächeln und eine
höfliche Begrüßung durch das Verkaufspersonal den Unterschied machen. In der Regel geben
Kunden, die sich über ein herzliches Willkommen freuen, mehr Geld aus. Untersuchungen
in den Mothercare-Geschäften im Vereinigten Königreich zeigen, dass Käufer, die auf die
freundliche Begrüßung des Personals mit einem Lächeln reagieren, 67 Prozent mehr ausge-
ben als andere Kunden. Für Händler in diesem Bereich hat der verbesserte Umgang des Per-
sonals mit den Kunden eine positive Wirkung auf die Umsätze.4 Eine Ausnahme sind schein-
bar Luxusgüter und Designer-Marken, bei denen das hochnäsige Verhalten der Verkäufer in
den teuren Geschäften die Umsätze tatsächlich ankurbeln kann. Forschungen in Kanada zei-
gen, dass Kunden, die sich von Verkäufern in Designer-Geschäften „herabgewürdigt“ fühlten,
die Marke höher schätzten und bereit waren, mehr Geld dafür auszugeben, als Kunden, die
höflich behandelt wurden.5 Marketingverantwortliche für den Service müssen die verschie-
denen Wege, wie Angestellte die Markenbotschaft „leben“ können, sorgsam prüfen.

4 Sean Poulter, „We spend more if shop staff greet us with a smile“, Daily Mail, 27. Mai 2013, S. 21.
5 Fiona Macrae, „So Mrs Slocombe was right all along – being snooty DOES help shop assistants sell
more in fancy stores“, Daily Mail, 29. April 2014, www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-2616199/
So-Mrs-Slocombe-right-snooty-DOES-help-shop-assistants-sell-fancystores.html, Zugriff August
2015.

414
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
8.4 Services-Marketing

Interaktives Marketing
Der Begriff interaktives Marketing soll darauf hinweisen, dass die empfundene Qualität der
Dienstleistung hauptsächlich auf der Käufer-Verkäufer-Beziehung beruht. Beim Marketing
materieller Produkte spielt es oft keine große Rolle, unter welchen Umständen das Produkt
in Empfang genommen wird. Für das Marketing von Dienstleistungen gilt jedoch etwas ganz
anderes: Die Qualität, die der Kunde empfindet, beruht ganz entscheidend darauf, wie die
Dienstleistung erbracht wird, da sie erst in der Wechselwirkung zwischen Käufer und Ver-
käufer entstehen kann. Dies gilt insbesondere für Dienstleistungen, die auf hervorgehobenen
Qualifikationen des Dienstleisters beruhen (Arzt, Anwalt, Architekt, Reisen). Der Kunde
beurteilt die Qualität der Dienstleistung nicht nur nach technischen Kriterien („Hatte die
Operation den gewünschten medizinischen Erfolg?“), sondern auch nach funktionalen und
emotionalen Kriterien („Hat sich der Chefarzt ausreichend um den Patienten gekümmert?“).
Für den Anbieter ist der Zeitraum der Leistungserstellung insofern besonders wichtig, als
sich in diesen Momenten der Käufer nicht nur ein Bild über die Qualität der Dienstleistung,
sondern über die Organisation insgesamt bildet. Wenn also Dienstleistungen dieser Art
erbracht werden, muss der Dienstleistungsanbieter wissen, dass der Kunde mit einer ledig-
lich technisch korrekten Lösung nicht zufriedengestellt ist. Mittels des interaktiven Marke-
tings muss bei dem Kunden noch die Überzeugung aufgebaut werden, dass er mit der Inan-
spruchnahme dieser Dienstleistung das Richtige getan hat.
In heutigen Zeiten sollten Unternehmen Interaktionen bieten, die nicht nur „high-touch“,
sondern auch „high-tech“ sind. Dank der Internettechnologie können sich Kunden beim
Onlinebanking zum Beispiel auf der Webseite ihrer Bank einloggen, selbstständig ihre Konto-
informationen abfragen, Überweisungen durchführen und neue Finanzprodukte kaufen.
Kunden, die stattdessen den persönlichen Kontakt bevorzugen, können gleichermaßen das
Servicepersonal anrufen oder bei der lokalen Zweigstelle der Bank vorbeigehen. Auf diese
Weise bewältigen Unternehmen interaktives Marketing auf allen drei Stufen: per Telefon,
über das Internet und durch persönlichen Kontakt.
Heutzutage ist in vielen Branchen ein steigernder Wettbewerbsdruck bei steigenden Kosten
zu beobachten, während Produktivität und Qualität in vielen Bereichen abzunehmen schei-
nen. Die Instrumente des Marketings sind daher noch professioneller auszugestalten und ein-
zusetzen. Anbieter von Dienstleistungen sehen sich drei Aufgaben gegenüber: Sie müssen
sich von der Konkurrenz abheben und sowohl die Qualität ihrer Dienstleistungen als auch
ihre Produktivität erhöhen.

8.4.4 Differenzierung als strategische Herausforderung


Die Differenzierung bei Dienstleistungen ist grundsätzlich schwieriger als bei materiellen
Produkten. Für den Kunden ist bei immateriellen Leistungen ein Vergleich nicht ohne Weite-
res möglich. Unterschiede beim Nutzen konkurrierender Dienstleistungen sind häufig nur
für den Fachmann erkennbar. Nehmen Kunden die Dienstleistungen verschiedener Anbieter
als gleich wahr, so achten sie bei ihrer Kaufentscheidung mehr auf den Preis als auf den
Anbieter. Deutlich wird dies beispielsweise am derzeitigen Wachstum des Onlinebankings.
Die Kunden werden nicht nur durch die Möglichkeit, rund um die Uhr ihre Bankgeschäfte zu
tätigen, sondern auch durch die attraktiven Angebote der Onlinebanken (z.B. höhere Sparz-
insen oder niedrigere Transaktionskosten) angezogen. Auch preisgünstige Fluglinien wach-
sen derzeit, da den Kunden ein niedrigerer Preis oftmals wichtiger ist als guter Service.

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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Dienstleistungsanbieter benutzen deshalb oft ausschließlich die Preispolitik, um ihr Angebot


gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren. Je homogener die Käufer ein Produktangebot
einschätzen, desto mehr wird der Preis zum Auswahlkriterium. Bei Preissenkungen zieht die
Konkurrenz jedoch häufig schnell nach. Oftmals werden so nur die Gewinne geschmälert,
ohne dass sich ein langfristiger Wettbewerbsvorteil ergibt. Die Differenzierung von Dienst-
leistungen birgt somit besondere Herausforderungen. Aufgrund der Immaterialität und der
schwierigen Trennung des Leistungsangebots verschiedener Dienstleister können die Kun-
den alternative Dienstleistungsangebote selten vor dem Kauf vergleichen, wie dies poten-
zielle Kunden beim Kauf eines Produkts tun. Unterschiede bezüglich der Attraktivität kon-
kurrierender Dienstleistungen sind für den potenziellen Kunden folglich nicht leicht
ersichtlich. Jedoch können Dienstleistungen sich trotz allem differenzieren. Um dem Preis-
wettbewerb zu entgehen, kann man sich beim Leistungsangebot, bei der Erstellung der
Dienstleistung und im Image von der Konkurrenz unterscheiden.
Leistungsangebot Eine Differenzierung beim Angebot erscheint möglich, wenn ein Dienst-
leister dieses um innovative Elemente erweitert. Fluglinien haben immer wieder ihr Gesamt-
angebot ergänzt. Die Innovationen waren unter anderem Filme während langer Transatlantik-
flüge, präzise Sitzplatzreservierung, die Möglichkeit, während des Flugs zu telefonieren oder
das Internet zu nutzen, Schlafsitze oder -kabinen und Bonusprogramme für Vielflieger. Mit
diesem Komfort haben sich die Fluglinien mit ihrem Angebot deutlich von den Mitbewer-
bern abgehoben, sodass es für die Käufer, die diesen Komfort nicht mehr missen möchten,
keine Alternativen gibt. Hotels bieten Mietwagen, Business-Center oder Internet auf dem
Zimmer an. In vielen Filialen von McDonald’s gibt es kleine Spielplätze, damit sich die Kin-
der die Zeit vertreiben können. Damit wertete diese Restaurantkette ihr Angebot für junge
Familien gegenüber dem Angebot der Konkurrenz auf.
Innovationen im Dienstleistungsbereich lassen sich jedoch nicht oder nur eingeschränkt
schützen oder patentieren. Derartige Neuerungen können sofort kopiert und imitiert werden.
Trotzdem sollte ein Unternehmen nicht darauf verzichten. Durch jede Innovation verschafft
es sich einen vorübergehenden Vorteil und erwirbt sich mit der Zeit einen Namen als innova-
tiver Anbieter. Es gewinnt an Attraktivität für diejenigen Kunden, die immer das Neueste
und das Beste suchen.
Leistungserstellung Die unterschiedlichen Umstände bei der Erstellung von Dienstleistungen
machen gewisse Streuungen der Qualität wahrscheinlich. Standardisierung und konstante
Qualität sind daher schwierig zu erreichen. Unternehmen, die intern alle Vorkehrungen tref-
fen, auf den Kunden einzugehen und darauf vorbereitet sind, mit ihm zusammen die Dienst-
leistung zu erstellen, haben alle Voraussetzungen, dass ihre Leistung als qualitativ hochwer-
tig anerkannt wird.
Bei der Leistungserstellung selbst kann sich ein Anbieter in drei Positionen von seinen Kon-
kurrenten unterscheiden:
 durch die Mitarbeiter, welche die Dienstleistung ausführen,
 durch das Umfeld, in dem die Dienstleistung erbracht wird,
 durch Verfahren und Ablauf, wie die Dienstleistung erbracht wird.
Diese Dimensionen werden oft als die drei zusätzlichen P des Dienstleistungsmarketings
bezeichnet. Aus den „vier P“ im Englischen, nämlich Produkt, Preis, Platzierung und Wer-
bung (= Promotion), werden beim Marketing für Dienstleistungen „sieben P“.

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8.4 Services-Marketing

auf Deutsch auf Englisch


Produkt product
Preis price
Distribution place
Kommunikation promotion

beim Marketing für Dienstleistungen zusätzlich:


Person, welche die Leistung erbringt person
Umfeld, Ambiente physical environment
Vorgang der Leistungserstellung process
Tabelle 8.6: Sieben Merkmale des Marketing-Mix für Dienstleistungen

Ein Unternehmen kann sich insbesondere dadurch positiv abgrenzen, dass es mehr und
besser ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, die einfühlsamer als jene der Kon-
kurrenz auf die Wünsche der Kunden eingehen. Auch die Begeisterungsfähigkeit und ein
kompetentes Auftreten des Personals helfen, sich von den Mitbewerbern positiv zu unter-
scheiden.
Das Unternehmen kann ein harmonisches, entspanntes und Vertrauen erweckendes Umfeld
schaffen, in dem die Dienstleistung entsteht und vom Kunden in Anspruch genommen wird.
Hotels und Restaurants legen beispielsweise großen Wert auf die Inneneinrichtung und das
Ambiente, um ihren Kunden ein überragenden Service-Erlebnis zu bieten. Einzelhändler wie
beispielsweise „The Body Shop“ schaffen ein angenehmes physisches Umfeld, indem sie
ihren Verkaufsstellen durch eine besondere Einrichtung eine unverwechselbare Identität ver-
leihen.
Auch durch einen überlegenen Auslieferungsprozess kann sich ein Dienstleistungsanbieter
differenzieren. Banken bieten ihren Kunden z.B. die Möglichkeit des Homebankings. Hierbei
entfallen für den Kunden der Weg zur Bank sowie die Wartezeit in einer Warteschlange. Eine
Reinigung kann die gesäuberten Kleidungsstücke dem Kunden nach Hause liefern. Viele
Dienstleistungsunternehmen können zwischen verschiedenen Betriebsabläufen wählen, um
ihre Leistung zu erbringen: Bei Restaurants reicht dies von Fast Food und Selbstbedienung
über ein Büffet bis hin zu mehrgängigen Menüs mit Bedienung. Immer häufiger setzen
Dienstleistungsanbieter neue Technologien ein, um sich in der Leistungserbringung zu unter-
scheiden. Beispiele hierfür sind Automaten zum Einchecken bei Beginn einer Flugreise oder
Bahntickets, die über das Internet gebucht und selbst ausgedruckt werden können, sowie
mittels E-Learning oder Blended Learning zu absolvierende Studiengänge.
Image Wegen der besonderen Charakteristika von Dienstleistungen ist es hier noch schwieri-
ger als bei materiellen Produkten, sich einen Namen und ein konsistentes Markenimage zu
schaffen. Wenn es allerdings gelingt, nach langer Anlaufzeit ein derartiges Image aufzubauen,
kann dies nicht leicht von der Konkurrenz imitiert werden. Dienstleistungsanbieter, denen es
gelang, über Symbole oder über ihre Marke ein positives Image bei ihren Nutzern zu veran-
kern, haben bleibende Wettbewerbsvorteile errungen. Häufig werden sie als Maßstab für ihre
jeweiligen Branchen angesehen, wie die Beispiele Ritz Hotels, Hard Rock Cafe, Thai Air,
Lufthansa, Citibank und CNN zeigen. Sie alle haben ihr heutiges Ansehen über viele Jahre
aufgebaut und verfügen über eine herausragende Positionierung.

417
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Einige Unternehmen oder Organisationen haben ihr Image dadurch aufgebaut, dass sie neben
konsequenter Leistungsbereitschaft intensiv Symbole oder Farben eingesetzt haben. Bei-
spiele dafür sind das „Rote Kreuz“, der durchgehende Einsatz der Farbe Gelb bei der Deut-
schen Post, die Farbe Rot bei der Sparkasse und die Farben Blau und Gelb sowie das Symbol
des Kranichs bei der Lufthansa.

8.4.5 Das Management der Dienstleistungsqualität


Eine der wichtigsten Methoden, mit denen sich ein Unternehmen von der Konkurrenz abhe-
ben kann, besteht darin, beständig höhere Qualität als die Konkurrenz zu liefern. Wie in pro-
duzierenden Unternehmen kommen inzwischen auch in vielen Dienstleistungsunternehmen
Programme zur Qualitätsförderung zum Einsatz. In skandinavischen Ländern, besonders in
Schweden, ist das Qualitätsmanagement für Dienstleistungen ein Thema von nationalem
Interesse, bei dem die Regierung eine führende Rolle durch Initiativen wie das schwedische
Kundenzufriedenheitsbarometer einnimmt. In anderen Ländern, wie beispielsweise in Groß-
britannien, stehen örtliche Behörden oder Kommunalräte wachsendem Druck gegenüber,
Gemeinden, die sie betreuen, höhere Dienstleistungsqualität zu liefern.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die Qualitätserwartungen der Kunden zu übertreffen.
Die Erwartungen der Kunden ergeben sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit, aus
Mund-zu-Mund-Propaganda, aus dem Bedarf der Kunden und aus den Versprechen des
Anbieters. Wenn die tatsächlich erbrachte Dienstleistung besser ist als die erwartete Dienst-
leistung, wird deren Qualität als hoch eingeschätzt. Das bedeutet, dass der Kunde überzeugt
oder sogar begeistert ist und die Dienstleistung voraussichtlich wieder in Anspruch nehmen
wird. Kundenbindung ist der vielleicht beste Qualitätsmaßstab und spiegelt die Fähigkeit
eines Anbieters wider, Kunden an sich zu binden, indem er ihnen beständig einen Mehrwert
liefert.
Wenn die Hersteller materieller Produkte „zero defects“, also null Fehler als Qualitätsziel
anstreben, so gilt in den Dienstleistungsbranchen „zero customer defections“, also „keinen
Kunden verlieren“. Deshalb muss der Dienstleister, um Qualitätsvorgaben zu erreichen, Qua-
litätsziele setzen. Hierfür muss er die Erwartungen der Zielkunden hinsichtlich der Dienst-
leistungsqualität kennen.
Qualität bei Dienstleistungen ist schwerer zu definieren, zu beurteilen und zu messen als
Produktqualität. Physikalisch messen kann man Dienstleistungsqualität nicht, weil es keine
mit Instrumenten objektiv feststellbaren Messgrößen wie physikalische Leistung, elektrische
Ströme, Durchflussmengen oder Ähnliches gibt. Schon die Qualität eines Haarschnitts ist
schwieriger zu bewerten als die Qualität eines Haartrockners. Es bleibt eine sehr schwierige
Aufgabe, die Erstellung der Dienstleistung und das subjektive Empfinden ihrer Qualität
durch den Kunden objektiv zu bewerten. Die Untrennbarkeit von Produktion und Verbrauch
bedingt, dass die Dienstleistungsqualität sowohl auf der Basis des Erstellungsprozesses als
auch auf der des tatsächlichen Ergebnisses, das vom Kunden wahrgenommen wird, definiert
werden muss.
Wie bereits erwähnt, ist es schwierig, Standards oder Referenzpunkte zu bestimmen, mithilfe
derer der Dienstleistungserstellungsprozess und die Leistungsergebnisse gemessen werden
können. Trotz dieser Schwierigkeit können Dienstleistungsorganisationen Qualität mittels
des sogenannten Gap-Modells messen. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die
Kundeneinschätzung der Dienstleistungsqualität das Resultat eines Vergleichs ist. Ein Ver-
gleich zwischen dem, was die Kunden erwarten, und dem, was sie erleben. Jedes Ungleichge-

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8.4 Services-Marketing

wicht zwischen diesen beiden Punkten stellt eine Qualitätsdiskrepanz dar. Es gibt fünf Qua-
litätsdiskrepanzen, sogenannte Gaps, die eine missglückte Dienstleistungserbringung
verursachen können:
1. Die Diskrepanz zwischen den Kundenerwartungen und deren Wahrnehmung durch
das Management Es kann vorkommen, dass ein Unternehmen nicht richtig erkennt, was
seine Kunden wollen. Dienstleistungsanbieter für Mobiltelefone könnten denken, dass
Kunden anspruchsvolle Technologie wünschen, Kunden hingegen aber eher von niedri-
gen Preisen und Schlichtheit angezogen werden.
2. Die Diskrepanz zwischen den vom Management wahrgenommenen Kundenerwartun-
gen und deren Umsetzung in Spezifikationen der Dienstleistungsqualität Das Unterneh-
men könnte die Wünsche der Kunden richtig erkennen, aber keinen Leistungsstandard
setzen. Der Geschäftsführer eines Restaurants könnte der Belegschaft vorgeben, den
Kunden einen „schnellen“ Service zu liefern, dies jedoch nicht in Minuten festlegen.
3. Die Diskrepanz zwischen den Spezifikationen der Dienstleistungsqualität und der tat-
sächlich erstellten Leistung Das Personal könnte schlecht ausgebildet, unfähig oder
nicht willens sein, dem gesetzten Standard zu entsprechen. Oder es könnte nach wider-
sprüchlichen Regeln arbeiten, wie z.B. sich Zeit zu nehmen, um den Kunden zuzuhö-
ren, und sie gleichzeitig schnell bedienen zu müssen.
4. Die Diskrepanz zwischen tatsächlich erstellter Dienstleistung und der an den Kunden
gerichteten Kommunikation Die Werbung und die Präsentationen des Dienstleisters
durch seine Außendienstmitarbeiter beeinflussen die Erwartungen der Kunden. Eine
Hotelbroschüre betont eine große Auswahl an Serviceleistungen und schönen Schlaf-
zimmern, der Gast jedoch findet heraus, dass das ihm zugeteilte Zimmer einfach und
schäbig aussieht, während gerade die Leistung, die er nutzen möchte – der Fitnessraum
– wegen Instandhaltungsarbeiten bis auf Weiteres geschlossen ist. Hier hat die externe
Kommunikation zu hohe Erwartungen beim Kunden geweckt.
5. Die Diskrepanz zwischen Kundenerwartung und -wahrnehmung einer Dienstleistung
Kunden könnten Dienstleistungsqualität falsch wahrnehmen. Zum Beispiel kann die
hilfreiche Bedienung in einem Bekleidungsgeschäft dem Kunden im Laden hinterher-
laufen, um ihn auf die „neuesten Wareneingänge“ hinzuweisen, während sie den Kun-
den ständig fragt, ob sie ihm bei der Auswahl helfen könne. Der Kunde erwartet im
Grunde, in Ruhe gelassen zu werden, während er sich umsieht. Obwohl die Verkäuferin
versucht, Achtsamkeit zu zeigen, wird der Kunde dieses Maß an Aufmerksamkeit als be-
lästigend und ärgerlich empfinden.
Das Ziel des Qualitätsmanagements besteht darin, die beschriebenen Diskrepanzen möglichst
klein zu halten. Besondere Bedeutung kommt hierbei Gap Nummer 5 zu, es resultiert aus den
übrigen Gaps und dient als Messgröße für die Dienstleistungsqualität.
Um eine Erhöhung der Qualität vorzunehmen, muss man als Dienstleistungsanbieter zunächst
herausfinden, welches die wichtigsten Kriterien sind, nach denen die Kunden die Qualität der
Dienstleistung bewerten, welche Erwartungen die Zielgruppe überhaupt hat und wie die Kun-
den die aktuellen Leistungen in Relation zu dem, was sie erwartet haben, bewerten.

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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Qualitäts-
kriterien

Erreichbarkeit Mund- Vorherige Bedürfnisse Werbe-


propaganda Erfahrung des Kunden versprechen
Vertrauen

Wissen
Zuverlässigkeit

Sicherheit

Kompetenz Erwartungen an
die angebotene
Kommunikation Dienstleistung

Höflichkeit Erlebte und


empfundene
Eingehen auf Qualität der
den Kunden Dienstleistung

Umfeld Tatsächliche
Inanspruchnahme
der Dienstleistung

Abbildung 8.10: Schlüsselfaktoren der erlebten Dienstleistungsqualität

Bewertung der Qualität einer Dienstleistung


Die Einschätzung, welche Qualität eine Dienstleistung für ihren Nutzer hat, orientiert sich an
zehn Größen:
1. Erreichbarkeit Ist es leicht, den Dienstleistungsanbieter zu erreichen?
2. Vertrauen Erscheint der Dienstleistungsanbieter vertrauenswürdig?
3. Wissen Versteht der Dienstleistungsanbieter wirklich die Wünsche des Kunden?
4. Zuverlässigkeit Kann man sich auf den Dienstleistungsanbieter verlassen?
5. Sicherheit Wird die Dienstleistung ohne Risiken und Gefahren für den Kunden geleistet
(Gastronomie, gemietete Autos usw.)?
6. Kompetenz Sind das nötige Fachwissen und die nötigen praktischen Fähigkeiten vor-
handen?
7. Kommunikation Kann der Anbieter seine Dienstleistungen ausreichend erläutern?
8. Höflichkeit Sind die Mitarbeiter höflich und auch in schwierigen Situationen ausrei-
chend sensibel und geduldig?
9. Eingehen auf den Kunden Erbringen die Mitarbeiter die Dienstleistung geschickt und
gewillt?
10. Umfeld Strahlen das Erscheinungsbild der Mitarbeiter, das Umfeld und das eingesetzte
Gerät (Flugzeuge, Mietautos, Geschäftslokal) hohe Ansprüche an Qualität aus?
Man beachte, dass die ersten fünf Kriterien sich mit dem Ergebnis der Dienstleistungserstel-
lung beschäftigen, während die folgenden fünf sich auf den Ablauf und den Prozess der Dienst-
leistungserstellung beziehen. Ein Dienstleistungsanbieter hat einen hohen Qualitätsstandard
erreicht, wenn seine Klienten ihm bei diesen zehn Kriterien positive Bewertungen geben.

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8.4 Services-Marketing

Die von den Kunden geschätzten Eigenschaften „Höflichkeit“ und „Eingehen auf die Wün-
sche des Kunden“ sowie die Fähigkeit, zuverlässig und gleichmäßig gute Dienstleistungen zu
erbringen, können durch internes Marketing und kontinuierliche Investitionen in Schulung
und Training der Mitarbeiter erreicht werden. Der Ruf und die Glaubwürdigkeit des Dienst-
leistungsanbieters und ein empfundenes Risiko des Kunden hängen eng zusammen. Wenn
der Kunde dem Dienstleistungsanbieter Vertrauen entgegenbringt, erwartet er, dass die
Dienstleistung frei von Gefahren ist, und empfindet kaum ein Risiko. Die Glaubwürdigkeit
kann durch Werbung und durch zufriedene Kunden im Laufe der Zeit auf hohem Niveau sta-
bilisiert werden.
Die Erreichbarkeit der Dienstleistung kann durch die Eröffnung weiterer Betriebe oder Filia-
len erleichtert werden (Vermietstationen bei Autovermietungen, Restaurants bei Systemgast-
ronomie, Filialen oder Geldautomaten bei Banken, Tankstellen). Wartezeiten der Kunden
sollten durch die Synchronisation von Angebot und Nachfrage und/oder innerorganisatori-
sche Maßnahmen auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Reaktionen bei Pannen und Ausfall


In den letzten Jahren haben die Dienstleistungsanbieter viel dafür getan, problemlose und gut
funktionierende Systeme für ihre Kunden aufzubauen und ihre Mitarbeiter für die Wünsche
der Kunden zu sensibilisieren. Sie haben jedoch nicht dieselbe Chance wie die Produzenten
materieller Güter, Perfektion mittels Auslegung und Feineinstellung von Fertigungseinrich-
tungen zu erreichen. Die Dienstleistung entsteht immer erst in der Wechselwirkung zwischen
den Mitarbeitern des Anbieters und dem Kunden. Ein fehlerhaftes Produkt kann dem Kun-
den durch funktionierende Qualitätskontrollen verborgen bleiben, ein angebranntes Schnit-
zel oder ein verspäteter Abflug sind jedoch nicht zu verheimlichen. Derartige Pannen lassen
sich nicht hundertprozentig vermeiden.
Hier kommt es nun auf das Geschick und das Fingerspitzengefühl der Mitarbeiter an, den
Fehler derart zu korrigieren, dass der Kunde nicht verärgert, sondern überzeugt und besänf-
tigt den Betrieb verlässt. Tatsächlich kann eine gut umgesetzte Fehlerkorrektur bzw. „service
recovery“ sogar dazu führen, dass der Kunde zukünftig mehr kauft und loyaler ist, als wenn
bei der ersten Begegnung alles reibungslos verlaufen wäre.

Mitarbeiter zur Problemlösung bevollmächtigen


Das Wichtigste für diese Art von Problemen ist es, geeignete Korrekturen und Wiedergutma-
chungen sofort und vor Ort einzuleiten. Wenn in einem Restaurant ein Kellner die Jacke
eines Gasts versehentlich beschmutzt, muss er sofort die Übernahme der Reinigungskosten
zusagen können, ohne dies erst einem Bezirksleiter oder der Konzernzentrale zur Entschei-
dung vorlegen zu müssen. Wenn kleine Probleme sofort behoben werden können, ist anzu-
nehmen, dass sich beim Kunden keine Verärgerung aufbaut und kein negativer Eindruck
zurückbleibt.

Gemeinsamkeiten erfolgreicher Dienstleistungsanbieter


Studien, die sich mit der Arbeitsweise von Dienstleistungsanbietern beschäftigen, fanden
heraus, dass bei den erfolgreichen Unternehmen in diesen Branchen viele Gemeinsamkeiten
bestehen.
1. Kundenorientierung Erfolgreiche Unternehmen sind „kundenbesessen“. Sie haben Stra-
tegien und Kommunikationswege eröffnet, mit denen sie die Bedürfnisse der Kunden

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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

richtig erfassen und in der Folge befriedigen können. Dieses Vorgehen führt zu hoher
Kundentreue. Es wird darauf geachtet, nicht mehr Aufträge anzunehmen, als man wirk-
lich ohne Qualitätsabstriche bewältigen kann. Man weiß, dass man leicht zu viel ver-
sprechen oder zu wenig leisten kann und daraus resultierend schnell unzufriedene Kun-
den haben würde. Marketing und Leistungspotenzial werden daher sorgfältig
aufeinander abgestimmt.
2. Qualitätsverpflichtung der Geschäftsleitung Die Geschäftsleitungen der besten Dienst-
leistungsunternehmen fühlen sich der Qualität ständig verpflichtet. Bei Unternehmen
wie Marks & Spencer, American Express oder McDonald’s prüfen die Vorstände die
Leistung nicht nur anhand von Zahlen, sondern auch anhand der erreichten Qualitäts-
standards. Sie entwickeln eine qualitätsbewusste Unternehmenskultur, welche gute
Leistungen des Personals fördert und honoriert.
3. Hohe Qualitätsstandards Die besten Dienstleistungsunternehmen setzen hohe Quali-
tätsstandards für ihre Dienstleistungen. Eine Genauigkeit von 98 Prozent klingt auf den
ersten Blick gut. 98 Prozent würde jedoch bedeuten, dass Federal Express jeden Tag
64.000 Pakete verlieren würde, dass auf jeder Seite dieses Buchs zehn Wörter falsch ge-
schrieben wären, dass vielleicht jeden Tag in Deutschland 20.000 Arztrezepte falsch
ausgestellt würden und dass an sieben Tagen im Jahr das Trinkwasser nicht in Ordnung
wäre. Wäre das gut? Sicherlich nicht! In vielen Bereichen ist eine Null-Fehler-Quote an-
zustreben.
4. Selbstbedienungstechnologien Serviceunternehmen nutzen Selbstbedienungstechnolo-
gien, um ihre Servicequalität zu verbessern. Selbstständiges Auschecken in Hotels,
Selbst-Check-in auf Flughäfen und das Selbst-Ausdrucken von Tickets im Internet sind
nur einige Beispiele, wie persönliche Interaktionen durch Selbstbedienungstechnolo-
gien ersetzt werden. Immer mehr Fluglinien führen einen mobilen Buchungs- und
Check-in-Service ein. Unternehmen sind jedoch gut beraten, wenn sie ihren Kunden an-
bieten, dass sie Ansprechpartner für weitere Informationen kontaktieren können. So fin-
det sich auf Reise- und Hotelreservierungswebseiten häufig die Telefonnummer eines
Servicemitarbeiters.
5. Monitoring Führende Dienstleistungsunternehmen erfassen ihre Dienstleistungsquali-
tät. Dabei beobachten sie ganz genau ihre eigene und die der Wettbewerber. Sie melden
den Mitarbeitern ihre Bedenken in Bezug auf die Qualität der Leistungserbringung zu-
rück und geben ihnen Feedback. Dabei nutzen sie Methoden wie Mystery Shopping,
also den Einsatz von Testkäufern, Kundenbefragungen, Vorschlagsformulare und Be-
schwerdeprogramme.
6. Beschwerdemanagement Kunden wünschen sich, dass von Anfang an alles stimmt. Im
Gegensatz zu Herstellern von Produkten, die ihre Maschinen und ihr Material so lange
einstellen und optimieren können, bis alles perfekt ist, wird Servicequalität immer in
Abhängigkeit von der Kunden-Mitarbeiter-Interaktion variieren. Auftretende Probleme
und Fehler werden sofort sichtbar. Wenn Unternehmen jedoch auf ihre Kunden einge-
hen, Kritik ernst nehmen und es schaffen, ihren Service unmittelbar und effektiv zu ver-
bessern, können sie Vertrauen und Treue ihrer Kunden zurückgewinnen. Sie müssen
also lernen, nicht nur jederzeit guten Service zu bieten, sondern auch Fehler schnell
wiedergutzumachen, wenn sie doch einmal passiert sind.
Der erste Schritt liegt darin, dem Servicepersonal ausreichend Kompetenzen, Verant-
wortungsgefühl und Anreize zu geben, damit sie die Bedürfnisse und eine eventuelle

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8.4 Services-Marketing

Unzufriedenheit der Kunden erkennen und auf diese eingehen können. Eigenverant-
wortliche Mitarbeiter können so schnell und effektiv handeln, um einer Kundenabwan-
derung durch Serviceprobleme vorzubeugen.
Viele Unternehmen führen ein Beschwerdemanagement ein, um Beschwerden unzufrie-
dener Kunden zu erleichtern und diese optimal zu bearbeiten. Studien zur Kundenun-
zufriedenheit zeigen, dass ungefähr 25 Prozent der Kunden unzufrieden sind, sich aber
nur 5 Prozent tatsächlich beschweren. Die restlichen glauben entweder, dass sich die
Mühe, sich zu beschweren, nicht lohnt, oder wissen nicht, an wen sie sich wenden kön-
nen. Da nur eine Minderheit der unzufriedenen Kunden ihre Probleme von sich aus mit-
teilt, sollten Unternehmen selbst die Initiative ergreifen und das Gespräch mit ent-
täuschten Kunden suchen. Kommunikationskanäle sollten bekannt sein, um den
Kunden ein einfaches Feedback zu ermöglichen. Heutzutage haben Kunden viele Mög-
lichkeiten, ihre Beschwerden loszuwerden, durch persönlichen Kontakt, über Telefon,
per Brief oder per E-Mail. Einige benutzen auch Blogeinträge, Foren oder Onlinenetz-
werke, um ihre schlechten Service-Erfahrungen publik zu machen. Dies kann das Image
eines Dienstleisters nachhaltig schädigen. Unternehmen brauchen daher Richtlinien,
Systeme und Verfahren, die im Fall einer Beschwerde ein hohes Maß an Kundenservice
und -freundlichkeit sicherstellen.
Wichtig ist auch, dass eine dienstleistungsorientierte Organisation eine Kultur entwi-
ckelt, in der unbeabsichtigte „Fehler“ nicht bestraft werden. Stattdessen sollten die Mit-
arbeiter ermutigt werden, Beschwerden auf den Grund zu gehen, Fehlerquellen zu be-
seitigen und daraus zu lernen.
7. Zufriedenheit von Mitarbeitern und Kunden Gut geführte Dienstleistungsanbieter be-
mühen sich nicht nur um ihre Kunden, sondern auch um ihre Mitarbeiter. Sie sind der
Überzeugung, dass gute Beziehungen zu den Mitarbeitern gute Beziehungen zu den
Kunden zur Folge haben. Ungeachtet dessen, welche Dienstleistung angeboten werden
soll, ist es wichtig, dass die Geschäftsleitung die Aufgaben und Ziele klar definiert und
zuerst den Mitarbeitern erläutert. Erst dann sollte den Kunden über das Marketing mit-
geteilt werden, welche Leistung sie zu erwarten haben. In einem Dienstleistungsunter-
nehmen sollte ein Umfeld bestehen, in dem herausragende Leistungen erkannt und be-
lohnt werden, in dem die Mitarbeiter gerne arbeiten und die Geschäftsleitung ein
harmonisches Miteinander unterstützt.

8.4.6 Erhöhung der Produktivität


Steigende Kosten verlangen auch von Dienstleistungsanbietern, ihre Produktivität zu verbes-
sern. Wegen der hohen Arbeitsintensität ist dies hier besonders wichtig. Die Produktivität
kann beispielsweise mit folgenden Maßnahmen gesteigert werden:
1. Der Dienstleistungsanbieter kann seine gegenwärtigen Mitarbeiter schulen oder er kann
neue Mitarbeiter einstellen, die bei gleicher Bezahlung härter oder besser arbeiten.
2. Möglicherweise kann die Qualität etwas zurückgenommen werden, um im gleichen
Zeitraum mehr Kunden als bisher bedienen zu können.
3. Wo Maschinen oder industrielle Zulieferungen in Anspruch genommen werden kön-
nen, sollte davon Gebrauch gemacht werden (industrielle Vorbereitung für die System-
gastronomie von McDonald’s, Geschirrspülmaschinen in der Restaurantküche usw.).

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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

4. Dienstleistungsunternehmen können neue Technologien einsetzen, um Zeit und Kosten


zu sparen und die Produktivität des Dienstleistungspersonals zu steigern. Eine gut ge-
staltete Internetseite spart beispielsweise Zeit, da die Webseite es dem Kunden ermög-
licht, sich Informationen zu beschaffen und so seine Kaufabsichten einzugrenzen und
den Einkauf direkt über das Internet zu erledigen. Zum Beispiel können Computerkun-
den die Webseite des Computerhändlers Dell (www.dell.com) besuchen, um sich einen
Überblick über die Eigenschaften verschiedener Computermodelle zu verschaffen, sich
über Preise zu informieren und Fragen im Voraus zu beantworten. Selbst wenn die Kun-
den dann ihre Bestellung lieber telefonisch als über das Internet aufgeben, sind sie meist
besser informiert und benötigen weniger persönliche Beratung.
Bei allem Wunsch nach Produktivitätssteigerung darf dies nicht dazu führen, dass der Kunde
eine verminderte Qualität der Dienstleistung empfindet. Einige Schritte zur Produktivitäts-
steigerung tragen zur Standardisierung der Dienstleistung bei und haben so gute Aussichten,
die Zufriedenheit des Kunden zu erhöhen. Aber gelegentlich geht die Standardisierung zu
weit, sodass der bisherige Kunde dies als einen Rückschritt empfindet. Mehr Mechanisierung
oder Rationalisierung mögen kurzfristig die Produktivität erhöhen, aber sie nehmen langfris-
tig dem Unternehmen die Möglichkeit, flexibel mit maßgeschneiderten Lösungen auf die
Bedürfnisse anspruchsvoller Kunden zu reagieren. Es wird deshalb immer Dienstleistungen
und Marktsegmente geben, in denen bewusst eine etwas eingeschränkte Produktivität
zugunsten der Differenzierung, der Qualität oder der Exklusivität in Kauf genommen wird.

8.5 Markenmanagement
Starke Marken stellen für Unternehmen einen Wert dar, der oftmals höher ist als der ihrer
Grundstücke, Gebäude oder Anlagen. Dieser Wert resultiert aus der Loyalität der Kunden. In
der Praxis bedeutet das, dass ein großer Anteil der regelmäßigen Käuferschaft immer wieder
diese Marke verlangt und Ersatzmarken ablehnt, auch wenn die konkurrierenden Produkte
etwas günstiger zu kaufen sind. Anbieter, denen es gelingt, für ihre Marken eine starke Käu-
ferbindung aufzubauen, schaffen damit einen Schutzwall gegen die Marketingstrategien der
Konkurrenz. Da Marken einen so elementaren Vermögenswert darstellen, müssen sie mit
Bedacht entwickelt und geführt werden. In diesem Abschnitt untersuchen wir Schlüsselstra-
tegien für das Branding – den Aufbau und die Führung von Marken.

8.5.1 Markenwert
Marken sind mehr als nur Namen und Symbole. Sie sind ein Schlüsselelement in der Bezie-
hung eines Unternehmens mit seinen Kunden und repräsentieren deren Wahrnehmungen
und Gefühle bezüglich Produkten und ihrer Leistungsfähigkeit.
Eine starke Marke hat einen hohen Markenwert. Der Markenwert ist der entscheidende
Effekt, den die Marke auf die Resonanz der Kunden gegenüber einem Produkt und seinem
Marketing hat. Er ist ein Maß für die Fähigkeit einer Marke, bei der Zielgruppe Kaufpräferenz
und Loyalität hervorzurufen. Eine Marke hat einen positiven Markenwert, wenn Konsumen-
ten auf diese Marke wohlwollender reagieren als auf eine Gattungsmarke oder ein anonymes
Produkt. Demgegenüber hat die Marke einen negativen Markenwert, wenn Konsumenten das
anonyme Produkt dem Markenprodukt vorziehen.

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8.5 Markenmanagement

Marken unterscheiden sich jedoch in hohem Maße bezüglich ihrer Stärke und des Werts, den
sie am Markt haben. Es gibt Marken, die die meisten Verbraucher und Kaufinteressenten
nicht einmal kennen, solche mit ziemlich hohem Bekanntheitsgrad bei den Verbrauchern,
und dann gibt es noch solche Marken wie Ferrari, Chanel oder The Ritz, für die bei vielen
Verbrauchern absolute Markenpräferenz besteht.
Manche Marken – zum Beispiel Coca-Cola, Nike, Disney, GE, McDonald’s, Harley-Davidson
– werden überlebensgroß in der Vorstellung der Kunden und halten diese Vorstellung über
Jahre, manchmal über Generationen am Leben. Andere Marken sind wie ein frischer Wind
im Markt und erzeugen Begeisterung und Loyalität. Beispielhaft dafür sind Marken wie Goo-
gle, YouTube, Apple, eBay, Twitter und Wikipedia. Diese Marken stechen nicht nur durch
einmalige Vorteile und zuverlässigen Service heraus, vielmehr schaffen sie tiefe Beziehungen
zu den Kunden.
Die Werbeagentur Young & Rubicam misst Marktstärke anhand von vier Dimensionen:
1. Differenzierung: Was macht die Marke besonders?
2. Relevanz: Wie bedient die Marke den Bedarf des Kunden?
3. Wissen: Wie informiert sind die Kunden über die Marke?
4. Ansehen: Welches Ansehen genießt die Marke beim Kunden?
Ein hoher Markenwert besteht, wenn die Marke in allen vier Dimensionen hohe Wertungen
erzielt. Eine Marke muss hervorstechen, sonst gibt es keinen Grund bei der Marke zu bleiben.
Die Marke muss die Bedürfnisse des Kunden decken, denn selbst wenn sie heraussticht, wird
sie nicht nachgefragt, wenn sie dem Kunden nichts nützt. Aber auch eine herausstechende
Marke, welche die Kundenwünsche perfekt bedient, ist nicht unbedingt ein Sieger, denn die
Kunden müssen zunächst wissen, dass es die Marke überhaupt gibt und was sie bedeutet.
Diese Bekanntheit muss schließlich zu einem bleibenden positiven Ansehen beim Kunden
führen und starke Markenloyalität generieren.
Eine Möglichkeit, den Markenwert zu messen, besteht in der Bestimmung des Mehrpreises,
den Konsumenten für eine Marke zu zahlen bereit sind. In einer Studie hat man herausgefun-
den, dass 72 Prozent der Probanden 20 Prozent Aufpreis für ihre Lieblingsmarke zahlen wür-
den, 40 Prozent würden sogar 50 Prozent mehr zahlen. Unternehmen streben danach, den
Wert ihrer Marken in monetären Größen auszudrücken. Eine genaue Messung des Marken-
werts gestaltet sich jedoch schwierig. Nichtsdestotrotz existieren Rankings mit Markenwer-
ten, wie z.B. von Interbrand. Das nachfolgende Marketing-Highlight zeigt daraus die 20 wert-
vollsten Marken der Welt.
Da eine exakte Messung so schwierig ist, wird der Kapitalwert einer Marke normalerweise
nicht in der Bilanz angesetzt. Doch obwohl eine Bilanzierung des Markenwerts große Prob-
leme bereitet, zwingen Rechnungslegungsstandards (z.B. UK Financial Reporting Standard,
FRS 10 und sein internationales Äquivalent IAS 38) Unternehmen dazu, zugekaufte Marken
in ihren Bilanzen als Aktivposten auszuweisen.

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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Marketing-Highlight: Die wertvollsten Marken der Welt

Es sind nicht zuletzt die hohen Investitionen in den Aufbau und die Führung von Mar-
ken, die die Frage nach dem Wert einer Marke aufwerfen. Dieser Wertunterschied, der
zwischen einem Produkt mit einem bestimmten Markennamen oder Logo und einem
physikalisch-technisch gleichen Produkt ohne diese Markierung wahrgenommen wird,
lässt sich jedoch nur schwer greifen. Annäherungen liefern Markenwertberechnungen,
die teilweise jährlich von Marktforschungsunternehmen wie z.B. Interbrand erstellt
werden. Die unterschiedlichen Rankings basieren auf verschiedenen Modellen zur Mes-
sung des Markenwerts und führen damit zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Tabelle 8.7 zeigt die 20 wertvollsten Marken der Welt anhand des Rankings von Interbrand.

Veränderung Mar- Markenwert absolut


Rang Marke Branche
kenwert zum Vorjahr 2017 (in Mrd. US-Dollar)
1 Apple Technologie +3 % 184,154
2 Google Technologie +6 % 141,703

3 Microsoft Technologie +10 % 79,999


4 Coca-Cola Getränke −5 % 69,733
5 Amazon Handel +29 % 64,796
6 Samsung Technologie +9 % 56,249
7 Toyota Automotive −6 % 50,291
8 Facebook Technologie +48 % 48,188
9 Mercedes Automotive +10 % 47,829
10 IBM Unternehmens- −11 % 46,829
dienstleistungen
11 GE Diverses +3 % 44,208
12 Mc Donald’s Restaurants +5 % 41,533
13 BMW Automotive 0% 41,521
14 Disney Medien +5 % 40,772
15 Intel Technologie +7 % 39,459
16 Cisco Technologie +3 % 31,930
17 Oracle Technologie +3 % 27,466
18 Nike Sportartikel +8 % 27,021
19 Louis Vuitton Luxusgüter −4 % 22,919
20 Honda Automotive +3 % 22,696
Tabelle 8.7: Weltmarken und ihre Bewertung (2017)

Quelle: http://interbrand.com/best-brands/best-global-brands/2017/ranking/#?listFormat=ls [06.02.2018]

426
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8.5 Markenmanagement

Ein hoher Markenwert verschafft grundlegende Wettbewerbsvorteile. Da eine starke Marke


einen hohen Bekanntheitsgrad hat und über die Markentreue viele Käufer an sich bindet,
wird man pro Umsatzeinheit weniger Werbeaufwand betreiben müssen. Weiterhin erwarten
die Kaufinteressenten von allen Geschäften, dass sie dieses Produkt führen. Das gibt dem
Hersteller eine bessere Ausgangsposition in den Verhandlungen mit dem Handel.
Um die Stärke und den Wert einer Marke zu erhalten, muss die Marketingabteilung die
Marke pflegen. Sie sollte Strategien entwickeln, damit der Bekanntheitsgrad der Marke, die
empfundene Qualität und die Nützlichkeit der Marke und positive Assoziationen, die mit ihr
verbunden sind, erhalten bleiben oder verbessert werden. Dazu sind in erster Linie kontinu-
ierliche Investitionen in Forschung und Entwicklung nötig, um die Produkte laufend zu ver-
bessern und den wechselnden Bedürfnissen der Kunden anzupassen. Es gibt inzwischen
Unternehmen, welche die Funktion eines Verantwortlichen für den Wert ihrer Marke (Brand
Equity Manager) geschaffen haben. Dieser Funktionalbereich im Unternehmen ist dafür ver-
antwortlich, dass eine Marke nicht zugunsten kurzer, schneller Gewinne mit ungeeigneten
Strategien und Maßnahmen entwertet und verbraucht wird.
Analysten sehen in Marken die stabilsten Bestandteile eines Unternehmens. Das Konzept des
Werts der Marke basiert letztlich auf dem Wert eines Käuferstamms, also dem Wert der Kun-
denbeziehungen, die durch eine Marke geschaffen werden. Daraus ergibt sich, dass die Mar-
ketingstrategie auf eine langfristige Bindung der treuen Kunden ausgerichtet sein sollte, um
deren Customer Lifetime Value zu erhalten. Unternehmen sollten nicht von ihren Produkt-
portfolios ausgehend denken, sondern von ihren Kundenportfolios.

8.5.2 Markenführung
Die Markenführung erfordert eine Reihe grundlegender strategischer Entscheidungen. Diese
sind aus Abbildung 8.11 ersichtlich.

Markenpositionierung Markenname Markeneigner Markenentwicklung

Produkteigenschaften Auswahl Herstellermarke oder Produktlinienausweitung


Nutzen des Produkts Schutz Eigenmarke des Handels Markenausweitung
Wertvorstellungen Lizensierung Mehrmarkenstrategie
Kultur Co-Branding Einführung einer
Persönlichkeit neuen Marke

Abbildung 8.11: Grundsatzentscheidungen zur Markenführung

Markenpositionierung
Eine Marke muss in den Köpfen der Zielkunden bezüglich der folgenden Dimensionen klar
positioniert sein.
Produkteigenschaften werden als Erstes mit einer Marke assoziiert. Wer zum Beispiel den
Namen Mercedes hört, denkt an Eigenschaften wie ,gut durchdacht‘, ,sorgfältig gebaut‘, ,dau-
erhaft und langlebig‘, ,prestigeträchtig‘, ,schnell und sicher‘, ,teuer‘ und ,hoher Wiederver-
kaufswert‘. Das Unternehmen kann eine oder mehrere dieser Produkteigenschaften für die
Werbung des Produkts nutzen. Mercedes-Benz hatte lange Zeit den Slogan „konstruiert wie
kein anderes Auto der Welt“, Audi weist mit „Vorsprung durch Technik“ auf seine Stärken
hin. Aufbauend auf solch zentralen Botschaften lassen sich weitere Produkteigenschaften
kommunizieren.

427
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Nutzen des Produkts Kunden kaufen nicht Produkteigenschaften, sie kaufen Nutzen. Aus
diesem Grund müssen die vorhandenen Produkteigenschaften übersetzt werden in funktio-
nale und emotionale Nutzenbestandteile.
Wertvorstellungen Bei Autos von Audi, BMW oder Mercedes sind Leistung, Sicherheit und
Prestige wichtige Werte. Seit einigen Jahren gewinnt zusätzlich die Umweltverträglichkeit an
Bedeutung. Wer eine Werbekampagne starten möchte, sollte die Gruppe der Kaufinteressen-
ten genau identifizieren, damit deren Wertvorstellungen mit dem durch das Produkt geliefer-
ten Nutzenbündel übereinstimmen.
Kultur Eine Marke verkörpert auch immer eine bestimmte Kultur. Die Marke Mercedes reprä-
sentiert die „Deutsche Kultur“, die für hohe Leistung, Effizienz und hohe Qualität steht.
Persönlichkeit Eine Marke stellt auch eine Persönlichkeitsprojektion dar. Marktforscher stel-
len Konsumenten z.B. folgende Frage: „Wenn die Marke XY eine Person wäre, welche Art
von Person wäre sie dann?“ Konsumenten stellen sich Mercedes beispielsweise als wohlha-
benden Geschäftsmann mittleren Alters vor. Die Marke wird vor allem diese Käufer anzie-
hen, deren momentanes oder angestrebtes Selbstbild dem Ansehen und Image der Marke ent-
spricht.
Aus all dem geht hervor, dass die Marke als umfassendes Symbol für das steht, was Herstel-
ler oder Anbieter und Produkt für den Käufer und Nutzer in Bezug auf Funktion, Nutzen,
Wert und Persönlichkeit darstellen wollen. Wenn ein Unternehmen seine Marke nur als
Namen verwendet, nutzt es nicht alle Chancen, die die Markenführung bietet. Ihre Aufgabe
und Herausforderung besteht vielmehr darin, ein positives und umfassendes Meinungsbild
über das Produkt und den Anbieter entstehen zu lassen und es in den Köpfen der Kaufinter-
essenten zu verankern.
Die Markenidentität kann auf verschiedenen Teilbereichen aufgebaut werden. Es wäre ein
Versäumnis, sie nur auf den Eigenschaften des Produkts zu begründen. Den Käufer interes-
sieren die Produkteigenschaften nur insoweit, wie sie für ihn real einen Nutzen bieten. Darü-
ber hinaus können Produkteigenschaften von allen Konkurrenten leicht imitiert werden. Pro-
dukteigenschaften, die heute wichtig sind, verlieren möglicherweise im Laufe der Zeit an
Bedeutung und schaden damit einer Marke, wenn diese zu sehr an bestimmte Eigenschaften
geknüpft ist.
Auf Dauer kann es sich auch als riskant erweisen, die Marke zu stark über ein Nutzenver-
sprechen zu definieren. Wenn eine Automarke sich lange über die Aussage „Mit unseren
Autos können Sie besonders schnell fahren“ definiert hat, gerät sie in Bedrängnis, sobald
andere Marken mit dieser Eigenschaft nachziehen oder sobald die Eigenschaft „hohe
Geschwindigkeit“ bei den Käufern beispielsweise durch gesetzgeberische Eingriffe wie
Richt- oder Höchstgeschwindigkeiten an Bedeutung verliert. Eine Marke sollte nicht aus-
schließlich auf einer einzigen Nutzendimension aufgebaut werden. Es muss die Freiheit
bestehen, dass sie bei neuen Bewertungen und Gewichtungen auf andere Nutzenfunktionen
ausgerichtet werden kann.
Erfolgreiche Marken binden ihre Kunden auf einer tiefen emotionalen Ebene ein. Die Werbe-
agentur Saatchi & Saatchi schlägt vor, dass Marken einen Status als sogenannte Lovemarks
erreichen – Produkte oder Dienste, die „Kundentreue jenseits jeder Vernunft“ erzeugen.
Lovemark-Marken treffen emotional ins Schwarze. Kunden lieben sie nicht nur, sie haben
eine starke emotionale Bindung und ihre Liebe ist bedingungslos. 39 Marken wie BMW’s
Mini, Aston Martin, Alexander McQueen, Jack Wills und Agent Provocateur sind weniger
von den greifbaren Eigenschaften der Produkte abhängig, sondern von Überraschungseffek-

428
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8.5 Markenmanagement

ten, Leidenschaft und Spannung rund um die Marke – sie haben allesamt die Anerkennung
als „coole Marke“ erlangt.6 Einige Marken richten sich z.B. an das „Innere Kind“ – jene
Zuneigung, die Erwachsene auch Kindern entgegenbringen. Marken, die unsere nostalgische
Ader ansprechen, bewegen sich in einem Balanceakt zwischen drei Anspruchsgruppen: mar-
kentreue Kunden, Verbraucher, die sich abgewendet haben, und die, die es noch tun werden.
Die Anziehung einer solchen Marke ist stark in schwierigen Zeiten oder in bestimmten
Lebensphasen wie z.B. Elternschaft, in denen Menschen sich wieder an ihre eigene Kindheit
erinnert fühlen.
Letztendlich ist die Marke das Versprechen eines Unternehmens, seinen Käufern ein
bestimmtes Bündel an Eigenschaften, Nutzenbestandteilen, Dienstleistungen und Erlebnis-
sen konsistent zu liefern. Sie kann als eine Art Vertrag für den Kunden gesehen werden,
inwiefern das Produkt oder der Service ihm Nutzen und Zufriedenheit stiften wird. Das Mar-
kenversprechen muss einfach und ehrlich sein. B&B-Hotels bietet zum Beispiel saubere Zim-
mer und niedrige Preise an, aber sicher keine hochwertigen Möbel oder geräumige Badezim-
mer. Ritz-Carlton bietet im Gegensatz dazu Luxus-Zimmer und ein wahrlich unvergessliches
Erlebnis, verspricht aber auch keine Niedrigpreise.
Aber nicht nur Produkte und Dienstleistungen können als Marke aufgebaut werden. Auch
Nationen verfügen über ein bestimmtes Image, das sie mehr oder weniger bewusst steuern.
Der folgende Exkurs zeigt das Ergebnis einer Meinungsumfrage zum Image von Nationen.

Exkurs: Deutschland wird weltweit das beste Image


zugesprochen

Einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung in den USA (GfK Custom Research
North America) zufolge genießt Deutschland das beste Nationenimage weltweit.
Gemeinsam mit Professor Simon Anholt, einem Experten für Länder-, Regionen- und
Städte-Branding, hat die GfK 2005 erstmals den „Nation Brand Index“ (NBI) erhoben,
der das Image der Nationen – vergleichbar mit dem Image einer kommerziellen Marke –
ermittelt. Der Index basiert auf einer Meinungsumfrage unter 20.000 Menschen in 20
Industriestaaten sowie Entwicklungsländern und misst das Image von 50 Ländern unter
den Gesichtspunkten Export, Regierung, Kultur, Menschen, Tourismus und Immigra-
tion/Investment. Die Gesamtbewertung ergibt sich aus dem Durchschnitt dieser sechs
Kategorien, zusätzlich wurde zu jedem einzelnen Bereich ein Ranking erstellt. Auf den
Plätzen hinter Deutschland folgen Frankreich, Großbritannien, ex aequo Kanada und
Japan. Zwar war Deutschland im Jahr 2016 kurzfristig auf Platz 2 hinter die USA gefal-
len, doch konnte es aufgrund bester Bewertungen in der überwiegenden Anzahl der
Subkategorien erneut die Spitzenposition einnehmen. Die USA fiel in der aktuellen
Bewertung 2017 vom vorjährigen ersten Platz gar zurück auf Platz 6. Professor Anholt
führt dies auf die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten zurück, da sich dessen Poli-
tik des „America First“ negativ auf die Wahrnehmung der USA von außen auswirke.
Unter den ersten 10 Plätzen befinden sich insgesamt 6 europäische Staaten.

6 Cool Brands, Sunday Times Supplement, 24. September 2006; Burt Helm, „For your eyes only“, Bu-
sinessWeek, 31. Juli 2006, S. 66.

429
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Mit dem NBI wurde erstmals wissenschaftlich dokumentiert, wie ein Land weltweit
wahrgenommen wird. Er lässt unter den ersten 10 Ländern einen starken Zusammen-
hang zwischen der Marke „Nation“ und dem ökonomischen Status des Landes erken-
nen, so die GfK.

National Brand Index (NBI) Ranking


1 Deutschland 6 USA
2 Frankreich 7 Italien
3 Großbritannien 8 Schweiz
4 Kanada 9 Australien
4 Japan 10 Schweden
Tabelle 8.8: Das Ranking der ersten 10 Plätze des National Brand Index 2017

Quellen: http://www.nation-brands.gfk.com/ [06.02.2018];


http://www.gfk.com/insights/press-release/germany-reclaims-top-nation-brand-ranking-with-usa-dropping-to-sixth-
place/ [06.02.2018]

Markenname
Eine der wichtigsten Entscheidungen im Marketingprozess ist die Wahl eines Markenna-
mens. Ein einprägsamer Name, der dazu noch Sympathien weckt, kann viel zum Erfolg eines
Produkts beitragen. Sich für einen Markennamen zu entscheiden ist eine schwierige Auf-
gabe. Für die Auswahl müssen noch einmal alle Überlegungen zum Produkt und seinem
Nutzen, zum Zielmarkt und zu den geplanten Marketingstrategien nachvollzogen werden.
An einen Markennamen werden folgende Anforderungen gestellt:
 Der Name sollte an den Nutzen und die Vorteile des Produkts erinnern. Im Englischen
denkt man zum Beispiel bei dem Markennamen Kleenex an Sauberkeit (clean = sauber)
und bei Oasis (ein Fruchtsaftgetränk) an eine Oase.
 Der Name sollte leicht auszusprechen und zu erkennen sein, und die Erinnerung an ihn
leichtfallen. Viele Markennamen entsprechen dieser Anforderung: Persil, Dove, Der Gene-
ral, iPod, Landliebe, Audi, BMW, Mercedes. Auch längere Namen können durchaus die-
sen Bedingungen entsprechen, wie z.B. Kentucky Fried Chicken.
 Wenn möglich, sollte der Name eine gewisse Einzigartigkeit aufweisen: Google, Shell, Vir-
gin.
 Soweit Auslandsmärkte bedient werden, sollte der Name einfach und sinnvoll übersetzt
werden können. Vor der Einführung des Namens „Exxon“ für die US-Mineralölgesell-
schaft wurde die Übertragbarkeit in die wichtigsten Sprachen getestet. Unglücklich dage-
gen verlief die Markteinführung von Coca-Cola in China. Für die Übersetzung des Pro-
duktnamens standen rund 200 chinesische Schriftzeichen zur Verfügung. Durch eine
falsche Kombination dieser Zeichen ergab sich jedoch die Bedeutung ,,Stute aus Wachs“.
Diesen Fehler korrigierte Coca-Cola und wählte als chinesisches Pendant „ke kou ke le“,
das nicht nur lautlich dem Original ähnelt, sondern auch noch „gut für den Mund, gut für
die Freude“ bedeutet und somit alle Kriterien einer optimalen Übertragung erfüllt.

430
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8.5 Markenmanagement

 Es sollte möglich und zulässig sein, den Markennamen als Warenzeichen zu registrieren
und zu schützen. Die US-Brauerei Miller investierte große Beträge, um ihre Marke „Miller-
Lite“ für kalorienarmes Bier einzuführen. Ein Gericht entschied dann, dass „Light“ bezie-
hungsweise „Lite“ allgemein verwendbare Begriffe sind, die jedermann zugänglich sind
und nicht als Exklusivrecht eines Einzelnen geschützt werden dürfen. Rolls-Royce hinge-
gen wehrt sich zumeist erfolgreich gegen Unternehmen, die etwa ihr Toilettenpapier oder
ihren Nachtclub als „Rolls-Royce“ der jeweiligen Produktkategorie bezeichnen wollen.
Den Markennamen sollte man auf andere Produkte ausweiten können. Amazon.com begann
als Onlinebuchladen und wählte einen Namen, der sich auch auf andere Felder ausweiten
ließ.
Die Marken vieler erfolgreicher Produkte sind in der täglichen Umgangssprache zu Gattungs-
namen geworden, welche die ganze Produktkategorie einschließlich der Produkte der Kon-
kurrenten umfassen.

Marke Gattung
Aspirin Schmerztablette
Labello Lippenpflegestift
Pampers Babywindeln
Post-It Haftnotizzettel
Tempo Papiertaschentuch
Tesa durchsichtiger Klebefilm
Tipp-Ex Korrekturflüssigkeit
Uhu flüssiger Klebstoff
Zewa Küchenrolle
Tabelle 8.9: Beispiele für Marken, die eine Produktkategorie repräsentieren

Markeneigner
Für einen Hersteller bestehen vier Möglichkeiten, für sein Produkt eine Marke aufzubauen.
 Das Produkt wird als Herstellermarke angeboten. Beispiele hierfür sind Nestlé, IBM oder
die Automobilhersteller.
 Der Hersteller beliefert Wiederverkäufer, die dem Produkt eine Marke ihrer Organisation,
eine sogenannte Eigenmarke des Handels oder Handelsmarke geben.
 Der Hersteller übernimmt als Lizenzmarke eine fremde Marke, die auf anderen Märkten
schon erfolgreich ist.
 Hersteller können auch ihre Kräfte bündeln und eine gemeinsame Marke als Co-Brand
anbieten.
Herstellermarken oder Eigenmarken des Handels Viele Hersteller erfolgreicher Produkte
bieten einen Teil ihrer Produktion den Handelsketten an. Dabei ist es die Regel, dass die
Anlieferung der Ware verkaufsfertig mit Etikettierung und Verpackung der Handelsmarke
erfolgt. Häufig ist der Hersteller auf den ersten Blick nicht zu erkennen.

431
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Heute haben fast alle großen Handelsketten ihre eigenen Handelsmarken aufgebaut. Solche
Eigenmarken müssen den Kunden zunächst durch Werbung bekannt gemacht werden und
benötigen zusätzliche Lagerflächen und Regalplatz, trotzdem sind sie in der Regel für den
Handel gewinnbringend. Sie bieten ihm die Möglichkeit, Marken zu etablieren, die die Kun-
den nur bei ihm selbst kaufen können, dies zieht die Verbraucher in die eigenen Geschäfte
und erhöht deren Loyalität. Aufgrund ihrer Branchenerfahrung wissen große Handelsketten
außerdem oft, welche Hersteller gerade Überkapazitäten haben und bereit sind, ihre Pro-
dukte auch zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen, der dem Handel dann wieder größere
Gewinnspannen ermöglicht.
Es gibt genügend Beispiele dafür, dass der Handel Eigenmarken erfolgreich positionieren
konnte.

Unternehmen Schwerpunkte Eigenmarken Bereiche


Edeka Verbrauchermärkte Gut&Günstig breites Sortiment an Food- und
Non-Food-Produkten zu dauerhaft
günstigem Preis
Edeka breites und qualitativ hochwertiges
Sortiment im Food- und Non-Food-
Bereich zu einem günstigen Preis
Edeka Bio Lebensmittel mit dem Bio-Siegel
Edeka Italia Lebensmittel aus Italien
elkos Körper- und Hautpflegeprodukte
GALERIA Kaufhof GmbH Warenhaus Fabiani Bekleidung, Schmuck und Accessoires
Galeria Gourmet Wein und Genussmittel
Eminent Reisegepäck
dm Drogeriemarkt alverde Naturkosmetik
Balea Körperpflegeprodukte
Jessa Damenhygieneprodukte
dontodent Mundhygieneprodukte
babylove Babyprodukte
SUNDANCE Sonnenschutzprodukte
Denkmit Wasch-, Putz-, Reinigungsmittel
Tabelle 8.10: Ausgewählte Eigenmarken des Handels

Die Auseinandersetzung zwischen den Herstellern und dem Handel wird gelegentlich auch
der Kampf der Marken genannt. Der Handel hat in diesem Kampf eine starke Position, denn
er hat die Verfügungsgewalt über den knappen Platz in den Verkaufsregalen. Er verlangt in
vielen Ländern Abgaben oder Mehrlieferungen, wenn bestimmten Produkten Raum in den
Regalen eingeräumt wird. Wenn der Handel Eigenmarken im Sortiment hat, kann er diesen
bevorzugte Regalplätze zuweisen und sie besser bevorraten. Die Preise der Handelsmarken
werden knapp unter den Preisen der anderen Anbieter angesetzt, um damit die preissensible-
ren Verbraucher anzusprechen.

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8.5 Markenmanagement

Im Ergebnis geht dadurch die Dominanz der Herstellermarken etwas zurück. Die Verbraucher
sehen immer größere Ähnlichkeiten zwischen den Marken, da die konkurrierenden Herstel-
ler und Händler die Eigenschaften der besten Marken zu kopieren versuchen. Weil die Eigen-
marken des Handels in der Qualität stetig verbessert wurden und weil die Verbraucher Ver-
trauen in diese Marken gewonnen haben, sind die Eigenmarken des Handels zu einer großen
Herausforderung für jene der Hersteller geworden. Es gibt Prognosen, dass die Eigenmarken
des Handels viele Marken verdrängen und sich nur die stärksten Herstellermarken behaup-
ten werden.
Damit sie gegen die Handelsmarken bestehen, investieren die Hersteller viel in Forschung
und Entwicklung, um innovative Produkte, neue Produkteigenschaften oder eine höhere
Qualität zu erreichen. Sie versuchen, durch verstärkte Kommunikationsmaßnahmen
Bekanntheit und Präferenzen zu schaffen und den Handel durch die Optimierung der Logis-
tikkette zu unterstützen.
Lizenzierung Während viele Hersteller bemüht sind, ihren eigenen Produkten einen Platz am
Markt zu verschaffen, sind parallel Lizenzvergabe beziehungsweise Lizenzerwerb für Mar-
kenprodukte weit verbreitet. Dies ist meistens eine Möglichkeit, Zugriff auf eine erfolgreiche
Marke zu bekommen, denn der Aufbau einer eigenen Marke ist sehr teuer und dauert in der
Regel Jahre, wohingegen die Produktion mit einer Lizenz sofort gestartet werden kann. Bei
Modeprodukten oder Parfüms werden hohe Lizenzgebühren bezahlt, um sich letztlich mit
dem Lizenzprodukt an den Erfolg des ursprünglichen Produkts oder seines Schöpfers anzu-
hängen (Beispiele: Calvin Klein, Gucci, Tommy Hilfiger, Giorgio Armani). Die Hersteller von
Produkten für Kinder und von Schulartikeln bewerben sich oft um Lizenzen bekannter Kin-
deridole wie Mickey Mouse, die Peanuts, Barbie, Familie Feuerstein, Puh der Bär oder die
Simpsons, oder in neuerer Zeit auch Harry Potter und die Pokémon-Figuren.
Lizenzierung von Markenrechten Den am schnellsten wachsenden Bereich der Lizenzierung
stellt die Vergabe von Markenrechten an einem Unternehmensnamen für andere Pro-
duktgruppen dar. Beispiele hierfür sind Unterwäsche, Badebekleidung und Einrichtungsge-
genstände von Cosmopolitan, Sonnenbrillen und Uhren von Porsche, Rasierwasser und Her-
renkosmetik von Adidas. Besonders vielseitig und erfolgreich war hier Coca-Cola: Es wurden
weltweit Lizenzvereinbarungen für mehr als 10.000 Produkte getroffen, darunter Badetücher,
Radios, T-Shirts, Regenjacken und Wecker. Neben zusätzlichen Einkommensströmen sorgte
dies für eine Unterstützung der unternehmenseigenen Markenführung. Inzwischen beteiligt
sich selbst der Vatikan an diesem Geschäft: Bilder aus der Kunstsammlung, Architekturfotos,
Fresken und historische Manuskripte finden sich inzwischen auf solch irdischen Objekten
wie T-Shirts, Krawatten, Gläsern und Porzellan.
Co-Branding Obwohl Unternehmen schon seit langer Zeit Produkte gemeinsam vermarkten,
lässt sich ein Wiederaufleben dieser Art von Markenführung erkennen. Co-Branding ist eine
Markenpartnerschaft, in der zwei etablierte Markennamen von unterschiedlichen Unterneh-
men für das gleiche Produkt genutzt werden. Ziel der Unternehmen ist der wechselseitige
positive Imagetransfer einer Marke auf die Partnermarke. Beispiele sind Eis von Mövenpick
und Schöller, die Kaffeemaschine Senseo von Philips und Douwe Egberts, die FC Bayern
MasterCard der HypoVereinsbank oder das Mobiltelefon Prada by LG. Co-Branding kann
jedoch auch zwischen zwei Marken eines Herstellers betrieben werden, wie das Beispiel des
Rasierapparates Gillette Mach 3 Power zeigt, der mit Batterien von Duracell geliefert wird,
beides Marken von Procter & Gamble.
Co-Branding bietet viele Vorteile. Da jede Marke in einer anderen Kategorie dominiert, kann
die vereinigte Marke einen breiteren Kaufanreiz bieten, hohe Produktqualität signalisieren und

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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

den Markenwert erhöhen. Co-Branding erlaubt es Unternehmen, mit geringeren Risiken oder
Investitionen in einen neuen Markt einzutreten. Man verspricht sich Synergien durch die
gemeinsame Nutzung vorhandenen Wissens über den Markt und durch gemeinsame Werbung.
Co-Branding hat jedoch auch Grenzen. Wählt ein Unternehmen den falschen Partner oder
erleidet dieser einen Rückschlag oder Imageverlust, wirkt sich dies durch die enge Verbin-
dung auch auf das eigene Unternehmen aus. Zusätzlich erfordert ein solcher Interessenver-
band komplexe Vertragsstrukturen und Lizenzvereinbarungen. Die Markenpartner müssen
sich eng in Bezug auf Werbung, Verkaufsförderung und sonstige Marketingaktivitäten abstim-
men. Unabdingbar ist das Vertrauen jedes Unternehmens, dass der Partner gut auf die eigene
Marke achten wird.

Markenentwicklung
Ein Unternehmen hat vier Möglichkeiten der Entwicklung von Marken (siehe Abbildung 8.12):
1. Produktlinienausweitung: Ausweitung einer Produktlinie unter gleicher Marke
2. Markenausweitung: Übertragung einer Marke auf eine neue Produktkategorie
3. Mehrmarkenstrategie: mehrere Marken für eine Produktkategorie
4. Einführung einer neuen Marke: eine neue Marke in einer neuen Produktkategorie

Produktkategorie

Bestehende Neue

Erweiterung der
Bestehender Markenerweiterung
Produktlinie

Markenname

Neuer Mehrmarken- Vollständig


strategie neue Marken

Abbildung 8.12: Vier Konzepte der Markenentwicklung

Produktlinienausweitung Bei der Produktlinienausweitung werden zu einer bestehenden


Produktlinie weitere Produkte mit gleichem Markennamen und in gleicher Aufmachung hin-
zugefügt, die als Varianten der vorhandenen Produkte gelten. Dazu gehören Varianten in
neuen Geschmacksrichtungen, neuen Formen, neuen Farben, mit neuen Zutaten oder in
neuen Packungsgrößen.
Die meisten Fälle neuer Produkte gehören dieser Kategorie an. Unternehmen nehmen Ergän-
zungen einer Produktlinie vor, um konkret geäußerten Händler- oder Käuferwünschen nach
Varianten des Produkts zu entsprechen, Überkapazitäten auszulasten oder um durch mehr Pro-
duktvarianten auch mehr Raum in den Verkaufsregalen eingeräumt zu bekommen. Möglicher-
weise reagiert man auch auf eine erfolgreiche Produktlinienergänzung eines Konkurrenten.
Die Ergänzung einer Produktlinie ist jedoch nicht ohne Risiko. Der Markenname kann seine
ganz spezielle Bedeutung verlieren, gelegentlich wird auch von der „Ausweitungsfalle“
gesprochen. Stark ausgeweitete Marken können beim Konsumenten auch für Verwirrung

434
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8.5 Markenmanagement

oder Frustration sorgen. Wenn früher jemand „eine Cola“ verlangte, war für Käufer und Ver-
käufer klar, dass eine kleine Flasche Coca-Cola über den Ladentisch gehen sollte. Heute
könnte, wenn der Kunde nicht von sich aus genauer spezifiziert, der Verkäufer nachfragen:
„Hätten Sie gerne eine Flasche oder eine Dose? Möchten Sie Coke zero, ganz ohne Zucker,
aber mit dem typischen Coca-Cola-Geschmack, oder bevorzugen Sie die kalorienarme Coke
light? Bevorzugen Sie Ihre Coke light koffeinfrei oder mit dem Zusatz von Green Tea oder
Lemon C? Oder möchten Sie die klassische Coca-Cola? Wenn ja, ganz klassisch oder mit
Vanille- oder Kirschgeschmack?“ Alle diese Produkte sind Ergänzungen der Produktlinie
Coca-Cola. Der einfache Ausruf „Eine Cola, bitte!“ reicht nicht mehr zur Bestellung aus.
Ein weiteres Risiko ist, dass viele Ergänzungen einer Produktlinie nicht genug Umsatz brin-
gen, um ihre Entwicklung und die spezifische Werbung finanzieren zu können. Wenn sie
sich gut verkaufen, geht dies häufig zulasten anderer Varianten der Produktlinie. Die Ergän-
zung einer Produktlinie funktioniert dann am besten, wenn sie den Produkten der Konkur-
renz Absatz wegnimmt und nicht die anderen Produkte des eigenen Hauses ,,kannibalisiert“.
Markenausweitung Eine Markenausweitung ist der Versuch, einen erfolgreichen Markenna-
men auf Produkte in einer neuen Produktkategorie zu übertragen. Swatch, mit Uhren erfolg-
reich, übertrug den Markennamen auf Telefone. Victorinox übertrug seinen Markennamen
von den Schweizer Offiziersmessern auf Küchenmesser, Uhren, Gepäck und Kleidung.
Eine Markenausweitung bringt Vorteile mit sich. Ein anerkannter Markenname erleichtert
dem Hersteller den Einstieg in neue Produktkategorien, führt zu sofortiger Wiedererkennung
und hoher Aufnahmebereitschaft des Markts. Der japanische Anbieter Sony gibt fast jedem
neuen Produkt seine Marke und erreicht damit einen sofort wirksamen Eindruck hoher Qua-
lität und dadurch schnellere Akzeptanz für das neue Produkt. Eine Markenausweitung
erspart auch die hohen Werbeaufwendungen, die normalerweise erforderlich sind, um eine
neue Marke aufzubauen.
Trotzdem ist auch die Markenausweitung nicht ohne Risiko. Nicht alle Marken lassen sich
übertragen. Bic, als Hersteller von Rasierapparaten und Kugelschreibern bekannt, hatte mit
Strumpfhosen der Marke „Bic“ keinen Erfolg. Was würde man vielleicht denken, wenn auf
einmal Ravioli und Fertiggerichte der Marken Whiskas oder Chappi in den Regalen stünden?
Eine Markenausweitung ist in der Regel nicht auf weit entfernte Produktkategorien möglich
oder auf solche, deren Anforderungen ganz anders gelagert sind als die der ursprünglichen
Produktkategorie. Die Ausweitung der Marke Palmolive von einer pflegenden Seife auf ein
hautpflegendes Geschirrspülmittel war möglich und hatte Erfolg.
Ein Markenname kann auch seine spezielle Positionierung verlieren, wenn er zu viel und zu
breit benutzt wird. Eine solche Markenverwischung tritt ein, wenn die Verbraucher einen
Markennamen nicht mehr einem bestimmten Produkt oder einer zusammenhängenden Pro-
duktgruppe zuordnen können.
Im schlimmsten Fall kann eine Markenausweitung die Wertassoziationen des ursprünglichen
Produkts beschädigen. Schrille Werbung für jugendliche Käufer kann treue Käufer der älte-
ren Generation verunsichern. Eine Ausweitung einer bestehenden Marke auf ein neues Käu-
fersegment oder eine neue Produktgruppe erfordert deshalb viel Fingerspitzengefühl. Im Ide-
alfall stärkt die Markenausweitung die Marke als Begriff und fördert den Absatz des
existierenden ebenso wie den Absatz des neu einzuführenden Produkts.
Mehrmarkenstrategie Unternehmen wie Henkel, Unilever, Mars oder Procter & Gamble
haben viele unterschiedliche Markenidentitäten für jede ihrer Produktlinien. Der Name des
Unternehmens tritt dabei in vielen Fällen kaum in Erscheinung. Diese Hersteller sind der

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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Ansicht, dass erst mit einer Vielzahl von Marken eine ausreichende Segmentierung des
Markts vorgenommen werden kann, um damit die Nutzenerwartungen der unterschiedlichen
Käufer gezielt anzusprechen. Auch neue Produkte können gezielter in Anlehnung an die
unterschiedlichen Marken differenziert werden. Sollte ein neues Produkt einmal nicht
erfolgreich sein, wird dabei nicht der Name des Gesamtunternehmens als Marke in Mitlei-
denschaft gezogen. Unternehmen können neue Marken einführen, um ihre wichtigste Marke
zu flankieren.
Seiko benutzt beispielsweise verschiedene Markennamen für seine höherwertigen Armband-
uhren (Seiko Lasalle) und seine preisgünstigeren Uhren (Pulsar), um das Image seiner Haupt-
marke Seiko zu schützen. Zudem schaffen Unternehmen wie Unilever, Nestlé, Masterfoods
und Procter & Gamble für jedes ihrer Produkte individuelle Markenidentitäten. So verfügt
Unilever mit Coral und Sunil über unterschiedliche Marken für Waschmittel – wobei der
Unternehmensname auf der Packung allenfalls als Absender erscheint. Auch Procter & Gam-
ble verkauft Waschmittel unter verschiedenen Marken wie Ariel, Dash oder Meister Proper.
Einige Unternehmen entwickeln eine Mehrmarkenstrategie nicht für individuelle Produkte,
sondern für verschiedene Produktfamilien. Die japanische Matsushita-Gruppe unterhält die
Marken Technics, National, Panasonic und Quasar. Beiersdorf führt NIVEA als Marke für
eine Körperpflege-Serie, Tesa für Klebefilm- und Klebstoffprodukte.
Eine Gefahr der Mehrmarkenstrategie besteht darin, dass man sich verzettelt und seine Res-
sourcen auf zu viele Marken verteilt. Sind die anvisierten Marktsegmente zu klein, so lassen
sie sich häufig nicht mehr profitabel bearbeiten. Diese Unternehmen sollten die Anzahl der
angebotenen Marken einer bestimmten Kategorie reduzieren und Prüfverfahren für neue
Marken straffen. Anfang der 2000er-Jahre kürzte Unilever sein Markenportfolio von 1.600 auf
400 Markennamen mit dem Ziel, die durch die Kostensenkung erzielten Einsparungen für
die Bewerbung der hocheinträglichen Kernmarken zu verwenden. Das Unternehmen konzen-
triert sich seitdem auf die Kernmarken in den Bereichen Lebensmittel (z.B. Ben & Jerry’s, Lip-
ton Teas), Körperpflege (z.B. Dove, Lynx) und Haushalt (z.B. Persil, Comfort).
Einführung einer neuen Marke Unternehmen, die eine Mehrmarkenstrategie betreiben, nei-
gen dazu, einem neuen Produkt immer einen neuen Markennamen zur Differenzierung mit
auf den Weg zu geben. Eine neue Marke kann nur dann empfohlen werden, wenn ein Eintritt
in eine neue Produktkategorie erfolgt, für die keine der bisherigen Marken des Unternehmens
zu passen scheint.
Toyota gab einer Produktfamilie exklusiver Fahrzeuge der Oberklasse den Namen „Lexus“.
Man wollte damit erreichen, dass diese Fahrzeuge eine eigene Markenidentität entwickeln
und sich von den Fahrzeugen der Marke Toyota, die sich an den Massenmarkt wendet, unter-
scheiden. Ist ein Unternehmen gezwungen, sein neues Produkt auf dem Markt zu differenzie-
ren, ist die Einführung einer neuen Marke die beste Möglichkeit, die Identität des Produkts
zu gestalten.
Analog zur Mehrmarkenstrategie besteht auch hier die Gefahr, zu viele neue Marken einzu-
führen, von denen jede nur einen kleinen Marktanteil erreicht. Häufig verteilen Unterneh-
men ihre Kräfte auf zu viele Marken, anstatt mit konzentrierten Bemühungen ein oder zwei
starke Marken aufzubauen. Insbesondere im Konsumgüterbereich gehen Unternehmen wie
Unilever oder Procter & Gamble im Rahmen von Megabrand-Strategien dazu über, schwache
Marken nicht weiterzuführen und ihr Budget auf jene Marken zu konzentrieren, die die
Chance haben, innerhalb ihres Markts die Nummer eins oder zwei zu werden.

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8.6 Weitere Überlegungen zu Produkten

8.5.3 Organisation und Kontrolle der Markenführung


Unternehmen müssen ihre Marken sorgfältig führen und den Konsumenten deren Positionie-
rung im Wettbewerb kontinuierlich vermitteln. Für große Marken werden immense Summen
für Werbung ausgegeben, um Markenbewusstsein, Kaufpräferenz und Markenloyalität aufzu-
bauen. Solche Werbekampagnen können den Bekanntheitsgrad und den Wiedererkennungs-
wert einer Marke steigern und gegebenenfalls sogar zu einer Kaufpräferenz führen. Dennoch
werden Marken nicht durch Werbung aufrechterhalten, sondern durch das individuelle
Erleben derselben. Konsumenten kommen auf vielfältige Weise mit Marken in Kontakt.
Neben persönlichen Erfahrungen und Werbung geschieht dies auch durch Mund-zu-Mund-
Propaganda, Erlebnisse mit Mitarbeitern der Unternehmen, Telefonkontakt, die Unterneh-
menshomepage und andere Berührungspunkte. Jedes Erlebnis kann eine positive oder nega-
tive Auswirkung auf die Wahrnehmung und Gefühle gegenüber einer Marke haben. Ein
Unternehmen sollte daher genauso viel Mühe in die Gestaltung dieser Berührungspunkte
investieren wie in die Konzeption und Produktion seiner Werbekampagnen.
Die Positionierung einer Marke wird sich erst dann vollends durchsetzen, wenn jeder Mitar-
beiter die Markenphilosophie verinnerlicht hat. Mitarbeiter müssen daher geschult werden,
sich kundenorientiert zu verhalten. Noch erfolgreicher ist der Ansatz, in ihnen Stolz bezüg-
lich der angebotenen Produkte und Dienstleistungen hervorzurufen, sodass ihr Enthusias-
mus auch auf die Kunden übergreift. Manche Unternehmen gehen sogar noch einen Schritt
weiter und unterstützen auch die Kundenorientierung der Vertriebspartner und Händler
durch interne Schulungen.
Unternehmen sollten außerdem regelmäßig die Stärken und Schwächen ihrer Marken über-
prüfen. Sie sollten sich fragen: Ist unsere Marke herausragend hinsichtlich eines Nutzens,
den die Käufer tatsächlich wertschätzen? Ist unsere Marke sorgfältig positioniert? Unterstüt-
zen alle unsere Berührungspunkte mit den Konsumenten die Positionierung der Marke im
Wettbewerb? Weiß der Produktmanager, welche Bedeutung die Marke für den Konsumenten
hat? Erhält die Marke die richtige, nachhaltige Unterstützung? Eine solche Analyse kann zu
dem Ergebnis führen, dass eine Marke mehr Unterstützung benötigt, aus dem Markt genom-
men oder neu positioniert werden sollte, da sich die Präferenzen der Käufer gewandelt haben
oder neue Konkurrenten in den Markt eingetreten sind.

8.6 Weitere Überlegungen zu Produkten


8.6.1 Produktentscheidungen und soziale Verantwortung
Produktentscheidungen haben in den letzten Jahren häufig das öffentliche Interesse geweckt.
Wenn Entscheidungen bezüglich der Aufnahme oder Elimination von Produkten, der Paten-
tierung, Garantieversprechen, Produktqualität und -sicherheit getroffen werden, sollten
selbstverständlich rechtliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Ansprüche beachtet
werden.
Wenn neue Produkte durch eine Akquisition hinzugefügt werden sollen, können Regierun-
gen oder Wirtschaftsbehörden wie das Kartellamt eine solche Aufnahme verhindern, wenn
dies den Wettbewerb einschränken würde. Wollen Unternehmen Produkte aus ihrem Ange-
bot nehmen, müssen sie berücksichtigen, dass sie eventuell gesetzlichen Verpflichtungen
gegenüber Zulieferern, Händlern und Konsumenten unterliegen, die ein wirtschaftliches
Interesse an dem auslaufenden Produkt haben. Unternehmen müssen sich bei der Gestaltung

437
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

neuer Produkte dem Patentgesetz beugen und können keine Produkte anbieten, die eine
unzulässige Ähnlichkeit mit einem bereits etablierten Konkurrenzprodukt aufweisen.
In jedem Land gelten spezifische gesetzliche Vorgaben bezüglich der Produktqualität und
-sicherheit, die dem Verbraucherschutz dienen und denen ein Unternehmen nachkommen
muss. Viele Gesetze beschäftigen sich zum Beispiel mit den Hygiene- und Produktionsbedin-
gungen in der fleisch- und geflügelverarbeitenden Industrie. Sicherheitsbestimmungen exis-
tieren für Chemikalien, Automobile, Spielzeuge, Medikamente und giftige Substanzen.
Unabhängig von gesetzlichen Vorgaben erwarten Konsumenten von Unternehmen zuneh-
mend ein ethischen Standards entsprechendes Verhalten. Eine Studie in der Dienstleistungs-
branche zeigte, dass ethisches Verhalten von Serviceanbietern die Zufriedenheit der Kunden
positiv beeinflusst.
Wenn Konsumenten durch ein schadhaftes Produkt verletzt werden, können sie sowohl
gegen den Hersteller als auch gegen den Händler gerichtlich vorgehen. Produkthaft-
pflichtansprüche können den Produzenten schnell Millionen von Euro kosten. Fehlerhafte
Produkte verursachen für das Unternehmen aufgrund teurer Rückrufaktionen und Ersatz-
pflicht aber auch ohne konkreten Schadensfall hohe Kosten und häufig einen deutlichen
Imageverlust.
Nach dem Rückruf von 11 Millionen Fahrzeugen aufgrund von Problemen mit dem Gaspedal
musste sich Toyota mit mehr als 100 Gerichtsverfahren und Einzelklagen auseinandersetzen
und schließlich umgerechnet etwa 1,4 Milliarden Euro an Entschädigung für die finanziellen
Verluste zahlen, die die Betroffenen infolge des Defekts erlitten hatten.7 Der Vorfall hatte
massive Auswirkungen auf die Versicherungsprämien für Produkthaftung und verursachte in
einigen Branchen große Probleme. Einige Unternehmen geben die gestiegenen Prämien
durch Preiserhöhungen an die Kunden weiter. Andere sind gezwungen, risikoreiche Pro-
duktlinien zu stoppen. Manche Firmen setzen heute „Produkt-Stewards“ ein, deren Aufgabe
es ist, Verbraucher vor Schaden und das Unternehmen vor Haftungsansprüchen zu bewah-
ren, indem mögliche Produktrisiken proaktiv ausgeschaltet werden.

8.6.2 Produktentscheidungen für internationale Märkte


Innovationen und die Entwicklung neuer Produkte sind ein weltweites Phänomen. So fließt
das Geld heute schneller den je in europäische Kreativ-Zentren, und das trotz strenger regu-
lativer Auflagen. Während in den USA neue Unternehmen wie z.B. Uber (Taxiruf-App),
Airbnb (Reservierung von Zimmern und Häusern), Palantir (Cyber-Security und Big Data)
und Snapchat (Messaging) entstanden sind, machten sich in Europa unter anderem Spotify
(Musik-Streaming-Dienst aus Schweden), Delivery Hero (Lieferdienst in Deutschland), und
Blippar (eine Augmented-Reality-App aus London) einen Namen. Unternehmen müssen bei
Innovationen und Veränderungen in ihren Branchen eine internationale Perspektive bewah-
ren.8
Für Marketingverantwortliche ist es ferner wichtig, stärker zu berücksichtigen, dass Schwel-
lenmärkte ein wesentlicher Antrieb der Produktinnovation für den Rest der Welt sein kön-
nen. Forschungen zu Produktinnovationen in Indien beispielsweise zeigen die Kraft einer
„frugalen Innovation“ – diese basiert auf der Beobachtung der genialen Innovationsfähigkeit

7 Jaclyn Trop, „Toyota will pay $1.6 billion over faulty accelerator suit“, New York Times, 20. Juli 2013,
S. 3B.
8 Murad Ahmed, „In Silicon Valley’s shadow“, Financial Times, 22. Juli 2015, S. 11.

438
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8.6 Weitere Überlegungen zu Produkten

indischer Unternehmer, die nur begrenzte Mittel zur Verfügung haben. Hier liegt der Schwer-
punkt eher auf Einfachheit statt auf endlosen neuen Produkteigenschaften. Der Begriff
„umgekehrte Innovation“ bezeichnet auch die Herstellung kostengünstiger Produkte in
Schwellenmärkten, die dann in den entwickelten Märkten herausgebracht werden. So ist
Mahindra & Mahindra der größte Traktorhersteller Indiens. Die Fahrzeuge sind bezahlbar
und entsprechen dem Geschmack und dem Einkommen der Kunden in den Schwellenlän-
dern Indien und China. Doch auch in den USA verkaufen sich die Produkte mittlerweile –
gut genug jedenfalls, dass die Firma John Deere einen eigenen preisgünstigen Traktor in
Indien auf den Markt brachte. Westliche Unternehmen müssen sich scheinbar neue Tricks
aneignen und neue Produkte für Schwellenmärkte zu wesentlich günstigeren Kosten herstel-
len, um diese dann in den heimischen Märkten anzusiedeln.9
Die umgekehrte Innovation – auch bekannt als „Trickle-up Innovation“ – ist bei großen
Unternehmen wie GE und Unilever bereits bekannt. Hier werden Produkte, die ursprünglich
für Schwellenmärkte entwickelt wurden, in preiswerte Güter für Kunden in den Industrie-
ländern verwandelt. GE hat sich dem Aufwand großer neuer Produktentwicklungen im
Gesundheitswesen verpflichtet, um die Kosten deutlich zu senken, die Verfügbarkeit zu
erhöhen und die Qualität zu verbessern, indem Produkte zunächst in Schwellenländern und
anschließend in den entwickelten Märkten angeboten werden. Dies ist das Gegenteil der tra-
ditionellen Vorgehensweise, die westlichen Produkte zu verändern und sie dann in den
Schwellenländern zu verkaufen. Als GE einen preiswerten, tragbaren Ultraschall-Scanner für
Ärzte entwickelte – in und für den chinesischen Markt –, stieg der Umsatz bei der weltweiten
Markteinführung jährlich um 50 bis 60 Prozent.10 Daneben sind internationale Marketingex-
perten für Produkte und Dienstleistungen auch immer mit anderen Herausforderungen kon-
frontiert. Zunächst müssen sie herausfinden, welche Produkte und Dienstleistungen auf den
Markt kommen sollen und in welchen Ländern. Dann müssen sie entscheiden, in welchem
Ausmaß die Produkte und Dienstleistungen für die Weltmärkte vereinheitlicht oder ange-
passt werden.
Einerseits möchten Unternehmen ihre Angebote gern vereinheitlichen. Standardisierung
unterstützt ein konsistentes weltweites Image. Sie senkt auch die Kosten für das Produktde-
sign, die Herstellung und das Marketing, da eine große Bandbreite an Produkten angeboten
werden kann. Andererseits unterscheiden sich die weltweiten Märkte und Kunden erheb-
lich. Unternehmen müssen in der Regel auf diese Unterschiede reagieren, indem sie ihr Pro-
duktangebot anpassen. Der Schweizer Konzern Nestlé z.B. verkauft in Japan eine Reihe
Geschmacksrichtungen der berühmten Kitkat-Riegel, bei denen sich westlichen Kunden der
Magen umdrehen würde – grüner Tee, rote Bohnen und Rotwein.
Auch die Verpackung stellt internationale Marketingexperten vor praktische Herausforderun-
gen. Die Probleme können ganz subtil sein. Die Namen, Label und Farben können nicht ein-
fach von Land zu Land übernommen werden. Gelbe Blumen auf dem Logo kommen in den
USA vielleicht gut an, sind in Mexiko jedoch eine Katastrophe, da gelbe Blumen hier für den
Tod oder Respektlosigkeit stehen. Ähnlich kann der Name „Nature’s Gift“ ein toller Name für
Edelpilze in Großbritannien sein, wäre in Deutschland jedoch tödlich. Auch die Verpackung
muss an die physischen Merkmale der Kunden in verschiedenen Teilen der Welt angepasst

9 Siehe Vijay Govinda Rajan und Chris Trimble, Reverse Innovation: Create Far From Home, Win Ever-
ywhere, Boston MA: Harvard Business Review Press, 2012; James Crabtree, „The new markets for
low-cost and profitable ideas“, Financial Times, 12. April 2012, S. 14.
10 Jeffrey R. Immelt, Vijay Govindarajan und Chris Trimble, „How GE is disrupting itself“, Harvard Bu-
siness Review, Oktober 2009, S. 56–65.

439
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

werden. So werden Softdrinks in Japan beispielsweise in kleineren Getränkedosen angebo-


ten, da Japaner kleinere Hände haben. Obwohl die Vereinheitlichung von Produkten und
Verpackungen also vorteilhaft sein kann, müssen Unternehmen ihr Angebot an die besonde-
ren Gegebenheiten der internationalen Märkte anpassen.
Andererseits liegt eine der Stärken digitaler Unternehmen darin, dass sie weltweit nahezu
identische Dienste anbieten wie auf dem heimischen Markt. Britischen Kunden bieten Goo-
gle, Facebook, YouTube, Amazon oder Netflix fast genau das, was auch der US-Konsument
bekommt – denn diese Online-Unternehmen unterliegen weniger individuellen Marktgrößen
und bestimmten Eigenschaften. Anpassungen geschehen nur auf Weisung nationaler Regulie-
rungsbehörden, wie beim Druck der EU auf Google zum Schutz der Privatsphäre und der
Internetbeschränkung durch die chinesische Regierung. Auch Marketingexperten für Dienst-
leistungen stehen beim globalen Geschäft vor Herausforderungen. Einige Dienstleistungs-
branchen sind schon lange international aktiv. Das gewerbliche Bankwesen zum Beispiel war
eine der ersten Branchen, die weltweit wuchsen. Banken mussten globale Dienstleistungen
anbieten, um die Währungs- und Kreditbedürfnisse ihrer Kunden im Inland zu befriedigen,
die im internationalen Handel tätig waren. In den letzten Jahren sind Banken wahre Global
Player geworden, wenngleich die zunehmende Internationalisierung auch zu einer größeren
Abhängigkeit von politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen geführt hat.
Professionelle und gewerbliche Dienstleistungsbranchen wie Steuerberater, Unternehmensbe-
rater und Werbeagenturen wurden ebenfalls globalisiert. Das internationale Wachstum dieser
Firmen folgte der Globalisierung ihrer eigenen Klienten. Als immer mehr Kunden weltweite
Marketing- und Werbestrategien einsetzten, haben Werbeagenturen mit der Globalisierung
ihrer eigenen Tätigkeit darauf reagiert. Die in London ansässige WPP z.B. ist der weltweit
größte Kommunikationskonzern (WPP steht für Wire and Plastic Products, dem Namen des bri-
tischen Herstellers für Drahtkörbe, aus dem die heutige WPP-Gruppe hervorging). WPP
beschäftigt über 200.000 Mitarbeiter an 3.000 Standorten in 110 Ländern. Es gibt 30 WPP-
Teamleader, die sich um Kunden wie Bayer, Colgate-Palmolive, Danone, Dell, Ford, HSBC,
Johnson & Johnson, Kimberly-Clark, Mazda, Procter & Gamble, Shell und Vodafone küm-
mern.11
Einzelhandelsunternehmen haben ihre Aktivitäten als letzte Branche internationalisiert. Da
die heimischen Märkte zunehmend gesättigt sind, expandieren Einzelhändler aus reifen, ent-
wickelten Märkten in die schneller wachsenden Auslandsmärkte. Seit 1991 z.B. hat sich der
US-Handelsriese Walmart in 27 Ländern außerhalb der USA niedergelassen – das internatio-
nale Geschäft macht heute 29 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Der zweitgrößte Händler der
Welt, Carrefour, betreibt heute mehr als 1.000 Filialen in über 33 Ländern. Er ist der führende
Einzelhändler in Europa, Brasilien und Argentinien sowie das größte ausländische Handel-
sunternehmen in China. Asiatische Kunden können heute in den französischen Carrefour-
Märkten in China auch amerikanische und europäische Waren erwerben. Auch der deutsche
Discounter ALDI expandiert weiter. Die Unternehmensgruppe ALDI Süd hat inzwischen Filia-
len in elf Ländern auf vier Kontinenten und beschäftigt weltweit etwa 130.000 Mitarbeiter.12
Der Trend zum Wachstum bei den globalen Dienstleistungsunternehmen hält an, insbeson-
dere im Bankwesen, bei Fluglinien, in der Telekommunikation und Unternehmensberatung.
Heute folgen Unternehmen nicht einfach ihren Kunden im Produktionsbereich, sondern
übernehmen eine Vorreiterrolle in der internationalen Expansion.

11 Siehe www.wpp.com, Zugriff Mai 2018.


12 Siehe https://unternehmen.aldi-sued.de/de/ueber-aldi-sued/aldi-sued-weltweit/, Zugriff Mai 2018.

440
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Zusammenfassung

Z US A M M EN FA SSU N G

Mit dem Begriff des Produkts wird nicht nur ein Gegenstand umschrieben, sondern ein
komplexes Gesamtkonzept, das sorgfältig definiert werden sollte. Das Marketing muss
übergreifend für jedes einzelne Produkt, für unterschiedliche Produktlinien und für das
Sortiment eine schlüssige Strategie entwickeln.
Ein Produkt umfasst mehr als nur seine gegenständlichen Elemente und kann in drei
Dimensionen beschrieben werden: Kernprodukt, reales Produkt und erweitertes Pro-
dukt. Auf der Ebene des Kernprodukts finden wir den Nutzen, den der Käufer erwerben
will. Das reale Produkt ist diejenige Ausprägung eines Produkts, die bei einem Anbieter
konkret zu erhalten ist und die sich über die Produktausstattung, das Design, die Quali-
tät, den Markennamen und die Verpackung in der Regel unverwechselbar von den rea-
len Produkten anderer Anbieter unterscheidet. Das erweiterte Produkt entspricht dem
realen Produkt, jedoch erweitert um verschiedene, das eigentliche Produkt ergänzende
und unterstützende Dienstleistungen wie umfassende Garantiezusagen, Installation,
Anwenderschulungen oder Lieferung frei Haus.
Produkte können hinsichtlich ihrer Abnehmer unterschieden werden. Dies führt zu der
Einteilung in Konsum- und Industriegüter. Güter, die Endverbraucher für ihren persön-
lichen Bedarf kaufen, werden als Konsumgüter bezeichnet. Sie werden entsprechend
den Kaufgewohnheiten der Verbraucher in Güter des täglichen Bedarfs, Suchgüter,
„Speciality“-Güter sowie unberücksichtigte Güter unterteilt. Die Gruppe der Industrie-
güter wird entsprechend ihrer Verwendung bei der Leistungserstellung eingeteilt in
Rohmaterial und Zulieferteile, Anlagegüter sowie Betriebs- und Hilfsstoffe und Dienst-
leistungen.
Unternehmen müssen Strategien für die einzelnen Produkte ihrer Produktlinien entwi-
ckeln. Die Schlüsselentscheidungen, die allen weiteren Entscheidungen vorangestellt
werden, betreffen die Produkteigenschaften, das Markenmanagement, die Verpackung,
die Etikettierung und äußere Kennzeichnung und den Umfang der produktunterstützen-
den Dienstleistungen.
Bezüglich der Produkteigenschaften muss über die Produktqualität, die Ausstattung des
Produkts und über das Produktdesign entschieden werden. Entscheidungen über die
Verpackung werden anhand der konkreten Erfordernisse bezüglich Schutz des Produkts,
Haltbarmachung, Wirtschaftlichkeit, Bequemlichkeit und Präsentations- und Werbe-
möglichkeiten getroffen. Ein Unternehmen sollte sein Verpackungskonzept in Überein-
stimmung mit den konkreten funktionalen Erfordernissen und mit den vorliegenden
gesetzlichen Regelungen entwickeln und testen. Eine weitere wichtige Entscheidung ist
die Etikettierung, die eine Identifikation des Produkts und des Herstellers beziehungs-
weise Verkäufers ermöglichen soll und die weiterhin die Möglichkeit der Beschreibung,
Klassifizierung, Hervorhebung und Verkaufsförderung für das Produkt bietet. Sowohl
auf nationalen wie auch auf internationalen Märkten ist die Kennzeichnung der Pro-
dukte oftmals nicht mehr frei, sondern in vielen Bereichen wie Technik, Lebensmittel,
Spielzeug und Medikamente vielfältigen Kennzeichnungspflichten unterworfen. Dass
diese Pflichten beachtet werden, ist ebenfalls Aufgabe des Marketings. Produktunter-
stützende Dienstleistungen verschaffen den Käufern echten Zusatznutzen und gehören
zu den wichtigsten Trümpfen im Kampf um den Kunden.

441
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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

Die meisten Unternehmen bieten nicht nur ein einziges Produkt, sondern ganze Pro-
duktlinien an. Jede Produktlinie verlangt nach einer eigenen Strategie. Aufgrund von
Aktivitäten der Wettbewerber oder sich ändernder Kundenwünsche kann die Situation
eintreten, dass Produktlinien Erweiterungen oder Ergänzungen benötigen. Es kann sich
hierbei um Produktlinienerweiterungen nach oben, nach unten, simultan nach oben
und unten (das heißt in höher beziehungsweise niedriger angesiedelte Marktsegmente
hinein) oder um das Schließen von Lücken in einer Produktlinie handeln.
Bei vielen Unternehmen findet man darüber hinaus mehrere Produktlinien, die ein Pro-
duktportfolio bilden. Die Aufgabe des Marketings besteht darin, die Dimensionen des
Sortiments, zu denen die Breite, die Länge, die Tiefe und die Zusammenhänge und Syn-
ergien zwischen den Produktlinien gehören, marktgerecht zu gestalten.
Als Produkte zählen auch Dienstleistungen, die aus zum Kauf angebotenen Tätigkeiten
oder Leistungen bestehen, die im Wesentlichen nicht greifbar sind. Dienstleistungen
werden durch vier Schlüsselmerkmale charakterisiert:
 Immaterialität/Nichtgreifbarkeit: Dienstleistungen können vor dem Kauf nicht ange-
schaut, probiert, angefasst, gehört oder geschmeckt werden.
 Beteiligung von Leistungserbringer und Nutzer: Dienstleistungen können nicht von
ihren Leistungserbringern getrennt werden.
 Schwankungen in der Dienstleistungsqualität: Die Qualität von Dienstleistungen
hängt davon ab, wer sie wann, wo und wie durchführt.
 Nichtlagerfähigkeit und Nichttransportfähigkeit: Dienstleistungen lassen sich nicht
für späteren Verkauf oder spätere Nutzung lagern.
Jede dieser Eigenschaften wirft Probleme auf und erfordert spezielle Strategien. Das
Marketing muss Wege finden, die Dienstleistungen zu materialisieren, die Produktivität
der Leistungserbringer, die von ihren Produkten nicht zu trennen sind, zu erhöhen, die
Qualität angesichts der Qualitätsschwankungen zu standardisieren und auf Nachfrage-
änderungen entsprechend zu reagieren sowie Lieferkapazitäten zu verbessern.
Erfolgreiche Dienstleistungsunternehmen richten ihre Aufmerksamkeit sowohl auf die
Kunden als auch auf die Angestellten. Sie begreifen dies als Service-Profit-Chain, wel-
che die Gewinne mit der Zufriedenheit von Mitarbeitern und Kunden eng verknüpft.
Die Dienstleistungsmarketingstrategie erfordert nicht nur externes, sondern auch inter-
nes Marketing, um die Mitarbeiter zu motivieren. Die Mitarbeiter müssen das interak-
tive Marketing beherrschen, das sie befähigt, auf den Kunden einzugehen und in Wech-
selwirkung mit dem Kunden die Dienstleistung entstehen zu lassen.
Um Erfolg zu haben, müssen sich Dienstleistungsunternehmen durch eine wettbewerbs-
fähige Differenzierung gegenüber der Konkurrenz sowie durch ein hohes Niveau an
Dienstleistungsqualität und -produktivität auszeichnen.

442
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Zusammenfassung

Marken können als wertvoller Vermögensgegenstand eines Unternehmens angesehen


werden. Sie sind mehr als nur Namen und Symbole, sie verkörpern alles, was ein Pro-
dukt oder eine Dienstleistung für den Konsumenten bedeutet. Markenwert bezeichnet
den positiven Unterscheidungseffekt, den die Kenntnis des Markennamens auf die
Reaktion des Käufers bezüglich eines Produkts oder Services ausübt. Eine Marke mit
starkem Markenwert stellt ein großes Kapital für das Unternehmen dar. Der Aufbau
einer Marke erfordert Entscheidungen über die Positionierung der Marke, den Marken-
namen, die Art der Marke und die Entwicklung der Marke über die Zeit.
Eine Erfolg versprechende Positionierung einer Marke wird unter Berücksichtigung der
Überzeugungen und Werte der Kunden vollzogen. Die Auswahl eines Markennamens
basiert auf der sorgfältigen Überprüfung des Produktnutzens, des Zielmarkts und den
vorgegebenen Marketingstrategien. Für einen Hersteller bestehen grundsätzlich vier
Möglichkeiten, für sein Produkt eine Marke einzurichten: Er kann sein Produkt als Her-
stellermarke anbieten oder Wiederverkäufer beliefern, die dem Produkt eine Handels-
marke geben; er kann eine fremde Marke als Lizenzmarke übernehmen oder mit anderen
Herstellern gemeinsam eine Marke als Co-Brand anbieten. Ein Unternehmen hat darüber
hinaus vier Möglichkeiten bezüglich der Entwicklung von Marken: Es kann Ergänzun-
gen einer Produktlinie unter gleicher Marke oder eine Markenausweitung auf neu aufge-
nommene Produktkategorien vornehmen, eine Mehrmarkenstrategie verfolgen oder
vollständig neue Marken einführen.
Unternehmen sollten ihre Marken sorgsam aufbauen und fördern. Die Positionierung
der Marke im Wettbewerb ist den Konsumenten kontinuierlich zu vermitteln. Dennoch
werden Marken nicht durch Werbung aufrechterhalten, sondern durch das individuelle
Erleben derselben. Die vielen Berührungspunkte zwischen Konsument und Marke sollte
man genauso gründlich organisieren und gestalten wie die Werbung für die Marke.
Zudem sollten Unternehmen die Stärken und Schwächen ihrer Marken regelmäßig
überprüfen. Möglicherweise muss die Positionierung einer Marke neu überdacht wer-
den, da sich die Präferenzen der Käufer oder die Wettbewerbsstruktur geändert haben.
Unternehmen sollten zwei weitere Überlegungen hinsichtlich ihrer Produkte anstellen.
Die erste bezieht sich auf ihre soziale Verantwortung. Wenn Entscheidungen bezüglich
der Aufnahme oder Elimination von Produkten, Garantieversprechen, Produktqualität
und -sicherheit getroffen werden, berühren diese meist auch öffentliche Interessen; Vor-
schriften und Gesetze sind sorgfältig zu beachten. Die zweite Überlegung ist verbunden
mit den besonderen Herausforderungen, denen sich Hersteller im internationalen Kon-
text gegenübersehen. Hierunter fallen Entscheidungen, welche Produkte in welchen
Ländern angeboten werden, ob Produkte oder Verpackungen standardisiert werden sol-
len und inwiefern eine Anpassung an landestypische Gegebenheiten zielführend ist.
Die Entwicklung von Produkten und Marken ist eine komplexe und herausfordernde
Aufgabe. In einem marktorientierten Unternehmen wird das Produkt als Instrument ein-
gesetzt, um einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz aufzubauen. Eine Produktstrate-
gie, die diesen Namen verdient, gründet auf den Bedürfnissen und Wünschen der
potenziellen Käufer. Die Marketingabteilung nutzt dann jede einzelne Dimension des
Produktkonzepts, um Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen zu erringen.

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8 Produkte, Dienstleistungen und Marken

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446
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Die Entwicklung neuer
Produkte und Produktlebens-
zyklusstrategien

9.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 9


9.2 Innovation und Entwicklung neuer Produkte . . . . 452
9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte . . . . 454

ÜBERBLICK
9.4 Der Produktlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... erklären, wie Unternehmen Ideen für neue Produkte generieren und wie sie diese
umsetzen können.
 ... die Schritte im Produktentwicklungsprozess erläutern und erklären, worauf beim
Management dieses Prozesses zu achten ist.
 ... den Produktlebenszyklus und seine einzelnen Phasen beschreiben.
 ... erklären, welche Marketingstrategien in den einzelnen Phasen des Produktlebens-
zyklus angewandt werden sollten und wie sich diese von Phase zu Phase verändern.

9.1 Einführung
Im vorherigen Kapitel haben Sie erfahren, wie Marketer Produkte und Marken steuern. In
diesem Kapitel nun untersuchen wir zwei weitere produktrelevante Themen: die Entwick-
lung neuer Produkte und das Management von Produkten während ihrer Lebenszyklen.
Neue Produkte sind die Lebensader der Unternehmen. Doch ihre Entwicklung birgt Risiken
und viele neue Produkte scheitern. Daher zeigt der erste Teil dieses Kapitels einen Prozess
auf, wie neue Produkte gefunden und entwickelt werden können. Schließlich wollen die
Marketingexperten einen möglichst langen und erfolgreichen Lebenszyklus für ihre Produkte
erreichen. Im zweiten Teil des Kapitels werden wir dann sehen, dass jedes Produkt verschie-
dene Phasen durchläuft und dass jede dieser Phasen neue Herausforderungen darstellt, auf
die mit unterschiedlichen Marketingstrategien und Methoden reagiert werden muss.
Wir starten mit Google – einem der innovativsten Unternehmen der Welt. Google bringt
einen scheinbar endlosen Strom erstaunlicher Technologien und Dienstleistungen hervor.
Wenn es um die Ermittlung, Bearbeitung und Nutzung von Informationen geht, gibt es garan-
tiert eine innovative Google-Lösung dafür. Für Google ist Innovation nicht einfach ein Pro-
zess – es ist nicht weniger als der Geist des Ortes.

Einführende Fallstudie: Google – bahnbrechende neue Produkte


am Fließband

Google ist extrem innovativ. In den letzten zehn Jahren hat es sich einen festen Platz
unter den besten fünf der innovativsten Unternehmen gesichert. Google gibt sich ein-
fach nicht mit dem Erreichten zufrieden. Stattdessen bringt es ständig neue Entwicklun-
gen heraus, stürzt sich in neue Märkte und nimmt es mit immer neuen Wettbewerbern
auf.
In der Folge ist Google auch extrem erfolgreich. Trotz der starken Konkurrenz von Inter-
netriesen wie Microsoft und Facebook belaufen sich Googles Marktanteile im Kernge-
schäft – der Onlinesuche – auf satte 86 Prozent, das ist das Fünffache der Marktanteile
aller anderen Wettbewerber zusammen. Das Unternehmen ist auch führend bei den
Werbeeinnahmen aus bezahlten Online- und Mobilsuchfunktionen.

448
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9.1 Einführung

Aus den Suchen generierte Google einen Großteil seiner Erlöse von 60 Milliarden US-
Dollar im letzten Jahr, von denen 20 Prozent in Gewinne flossen. Und Google hört längst
nicht auf zu wachsen – die Einnahmen haben sich in den letzten gerade einmal drei Jah-
ren mehr als verdoppelt. Aber Google entwickelt sich auch schnell zu weitaus mehr als
nur einem Unternehmen der Suchmaschinen und Werbeplatzierungen. Googles Mission
ist es, „weltweite Informationen zu organisieren und sie überall zugänglich und nutzbar
zu machen“. Nach Googles Auffassung sind Informationen eine Art Rohstoff – die geför-
dert, verarbeitet und in die Welt gesendet werden müssen. Diese Vorstellung harmoni-
siert mit den anderen, sonst offenbar sehr verschiedenen Projekten von Google, wie das
Kartografieren der Welt, die Entwicklung mobiler bzw. tragbarer Computertechnologien,
die Ansammlung der weltweit größten Onlinevideothek oder sogar Einrichtungen zur
Früherkennung von Grippe-Epidemien. Wenn es darum geht, sich Informationen nutz-
bar zu machen, hat Google das Feld bereits auf innovative Weise besetzt.
Google weiß, wie man Neuerungen einführt. In vielen Unternehmen ist die Produktent-
wicklung eine behutsame, schrittweise Angelegenheit, die sich teilweise über Jahre hin-
ziehen kann. Bei Google dagegen läuft der ungezwungene Entwicklungsprozess für neue
Produkte in Lichtgeschwindigkeit ab. Der geschickte Vorreiter setzt wichtige neue Pro-
dukte und Dienste in weit weniger Zeit um, als seine Wettbewerber für die Ausarbei-
tung und Genehmigung einer ersten Idee benötigen. Ein Geschäftsführer bei Google
erklärt: „Am schwierigsten ist es, Menschen mit unserer Firmenkultur vertraut zu
machen, wenn Ingenieure mir einen Prototyp zeigen und ich sage: ‚Ja, toll, fangen wir
an!‘ Und sie entgegnen: ‚Nein, er ist doch noch gar nicht fertig!‘ Ich sage ihnen dann,
dass es der Google-Weg ist, Dinge früh auf den Markt zu bringen (als Beta-Produkt), sie
dann schrittweise zu optimieren und zu lernen, was der Markt will – auf diese Weise
machen wir das Produkt groß.“
Wenn es um die Entwicklung neuer Produkte bei Google geht, gibt es keine Zwei-Jahres-
Pläne. Die Entwicklungsabteilung plant gerade einmal fünf Monate im Voraus. Google
ist es lieber, wenn Projekte schnell scheitern, als wenn sorgfältig geplante und ausgear-
beitete Projekte scheitern. Während sogar hoch innovative Unternehmen wie Apple die
Gewissheit vorziehen, jedes Produkt vor dem Verkauf perfektioniert zu haben, geht es
bei Google nur um „Markteinführung und schrittweise Optimierung“. Müssen sich Pro-
duktentwickler bei Google zwischen zwei Wegen entscheiden, wählen sie unweigerlich
den schnelleren. Der berühmte chaotische Innovationsprozess bei Google hat einen
scheinbar endlosen Strom der verschiedensten Produkte hervorgebracht, von denen die
meisten mittlerweile führend in den jeweiligen Marktkategorien sind. Darunter ein E-
Mail-Dienst (Gmail), ein digitaler Medienstore (Google Play), ein Onlinebezahldienst
(Google Wallet), ein Dienst zum Teilen von Fotos (Google Picasa), ein mobiles Betriebs-
system (Google Android), ein ultraschnelles Heim-Breitbandnetzwerk (Google Fiber),
ein cloudfähiger Internetbrowser (Chrome), Projekte zur Kartografierung und Erkun-
dung der Welt (Google Maps und Google Earth) und sogar ein Frühwarnsystem für die
nächste Grippewelle in Ihrer Region (Google Flu Trends).

449
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Die jüngsten Innovationen von Google gehen weit über die einfache Organisation und
Suche nach Informationen hinaus. Das Unternehmen geht voran und macht sich die
Fähigkeit des Internets zunutze, praktisch alle Lebensbereiche miteinander zu vernet-
zen. So zahlte Google vor einiger Zeit die beachtliche Summe von 3,2 Milliarden US-
Dollar – doppelt so viel wie für YouTube – für die Übernahme von Nest Labs, Hersteller
von intelligenten Thermostaten und Rauchmeldern. Nest hat diese einfachen Geräte für
den Heimgebrauch in vernetzte, digitale Geräte verwandelt, die in das Zeitalter der
Smartphones passen und die mühelos, leicht und effizient zu bedienen sind. Auch
wenn es den Anschein hat, dass Google mit Nest wenig für sein Geld bekommt, können
die enormen Ressourcen und das Innovationsgeschick von Google schon bald dazu bei-
tragen, dass die Geräte von Nest Ihr gesamtes Heim steuern – ein riesiger potenzieller
Markt. Wie ein Analyst erklärt, geht es „darum, welcher Dienst – Google, Amazon,
Apple, Microsoft und andere – künftig die intelligenten Systeme für Ihr Zuhause koor-
diniert“.
Scheint das Konzept des mit dem Internet verbundenen „Smart Home“ für Google
schon etwas abenteuerlich, ist das noch gar nichts im Vergleich zu den nächsten großen
Ideen des Unternehmens. Die Innovationsmaschinerie ist berüchtigt für sogenannte
„Moonshots“ (dt.: Start einer Mondrakete) – bahnbrechende, futuristische Projekte, die,
sofern sie erfolgreich sind, das Leben der Menschen von Grund auf verändern. Laut
eines Ingenieurs bei Google haben die Mitgründer Larry Page und Sergey Brin die
„Überzeugung, dass schrittweise Verbesserungen nicht gut genug sind. Der Maßstab für
den Erfolg ist die Frage, ob wir diese (Moonshots) realisieren und möglichst kühne Pro-
jekte umsetzen können“.
Um diese ehrgeizigen Vorhaben zu fördern, wurde Google X gegründet – ein geheimes
Forschungslabor und eine Art Paradies für Computerfreaks, die dort Dinge entwickeln
sollen, die selbst nach Google-Maßstäben abenteuerlich sind. „Egal, worin ein massives
Problem für die Gesellschaft besteht, wir sind dabei“, sagt der Direktor der Innovations-
abteilung.
Die bislang bemerkenswerteste Innovation von Google X ist Google Glass – ein Mini-
computer, der wie eine Brille getragen wird und große Begeisterung auslöste; allerdings
wurde er nach und nach vom Markt genommen, um weiterentwickelt und optimiert zu
werden. Hinter den Türen des geheimen Labors entstehen jedoch weitere futuristische
Projekte, wie das fahrerlose Auto von Google – so etwas galt einmal als pure Fiktion,
heute ist es Realität. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen im Internet ein, dann fährt draußen
ein automatisiertes Google-Car vor und ein humanoider Google-Roboter springt heraus,
um Ihre Einkäufe ins Haus zu tragen. Weit hergeholt? Vielleicht nicht. Google ist heute
auch führend bei der Entwicklung von Robotern. Google ist offen für neue Produktideen
aus so ziemlich jeder Quelle. Doch das Unternehmen überträgt jedem Mitarbeiter auch
Verantwortung für die Innovationen. Google ist berühmt für seine Innovation des Time-
Off-Programms, das Ingenieure und Entwickler anregt, 20 Prozent ihrer Zeit – einen Tag
pro Woche – in die Entwicklung ihrer eigenen „coolen und exzentrischen“ neuen Pro-
duktideen zu investieren. Letzten Endes ist Innovation bei Google mehr als ein Prozess
– sie ist Teil der DNA des Unternehmens. Wo genau findet Innovation bei Google statt?
Überall, sagt ein Google-Forschungswissenschaftler.

450
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9.1 Einführung

Abbildung 9.1: Selbstfahrendes Auto


(Quelle: SiliconValleyStock/Alamy Stock Photo)

Spricht man mit Google-Mitarbeitern in verschiedenen Positionen und Abteilungen,


kristallisiert sich ein starkes Motto heraus: Diese Menschen spüren, dass ihre Arbeit die
Welt verändern kann. Das Erstaunliche bei Google ist die Fähigkeit, einen Sinn für krea-
tive Furchtlosigkeit und den Ehrgeiz der Mitarbeiter zu bewahren. Bewerber werden oft
gefragt: „Wenn Sie die Welt mit den Mitteln von Google verändern könnten, was wür-
den Sie erschaffen?“ Das ist allerdings keine Fangfrage, nicht einmal eine theoretische:
Google will das wirklich wissen, weil groß zu denken – und Großes zu erschaffen –
genau das ist, was Google macht. Wenn es um Innovation geht, tickt Google anders.
Doch der Unterschied ist nicht greifbar. Er liegt in der Luft – im Geist des Ortes.
Um die kreative Basis noch weiter auszubauen, gründete Google im Jahr 2015 Alphabet
als Holding für zwei Bereiche: das „Alte Google“ mit Suchmaschine und Werbeplatzie-
rung, YouTube, Gmail, Android und Chrome; und das „Neue Google“ einschließlich Goo-
gle X (kreative Projekte), Calico (Biotechnologie), Nest (intelligente Heimsteuerungssys-
teme), Fiber (High-Speed Internet), Google Ventures (Investitionen) und Google Capital
(Investment-Zweig). Das „Alte Google“ erzielt nach wie vor die Einnahmen. Das „Neue
Google“ bietet den ehrgeizigen und geradezu verrückten Projekten Raum, in die sich Goo-
gle einbringt. Bahnbrechende Projekte, sogenannte Moonshots, umfassen Kontaktlinsen,
die den Blutzuckerspiegel von Diabetikern erkennen können, aber auch schwebende
Hoverboards (wie im Film „Zurück in die Zukunft“), Aufzüge, die in Höhen außerhalb der
Erdatmosphäre fahren können und eine voll ausgestattete Einheit, die ewiges Leben erfor-
schen soll. Dieser Teil von Alphabet wird von den Google-Gründern Larry Page und Ser-
gey Brin geleitet. Google meint es in Bezug auf Innovationen also sehr, sehr ernst.

Fragen
1. Denken Sie an den klassischen Produktentwicklungsprozess. Worin unterscheidet
sich jener von Google dazu?
2. In welcher Phase des Produktlebenszyklus befindet sich Googles klassischer Such-
maschinendienst?
3. Reihen Sie die Innovationsinitiativen von Alphabet in die Produkt-Markt-Matrix
nach Ansoff ein.

451
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Angesichts der sich wandelnden Kundenbedürfnisse, der Weiterentwicklung von Technolo-


gien und der Veränderung der Wettbewerbssituation sind die kontinuierliche Verbesserung
vorhandener Produkte und die Entwicklung neuer Produkte zu einer Notwendigkeit für das
Überleben eines Unternehmens geworden. Die Einführung neuer Produkte ist jedoch mit
einigen Risiken behaftet, nicht selten bleibt der erzielte Absatz hinter den Erwartungen
zurück. Ist ein neues Produkt erst einmal erfolgreich eingeführt, muss es beständig durch
Marketingmaßnahmen flankiert werden, um es möglichst lang und profitabel im Markt zu
halten. Das Produkt durchläuft hierbei mehrere Lebenszyklusphasen, welche jeweils unter-
schiedliche Herausforderungen an die Marketingstrategie und Taktik stellen.
Die Lebensdauer eines jeden Produkts ist begrenzt. Beeinflusst wird diese Zeitspanne zum
einen durch die allgemeine Geschwindigkeit, in der Produktinnovationen auf den Markt
gebracht werden, und zum anderen durch die Fähigkeiten der Produktmanager, eine Marke
erfolgreich durch die verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus zu leiten.
Die regelmäßige Markteinführung innovativer Produkte gewährleistet daher nicht allein
Wachstum und Gewinnstabilität. Ein Unternehmen muss auch über das Fach- und Metho-
denwissen verfügen, wie ein bestehendes Produkt im Laufe seines typischen Lebenszyklus
unterstützt werden kann, das heißt, von der Produkteinführung über die Wachstumsperiode
und Produktreife bis zum endgültigen Ausscheiden, wenn es von neuen Produkten verdrängt
wird, die den Konsumentenbedürfnissen besser entsprechen.
Der Produktlebenszyklus impliziert zwei grundlegende Aufgabenstellungen. Da jedes Pro-
dukt irgendwann aus dem Markt ausscheidet, müssen Unternehmen rechtzeitig Ersatz für
alternde Produkte bereitstellen (die Aufgabe der Entwicklung neuer Produkte). Zudem müs-
sen die Marketingstrategien für ein Produkt der jeweiligen Phase des Produktlebenszyklus
angepasst werden, in der es sich befindet, und dabei dem Wandel von Kundenbedürfnissen,
Technologien und Wettbewerbsbedingungen Rechnung tragen (die Aufgabe der Strategieent-
wicklung auf Basis des Produktlebenszyklus).
Daher untersuchen wir in diesem Kapitel zunächst die Herausforderung, neue Produkte zu
finden und zu entwickeln, und dann die Aufgabe, sie erfolgreich durch die einzelnen Phasen
des Produktlebenszyklus zu führen.

9.2 Innovation und Entwicklung neuer Produkte


Unternehmen können sich neue Produkte auf zweierlei Weise aneignen, durch Akquisition
(Kauf von Unternehmen, Erwerb von Patenten oder Lizenzen) oder durch die Entwicklung
neuer Produkte in unternehmenseigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.
Dieses Kapitel beschäftigt sich insbesondere mit der Neuproduktentwicklung und dafür
erforderlichen Marketingmaßnahmen wie der Neupositionierung von Produkten oder Mar-
ken oder der Segmentierung bestehender Märkte, auch im Hinblick auf den Bedarf an Inno-
vationen.
Unter „neuen Produkten“ verstehen wir originäre Produkte, fundamental verbesserte Pro-
dukte, Abwandlungen vorhandener Produkte oder neue Marken, die ein Unternehmen mit-
tels eigener Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen entwickelt.
Neue Produkte sind wichtig – für Kunden und Marketer gleichermaßen. Den Kunden bringen
sie neue Lösungen und Vielfalt im Alltag. Für Unternehmen sind neue Produkte ein Schlüs-
sel zum Wachstum. Im modernen schnelllebigen Umfeld hängt für viele Unternehmen ein

452
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9.2 Innovation und Entwicklung neuer Produkte

Großteil des Wachstums von neuen Produkten ab. So erlebte zum Beispiel Apple in den letz-
ten Jahren durch neue Produkte einen vollständigen Wandel. Das iPhone und das iPad – die
es vor einigen Jahren noch gar nicht gab – sind heute die Verkaufsschlager des Unterneh-
mens, wobei das iPhone mehr als die Hälfte der Gesamterlöse von Apple erzielt.1
Innovation kann jedoch auch kostspielig und sehr riskant sein. Neue Produkte müssen große
Widerstände überwinden. Einer Schätzung zufolge scheitern 66 Prozent aller neu eingeführ-
ten Produkte etablierter Unternehmen innerhalb von zwei Jahren. Laut einer weiteren Schät-
zung können 96 Prozent aller Produktinnovationen die Entwicklungskosten nicht erwirt-
schaften.2 Man nimmt an, dass etwa 90 Prozent der neuen Produkte in Europa nicht
dauerhaft am Markt bleiben.3
Für Microsoft ist z.B. die Windows-Software von entscheidender Bedeutung – sie macht ca.
17 Prozent der Einnahmen und ein Viertel des Unternehmensgewinns aus. Die Version Vista
war vielleicht die unbeliebteste Software der Firmengeschichte und wurde bis zu ihrer Ablö-
sung auf gerade einmal 19 Prozent der weltweiten Rechner installiert. Windows 8 war sogar
ein noch größerer Flop und Windows wird heute nur noch auf 16 Prozent aller Rechner
genutzt – im Gegensatz zum Jahr 2000, als Windows auf 97 Prozent aller Computer lief. Die
Einführung von Windows 10 im Jahr 2015 markierte einen entscheidenden Moment für
Windows, da darauf auch zukünftige Pläne basieren – besonders im Hinblick auf die Rekru-
tierung talentierter Produktentwickler für universelle Apps, die auf jedem Gerät mit
Windows betrieben werden können. Für Windows 10 hat Microsoft eine Milliarde Kunden in
drei Jahren versprochen – doch da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.4
Aber warum scheitern so viele neue Produkte? Dafür gibt es mehrere Gründe. Auch wenn die
Idee dahinter gut ist, kann das Unternehmen die Größe des Markts überschätzen. Das eigent-
liche Produkt kann schlecht gemacht sein. Oder es wurde falsch positioniert, zur falschen
Zeit herausgebracht, zu hochpreisig angesetzt oder zu gering beworben. Ein hochrangiger
Manager kann seine Lieblingsidee trotz negativer Marktforschungsergebnisse durchgesetzt
haben. Manchmal sind die Kosten der Produktentwicklung höher als erwartet, manchmal
reagieren Wettbewerber härter als gedacht.
Unternehmen haben also ein Problem. Sie müssen neue Produkte entwickeln, den Vorteilen
stehen jedoch große Risiken entgegen. Um erfolgreiche neue Produkte herauszubringen,
muss ein Unternehmen seine Kunden, Märkte und Wettbewerber verstehen und Produkte
entwickeln, die dem Kunden den größtmöglichen Nutzen bieten.

1 Austino Fontevecchia, „Apple’s strong iPhone sales mask falling revenue per unit as gross margins
contract“, Forbes, 22. Juli 2013, www.forbes.com/sites/afontevecchia/2013/07/23/applesstrong-ipho-
ne-sales-maskfalling-revenue-per-unit-as-gross-margins-contract/.
2 Marsha Lindsey, „8 ways to ensure your new-product launch succeeds“, Fast Company, 3. April
2012, www.fastcompany.com/1829483/8-ways-ensure-your-new-product-launch-succeeds sowie Vi-
jaya Kumar, „Improving the success rate of new product introduction through digital social media“,
PDMA, 27 August 2013, www.pdma.org/p/bl/et/blogid=2&blogaid=115.
3 Siehe www.scribd.com/doc/20269401/Product-Failures-and-Their-Strategies, Zugriff Juli 2015.
4 Richard Waters, „Microsoft pins hopes on Windows 10 as it challenges rivals for leading role in app
world“, Financial Times, 29. Juli 2015, S. 19; Dina Bass und Ashlee Vance, „The new old Windows“,
Bloomberg BusinessWeek, 3.–9. August 2015, S. 32–33.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte


Statt alles dem Zufall zu überlassen, muss ein Unternehmen eine effektive Produktplanung
durchführen und systematische, kundenorientierte Abläufe für die Entwicklung neuer Pro-
dukte einsetzen, um neue Produkte zu entdecken und aufzubauen.
Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte lässt sich in neun Schritte gliedern (siehe Abbil-
dung 9.2).

Konzept-
Entwicklung einer Suche nach
Ideen-Screening entwicklung
Innovationsstrategie Produktideen
und Konzepttest

Marketing- Analyse der Produkt- Testmarkt-


Markteinführung
strategie Marktfähigkeit entwicklung erprobung

Abbildung 9.2: Vorgehensweise bei der Entwicklung neuer Produkte

9.3.1 Erarbeitung einer Strategie für die Entwicklung neuer Produkte


Die effektive Entwicklung neuer Produkte verlangt nach einer konsequenten Strategie. Diese
hat vier Funktionen:
 Sie gibt den am Entwicklungsprozess beteiligten Akteuren eine Zielsetzung und Richtlinie
vor und fokussiert dadurch die Arbeit des Teams.
 Sie koordiniert die betrieblichen Funktionsbereiche und die Arbeit der Fachabteilungen.
 Sie gibt Vorgaben für die Aufteilung und Delegation von Arbeitsaufgaben.
 Der Prozess der Strategieformulierung führt zu einem proaktiven Verhalten des Manage-
ments anstelle eines rein reaktiven und erhöht auf diese Weise die Wahrscheinlichkeit
einer gründlichen Suche nach Innovationen.
Schauen wir uns nachfolgend an, wie das US-Unternehmen 3M die Entstehung neuer Pro-
dukte fördert.

Marketing-Highlight: 3M – Spitzenreiter bei Innovationen

Das 1902 in den USA gegründete Unternehmen 3M produziert und vertreibt weltweit
mehr als 50.000 Produkte. Zu den bekanntesten 3M-Marken gehören die Scotch-Klebe-
bänder, die Post-it-Haftnotizen oder die Scotch-Brite-Topfreiniger. Darüber hinaus
umfasst das 3M-Produktprogramm Erzeugnisse für die unterschiedlichsten Branchen.
So enthält es beispielsweise für die Automobil- und Luftfahrtindustrie verschiedene
Klebstoffe und Schleifmittel, im Bereich Transport- und Straßenwesen werden reflektie-
rende Folien von 3M eingesetzt und auch für Medizin und Gesundheit bietet 3M eine
Reihe von Produkten, z.B. Verbands- oder Zahnfüllmaterial. Grundlage für den Erfolg
des Unternehmens ist seine besondere Innovationskultur, d.h., die ständige Entwick-
lung neuer Produkte wird als das Lebenselixier des Unternehmens angesehen.

454
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

Mehr als 30 Prozent des Umsatzes wird mit Produkten, die weniger als vier Jahre alt
sind, erzielt. Etwa jeder elfte 3M-Mitarbeiter ist in Forschung und Entwicklung tätig.
Besonders großen Wert legt das Unternehmen auf eine enge Zusammenarbeit mit seinen
Kunden. Deren spezielle Anforderungen und Wünsche stellen eine wichtige Quelle für
innovative Problemlösungsansätze dar. Dieser eindrucksvolle Erfolg ist mehreren Fakto-
ren zu verdanken. 3M zeichnet sich durch hohe Investitionen in Forschung und Ent-
wicklung aus. Weltweit beliefen sich 2016 die Ausgaben für F&E auf 1,7 Milliarden US-
Dollar. Dies entspricht einem Anteil von mehr als fünf Prozent am Gesamtumsatz im
Geschäftsjahr 2016 (30,1 Mrd. US-Dollar).
Die besondere Förderung von Innovationen spiegelt sich auch in der sogenannten 15-
Prozent-Regel wider. Demnach können die F&E-Mitarbeiter 15 Prozent ihrer Arbeitszeit
Projekten ihrer Wahl widmen. Dabei stellt ihnen 3M die notwendigen finanziellen Mit-
tel zur Verfügung, auch wenn das Unternehmen nicht zwangsläufig davon profitiert.
Außerdem werden informelle Arbeitsstrukturen toleriert, um neue Produkte schnell
entwickeln zu können. Dadurch sollen bürokratische Hindernisse beseitigt werden, die
eventuell einer Produktentwicklung im Weg stehen oder diese verlangsamen könnten.
Diese Innovationskultur wird auch vom Management gestützt, das jeden Mitarbeiter
ausdrücklich ermutigt, mit Ideen für neue Produkte vorzutreten. Wenn jemand eine aus-
sichtsreiche Idee vorstellt, wird bei 3M ein interdisziplinäres Kompetenzteam zusam-
mengestellt, das die Möglichkeiten in Bezug auf Produktion, Absatz, Marketing und
Rechte evaluiert. Derartige Teams, die charakteristisch für 3M sind, erleichtern den
Fluss von Ideen und Technologie innerhalb des Unternehmens. Das Fundament des
Know-hows bilden über 30 Technologie-Plattformen. Neben der Förderung der Eigenin-
itiative wird die Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter auch durch umfassende Weiterbil-
dung unterstützt. Aufgrund dieser innovationsfördernden Bemühungen kann 3M jähr-
lich 500 Patente anmelden (weltweit hält das Unternehmen rund 20.000 Patente) und
mehrere Hundert neue Produkte auf den Markt bringen. In diesem Unternehmen ist
man sich darüber im Klaren, dass man viele Anläufe starten muss, um einmal das große
Los zu ziehen. Fehler und Irrwege werden als normale Begleiter von Kreativität und
Innovation akzeptiert und als Bestandteil der Unternehmenskultur angesehen. Diese
fördert Eigeninitiative und Mut zum Risiko. Gerade derartige Irrwege haben sich häufig
im Nachhinein als Erfolge erwiesen. So ärgerte sich Art Fry, der bei 3M in den USA als
Produktentwickler tätig war, bei Auftritten und Proben seines Kirchenchores über lose
Zettel in seinem Gesangbuch, die bei jeder ungeschickten Bewegung herausfielen. Er
dachte über Markierungszettel nach, die kleben, aber sich leicht wieder ablösen lassen.
Dabei erinnerte er sich an die Versuche seines Kollegen Dr. Spencer Silver, der einen
neuen Kleber mit eben diesen Eigenschaften entwickelt hatte, für den sich aber
zunächst keine erfolgversprechende Anwendung fand. Das genau war es, wonach Art
Fry gesucht hatte. Am 6. April 1980 waren die Post-it-Haftnotizen marktreif und
begannen ihren Siegeszug.
Ähnlich liest sich die Erfolgsgeschichte des Scotch-Klebebands, das 1930 auf den Markt
kam. Ein Kunde von 3M benötigte zur Verpackung ein wasserfestes Klebeband. Der 3M-
Chemiker Richard Drew experimentierte zunächst mit einem Abdeckband, das er kurz
zuvor für Autolackierer entwickelt hatte, aber alle Versuche schlugen fehl. Das Klebe-
band war einfach nicht wasserfest und daher für dieses Kundenproblem nicht verwend-
bar. Zur selben Zeit kam ein wasserfestes Cellophan von DuPont auf den Markt.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Das war die Lösung des Problems. Richard Drew beschichtete das Cellophan mit dem
3M-Klebstoff und die Scotch-Transparentklebebänder waren erfunden. Durch kontinu-
ierliche Weiterentwicklung ist 3M heute Weltmarktführer in diesem Segment. Dem
innovativen Charakter des Unternehmens entsprechend wurde Ende 2004 eine Image-
kampagne unter dem Motto „3M – Die Erfinder“ lanciert. Ziel war es, die Kompetenzen
und Produktbreite von 3M besser bekannt zu machen und die Aufmerksamkeit auch auf
Geschäftsfelder zu lenken, die den meisten Kunden nicht bekannt waren.
Quellen:
Informationen auf den Unternehmens-Webseiten unter: http://solutions.3mdeutschland.de,
www.die-erfinder.de und www.3m.com [30.03.2015];
Pressemitteilung 3M: „Zwei Erfolgsprodukte feiern Geburtstag: Post-it-Haftnotizen und Scotch Kle-
beband werden zusammen 100 Jahre alt“, April 2005;
Pressemitteilung 3M: „Hoch sollen sie kleben – Scotch Transparentklebebänder, weltweit die
Nummer 1, feiern Geburtstag!“, August 2005;
Geschäftsbericht 2016: http://s2.q4cdn.com/974527301/files/doc_downloads/2017/Annual/
2016_3M_Annual_Report.pdf, Februar 2018.

9 .3.2 Suche nach Produktideen


Die Entwicklung neuer Produkte beginnt mit der Ideengewinnung – der systematischen
Suche nach neuen Produktideen. Ein Unternehmen generiert in er Regel Hunderte oder sogar
Tausende von Ideen, um ein paar überzeugende daraus zu selektieren. Um eine breite Aus-
wahl an Ideen zu erhalten, kann ein Unternehmen viele Quellen heranziehen. Die meisten
Ideen für neue Produkte entstammen internen Quellen, andere werden von Kunden, von
Konkurrenten, von Händlern oder Lieferanten eingebracht.

Interne Quellen
Untersuchungen haben ergeben, dass nahezu die Hälfte aller Ideen für neue Produkte aus
den Unternehmen selbst kommt, häufig als Ergebnis systematischer Forschungs- und Ent-
wicklungsarbeit. Wissenschaftler, Ingenieure, Designer und Mitarbeiter der Fertigung können
mit ihren Ideen zur Innovation beitragen. Auch die Außendienstorganisation eines Unter-
nehmens ist eine Quelle guter Ideen, da sie in täglichem Kontakt mit Käufern und Kaufinter-
essenten steht. Ein Unternehmen kann ein formalisiertes oder informelles Vorschlagswesen
einrichten, um die Ideen der Mitarbeiter gezielt zur Verbesserung der Produktion, der Pro-
dukte oder des Services einzusetzen.
Einige Unternehmen haben bereits erfolgreiche „Intrapreneurial“-Programme entwickelt, die
Angestellte dazu ermutigen, Überlegungen anzustellen und neue Produktideen zu entwi-
ckeln. Die bekannte „15 Prozent-Regel“ von 3M erlaubt zum Beispiel den Angestellten des
Unternehmens, 15 Prozent ihrer Arbeitszeit mit „Bootlegging“ zu verbringen, das heißt an
Projekten von persönlichem Interesse zu arbeiten, egal ob diese dem Unternehmen unmittel-
bar zugutekommen oder nicht. Toyota berichtet, dass seine Mitarbeiter alljährlich etwa zwei
Millionen Verbesserungsvorschläge einreichen, das sind 35 pro Mitarbeiter. Etwa 85 Prozent
dieser Vorschläge sollen auch tatsächlich zur Anwendung kommen.
Onlineunternehmen wie Facebook und Twitter fördern heutzutage regelmäßige „Hacka-
thons“, in denen Mitarbeiter sich einen Tag oder eine Woche freinehmen, um neue Ideen zu

456
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

entwickeln. Das webbasierte soziale Netzwerk LinkedIn für Geschäftskontakte mit seinen
250 Millionen Mitgliedern gewährt „Hackdays“, nämlich einen Freitag im Monat. Die Mitar-
beiter können dann beliebigen Tätigkeiten nachgehen, die dem Unternehmen nutzen. Linke-
dIn ging mit dem sogenannten InCubator-Programm noch einen Schritt weiter – hier können
Mitarbeiter jedes Vierteljahr Teams bilden, die dem Vorstand innovative neue Ideen präsen-
tieren. Werden diese angenommen, erhält das Team 90 zusätzliche freie Tage, um die Ideen
in die Praxis umzusetzen. Bislang hat das Programm Vorschläge für neue Produkte und
Geschäftsfelder, interne Tools und Personalprogramme hervorgebracht, die von Mitarbeitern
des gesamten Konzerns entwickelt wurden.5

Kunden
Ungefähr 28 Prozent aller Ideen für neue Produkte stammen von Kunden. Ein Unternehmen
kann Kundenbefragungen durchführen oder Fokusgruppen einrichten und Beschwerden
auswerten, um so Ideen für neue Produkte zu bekommen und diese direkt darauf auszurich-
ten, dass sie den Anforderungen der Kunden gerecht werden. Ingenieure oder Außendienst-
mitarbeiter können Kunden einladen und mit ihnen zusammenarbeiten, um einen Eindruck
von ihren Bedürfnissen und Wünschen zu erhalten oder um sie nach Vorschlägen zu befra-
gen. Von Unternehmen wie General Electric, Sony, Toyota, Volkswagen und anderen ist
bekannt, dass ihre Entwicklungsgruppen mit Endverbrauchern zusammentreffen, um von
ihnen Ideen für neue Produkte zu erhalten.
Häufig erfinden Käufer und Verbraucher selbst Produkte, und die Unternehmen können
davon profitieren, indem sie diese aufspüren und auf den Markt bringen. Etwa ein Drittel der
Software, die beispielsweise IBM für seine Computer verwendet, wurde aufgrund von Kun-
denvorschlägen entwickelt. Einige Unternehmen stellen ihren Kunden sogar Mittel zur Ver-
fügung, um sich ihre eigenen Produkte zu entwickeln. Ein Experte dazu: „Der Kunde ist
nicht mehr nur König, sondern auch Leiter der Marktforschung, der Entwicklung und Pro-
duktmanager.“
Ein Hersteller von Computerspielen, Electronic Arts (EA), stellte fest, dass seine Kunden
neue Inhalte für bereits existierende Spiele entwickelten und diese für andere frei zugänglich
online stellten. Das Unternehmen veröffentlichte daraufhin grundlegende Tools zur Weiter-
entwicklung der Spiele und verwendete die neuen Ideen seiner Kunden bei der eigenen Pro-
duktentwicklung. „Die Fangemeinde hatte einen unglaublichen Einfluss auf unsere Spielent-
wicklung“, sagt eine der Führungskräfte von EA, „woraus noch bessere Spiele resultierten.“
Starbucks lädt Kunden auf der Webseite My Starbucks Idea ein, über neue Produkte und
Dienstleistungen zu informieren, zu diskutieren und abzustimmen. „Sie wissen besser als
jeder andere, was Sie von Starbucks erwarten“, heißt es auf der Seite. „Also sagen Sie es uns.
Was ist Ihre Starbucks-Idee? Ob revolutionär oder ganz einfach – wir wollen sie hören.“6
Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass auch Konsumenten selbst oft nicht wissen
können, welche Bedürfnisse und Wünsche sie in Zukunft haben werden oder welche Pro-
dukte sie nutzen würden, wenn sie verfügbar wären. Kunden wollen außerdem überrascht
werden mit Produkten, mit denen sie nie gerechnet hätten – iPod, BlackBerry Smartphones
oder Navigationsgeräte von TomTom sind Beispiele hierfür. Wären vor 25 Jahren Telekom-

5 Kevin Scott, „The LinkedIn [in]cubator“, 7. Dezember 2012, http://blog.linkedin.com/2012/12/07/


linkedin-incubator/; und www.linkedin.com/static?key=what_is_linkedin, Zugriff September 2014.
6 Siehe http://mystarbucksidea.force.com/ideaHome, Zugriff Juli 2015.

457
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

munikationsnutzer nach ihrem Bedürfnis nach einem mobilen Gerät gefragt worden, hätten
ihre Antworten sicher nicht zur Entwicklung von MP3-Spielern oder des Handys geführt.

Konkurrenten
Viele Ideen für neue Produkte entstehen aus der sorgfältigen Analyse der Angebote der Kon-
kurrenz. Unternehmen verfolgen beispielsweise die Werbung der Mitbewerber aufmerksam,
um Anhaltspunkte bezüglich der Eigenschaften ihrer neuen Produkte zu erhalten. Sie kön-
nen die Produkte und Dienstleistungen der Konkurrenten auch analysieren, indem sie Kon-
sumenten darüber befragen, was sie an den Konkurrenzprodukten schätzen und was sie als
verbesserungswürdig empfinden. Meist kaufen sie selbst Konkurrenzprodukte, benutzen und
zerlegen sie, um Aufschluss über ihre Funktionsweise zu erhalten. Zusätzlich werden Ver-
kaufsdaten der entsprechenden Produkte erhoben, um zu prüfen, ob es sich lohnen würde,
ein ähnliches Produkt auf den Markt zu bringen.

Händler, Lieferanten und andere Quellen


Händler stehen im direkten Kontakt mit Kunden und können den Unternehmen so unmittel-
bar Informationen über Verbraucherwünsche und mögliche Produktinnovationen weiterlei-
ten. Zulieferer geben Hinweise über neue Konzepte, neue Technologien und neuartige Materi-
alien, die in Zukunft zur Entwicklung neuer Produkte eingesetzt werden können. Als weitere
Quellen für Produktideen eigenen sich Fachzeitschriften, Messen und Kongresse, Industrie-
und Handelskammern, Werbeagenturen, Marktforschungsunternehmen, Hochschulen mit
angeschlossenen Laboratorien oder Wissenschafts- und Technologieparks. Natürlich können
sich Hersteller auch an Unternehmensberater wenden, um neue Ideen zu entwickeln und
Lösungen zu finden, die den Ansprüchen der Kunden besser gerecht werden.
Die Suche nach neuen Produktideen sollte systematisch geplant und durchgeführt werden,
um zu gewährleisten, dass gute Ideen nicht ziellos heraussprudeln und verloren gehen.
Hierzu sollte man ein Ideen-Management-System einrichten, das einen beständigen Fluss der
Ideen zu einem zentralen Ort sicherstellt, an dem sie gezielt gesammelt, überprüft und
bewertet werden können. Ein solches Ideen-Management-System kann vielfältig gestaltet
werden. Es kann entweder eine einzelne Führungspersönlichkeit zum Ideen-Manager
ernannt oder ein interdisziplinäres Ideen-Management-Komitee gebildet werden, das sich
aus Mitarbeitern der Abteilungen Forschung und Entwicklung, Einkauf, Finanzen, Marke-
ting, Verkauf und Produktion zusammensetzt. Ein solches Team kommt in regelmäßigen
Abständen zusammen, untersucht und bewertet neue Produktvorschläge. Diese können bei-
spielsweise über eine kostenlose Hotline eingehen, die allen Mitarbeitern und anderen Stake-
holdern wie Händlern und Lieferanten die Möglichkeit bietet, ihre Ideen einem Ideenmana-
ger vorzustellen. Unterstützend kann hier ein formales Anerkennungsprogramm wirken, das
all diejenigen belohnt, die überragende Ideen beigesteuert haben.
Ein Ideen-Management-System hat zwei Vorteile. Zum einen unterstützt es den Aufbau einer
innovationsorientierten Unternehmenskultur, indem es zeigt, dass die Unternehmensleitung
zu Innovationen ermutigt, innovatives Verhalten unterstützt und belohnt. Zum anderen initi-
iert es einen konstanten Ideenfluss, aus dem regelmäßig gute Vorschläge extrahiert werden
können.

458
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

Crowdsourcing
Bei der Suche nach Ideen für Innovationen kann ein Unternehmen auch auf die breite Masse
zurückgreifen. Crowdsourcing öffnet die Tore für eine Vielzahl an Gruppen wie Kunden,
Angestellte, unabhängige Forscher und Entwickler sowie die Öffentlichkeit im Allgemeinen
– alle mit ihren eigenen Vorstellungen und Ideen – und bindet sie in den Innovationsprozess
direkt ein. Der Grundgedanke ist, dass, wenn es um die Verbesserung von Produkten, Leis-
tungen oder Marketingaktionen geht, zwei Köpfe besser als einer und 2000 oder 20000 wie-
derum besser als diese zwei sind.
Crowdsourcing funktioniert in diesem Sinne primär in der Form von Wettbewerben. Sam-
sung beispielsweise führte das Programm „Open Innovation“ ein, das eine breite Vernetzung
mit externen Partnern und Unternehmen zur Entwicklung neuer Produkte und Technologien
ermöglicht. Ziel des Programms ist es, die Mauern rund um den Innovationsprozess einzurei-
ßen und die Türen für frische Ideen außerhalb des Unternehmens zu öffnen. Durch das Pro-
gramm schmiedet Samsung Allianzen mit der Spitzenindustrie und Universitätsforschern
weltweit, nimmt aktiv an branchenweiten Foren teil, arbeitet mit Lieferanten an Innovatio-
nen und sucht und investiert in vielversprechende Start-ups. „Im 21. Jahrhundert kann kein
Unternehmen die Forschungsarbeit allein bewältigen“, so ein führender Mitarbeiter von
Samsung. „Wir betrachten es als entscheidend, [mit anderen Partnern] weltweit zusammen-
zuarbeiten, um einen lebendigen Forschungsbereich auf- und auszubauen.“7
Auch andere Unternehmen wie Dell oder Procter & Gamble bedienen sich des Crowdsour-
cing, und Plattformen wie InnoCentive bringen diese Klienten, sogenannte „Sucher“, mit
einem Netzwerk von über 200.000 Wissenschaftlern, den „Problemlösern“ zusammen. So
haben bereits Unternehmen wie Audi, Microsoft und Nestlé bis zu Victorinox, Hersteller für
Schweizer Armeemesser, das jovoto-Netzwerk mit 50.000 kreativen Profis für Ideen und
Lösungen genutzt und Preisgelder von etwa 100 bis zu 100.000 Euro geboten. Victorinox
nutzt jovoto seit mehreren Jahren, um ein neues Design für eine limitierte Fashion-Auflage
des Schweizer Armeemessers zu finden. Mit diesem Fashion-Design will man jüngere Kun-
den für das Produkt begeistern. Im ersten Jahr reichten mehr als 1.000 Künstler ihre Vor-
schläge über jovoto ein. Die limitierte Auflage bestand aus zehn verschiedenen Designs, die
nach Prüfung durch die jovoto-Mitglieder und Abstimmung durch Victorinox-Fans auf Face-
book ausgewählt wurden. Sie verkaufte sich um 20 Prozent besser als jedes zuvor intern ent-
wickelte limitierte Modell.8
Setzt man die von den Unternehmen erlangte Leistung ins Verhältnis zu den gezahlten Preis-
geldern, so erscheint Crowdsourcing als ein äußerst kosteneffizientes Werkzeug. Jedoch darf
man den Aufwand auf Unternehmensseite nicht außer Acht lassen. Crowdsourcing kann
eine wahre Flut an Ideen auslösen, wenn man die Tore für alle und jeden öffnet – aber nicht
alle Ideen sind notwendigerweise gut. Die guten Ideen von den weniger guten zu trennen
und die beste unter ihnen zu identifizieren bleibt Aufgabe des Unternehmens. Und dies kann
mit einigem Aufwand verbunden sein, denn schon eine kleine Crowdsourcing-Aktion kann
Hunderte von Ideenvorschlägen generieren. Wenn man sich beispielsweise mit 20.000 Ideen-

7 „Samsung is fueling its future with open innovation“, InnoCentive, 23. Oktober 2013, www.innocen-
tive.com/blog/2013/10/23/samsung-is-fueling-its-future-with-open-innovation/.
8 Siehe „Victorinox Success!“ September 2012, www.jovoto.com/blog/2012/09/success-story-victorin-
ox/; Bastian Unterberg et al., Crowdstorm: The Future of Ideas, Innovation, and Problem Solving Is
Collaboration (Somerset, NJ: Wiley, 2013), S. 175–177 und https://www.jovoto.com/projects/victorin-
ox2018/landing, Zugriff Mai 2018.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

vorschlägen konfrontiert sieht, stellt sich die Frage, wie man an diesen Stapel herantritt.
Cisco Systems sponserte eine Aktion, genannt „I-Prize“, bei der mehr als 1.200 unterschiedli-
che Ideen von mehr als 2.500 Entwicklern aus 104 Ländern eingereicht wurden. Der Auswer-
tungsprozess war nach eigenen Angaben weitaus arbeitsintensiver als erwartet und es waren
Zeit, Energie, Geduld und Einfallsreichtum nötig, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
Letzten Endes arbeiteten sechs Mitarbeiter drei Monate in Vollzeit, um zu entscheiden, wel-
che der Ideen in die nähere Auswahl kamen. Deshalb sollte man sich bei der Entscheidung
für Crowdsourcing stets sicher sein, dass man die mögliche Ideenflut auch bewältigen kann.
Innovative Unternehmen verlassen sich nicht auf eine einzige Quelle für neue Produktinnova-
tionen. Stattdessen entwickeln sie weitreichende Netzwerke mit vielen potenziellen Ideen-
quellen, diese reichen von Kunden und Mitarbeitern bis hin zu unabhängigen Forschern im In-
und Ausland. Auch Reckitt Benckiser, das in Deutschland bekannte Marken wie Clearasil und
Scholl (Bereich Konsumentengesundheit) und Sagrotan und Calgon (Bereich Hygiene Haus-
halt) vertreibt, setzt bei seinen vielen Produktinnovationen auf Kunden bzw. Verbraucher.

Marketing-Highlight: Reckitt Benckiser – Aufbau eines Marken-


Kraftwerks

Reckitt Benckiser ist nicht unbedingt ein bekannter Name in unseren Haushalten, doch
das Unternehmen ist der Superstar unter den Herstellern von Reinigungsmitteln, der
mit seinen neuen Produkten und Marketingfähigkeiten zeitweise sogar Procter & Gam-
ble und Unilever überstrahlt. Die Stärke von Reckitt liegt darin, Nischenmärkte mit gro-
ßem Wachstumspotenzial zu finden. Statt also zu versuchen, sich beispielsweise auf
dem gesättigten Markt für Wasch- und Reinigungsmittel zu behaupten, konzentriert sich
Reckitt auf das wachsende Segment für Spülmaschinenprodukte, in dem es bereits
einen beachtlichen weltweiten Marktanteil hält. Als Vorreiter für neue Marken, häufig
in Nischenmärkten, hat sich Reckitt zu einem der erfolgreichsten europäischen Unter-
nehmen entwickelt. Reckitt Benckiser (RB) entstand 1999 durch die Fusion der hollän-
dischen Firma Benckiser mit dem britischen Unternehmen Reckitt & Colman. Im Jahr
2005 übernahm RB das Unternehmen Boots Healthcare International für 1,9 Milliarden
Pfund und baute seine Präsenz im Markt für frei verkäufliche Arzneimittel weiter aus.
2007 ermöglichte die Übernahme von Adams Respiratory Therapeutics den Zugang zum
US-amerikanischen Markt für rezeptfreie Arzneimittel. Im Jahr 2010 unterbreitete RB
dem Unternehmen SSL International, Hersteller der Marke Durex und von Scholl-
Fußpflegeprodukten, ein Angebot über 2,5 Milliarden Pfund, mit dem Ziel einer erwei-
terten geografischen Diversifikation sowie neuer Warengruppen. RB wurde weltweit
führend bei Haushalts-, Gesundheits- und Körperpflegeprodukten. Die 19 „Power-Mar-
ken“ des Unternehmens werden in mehr als 200 Ländern verkauft, darunter bekannte
Namen wie Air Wick (Lufterfrischer), Cillit Bang (Haushaltsreiniger), Dettol (Antisep-
tika), Durex (Empfängnisverhütung), Gaviscon (Mittel gegen Sodbrennen), Harpic
(Bleichmittel), Nurofen (Schmerzmittel), Strepsils (Halsschmerzmittel), Veet (Enthaa-
rungsprodukte). Bei den massiven Investitionen in die Top-Marken lag der Schwer-
punkt auf Bereichen mit großem Wachstumspotenzial, sodass mit einem Mal 16 dieser
„Power“-Marken gleichzeitig den ersten oder zweiten Platz im jeweiligen Segment des
Weltmarktes beanspruchen konnten. Tatsächlich vermarktet RB Hunderte Produkte, von
denen viele weltweit marktführend in den jeweiligen Bereichen sind.

460
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

Die Markenstrategie von RB lässt sich wie folgt zusammenfassen:


Innovation ist der Antrieb der Strategie, diese ist der Antrieb für Innovation.
RB stärkt seine Marken durch eine außergewöhnlich schnelle Innovation. Innovationen
müssen äußerst leistungsstark, schnell zu vermarkten und kosteneffektiv sein. Die Inno-
vations-Pipeline verläuft rund um die Markenstrategie. So verbessern innovative Koste-
neinsparungen die Gewinnspannen und fördern das Wachstum. Dabei handelt es sich
um einen Vollzeitjob – RB verändert die Formel seiner Strategie etwa alle acht Stunden.
Konsumenten stehen im Zentrum der RB-Innovationen
Innovation beginnt und endet beim Verbraucher – im Alltag, wo RB das Leben erleich-
tern kann. So bindet RB die Verbraucher in die Produktentwicklung mit ein und prüft
seine Ideen direkt mit ihnen. Das Unternehmen konzentriert sich nicht einfach auf
Ideen, sondern auf Ideen, die sich verkaufen, weil sie Kundenbedürfnissen entsprechen.
Dies schafft starke internationale Marken, die den regionalen Präferenzen angepasst
werden können.
Woher stammen diese Ideen? In erster Linie aus Einblicken in die Verbraucherge-
wohnheiten. RB verbringt Zeit mit Verbrauchern, sowohl im Forschungslabor als auch
bei ihnen zu Hause. Doch RB verfügt auch über eigene technologische Erfahrungen. Die
Webseite RB-Idealink bezieht Ideen aus aller Welt. Ferner hat RB die technologischen
und gesellschaftlichen Trends im Blick. Auch diese Ideen werden gründlich geprüft.
Produktinnovation steht im Mittelpunkt der RB-Strategie; dabei geht es um „Produkte
mit Mehrwert“, die von Verbrauchern selbst in Zeiten einer Rezession gekauft werden.
Der damalige Vorstandsvorsitzende Bart Becht sagte: „Noch wichtiger (in schwierigen
Zeiten) ist die Abgrenzung unserer Marken von den Billigprodukten.“ Der Schwerpunkt
liegt auf den regelmäßigen Aktualisierungen bei den „Power-Marken“. Trotz schwieriger
wirtschaftlicher Bedingungen brachte RB im Jahr 2010 neue Produkte auf den Markt:
Finish Quantumatic, einen Spülmaschinenreiniger, der einfach an den Geschirrkorb
geklemmt wird; Air Wick Aqua Mist, einen „natürlichen“ Lufterfrischer in der Flasche,
der ohne chemische Treibmittel auskommt, sowie Vanish Oxi Action Extra Hygiene,
einen Fleckenentferner, der selbst bei niedriger Waschtemperatur Bakterien entfernen
soll. Auch das Handwaschsystem Lysol No-Touch im Spender, der ohne Berührung und
durch einfaches Nähern der Hand betätigt wird, kam neu auf den Markt.

9.3.3 Ideen-Screening
Der Zweck von Ideensuche und Ideenförderung besteht darin, eine große Anzahl Ideen zu
generieren. Das Ziel der folgenden Prozessschritte wird es dagegen sein, diese so weit wie
möglich zu reduzieren. Die erste Phase umfasst das Ideen-Screening, durch welches zukunft-
strächtige Ideen herausgefiltert und unbrauchbare Vorschläge eliminiert werden sollen. Es
soll sichergestellt werden, dass nur absolut Erfolg versprechende Ideen in den Produktent-
wicklungsprozess, der hohe Kosten verursacht, gehen.
Viele Unternehmen lassen neue Produktideen in standardisierten Formularen verfassen, die
von einem Bewertungsgremium geprüft werden. Der Entwurf beschreibt ein Produkt oder
eine Dienstleistung, ein Leistungsversprechen für den Kunden, den Zielmarkt und den Wett-
bewerb. Er enthält eine grobe Schätzung der Marktgröße, des Verkaufspreises, Zeit und Kos-

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

ten der Entwicklung, Herstellungskosten und Rendite. Das Gremium bewertet die Idee dann
nach einer Reihe von Kriterien. Ein Marketingexperte wendet dafür das R-W-W-Schema
(„real, win, worth doing“) mit drei Fragestellungen zu dem Produkt an. Zuallererst, ist es pra-
xisnah? Gibt es einen echten Bedarf und Wunsch nach diesem bestimmten Produkt und wird
es tatsächlich gekauft? Gibt es ein klares Produktkonzept und wird das Produkt den Markt
befriedigen? Zweitens, können wir damit gewinnen? Bietet uns das konkrete Produkt einen
bedeutenden Wettbewerbsvorteil? Verfügt das Unternehmen über die Mittel, das Produkt
erfolgreich herzustellen? Und schließlich, lohnt es sich? Passt das konkrete Produkt zur all-
gemeinen Wachstumsstrategie des Unternehmens? Bietet es ausreichend Gewinnpotenzial?
Das Unternehmen sollte alle drei Fragestellungen mit Ja beantworten können, ehe die Pro-
duktidee weiterentwickelt wird.9
Im Produktentwicklungskomitee von Kao, einem japanischen Hersteller von Konsumgütern,
werden typischerweise folgende Fragen gestellt:
 Ist das neue Produkt wirklich für die Verbraucher und für die Gesellschaft nützlich?
 Ist es für unser Unternehmen gut, dieses Produkt anzubieten?
 Fügt sich das neue Produkt reibungslos in die Zielvorgaben und Strategien unseres Unter-
nehmens ein?
 Ist die Kosten-Nutzen-Relation unseres neuen Produkts jenen der Konkurrenzprodukte
überlegen?
 Kann ein bestehendes Vertriebsnetz für das neue Produkt genutzt oder ein neues Vertriebs-
netz leicht aufgebaut werden?
 Sind die physische Distribution (Lagerung, Transport, Logistik, Kühlketten), der Service
und die Versorgung mit Verbrauchsmaterial und Ersatzteilen gesichert?
 Können wir auf Mitarbeiter, Fähigkeiten und Ressourcen zurückgreifen, die für eine
erfolgreiche Umsetzung notwendig sind?
 Sind Werbung und Markteinführung für das neue Produkt leicht durchzuführen?
Ideen für neue Produkte, die in diesem Verfahren bestehen, können einem Bewertungsver-
fahren, wie in Tabelle 9.1 wiedergegeben, unterzogen werden.
Die Kopfspalte zählt einige Faktoren auf, die für die erfolgreiche Platzierung eines Produkts
nötig sind. In der zweiten Spalte findet sich der Gewichtungsmultiplikator, den die Unter-
nehmensleitung den einzelnen Faktoren beimisst. In diesem Beispiel werden die Fähigkeiten
bezüglich des Marketings mit einem Wert von 0,25 relativ hoch, entsprechende Kompetenz
im Sektor Beschaffung und Rohstoffe wird mit einem Wert von 0,05 nur sehr schwach
gewichtet.
Im Anschluss wird die Übereinstimmung zwischen den Anforderungen, die das neue Pro-
dukt an das Unternehmen stellt, und den Kapazitäten und Fähigkeiten des Unternehmens
anhand einer Skala zwischen 0,1 und 1,0 bewertet.

9 Siehe George S. Day, „Is it real? Can we win? Is it worth doing?“, Harvard Business Review, Dezember
2007, S. 110–120.

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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

Übereinstimmung zwischen Bewertung


Relative
Erfolgsfaktoren Produktidee und Potenzial der Idee
Bedeutung
unseres Unternehmens (Spalte 2 x́ Spalte 3)

Ziele und Strategien 0,20 0,8 0,160


unseres Unternehmens
Marketingfähigkeiten und 0,25 0,8 0,200
Marketingerfahrung
Finanzielle Möglichkeiten 0,15 0,7 0,105
Vertriebskanäle 0,15 0,8 0,120
Produktionseinrichtung 0,10 0,8 0,080
Forschung & Entwicklung 0,10 0,7 0,070
Beschaffung & Rohstoffe 0,05 0,5 0,025
Insgesamt (Minimum für 1,00 0,760
Akzeptanz ist 0,7)
Tabelle 9.1: Ein Modell zur Bewertung von Ideen

In dem hier angeführten Beispiel erreicht die Produktidee einen Wert von 0,76 und ist damit
am aussichtsreichen Ende der Skala für neue Produkte angesiedelt. An dieser Stelle soll
jedoch betont werden, dass diese Bewertung nur eine Grundlage für einen systematischen
Vergleich der Ideen bietet und noch nicht die Entscheidungsgrundlage für die Unterneh-
mensleitung darstellt.

9.3.4 Konzeptentwicklung und Konzepttest


Ideen, die in diesem Verfahren als chancenreich beurteilt werden, müssen in ein konkretes
Produktkonzept umgesetzt werden. Unterschieden werden hierbei die Begriffe Produktidee,
Produktkonzept und Produktimage.
 Produktidee Eine Idee für ein denkbares Produkt, welches das Unternehmen auf dem
Markt anbieten könnte.
 Produktkonzept Eine detaillierte Beschreibung der Produktidee, die direkt auf potenzielle
Käufer zugeschnitten ist und für Konsumenten einen bedeutsamen Produktnutzen ausfor-
muliert.
 Produktimage Die Vorstellung, die Verbraucher von einem tatsächlichen oder angekündig-
ten Produkt haben.

Konzeptentwicklung
Nehmen wir an, ein Automobilhersteller könnte ein Elektroauto bauen, das 140 Stundenkilo-
meter fahren kann, eine Reichweite von 280 Kilometern hat, bevor es nachgetankt werden
muss und 45 Minuten benötigt, um an einer Steckdose wieder aufgeladen zu werden. Der
Hersteller schätzt die Betriebskosten des neuartigen Fahrzeugs auf die Hälfte der Betriebskos-
ten eines konventionellen Pkw.
Dies bezeichnen wir als Produktidee. Die Verbraucher jedoch kaufen keine Produktidee, sie
bestellen und kaufen ein Produktkonzept. Die Aufgabe der Marketingfachleute ist es nun,

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

diese Produktidee in einige denkbare Produktkonzepte umzusetzen, herauszufinden, wie


attraktiv die Verbraucher diese Konzepte finden, und dann das beste Konzept auszuwählen.
Die Marketingabteilung des Automobilherstellers könnte folgende Produktkonzepte für das
Elektroauto vorlegen:
 Konzept 1 Ein preiswertes Subkompakt-Fahrzeug als Zweitwagen hauptsächlich für den
Stadtverkehr. Das Auto hat große Türen und leichten Zugang, sodass es einfach beladen
werden kann und kinderfreundlich ist.
 Konzept 2 Ein sportlich orientiertes Kompakt-Fahrzeug in der mittleren Preisklasse, das
junge Leute ansprechen soll.
 Konzept 3 Ein Mittelklassewagen des mittleren Preissegments, entworfen als Familien-
fahrzeug für jede Gelegenheit, jedoch mit dem Zusatznutzen, besonders umweltfreundlich
und sparsam im Verbrauch zu sein.
 Konzept 4 Ein hochwertiges, mittelgroßes Allradfahrzeug für Kunden, die das Raumange-
bot von Allradfahrzeugen schätzen, aber den hohen Benzinverbrauch beklagen.
Unternehmen können ihre Kunden (oder potenziellen Kunden) in die Konzeptentwicklung
mit einbeziehen, um die spätere Akzeptanz des Produktkonzepts zu erhöhen.

T esten von Produktkonzepten


Produktkonzepte können unter Einbezug einer Interessentengruppe des Zielmarkts authenti-
schen Tests unterzogen werden. Dabei wird das Produktkonzept den Testpersonen tatsäch-
lich oder symbolisch präsentiert.
Hier ist in Worten das Konzept 1 wiedergegeben:
„Ein sparsamer elektrisch angetriebener Kleinwagen für vier Personen, mit dem es viel
Spaß macht, zu fahren. Genau das Richtige für den großen Einkauf oder für den
Besuch bei Freunden. Kostet im Betrieb nur die Hälfte von vergleichbaren benzinbe-
triebenen Autos. Läuft bis zu 140 Stundenkilometer und muss erst nach 280 Kilome-
tern Fahrstrecke wieder aufgeladen werden. Die Preise beginnen bei 20.000 Euro.“
Für einzelne Konzepttests kann eine wörtliche Beschreibung oder ein Bild noch ausreichend
sein. Eine konkrete und greifbare Präsentation des Konzepts erhöht jedoch in der Regel die
Zuverlässigkeit des Tests. Heutzutage existieren eine Vielzahl innovativer Möglichkeiten,
Konzepte für den Konsumenten real und greifbar darzustellen. Ansätze der „virtual reality“
nutzen beispielsweise Computer oder sensorische Geräte (wie Brillen oder spezielle Hand-
schuhe), um die Realität zu simulieren. Die Techniken der „virtual reality“ entwickeln sich
stetig weiter und formen ein immer genaueres Abbild der Realität.
Nachdem den Testpersonen das Konzept erläutert wurde, bittet man sie, die folgenden Fra-
gen zu beantworten:

Verstehen Sie das Konzept eines batteriebetriebenen Elektroautos?


Halten Sie die angegebenen Leistungsdaten für glaubhaft?
Welches sind die Hauptvorteile eines Elektroautos verglichen mit einem benzinbetriebenen Fahrzeug?
Haben Sie Verbesserungsvorschläge für das Ihnen präsentierte Auto?
Für welche Anwendungen würden Sie das Elektroauto dem benzinbetriebenen Auto vorziehen?
Tabelle 9.2: Fragen im Rahmen eines Konzepttests für ein Elektroauto

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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

Wie hoch läge Ihrer Ansicht nach der akzeptable Preis für ein derartiges Auto?
Wer wäre bei der Kaufentscheidung für ein solches Fahrzeug in Ihrer Familie oder in Ihrem Unternehmen beteiligt?
Wer würde dieses Auto fahren?
Würden Sie selbst ein derartiges Fahrzeug kaufen? (ganz bestimmt, wahrscheinlich, wahrscheinlich nicht, ganz
bestimmt nicht)
Tabelle 9.2: Fragen im Rahmen eines Konzepttests für ein Elektroauto (Forts.)

Die Beantwortung dieser Fragen unterstützt ein Unternehmen bei der Beurteilung, von wel-
chem der Konzepte sich potenzielle Käufer am stärksten angesprochen fühlen. Die letzte
Frage bezieht sich auf eventuell vorhandene Kaufabsichten. Wenn 10 Prozent der Befragten
antworten, sie würden „ganz bestimmt“ kaufen und weitere 5 Prozent, sie würden „wahr-
scheinlich“ kaufen, so lassen sich diese Daten auf die gesamte Zielgruppe hochrechnen, um
das potenzielle Verkaufsvolumen abzuschätzen. Natürlich lassen sich aus Konzepttests nur
ungefähre Prognosen künftiger Verkaufszahlen ableiten, da geäußerte Kaufabsichten oft nicht
tatsächlich realisiert werden. So mag mancher Autofahrer von dem Konzept des Elektroautos
spontan begeistert sein, möchte später jedoch nicht auf die höhere Leistung eines Benziners
verzichten.
Dennoch tragen diese Tests wesentlich dazu bei, die Stimmung potenzieller Käufer einzufan-
gen, mögliche Reaktionen auf das neue Produkt vorherzusehen und noch vor der Entwick-
lung zu erkennen, welche Aspekte des neuen Produkts von den Kaufinteressenten besonders
angenommen oder abgelehnt werden. Aus den Testergebnissen lassen sich Anregungen ablei-
ten, wie das Konzept verbessert und wie die Attraktivität für spätere Käufer erhöht werden
kann.

9.3.5 Die Entwicklung einer Marketingstrategie


Nehmen wir an, Konzept 1 würde in den Tests die besten Ergebnisse erzielen. Der nächste
Schritt ist nun, eine Marketingstrategie für die Markteinführung dieses Fahrzeugs zu entwi-
ckeln.
Eine solche Strategie trifft drei wesentliche Aussagen. Zum einen beschreibt sie die Ziel-
gruppe, die geplante Positionierung des Produkts, die Absatzprognosen, den geplanten
Marktanteil und die Gewinnziele für die ersten Jahre.
Die Zielgruppe könnten Haushalte sein, die Interesse an einem Zweitwagen für Einkäufe und
Besorgungen oder Besuche im Stadtgebiet haben. Positioniert wird das Elektroauto als Fahr-
zeug, das kostengünstig in Anschaffung und Betrieb ist und besonderen Fahrspaß bereitet.
Das Unternehmen strebt an, im ersten Jahr 200.000 Fahrzeuge abzusetzen, mit einem kalku-
lierten Verlust von maximal 2 Millionen Euro. Im zweiten Jahr sollen ebenfalls 200.000 Fahr-
zeuge abgesetzt werden, dann jedoch schon bei einem Gewinn von drei Millionen Euro.
Die zweite Aussage der Strategie bezieht sich auf die Planvorgaben für das Produkt bezüglich
Preis, Distribution und Marketing.
Das Fahrzeug wird in drei Farben auf den Markt kommen und auf Wunsch mit Klimaanlage
und verstärktem Antrieb ausgestattet sein. Der Verkaufspreis im ersten Jahr soll 20.000 Euro
betragen, bei einem Preisnachlass von 15 Prozent für die Händler. Autohändler, die mehr als
zehn Fahrzeuge pro Monat verkaufen, erhalten weitere 5 Prozent Rabatt auf jedes Auto, das
sie zusätzlich verkaufen. Das Werbebudget soll 20 Millionen Euro betragen und je zur Hälfte

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

für nationale und lokale Werbung eingesetzt werden. Die Werbebotschaft wird sich auf den
Fahrspaß und die niedrigen Emissionswerte beziehen. Im ersten Jahr soll eine Marktstudie
für 100.000 Euro durchgeführt werden, um den vorherrschenden Käufertypus zu identifizie-
ren und die Zufriedenheit der ersten Kunden zu ermitteln.
Der dritte Teil beschäftigt sich mit den langfristigen Verkaufs- und Gewinnzielen und der
Gestaltung des Marketing-Mix.
Auf lange Sicht möchte das Unternehmen einen Marktanteil von drei Prozent und eine Kapi-
talrendite von 15 Prozent erzielen. Produktqualität und Zuverlässigkeit sollen von Anfang an
hoch sein und im Laufe der Zeit noch verbessert werden. Soweit die Wettbewerbsverhält-
nisse es zulassen, sollen im zweiten und im dritten Jahr die Preise leicht erhöht werden. Für
die Werbeausgaben wird eine Erhöhung von zehn Prozent jährlich vorgesehen. Die Ausgaben
für Marktforschung sollen nach dem ersten Jahr auf 60.000 Euro reduziert werden.

9.3.6 Die Analyse der Wirtschaftlichkeit


Sobald ein Unternehmen sich für ein Produktkonzept und eine Marketingstrategie entschie-
den hat, muss die wirtschaftliche Attraktivität des neuen Produkts untersucht werden. Die
dafür nötige Analyse der Wirtschaftlichkeit besteht aus einer Vorausschätzung des Absatzes,
der Kosten und der voraussichtlichen Gewinne des neuen Produkts. Wenn die gewonnenen
Daten im Einklang mit den Unternehmenszielen stehen, kann die Phase der Produktentwick-
lung eingeleitet werden.
Um die Absatzzahlen zu schätzen, sollte das Unternehmen die Einführung ähnlicher Pro-
dukte in der Vergangenheit untersuchen und Meinungsumfragen durchführen lassen. Um die
Risikospanne zu kalkulieren, können minimales und maximales Verkaufsvolumen gegen-
übergestellt werden. Sobald die Absatzschätzung vorhanden ist, können Kosten, Gewinne
und notwendiger Marketingaufwand berechnet werden, notwendige Aufwendungen für For-
schung und Entwicklung, für die Fertigung sowie für Gesamtorganisation und Finanzierung.
Auf dieser Grundlage bestimmt das Unternehmen die wirtschaftliche Attraktivität des neuen
Produkts.

9.3.7 Die Produktentwicklung


Wenn ein Produktkonzept die Marktfähigkeitsanalyse bestanden hat, kann die eigentliche
Produktentwicklung beginnen. Während die Produktidee bisher lediglich als Beschreibung,
als Zeichnung oder vielleicht als Modell existierte, erfordert der Eintritt in die Produktent-
wicklung größere Investitionen. Jetzt stellt sich heraus, ob die Produktidee in ein realisierba-
res Produkt umgesetzt werden kann.
Die Entwicklungsabteilung wird jetzt einen oder mehrere Prototypen herstellen. Ein Prototyp
sollte bereits alle Funktionen des Produkts besitzen sowie schnell und im vorgegebenen Kos-
tenrahmen hergestellt werden können. Die Entwicklung eines solchen Prototyps kann
Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern und eine große Herausforderung darstellen. Inzwi-
schen sorgen neue technologische Entwicklungen wie der 3-D-Druck allerdings dafür, dass
die Herstellung eines Prototyps deutlich schneller vonstattengeht und digitale Simulationen
vereinfachen den Bau z.B. in der Automobilindustrie erheblich. Wenn die Prototypen fertig-
gestellt sind, müssen sie getestet werden. Funktionale Tests finden zunächst unter Laborbe-
dingungen und dann im realen Einsatz statt, um sicherzustellen, dass sie zuverlässig und
effizient funktionieren. Es wird erwartet, dass ein Prototyp bereits alle funktionalen Optio-

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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

nen aufweist und auch die entsprechenden psychologischen Charakteristika mit sich bringt.
Das elektrisch angetriebene Auto zum Beispiel sollte den Kaufinteressenten schon im Proto-
typ als solide gebaut und sicher erscheinen. Die Unternehmensleitung muss daher wissen,
anhand welcher Kriterien Kaufinteressenten entscheiden, ob ein Auto gut gebaut ist. Einige
Käufer schlagen zum Beispiel die Tür zu, um den Klang zu hören. Hat das Auto „solide klin-
gende“ Türen, denken viele Verbraucher entsprechend, dass es gut gebaut sein müsse. Für
andere bedeutet es hingegen, dass das Auto schweren Belastungen im Crashtest standhält. Es
werden Verbrauchertests durchgeführt, in denen Kunden ein Testfahrzeug fahren und die
Eigenschaften des Wagens bewerten.
Bei der Entwicklung von Windows 10 beispielsweise setzte Microsoft 5 Millionen freiwillige
Tester für die Suche nach Computerfehlern ein, bekannt als Windows Insider. Damit sollte
nicht nur das Produkt verbessert, sondern auch Kundenbindung aufgebaut werden. Im
Windows-Insider-Programm erklärte sich eine Gruppe aus privaten und geschäftlichen Kun-
den bereit, eine Reihe früher Versionen herunterzuladen und auszuprobieren. Anschließend
gaben die Mitglieder des Programms ein Feedback – so wurde Windows 10 in einem Ausmaß
perfektioniert, wie es noch bis vor wenigen Jahren bei Microsoft undenkbar gewesen wäre.10
Wenn neue Produkte konstruiert und entworfen werden, sollte darauf geachtet werden, dass
diese nicht nur den Verbraucherwünschen und -bedürfnissen entsprechen. Auch die betrieb-
lichen Belange effizienter Produktion sollten in die Planungen einbezogen werden. Häufig
entwerfen Unternehmen neue Produkte, ohne zu beachten, wie die Produktion stattfinden
soll, und fixieren sich lediglich darauf, die Wünsche der Käufer zu erfüllen. In den Ferti-
gungsabteilungen sollen Techniker dennoch optimale Lösungen für eine kostengünstige und
zuverlässige Produktion finden.

9.3.8 Testmarkterprobung
Sobald ein Produkt die funktionalen Tests und erste Konsumententests bestanden hat, folgt
die Erprobung auf einem Testmarkt, in dem das Produkt und das Marketingprogramm einer
annähernd realistischen Umgebung ausgesetzt werden.
Eine Testmarkterprobung gibt den Anbietern die Gelegenheit, Erfahrungen mit der Vermark-
tung des Produkts zu sammeln, noch bevor hohe Investitionen für einen umfassenden Markt-
eintritt getätigt werden müssen. Ein Testmarkt erlaubt es dem Unternehmen, sein gesamtes
Marketingprogramm für das neue Produkt in realen Marktsituationen zu testen. Dazu gehö-
ren die Positionierung, die Werbung, die Logistik, die Preissetzung, das Markenmanagement,
die Verpackung und die Budgetverteilung. Ein Testmarkt gibt Aufschluss darüber, wie Ver-
braucher und Händler auf die Handhabung und Anwendung der Produkte reagieren und ob
es zum Wiederkauf kommt. Ein geeigneter Testmarkt kann reichhaltige Informationen über
den zu erwartenden Erfolg von Produkt und Marketingprogramm liefern, die gewonnenen
Daten bilden die Basis für Absatz- und Gewinnprognosen.
Die Entscheidung, ob ein Unternehmen der Markteinführung eine Erprobung auf Testmärk-
ten vorausgehen lässt, ist für jedes Produkt neu zu treffen und hängt einerseits von den Kos-
ten und Risiken der Markteinführung ab und andererseits von den Kosten der Tests, dem
Zeitdruck und den Zeitlimits, die für die Markteinführung gelten. Es bedarf einer sorgfältigen
Abwägung aller Vor- und Nachteile. Die Kosten können enorm sein, und die Durchführung

10 Dina Bass und Ashlee Vance, „The new old Windows“, Bloomberg BusinessWeek, 3.–9. August 2015,
S. 32–33.

467
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

kann Zeit kosten, die es den Konkurrenten ermöglicht, mit ihren neuen Produkten aufzuho-
len. Wenn Entwicklungs- und Einführungskosten für ein neues Produkt relativ gering sind
oder die Geschäftsführung sehr zuversichtlich ist, dass das neue Produkt Erfolg haben wird,
könnte das Unternehmen ein eng eingegrenztes Testmarketing durchführen oder ganz darauf
verzichten. Geringfügige Modifikationen bestehender Produkte, Imitationen von Konkur-
renzprodukten oder Produktlinienergänzungen erfordern ebenfalls kein umfassendes Test-
programm.
Wenn jedoch die Einführung des neuen Produkts mit großen Investitionen verbunden ist
oder wenn die Geschäftsleitung von dem Produkt oder dem Marketingprogramm nicht über-
zeugt ist, sollte das Unternehmen die Möglichkeiten ausführlicher Tests nutzen.
Testmärkte können auch zur Erprobung innovativer Dienstleistungen verwendet werden.
Wenn beispielsweise eine Fluggesellschaft das Einchecken per Mobiltelefon plant, könnte
dieser Service zunächst auf inländischen Routen eingeführt werden, bevor er auf internatio-
nale Flüge ausgeweitet wird. Ebenso könnte das Angebot auf den am stärksten frequentierten
Routen oder nur mit Vielfliegern erprobt werden. Die Effektivität des Systems und die
Akzeptanz der Konsumenten kann so beobachtet werden, bevor die Entscheidung getroffen
wird, den Service auf das globale Flugnetz auszuweiten.
In der Praxis werden immer wieder Produkte und Marketingprogramme längere Zeit getestet,
dann zurückgezogen und verändert und mehrere Male nach Anpassungen und Veränderun-
gen erneut getestet, bevor sie schließlich endgültig eingeführt werden. Die Kosten der Erpro-
bung auf Testmärkten sind hoch, aber im Vergleich zu ernsthaften Fehlgriffen bei einer end-
gültigen Produkteinführung sind sie als niedrig anzusehen.
Je nach Produkt und Marktsituation kommen in der Praxis drei Arten von Testmärkten zum
Einsatz:
 Standard-Testmärkte
 Kontrollierte Markttests (Store-Tests)
 Marktsimulationen

Der Standard-Testmarkt
Auf einem Standard-Testmarkt wird das neue Produkt in Situationen getestet, die denen
einer vollen nationalen Markteinführung so weit wie möglich entsprechen. Das Unterneh-
men sucht eine kleine Anzahl repräsentativer Städte oder Regionen aus, in denen Händler
das neue Produkt in ihr Sortiment aufnehmen. Das Unternehmen führt in diesen Gebieten
eine umfassende Marketingkampagne mit Werbung und Sonderaktionen durch und setzt zur
Erfolgskontrolle Verbraucher- und Händlerumfragen sowie andere Maßnahmen ein. Die
Ergebnisse aus Statistiken und Umfragen dienen dazu, das nationale Verkaufsvolumen und
den Gewinn zu prognostizieren, eventuelle Schwächen des Produkts noch zu korrigieren
und das Marketingprogramm für die volle Produkteinführung zu optimieren.
Die Erprobung auf derartigen Testmärkten bringt gewisse Probleme mit sich:
 Die Erprobung dauert sehr lange, einige Testmarktphasen werden erst nach drei bis fünf
Jahren abgeschlossen.
 Eine umfangreiche Testmarkterprobung kann sehr teuer sein.
 Die offene Erprobung auf einem Testmarkt verrät Konkurrenten zu einem sehr frühen Zeit-
punkt die eigenen Absichten. Diese können das Ergebnis beeinflussen und verfälschen,
indem sie im entsprechenden Gebiet Preise senken, verstärkt Werbemaßnahmen durch-

468
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

führen oder sogar das Produkt aufkaufen. Durch Testmarkterprobung gewinnt die Konkur-
renz Zeit, Verteidigungsstrategien zu entwickeln oder mit eigenen Produkten nachzuzie-
hen.
In Großbritannien wurde das „Kaffeeweißer“-Produkt Carnation „Coffee Mate“ sechs Jahre
lang auf Testmärkten erprobt. Das warnte die konkurrierende Cadbury-Gruppe zunächst und
gab ihr dann die Gelegenheit, ein eigenständiges Produkt namens „Marvel“ noch rechtzeitig
zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Trotz dieser offensichtlichen Schwächen wird die Methode des Standard-Testmarkts häufig
angewendet. Heute jedoch gehen viele Unternehmen zu kontrollierten Testmärkten oder
Marktsimulationen über, da diese schneller und billiger durchzuführen sind.

Kontrollierter Markttest (Store-Test)


Viele Marktforschungsunternehmen unterhalten Panels von Geschäften und Konsumenten,
die bereit sind, an Testmarkterprobungen neuer Produkte mitzuarbeiten. Ein Unternehmen,
das ein neues Produkt anbieten möchte, gibt eine Anzahl von Geschäften und eine Region
vor, in der die Erprobung stattfinden soll. Das Marktforschungsunternehmen lässt das Pro-
dukt an die teilnehmenden Geschäfte ausliefern, legt die Regalplätze fest, trifft Werbemaß-
nahmen im Geschäft und gibt Preisfestlegungen vor. Die Verkaufszahlen des Produkts wer-
den daraufhin verfolgt, um die Auswirkung dieser Faktoren auf die Nachfrage zu ermitteln.
Die heute vorhandene Informationstechnik ermöglicht sehr genaue Systeme und Methoden.
Sie gestatten zum Beispiel folgende Konfigurationen:
 In bestimmten Testmarkt-Städten existiert eine Anzahl Haushalte mit vernetzten Fernseh-
geräten, welche die Werbefernsehgewohnheiten aufzeichnen. Gesehene Spots werden
direkt online an einen zentralen Rechner gemeldet. Sogar individuelle Werbespots werden
eingespeist, die nur in diesen Haushalten gesehen werden können
 Kooperierende Geschäfte führen die zu testenden Waren gewissermaßen „inkognito“ im
Sortiment (die Testhaushalte decken ihren gesamten Bedarf in diesen Geschäften). Die
Testhaushalte geben sich mittels einer elektronischen Codekarte zu erkennen, woraufhin
der gesamte Einkauf dokumentiert wird.
 Für die neuen Produkte entstehen so Verkaufsberichte, Woche für Woche, Geschäft für
Geschäft und in Abhängigkeit von einzelnen Werbemaßnahmen. Kaufhäufigkeit und Wie-
derholungskäufe werden hier ebenfalls registriert.
Diese Erprobungen auf kontrollierten und abgegrenzten kleinen Testmärkten sind deutlich
schneller durchzuführen und kosten in der Regel weniger als die realitätsnahen Tests auf
Standard-Testmärkten. Für eine Durchführung können etwa sechs Monate bis zu einem Jahr
angesetzt werden. Viele Unternehmen sind jedoch besorgt, dass durch die begrenzte Anzahl
von Städten und die Auswahl der Testhaushalte die Ergebnisse nicht repräsentativ sind.
Ähnlich wie bei Standard-Testmärkten wird auch hier die Konkurrenz relativ schnell auf das
neue Produkt aufmerksam und kann entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten. Dennoch
sind erfahrene Marktforschungsunternehmen in der Lage, die Ergebnisse eines solchen Test-
markts unter Berücksichtigung möglicher Verzerrungen auf den Gesamtmarkt hochzurech-
nen. In Deutschland betreibt das Marktforschungsunternehmen GfK einen solchen kontrol-
lierten Testmarkt, das GfK-BehaviorScan-Panel, in Hassloch in der Pfalz.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Marktsimulation
Die dritte Möglichkeit ist die Erprobung in einer Markt- beziehungsweise Kaufsimulation.
Einer Reihe von Versuchspersonen wird Werbung für eine größere Anzahl von Produkten
vorgeführt, darunter auch das neue Produkt, auf das sich der Test bezieht. Die Versuchsperso-
nen erhalten einen kleinen Geldbetrag und werden zu einem Einkauf eingeladen, entweder
in ein wirkliches Geschäft oder in ein entsprechend gestaltetes Testlabor, in denen sie ihr
Geld behalten oder ausgeben dürfen. Die Marktforscher zeichnen nun auf, wie viele der Ver-
suchspersonen das neue Produkt oder Konkurrenzprodukte kaufen. Eine Simulation dieser
Art zeigt auch, wie sich das neue Produkt und das dazu entworfene Marketingkonzept gegen
die etablierte Konkurrenz und ihr Marketing behaupten. Nach der Kaufentscheidung erfolgt
eine Befragung der Versuchspersonen darüber, warum sie bestimmte Produkte, darunter das
neue Produkt, gekauft oder nicht gekauft haben. Einige Wochen später werden die Versuchs-
personen telefonisch interviewt und über die Handhabung des neuen Produkts, die Zufrie-
denheit oder Unzufriedenheit und über die Wahrscheinlichkeit oder Absicht eines Wieder-
kaufs befragt. Aus diesen Marktsimulationen werden die zu erwartenden nationalen
Absatzzahlen hochgerechnet.
Solche Marktsimulationen vermeiden einige der Nachteile der anderen Methoden. Sie kosten
weniger, können in nur acht Wochen durchgeführt werden und das neue Produkt bleibt der
Konkurrenz noch verborgen. Andererseits ist aufgrund der kleinen Stichproben und des
simulierten Umfelds zu befürchten, dass diese Erprobungen nicht so aussagekräftig und
zuverlässig sind wie die größeren Tests, die unter realitätsnahen Bedingungen ablaufen. Den-
noch werden diese Marktsimulationen häufig durchgeführt, oft als Vortest vor größeren Test-
marktprojekten.
Die Vorteile solcher Marktsimulationen liegen auf der Hand:
 Sie sind zeitsparend und kostengünstig durchzuführen.
 Ein oder mehrere Tests können sehr schnell einen Eindruck darüber verschaffen, wie ein
neues Produkt und sein Marketingprogramm voraussichtlich aufgenommen werden.
 Wenn die Ergebnisse einer Marktsimulation sehr positiv ausfallen, kann riskiert werden,
das Produkt ohne weitere Tests auf dem Markt einzuführen.
 Sollten die Ergebnisse eines derartigen Vortests sehr negativ ausfallen, kann das Produkt
entweder aufgegeben oder grundlegend modifiziert und dann erneut getestet werden.
 Wenn das Ergebnis einige vielversprechende Tendenzen erkennen lässt, man sich aber
noch unsicher ist, können Produkt und Marketing zusätzlich mittels Standard-Testmarkt
oder kontrolliertem Testmarkt erprobt werden.
 Marktsimulationen können auch in virtuellen Geschäften durchgeführt werden. Für diese
Form der Marktforschung sprechen vor allem die geringeren Kosten und Zeitersparnisse
gegenüber herkömmlichen Methoden. Gerade bei Herstellern und Verkäufern von Kon-
sumgütern wird es immer mehr zum Standard, in der Marktforschung virtuelle Läden ein-
zusetzen. Richtig durchgeführt, vermitteln sie sogar ein präziseres Bild über spontane
Kaufentscheidungen und andere Kaufgewohnheiten. Virtuelle Ladensimulationen können
helfen, das Kundenverhalten im Laden zu verstehen und Geschäfte und Merchandising-
programme genau auf die Bedürfnisse der Kunden zuzuschneiden.

470
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

Markterprobung von Industriegütern


Für Industriegüter existieren die folgenden Möglichkeiten zur Markterprobung:
 Anwendungstests
 Präsentation auf Messen und Ausstellungen
 Präsentation in Ausstellungsräumen bei Werksvertretern oder Großhändlern
 Testmarkterprobung
Anwendungstests Der Anbieter wählt eine kleine Gruppe potenzieller Kunden, die das neue
Produkt für eine begrenzte Zeit einsetzen und erproben können. Die Ingenieure des Herstel-
lers beobachten, wie diese Kunden das Produkt nutzen und einsetzen. Sie lernen dabei, wel-
che Schulungs-, Betreuungs- und Servicebedürfnisse die Kunden in Zukunft haben werden.
Nach der Erprobungsphase werden die Kunden nach Kaufabsichten, aber natürlich auch
nach Kritik und Verbesserungsvorschlägen befragt.
Messen und Ausstellungen Messen und Ausstellungen bringen innerhalb weniger Tage eine
große Anzahl potenzieller Käufer zusammen. Wenn ein Anbieter dort ausstellt, kann er beob-
achten, wie die Fachleute der Branche sein Produkt beurteilen und darauf reagieren. Ein
Anbieter kann Kaufbereitschaft und Kaufinteresse nach einer solchen Messe besser einschät-
zen.
Ausstellungsräume bei Werksvertretungen oder Großhändlern Hier kann das neue Produkt
zwischen bereits eingeführten Produkten des Unternehmens oder auch zusammen mit Pro-
dukten der Konkurrenz präsentiert werden. Diese Methode hat den Vorteil, dass Äußerungen
potenzieller Käufer zu Kaufpräferenz und Preisakzeptanz in einer realitätsnahen und ent-
spannten Atmosphäre abgegeben werden.
Erprobung auf Testmärkten Auch industrielle Güter können auf Testmärkten erprobt wer-
den. Der Hersteller fertigt eine kleine Vorserie des Produkts und veranlasst die Verkaufsorga-
nisation, diese Produkte regional beschränkt zu verkaufen. In den Testregionen erfährt das
Produkt die volle Marketingunterstützung. Produkt und Marketingprogramm werden so
unter realen Bedingungen getestet.

9.3.9 Markteinführung
Die Erprobung auf Testmärkten liefert der Geschäftsleitung die notwendigen Informationen
für die Entscheidung, ob sie ein Produkt auf den Markt bringen soll. Eine umfassende Markt-
einführung geht mit enormen Kosten einher. Im Bereich der Konsumgüter können unter
Umständen im ersten Jahr mehrere Hundert Millionen Euro für Werbung, Verkaufsförderung
und weitere Marketingmaßnahmen angesetzt werden.
Auch entsprechende Produktionskapazitäten müssen bereitgestellt werden. Im Einzelfall
kann das den Aufbau, die Anmietung oder die Renovierung ganzer Fabrikanlagen bedeuten.
Es müssen ausreichende Finanzmittel vorhanden sein, um im Fall steigender Nachfrage die
Produktion auszuweiten oder zu beschleunigen, damit kein Freiraum für einen Markteintritt
der Konkurrenz entsteht.
Ein Unternehmen, das ein neues Produkt auf den Markt bringen möchte, sollte Entscheidun-
gen in vier Dimensionen treffen (siehe Tabelle 9.3).

471
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Wann? Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Produkteinführung?


Wo? Auf welchen Märkten soll die Produkteinführung stattfinden?
An wen? An wen richtet sich das neue Produkt?
Wie? Wie soll das Produkt eingeführt werden?
Tabelle 9.3: Die vier Dimensionen der Produkteinführung

Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Produkteinführung?


Zunächst muss überprüft werden, ob der vorgesehene Einführungszeitraum dem Produkt
angemessen und der Zeitpunkt optimal ist. Wenn zu befürchten ist, dass der Absatz anderer
Produkte des eigenen Unternehmens durch die Markteinführung sinken könnte, sollte diese
möglicherweise verschoben werden. Wenn ein Produkt noch entscheidend verbessert wer-
den kann, sollte ebenfalls überlegt werden, diesen Prozess noch vor der Markteinführung
zum Abschluss zu bringen.
Bestimmte Produkte (Eiscreme, Erfrischungsgetränke, Spielwaren) unterliegen im Absatz
starken saisonalen Schwankungen, die für eine erfolgreiche Markteinführung berücksichtigt
werden sollten. Befindet sich die Wirtschaft gerade in einem konjunkturellen Tief, sollte die
Markteinführung bei vielen Produkten gegebenenfalls erst zu Beginn einer Wachstumsphase
erfolgen.

Auf welchen Märkten soll die Produkteinführung stattfinden?


Als Nächstes muss das Unternehmen eine Entscheidung darüber treffen, ob das neue Produkt
zunächst nur auf einem lokalen oder regionalen Markt, auf mehreren Regionalmärkten
gleichzeitig oder sofort national, europa- oder weltweit eingeführt werden soll.
Nur wenige Unternehmen besitzen das Selbstvertrauen, das Kapital und die notwendigen
Kapazitäten für eine zeitgleiche Produkteinführung in mehreren Ländern. Die meisten
Anbieter planen daher eine zeitlich abgestufte Markteinführung. Mittelständische Unterneh-
men greifen sich häufig zunächst eine besonders attraktive Stadt als Ausgangsmarkt heraus,
in der sie eine Kampagne mit allen zur Verfügung stehenden Kräften durchführen, um auf
diesem Markt Fuß zu fassen. Auf die gleiche Weise könnten sie sich Schritt für Schritt, Stadt
für Stadt vorarbeiten. Größere und finanzkräftigere Unternehmen können ihre Produkte in
einer größeren Region (zum Beispiel einem oder mehreren Bundesländern) einführen und
dann in weitere Regionen expandieren.
Großunternehmen mit nationalem Vertriebsnetz führen ein neues Produkt meistens zum glei-
chen Zeitpunkt in einem ganzen Land ein. Ein Beispiel dafür ist die Einführung eines neuen
Automodells durch einen der großen Hersteller.
International tätige Unternehmen streben häufig die Einführung neuer Produkte möglichst
zeitnah und kurz aufeinanderfolgend auf allen bedienten Märkten an. Apple führte sein ers-
tes Modell des iPhone in Amerika im Juni 2007 ein, im Herbst in Europa und Anfang 2008 in
Asien. Noch schneller agiert mittlerweile Procter & Gamble. Ursprünglich hatte Procter &
Gamble seine Produkte zunächst auf dem US-Markt eingeführt. Wenn sie sich dort als erfolg-
reich erwiesen hatten, führte man sie Schritt für Schritt auf Auslandsmärkten ein. Procter &
Gamble musste jedoch erkennen, dass die dort ansässigen Wettbewerber zwischenzeitlich
ähnliche Produkte entwickelt und eingeführt hatten. Um diesen zuvorzukommen, wurde mit
einer neuen „Pampers“-Windel erstmals eine globale Markteinführung organisiert. Alle

472
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

wichtigen Märkte wurden innerhalb eines Monats nach der Einführung auf dem US-Markt
mit dem neuen Produkt bedient. Innerhalb von zwölf Monaten sollte das neue Produkt auf 90
Exportmärkten verfügbar sein. Das derart zügige Vorgehen überrumpelte die ausländische
Konkurrenz und stärkte die Position der jeweiligen Marke von Procter & Gamble, bevor die
nationalen Anbieter ihre Position aufbauen konnten. Procter & Gamble hat inzwischen bei
zahlreichen neuen Produkten die Markteinführung nach diesem Schema durchgeführt.

An wen richtet sich das neue Produkt?


Innerhalb der neu bedienten Märkte sollten sich Werbemaßnahmen und Absatzförderung
explizit an diejenigen Kundengruppen richten, die wirtschaftlich die besten Aussichten bie-
ten. Dazu sollten die wichtigsten Neukunden bereits in vorangegangenen Marktforschungs-
und Testmarktphasen identifiziert worden sein.
Die Marketinganstrengungen gilt es zielbewusst zunächst auf Innovatoren, auf intensive Nut-
zer und auf Meinungsführer auszurichten. Die Gruppe der Meinungsführer ist besonders
wichtig, da ihre Meinung über das neue Produkt einen spürbaren Einfluss auf viele andere
Kaufinteressenten ausübt.

Wie soll das Produkt eingeführt werden?


Das Unternehmen muss einen Aktionsplan für die Markteinführung des neuen Produkts
erstellen. Das bereitgestellte Marketingbudget ist auf die Elemente des Marketing-Mix und
weitere Aktivitäten zu verteilen.

9.3.10 Das Management des Innovationsprozesses


Das Management von Neuproduktentwicklungen
Der Prozess von Neuproduktentwicklungen (vgl. Abbildung 9.2) hebt die zentralen Aktivitä-
ten hervor, die benötigt werden, um neue Produkte zu finden, zu entwickeln und auf den
Markt zu bringen. Die Entwicklung neuer Produkte erfordert jedoch mehr als nur eine feste
Abfolge von Schritten. Es gilt vielmehr einen ganzheitlichen Ansatz zu entwickeln, um die-
sen Prozess zu managen. Die erfolgreiche Entwicklung neuer Produkte erfordert Kundenori-
entierung, Teamarbeit und eine grundlegende Struktur.

Kundenorientierung in der Produktentwicklung


Die Entwicklung neuer Produkte sollte vor allem kundenorientiert erfolgen. Bei der Suche
und Entwicklung von neuen Produkten verlassen Unternehmen sich allzu häufig auf die
Technik und die Forscher in ihren F&E-Laboren. Aber wie viele andere Prozesse im Marke-
ting beginnt auch die erfolgreiche Entwicklung neuer Produkte mit einem tiefgehenden Ver-
ständnis dessen, was Kunden brauchen und wertschätzen. Die kundenzentrierte Entwick-
lung neuer Produkte fokussiert auf die Suche nach neuen Wegen, um Kundenprobleme zu
lösen und zufriedenstellende Kundenerfahrungen zu schaffen.
Einer Studie zufolge sind die erfolgreichsten neuen Produkte vor allem jene, die sich von
anderen unterscheiden, wichtige Probleme der Kunden lösen und einen hohen Kundenwert
bieten. Folglich verlassen heute innovative Unternehmen bei der Suche nach neuen Produk-
ten, egal ob Badreiniger oder Flugzeugmotoren, ihre Forschungslabore und arbeiten bei der
Suche nach neuem Kundenwert eng mit ihren Kunden zusammen.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Was es bedeutet, den Kundenbezug zu verlieren, erfuhr der Spielzeughersteller LEGO am


eigenen Leib und erlitt Verluste von bis zu 234 Millionen Euro jährlich. Ein Grund dafür war,
dass klassisches Spielzeug wie LEGO-Steine mehr und mehr von Internet- und Videospielen
auf Computern, Handys und anderen Hightech-Spielzeugen verdrängt wurde.
Um diesem Trend entgegenzuwirken, suchte das Unternehmen aktiv den Kundenkontakt,
hörte zu, was die Kinder wirklich wollten, und lernte sie besser kennen. Angestellte ver-
brachten viel Zeit mit Kindern in deren eigenem Umfeld und erlebten einige „Aha!“-
Momente, welche viele der bisherigen Vorstellungen und Prinzipien infrage stellten. Eines
davon war das Motto „die Dinge einfach zu halten“. Von Beginn an bot das Unternehmen nur
grundlegende Elemente an – Bausteine, Basisplatten, Türen, Fenster, Dachziegel – aber kaum
Anweisungen, was man damit tun sollte. Man wollte so die Kreativität und Vorstellungskraft
der Kinder fördern, aber in den heutigen Zeiten greift dieses Konzept nicht mehr. Kinder
langweilen sich heute schnell und in einer sich schnell wandelnden Welt sind sie vielen
Charakteren und Motiven ausgesetzt. LEGO reagierte darauf und entwickelte spezifischere,
durchstrukturierte Produkte. Dank dieser kundenorientierten Anpassungen konnte Lego
Umsatz und Gewinn in den Folgejahren deutlich steigern.

Teambasierte Entwicklung neuer Produkte


Viele Unternehmen haben die Entwicklung neuer Produkte in einer Abfolge von Schritten
organisiert (vgl. Abbildung 9.2). Sie starten mit der Strategieentwicklung und enden bei der
Markteinführung. Jede Abteilung des Unternehmens schließt zunächst ihre Aufgabe ab,
bevor die Entwicklungsaufgabe an eine andere Abteilung für den nächstfolgenden Entwick-
lungsschritt weitergereicht wird. Dieses Vorgehen kann dazu beitragen, Übersicht und Kon-
trolle über riskante oder komplexe Entwicklungsvorhaben zu behalten. Das Verfahren kann
aber auch gefährlich langsam sein. In wettbewerbsintensiven und dynamischen Märkten
können so Marktanteile und Gewinne an schnellere Konkurrenten verloren gehen.
Einige Anbieter haben deshalb nach Wegen gesucht, ihre neuen Produkte so schnell wie
möglich auf den Markt zu bringen. Sie haben die sukzessive Vorgehensweise durch die
schnellere und flexiblere simultane Produktentwicklung ersetzt. Bei dieser Methode arbeiten
alle beteiligten Abteilungen gleichzeitig und koordinieren ihre Teilaufgaben untereinander.
Die gesamte Entwicklungszeit entspricht nicht mehr der Summe des Zeitbedarfs für die ein-
zelnen Aufgaben, sondern grundsätzlich dem Zeitraum, den die komplexeste Teilaufgabe
benötigt.
Bei einer simultanen Produktentwicklung werden multidisziplinäre Entwicklungsgruppen
gebildet und einzelne Entwicklungsaufgaben parallelisiert, um Zeit zu sparen und die Effek-
tivität des Prozesses zu erhöhen. Eine solche Produktentwicklungsgruppe, die sich zusam-
mensetzt aus Mitgliedern betrieblicher Funktionsbereiche wie Marketing, Finanzwesen,
Design, Recht und Produktion, zum Teil auch unter Einbeziehung wichtiger Zulieferer oder
Firmenkunden, soll ein neues Produkt von der Idee bis zur Produkteinführung begleiten.
Während im sequenziellen Prozess ein Engpass in einer Phase den ganzen Prozess verzögern
oder stoppen kann, wäre die Gruppe im simultanen Entwicklungsprozess in diesem Fall in
der Lage weiterzuarbeiten, während die jeweilige Abteilung das Problem löst.
Die Unternehmensleitung setzt der Gruppe generelle strategische Vorgaben, gibt jedoch kei-
nen Arbeitsplan vor. Sie fordert die Entwicklungsgruppe möglicherweise durch hohe und
scheinbar widersprüchliche Ziele, wie z.B. „Entwickeln Sie ein sorgfältig geplantes und
überlegenes neues Produkt, und zwar in kürzester Zeit“ und stellt dem Team alle nötigen
Freiräume und Ressourcen zur Verfügung, um die Herausforderung zu bewältigen.

474
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9.3 Der Prozess der Entwicklung neuer Produkte

Doch auch der Ansatz der simultanen Entwicklung hat seine Grenzen. Eine extrem beschleu-
nigte Produktentwicklung kann sich als riskanter und kostspieliger erweisen als der konven-
tionelle, ruhiger und überlegter verlaufende Prozess. Sie kann organisatorische Spannungen
und Verwirrung hervorrufen. Zudem besteht das Risiko, dass eine verkürzte Entwicklungs-
phase die Qualität des Produkts beeinträchtigt. In sehr dynamischen Branchen mit ohnehin
kurzen Produktlebenszyklen überwiegen jedoch die Vorteile einer schnellen und flexiblen
Produktentwicklung bei Weitem die Risiken. Unternehmen, die neue oder verbesserte Pro-
dukte schneller als die Konkurrenz auf den Markt bringen, können entscheidende Wettbe-
werbsvorteile erringen. Sie sind in der Lage, schneller auf Geschmacksänderungen der Käu-
fer zu reagieren und können dadurch Preisaufschläge für ihre überlegenen Produkte
durchsetzen.

Systematische Entwicklung neuer Produkte


Schließlich sollte der Entwicklungsprozess neuer Produkte nie willkürlich, sondern immer
ganzheitlich und systematisch sein. Andernfalls werden nur wenige neue Ideen an die Ober-
fläche treten und viele gute vergessen. Um dies zu vermeiden, kann ein Unternehmen ein
Innovationsmanagementsystem einrichten, das neue Produktideen sammelt, begutachtet,
auswertet und managt.
Das Unternehmen kann eine angesehene Führungspersönlichkeit als Innovationsmanager
einsetzen. Es kann eine webbasierte Software für das Ideenmanagement nutzen und sämt-
liche Anspruchsgruppen des Unternehmens – Mitarbeiter, Lieferanten, Vertriebspartner und
Händler – einladen, sich bei der Suche und Entwicklung neuer Produkte einzubringen. Fer-
ner kann es ein abteilungsübergreifendes Innovations-Management-Komitee bestimmen, um
neue Produktvorschläge zu bewerten und gute Ideen auf den Markt zu bringen. Durch den
Einsatz von Förderprogrammen können dann die Schöpfer der besten Ideen belohnt werden.
Mit einem Innovationsmanagementsystem erreicht man zwei erstrebenswerte Ergebnisse.
Erstens hilft es, eine innovationsorientierte Unternehmenskultur zu schaffen, die zeigt, dass
Innovation durch die Führungsspitze klar unterstützt, gefördert und honoriert wird. Zwei-
tens führt es zu einer größeren Anzahl neuer Produktideen. Die besten Ideen werden dann
systematisch weiterentwickelt, sodass es auch mehr Erfolge bei neuen Produkten gibt.
Der Erfolg neuer Produkte erfordert jedoch mehr, als sich nur gute Ideen auszudenken, sie in
Produkte zu verwandeln und Kunden dafür zu finden. Er erfordert einen ganzheitlichen
Ansatz für neue Wege, um wertvolle Kundenerfahrungen zu kreieren – von der Schaffung
und Prüfung neuer Produktideen bis hin zur Herstellung und zum Verkauf von Produkten,
die den Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Mehr noch: Die erfolgreiche Entwicklung
neuer Produkte erfordert die Beteiligung des gesamten Unternehmens. Firmen, die für die
Stärke ihrer neuen Produkte bekannt sind, wie Google, Apple, Reckitt-Benckiser, IDEO, 3M
und P&G, pflegen eine Gesamtkultur, die Innovation unterstützt und belohnt.
So investiert ein hochinnovatives Unternehmen auch kontinuierlich in die Weiterbildung
seiner Mitarbeiter, um deren Innovationswillen und -fähigkeit aufrechtzuerhalten. Zudem
empfiehlt es sich, diejenigen Mitarbeiter auszuzeichnen, die gegen vielfältige Widerstände
Projekte zum Erfolg geführt haben. Da Innovation stets mit Risiken verbunden ist, kann man
mit Planungs-, Steuerungs- und Anreizsystemen ein unternehmerisches Klima und eine Kul-
tur schaffen, in der das Eingehen von kalkulierten Risiken belohnt und gegenüber einer strik-
ten Risikovermeidung bevorzugt wird.

475
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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Der Erfolg von Produktentwicklungen beruht also nicht nur auf einer speziellen organisatori-
schen Struktur. Es kommt vielmehr darauf an, dass sich die Unternehmensleitung mit der
Aufgabe der Innovation identifiziert und der stetigen Produkterneuerung Priorität einräumt.
Die Vision der Innovation muss an Mitarbeiter aller Ebenen des Unternehmens weitergege-
ben und von diesen verinnerlicht werden. Die Unternehmensleitung sollte jedoch nicht nur
die entsprechenden Werte vermitteln, sie muss auch angemessene Mittel und Ressourcen für
Produktinnovationen bereitstellen. Auch das Informations- und Kommunikationssystem des
Unternehmens sollte so beschaffen sein, dass es Lernprozesse ermöglicht und allen Beteilig-
ten des Entwicklungsprozesses Zugriff auf relevante Informationen gewährt.

Neuproduktentwicklung in turbulenten Zeiten


In wirtschaftlich schwierigen Zeiten oder bei finanziellen Problemen des Unternehmens
kann das Management geneigt sein, die Ausgaben für neue Produktentwicklungen zu kürzen.
Ein solcher Ansatz ist jedoch in der Regel zu kurzsichtig. Mit Kürzungen für neue Produkte
wird das Unternehmen während oder nach der wirtschaftlichen Krise weniger konkurrenz-
fähig. Schwierige Zeiten können sogar Anlass für eine Stärkung der Neuproduktentwicklung
sein, da das Unternehmen sein Marktangebot an die sich verändernden Kundenbedürfnisse
und Geschmäcker anpassen muss. In schwierigen Zeiten sind Innovationen eher von Vorteil
für die Konkurrenzfähigkeit und die bessere Positionierung des Unternehmens für die
Zukunft.
Unternehmen wie Apple, Google, Samsung und Amazon halten den Innovationsfluss in wirt-
schaftlich schlechten Zeiten aufrecht. So hat Apple seine Verkaufsschlager iPod, iPhone und
iTunes mitten in einer Krise vor mehr als zehn Jahren entwickelt. Diese Innovationen haben
das Unternehmen nicht nur gerettet, sie haben es in das innovative Kraftwerk verwandelt,
das es heute ist. P&G brachte zwei seiner erfolgreichsten (und teuersten) neuen Produkte, den
Swiffer (ein innovatives Haushalts-Reinigungssystem) und Crest Whitestrips (zur Zahnauf-
hellung), in Phasen der Rezession heraus. Ob die Bedingungen nun günstig sind oder nicht,
die Zeiten gut oder schlecht, ein Unternehmen muss Innovation betreiben und neue Pro-
dukte entwickeln, wenn es wachsen und gedeihen will.
Nachdem wir uns mit der Herausforderung beschäftigt haben, neue Produkte zu finden und
zu entwickeln, werden wir nun erörtern, wie man sie während ihres Lebenszyklus managt.

9.4 Der Produktlebenszyklus


9.4.1 Das theoretische Konzept Produktlebenszyklus
Nach der Entwicklung und erfolgreichen Markteinführung liegt die Herausforderung der
Unternehmensleitung darin, zu gewährleisten, dass sich das Produkt lange und erfolgreich
am Markt behauptet. Ein Produkt wird sich in der Regel nicht unendlich lang verkaufen las-
sen, es soll jedoch einen ausreichenden Gewinn erzielen, der die Bemühungen und die Risi-
ken der Entwicklung und Markteinführung überkompensiert. Jedes Produkt unterliegt einem
typischen Lebenszyklus, dessen Länge und genauer Verlauf im Voraus jedoch nicht bekannt
sind.
Abbildung 9.3 zeigt einen typischen Produktlebenszyklus, der die Veränderung von Absatz
und Gewinn über die Lebensdauer eines Produkts darstellt. Der Produktlebenszyklus unter-
teilt sich in fünf Phasen:

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9.4 Der Produktlebenszyklus

Absatz
und Gewinn

Absatzkurve

Gewinnkurve

0
Zeit

Entwicklung
des Produkts Markt- Wachstum Reifephase Degeneration
einführung

Verluste
Abbildung 9.3: Der Produktlebenszyklus

 Entwicklung des Produkts Das Stadium der Produktentwicklung beginnt, wenn das
Unternehmen eine Idee für ein neues Produkt entwickelt hat und sich entschließt, das
Produkt herzustellen. Während der Entwicklungsphase entstehen noch keine Verkaufser-
löse, das Unternehmen hat jedoch erhebliche Kosten.
 Markteinführungsphase Die Markteinführung ist eine Phase, in welcher der Absatz lang-
sam wächst, während das Produkt eingeführt wird. Gewinne entstehen noch nicht, da die
Markteinführung des Produkts hohe Kosten verursacht.
 Wachstumsphase Während des Wachstums kommt es zur schnellen Akzeptanz des Pro-
dukts am Markt, der Absatz steigt deutlich an und Gewinne werden erzielt.
 Reifephase In dieser Phase verlangsamt sich das Wachstum, da jetzt so gut wie alle poten-
ziellen Kunden gekauft haben. Die Gewinne geraten unter Druck, da nun die Marke-
tingaufwendungen wieder steigen, um das Produkt gegen die Konkurrenz und gegen Imit-
ationen zu verteidigen.
 Degenerationsphase In dieser Phase geht der Absatz zurück und die Gewinne fallen. In
vielen Fällen läuft das Produkt aus, um durch einen Nachfolger ersetzt zu werden.
Nicht alle Produkte folgen zwangsläufig dieser Grundform des Produktlebenszyklus. Einige
Produkte werden eingeführt und verschwinden schnell, ohne alle Stadien zu durchlaufen.
Andere Produkte verbleiben sehr lange Zeit im Reifestadium oder können nach Eintritt in die
Degenerationsphase durch eine Überarbeitung des Marketing-Mix, einen sogenannten
Relaunch, in eine erneute Wachstumsphase gebracht werden. Es hat zudem den Anschein,
dass eine gut geführte Marke prinzipiell ewig leben kann. Marken wie Coca- Cola, Persil,
Nivea oder Guinness bestehen und florieren seit vielen Jahrzehnten, Guinness sogar schon
seit über 250 Jahren.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Markteinführungs- Wachstums- Degenerations-


Reifephase
phase phase phase
Absatz niedrig starke Zunahme Höhepunkt des fallend
Absatzes
Kosten pro hoch durchschnittlich niedrig niedrig
Verkaufseinheit
Gewinnsituation Verlust Gewinn steigend hohe Gewinne Gewinn sinkt wieder
Kundenprofil Innovatoren frühe Adopter große Mehrheit Nachzügler
Konkurrenten wenige zunehmend Kon- Konkurrenz hat sich auch die Konkur-
kurrenz etabliert renz zieht sich
zurück
Marketingziele Produktbekanntheit Marktanteil ver- Gewinn maximie- Ausgaben minimie-
steigern, Erstkäufe größern ren, dabei den ren, maximale Ent-
anregen Marktanteil vertei- nahmen realisieren
digen

Strategien
Produkt Basisprodukt anbieten Varianten anbie- Marke und Ausfüh- Produktpalette
ten, mehr Kunden- rungen diversifizie- reduzieren
dienst, Garantie ren
usw.
Preis kostenorientierter Preis Preis senken, um Reaktion auf Preis- Preisreduzierung
hohen Marktan- senkung der Kon-
teil zu erreichen kurrenz
Vertriebsnetz selektiver Vertrieb intensiven Vertrieb Intensivierung noch- Selektion: aus Kos-
aufbauen mals verstärken tengründen nur leis-
tungsfähige Partner
behalten
Werbung Produktbekanntheit Produktbekannt- Produktmerkmale auf ein Minimum
beim Handel und den heit auch auf den und Produktnutzen reduzieren, um die
frühen Adoptern her- Massenmärkten besonders hervorhe- loyalen Kunden zu
stellen herstellen ben halten
Verkaufsförde- mit Verkaufsförderung Verkaufsförde- mehr Verkaufsförde- auf unbedingt not-
rung und Sonderaktionen rung zurückneh- rung, um zum wendige Aktionen
zum Testkauf animie- men und starke Wechsel zu ermuti- reduzieren
ren Nachfrage aus- gen
nutzen
Tabelle 9.4: Merkmale, Ziele und Strategien im Verlauf der Phasen des Produktlebenszyklus

Das Konzept des Produktlebenszyklus kann auf ganze Produktklassen (zum Beispiel Autos mit
Benzinmotoren), auf eine Produktform (zum Beispiel Cabriolets), auf ein bestimmtes Modell
(VW Golf) oder auf ein einzelnes Produkt angewendet werden. Die Anwendungen des Produkt-
lebenszykluskonzepts auf eine Produktklasse, eine Produktform oder ein Einzelprodukt brin-
gen unterschiedliche Ergebnisse hervor. Produktklassen haben typischerweise die längsten
Produktlebenszyklen. Viele Produktklassen verbleiben über lange Zeiträume im Reifestadium.

478
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9.4 Der Produktlebenszyklus

Produktformen haben häufiger den typischen Verlauf eines Produktlebenszyklus. Als Beispiel
können das Wählscheibentelefon oder die Schallplatte dienen: Diese Produkte durchliefen
einen normalen Produktlebenszyklus mit Entwicklungsphase, Markteinführung, Wachstum-
sphase, Reifephase und Degeneration. Der spezifische Produktlebenszyklus einer einzelnen
Marke oder eines Produkts kann aufgrund von Angriffen oder Reaktionen der Konkurrenz sehr
schnellen Veränderungen unterworfen sein. Während beispielsweise Zahnpflegeprodukte (als
Produktklasse) und Zahnpasta (Produktform) sehr lange Produktlebenszyklen genießen, tau-
chen einzelne Zahnpastamarken am Markt auf und verschwinden schnell wieder, ihr Produkt-
lebenszyklus ist kurz.
Auch auf Stile, Moden oder Trends kann das Konzept des Produktlebenszyklus angewandt
werden. Ihre besonderen Lebenszyklen sind in Abbildung 9.4 dargestellt. Als Stil bezeichnet
man übergeordnete künstlerische, handwerkliche oder historische Ausdrucksformen wie
zum Beispiel bei Möbeln und Architektur (viktorianisch, Jugendstil, Moderne), in der Klei-
dung (Business-Kleidung, Freizeitkleidung, Trachten) oder in der Kunst. Wenn sich einmal
ein Stil gebildet hat, kann er über Generationen Gültigkeit behalten, er unterliegt dann meis-
tens kleineren Schwankungen von Desinteresse und erneutem Interesse.
Brompton, der in London ansässige Hersteller von Falträdern, hat z.B. bei Pendlern in vielen
englischen Städten sowie in Deutschland, Hongkong, Singapur, Japan und den Vereinigten
Staaten einen Kult ausgelöst und verkauft jährlich etwa 45.000 Exemplare. Das Rad, das ein
unverwechselbares Design hat, kann mit wenigen Handgriffen zusammengeklappt werden.
Dabei ist es weniger bei enthusiastischen Radfahrern beliebt als bei Berufspendlern in den
Städten, die des öffentlichen Nahverkehrs und der angespannten Verkehrslage vielerorts
überdrüssig sind. Bei seinen Nutzern hat das Faltrad zu einer fast fanatischen Loyalität und
einer starken Identifizierung innerhalb dieser Gruppe geführt.11
Eine Mode ist ein für kurze Zeit akzeptierter oder populärer Stil auf einem bestimmten
Gebiet. Die Grundtendenz der Bekleidungsmode pendelt über die Jahre meistens hin und
her, zwischen eng und weit, lang und kurz, hell und dunkel und bunt oder einfarbig. Als
Mode durchläuft sie viele Stadien. Zunächst lassen sich einige wenige Kaufinteressenten von
etwas begeistern, das ihnen besonders schick vorkommt. Es folgen andere, häufig in dem
Wunsch, die Führenden zu imitieren. Jetzt wird die neue Mode langsam populär und vom
Massenmarkt aufgenommen. Die Führungsgruppe sieht sich jetzt schon nach Neuem um. In
dem Moment, wo die Mode endlich weitverbreitet ist, beginnt ihr Abstieg. Für Modetrends
lässt sich vorhersagen, dass sie langsam wachsen, für eine bestimmte Zeit sehr beliebt sind
und dann langsam wieder verschwinden. Mit dem Produktlebenszyklus lässt sich diese Ent-
wicklung einfach und übersichtlich darstellen.

11 Brendan Greeley, „Into the fold“, Bloomberg BusinessWeek, 3. April 2014, S. 83–85.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Stilrichtung Mode Trend


Umsatz

Umsatz

Umsatz
Zeitablauf Zeitablauf Zeitablauf
Abbildung 9.4: Produktlebenszyklen für Stil, Mode und Trends

Trends sind Moden, die sehr kurzfristig eingeführt werden, schnell an Akzeptanz gewinnen,
früh ihren Höhepunkt erreichen und entsprechend schnell wieder aus der Mode kommen. Sie
sind oft kurzlebig und nur unter bestimmten Gruppen verbreitet. Meist haben Trends einen
gewissen Neuheitscharakter, wie beispielsweise der „Rubik’s Zauberwürfel“, Yo-Yos oder Bub-
ble Tea. Auch die 1997 erschienenen elektronischen Haustierchen namens „Tamagotchi“ gehö-
ren in diese Kategorie. Junge Leute, Jugendliche, Kinder und alle, die nach Abwechslung oder
Aufregung suchen, springen auf einen solchen Zug auf. Die Produkte selbst überleben nicht
lange, da sie nicht darauf ausgelegt sind, starke oder andauernde Bedürfnisse zu befriedigen.
Das Konzept des Produktlebenszyklus dient in der Praxis häufig als Erklärungsrahmen, um zu
beschreiben, wie sich Produkte und Märkte mit der Zeit wandeln. Als Grundlage für die Vor-
hersage der Erfolgsaussichten eines Produkts oder zur Entwicklung einer Marketingstrategie
eignet sich das Konzept nur bedingt. In der Regel lässt sich nicht identifizieren, in welcher
Phase des Lebenszyklus sich das Produkt zum aktuellen Zeitpunkt befindet, wann der Über-
gang in das nächste Stadium stattfinden wird und welche Kräfte das Produkt im Produktle-
benszyklus voranbringen. In der Praxis ist es sehr schwierig, konkrete Absatzzahlen, die Länge
der einzelnen Stadien und die Form der Kurve vorherzusagen. Zur Entwicklung einer Marke-
tingstrategie kann das Konzept nur unter Vorbehalt verwendet werden, da eine solche Strategie
sowohl die Ursache als auch das Ergebnis des konkreten Lebenszyklus eines Produkts darstellt.
Sind diese Einschränkungen bekannt und werden entsprechend sie respektiert, kann das
Konzept des Produktlebenszyklus allerdings unterstützend angewendet werden, um Marke-
tingstrategien zu entwickeln und umzusetzen.
Allerdings sollten Marketingverantwortliche ihre Produkte nicht blind durch die traditionel-
len Etappen der Produktlebenszyklen schieben. So erklärt ein Marketingexperte: „Solange
Vermarkter instinktiv an dem alten Lebenszyklus-Paradigma festhalten, werden sie ihre Pro-
dukte unnötigerweise dem Schicksal übergeben, der Alterungskurve zu folgen und in die
Reife- und Degenerationsphase zu gelangen.“ Kluge Marketingverantwortliche widersetzen
sich daher den alten „Regeln“ des Lebenszyklus und positionieren ihre Produkte auf unge-
wöhnliche oder besondere Weise. „Dadurch kann man Produkte vor dem Absturz in die Rei-
fephase retten und sie zurück in die Wachstumsphase holen. Andererseits lassen sich auch
neue Produkte nach vorn in die Wachstumsphase katapultieren, indem man Hindernisse
beseitigt, die die Akzeptanz der Kunden beeinträchtigen könnten.“
Nachdem wir uns die Lebenszyklusphase der Produktentwicklung angeschaut haben,
betrachten wir im Folgenden Strategien für jede der übrigen Lebenszyklusphasen.

480
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9.4 Der Produktlebenszyklus

9.4.2 Die Einführungsphase


Die Einführungsphase beginnt, wenn das neue Produkt erstmals auf dem Markt vorgestellt wird.
Eine Markteinführung fordert ihre Zeit, und der Absatz wächst nur zögernd. Zahlreiche Produkte
wie zum Beispiel Tiefkühlkost oder HDTV befanden sich zunächst viele Jahre auf einem Niveau
geringer Verkaufszahlen, bis eines Tages der Übergang in die Phase des Wachstums gelang.
Im Vergleich zu den anderen Phasen sind die Gewinne hier negativ (Verlust) oder sehr nied-
rig, da bei geringem Absatz hoher Aufwand für Vertrieb und Werbemaßnahmen betrieben
wird. Große Summen werden investiert, um den Händlern Lager an Verkaufsware vorzufi-
nanzieren. Durch hohen Werbeeinsatz sollen die Verbraucher über das neue Produkt infor-
miert und zum Ausprobieren animiert werden, manchmal mit kleinen Produktproben. In
diesem Stadium ist der Markt noch nicht aufgeschlossen für Produktdifferenzierungen,
daher werden das Unternehmen ebenso wie seine wenigen Konkurrenten, lediglich Grund-
versionen des Produkts anbieten. Die Unternehmen konzentrieren ihre Aktivitäten auf jene
Kaufinteressenten, von denen angenommen wird, dass sie am ehesten kaufen werden – in
der Regel Gruppen mit höherem Einkommen. Für völlig neue Technologien sind Unterneh-
men oder berufliche Nutzer zumeist die ersten Zielgruppen des Marketings.
Für die Markteinführung eines neuen Produkts hat ein Unternehmen die Auswahl zwischen
mehreren Marketingstrategien. Es kann für die verschiedenen Variablen des Marketings wie
Preis, Kommunikation, Vertrieb und Produktqualität ein hohes oder ein niedriges Niveau
vorgeben.
Ein Unternehmen kann beispielsweise eine Skimming-Strategie wählen und die Nachfrage des
Markts abschöpfen, indem es einen hohen Einführungspreis setzt und geringere Ausgaben für
die Werbung vornimmt. Der hohe Preis gewährleistet hohe Stückgewinne, die geringen Werbe-
ausgaben lassen das Unternehmen zunächst mit einem kleinen Marketingbudget auskommen.
Eine derartige Strategie ist sinnvoll, wenn das Marktvolumen ohnehin begrenzt ist, wenn die
meisten Kaufinteressenten das Produkt kennen und bereit sind, einen hohen Preis zu bezahlen
(bei diesem Typ Kaufinteressent handelt es sich um den „Innovator“). Außerdem sollte die Kon-
kurrenz nicht umgehend in den Markt eintreten können. Wenn jedoch die Mehrheit der Ver-
braucher auf diesem beschränkten Markt das Produkt nicht kennt oder nur sehr wenig über die
Produktinnovation weiß, ist ein hohes Werbebudget nötig. Die Strategie „hoher Preis/intensive
Werbung“ hat den Vorteil, dass das Unternehmen den Teil der Nachfrage, der preisunempfind-
lich ist, früh erreicht und ihn zu hohen Preisen beliefern kann.
Eine andere Alternative der Markteinführung ist die Strategie, ein neues Produkt mit einem
niedrigen Preis und mit hohem Werbeaufwand einzuführen. Diese sogenannte Penetrations-
strategie verspricht eine schnelle Marktdurchdringung und den Aufbau eines großen Markt-
anteils. Diese Strategie empfiehlt sich, wenn viele potenzielle Käufer preissensibel reagieren
und das Produkt nicht kennen, wenn starke Konkurrenz am Markt herrscht und wenn die
Produktionskosten mit wachsenden Stückzahlen sinken. Eine Variante ist die Markteinfüh-
rung mit niedrigem Preis, aber auch niedrigen Werbeausgaben. Sie kann gewählt werden,
wenn die Kaufinteressenten preisbewusst reagieren, aber das Unternehmen die Kosten der
Markteinführung wegen Ressourcenbeschränkungen niedrig halten muss.
Ein Unternehmen muss seine Markteinführungsstrategie in Übereinstimmung mit der beab-
sichtigten Produktpositionierung entwerfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es die Rolle
des Marktpioniers übernommen hat. Die Eintrittsstrategie stellt lediglich den ersten Schritt
eines umfassenden Marketingplans für den gesamten Produktlebenszyklus dar. Dem Unterneh-
men sollte bewusst sein, dass es mit einer Strategie, die kurzfristig hohe Gewinne verspricht,

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

eventuell nachhaltige spätere Gewinne und Stabilität aufs Spiel setzt. Während das Produkt
die einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus durchläuft, müssen Preis, Kommunikation und
andere Marketinginstrumente kontinuierlich angepasst werden. Ein Pionier besitzt die besten
Aussichten, eine Marktführerschaft aufzubauen und zu halten, wenn er von Anfang an syste-
matisch vorgeht und seine Strategie für den gesamten Produktlebenszyklus plant.

9.4.3 Die Wachstumsphase


Wenn ein neues Produkt Bedürfnisse des Markts befriedigt oder zuvor unbekannte Bedürf-
nisse hervorruft, wird es bald in die Wachstumsphase eintreten, in dem der Absatz rapide
steigt. Die frühen Adopter werden das Produkt weiterhin kaufen, und andere Käufer werden
ihnen folgen, vor allem, wenn das Produkt ein positives Image besitzt. Die erwirtschafteten
Gewinne werden andere Unternehmen anziehen, die als Konkurrenten in den Markt eintre-
ten. Sie werden das Produkt des Marktpioniers verbessern, ihm neue Funktionalitäten mitge-
ben und den Markt für das Produkt ausdehnen. Die Preise bleiben relativ stabil und sinken
allenfalls geringfügig. Die Unternehmen halten ihre Werbeausgaben auf dem gleichen Niveau
oder erhöhen sie leicht. Während Webemaßnahmen weiterhin darauf abzielen, eine Steige-
rung der Produktbekanntheit zu erreichen, sollen sie zusätzlich den bereits geschaffenen
Marktanteil gegen die Konkurrenz verteidigen.
Die Gewinne steigen während dieses Stadiums, da sich die Kommunikationskosten jetzt auf
große Stückzahlen umlegen lassen und die Fertigungsstückkosten fallen. Es lassen sich meh-
rere Strategien verfolgen, um die Phase schnellen Marktwachstums so lange wie möglich zu
erhalten. Man kann die Qualität des Produkts erhöhen und es um neue Produkteigenschaften
oder neue Modelle ergänzen, neue Marktsegmente erschließen und das Produkt über zusätz-
liche Distributionskanäle wie Direktverkauf oder Versandhandel vertreiben. Die Intention
der Werbung verschiebt sich von der Steigerung der Produktbekanntheit in Richtung des
Aufbaus von Produkttreue. Zum richtigen Zeitpunkt kann man schließlich auch den Preis
senken, um weitere Käufer hinzuzugewinnen.
Während der Wachstumsphase muss sich das Management zwischen hohem Marktanteil und
hohen Gewinnen entscheiden. Das Unternehmen hat die Möglichkeit, eine dominante Markt-
position zu erreichen, wenn viel Geld in Produktverbesserung, Werbung, Sonderaktionen
und Distribution investiert wird. In diesem Fall verzichtet es auf einen hohen gegenwärtigen
Gewinn und hofft, diesen in der nächsten Phase zu realisieren.

9.4.4 Die Reifephase


Eines Tages wird sich das Absatzwachstum verlangsamen und das Produkt wird in seine Rei-
fephase eintreten. Gewöhnlich dauert dieses Stadium länger als die vorhergehenden und
stellt hohe Anforderungen an das Marketing. Die meisten Produkte befinden sich in diesem
Stadium des Produktlebenszyklus und das Marketing beschäftigt sich daher hauptsächlich
mit Produkten in der Reifephase.
Die Verlangsamung des Wachstums resultiert daraus, dass zu viele Hersteller mit zu vielen
Produkten auf dem Markt antreten. Diese Überkapazitäten führen zu verschärftem Wettbe-
werb. Die Konkurrenten beginnen, die Preise zu senken, die Werbeausgaben zu erhöhen und
bemühen sich, mit erhöhtem Forschungs- und Entwicklungsaufwand die von ihnen angebo-
tenen Versionen des Produkts zu verbessern und attraktiver zu gestalten. Diese Aufwendun-
gen führen zu Gewinnrückgängen bei allen Anbietern, was zur Folge haben kann, dass die

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9.4 Der Produktlebenszyklus

schwächeren Wettbewerber ausscheiden. Häufig bleiben in einer Branche dann nur noch
große finanzstarke Unternehmen übrig.
Obwohl viele Produkte den Anschein erwecken, lange Zeit unverändert angeboten worden zu
sein, sind die erfolgreichsten unter ihnen immer wieder an die sich ändernden Kundenbedürf-
nisse angepasst worden. Die verantwortlichen Produktmanager sollten in dieser Phase mehr
tun, als nur das ausgereifte oder eventuell schon veraltete Produkt zu verkaufen, eine Offensive
mit Produktinnovationen ist zumeist die beste Verteidigung der Position des Unternehmens.
Hierfür bieten sich folgende Stoßrichtungen an:
 Innovation auf den Märkten (Marktentwicklung)
 Innovation am Produkt (Produktentwicklung)
 Änderung des Marketing-Mix

Marktentwicklung
Bei dieser Strategie versucht ein Unternehmen, den Verbrauch oder die Nutzung des vorhan-
denen Produkts durch Marketingmaßnahmen zu erhöhen. Es repositioniert die Marke, um
neue Käufer zu gewinnen oder auf einem Markt, den es bisher nicht bedient hat, Fuß zu fas-
sen. Häufig versucht ein Unternehmen, ein größeres oder schneller wachsendes Marktseg-
ment wie beispielsweise neue Altersgruppen für die Nutzung zu gewinnen. Auch auf eine
Steigerung der Nutzungshäufigkeit unter den gegenwärtigen Kunden kann man abzielen.
Zum Beispiel sendet Amazon seinen bestehenden Kunden regelmäßig E-Mail-Nachrichten,
in denen sie über Neuerscheinungen ihrer Lieblingsautoren oder Interpreten informiert wer-
den. Andere Marken wie Harley Davidson und Axe Düfte, deren Zielgruppe typischerweise
männlich ist, führen Produkte und Marketingprogramme für Frauen ein. Umgekehrt hatte
WeightWatchers bislang hauptsächlich weibliche Zielkunden, entwickelt heute jedoch auch
Produkte und Programme für männliche Kunden

Produktentwicklung
Um neue Käuferschichten zu gewinnen, kann das Unternehmen das Produkt insgesamt ver-
ändern oder verbessern. Derartige Änderungen sind möglich bei Qualität, Funktionalität,
Design usw.
Qualitätsverbesserung Die Strategie der Qualitätsverbesserung zielt darauf ab, die Leistungs-
fähigkeit des Produkts zu erhöhen. Das weiterentwickelte Produkt besitzt beispielsweise eine
längere Lebensdauer, höhere Zuverlässigkeit, höhere Geschwindigkeit oder einen besseren
Geschmack. Um die Produktlinien für die heutigen technologiebegeisterten Kinder interes-
sant zu machen, entwickeln viele traditionelle Spielzeug- und Spielehersteller zum Beispiel
neue digitale Versionen oder Ergänzungen für die alten Klassiker. Mehr als 75 Prozent der
Kinder im Alter von acht Jahren oder jünger nutzen heute mobile Geräte wie Tablets und
Smartphones. Die Spielzeughersteller modernisieren also ihre Produkte, um den Geschmack
der neuen Generation zu treffen. Bei der elektronischen Bankversion von Monopoly gibt es
zum Beispiel Kreditkarten statt Papiergeld, die Hot-Wheels-Autos können über die Hot
Wheels Apptivity App von einem iPad aus gesteuert werden und die Barbie „Photo-Fashion“
besitzt eine eingebaute Kamera.12

12 Stephanie Clifford, „Go digitally, directly to jail? Classic toys learn new clicks“, New York Times, 25.
Februar 2012; Anya Kamenetz, „Study: 75% of kids under age 8 use mobile devices“, Fast Company,
28. Oktober 2013, www.fastcompany.com/3020755/fast-feed/study-75-of-kids-under-age-8-use-mo-
bile-devices sowie http://mattelapptivity.com/app-toys-games/hot-wheels/, Zugriff September 2014.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Funktionsergänzungen Das Produkt kann um neue Funktionen erweitert werden, die seinen
Nutzen, die Sicherheit oder Bedienerfreundlichkeit steigern. Mobilfunkanbieter fügen ihren
Diensten und Telefonen regelmäßig neue Funktionen hinzu und Automobilhersteller entwi-
ckeln ihre Modelle stets weiter. Funktionsergänzungen gründen häufig auf technologischen
Innovationen, die das Produkt wiederbeleben.
Änderungen im Design und neue Varianten Diese Kategorie der Produktentwicklung zielt
darauf ab, die Attraktivität des Produkts zu erhöhen. In der Automobilindustrie bieten Her-
steller beispielsweise immer wieder neue Designs ihrer etablierten Modelle an. Auch die
Anbieter von Nahrungsmitteln oder Haushaltsprodukten führen neue Geschmacksrichtun-
gen, neue Farben, Inhaltsstoffe oder neue Verpackungen ein, um die Nachfrage zu beleben.

Änderungen im Marketing-Mix
Bei diesem Ansatz versucht man, den Absatz zu erhöhen, indem ein oder mehrere Elemente
des Marketing-Mix verändert werden. Preissenkungen zielen beispielsweise darauf ab, neue
Kunden oder die der Konkurrenz anzuziehen. Das gleiche Ziel verfolgt verbesserte und
intensivere Werbung. Gewinnspiele, Preisausschreiben oder Sonderaktionen im Handel zie-
len auf eine kurzfristige Absatzsteigerung ab. Das Erschließen neuer Vertriebskanäle kann
neue Käufer anziehen. Der Computerhersteller Dell führte zum Beispiel erfolgreich den Tele-
fonversandhandel von Computern ein. Schließlich kann ein Unternehmen auch neue oder
verbesserte Dienstleistungen anbieten.

9.4.5 Die Degenerationsphase


Der Absatz der meisten Produkte oder Marken bricht zu gegebener Zeit ein. Der Absatzrück-
gang kann langsam verlaufen, wie zum Beispiel bei Haferflocken, oder schnell, wie bei
Schallplatten nach der Einführung der CD. Der Absatz kann auf null fallen oder er stabilisiert
sich über einen längeren Zeitraum auf niedrigem Niveau – das bezeichnet man als Degenera-
tionsphase.
Für den Absatzrückgang gibt es viele Gründe, wie zum Beispiel technischen Fortschritt,
Wandel der Käuferbedürfnisse oder Verdrängung durch Konkurrenzprodukte. Wenn Absatz
und Gewinn zusammenbrechen, ziehen sich einige Unternehmen vom Markt zurück.
Andere, die das Produkt noch anbieten, straffen ihr Sortiment und bieten nur noch wenige
Varianten zu reduzierten Preisen an. Kleine Marktsegmente und umsatzschwache Händler
werden nicht mehr bedient.
Die Werbung für das Produkt wird reduziert oder ganz eingestellt. Soweit noch Lagerbe-
stände vorhanden sind, werden Absatzmöglichkeiten gesucht, möglicherweise auch Sonder-
verkäufe zu niedrigen Preisen durchgeführt. In vielen Branchen (Automobil, Unterhaltungs-
elektronik, Sportartikel, Fotografie) werden bei Einführung neuer Modelle die bisher
produzierten als „Auslaufmodelle“ mit erheblichen Nachlässen verkauft.

484
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9.4 Der Produktlebenszyklus

Ein schwaches Produkt zu lange weiterzuführen, stellt aus folgenden Gründen ein gewisses
Risiko dar:

Ein schwaches Produkt bindet zu viel Managementkapazität.


Ein schwaches Produkt benötigt häufig Preis-, Lagerhaltungs- und Abschreibungsentscheidungen.
Vorgaben für Verkauf und Außendienst sind häufig anzupassen.
Die nötigen Betreuungskapazitäten für das Auslaufprodukt könnten produktiver für neue Projekte eingesetzt wer-
den.
Schwache Produkte können ein schlechtes Image bekommen, das sich auf das Unternehmen und seine anderen Pro-
dukte übertragen kann.
Es können hohe Kosten auf das Unternehmen zukommen, wenn es versäumt, nötige Neuentwicklungen vorzuneh-
men und wenn das Produktportfolio unausgewogen ist.
Mit veralteten Produkten können in der Regel keine ausreichend hohen Preise und Gewinne erzielt werden.
Tabelle 9.5: Gefahren eines schwachen Produkts

Aus diesen Gründen sollte sich das Marketing bewusst mit alternden Produkten auseinan-
dersetzen. Produkte, die sich im Stadium der Degeneration befinden, müssen durch eine ste-
tige Überprüfung von Absatzzahlen, Marktanteilen, Kosten und Gewinnentwicklung identifi-
ziert werden. Dann ist zu entscheiden, ob die einzelnen Produkte weitergeführt werden
können oder ob sie eingestellt werden müssen.
Möglicherweise entscheidet sich ein Unternehmen dafür, ein Produkt unverändert weiterzu-
führen, in der Hoffnung, dass die Wettbewerber sich vom Markt zurückziehen werden. Proc-
ter & Gamble erzielte gute Gewinne im rückläufigen Geschäft mit Flüssigseife, während
einige wichtige Konkurrenten den Markt aufgaben. Eine weitere Möglichkeit ist die Repositi-
onierung des Produkts mit dem Ziel, noch einmal in die Wachstumsphase des Produktle-
benszyklus zurückzukehren.
Die Unternehmensleitung kann auch die Entscheidung treffen, ein Produkt regelrecht „aus-
zuschlachten“. Dies bedeutet, dass alle Kosten, wie die Kosten der Fertigung, der Forschung
und Entwicklung, der Werbung und des Außendienstes, radikal reduziert werden, in der
Hoffnung, dass dennoch ein gewisser Absatz realisiert wird. Ist diese Strategie erfolgreich,
entstehen kurzfristig finanzielle Rückflüsse und zusätzliche Gewinne. Eine andere Möglich-
keit wäre, das Produkt vollständig aus der Produktpalette zu entfernen oder die Marke zu
verkaufen.
Nachdem nun die theoretischen Grundlagen behandelt worden sind, soll im nachfolgenden
Exkurs aufgezeigt werden, in welchen Lebenszyklusphasen sich typische Produkte wie Tief-
kühlkost, Kameras und Handys befinden.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Exkurs: Das Konzept „Produktlebenszyklus“ in der Praxis

1. Tiefkühlkost in Deutschland
Ein Produkt, das sich in seinem Produktlebenszyklus noch immer in der Wachstum-
sphase befindet, ist die Tiefkühlkost. Wie aus Abbildung 9.5 ersichtlich wird, ist sowohl
der Absatz als auch der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten
kontinuierlich angestiegen.

Abbildung 9.5: Absatz- und Umsatzentwicklung sowie Pro-Kopf-Verbrauch von Tiefkühlkost 1996–2016
Quelle: dti, Deutsches Tiefkühlinstitut e. V. (mit freundlicher Genehmigung)

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9.4 Der Produktlebenszyklus

Dem Deutschen Tiefkühlinstitut e. V. zufolge sind tiefgekühlte Produkte bei den Deut-
schen auch heute beliebt wie eh und je. Das vielfältige Angebot aus den Tiefkühlabtei-
lungen des Lebensmittelhandels ist für die tägliche Ernährung nicht mehr wegzuden-
ken. Die Deutschen schätzen das TK-Angebot vor allem, weil es Gemüse und Obst
ganzjährig und vitaminreich zugänglich macht. Zudem entspricht Tiefkühlkost in idea-
lem Maß den modernen Verbraucherwünschen nach Zeitersparnis beim Kochen und
Genuss beim Essen.

2. Kameras und Smartphones


Ein Produktlebenszyklus, der vor allem durch die Entwicklung neuer Technologien
geprägt ist, lässt sich im Markt für Fotografie beobachten. Mit dem Aufkommen der digi-
talen Kameras Ende der 90er-Jahre gerieten die analogen Kameras in die Phase des
Rückgangs und wurden sukzessive von den digitalen Angeboten abgelöst. Der Markt für
Digitalkameras wuchs so stark, dass sein Volumen im Jahre 2008 fast doppelt so groß
war wie das der analogen Fotografie in ihren Spitzenzeiten. Laut Zahlen des Statisti-
schen Bundesamts verfügten 2017 72 Prozent der Privathaushalte in Deutschland über
eine Digitalkamera, während nur noch 30,4 Prozent einen analogen Fotoapparat besit-
zen. Die Befürchtung, die zunächst von vielen Experten nicht geteilt wurde, nämlich
dass die wachsende Verbreitung von Mobiltelefonen mit integrierter Digitalkamera die
Nachfrage nach Digitalkameras bremsen könnte, bewahrheitete sich schließlich doch.
Die verbesserte Qualität und Funktionalität der in Smartphones eingebauten Kameras
und ihre rasante Verbreitung führten letztlich dazu, dass der Markt für Digitalkameras in
die Phase des Rückgangs überging. Dies belegen auch recht anschaulich die nachfolgen-
den Abbildungen. Laut Statistischem Bundesamt verfügen 95,5 Prozent der deutschen
Privathaushalte im Jahr 2017 über ein Mobiltelefon. Diese Zahl schließt Handys und
Smartphones ein. Die dargestellten Verkaufsmengen von Smartphones klammern die
einfacheren Handy-Kameras jedoch aus, da diese aufgrund ihrer technischen Möglich-
keiten keinen echten Substitutionswettbewerb darstellen. Während es sich bei der Sub-
stitution von analogen durch digitale Kameras um einen letztlich fast vollständigen Pro-
zess handelt, liegen nach Einschätzung der GfK die nicht unberechtigten Erwartungen
in Bezug auf die Substitution digitaler Kameras durch Smartphones etwas anders. Auf-
grund der immer noch signifikanten und weniger stark rückläufigen Verkäufe hochwer-
tiger Kameras wird eine „Bodenbildung“ im Kameramarkt erwartet, also ein vergleichs-
weise stabiles Volumen im Segment hochwertiger Digitalkameras.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Abbildung 9.6: Absatzzahlen von Smartphones und Digitalkameras zwischen 2013 und 2017
(Quelle: GfK)

Quellen: Statistiken des Deutschen Tiefkühlinstituts, Webseite: www.tiefkuehlkost.de; Marktdaten


erhoben durch die GfK Retail and Technology GmbH, Nürnberg 2015;
Statistik zur „Ausstattung privater Haushalte mit ausgewählten Gebrauchsgütern“ [06.02.2018],
Webseite des Statistischen Bundesamts unter: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Gesell-
schaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/AusstattungGebrauchsguetern/Ausstattung-
Gebrauchsguetern.html, Februar 2018;
Website des Verbands der Photoindustrie: https://www.piv-imaging.com/imagingmarkt/Foto-und-
Imagingmarkt-2016-in-Deutschland-auf-stabilem-Niveau-10010999, März 2018.

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Zusammenfassung

Z US A M M EN FA SSU N G

Unternehmen, die am Markt bestehen wollen, müssen ihr Produkt- und Dienstleistungs-
angebot immer wieder erneuern. Jedes Produkt hat nur eine begrenzte Lebensdauer und
muss über kurz oder lang durch neue Produkte ersetzt werden. Ein neues Produkt kann
jedoch auch scheitern. Die Risiken von Innovationen sind ebenso groß wie die Chancen.
Die Aussichten für eine erfolgreiche Innovation sind dann als günstig anzusehen, wenn
das gesamte Unternehmen in diese Aufgabe einbezogen wird und wenn die Innovation
konsequent auf die Anforderungen des Markts ausgerichtet ist. Hierzu sollte man im
Unternehmen einen systematischen Produktinnovationsprozess etablieren.
Der Entwicklungsprozess für neue Produkte erfolgt in neun Schritten:
 Entwicklung einer Innovationsstrategie
 Suche nach Produktideen
 Ideen-Screening
 Konzeptentwicklung und Konzepttest
 Entwicklung einer Marketingstrategie
 Analyse der Marktfähigkeit
 Produktentwicklung
 Testmarkterprobung
 Markteinführung
Nach jedem der einzelnen Schritte erfolgt eine Entscheidung über die Weiterführung
oder die Einstellung der Produktentwicklung.
Für jedes Produkt kann ein Produktlebenszyklus aufgestellt werden. Der typische Pro-
duktlebenszyklus stellt sich als S-förmige Kurve dar, die fünf Teilbereiche aufweist:
 Die Phase der Produktentwicklung
 Die Markteinführungsphase
 Die Wachstumsphase
 Die Reifephase
 Die Degenerationsphase
Der Produktlebenszyklus beginnt mit der Phase der Produktentwicklung, in welcher das
Unternehmen eine Idee für ein neues Produkt findet und in der Folge das Produkt bis
zur Marktreife entwickelt.
Die Phase der Markteinführung ist gekennzeichnet durch langsames Wachstum und
keine oder niedrige Gewinne, da das Produkt erst einen geringen Bekanntheitsgrad
besitzt und hohe Werbeaufwendungen nötig sind.
Verläuft die Markteinführung erfolgreich, erreicht das Produkt die Wachstumsphase.
Der Absatz wächst schnell und es stellen sich in der Regel Gewinne ein. Um diese Phase
zu verlängern, versucht das Unternehmen das Produkt zu verbessern und neue Markt-
segmente und Distributionskanäle zu bedienen. Geringe Preissenkungen können den
Absatz fördern.

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9 Die Entwicklung neuer Produkte und Produktlebenszyklusstrategien

Tritt das Produkt in das Stadium der Reife ein, verlangsamt sich das Absatzwachstum
und die Gewinne sind relativ stabil. Das Unternehmen versucht, den Absatz zu beleben,
indem die Märkte, das Produkt und der Marketing-Mix überprüft und gegebenenfalls
angepasst werden.
Schließlich folgt die Degenerationsphase, in der Absatz und Gewinn deutlich sinken. Die
Aufgabe der Unternehmensleitung besteht darin, den Eintritt in diese Phase rechtzeitig zu
erkennen und zu entscheiden, ob das Produkt weitergeführt oder eingestellt werden soll.

Literatur und Quellen


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492
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Grundsatzüberlegungen und
Einflussgrößen der
Preissetzung

10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 10


10.2 Grundlegende Preisstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521

ÜBERBLICK
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

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gen und Wiederholen von Definitionen

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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... erklären, was ein Preis ist und die Relevanz der Preispolitik in den heute sich
schnell wandelnden Zeiten beschreiben.
 ... die wichtigsten Preisstrategien beschreiben und erklären, warum die Nutzenerwar-
tungen der Kunden, die Unternehmenskosten und die Strategien der Wettbewerber
die Preissetzung beeinflussen.
 ... beurteilen, wie interne und externe Einflussgrößen auf die Preisentscheidung wir-
ken.

10.1 Einführung
In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit dem zweiten großen Instrument des Marketing-Mix
– mit dem Preis. Wenn wir die effektive Produktentwicklung, die Werbung und die Distribu-
tion als Saat betrachten, die für den Geschäftserfolg gesät wurde, dann stellt eine effektive
Preisgestaltung die Ernte dar. Unternehmen, die erfolgreich darin sind, mit Maßnahmen der
drei erstgenannten Pfeiler des Marketing-Mix einen Nutzen für ihre Kunden zu schaffen, müs-
sen dennoch den Preis, den sie erhalten, in die Gestaltung miteinbeziehen. In diesem Kapitel
klären wir, wie wichtig der Preis ist, betrachten die wichtigsten Preisstrategien und schauen
uns an, wie interne und externe Einflussgrößen auf die Preisgestaltung wirken. Im darauffol-
genden Kapitel werden wir weitere Aspekte und Ansätze der Preisgestaltung betrachten.
Beginnen wir das Thema Preissetzung mit dem Beispiel Ryanair. Ryanair hat die Preisgestal-
tung im Luftfahrtbereich in den letzten zwei Jahrzehnten komplett auf den Kopf gestellt und
damit die zuvor den Markt dominierenden Fluggesellschaften gegen sich aufgebracht – wäh-
rend sein eigener Marktanteil wächst und wächst. Für Ryanair ist das Motto „Billig“ nicht
nur eine Idee, es ist eine Leidenschaft.

Einführende Fallstudie: Ryanair – unverschämt günstig

Für die meisten großen Fluglinien ist die Festlegung einer Preisstrategie in dieser für
das Fluggeschäft harten Zeit schwierig. Die Ansätze sind extrem unterschiedlich. Eine
Airline hat aber offenbar eine radikale neue Lösung gefunden – und die werden Kunden
ganz sicher lieben: Das Fliegen wird kostenlos! Sie lesen richtig. Michael O’Leary, Vor-
standsvorsitzender der Ryanair mit Sitz in Dublin, träumt davon, dass eines Tages alle
Ryanair-Passagiere kostenlos fliegen können. Und bei einem derzeitigen Durch-
schnittspreis von 83,45 Euro pro Ticket (im Vergleich zu 89,97 Euro beim schärfsten bri-
tischen Konkurrenten easyJet und happigen 206,76 Euro bei FlyThomasCookSouthwest)
nähert sich Ryanair diesem Ziel. Obwohl man damit noch hinter dem Branchenführer
zurückliegt – bei Pegasus kostet das Ticket im Durchschnitt 63,19 Euro – ist Ryanair
führend auf dem westeuropäischen Markt der Billigflieger.
Von sich selbst behaupten sie stolz: „Wir sind der einzige Tiefstpreis-Anbieter Europas,
und das heißt, wir bringen Sie mit unseren Flügen zu den niedrigsten Preisen an sämtli-
che Ziele – garantiert. Von dem Zeitpunkt an, da Ryanair das schnörkellose, preisgünstige
Angebot ‚Von A nach B‘ einführte, haben wir die Flugbranche weitgehend revolutioniert.

494
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10.1 Einführung

Wir bringen Sie von A nach B, und das billiger und zuverlässiger als jede andere Air-
line.“ Selbst ohne wirklich kostenlose Flüge wurde Ryanair zu Europas beliebtester
Fluglinie. Im letzten Jahr brachte Ryanair über 80 Millionen Passagiere an mehr als 179
europäische Ziele in 29 Ländern. Die preisgünstige Airline ist auch die profitabelste in
Europa. Während die internationale Flugbranche weltweit insgesamt fast 40 Milliarden
Euro Verlust machte, konnte Ryanair in neun der letzten zehn Jahre solide Nettoge-
winne verzeichnen. Angesichts voraussichtlich steigender Kerosinkosten, einbrechen-
der europäischer Märkte und anderer zu erwartender Schwierigkeiten für die Luftfahrt
scheint Ryanair für die turbulenten Zeiten gut gerüstet.
Worin liegt das Geheimnis? Ryanairs sparsame Kostenstruktur lässt selbst die preisbe-
wusste Airline Southwest wie einen hemmungslosen Verschwender dastehen. Daneben
erzielt die irische Fluglinie Einnahmen aus sämtlichen anderen Bereichen außer den
Ticketpreisen, von Gebühren für die Gepäckaufgabe bis hin zu Werbeflächen an der Rück-
seite der Sitze. Ryanair hat seine Kostenstruktur an der von Southwest angelehnt. Vor 20
Jahren, als Ryanair nur einer von vielen um ihre Existenz ringenden europäischen Anbie-
tern war, reiste O’Leary nach Dallas und traf sich mit Führungskräften von Southwest, um
etwas von ihnen zu lernen. Das Ergebnis war eine Generalüberholung des Geschäftsmo-
dells beim irischen Fluganbieter. Nach Maßgabe von Southwest zur Kosteneinsparung
setzte Ryanair von nun an nur noch einen einzigen Flugzeugtyp ein – die gute alte Boeing
737. Ferner konzentrierte man sich ebenso wie Southwest auf kleinere, sekundäre Flughä-
fen und bot freie Platzwahl an. Doch Ryanair führte das kostensparende Preismodell von
Southwest noch weiter. Wenn es darum geht, die Kosten niedrig zu halten, ist O’Leary –
der Jeans, Turnschuhe und ungebügelte T-Shirts trägt – ein absoluter Fanatiker. Er will
erreichen, dass man Ryanair als Walmart der Flugbranche kennt. Wie der Handelsriese ist
Ryanair ständig auf der Suche nach neuen Wegen zur Kostensenkung – so reduzieren
Hartplastiksitze ohne Tasche an der Rückenlehne sowohl Gewicht als auch Reinigungs-
aufwand. Das Flugpersonal von Ryanair kauft seine Uniformen sogar selbst und Mitarbei-
ter der Firmenzentrale bringen ihre eigenen Stifte mit.

Abbildung 10.1: Wenn möglich, nutzt Ryanair eine in das Flugzeug integrierte Fluggasttreppe (vorne), um nicht auf
vom Flughafenbetreiber bereitgestellte fahrbare Treppen (hinten) angewiesen zu sein
(Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rygge_Ryanair_2012-10-04T21-41-06.jpg)

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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

O’Leary setzt jede Kostensenkung mit Vorteilen für die Passagiere gleich, da niedrigere
Ticketpreise angeboten werden können. Gäbe es in jedem Flugzeug nur noch eine Toi-
lette, würde sich der durchschnittliche Ticketpreis um 5 Cent reduzieren. Ersetzt man
die letzten zehn Sitzreihen durch einen Stehbereich, macht das wieder 20 bis 25 Cent
aus. O‘Learys manchmal absurde Ideen zur Kostensenkung – bewusst so provokant,
dass sie mit Sicherheit kostenlose Publicity bringen – beinhalten sogar Flugzeuge mit
nur einem Piloten („Wir brauchen keinen Co-Piloten. Das soll der verdammte Computer
übernehmen.“) und das Einladen von Gepäck durch die Passagiere selbst („Sie nehmen
ihre eigenen Koffer mit, bringen ihn auf das Rollfeld und laden ihn ein.“). Das alles hört
sich verrückt an, aber denken Sie noch mal über die kostenlosen Flugtickets nach.
O’Learys Traum von der kostenlosen Passagierbeförderung beruht auf der Möglichkeit,
dass Ryanair eines Tages sämtliche Einnahmen aus „Nebengebühren“ erzielt. Die knau-
serige Airline nimmt derzeit nur 20 Prozent der Erlöse außerhalb der Ticketpreise ein.
Doch Ryanair ist Branchenführer bei der Berechnung von Gebühren für praktisch jede
zusätzliche Kundenleistung. Der freche Anbieter rühmt sich damit, als erster Preise für
die Gepäckaufgabe und Erfrischungen an Bord erhoben zu haben. Solche Praktiken, die
einst von der Branche gescheut wurden, gehören heute zum Standard und bringen den
Airlines Milliardeneinnahmen ein. Doch Ryanair treibt es auf die Spitze. Kunden wird
heute der Ausdruck der Bordkarte, die Bezahlung mit EC- oder Kreditkarte oder die
Benutzung von Rollstühlen in Rechnung gestellt. Man erwog sogar Zuschläge für über-
gewichtige Kunden oder auch Gebühren für die Benutzung der einzig vorhandenen Toi-
lette.
Neben der Berechnung aller möglichen Leistungen rund um den Flug sieht Ryanair
auch enorme Einnahmen aus dem Verkauf von Produkten für andere Unternehmen. Die
Einrichtung der Ryanair-Flugzeuge ist fast ebenso mit Anzeigen zugeklebt wie die Wer-
beflächen am Times Square. Kaum in der Luft, preisen die Flugbegleiter dem aufmerksa-
men Publikum alles Mögliche an, von Rubbellosen bis hin zu Digitalkameras. Sie bieten
Croissants und Cappuccino feil, digitale Geräte und Parfum, Tombola-Lose für die von
der Airline gesponserte Wohlstätigkeitsorganisation und sogar rauchfreie Zigaretten für
6 Euro pro Schachtel. Nach Ankunft an einem normalerweise abgelegenen Flughafen
verkauft Ryanair den Passagieren Busfahrkarten für den Transfer in die Stadt. Das Unter-
nehmen bekommt auch Provisionen für Mietwagen, Hotelzimmer, Skipakete und Reise-
versicherungen. Ryanair nutzt jede Chance, um noch ein wenig mehr Geld aus den Pas-
sagieren herauszuquetschen. Die Airline entschuldigt sich weder für die zusätzlichen
Kosten noch für mangelnden Komfort. Tatsächlich sieht es das „Weniger ist weniger“-
Preiskonzept als längst überfällig in der Flugbranche an. „In vielerlei Hinsicht ist Reisen
angenehm und bereichernd“, meint O’Leary. „Doch der physische Transport von A nach
B sollte weder angenehm noch bereichernd sein. Es sollte schnell gehen, effizient,
bezahlbar und sicher sein.“ Der Erfolg von Ryanair legt nahe, dass die Kunden dem
zustimmen. Passagiere bekommen genau das, was sie verlangen – unverschämt günstige
Ticketpreise. Und die zusätzlichen Ausgaben liegen in ihrem eigenen Ermessen.

496
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10.1 Einführung

Trotz mangelnder Annehmlichkeiten scheinen die meisten Fluggäste den offenen und
direkten Ansatz zur Preisbemessung bei Ryanair eher zu begrüßen als zu verurteilen.
Zum Vergleich mit den sogenannten „anspruchsvollen“ Angeboten der anderen Airlines
meint ein befragter Passagier: „Mir ist die forsche Art [von Ryanair] mit den oft spottbil-
ligen Tickets und dem schamlosen [aber ungeschönten] Griff nach meiner Geldbörse lie-
ber.“ Und in Anspielung auf einen Analysten, der den Komfort bei Ryanair mit dem
eines Viehkarrens verglich, meint ein weiterer gut gelaunter Fluggast: „Nur O’Leary
nennt dich ein Rindvieh, leckt sich die Lippen und erklärt, wie er dich zum Abendessen
zubereiten will.“ O’Learys Philosophie, dass kommerzielle Fluggäste für ihre Loyalität
nicht verwöhnt werden müssen, scheint ein absoluter Widerspruch zum modernen Mar-
ketingansatz, den Kunden eine besondere Erfahrung zu bieten. Doch Ryanair beweist,
dass Unternehmen den Kunden einen Mehrwert auf viele andere Arten als früher bieten
können. Sieht man sich die sinkenden Preise und steigenden Gewinne bei Ryanair an,
scheint O’Learys Traum vom kostenlosen Fliegen gar nicht mehr so weit hergeholt.
Ryanairs Talent für Preisbewusstsein scheint nicht einmal der Himmel eine Grenze zu
setzen.

Fragen
1. Warum fliegen so viele Menschen mit Niedrigpreis-Airlines wie Ryanair?
2. Wie gelingt es Billig-Airlines wie Ryanair, die eigenen Kosten niedrig zu halten?
Und ist es tatsächlich denkbar, dass Flugtickets kostenlos angeboten werden kön-
nen?
3. Inwiefern spielt das Internet eine Rolle im Geschäftsmodell der Niedrigpreis-Air-
lines?

Die Globalisierung des Wettbewerbs, gesättigte Märkte, der Kampf um Marktanteile in


Wachstumsmärkten, eine steigende Preistransparenz durch das Internet und immer ver-
gleichbarer werdende Produkte haben in vielen Branchen einen starken Preiswettbewerb zur
Folge. Einige Unternehmen, egal ob es sich um Anbieter von Produkten oder Dienstleistun-
gen handelt, reagieren hierauf mit Preissenkungen, die oftmals zu einem Preisniveau führen,
das ein profitables Wirtschaften nicht mehr ermöglicht.
Preisreduzierungen sind jedoch zumeist der falsche Weg, da auf diese Weise Gewinne verlo-
ren gehen und Preiskämpfe entstehen. In erster Linie sollten Unternehmen nicht über
„Preise“, sondern über den Nutzen verkaufen. Das bedeutet, sie müssen Käufer davon über-
zeugen, dass es sich lohnt, einen etwas höheren Preis für die eigenen Produkte zu zahlen, da
sie im Gegenzug auch einen höheren Nutzen erhalten. Viele Käufer sind bereit mehr zu
bezahlen, wenn sie dafür einen entsprechenden Nutzen erhalten. Die Herausforderung liegt
darin, den Preis zu finden, der genügend Kunden zum Kauf des Produkts animiert und es
dem Unternehmen ermöglicht, einen fairen Gewinn zu erzielen. Produktentwicklung, Wer-
bung und Vertrieb bilden die Grundlage, damit über den richtigen Preis die gewünschten
Ergebnisse erzielt werden können. Ungeachtet der hohen Bedeutung des Preises betreiben
viele Unternehmen keine professionelle Preispolitik.

497
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

Die Charakteristik des Preises


Alle Produkte und Dienstleistungen haben einen Preis, genauso wie sie einen Nutzen und
einen Wert haben. Daher müssen alle Wirtschaftsunternehmen sowie die meisten gemeinnüt-
zigen Organisationen Preise festlegen.
Preise haben viele Erscheinungsformen und Namen. Bei einem Kauf bezahlt man den Kauf-
preis oder das Entgelt, man zahlt Miete für eine Wohnung und Pacht für ein Geschäftslokal
oder einen Bauernhof. Für Kino, Theater, Konzerte oder Fußballspiele bezahlen wir Eintritt.
Bei Flugreisen, Bahnreisen, Bus- und Straßenbahnfahrten oder beim Taxi sprechen wir von
Flugpreisen beziehungsweise von Fahrpreisen. Wenn man Geld leiht, sind Zinsen der Preis.
Anwälte oder Ärzte haben ein Honorar als Preis. Schmiergeld heißt der Preis für illegales Tun
oder Lassen, Beiträge zahlen wir als Mitglieder von Vereinen, politischen Parteien oder
Gewerkschaften, an Versicherungen, gelegentlich auch Umlagen für besondere Maßnahmen.
Der „Preis“ für einen Mitarbeiter beziehungsweise seine Arbeitsleistung ist sein Lohn oder
Gehalt, ein erfolgreicher Vertreter hat die Provision als seinen Preis. Im weitesten Sinn sind
die Steuern, die wir zahlen, der Preis für unser Gemeinwesen, die Annehmlichkeiten und die
Infrastruktur, die es uns bietet.
Der Preis hat also viele Namen, einige davon sind in Tabelle 10.1 aufgelistet.

Bezeichnung für den


Beispiele Vorgang
„Preis“
Ware Kauf = Eigentumsübertragung Preis, Kaufpreis
Finanzielle Mittel Kreditgewährung Zins
Wohnung, Haus, Laden, Werkstatt, Überlassung von Räumen oder einer Miete
Gewerbeobjekt Immobilie
Werkstatt, Laden, Gewerbeobjekt, Gas- Überlassung von Räumen einschließlich Pacht
tronomiebetrieb (Gaststätte, Restau- Nutzung der betrieblichen Strukturen
rant, Hotel)
Landwirtschaftlicher Betrieb Räume, Geräte, Felder, Tiere und Pacht
betriebliche Strukturen
Unterhaltung wie z.B. Kino, Theater, Unterhaltungsereignis Eintritt
Konzert, Fußballspiel, Schwimmbad
Straße, Brücke, Tunnel, Autobahn in Pri- Nutzungsgewährung Maut
vathand
Bahn, Bus, Taxi, Flugzeug Transportleistung Fahrpreis
Freiberufler wie z.B. Anwälte, Ärzte, qualifizierte Arbeitsleistungen Honorar
Architekten, Steuerberater, Übersetzer
Künstler, Autoren Leistungsverwertung durch Dritte Tantiemen
Erfinder oder Unternehmen Gewährung von Nachbaurechten Lizenzgebühr
Versicherungen, Gewerkschaften, Ver- Inanspruchnahme der Leistungen, För- Beitrag (regelmäßig),
eine, politische Parteien, Verbände derung des Zwecks der Institution Umlage (für außerordent-
liche Zwecke)
Tabelle 10.1: Unterschiedliche Bezeichnungen des Preises

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10.2 Grundlegende Preisstrategien

Bezeichnung für den


Beispiele Vorgang
„Preis“
Finanzierung, Gebrauchsüberlassung Leasingvertrag Leasingrate
und Wertverlust
Staat auf allen Ebenen hoheitliche Dienstleistungen (z.B. Rei- Gebühren
sepass, Führerschein)
Tabelle 10.1: Unterschiedliche Bezeichnungen des Preises (Forts.)

Im engsten Sinn ist der Preis diejenige Geldsumme, die für ein Produkt oder eine Dienstleis-
tung verlangt wird. Aus einer anderen Perspektive heraus betrachtet gleicht der Preis dem
Gesamtnutzen, den ein Verbraucher einem Produkt oder einer Dienstleistung beimisst. Der
Preis war lange Zeit der stärkste innerhalb der Kaufentscheidungsfaktoren. Dies gilt auch
heute noch für ärmere Nationen, ärmere Käuferschichten, für standardisierte Produkte oder
den Kauf von Rohstoffen. Nicht preisbezogene Kriterien haben jedoch in den letzten Jahr-
zehnten an Bedeutung gewonnen.
Innerhalb des Marketing-Mix ist der Preis das einzige Element, das sich auf die Einnahmen
und den Umsatz bezieht, alle anderen Elemente produzieren zunächst Kosten. Der Preis ist
auch eines der flexibelsten Elemente des Marketing-Mix. Im Gegensatz zu Produktänderun-
gen oder zu Maßnahmen in den Vertriebskanälen kann der Preis kurzfristig variiert werden.
Pricing bereitet manchen Verantwortlichen erhebliche Kopfschmerzen, weshalb sie es vor-
ziehen, sich mit anderen Marketing-Mix-Elementen stärker zu befassen.
Trotzdem kann man vielen Unternehmen keine durchdachte Preispolitik bescheinigen. Häu-
fig anzutreffende Fehler sind:
 Die Preise werden zu schnell nach unten korrigiert, um den Verkauf zu steigern. Es wird
nicht versucht, den Käufer vom Nutzen des Produkts und der Angemessenheit des Ver-
kaufspreises zu überzeugen.
 Die Preissetzung erfolgt kosten- statt nutzenbasiert.
 Die Preise werden nicht ausreichend oft überprüft und an Marktänderungen angepasst.
 Bei der Preisbildung bezieht man die übrigen Elemente des Marketing-Mix nicht angemes-
sen ein.
 Die Preise sind nicht ausreichend angepasst an unterschiedliche Produkte, Marktsegmente
und Kaufsituationen.
Clevere Manager nutzen die Preissetzung als strategisches Schlüsselinstrument, um Kunden-
nutzen zu schaffen und zu nutzen. Sie wissen, dass Preise einen direkten Einfluss auf das
Unternehmensergebnis haben. Als Teil der gesamten Wertvorstellung eines Unternehmens
spielt der Preis vor allem aber eine wichtige Rolle in der Schaffung von Kundennutzen und
im Ausbau von Kundenbeziehungen.

10.2 Grundlegende Preisstrategien


Der Preis, den ein Unternehmen für ein Produkt verlangt, sollte immer in einem Bereich lie-
gen, der attraktiv genug für Kunden ist und trotzdem so hoch, dass der Anbieter noch einen
Gewinn erzielen kann. Abbildung 10.2 fasst die wesentlichen Überlegungen bei der Preisset-
zung zusammen. Die Wahrnehmung des Kunden bezüglich des Nutzens eines Produkts stellt

499
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

zunächst die Preisobergrenze dar, die Produktkosten markieren hingegen die Preisunter-
grenze, bei deren Unterschreitung das Unternehmen einen Verlust machen würde. Bei der
Festlegung des Preises zwischen diesen beiden Extremen muss man eine Vielzahl interner
und externer Faktoren berücksichtigen, unter anderem die gesamte Marketingstrategie, die
aktuelle Marktsituation und Nachfrage sowie die Strategien und Preise der Konkurrenz.

10.2.1 Preisgestaltung basierend auf Kundennutzen


Dem Kunden bleibt das Urteil darüber vorbehalten, den Preis eines Produkts als gerechtfer-
tigt anzuerkennen oder als nicht gerechtfertigt zu bewerten (und nicht zu kaufen). Preisent-
scheidungen müssen deshalb wie alle anderen Entscheidungen, die den Marketing-Mix
betreffen, vom wahrgenommenen Kundennutzen ausgehen.

Kundenwahrnehmung Andere interne und externe Einflussfaktoren Produktkosten


des Werts
Preisobergrenze: Wettbewerberstrategien und -preise, Preisuntergrenze:
Keine Nachfrage bei Markt- und Nachfragesituation, Kein Gewinn bei
Überschreitung Marketingziele, -strategien, -Mix, Orga., Sonstige Einflüsse Unterschreitung

Abbildung 10.2: Einflussgrößen der Preisentscheidung

Wenn ein Kunde ein Produkt kauft, tauscht er etwas, das von Wert ist (den Kaufpreis) gegen
etwas anderes, das für ihn einen Wert hat (nämlich den Nutzen davon, das Produkt zu besit-
zen oder nutzen zu können). Zu einer effizienten und käuferorientierten Preissetzung gehört
es, abschätzen zu können, wie viel Wert die Verbraucher auf einen bestimmten Nutzen legen,
der ihnen das Produkt vermittelt, und diesem Nutzen dann einen Preis zuzuordnen.

Nutzenbasierte Preissetzung
Immer mehr Unternehmen machen ihre Preise vom wahrgenommenen Kundennutzen
abhängig. Bei der nutzenbasierten Preissetzung (value-based pricing) werden den Preisen
nicht die Kosten des Anbieters, sondern die Nutzenwahrnehmung der Kunden zugrunde
gelegt. Nutzenbasierte Preissetzung bedeutet, dass Marketingexperten nicht zuerst ein Pro-
dukt und ein Marketingprogramm entwickeln und dann den Preis festsetzen, sondern dass
der Preis gemeinsam mit anderen Variablen des Marketing-Mix festgelegt wird, bevor das
Marketingprogramm entwickelt wird.
Abbildung 10.3 vergleicht die kostenbasierte mit der nutzenbasierten Preissetzung. Die kos-
tenbasierte Preissetzung geht vom Produkt aus. Das Unternehmen entwickelt ein seiner
Ansicht nach gutes Produkt, summiert die Herstellungskosten dieses Produkts und legt dann
einen Preis fest, der die Kosten deckt und einen bestimmten Gewinn realisiert. Dann ist es
die Aufgabe der Marketingabteilung, die Käufer davon zu überzeugen, dass der Nutzen des
Produkts seinen Preis rechtfertigt. Wenn sich der Preis als zu hoch erweist, muss sich das
Unternehmen mit kleineren Spannen oder einem niedrigeren Umsatz zufriedengeben. Beides
führt zu einer enttäuschenden Gewinnsituation.

500
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10.2 Grundlegende Preisstrategien

Kostenbasierte Preissetzung:

Entwicklung Preis auf Käufer vom Wert


Bestimmung
eines guten Basis der des Produkts
der Kosten
Produkts Kosten festlegen überzeugen

Nutzenbasierte Preissetzung:
Zielpreis im Einklang Produkt entwickeln,
Kundenbedürfnisse Maximale
mit der Wertwahr- das den gewünschten
und Wertwahr- Produktkosten
nehmung des Wert zum
nehmung erkennen bestimmen
Kunden festlegen Zielpreis bietet
Abbildung 10.3: Kosten- und nutzenbasierte Preissetzung

Die nutzenbasierte Preissetzung dreht diesen Prozess um. Das Unternehmen legt den Ziel-
preis danach fest, wie der Nutzen von den Kunden wahrgenommen wird. Hier sind es der
geplante Kundennutzen und der Preis, die die Entscheidungen über das Produktdesign und
die in Kauf genommenen Kosten beeinflussen. Dies bedeutet, dass die Preissetzung mit der
Analyse der Bedürfnisse und der Wahrnehmung des Kundennutzens beginnt. Im Anschluss
daran wird ein Preis festgelegt, der dem von den Konsumenten wahrgenommenen Nutzen
entspricht.
Ein hoher Kundennutzen beruht also nicht unbedingt auf einem niedrigen Preis. Beispiels-
weise ist der Preis eines Steinway-Klaviers sehr hoch. Aber für die jeweiligen Besitzer hat ein
solches Klavier einen hohen Nutzen. Die Preise eines Steinway-Klaviers bewegen sich im
Rahmen von 28.000 Euro bis zu 117.000 Euro. Das beliebteste Modell kostet 50.000 Euro. Die
Klaviere sind von sehr hoher Qualität und deren individuelle Herstellung kann durch die
Handarbeit bis zu ein Jahr in Anspruch nehmen. Fragt man jedoch die Besitzer eines Stein-
ways, so werden sie sagen, dass der Preis eine untergeordnete Rolle spielt, viel wichtiger ist
das Erlebnis, die Steinway-Mystik, welche den Besitzer ergreift. Allein der Name ruft die
Vorstellung von klassischen Konzerten, großen Tribünen und berühmten Pianisten hervor.
Dennoch sind die Klaviere nicht nur für große Pianisten und die Reichen gedacht. 99 Prozent
der Steinway-Kunden sind Amateure, die lediglich zu Hause spielen. Für diese Kunden ist
selbst ein so hoher Preis gering im Vergleich zu dem Erlebnis, welches sie erwartet. „Ein
Steinway bringt dich in Sphären, die du nie zuvor gesehen hast“, sagt ein Besitzer. Ein ande-
rer meint: „Meine Freundschaft mit diesem Klavier ist eine der wichtigsten und schönsten in
meinem ganzen Leben.“ Wer könnte diesem Gefühl schon einen Preis geben?
Ein Unternehmen, das sich in seiner Preissetzung am wahrgenommenen Nutzen orientiert,
muss herausfinden, welchen Nutzen die Konsumenten bestimmten Produktmerkmalen und
verschiedenen Konkurrenzangeboten beimessen: Die Messung des wahrgenommenen Nut-
zens kann sich jedoch schwierig gestalten: Es ist leicht, den Materialwert der Zutaten eines
Essens in einem guten Restaurant festzustellen, aber wie sollen die anderen Komponenten
der Bedürfnisbefriedigung wie Geschmack, harmonische Umgebung („Ambiente“), Entspan-
nung, Möglichkeit zu angeregter Unterhaltung, Zufriedenheit und Statusgefühl bewertet wer-
den? Hinzu kommt, dass diese Faktoren in unterschiedlichen Situationen (Arbeitsessen,
Familientreffen am Sonntag oder an Festtagen) und bei unterschiedlichen Personen unter-
schiedlich wirken und bewertet werden.

501
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

In einigen Fällen werden Konsumenten gefragt, wie viel sie für ein Basisprodukt und für
jeden mit dem Angebot verbundenen Zusatznutzen auszugeben bereit wären. Manche Unter-
nehmen experimentieren auch, um den wahrgenommenen Nutzen verschiedener Produktan-
gebote zu ermitteln. Wenn der Anbieter mehr verlangt, als der Kunde an Nutzen wahrnimmt,
leidet der Umsatz. Viele Unternehmen verlangen für ihre Produkte überhöhte Preise – mit
der Folge, dass diese sich schlecht verkaufen. Andere Unternehmen setzen ihre Preise zu
niedrig an. Zu billig angebotene Produkte verkaufen sich hervorragend, aber sie bringen
weniger Gewinn, als wenn ihr Preis auf das Niveau des wahrgenommenen Nutzens angeho-
ben würde.
Süßigkeiten mit funktionellen Eigenschaften (etwa Heiserkeit zu mildern oder zu heilen, wie
zum Beispiel „Fisherman’s Friend“) versprechen Problemlösungen, für welche die Käufer zu
zahlen bereit sind. Die Herstellungskosten mögen geringfügig höher sein als bei einfachen
Süßigkeiten, aber die Käufer bewerten die Leistungsfähigkeit in Bezug auf das Versprechen.
Die Hersteller warten nicht ab, bis die Käufer die Funktion bemerken und für sich entdecken,
sondern setzen alle denkbaren Instrumente des Marketing-Mix wie Verpackung, Werbung,
Sonderaktionen oder Einflussnahme auf die Verkäufer in Drogerien und Apotheken ein, um
dem Käufer die Funktion zu vermitteln.
Die Marketingfachleute im Unternehmen müssen daher die Gründe der Käufer, das Produkt
zu erwerben, kennenlernen und die Preise entsprechend dem Nutzenempfinden der Käufer
festsetzen. Die Käufer unterscheiden sich stark darin, welchen Nutzen sie bestimmten Pro-
duktfunktionen beimessen, deshalb können unterschiedliche Preisstrategien in unterschied-
lichen Marktsegmenten angewandt werden. Es kann dasselbe Produkt mit unterschiedlicher
Betonung der einzelnen Teilfunktionen zu verschiedenen Preisen angeboten werden.
Im Folgenden stellen wir zwei Formen von nutzenbasierter Preissetzung vor.
Good-Value-Preisstrategien Seit einigen Jahren stellen immer mehr Marketingverantwortli-
che eine grundlegende Einstellungsänderung von Verbrauchern in Richtung Qualität und
Preis fest. Daher passen viele Unternehmen ihre Preissetzung den veränderten wirtschaftli-
chen Bedingungen und der sich wandelnden Preiswahrnehmung ihrer Kunden an. Immer
häufiger setzen Marketing-verantwortliche Good-Value-Preisstrategien ein, d.h. sie bieten die
richtige Kombination aus Qualität und gutem Service zu einem fairen Preis.
Dies führte in vielen Fällen zur Einführung günstigerer Versionen etablierter Markenpro-
dukte, wie die Beispiele Travelodge und Holiday Express Budget-Hotels zeigen. In anderen
Fällen, wie bei Ikea und Walmart, nutzen die Anbieter die Überarbeitung oder Neuentwick-
lung bestehender Markenkonzepte, um für einen bestimmten Preis bessere Qualität oder die-
selbe Qualität preisgünstiger anbieten zu können.
Eine wichtige Form der nutzenbasierten Preissetzung im Einzelhandel, wie zum Beispiel bei
ALDI, ist das Konzept der Dauerniedrigpreise. Dies bedeutet einen konstanten Dauerniedrig-
preis mit keinen oder nur wenigen vorübergehenden Preisaktionen und Sonderangeboten.
Unangefochtener Dauerniedrigpreis-König in den USA ist Walmart, das Unternehmen, von
dem dieses Konzept stammt. Mit Ausnahme einiger Sonderangebote pro Monat verspricht
Walmart für sein gesamtes Angebot Dauerniedrigpreise. Durch diese gleichbleibenden Preise
entfällt die Preisunsicherheit von Woche zu Woche und es kann eine klare Differenzierung
zu der High-Low-Preisstrategie aktionsorientierter Konkurrenten hergestellt werden. Beim
High-Low-Pricing verlangt der Einzelhändler normalerweise höhere Preise, führt aber häu-
fige Aktionen durch, bei denen die Preise für ausgewählte Artikel zeitweise unter das Dauer-
niedrigpreis-Niveau gesenkt werden.

502
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10.2 Grundlegende Preisstrategien

Value-added-Preisstrategien Bei diesen Preisstrategien geht es nicht darum, das zu verlan-


gen, was Kunden bereit sind zu zahlen, oder die Preise aus Wettbewerbsgründen niedrig zu
halten. Vielmehr haben sich zahlreiche Unternehmen für die Value-added-Preisstrategien
bewusst entschieden. Anstatt die Preise zu senken, um so auf die Angebote ihrer Konkurren-
ten zu reagieren, werten sie ihr Angebot durch Sekundärdienstleistungen auf und rechtferti-
gen so höhere Spannen.

10.2.2 Kostenbasierte Preissetzung


Kosten bilden eine wichtige Grundlage für den Preis, den ein Unternehmen für seine Pro-
dukte verlangen muss. Während der vom Kunden wahrgenommene Nutzen die Preisober-
grenze bildet, stellen Kosten die Preisuntergrenze dar. Die kostenbasierte Preissetzung
berücksichtigt die Kosten für Produktion, Distribution und Verkauf des Produkts – zuzüglich
eines fairen Aufschlags für die Aufwendungen und das Risiko des Unternehmens.
Betrachtet man die Preissetzung isoliert, scheint sie einfach. Aber wie alle Elemente des Mar-
keting-Mix existiert der Preis nicht unabhängig, sondern ist vielmehr abhängig von Rohstoff-
preisen, Löhnen, der Kundenwahrnehmung des Produkts, seiner Distribution und, wie es der
Fall der Öresund-Brücke zeigt, von der Preisbereitschaft der Zielgruppe und dem Nutzen
eines Produkts für potenzielle Kunden.

Marketing-Highlight: Die Öresund-Brücke

Die Öresund-Brücke (Øresundsbron) ist die weltweit längste Schrägseilbrücke (für kom-
binierten Straßen- und Eisenbahnverkehr), welche mit einer zweispurigen Bahnstrecke
und einer vierspurigen Straße die dänische Hauptstadt Kopenhagen mit der Stadt
Malmö in Schweden verbindet. Regierungen haben keine Probleme damit, eindrucks-
volle Projekte – ob über oder unter dem Meeresspiegel – zu realisieren. Die Schwierig-
keit liegt darin, die Kosten niedrig zu halten und die Bürger von neuen Möglichkeiten
zu überzeugen. Nachdem die Öresund-Brücke ein Jahr geöffnet war, hatte es den
Anschein, als würde sie denselben Weg wie ähnliche Projekte gehen.
Es gibt typische Merkmale, wenn Länderteile verbunden werden:
 Die Idee liegt ganz offensichtlich auf der Hand, dass man schon über Möglichkeiten
nachzudenken beginnt, bevor es überhaupt die nötigen Technologien zur Verwirkli-
chung des Vorhabens gibt. So stammen einige Designs für eine „Öresund-Brücke“ aus
dem Jahr 1886. Bereits Napoleon plante, Großbritannien mithilfe eines Tunnels unter
dem Ärmelkanal zu attackieren.
 Regierungen beginnen solche Prestigeprojekte und leiden dann unter Kostenüber-
schreitungen.
 Zu wenige Menschen nutzen die neue Anlage, um die Kosten zu decken.
 Es werden ständige Subventionen benötigt.

503
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

Ein Beispiel ist der Eurotunnel oder Kanaltunnel. Der 50 Kilometer lange Eisenbahntun-
nel unter dem Ärmelkanal verbindet Cheriton in Kent (England) und Sangatte in Nord-
frankreich. Bei ihm hatten unzureichende Managementstrukturen dazu geführt, dass
der Bau zwei Jahre länger als geplant dauerte und 11 Milliarden Euro statt der veran-
schlagten 4,7 Milliarden Euro kostete. Die Vorhersagen bezüglich des Verkehrsaufkom-
mens waren zu optimistisch gewesen, was schließlich zu finanziellen Problemen der
Betreibergesellschaft führte.

Abbildung 10.4: Öresund-Brücke


(Quelle: Hajotthu (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Öresundbrücke_nach_Malmö.JPG), https://creativecom-
mons.org /licenses/by-sa/4.0/legalcode)

Auch die Hochgeschwindigkeitsbahnlinie zwischen London, Paris und Brüssel hatte


ähnliche Probleme, weil hier die tatsächlichen Passagierzahlen nur 50 Prozent der Vor-
hersagen erreichten. Eurotunnel versucht jetzt weitreichende Änderungen vorzuneh-
men, um fundamentale und strukturelle Probleme zu bewältigen. Grundsätzlich nutzen
zu wenig Menschen den Tunnel. Das Reisen über den Kanal wird von verbesserten Fäh-
ren und Luxusfähren, die sich zunehmend auf dem Markt behaupten, und von Billig-
fliegern wie easyJet und Ryanair dominiert. Die geänderten Reisegewohnheiten werden
besonders deutlich durch die Zahl der Passagiere, die fliegen und ein Auto mieten,
anstatt mit dem eigenen Auto zu verreisen.

504
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10.2 Grundlegende Preisstrategien

Der Eurotunnel hat geringe Schwierigkeiten im Vergleich zu Fehlschätzungen bei einem


japanischen Brückenbauprojekt. Im Jahr 1998 wurde die Akashi-Kaikyo-Brücke als
längste Hängebrücke der Welt eingeweiht. Sie verbindet die Stadt Kobe mit der Insel
Awaji und kostete 800 Milliarden Yen (circa 8,5 Mrd. Euro). Behörden schätzten, dass
37.000 Fahrzeuge die Brücke pro Tag nutzen würden, obwohl nur 100 bis 200 Fahrzeuge
täglich die Fähre zwischen der Stadt Kobe und der Insel Awaji nutzten. Zur politischen
Begründung des Brückenbaus hieß es, damit würde ein wirtschaftlicher Aufschwung
der Inselregionen Awaji und Shikoku entstehen. Obwohl ästhetisch sehr gelungen und
sicherlich ein Vorzeigestück moderner Ingenieurbaukunst, hat die Brücke nicht dazu
beigetragen, dass mehr Menschen als zuvor nach Awaji reisen. Nach der anfänglichen
Begeisterung haben sich die Benutzerzahlen jetzt geringfügig über den Zahlen der vor-
maligen Fährenbenutzer eingependelt. Was nun die Öresund-Brücke angeht, sah es so
aus, als ob sie das Schicksal ähnlicher Projekte weltweit ereilen würde. Nicht nur, dass
die Nutzerzahlen den Vorhersagen weit hinterherhinkten, man musste befürchten, dass
sie noch weiter zurückgehen würden. Novo Nordisk, ein dänischer Pharmaproduzent,
der eigentlich vom „Brückeneffekt“ profitieren wollte, indem die Mitarbeiter weit aus
dem schwedischen Hinterland nach Dänemark anreisen sollten, machte jetzt Druck auf
seine Mitarbeiter, die Brücke so wenig wie möglich zu benutzen und mehr von zu Hause
aus zu arbeiten. Die schwedische Möbelkette Ikea ging sogar noch weiter und untersagte
ihren Mitarbeitern, bei Geschäftsreisen die Brücke zu benutzen. Ikea-Mitarbeiter sind
verpflichtet, die Fähren zu benutzen. Die Überfahrt mit der Fähre dauert zwar viel län-
ger, dafür entstehen dem Unternehmen aber auch deutlich geringere Kosten.
Die dänische und schwedische Regierung initiierten das Öresund-Projekt im Jahr 1991.
Ziel war es, eine feste Verbindung in der Region um den Öresund zu schaffen, zu der
Seeland mit der Hauptstadt Kopenhagen, Lolland-Falster und Bornholm auf der däni-
schen Seite sowie Regionen mit zentraler Bedeutung auf der schwedischen Seite gehö-
ren. Die Brücke sollte die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern in Bezug auf
Wirtschaft, Bildung, Forschung und Kultur intensivieren und gleichzeitig für Schweden
eine feste Verbindung zum übrigen Europa schaffen. Im Juli 2000 wurde das 1,3-Milliar-
den-Euro-Bauwerk, eine Brücke mit einem sich anschließenden Tunnel, für den Verkehr
freigegeben. Die Investitionen sollten sich aus den Gebühren, die täglich Tausende von
Autofahrern zahlen würden, amortisieren. Die Lebensgewohnheiten in der Region
haben sich bereits geändert. In den Galerien und Cafés von Kopenhagen sieht man mehr
Schweden als je zuvor. Andererseits scheint das schwedische Malmö die Dänen nicht in
gleichem Maße anzuziehen. Die wirtschaftliche Realität sieht jedoch anders aus. Nach
einer anfänglichen Frequenz von 20.000 Überquerungen pro Tag kurz nach der Eröff-
nung hat sich die tägliche Nutzung bei etwa 6.000 pro Tag eingependelt. Die Nutzung
liegt weit unter den Zielvorgaben, obwohl 75 Prozent mehr als vor Eröffnung der Brücke
täglich von einer Seite zur anderen fahren.
Um zusätzliche Nutzer anzuziehen, wurde eine große Werbekampagne gestartet. Jedoch
scheinen die Gebühren das Problem zu sein. Da deutlich weniger Autos als erwartet die
Brücke überqueren, müssen die dänische und die schwedische Regierung eine Strategie
finden, um eine bessere Rendite zu erzielen. Dies soll durch eine geänderte Preisstrate-
gie erreicht werden. Derzeit gibt es drei Tariftypen, abhängig davon, ob der Fahrer auf
der Brücke direkt bezahlt oder ob er am Bonusprogramm für Vielnutzer teilnimmt.

505
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

Verkehrsteilnehmer, die die Brücke nur ein paar Mal im Jahr überqueren, zahlen den
Barpreis, während diejenigen, die die Brücke täglich nutzen, beträchtliche Preisnach-
lässe im Rahmen eines jährlichen oder monatlichen Abonnementtarifs erhalten. Der
dänische Finanzminister schlug zudem eine Steuersenkung für Pendler vor, die die Brü-
cke regelmäßig nutzen. Nach vielen mageren Jahren steigt der Verkehr nun endlich.
2011 konnte ein Gewinn von 211 Millionen DKK erwirtschaftet werden. 2017 fuhren
mehr als 7,5 Millionen Fahrzeuge über die Brücke – im Vergleich zu etwa drei Millionen
im Jahr 2001.

Abbildung 10.5: Startseite der Webseite zur Öresund-Brücke


(Quelle: Webseite der Öresund-Brücke unter: http://de.oresundsbron.com [06.02.2018].)

Die Kostenstruktur des Unternehmens


Die Kostenkategorien Die Kosten eines Unternehmens teilen sich in zwei Kategorien auf:
 fixe Kosten
 variable Kosten
Fixe Kosten sind unabhängig von der Produktions- oder Verkaufsstückzahl. Beispiele dafür
sind Aufwendungen für Miete und Heizung oder die Gehälter des Managements, die jeden
Monat gleich sind, ungeachtet dessen, wie viel produziert oder verkauft wird. In vielen Bran-
chen, wie zum Beispiel bei Fluglinien, dominieren die Fixkostenanteile. Wird eine Strecke
mit sehr wenigen Passagieren beflogen, beeinflusst das nur die direkten Kosten des Kabinen-
services. Unverändert und somit fix bleiben die Kosten für den Einsatz des Fluggeräts ein-
schließlich der Kosten für die Besatzung, Instandhaltung, die Start- und Landegebühren, die
Treibstoffkosten, die Kosten für die organisatorische sowie die technische Infrastruktur.

506
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10.2 Grundlegende Preisstrategien

Variable Kosten sind Kosten, die direkt von der Produktionsstückzahl abhängen. Jeder pro-
duzierte Computer beinhaltet Kosten für eine Festplatte, eine Hauptplatine, eine Tastatur, ein
DVD-Laufwerk usw.
Die Gesamtkosten für eine bestimmte Produktionsmenge sind die Summe aus den fixen und
den variablen Kosten für die jeweils vorgegebene Produktionsstückzahl. Ein Unternehmen
muss die Kosten sorgfältig beobachten. Weist es höhere Kosten für Produktion oder Verkauf
eines Produkts auf als die Konkurrenz, muss es einen höheren Preis verlangen oder es wird
geringere Gewinne erzielen. In beiden Fällen erleidet es einen Wettbewerbsnachteil.
Kosten bei unterschiedlichen Produktionsmengen Um die richtigen Preisentscheidungen
treffen zu können, muss ein Unternehmen informiert sein, wie sich die Kosten bei unter-
schiedlichen Produktionsmengen verhalten. Dieser Zusammenhang wird im Folgenden
exemplarisch anhand der Produktion von Mobiltelefonen erläutert. Samsung plant eine neue
Produktionsstätte, und es wird überlegt, ob eine Tageskapazität von 1.000 Einheiten ausrei-
chend ist. Abbildung 10.6 (1.) zeigt die Kosten pro Stück bei unterschiedlichen Produktions-
mengen auf. Die Kosten pro Mobiltelefon sind höher, wenn Samsung nur ein paar pro Tag
herstellt. Aber wenn die Produktion auf 1.000 Mobiltelefone pro Tag gesteigert wird, verrin-
gern sich die durchschnittlichen Kosten pro Einheit. Das liegt daran, dass sich die fixen Kos-
ten auf mehr Einheiten verteilen und diese pro Einheit dann dementsprechend geringer sind.
Samsung könnte sogar versuchen, mehr als 1.000 Mobiltelefone am Tag herzustellen. Jedoch
würden die Durchschnittskosten dann wieder steigen, weil die Produktionseinrichtungen
beginnen, ineffizient zu arbeiten. Mitarbeiter müssten auf Maschinen warten und diese
müssten aufgrund der hohen Nutzung öfter gewartet werden. Überall entstehen Überschnei-
dungen und Behinderungen. Wenn Samsung davon ausgeht, dass man 2.000 Mobiltelefone
am Tag verkaufen kann, sollte man größere Anlagen und Produktionsstätten bauen. Diese
wären dementsprechend effizienter. Die durchschnittlichen Kosten für ein Mobiltelefon wür-
den niedriger sein als bei einer Produktion von 1.000 Mobiltelefonen am Tag. Dies wird in
Abbildung 10.6 (2.) verdeutlicht. Tatsächlich wäre die Herstellung von 3.000 Mobiltelefonen
am Tag am günstigsten. Bei einer Kapazität von 4.000 Mobiltelefonen am Tag wäre die Effizi-
enz aufgrund von zunehmenden Größennachteilen – Arbeitsvorgänge und Mitarbeiter behin-
dern sich wieder gegenseitig – geringer.

Kurzfristige
Durchschnittskosten
Kurzfristige 1
Durchschnittskosten 2
3
4
Stückkosten
Stückkosten

Langfristige
Durchschnittskosten

1000 Einheiten 1000 2000 3000 4000


Produktionsmenge pro Tag Produktionsmenge pro Tag

1. Kostenverhalten bei festgelegter 2. Kostenverhalten bei angepasster


Produktionsmenge Produktionsmenge
Abbildung 10.6: Verhalten der Stückkosten bei unterschiedlichen Produktionsmengen

507
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

Die Erfahrungskurve Nehmen wir an, Samsung würde seit einiger Zeit die Produktion mit
einer Kapazität von 3.000 Einheiten pro Tag betreiben. Würde die Herstellung der Mobiltele-
fone über einen gewissen Zeitraum durchgeführt, ist zu erwarten, dass Erfahrungswerte
gesammelt werden, die zu einer Verbesserung des Produktionsprozesses und zur optimalen
Nutzung der Produktionsanlagen beitragen. Es ist zu erwarten, dass Arbeiter die Maschinen
besser und schneller bedienen können, die interne Organisation wird optimiert, Werkzeuge
und Verfahren erfahren Verbesserungen im Detail. Mit steigender Menge wird die Produktion
immer effizienter und es werden Massenproduktionsvorteile, sogenannte Skalenerträge (Eco-
nomies of Scale), erzielt. Dies bedeutet, dass die durchschnittlichen Kosten mit der kumu-
lierten Produktionsmenge sinken (siehe dazu Abbildung 10.7).

10

8
Stückkosten

100.000 200.000 400.000 800.000 Stück


Gesamtproduktion (kumuliert)
Abbildung 10.7: Die Erfahrungskurve

Demnach betragen die durchschnittlichen Produktionskosten der ersten 100.000 Mobiltele-


fone zehn Euro pro Stück. Wenn das Unternehmen die ersten 200.000 Mobiltelefone produ-
ziert hat, sinken die durchschnittlichen Produktionskosten auf 8,50 Euro pro Stück. Wenn
sich die kumulierte Produktionsmenge auf 400.000 verdoppelt hat, sinken die durchschnitt-
lichen Kosten auf sieben Euro pro Stück. Diese mit jeder Verdoppelung der kumulierten Pro-
duktionsmenge einhergehende Senkung der Durchschnittskosten bezeichnet man als Erfah-
rungskurve oder Lernkurve.
Wenn eine solche abwärts geneigte Erfahrungskurve existiert, ist dies für ein Unternehmen
äußerst wichtig. Denn mit steigender Produktionsmenge sinken die Stückkosten nicht nur
absolut, die Kosten fallen auch relativ gesehen schneller, je mehr Produkte ein Unternehmen
in einem bestimmten Zeitraum produziert und verkauft. Dazu muss jedoch gewährleistet
sein, dass der Markt einen höheren Output auch aufnehmen kann. Um die Vorteile der Erfah-
rungskurve nutzen zu können, sollte ein Unternehmen daher schon in frühen Phasen des
Produktlebenszyklus versuchen, einen hohen Marktanteil zu erzielen. Dies legt die folgende
Preissetzungsstrategie nahe: Samsung sollte seine Preise relativ niedrig halten, um so eine
hohe Nachfrage zu generieren. Durch die Produktion großer Mengen können dann Erfah-
rungskurven- oder Lerneffekte realisiert werden, sodass die Stückkosten des Unternehmens
kontinuierlich fallen und folglich auch die Produktpreise weiterhin gesenkt werden können.
Es gibt Unternehmen, die ausgehend von der Lernkurve erfolgreiche Strategien aufbauen
konnten. Eine einseitige Fixierung auf die Kostensenkung und die Ausschöpfung der Lern-
kurve funktioniert jedoch nicht immer. In den 70er-Jahren war die Anwendung der Theorie
der Lernkurve ein Trend, und wie viele Trends wurde diese oftmals falsch eingesetzt. Die

508
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10.2 Grundlegende Preisstrategien

Preisbildung auf Grundlage der Erfahrungskurve birgt nämlich auch erhebliche Risiken. Eine
aggressive Niedrigpreispolitik kann einem neuen Produkt schnell ein Billig-Image geben.
Außerdem geht das Modell davon aus, dass Wettbewerber einer Niedrigpreispolitik nicht mit
vergleichbaren Preissenkungen begegnen, was in der Realität aber häufig geschieht.
Es kann außerdem passieren, dass ein Unternehmen mit einer Produktionstechnologie große
Absatzzahlen erreicht, jedoch ein Wettbewerber mithilfe einer neuen Technologie und damit
einhergehenden niedrigeren Kosten in den Markt eintritt. Sobald die neue Technologie in
großem Umfang genutzt wird, kann der Marktführer, der weiterhin mit der auf der alten
Technologie basierenden Erfahrungskurve operiert, ins Hintertreffen geraten.
Kostenzuschlagskalkulation Die einfachste Methode, einen Preis zu ermitteln, ist die Kosten-
zuschlagskalkulation. Nachdem die Kosten der Herstellung des Produkts ermittelt sind, wird
dieser Wert um einen vorher festgelegten Gewinnzuschlag erhöht. Bauunternehmen beispiels-
weise kalkulieren ihre Gebote für ausgeschriebene Projekte anhand der geschätzten Realisie-
rungskosten zuzüglich eines Gewinnaufschlags. Auch die Kostensätze von Anwälten, Buchhal-
tern und anderen Dienstleistungsanbietern orientieren sich an standardisierten Zuschlägen.
Diese Preissetzungsmethode soll anhand der Produktion von Toastern demonstriert werden:

Variable Kosten 10 Euro/Stück


Fixe Kosten 300.000 Euro
Erwarteter Absatz 50.000 Stück
Daraus ergeben sich Kosten für einen Toaster in folgender Höhe:

Fixe Kosten
Stückkosten = Variable Kosten +
Anzahl der Verkäufe

300.000 €
Stückkosten = 10 € + = 10 € + 6 € = 16 €
50.000 €
Der Hersteller geht nun von einem Gewinnzuschlag von 20 Prozent aus. Der Preis mit dem
Gewinnzuschlag errechnet sich wie folgt:

Preis mit Gewinnzuschlag =


Preis pro Einheit
=
(100% – Prozentsatz geplanter Gewinn)
16 € 16 € × 100
= = 20 €
(100 – 20 Prozent) 80

Nach diesen Berechnungen würde der Hersteller dem Handel für einen Toaster 20 Euro in
Rechnung stellen und einen Gewinn von 4 Euro pro Stück erzielen.
Wenn der Handel 50 Prozent seines Verkaufspreises als Gewinn erzielen will, dann wird er
den Verkaufspreis für den Toaster auf 40 Euro setzen. Dieser Preis entspricht einem Gewinn-
zuschlag von 100 Prozent auf den Einkaufspreis des Händlers (20 € + 20 €).
Die Kostenzuschlagskalkulation ist weit verbreitet. Trotzdem muss man sich die Frage stel-
len, ob die Preissetzung durch Standard-Gewinnzuschläge sinnvoll ist. Jede Preissetzung,
welche die tatsächliche Nachfragesituation und die Preispolitik des Wettbewerbs einfach
außer Acht lässt, kann nicht zu einem optimalen Preis führen.
Wenn in obigem Beispiel nur 30.000 statt der geplanten 50.000 Toaster verkauft werden, wären
die Stückkosten höher, weil die Fixkosten in Höhe von 300.000 Euro auf eine kleinere Stückzahl

509
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

umgelegt werden müssten. Dadurch würde der geplante Prozentsatz für den Gewinn nicht
erreicht. Diese Methode funktioniert also nur dann, wenn der geplante Absatz tatsächlich reali-
siert werden kann. Außerdem wird hier nicht berücksichtigt, wie zu verfahren wäre, wenn die
eigenen Kosten und damit der kalkulierte Preis höher wären als bei den Wettbewerbern.
Trotzdem gibt es einige Argumente, die Kostenzuschlagskalkulation anzuwenden. In der Regel
liegen in einem Unternehmen genaue Informationen über die Kosten vor. Marktdaten sind
dagegen schwieriger zu erlangen. Wenn man den Preis anhand der Kosten berechnet, verein-
facht man die Preisfindung und sie gewinnt an Kontinuität. Wenn jedes Unternehmen einer
Branche diese Art der Preissetzung nutzt, gleichen sich Preise tendenziell an und der Preis-
wettbewerb würde sich folglich auf ein Minimum reduzieren. Außerdem empfinden viele Käu-
fer diese Art der Preissetzung als gerecht. Verkäufer erzielen einen fairen Gewinn für ihre
Investitionen und eine steigende Nachfrage führt nicht zulasten der Käufer zu höheren Preisen.
Break-even-Analyse und gewinnzielorientierte Preissetzung Eine weitere Variante der kos-
tenbasierten Preissetzung ist die Break-even-Analyse bzw. eine Variation dieser, die soge-
nannte gewinnzielorientierte Preissetzung (target profit pricing).
Die Break-even-Analyse berechnet bei einem gegebenen Preis die erforderliche Absatzmenge
zur Deckung aller Kosten bzw. zur Erreichung der Gewinnschwelle. Bei der gewinnzielorien-
tierten Preissetzung wird, ausgehend von der Break-even-Darstellung, der Punkt gesucht, bei
dem ein bestimmtes Gewinnziel realisiert wird. Die gewinnzielorientierte Preissetzung wird
von Unternehmen wie beispielsweise General Motors genutzt. Sie setzen ihre Autopreise so,
dass sie einen 15- bis 20-prozentigen Gewinn auf ihre Investitionen erhalten. Diese Methode
wird auch von öffentlichen Versorgungseinrichtungen angewendet, die dazu angehalten
sind, einen fairen Ertrag ihrer Investitionen zu erzielen.

1200
Gesamtumsatz

1000
Kosten in Euro (Tsd.)

800 Gesamtkosten

600
Break-even-Punkt
(Break-even-Menge von 30.000 Stück)
400
Fixe Kosten

200

0
10 20 30 40 50

Absatz in Tsd. Stück


Abbildung 10.8: Ermittlung der Break-even-Menge

Abbildung 10.8 zeigt die Break-even-Analyse bezogen auf das Beispiel des genannten Toas-
terherstellers. Die Fixkosten betragen 300.000 Euro, ungeachtet des Verkaufsvolumens. Die

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10.2 Grundlegende Preisstrategien

variablen Kosten werden zu den Fixkosten addiert. Daraus ergeben sich die Gesamtkosten,
die mit zunehmender Menge ansteigen. Die Gesamtertragskurve beginnt im Nullpunkt und
wächst mit jedem verkauften Produkt stetig an. Die Neigung der Gesamtertragskurve spiegelt
den Preis von 20 Euro pro Stück wider. Die Ertragskurve und die Gesamtkostenkurve kreu-
zen sich bei einer Menge von 30.000 Stück. Dieser Punkt repräsentiert die Break-even-Menge
beziehungsweise den Break-even-Punkt. Das bedeutet, bei einem Preis von 20 Euro muss das
Unternehmen 30.000 Stück verkaufen, um kostendeckend zu arbeiten (die Gesamterträge
decken die Gesamtkosten ab).
Die Break-even-Menge kann anhand der folgenden Formel berechnet werden:

Fixkosten
Break-even-Menge =
Preis − variable Kosten
300.000 €
Break-even-Menge = = 30.000 Stück
20 € − 10 €
Will das Unternehmen einen bestimmten Gewinn erreichen, muss es mehr als 30.000 Stück
zu einem Preis von 20 Euro verkaufen. Angenommen der Toasterhersteller hat 1.000.000
Euro in sein Geschäft investiert und möchte 20 Prozent oder 200.000 Euro Gewinn erzielen.
In diesem Fall muss er, bei einem Preis von 20 Euro, 50.000 Stück verkaufen. Wenn das
Unternehmen einen höheren Preis ansetzt, ist es nicht nötig, mehr Toaster als bisher zu ver-
kaufen, um den angepeilten Gewinn zu erzielen. Es könnte jedoch möglich sein, dass der
Markt nicht die gewünschte Menge aufnimmt. Dies hängt letztlich von der Preiselastizität
und den Wettbewerbspreisen ab.

(2) (3) (4) (6)


(1) (5)
Break-even- Erwartete Menge Umsatz Gewinn
Preis Gesamtkosten
Menge bei gegebenem = (1) ∗ (3) = (4) – (5)
(in Euro) (in 1.000 Euro)
(in 1.000) Preis (in 1.000) (in 1.000) (in 1.000 Euro)
14 75 71 994 1.010 –16
16 50 67 1.072 970 102
18 37 60 1.080 900 180
20 30 42 840 720 120
22 25 23 506 530 –24
Tabelle 10.2: Break-even-Menge und Gewinn bei unterschiedlichen Preisen (bei Annahme von 300.000 Euro Fixkosten und
konstanten Stückkosten von 10 Euro)

Der Hersteller sollte unterschiedliche Preise in Betracht ziehen und für jeden die Break-even-
Menge, die wahrscheinliche Nachfrage sowie den jeweiligen Gewinn berechnen. Diese Vorge-
hensweise ist in Tabelle 10.2 dargestellt. Es wird deutlich, dass, wenn der Preis steigt, die
Break-even-Menge fällt (Spalte 2). Steigt der Preis, sinkt jedoch auch die Nachfrage (Spalte 3).
Bei einem Preis von 14 Euro muss eine große Menge verkauft werden, um den Break-even-
Punkt zu erreichen. Wenngleich der geringe Preis viele Käufer anspricht, wird trotzdem die
Nachfrage unter den relativ hohen Break-even-Punkt sinken und der Hersteller wird einen Ver-
lust erwirtschaften. Im anderen Extrem, bei einem Preis von 22 Euro, muss er nur 25.000 Stück
verkaufen, um den Break-even-Punkt zu erreichen. Auch bei diesem Preisniveau wird jedoch
weniger gekauft, als nötig wäre, um einen Gewinn zu erzielen. Die Tabelle zeigt, dass ein Preis
von 18 Euro den höchsten Gewinn erbringt. Zu beachten ist, dass bei keinem Preis der Zielge-

511
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

winn des Herstellers von 200.000 Euro erzielt werden kann. Um diesen zu erreichen, wird der
Hersteller nach Möglichkeiten suchen müssen, um die fixen und variablen Kosten zu reduzie-
ren. Denn diese tragen maßgeblich zur Senkung der Break-even-Menge bei.

10.2.3 Wettbewerbsbasierte Preissetzung


Die wettbewerbsbasierte Preissetzung umfasst die Preissetzung unter Berücksichtigung der
Strategien von Wettbewerbern, deren Kosten, Preise und deren Angebote auf dem Markt. Die
Verbraucher werden ihr Urteil über den Nutzen des Produkts auf die Preise stützen, welche
von Konkurrenzunternehmen für dasselbe Produkt verlangt werden. Bei der Beurteilung der
Preisstrategien von Wettbewerbern sollte sich ein Unternehmen mehrere Fragen stellen. Als
Erstes sollte es sich fragen, wie das eigene Angebot auf dem Markt im Vergleich zu dem der
Konkurrenzunternehmen ist und hierbei den Fokus auf den Kundennutzen legen. Wenn die
Verbraucher erkennen, dass ein Unternehmen bessere Produkte oder einen besseren Service
garantiert, kann dieses Unternehmen auch einen höheren Preis dafür verlangen. Wenn die Ver-
braucher jedoch einen geringeren Nutzen in den Produkten und dem Service sehen, so muss
das Unternehmen einen geringeren Preis festlegen oder die Kundenwahrnehmung bezüglich
der Produkte und des Services so verändern, dass ein hoher Preis gerechtfertigt ist. Als Nächs-
tes sollte sich das Unternehmen fragen, wie stark die Wettbewerber sind und welche Preisstra-
tegien sie verfolgen. Wenn dem Unternehmen eine Vielzahl von kleineren Unternehmen gegen-
überstehen, die hohe Preise für einen vergleichbar geringen Nutzen ansetzen, könnte es
niedrige Preise festlegen, um die kleinen Unternehmen vom Markt zu verdrängen. Wenn der
Markt von großen Unternehmen dominiert wird, die eine Niedrigpreisstrategie verfolgen,
könnte sich das Unternehmen dafür entscheiden, unbesetzte Marktnischen durch Produkte mit
höherem Kundennutzen zu besetzen und für diese höhere Preise zu verlangen.
Nach welchem Prinzip sollten Entscheidungen über die Preisgestaltung im Vergleich zu den
Wettbewerbern getroffen werden? Die Antwort ist theoretisch ganz einfach, in der Praxis jedoch
kompliziert: egal, welchen Preis man veranschlagt – einen hohen, einen niedrigen oder einen
mittleren – es muss gewährleistet sein, dass der Kunde den größten Nutzen dafür bekommt.
Eine völlig andere Form der Preissetzung bzw. -anpassung findet im Rahmen von Transaktio-
nen wie Auktionen und öffentlichen Ausschreibungen statt. Der nachfolgende Exkurs bietet
einen Überblick über verschiedene Transaktionen und deren Preisgestaltung.

Exkurs: Auktionen als Transaktionen mit eigener Preissetzung


oder Preisanpassung

Léon Walras (1834–1910), als Wirtschaftstheoretiker der sogenannten Lausanner Schule


zugerechnet, verglich das Wirtschaftsgeschehen mit einer Vielzahl von Auktionen zwi-
schen Bietern und Nachfragern, die alle im Gleichgewicht zwischen Angebot und Nach-
frage enden.
Das Wesen der Auktion ist es, dass die Anpassungsprozesse im Vergleich zu den kurz-
fristig statischen Märkten rapide ablaufen, die Anpassung ist Bestandteil der Transak-
tion. Dagegen tritt das Element der Sicherheit über den Preis in den Hintergrund, keiner
der Handelspartner weiß, zu welchem Preis die Transaktion stattfinden wird.

512
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10.2 Grundlegende Preisstrategien

Ausschreibungen im öffentlichen Bereich, Kunstauktionen, Fundsachenversteigerun-


gen, Börsenhandel und vieles andere mehr hat es stets gegeben. Durch das Internet sind
jedoch neue Formen wie zum Beispiel die Auktionsplattform eBay hinzugekommen.

Organisation der Verhandlung

Angebotsinhalt/Angebotsobjekte und Wer erhält den


Form
Organisation der Verhandlung Auftrag?
Ausschreibung mit ver- Leistungsvergaben mit Verschlossene Niedrigstes Angebot
schlossener Angebotsab- offenem oder geschlosse- Angebotsabgabe führt zum Auftrag,
gabe nem Teilnehmerkreis keine Nachbesserung
möglich
Verkauf von Immobilien, Verkaufsangebote häufig Verschlossene Ange- Höchstes Angebot führt
Versteigerung von Kon- mit öffentlich-rechtlicher botsabgabe, offene zum Zuschlag, keine
zessionen, Nutzungsrech- Bindung der Verkäufer Versteigerung, Inter- Nachbesserung möglich
ten, Mobilfunklizenzen (Staat), d.h. Verpflichtung netauktion
usw. zur Gleichbehandlung
aller Kaufinteressenten
Öffentliche Kunst, Fundsachen „Englische Auktion“ Höchstes Angebot bei
Versteigerungen z.B. in Auktions- dreimaligem Aufruf,
häusern Nachbesserung durch
Spontanbieten
Öffentliche Versteigerung z.B. Blumen in Blumen- „Holländische Auk- Lieferant geht so lange
großmärkten tion“ mit dem Preis nach
unten, bis gekauft wird
Kaufzusammenfassung z.B. www.groupon.com im Institution ruft Inter- Ähnliches Vorgehen bei
Internet essenten auf, Kauf- den elektronischen Ein-
zusagen zu geben kaufsbörsen bestimm-
und „versteigert“ ter Industrien, wie z.B.
dann das gesamte „www.covisint.com“ in
Einkaufsvolumen der Automobilindustrie
Tabelle 10.3: Typologie der Kaufs- und Verkaufstransaktionen mit Preissetzung oder Preisanpassung als Bestandteil der
Transaktion

10.2.4 Weitere interne und externe Einflussgrößen


Zu den unternehmensinternen Einflussgrößen der Preisentscheidung gehören die Marketing-
ziele und -strategien, der Marketing-Mix sowie die Organisation des Unternehmens. Zu den
externen Faktoren, welche die Preisentscheidung beeinflussen, gehören die Markt- und
Nachfragesituation und sonstige Einflüsse aus dem wirtschaftlichen Umfeld.

Die Marketingziele des Unternehmens


Bevor ein Preis für ein Produkt oder eine Dienstleistung festgelegt werden kann, muss eine
Grundsatzentscheidung über die Gesamtstrategie und die verfolgten Ziele erfolgen. Wenn eine
sorgfältige Auswahl der Zielgruppe und der Produktpositionierung vorgenommen wurde, ist

513
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

daraus die Marketing- beziehungsweise Preisstrategie zu entwickeln. Ein Beispiel hierfür ist
das Unternehmen Toyota, das sich mit der Entwicklung des Modells „Lexus“ entschloss, mit
europäischen Herstellern im Luxussegment zu konkurrieren. Dies erfordert auch einen hohen
Preis, um damit den Wert des Autos auszudrücken. Wenn sich Hotelketten wie Travelodge in
den USA oder Ibis in Europa an preisbewusste Verbraucher wenden wollen, bedeutet das einen
niedrigen Preis für eine Übernachtung. Die Preisstrategie beruht daher zu einem großen Teil auf
der vorher festgelegten Marktpositionierung.

Der Marketing-Mix des Unternehmens


Die Preisgestaltung ist nur eines der Instrumente aus dem Marketing-Mix, das ein Unterneh-
men einsetzen kann, um seine Marketingziele zu erreichen. Die Preissetzung muss auf das
Produktdesign und auf die Entscheidungen über Vertriebskanäle und Werbeaktionen abge-
stimmt sein, um ein schlüssiges und wirkungsvolles Marketingkonzept entstehen zu lassen.
Entscheidungen, die für andere Bereiche des Marketing-Mix getroffen werden, haben Aus-
wirkungen auf die Preisentscheidung. Wenn ein Hersteller sich dazu entschlossen hat, sei-
nen Vertrieb auf einem breiten Netz von Groß- und Einzelhändlern aufzubauen, von denen er
die Durchführung von Werbe- und Sonderaktionen vor Ort erwartet, muss er in seinen Preis
eine etwas höhere Handelsspanne für diese Aktionen des Handels einarbeiten. Die Entschei-
dung, ein Produkt mit einer hohen Qualität zu positionieren, bedeutet, dass der Preis so
berechnet werden muss, dass er die entsprechend höheren Kosten abdeckt. Und Hersteller,
deren Vertriebspartner die Produkte fördern und bewerben sollen, können gezwungen sein,
höhere Wiederverkaufs-Margen auf die Preise aufzuschlagen.
Häufig wird für ein neues Produkt zuerst der Preis festgelegt. Danach folgen die Entscheidun-
gen bezüglich der übrigen Bereiche des Marketing-Mix, wobei diese sich in den durch den
Preis vorgegebenen Rahmen einfügen müssen. Der Preis ist ein entscheidender Faktor für die
Produktpositionierung in Hinblick auf den Markt, die Wettbewerber und die Produktgestal-
tung. Des Weiteren werden durch den vorgegebenen Preis die Produktausstattung und die
Produktionskosten, die entstehen dürfen, bestimmt.
Zielkostenmethode (target costing) Diese Methode wird in vielen Unternehmen angewendet,
da sie ein starkes unternehmensstrategisches Instrument darstellt, das hilft, die Kosten zu
begrenzen. Die Zielkostenmethode dreht den Prozess der Preissetzung um. Normalerweise
wird ein Produkt entwickelt, die Kosten dafür werden berechnet und man stellt die Frage:
„Können wir es für diesen Preis verkaufen?“ Stattdessen sind hier die Kosten innerhalb des
vom Preis gesetzten Rahmens eine Maximalgröße, die nicht überschritten werden darf. Hier-
auf aufbauend ist das Produkt zu entwickeln.
Die beliebten „Swatch“-Uhren sind das Ergebnis einer solchen Vorgehensweise, wie das
nachfolgende Highlight zeigt.

514
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10.2 Grundlegende Preisstrategien

Marketing-Highlight: Target costing am Beispiel von „Swatch“-Uhren

Zu Beginn des Geschäfts untersuchte „Swatch“ den Uhrenmarkt genau und erkannte
ein unbedientes Segment. Die identifizierte Zielgruppe wollte Uhren in Form von preis-
günstigen Modeaccessoires. Ausgestattet mit dieser Information über die Marktbedürf-
nisse entwickelte „Swatch“ Uhren, die die Käufer wünschten, und zu einem Preis, den
sie bereit waren zu zahlen. Um die Kosten gering zu halten, entwickelte „Swatch“ einfa-
chere modische Uhren, die aus Hightech-Elementen und weniger teuren Materialien
bestanden. Der Produktionsprozess wurde vollständig auf Massenproduktion hin konzi-
piert und automatisiert sowie kontinuierlich und konsequent auf seine Kosten hin kont-
rolliert. Durch die sorgfältige Kostenkontrolle war es „Swatch“ möglich, eine Uhr zu
entwickeln, die die perfekte Mischung aus Mode, Funktion und Preis darstellte. Das
Ergebnis der erfolgreichen Einführung war und ist, dass Käufer mit den „Swatch“-Pro-
dukten einen hohen Nutzen verbinden. Dies ermöglichte es dem Unternehmen, sukzes-
siv auch hochpreisigere Produkte einzuführen.

Abbildung 10.9: Armbanduhr von Swatch


(Quelle: BastienM (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Swatch_Irony_Charcoal_Suit.jpg), „Swatch Irony Charcoal
Suit“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode)

Die beste Strategie besteht häufig nicht darin, den niedrigsten Preis anzusetzen, sondern das
Marketingangebot zu differenzieren, um damit einen höheren Preis zu rechtfertigen.
Einige Marketingexperten positionieren ihre Produkte sogar als hochpreisig, wobei die Preise
einen Teil der Faszination für das Produkt ausmachen. Grand Marnier bot z.B. eine Flasche
der Jubiläumskreation Cuvée du Cent Cinquantenaire für 160 Euro an, die mit dem Slogan
„Schwer zu finden, unmöglich auszusprechen und verboten teuer“ beworben wurde. Und in

515
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

der berühmten Werbekampagne von Stella Artois werden Kunden darüber informiert, dass
das Premium-Lager „beruhigend teuer“ und auf dem Höhepunkt des anspruchsvollen euro-
päischen Zeitgeistes sei.
In Summe müssen Marketer die gesamte Marketingstrategie und den Marketing-Mix in die
Preisgestaltung einbeziehen. Und selbst wenn der Preis bei der Strategie im Mittelpunkt
steht, dürfen sie nicht vergessen, dass Konsumenten einen Kauf selten allein wegen des Prei-
ses vornehmen. Vielmehr sind sie auf der Suche nach Produkten, die ihnen den größtmögli-
chen Nutzen für den Preis, den sie bezahlen, bieten.

Die Organisation des Unternehmens


Die Unternehmensleitung muss eine klare Aufgabenzuweisung vornehmen, wer innerhalb
der Organisation für die Preisentscheidung verantwortlich ist. Die Preisentscheidung ist in
der täglichen Praxis ganz unterschiedlichen organisatorischen Teileinheiten zugewiesen. Im
Mittelstand kommt es häufig vor, dass die Geschäftsleitung die Preissetzung selbst vornimmt
und sie nicht der eigentlich dafür zuständigen Marketing- oder Vertriebsabteilung überlässt.
In Großunternehmen wird die Preissetzung häufig von den Abteilungsleitern oder Marken-
verantwortlichen vorgenommen. In Industriegütermärkten werden Vertriebsbeauftragten
Spielräume für die Preisverhandlungen mit dem Kunden eingeräumt, damit diese relativ
selbstständig und flexibel agieren können. Die Aufgabe der Führungsspitze liegt hier in der
Festlegung von Preispolitik und Zielpreisen sowie der Genehmigung von Preisvorschlägen
durch das mittlere Management oder den Verkaufsaußendienst.
In Branchen, in denen der Preis eine ganz entscheidende Rolle spielt (z.B. Fluggesellschaften
und Mineralölwirtschaft), haben größere Unternehmen meistens eine Fachabteilung, welche
die optimalen Preise für das Gesamtunternehmen ermittelt oder die einzelnen internen
Abteilungen bei der Preissetzung unterstützt und mit Informationen beliefert. Dieser Fachbe-
reich ist entweder der Marketingabteilung oder der Führungsspitze direkt unterstellt. Weitere
Personen, die einen Einfluss auf die Preisbildung haben, sind Verkaufs- und Produktionslei-
ter sowie Verantwortliche des Rechnungs- und Finanzwesens.

Die Markt- und Nachfragesituation


Während die Untergrenze des möglichen Preises durch die Kosten vorgegeben ist, bestim-
men Markt und Nachfrage dessen Obergrenze. Verbraucher, aber auch Unternehmen als Käu-
fer, stellen den Preis eines Produkts oder einer Dienstleistung dem Nutzen gegenüber, den sie
daraus ziehen können. Aus diesem Grund muss man zunächst die Beziehung zwischen Preis
und Nachfrage für ein bestimmtes Produkt verstehen, bevor man die Preissetzung vorneh-
men kann.
Im folgenden Abschnitt wird erklärt, wie die Preis-Nachfrage-Beziehung in unterschiedli-
chen Marktformen variiert und wie das Käuferempfinden hinsichtlich des Preises den Preis-
bildungsprozess beeinflusst. Außerdem werden Methoden vorgestellt, mit denen der Preis-
Nachfrage-Zusammenhang gemessen werden kann.

Preisbildung in unterschiedlichen Marktformen


Die Freiheitsgrade, mit denen ein Unternehmen seine Preise festlegen kann, schwanken von
Markttyp zu Markttyp. Die Volkswirtschaftslehre unterscheidet vier Grundtypen von Märk-
ten, jeder erfordert eine andere Vorgehensweise bei der Preissetzung.

516
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10.2 Grundlegende Preisstrategien

Vollkommene Konkurrenz Beim Marktmodell der vollkommenen Konkurrenz besteht der


Markt aus unzähligen Käufern und Verkäufern, die mit homogenen Gütern wie Weizen, Kup-
fer oder genau definierten Finanzpapieren handeln. Ein einzelner Käufer oder Verkäufer hat
keinen Einfluss auf den aktuellen Marktpreis. Ein Verkäufer kann nicht mehr verlangen als
den aktuellen Marktpreis, denn die Käufer können so viel sie möchten zum Marktpreis
erwerben. Andererseits können Verkäufer geringere Preise festlegen, denn sie können so viel
sie möchten zum Marktpreis verkaufen. Wenn die Preise und die Gewinne steigen, können
neue Verkäufer uneingeschränkt auf den Markt treten. Auf einem Markt unter vollständiger
Konkurrenz haben Marktforschung, Produktentwicklung, Preisgestaltung, Werbung und Ver-
kaufsförderungsmaßnahmen nur einen sehr geringen oder gar keinen Einfluss. Daher inves-
tieren die Anbieter auf diesen Märkten nur in geringem Maß in Marketingstrategien.
Polypol Das oben angesprochene Modell der vollständigen Konkurrenz existiert nur im Aus-
nahmefall. Als nächstverwandte Marktform kann das Polypol angesehen werden. Auf den
meisten Märkten betätigen sich viele Nachfrager und viele Anbieter. Es gibt für ein Produkt
keinen Marktpreis, sondern es kann eine weite Spanne von Preisen beobachtet werden. Eine
Preisspanne entsteht, da der Verkäufer sein Angebot an den Käufer anpassen und die Pro-
dukte in Bezug auf Qualität, Ausführung oder Zusatzleistungen variieren kann. Die Käufer
erkennen unterschiedliche Produktangebote und sind bereit, unterschiedliche Preise zu
bezahlen. Die Anbieter versuchen, ihre Produkte maßgeschneidert für identifizierte Markt-
segmente mittels Markenbildung, Werbung und Außendienst anzubieten, um sich gegenüber
Wettbewerbsprodukten abzuheben. Beispielsweise konkurrieren bei Marmeladen und Konfi-
türen nationale und internationale Marken wie „Schwartau“, „Zentis“ oder „Bonne Maman“
gegen eine Vielzahl regional eingeführter Marken und Spezialitäten, wobei gleichermaßen
Preissetzung und vielfältige Maßnahmen außerhalb der Preispolitik eingesetzt werden.
Wegen der Vielzahl der Wettbewerber ist jedes einzelne Unternehmen von deren aktuellen
Strategien weniger betroffen als auf den im Folgenden erläuterten oligopolistischen Märkten.
Oligopol Unter oligopolistischem Wettbewerb versteht man eine Marktform, bei der wenige
Anbieter auftreten, die aber sehr empfindlich auf die Marketingstrategien und die Preisset-
zungen ihrer wenigen Konkurrenten reagieren. Die Produkte können homogen (Stahl, Alumi-
nium) oder heterogen (Automobile, Computer) sein. Auf einem derartigen Markt ist es
schwierig, als neuer Anbieter Fuß zu fassen. Die wenigen Anbieter überwachen sich gegen-
seitig und reagieren fast immer auf Aktionen der Konkurrenten. Auf jede Marketingmaß-
nahme ist eine Reaktion der Wettbewerber zu erwarten. Wenn ein Stahlunternehmen zum
Beispiel seine Preise um 10 Prozent senkt, werden die Käufer überwiegend zu ihm überlau-
fen. Den anderen Anbietern bleibt keine andere Wahl, als entweder ihr Angebot mit zusätzli-
chen Dienstleistungen und Nutzen aufzuwerten oder bei der Preissenkung mitzuziehen. Ein
Anbieter auf einem oligopolistischen Markt kann daher niemals sicher sein, mit einer Preis-
senkung auf Dauer etwas zu erreichen. Wenn ein Oligopolist den Preis erhöht, kann es
ebenso geschehen, dass seine Wettbewerber diese Preiserhöhung nicht mitmachen. Dann
bleibt ihm nichts anderes übrig, als diese Preiserhöhung wieder rückgängig zu machen, wenn
er seine Kunden nicht an den Wettbewerb verlieren will.
Monopol Beim echten Monopol gibt es auf dem Markt nur einen einzigen Anbieter. Dieser
Anbieter kann ein staatliches Monopol sein (bis vor wenigen Jahren in Deutschland im Bereich
der Postdienste oder in anderen Ländern auch bei Tabak und Alkohol), ein reguliertes Mono-
pol unter öffentlicher Kontrolle (ehemalige Gebietsmonopole der Energieversorgungsunterneh-
men wie Elektrizitätswerke oder Gas- und Wasserwerke) oder ein Privatunternehmen, das ein

517
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

„De-facto-Monopol“ innehat, wie zum Beispiel Microsoft mit den „Windows“-Produkten bei
Computer-Betriebssystemen. Die Preissetzung ist in diesen Fällen unterschiedlich.
Ein staatliches Monopol kann eine Vielzahl von Preissetzungszielen verfolgen. Der Preis
kann niedrig angesetzt sein, um das Produkt vielen Verbrauchern zugänglich zu machen, die
es zum vollen Preis nicht kaufen könnten. Oder es wird ein höherer Preis angesetzt, um uner-
wünschten Konsum zu verringern oder um einen leistungsschwachen Produzenten zu schüt-
zen. In einem regulierten Monopol erlaubt die Regierung dem Unternehmen, seine Preise so
zu bestimmen, dass es einen fairen Gewinn erzielen, seine Zukunft sichern und sein Geschäft
so ausbauen kann, wie dies gewünscht oder notwendig ist.

Analyse des Preis-Nachfrage-Zusammenhangs


Jeder Preis, den ein Unternehmen festsetzt, führt zu einem zugehörigen Nachfrageniveau. Die
Beziehung zwischen dem festgesetzten Preis und dem daraus resultierenden Nachfrageni-
veau ist in der Nachfragekurve (Abbildung 10.10 A) dargestellt. Die Nachfragekurve stellt dar,
wie viele Einheiten auf dem Markt in einem gegebenen Zeitabschnitt bei unterschiedlichen
Preisen verkauft würden. Im Normalfall gilt: Je höher der Preis, desto niedriger die Nachfrage
und je niedriger der Preis, desto höher die zu erwartende Nachfrage. Würde das Unterneh-
men den Preis anheben von P1 auf P2, würde es weniger verkaufen. Die Annahme ist, dass
Käufer mit beschränktem Budget eine geringere Menge eines Produkts nachfragen werden,
wenn der Preis steigt.
Eine Ausnahme bilden manche Luxusartikel. Sie zeichnen sich in vielen Fällen durch eine
steigende Nachfragekurve aus, da Konsumenten oft der Meinung sind, dass ein höherer Preis
mit besserer Qualität einhergeht. Der Instrumentenhersteller Gibson hatte die Preise gesenkt,
um mit japanischen Wettbewerbern wie Yamaha und Ibanez besser konkurrieren zu können.
Dass sich die Gitarren jedoch zu herabgesetzten Preisen besser verkaufen würden, erwies
sich als Fehlprognose. „Für uns galt ein umgekehrtes Verhältnis. Je mehr wir verlangten,
desto mehr Gitarren setzten wir ab.“ Dazu muss man wissen, dass Gibson mit dem Slogan
„Gibson – die feinsten Musikinstrumente der Welt“ warb. Niedrige Preise passten nun ein-
mal nicht zu „Gibsons jahrhundertealter Tradition, Instrumente höchster Qualität zu bauen,
die eine Investition fürs Leben sind und die höchste Standards kreativen Designs mit meis-
terlicher Handwerkskunst verbinden.“ Doch selbst für Luxusprodukte gilt, dass die Nach-
frage sinkt, wenn der Preis zu hoch angesetzt ist.
Bei der Bestimmung der Nachfragekurve spielt die Art des Markts eine wesentliche Rolle.
Bei einem Monopol bildet die Nachfragekurve die gesamte aus verschiedenen Preisen resul-
tierende Marktnachfrage ab. Wenn das Unternehmen Konkurrenz bekommt, hängt die Nach-
frage bei verschiedenen Preisen davon ab, ob die Preise der Konkurrenten konstant bleiben
oder den Preisänderungen des Unternehmens angepasst werden.
Bei der Ermittlung des Preis-Nachfrage-Verhältnisses müssen Marktforscher auch sicherstel-
len, dass andere Faktoren die Nachfrage nicht beeinflussen. Wenn Samsung zum Beispiel
seine Werbung für Fernsehgeräte intensiviert und gleichzeitig die Preise senkt, wissen wir
nicht, welcher Teil der gestiegenen Nachfrage auf die niedrigeren Preise und welcher auf die
verstärkte Werbung zurückzuführen ist. Dasselbe Problem ergibt sich, wenn die Preissenkung
vor einem Feiertagswochenende erfolgt – die erhöhte Schenkfreudigkeit zu bestimmten Fei-
ertagen kann die Ursache dafür sein, dass Verbraucher mehr Fernsehgeräte kaufen. Ökono-
men berücksichtigen die Auswirkungen nicht preislicher Faktoren auf die Nachfrage anhand
von Verschiebungen der Nachfragekurve und nicht als Bewegung entlang der Kurve.

518
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10.2 Grundlegende Preisstrategien

P2 P'2

P1 P'1
Preis

N2 N1 N'2 N'1
Nachfrage pro Periode Nachfrage pro Periode

A. Unelastische Nachfrage B. Elastische Nachfrage


Abbildung 10.10: Unelastische und elastische Nachfrage

Preiselastizität der Nachfrage


Eine weitere wichtige Größe für die Preissetzung ist die Preiselastizität. Diese Größe drückt
aus, wie stark die Nachfrage auf eine Preisänderung reagieren wird. Betrachten Sie zunächst
die beiden Nachfragekurven in Abbildung 10.10. Bei dem Produkt, dessen Nachfragekurve in
Abbildung 10.10 A dargestellt ist, führt eine Preiserhöhung von P1 auf P2 zu dem relativ klei-
nen Nachfragerückgang von N1 nach N2. In Abbildung 10.10 B führt eine ähnliche Preiserhö-
hung zu dem starken Nachfragerückgang von N1' nach N2'. Wenn sich die Nachfrage bei einer
kleinen Preisänderung nur wenig ändert, sprechen wir von unelastischer Nachfrage in Bezug
auf Preisänderungen. Ändert sie sich stark, sprechen wir von elastischer Nachfrage in Bezug
auf Preisänderungen.
Für die Preiselastizität der Nachfrage gilt folgende Formel:

Nachfrageänderung (in Prozent )


Preiselastizität der Nachfrage =
Preisänderung (in Prozent )

Angenommen, die Nachfrage nach einem Produkt fiele um 10 Prozent als Folge einer Preiser-
höhung um 2 Prozent. Dann ergibt sich für die Preiselastizität der Nachfrage der Wert –5,
dies ist eine elastische Nachfragefunktion.
Das Minuszeichen kennzeichnet die gegenläufige Richtung der Änderungen, das heißt den
Nachfragerückgang (–) in Abhängigkeit von einer Preiserhöhung (+). Wenn die Nachfrage
nach einem Produkt bei einer Preiserhöhung von 2 Prozent auch um 2 Prozent fällt, hat die
Elastizität den Wert –1. Der Umsatz des Anbieters bleibt hier gleich; was er an Nachfrage ver-
liert, kommt über den höheren Preis wieder herein. Wenn die Nachfrage um 1 Prozent sinkt
bei einer Preiserhöhung von 2 Prozent, so beträgt die Preiselastizität –1/+2 = –½, diese Nach-
frageelastizität wird als unelastisch bezeichnet. Je unelastischer eine Nachfragefunktion,
desto mehr profitiert der Anbieter von Preiserhöhungen.
Was bestimmt die Preiselastizität der Nachfrage? Einzigartigkeit des Produkts, Exklusivität,
hohes Prestige oder sehr hohe Zuverlässigkeit und Qualität bewirken, dass die Käufer nicht
preisempfindlich reagieren und dass die Nachfrage auch bei Preiserhöhungen relativ stabil –
unelastisch – bleibt. Wenn Ersatz für das Produkt nicht leicht zu finden ist oder wenn man

519
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

die Gleichwertigkeit eines möglichen Ersatzes nicht leicht feststellen kann, ergibt sich eben-
falls eine unelastische Nachfragefunktion. Eine Tendenz zu einer unelastischen Nachfrage-
funktion besteht auch dann, wenn die Ausgabe für das Produkt unbedeutend im Verhältnis
zum Gesamtbudget einer Person ist oder wenn der Käufer die Aufwendungen für das Pro-
dukt gemeinsam mit anderen trägt.
Wenn die Nachfragefunktion eher elastisch als unelastisch ist, sollten die Anbieter überle-
gen, ob es sinnvoll sein könnte, den Preis zu senken. Aus einem niedrigeren Preis ergibt sich
ein höherer Umsatz. Dies ist so lange sinnvoll, wie die Kosten für Produktion und Vertrieb
der zusätzlichen Absatzmenge den zusätzlichen Umsatz nicht übertreffen.
Gleichzeitig sind die meisten Unternehmen bestrebt, Preise zu vermeiden, die ihre Produkte zu
Massenartikeln machen. In den letzten Jahren haben Entwicklungen wie die Deregulierung
und die Möglichkeit des sofortigen Preisvergleichs durch das Internet und andere Technolo-
gien zu einer erhöhten Preissensibilität der Konsumenten geführt. Als Folge wurden Produkte
von Telefonen über Computer bis hin zu neuen Autos in den Augen der Konsumenten zu Mas-
senartikeln. Marketingexperten müssen sich immer stärker einsetzen, um eine Differenzierung
ihrer Produkte zu erreichen, bieten doch häufig ein Dutzend Konkurrenten praktisch dasselbe
Produkt zu einem vergleichbaren oder niedrigeren Preis an. Unternehmen sollten deshalb ver-
stärkt die Preissensibilität ihrer Kunden und potenziellen Kunden sowie die Abwägungen
beachten, die Verbraucher zwischen dem Preis und den Produktmerkmalen anstellen.

Sonstige Einflüsse aus dem wirtschaftlichen Umfeld


Bei der Preisentscheidung muss ein Unternehmen weitere Faktoren des äußeren Umfelds
berücksichtigen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können starken Einfluss auf die
Preisstrategie ausüben. Der Zustand, in dem sich die Wirtschaft befindet, beeinflusst sowohl
die Produktionskosten als auch das Käuferempfinden bezüglich Preis und Nutzen der Pro-
dukte. Inflation, Zinssätze und Sorgen um die Zukunft beeinflussen das Kaufverhalten und
das Angebot.
Als Folge der zurückliegenden Rezession haben viele Kunden das Verhältnis zwischen Preis
und Nutzen überdacht. Sie haben ihre Gürtel enger geschnallt und sind wertebewusster
geworden. Verbraucher haben ihren sparsamen Lebensstil weit über die wirtschaftliche Erho-
lung hinaus beibehalten. Im Ergebnis haben viele Marketingverantwortliche den Ansatz
einer günstigen Preis-Leistungs-Strategie noch verstärkt. Die offenkundigste Reaktion auf die
neuen ökonomischen Gegebenheiten sind Preissenkungen und Rabattaktionen. Tausende
von Unternehmen machen genau das. Günstigere Preise machen die Produkte bezahlbar und
kurbeln den kurzfristigen Umsatz an. Allerdings können solche Preissenkungen auch uner-
wünschte langfristige Folgen haben, denn sie bedeuten niedrigere Gewinnspannen. Hohe
Rabatte können den Wert einer Marke in den Augen herabsetzen. Und hat ein Unternehmen
die Preise erst einmal reduziert, wird es schwierig, sie bei einer wirtschaftlichen Erholung
wieder anzuheben.
Statt die Preise zu senken, haben viele Unternehmen ihren Marketingschwerpunkt daher auf
zusätzliche günstige Produktlinien innerhalb der Sortimente verlagert. Angesichts der gerin-
geren Verbraucherbudgets und des sparsameren Konsumverhaltens hat P&G eine Reihe preis-
werterer Ausgaben seiner Premium-Marken herausgebracht, um diese für Kunden bezahlba-
rer zu machen. So kamen „Basic“-Versionen der Marken Bounty und Charmin auf den Markt,
die weniger kosten als das Original. Auch die Haarprodukte „Vidal Sassoon Pro Series“
kamen als bezahlbare Alternative zu den höherpreisigen Pantene-Produkten zurück. Zudem
brachte P&G das Iams Hundefutter „So Good“ auf den Markt, das als zusätzliche Alternative

520
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Zusammenfassung

zu der Premium-Marke Iams zu haben ist. Die Marke Iams für einen größeren Kundenkreis
erschwinglich zu machen, „ist ein großer Schritt für uns“, sagt ein Marketingleiter von P&G.
In diesen sparsamen Zeiten „stellen wir fest, dass wir viele unserer Marken etwas herunter-
stufen müssen, um noch mehr Kunden zu erreichen“. Das „So Good“-Hundefutter von Iams
wird als „100% vollwertiges Produkt“ ohne Zusatz von Zucker, Farbstoffen und künstlichen
Inhaltsstoffen beworben. Der günstigere Preis der Marke wird hauptsächlich über Plakate in
den Geschäften und auf der Verpackung ausgewiesen.1
Andere Unternehmen halten ihre Preise, definieren jedoch den Nutzen in ihrem Leistungs-
versprechen neu. Unilever zum Beispiel hat die hochwertigeren Tiefkühl-Fertiggerichte von
Bertolli als Marke neu positioniert, die es für den Kunden preiswerter macht, zu Hause statt
auswärts zu essen. Denken Sie daran, selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist der Preis
nicht das alleinige Kaufkriterium. Verbraucher wägen den Preis gegen den Nutzen ab, den sie
dafür bekommen. Einer Studie zufolge verzeichnet Nike beispielsweise die höchste Kunden-
treue im Schuhwaren-Segment, und das obwohl ein Paar Nike-Schuhe schon mal 335 Euro
kosten können.2 Die Kunden nehmen einen bestimmten Nutzen der Nike-Produkte wahr und
erleben den Besitz von Nike-Schuhen als etwas, das den Preis wert ist. Es kommt daher nicht
darauf an, ob man einen hohen oder einen niedrigen Preis veranschlagt: Unternehmen müs-
sen den Kunden das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
Das Unternehmen muss weiterhin beachten, welche Wirkung seine Preisgestaltung auf
andere Interessengruppen in seinem Umfeld hat. Welche Preise und welche Handelsspannen
erwarten die Handelspartner? Welche Vergünstigungen erhalten die Händler vom Wettbe-
werb? Das Unternehmen sollte die Preise so festlegen, dass Wiederverkäufer einen fairen
Gewinn erzielen können und zur Unterstützung und Zusammenarbeit motiviert werden.
Staat, Regierung und Gesetze sind weitere wichtige Bestimmungsgrößen des Preises. Schließ-
lich bilden auch soziale Überlegungen im Sinne von gesellschaftlicher Verantwortung eine
Bestimmungsgröße des Preises. Wir werden das Thema der öffentlichen Politik in Kapitel 19
noch genauer besprechen.

Z US A M M EN FA SSU N G

Obwohl die nicht preisorientierten Maßnahmen im Marketing an Bedeutung stark zuge-


nommen haben, bleibt der Preis nach wie vor ein zentrales Element des Marketing-Mix.
Zahlreiche Einflüsse innerhalb und außerhalb des Unternehmens wirken auf die Prei-
sentscheidung ein. Dabei bilden die Wahrnehmung des Kundennutzens die Preisober-
grenze und die Produktkosten die Preisuntergrenze. Zudem müssen die folgenden inter-
nen und externen Einflussgrößen berücksichtigt werden:
 Wettbewerberstrategien und -preise
 Markt- und Nachfragesituation
 Marketingziele, -strategie, -Mix
 Organisation des Unternehmens
 Sonstige Einflüsse aus dem wirtschaftlichen Umfeld

1 Siehe Stuart Elliott, „Courting thrifty shoppers with quality and value“, New York Times, 3. Juni
2013, S. B4 sowie www.iams.com/dog-food/about-so-good-dog-food, Zugriff Oktober 2015.
2 Kenneth Hein „Study: value trumps price among shoppers“, Brandweek, 2. März 2009, S. 6.

521
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10 Grundsatzüberlegungen und Einflussgrößen der Preissetzung

Bei der Preissetzung stehen dem Unternehmen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
 nutzenbasierte Preissetzung
 kostenbasierte Preissetzung
 wettbewerbsbasierte Preissetzung
Während die kostenbasierte Preissetzung vom Produkt und seinen Herstellkosten aus-
geht, dreht die nutzenbasierte Preissetzung den Prozess um und setzt beim Nutzenemp-
finden des Konsumenten an.
Die Strategie der Preissetzung wird vorwiegend von der angestrebten Zielgruppe und
von Positionierungszielen bestimmt. Der Preis ist jedoch nur eines der Instrumente, mit
denen das Unternehmen versuchen kann, seine Ziele zu erreichen. Preisentscheidungen
stehen in Wechselwirkung mit dem gesamten Marketingkonzept eines Produkts, wie
beispielsweise dem Produktdesign, der Distribution und den Werbemaßnahmen. Die
Preissetzung muss sorgfältig mit den anderen Entscheidungen innerhalb des Marketing-
Mix abgestimmt werden.
Die Unternehmensleitung legt fest, wer innerhalb der Organisation für den Preis verant-
wortlich ist. Die Preispolitik wird oftmals vom Top-Management bestimmt. Preisent-
scheidungen können jedoch auch an das mittlere Management, wie z.B. Verkaufs- und
Produktionsleiter sowie Verantwortliche des Rechnungs- und Finanzwesens, delegiert
werden.
Die Freiheit der Preissetzung variiert mit den unterschiedlichen Markttypen, welche die
Unternehmen vorfinden. Die Preisgestaltung ist insbesondere bei Märkten, auf denen
viele Anbieter vielen Nachfragern gegenüberstehen (Polypol), eine schwer zu lösende
Aufgabe.
Am Ende wird die Frage, ob ein Unternehmen den „richtigen“ Preis festgesetzt hat, vom
Verbraucher beantwortet. Der Kaufinteressent wägt den Preis gegenüber dem empfunde-
nen Nutzen des Produkts ab. Wenn der Preis den Gesamtnutzen überschreitet, wird der
interessierte Verbraucher nicht kaufen. Das Nutzenempfinden der Käufer stellt somit die
Preisobergrenze dar.
Konsumenten messen bestimmten Produktmerkmalen unterschiedlichen Nutzen bei.
Viele Anbieter haben dies erkannt und bieten differenzierte Produkte zu unterschiedli-
chen Preisen in verschiedenen Marktsegmenten an. Um den Markt und die Nachfrage
richtig einschätzen zu können, versucht das Unternehmen, eine Nachfragekurve zu
erstellen, welche die wahrscheinlichen Absatzmengen pro Periode bei verschiedenen
Preisniveaus zeigt. Je unelastischer die Nachfrage auf Preisänderungen reagiert, desto
höher kann das Unternehmen den Preis ansetzen.

522
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Literatur und Quellen

Literatur und Quellen


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Nagle, Thomas T., Hogan, John, Zale, Joseph: The Strategy and Tactics of Pricing: A Guide to Gro-
wing More Profitably, Upper Saddle River, Prentice Hall 2011, Kapitel 1.
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dungen treffen, 4. Aufl., München 2006.
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Booz & Company survey“, in: Business Wire (24.02.10).
Olbrich, Rainer, Battenfeld, Dirk: Preispolitik: Ein einführendes Lehr- und Übungsbuch, 2., überar-
beitete und erweiterte Aufl., Berlin 2014.
Öresund-Brücke, Webseite der Öresund-Brücke unter: http://de.oresundsbron.com [17.04.2015]
Pechtl, Hans: Preispolitik, 2., überarbeitete und erweiterte Aufl., August 2014.
Petrecca, Laura: „Marketers try to promote value without cheapening image“, in: USA Today
(17.11.08), S. B1.
Pollack, Judann: „Now’s the time to reset marketing for post-recession“, in: Advertising Age
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Umsetzung, 3. Aufl., Wiesbaden 2008.
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vard Business Review (März 2009), S. 66–74.

523
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Strategien der Preispolitik
11.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526
11.2 Preissetzungsstrategien für neue Produkte . . . . . . 530
11
11.3 Preisstrategien für ein Produktprogramm . . . . . . . . 531

ÜBERBLICK
11.4 Preisanpassungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
11.5 Preisänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546
11.6 Preisgestaltung und öffentliche Politik . . . . . . . . . . . 552
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555

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11 Strategien der Preispolitik

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... Preisstrategien für Produktimitationen und Produktinnovationen benennen und
erläutern, wie sie angewendet werden.
 ... erklären, wie Unternehmen einzelne Preise bestimmen, um die Profitabilität des
gesamten Produktprogramms zu optimieren.
 ... beschreiben, wie Unternehmen ihre Preise anpassen, um Marktchancen zu nutzen.
 ... Gründe für Preisänderungen nennen und Reaktionsstrategien auf solche von Wett-
bewerbern erläutern.
 ... beschreiben, wie soziale und rechtliche Faktoren die Preissetzung beeinflussen.

11.1 Einführung
Im letzten Kapitel haben wir gelernt, dass Preisentscheidungen ein komplexes Handlungs-
feld darstellen, mit Einflüssen aus dem Unternehmen selbst, der Umwelt und dem Wettbe-
werb. Noch umfassender wird das Thema, wenn man berücksichtigt, dass ein Unternehmen
in der Regel nicht nur einen einzigen Preis, sondern eine viele Produkte umfassende Preis-
struktur festzulegen hat. Diese wiederum verändert sich fortwährend mit dem Durchlaufen
der Produkte durch den Produktlebenszyklus. Das Unternehmen passt seine Preise an Verän-
derungen der Kostenstruktur, der Nachfragesituation sowie sonstiger Rahmenbedingungen
an. Wenn das Wettbewerbsumfeld sich ändert, muss man eventuell auf Preisänderungen kon-
kurrierender Unternehmen reagieren oder selbst solche initiieren.
In diesem Kapitel untersuchen wir Ansätze zur Bildung und Anpassung von Preisen in
unterschiedlichen Situationen. Wir wenden uns folgenden Aspekten zu: Ansätze, wie Preise
für neue Produkte in der Einführungsphase des Produktlebenszyklus festgelegt werden,
Ansätze innerhalb des Produktprogramms, Ansätze für Preisänderungen, die sich aus unter-
schiedlichem Käuferverhalten oder Kaufsituationen heraus ergeben sowie für Preiskorrektu-
ren als Antwort auf Wettbewerberreaktionen.
Wir beginnen mit der Bedeutung der Preissetzung im Sport. Unser Fallbeispiel befasst sich
mit der Preisgestaltung des erfolgreichen und beliebten Bundesliga-Vereins Borussia Dort-
mund. Hier geht es nämlich nicht nur um die heimischen Fans – die Preisstrategie berück-
sichtigt auch diejenigen, die für ein hochklassiges Fußballspiel in begeisternder Atmosphäre
eine längere Anreise in Kauf nehmen.

526
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11.1 Einführung

Einführende Fallstudie: Borussia Dortmund – Einsatz für faire Preise

Der deutsche Fußball erfreut sich immer größerer Beliebtheit – und das nicht nur unter
deutschen Anhängern. Es ist dem deutschen Fußball auch gelungen, einige der schärfs-
ten Kritiker von einst für sich einzunehmen: die englischen Fußballfans. Einem BBC-
Beitrag zufolge machen sich jedes Wochenende mehr als 1.000 Fans aus England auf
den Weg, um sich Spiele der Bundesliga in einem deutschen Stadion anzusehen. Ihr
Ziel? Dortmund. Ihre Motivation? Ein hochklassiges Fußballspiel zu bezahlbaren Ein-
trittspreisen zu erleben. Mitten im Ruhrgebiet wurde der Ballsportverein Borussia 09
e.V. Dortmund (BVB) im Jahr 1909 gegründet und gehört heute zu den erfolgreichsten
Clubs in der deutschen Bundesliga. In den Jahren 2010 und 2011 gewann der Verein
zwei deutsche und einen internationalen Titel. In den folgenden zwei Jahren und 2016
belegte das Team jeweils den zweiten Platz hinter Bayern München und erreichte 2013
das Finale der Champions League (in dem die Mannschaft im ersten rein deutschen
Finale überhaupt letztlich Bayern München unterlag). Diese hervorragende sportliche
Leistung spiegelt sich auch im Aktienkurs des Vereins wider: Zwischen 2010 und 2017
stieg der Wert der BVB-Aktie um eindrucksvolle 500 Prozent! Dortmund zieht die
Zuschauer jedoch nicht nur aufgrund seiner Leistung an, sondern auch wegen der ein-
zigartigen Fankultur, die während der Spiele für eine unglaubliche Atmosphäre im Sta-
dium sorgt.

Abbildung 11.1: Die sogenannte „Wand der Liebe“ nahe des Fußballstadions Signal Iduna Park in Dortmund; Fans des
Fußballvereins Borussia Dortmund können mit den Schlössern ihre Liebe zum Verein ausdrücken
(Quelle: Friedrich Stark / Alamy Stock Photo)

527
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11 Strategien der Preispolitik

Die Borussia-Fans stehen zu dem Slogan des Vereins: Echte Liebe. Beispiel gefällig? Wie
wäre es damit: Als Dortmund 2013 das Finale der Champions League erreichte, erhielt
der Club 502.567 Anfragen für 24.042 Tickets. Nicht schlecht für eine Stadt mit 580.956
Einwohnern. Die echte Liebe der Fans zeigt sich auch in den Besucherzahlen der Bun-
desliga-Heimspiele: Mit einem Fassungsvermögen von 80.645 Plätzen zählt das Dort-
munder Stadion im Durchschnitt 80.291 Besucher pro Spiel und damit aktuell die meis-
ten weltweit. Von diesen Zuschauern stehen 25.000 während des Spiels auf der Tribüne
und bilden die berühmte „Gelbe Wand“. Die Atmosphäre, die von diesen Fans erzeugt
wird, ist wirklich legendär und wird von anderen Teams sogar gefürchtet: Danach
gefragt, ob er mehr Respekt vor Dortmunds Spielern oder dem Manager habe, antwortete
der frühere Bayern-Star und deutsche Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger: „Am
meisten Respekt habe ich vor der Gelben Wand.“ Viele Fans stehen auf der Warteliste
für eines der begehrten Saisontickets, um Teil dieser besonderen Atmosphäre bei den
Heimspielen des Vereins zu werden.
Das Ausmaß, in dem die Nachfrage das Angebot übersteigt, würde viele andere Fuß-
ballclubs der Welt zu Preiserhöhungen anregen – besonders dann, wenn die aktuellen
Preise so niedrig sind wie in Dortmund, wo Besitzer eines Saisontickets durchschnittlich
13 Euro für den Besuch eines Spiels bezahlen. Aber Dortmund tickt anders. Der Club will
sicherstellen, dass die Fangemeinde sich auch langfristig ihre Begeisterung für den Verein
leisten kann. Deshalb lehnte der Verein zum ersten Mal seit drei Jahren den Wunsch der
Stadion-Gastronomen ab, den Bierpreis zu erhöhen. Auch der Trikot-Hersteller Puma, der
erstmals seit drei Jahren auf eine Preiserhöhung für die Ausstattung drängte, erhielt eine
Absage. Der Verein hat verstanden, dass die Fans an der Schaffung eines unvergesslichen
Fußballabends für jeden Besucher mitbeteiligt sind, und räumt diesem Erlebnis mehr
Bedeutung ein als den Einnahmen. Dortmund verkauft beispielsweise während des Spiels
keine Getränke in den Logen, damit die Fans ihre Mannschaft die ganze Partie hindurch
durch Gesänge und Klatschen anfeuern können. Aus demselben Ziel bittet auch der Stadi-
onsprecher die Besucher darum, rechtzeitig zu Beginn der zweiten Halbzeit zu ihren Plät-
zen zurückzukehren. Natürlich könnte der Club seinen Besuchern ermöglichen, mehr
Geld für Essen und Getränke auszugeben, doch in den Augen der Verantwortlichen würde
darunter die Qualität des Produkts leiden. „Wir sind ein Fußballverein“, sagt Marketing-
direktor Carsten Cramer. „Läuft es im Fußball nicht rund, funktioniert auch der Rest des
Geschäftes nicht. Das Geschäft ist Teil des Zugs, aber nicht die Lokomotive.“
Es ist genau diese Geschäftsphilosophie von Dortmund, die das Erlebnis Fußball für
jedes Mitglied der Gesellschaft bezahlbar macht – nicht nur für die Reichen und Älte-
ren. Selbst die britischen Fans sind von den niedrigen Preisen begeistert: „Wir machen
ein ganzes Wochenende draus. Mit den Tickets, Unterkunft und Anreise kostet der Aus-
flug 82 Euro. Wenn man bedenkt, dass schon der Besuch eines Arsenal-Spiels in der
letzten Saison 64 Euro gekostet hat, ist der Unterschied klar.“ Die hohen Preise in Eng-
land haben die Zusammensetzung der Fans verändert, die sich die Eintrittspreise leis-
ten können. Ein Dortmund-Fan sagt: „Als ich jung war, haben wir uns alle die engli-
schen Spiele angesehen und dachten: Genau das ist Fußball! Wenn wir uns heute
englische Spiele ansehen, geht es in den Stadien ziemlich langweilig zu. Man hat Fans
durch die hohen Preise vertrieben und damit die Atmosphäre verändert. Wenn Fans
sich die Preise nicht mehr leisten können, ist es kein Volkssport mehr.“ Ein englischer
Fan stimmt dem zu: „In England sind die Preise zu hoch. Hier dagegen ist alles günstig.
Für den Fan ist es ein Erlebnis und die Atmosphäre ist einfach unglaublich.“

528
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11.1 Einführung

Dortmunds Preisgestaltung führt jedoch auch zu Einnahmeverlusten, die nicht jeder


Club auf der Welt so hinnehmen würde. Arsenal London ist ein Beispiel. Mit 20.000
Sitzplätzen weniger erzielt der Club Einnahmen, die den Umsatz des BVB in den Schat-
ten stellen. In Zeiten, da die Clubs einen Großteil ihrer Erlöse aus internationalen Erfol-
gen wie der Teilnahme an der Champions League beziehen, wird die Kaufkraft eines
Teams zum wichtigen Wettbewerbsvorteil. Warum also lässt Dortmund bei jedem ein-
zelnen Heimspiel immer noch Geld liegen?
Die Antwort ist einfach: Weil der Club den Fans gehört. Diese besondere Eigentümer-
struktur spiegelt die Bundesliga-Regel „50+1“ wider, nach der die Vereine von ihren
Mitgliedern gehalten werden müssen. Derzeit befinden sich bis auf drei der 18 Bundes-
liga-Vereine alle im Besitz oder unter der Kontrolle ihrer Mitglieder. Wolfsburg, Lever-
kusen und Hoffenheim bilden die Ausnahmen. Damit ist klar, dass die niedrigen Ticket-
preise in Deutschland auch weiterhin vorherrschen werden, solange der Fan König ist –
und es gibt viele Könige: Nach einem neuen Bericht von Deloitte ist die Bundesliga bei
den wöchentlichen Besucherzahlen und in puncto Profitabilität aktuell die Nummer
eins unter den europäischen Ligen.
Quellen:
Leif Brandes, Warwick Business School
Aktienkursentwicklung der BVB-Aktie unter: http://aktie.bvb.de/BVB-Aktie/Aktienkurs [29.03.2018]

Fragen
1. Warum scheint ein Stadionbesuch bei Borussia Dortmund für viele Fans beliebter
zu sein als bei Arsenal London?
2. Was würde voraussichtlich passieren, würde Borussia Dortmund die Preise erhö-
hen, um den Gewinn aus dem Ticketverkauf zu maximieren?
3. Warum setzt die BVB-Führung konsequent darauf, das Stadionerlebnis auf hohem
Niveau zu halten?

Wie das Fallbeispiel Borussia Dortmund nahelegt und wie wir aus dem vorherigen Kapitel
wissen, unterliegen Preisentscheidungen komplexen Gegebenheiten im Unternehmen, im
Umfeld und im Wettbewerb. Noch komplizierter wird es dadurch, dass ein Unternehmen
nicht nur einen Preis, sondern eine Preisstruktur festlegt, die verschiedene Artikel im Sorti-
ment umfasst. Diese Preisstruktur kann sich im Laufe des Lebenszyklus der Produkte ändern.
Das Unternehmen passt die Preise an, um auf die Veränderungen bei Kosten und Anforde-
rungen zu reagieren und die Vielfalt von Käufern und Gegebenheiten zu berücksichtigen. Bei
Änderungen im Wettbewerbsumfeld prüft das Unternehmen, wann es selbst Preisanpassun-
gen vornimmt und wann es auf solche reagiert.

529
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11 Strategien der Preispolitik

11.2 Preissetzungsstrategien für neue Produkte


Mit dem Durchlaufen des Produktlebenszyklus wird die Preisstrategie in der Regel an die
einzelnen Phasen angepasst. Eine besondere Herausforderung stellt die Phase der Produkt-
einführung dar. Dieses Stadium erfordert eine sorgfältige Planung, da man hier die Weichen
für die gesamte Produktlebensdauer stellt.
Unternehmen, die ein neues Produkt auf den Markt bringen, stehen vor der Herausforderung,
erstmals einen Preis für dieses Produkt festzusetzen. Sie können zwischen zwei grundsätzli-
chen Strategien wählen:
 Die Marktabschöpfungsstrategie erzielt den höchstmöglichen Gewinn aus den Exklusiv-
rechten an der Innovation.
 Die Marktdurchdringungsstrategie ist auf maximalen Absatz angelegt.
Beide Strategien werden in den folgenden Abschnitten näher erläutert.

11.2.1 Marktabschöpfungsstrategie
Viele Unternehmen, die mit Produktinnovationen auf den Markt treten, setzen zu Beginn
hohe Preise fest, um hohe Einnahmen Schicht für Schicht vom Markt abzuschöpfen.
Apple hat die Marktabschöpfungsstrategie in den letzten Jahren immer wieder erfolgreich
angewendet. Als Apple das erste iPhone vorstellte, lag der Preis bei 417 Euro pro Smart-
phone. Die Geräte wurden lediglich von Kunden gekauft, die dieses neue, dünne Gadget
unbedingt haben wollten und bereit waren, einen hohen Preis dafür zu bezahlen. Sechs
Monate später senkte Apple den Preis für das Modell mit 8 GB auf 278 Euro und 16 GB auf
348 Euro, um neue Käufer zu erschließen. Ein weiteres Jahr später wurden die Preise erneut
auf 138 Euro und 208 Euro gesenkt. Heute kann man das 8-GB-Modell für 69 Euro erwerben.
Auf diese Weise gelang es Apple, unter Berücksichtigung der Bedarfsstrukturen der einzel-
nen Marktsegmente, die höchstmöglichen Umsätze zu erzielen.
Eine Marktabschöpfung ist jedoch nur unter bestimmten Bedingungen sinnvoll.
1. Qualität und Image des Produkts müssen es erlauben, einen hohen Preis verlangen und
beibehalten zu können.
2. Eine ausreichende Anzahl von Kaufinteressenten muss bereit sein, das Produkt zu ei-
nem hohen Preis zu kaufen.
3. Das relativ kleine Absatzvolumen darf nicht zu Kostennachteilen in irgendeiner der be-
trieblichen Funktionen (Produktion, Distribution usw.) führen, wodurch der höhere Er-
lös neutralisiert oder zunichtegemacht werden würde.
4. Wettbewerber sollten keinen einfachen Zugang zum Markt haben, um die hohen Preise
zu unterbieten.

11.2.2 Marktdurchdringungsstrategie
In manchen Fällen bietet es sich an, nicht durch anfänglich hohe Preise nach und nach alle
kleinen und profitablen Marktsegmente abzuschöpfen, sondern eine Marktdurchdringungs-
strategie durchzuführen. Dabei setzt man zu Beginn niedrige Preise an, um eine schnelle und
tiefe Marktdurchdringung zu erreichen. Dies erfolgt vor allem, um in kurzer Zeit eine große
Anzahl von Käufern anzuziehen und einen großen Marktanteil zu erlangen. Aus dem hohen

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11.3 Preisstrategien für ein Produktprogramm

Absatzvolumen ergeben sich fallende Kosten, die es dem Unternehmen wiederum ermögli-
chen, weitere Preissenkungen vorzunehmen.
Beispielsweise nutzt der schwedische Möbelgigant IKEA die Marktdurchdringungsstrategie,
um im chinesischen Markt erfolgreich zu sein. Als IKEA 2002 den ersten Laden in China
eröffnete, strömten die Menschen in Massen hinein, jedoch nicht, um Möbel zu kaufen. Viel-
mehr galt ihr Interesse den verteilten Werbegeschenken, der kühlenden Klimaanlage, den
sauberen Toiletten und den neuen Dekorationsideen. Chinesische Konsumenten sind
bekannt für ihre Sparsamkeit. Wenn sie schließlich kaufen wollen, gehen sie zu lokalen
Händlern, welche Nachahmungen des IKEA-Designs zu einem Bruchteil des dortigen Ver-
kaufspreises anbieten. Um diese heiklen Kunden dennoch in das Geschäft zu locken, bietet
IKEA seine Produkte in China bis zu 70 Prozent günstiger an als in anderen Ländern. Diese
Marktdurchdringungsstrategie hat tatsächlich funktioniert. Heute hält IKEA 43 Prozent Markt-
anteil im boomenden Möbelgeschäft in China. Der Umsatz wächst jährlich um bis zu 25 Pro-
zent. Die Filiale in Peking zieht im Jahr sechs Millionen Besucher an. Am Wochenende ist der
Andrang so groß, dass die Mitarbeiter Megafone brauchen, um die Masse in Schach zu halten.
Verschiedene Bedingungen begünstigen die Marktdurchdringungsstrategie:
 Auf dem Markt muss eine starke Preissensibilität vorherrschen, damit niedrige Preise ein
größeres Marktwachstum erzeugen können.
 Die Produktions- und Vetriebskosten müssen mit zunehmendem Absatzvolumen fallen.
 Der niedrige Preis muss beibehalten werden und sollte dazu beitragen, den Wettbewerb
auszuschließen – ansonsten ist der Preisvorteil nur vorübergehend gegeben.

11.3 Preisstrategien für ein Produktprogramm


Die Preissetzungsstrategie muss oftmals geändert werden, wenn das Produkt Teil einer Pro-
duktlinie bzw. Produktfamilie ist. In diesem Fall sucht man eine Preisstruktur, die eine
Gewinnmaximierung für das gesamte Produktprogramm ermöglicht. Die Bestimmung der
Preise ist schwierig, da die verschiedenen Produkte über ihre Nachfrage- und Kostenstruktur
verbunden sind, sich aber in unterschiedlichen Konkurrenzsituationen befinden.
In Tabelle 11.1 sind fünf Situationen der Preissetzung innerhalb eines Produktprogramms
zusammengefasst.

Preissetzung Vorgehensweise
innerhalb der Produktlinie Es werden Preisstufen zwischen den einzelnen Produkten der Produktlinie festge-
legt.
für Zubehör Die Preissetzung für ergänzende Produkte, wie Zubehör und Zusatzausstattung,
erfolgt in Abstimmung mit dem Hauptprodukt.
für Komplementärprodukte Komplementärprodukte, also Produkte, die zwangsläufig mit dem Hauptprodukt
verwendet werden müssen, werden preislich auf das Hauptprodukt abgestimmt.
für Koppelprodukte Bei der Herstellung fallen Koppelprodukte von meist geringem Wert an. Um diese
absetzen zu können, muss eine entsprechende Preissetzung erfolgen.
für Produktbündel Produktbündel, d.h. Produkte, die zusammen verkauft werden, erfordern eine
besondere Preissetzung.
Tabelle 11.1: Preisstrategien innerhalb des Produktprogramms

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11 Strategien der Preispolitik

11.3.1 Preissetzung innerhalb der Produktlinie


Unternehmen bieten in der Regel nicht nur einzelne Produkte an, sondern aus mehreren Pro-
dukten bestehende Produktlinien. Bei der Preissetzung innerhalb der Produktlinie müssen
Preisstufen zwischen den einzelnen Produkten festgelegt werden. Dabei sollten die Kosten-
unterschiede der einzelnen Produkte innerhalb der Linie, die Beurteilung der Produktmerk-
male durch die Kunden sowie die Preise der Wettbewerber berücksichtigt werden.
So bietet Sage beispielsweise eine komplette Produktlinie einer Software für die Finanzbuch-
haltung an. Diese umfasst die Versionen Sage One Accounts, Instant Accounts, Instant
Accounts Plus, 50 Accounts und 50 Accounts Plus mit Preisen von 14 Euro, 170 Euro, 275
Euro, 775 Euro sowie 1.116 Euro. Obwohl Sage für die CD-Produktion der Version „50
Accounts Plus“ keine höheren Kosten hat als für die Produktion der Version „Sage One
Accounts“, gibt es Käufer, die gerne mehr bezahlen, um die zusätzlichen Funktionen der „50
Accounts Plus“-Version zu nutzen. Die Aufgabe des Unternehmens Sage besteht demnach
darin, wahrnehmbare Unterschiede beim Nutzen zu schaffen, die dann unterschiedliche
Preise rechtfertigen.

11.3.2 Preissetzung für Zubehör


Oft ist es sinnvoll, ein Produkt in einer Basisversion anzubieten und dem Käufer die Mög-
lichkeit zu geben, es durch den Kauf von Zubehör seinen Wünschen entsprechend auszustat-
ten. Insbesondere im Automobilmarkt trifft man auf diese Strategie. Zunächst gilt es zu ent-
scheiden, welche Ausstattungselemente im Basispreis enthalten sein sollen und welche als
Zusatzausstattung angeboten werden. Dies und die Entscheidung über die Preissetzung für
das Zubehör stellen eine komplexe und heikle Aufgabe dar. Gilt es doch, dem Käufer einer-
seits die Möglichkeit zu bieten, sein neues Fahrzeug nach seinen Wünschen zu gestalten,
andererseits soll jedoch nicht der Eindruck entstehen, man würde für jede Kleinigkeit extra
zur Kasse gebeten.
Letzterer entsteht leider nach wie vor, wenn man sich für ein Fahrzeug eines deutschen Pre-
mium-Herstellers wie Mercedes, Audi oder BMW entscheidet. So fällt es relativ leicht, den
Preis der zumeist sehr dürftig ausgestatteten Basisversion durch den Kauf von Extras um 50
Prozent zu erhöhen. Eine ganz andere Strategie verfolgen hier japanische Hersteller, wie bei-
spielsweise Toyota mit seiner Premium-Marke Lexus. Die sehr umfangreich ausgestatteten
Basismodelle lassen sich nur durch wenige Ausstattungspakete oder -elemente ergänzen. Ein
gut ausgestattetes Fahrzeug ist hier tendenziell zu einem niedrigeren Preis zu erhalten als
von einem deutschen Hersteller, jedoch geht dem Käufer die Wahlfreiheit verloren und viele
technologische Innovationen, die bei deutschen Herstellern erhältlich sind, werden auch
gegen Aufpreis nicht angeboten.

11.3.3 Preissetzung für Komplementärprodukte


Einige Unternehmen müssen sich mit der Preissetzung für Komplementärprodukte, d.h. Pro-
dukte, die nur in Verbindung mit dem Hauptprodukt genutzt werden können, auseinander-
setzen. Derartige Komplementärprodukte sind beispielsweise Rasierklingen, Videospiele und
Tintenpatronen für Drucker. In diesem Fall setzen die Hersteller für Rasierer, Spielkonsolen
und Drucker die Verkaufspreise für ihre Hauptprodukte sehr niedrig an, um die Kunden an
das System zu binden, während sie für ihre Komplementär- bzw. Folgeprodukte relativ hohe

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11.3 Preisstrategien für ein Produktprogramm

Preise verlangen. So verkauft Gillette seine Rasierer günstig und erzielt beim Verkauf der
Ersatzklingen hohe Gewinne.
Käufer von Kaffeemaschinen für Einzeltassen wie den Dolce-Gusto- oder Nespresso-Geräten
von Nestlé können schon mal zusammenzucken, wenn sie den Preis für eine einzelne dieser
praktischen Kaffeeportionen berechnen. Obwohl sie im Vergleich zu den Einzelportionen bei
Costa Coffee, Starbucks, Tchibo oder Segafredo zunächst wie ein Schnäppchen aussehen,
kommen die Preise je Kapsel auf das Pfund Kaffee hochgerechnet einem Wucher gleich. Ein
Prüfer ermittelte, dass die Kosten für Kapselkaffee bei unglaublichen 40 Euro pro Pfund lie-
gen.1 Bei diesen Preisen ist es günstiger, sich eine große Kanne Premium-Kaffee aufzubrühen
und die Reste später wegzuschütten. Für viele Käufer werden die hohen Preise jedoch durch
die praktische Handhabung und die große Auswahl an Sorten wettgemacht. Diese zwangs-
läufig hohen Folgekosten führen allerdings auch dazu, dass andere Käufer sich ein solches
Gerät gar nicht erst zulegen oder sich nach dem Kauf darüber ärgern.
Handelt es sich um Dienstleistungen, wird diese Strategie zweistufige Preissetzung genannt.
Hierbei unterteilt man den Preis in einen festen und einen variablen Anteil. Dementspre-
chend berechnet ein Telefonanbieter beispielsweise für ein Smartphone eine monatliche
Grundgebühr zuzüglich einer variablen Nutzungsrate für eine bestimmte Datenmenge oder
Geschwindigkeit bei der Internetnutzung. Dienstleistungsunternehmen müssen entscheiden,
welche Leistungsmerkmale zur Grundausstattung gehören und in welcher Höhe der Grund-
preis und die Preise für variable Nutzung angesetzt werden sollen. Der Fixbetrag sollte so
niedrig sein, dass die Konsumenten dazu bewegt werden, die Dienstleistung in Anspruch zu
nehmen.

11.3.4 Preissetzung für Koppelprodukte


Bei einigen Produkten, z.B. in der Fleischverarbeitung und in der chemischen Industrie, ent-
stehen im Rahmen des Produktionsprozesses sogenannte Koppelprodukte. Wenn diese nicht
verwertbar sind und ihre Entsorgung kostspielig ist, wirkt sich dies auf die Preissetzung des
Hauptprodukts aus. Das Unternehmen sollte in diesem Fall einen Absatzmarkt für seine Kop-
pelprodukte suchen und dabei jeden Preis akzeptieren, der die Kosten für Lagerung und Lie-
ferung deckt. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, den Preis für das Hauptprodukt zu senken
und dieses somit wettbewerbsfähiger zu machen. Einige Koppelprodukte erweisen sich aber
durchaus als profitabel. Beispielsweise verkaufen viele Sägewerke ihre Koppelprodukte Rin-
denmulch und Sägemehl sogar gewinnbringend. Diese werden beispielsweise zur dekorati-
ven Gestaltung von Gärten genutzt.

11.3.5 Preissetzung für Produktbündel


Die Preissetzung für Produktbündel wird genutzt, um verschiedene Produkte miteinander zu
kombinieren und zusammen zu einem günstigeren Preis anzubieten. Beispielsweise bieten
viele Fast-Food-Restaurants einen Burger, Pommes frites und ein Getränk im Menü zu einem
„Kombi-Preis“ an. Body Shop mit 2.400 Filialen in 61 Ländern bietet diverse „Dreier-Deals“
mit Seifen und Lotionen an (man kauft drei Lotionen und spart dabei 10 Euro). Theater oder
Fußballvereine verkaufen ihre Saisonabonnements bzw. Dauerkarten zu einem niedrigeren

1 Oliver Strand, „With coffee, the price of individualism can be high”, New York Times, 02/2012, Seite D6;
und „$51 per pound: the deceptive cost of single-serve coffee”, New York Times, www.thekitchn.com/51-
per-pound-the-deceptive-cost-of-singleserve-coffee-the-newyork-times-165712, Oktober 2015.

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11 Strategien der Preispolitik

Preis als die Summe der Preise für die Einzelkarten. Die Deutsche Telekom und andere Kom-
munikationsanbieter verkaufen ein Bündel an TV, Telefon und High-Speed-Internet zu einem
niedrigen Bündelpreis. Preisbündelung kann den Absatz von Produkten, die der Käufer mög-
licherweise nicht sofort erwerben würde, fördern. Allerdings muss der Preisvorteil groß
genug sein, um den Konsumenten zum Kauf des kompletten Produktbündels zu veranlassen.

11.4 Preisanpassungsstrategien
In der Regel nehmen Unternehmen Preisanpassungen vor, um auf unterschiedliche Konsu-
mententypen und wechselnde Kaufsituationen einzugehen. In Tabelle 11.2 sind sieben Prei-
sanpassungsstrategien zusammengefasst.

Preisreduzierungen, um ein bestimmtes Kundenverhalten,


Rabatte und Preisnachlässe wie sofortige Bezahlung oder Kauf größerer Mengen, zu
belohnen oder um den Absatz allgemein zu fördern
Unterschiedliche Preise, um Unterschieden zwischen den
Differenzierende Preissetzung Käufern oder den Märkten zu entsprechen

Psychologische Preissetzung Nutzung der psychologischen Wirkung von Preisen

Vorübergehende Preissenkungen, um kurzfristig den


Preissetzung bei Sonderaktionen Absatz zu steigern
Preisunterschiede, die den unterschiedlichen geografi-
Geografisch differenzierte Preissetzung schen Standorten der Kunden Rechnung tragen

Dynamische Preissetzung und Preissetzung Kontinuierliche Preisanpassungen, um den Bedürfnissen


im Internet der Kunden und besonderen Situationen zu entsprechen

Preisanpassungen an die unterschiedlichen Auslands-


Internationale Preissetzung märkte
Tabelle 11.2: Preisanpassungsstrategien

11.4.1 Rabatte und Preisnachlässe


Die meisten Unternehmen passen ihren Grundpreis an, um den Kunden für ein bestimmtes
Verhalten zu belohnen, z.B. für die besonders schnelle Zahlung von Rechnungen, für den
Kauf großer Mengen oder den Erwerb von Produkten außerhalb der Saison. Hierbei handelt
es sich um Rabatte und Preisnachlässe, wobei die folgenden Arten unterschieden werden.
Barzahlungsrabatt oder Skonto Kunden erhalten diese Form der Preisreduzierung, wenn sie
ihre Rechnung umgehend bezahlen. In vielen Branchen sind Zahlungsbedingungen wie
diese üblich: Zahlungsziel 30 Tage, bei Zahlung innerhalb von zehn Tagen können drei Pro-
zent Skonto abgezogen werden. Diese Vergünstigung wird allen Käufern eingeräumt, welche
die Bezahlung innerhalb der festgelegten Frist vornehmen. Durch diese Vorgehensweise
kann das Unternehmen seine Liquidität verbessern und seine Kosten für Außenstände und
für die Einziehung fälliger Forderungen senken.
Mengenrabatte Ein Mengenrabatt ist eine Preisermäßigung für Käufer, die große Mengen kau-
fen. Ein typisches Beispiel ist der Kauf von Druckerpapier. Ein Paket zu 500 Blatt kostet 4,90
Euro, ab zehn Paketen 4,50 Euro pro Paket, ab 100 Paketen 3,90 Euro pro Paket. Häufig ist ein
Kasten Bier günstiger als 20 einzelne Flaschen, und Weinhändler werben mit dem Angebot

534
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11.4 Preisanpassungsstrategien

„12 Flaschen kaufen, 11 bezahlen“. Derartige Rabatte sollen den Käufer dazu bringen, seinen
Bedarf bei einem einzigen Anbieter zu decken, anstatt bei vielen verschiedenen Händlern zu
kaufen.
Wie der folgende Exkurs zeigt, kann es aber auch genau andersherum sein. Das heißt, Kun-
den müssen für eine größere Abnahmemenge oder eine größere Verpackung einen Aufschlag
zahlen.

Exkurs: Mengenrabatt? Nein, wer hier mehr möchte, muss auch


mehr bezahlen

Preisaufschläge bei Abnahme größerer Mengen Aufschläge für größere Mengen erschei-
nen als Variante der Preisanpassung auf den ersten Blick wenig verbreitet. In bestimm-
ten Marktbereichen wie beispielsweise bei Veranstaltungen oder Reisen kann jedoch
eine größere Nachfragemenge schwerer zu befriedigen sein als eine kleine. Auf einem
Linienflug zum Beispiel sind kurz vor Abflug ein oder zwei Personen leichter unterzu-
bringen als eine Gruppe von 12 oder 15 Personen. Ähnliche Probleme mag es im Vorver-
kauf von großen Konzerten oder von großen Sportereignissen (zum Beispiel Fußball-
Weltmeisterschaft) geben.
Kunstgegenstände und Sammlungen: größere Ensembles und Vollzähligkeit erlauben
erhebliche Aufschläge Auf dem Flohmarkt, bei eBay oder im Antiquitätenhandel lassen
sich ein oder zwei Stühle in hochwertigem Jugendstil gewiss leichter aufspüren als eine
komplette und nach 100 Jahren noch intakte Esszimmergarnitur mit Tisch und sechs
Stühlen. Sicherlich findet man leichter ein oder zwei Messer als ein komplettes Besteck,
oder eine Tasse und einen Teller als ein vollständiges Service. Ähnliches gilt für Samm-
lungen von Münzen, Banknoten, Briefmarken oder Kunst-Editionen.
Aufwendige Sonderprodukte und Magnum-Champagnerflaschen In der Regel erwarten
Verbraucher Preisnachlässe beim Kauf größerer Einheiten. Dies ist jedoch nicht zwangs-
läufig der Fall. So können zum Beispiel mit jahreszeitlich begrenzt angebotenen
Geschmacksrichtungen bei Schokoladentafeln oder limitierten Auflagen in besonderem
Verpackungsdesign auch bei größeren Mengen höhere Preise durchgesetzt werden. Im
Vergleich zu normalen 100-Gramm-Tafeln herkömmlicher Geschmacksvarianten oder
Designs erreichen beispielsweise die 150-Gramm-Tafeln spezieller Aktionen einen
höheren Durchschnittspreis.
Auch bei Magnum-Champagnerflaschen mit drei Litern Inhalt, wie sie regelmäßig bei
den Siegerehrungen von Formel-1-Rennen wirkungsvoll versprüht werden, handelt es
sich nicht um eine einfache Großpackung, sondern um ein grundlegend verändertes
Produkt. Der große Druck des abgefüllten Champagners erfordert den Einsatz eines ganz
anderen Typs druckfester Flaschen. Der erheblich höhere Herstellungsaufwand dieses
Produktes schlägt sich in einem deutlichen Preisaufschlag im Vergleich zur Standardfla-
sche mit 0,75 Litern Inhalt nieder.
Doch auch bei vergleichsweise einfachen Produkten wie Teebeuteln kommt es häufiger
als erwartet vor, dass man sich beim Kauf einer Großpackung (mit 50 Einheiten)
schlechter stellt als beim Erwerb von zwei kleineren Packungen (mit je 25 Beuteln).

535
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11 Strategien der Preispolitik

Händlerrabatte Ein Unternehmen bietet diese Rabattform Handelspartnern an, die


bestimmte Funktionen ausüben, z.B. Verkauf, Bereitstellung und Lieferung oder Montage
und Installation der Produkte. Dabei können in den verschiedenen Vertriebskanälen unter-
schiedliche Rabatte eingeräumt werden, die den jeweils übernommenen Funktionen entspre-
chen – innerhalb eines Vertriebskanals sollten jedoch dieselben Rabatte gelten.
Saisonrabatte Dieser Preisnachlass wird Käufern gewährt, die Produkte oder Dienstleistun-
gen außerhalb der Saison erwerben. Zum Beispiel bieten Hersteller von Gartengeräten derar-
tige Rabatte im Herbst und im Winter an, um die Einzelhändler dazu zu ermutigen, sich
bereits frühzeitig für die kommende Saison mit Waren einzudecken. Auch Hotels, Fluglinien
und Reiseunternehmen bieten zur Nebensaison besonders niedrige Preise. Saisonrabatte
ermöglichen es dem Unternehmen, die Nachfrage etwas zu glätten und seine Produktion
oder seine Kapazitätsauslastung möglichst konstant zu halten.
Preisnachlässe bei Inzahlungnahme Hierbei erhält man einen Preisnachlass beim Kauf eines
neuen Produkts, sofern gleichzeitig ein altes Produkt in Zahlung gegeben wird. Die Inzah-
lungnahme ist besonders im Automobilhandel weit verbreitet, wird aber gelegentlich auch in
anderen Branchen angewandt.
Preisnachlässe für Werbeaktionen Hier erhält der Händler Bonuszahlungen oder Preisnach-
lässe, um ihn für die Teilnahme an Werbe- und Verkaufsförderungsprogrammen zu belohnen.

11.4.2 Differenzierende Preissetzung


Unternehmen passen ihre Grundpreise an unterschiedliche Kundengruppen, Produkte und
Orte an. Bei der differenzierenden Preissetzung wird ein Produkt oder eine Dienstleistung zu
mindestens zwei unterschiedlichen Preisen angeboten, wobei der Preisunterschied nicht aus
einem Kostenunterschied resultiert. Es existieren folgende Arten der differenzierenden Preis-
setzung:
Preissetzung nach Kundensegmenten Unterschiedliche Kunden zahlen für dasselbe Produkt
oder dieselbe Dienstleistung einen unterschiedlichen Preis. Zum Beispiel bieten Museen
ermäßigte Eintrittspreise für Kinder, sozial schwache Menschen, Studierende und Senioren
an. In vielen Teilen der Welt, so z.B. in Indien, zahlen Touristen im Vergleich zu Einheimi-
schen oftmals einen höheren Eintritt für Museen, Shows und nationale Denkmäler.
Preissetzung nach Produkten Unterschiedliche Versionen eines Produkts werden zu unter-
schiedlichen Preisen angeboten, jedoch nicht aufgrund unterschiedlicher Herstellungskos-
ten. Produktmodelle können verschiedene Leistungs- und Ausstattungsmerkmale aufweisen,
z.B. die Farbe eines Laptops oder die Wattleistung einer Küchenmaschine. Obwohl die tat-
sächlichen Produktionskosten nahezu gleich sind, besteht zwischen den einzelnen Modellen
ein erheblicher Preisunterschied. Beispielhaft sind die verschiedenen Produkte des Mineral-
wasser-Anbieters Evian.

536
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11.4 Preisanpassungsstrategien

Marketing-Highlight: Evian – Preissetzung nach Konsumanlässen

Jede Sekunde werden weltweit knapp 60 Flaschen Evian Mineralwasser aufgeschraubt


und getrunken. Knapp 60 Flaschen pro Sekunde, auf allen Kontinenten der Erde. Das
macht 3600 Flaschen in der Minute, mehr als 200.000 pro Stunde, über fünf Millionen
am Tag, fast zwei Milliarden im Jahr. Die zur französischen Danone-Gruppe gehörende
Mineralwassermarke wird heute in 140 Ländern der Erde verkauft.
Dabei wird das Mineralwasser in vielen verschiedenen Gebindegrößen angeboten: von
der 1,5-Liter- über die 1,25-Liter-, die 1-Liter-, die 0,75-Liter- und die 0,5-Liter- bis zur
0,33-Liter-PET-Flasche. Für jeden Nutzungsanlass eine eigene Gebindegröße – auch im
Bereich der Glasvariante. Damit kann für jeden Nutzungsanlass eine eigene Preissetzung
vorgenommen werden. In der Regel gilt: je kleiner die Füllmenge desto höher der liter-
bereinigte Preis.
Auf der einen Seite liegt dies in den Produktbestandteilen begründet. Für die verschie-
denen Gebindevarianten werden jeweils ein ähnliches Etikett, meist der gleiche Ver-
schluss und eine ähnliche, geringfügig in der Grammatur divergierende PET-Flasche
verwendet. Die Logistikkosten unterscheiden sich ebenso geringfügig. Da diese fixen
Selbstkosten auf unterschiedliche Füllmengen aufzuteilen sind, ergeben sich naturge-
mäß abgestufte Literpreise.

Abbildung 11.2: Preise verschiedener Produktformen: Evian-Wasser in einer 1-Liter-Flasche und als „Evian Brumisa-
teur Gesichtsspray“ in einer 50-Milliliter-Sprühdose.
(Quelle: Photo by Jim Whitmer)

537
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11 Strategien der Preispolitik

Auf der anderen Seite ist dies aber auch den unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften
der Kunden für die jeweilige Gebindegröße geschuldet. Während die Kunden bei den
größeren Verpackungseinheiten, die oftmals als Vorratspackungen dienen, sehr preis-
sensitiv sind, werden kleinere Verpackungseinheiten meist bei Impulsgelegenheiten
konsumiert, etwa als 0,5-Liter-PET-Flasche „on the go“ oder als 0,33-Liter-PET-Flasche
in der Minibar. Bei diesen Konsumationsanlässen ist der unmittelbare Nutzen höher
und damit auch die Zahlungsbereitschaft.
Besonders bemerkenswert ist aber eine potenzielle Änderung der Zahlungsbereitschaft,
wenn der Nutzungsanlass gänzlich verändert wird: Evian-Wasser in einer 1-Liter-Fla-
sche mag im lokalen Supermarkt nur 15 Cent pro 100 Milliliter kosten, doch bringt das
gleiche Wasser auch 10 Euro pro 100 Milliliter ein, wenn es als „Evian Brumisateur
Gesichtsspray“ in einer 50-Milliliter-Sprühdose verkauft wird.
Quellen:
http://www.welt.de/reportage/wasser/wassergeschaeft/article153835108/abfuellen-bis-zum-letz-
ten-tropfen.html [19.02.2018]
http://www.danone.com/en/for-all/our-4-business-lines/waters/our-brands/buid/evian/
[19.02.2018]

Preissetzung nach Orten Hier lassen sich zwei Arten der Differenzierung unterscheiden:
Zum einen kommt es vor, dass für das gleiche Produkt an unterschiedlichen Stellen verschie-
dene Preise verlangt werden. So zahlt man in der Regel an Autobahntankstellen einen höhe-
ren Preis für Benzin als in der Stadt. Zum anderen lassen sich z.B. in einem Theater oder
einem Fußballstadion aufgrund der Sichtverhältnisse und der Platzpräferenzen des Publi-
kums unterschiedliche Preise für verschiedene Platzkategorien erzielen, obwohl die Kosten
der Leistungserstellung für alle Kategorien gleich sind. Die Preisgattungen Ia bis V (siehe
Tabelle 11.3) bezeichnen beispielsweise unterschiedliche Platzkategorien des Mannheimer
Nationaltheaters. Die Plätze der Gattung Ia befinden sich in der ersten Reihe vor der Bühne
bzw. in den vordersten Logen, während die Gattung V die Plätze in den letzten Reihen
umfasst. Außerdem sind die Preise des Nationaltheaters nach dem Zeitpunkt des Opernbe-
suchs gestaffelt. Die höchste Gruppe A entspricht einer Premierenvorstellung, B einer Vor-
stellung an Wochenenden und Feiertagen, C einer Veranstaltung an einem Wochentag etc.

Preisgruppe
Preisgattung
A B C D E
Ia 94,– 74,– 65,– 58,– 35,–
I 70,– 54,– 48,– 42,– 25,–
II 60,– 44,– 39,– 35,– 20,–
III 45,– 34,– 30,– 28,– 16,–
IV 32,– 24,– 20,– 19,– 12,–
V 19,– 13,– 12,– 12,– 6,60
Tabelle 11.3: Eintrittspreise des Opernhauses des Mannheimer Nationaltheaters (in Euro)

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11.4 Preisanpassungsstrategien

Preissetzung nach Zeit Die Preissetzung kann saisonal, monatlich, täglich und sogar stünd-
lich variieren. So bieten Nahverkehrsunternehmen außerhalb der Berufsverkehrszeiten güns-
tigere Tarife, z.B. Wochenendtarife, an. Ebenso richtet sich die Preisstruktur von Hotels nach
Spitzen- und Nebenzeiten, ähnlich verfahren Stromanbieter.
Für eine erfolgreiche Anwendung der differenzierenden Preissetzung müssen bestimmte Vor-
aussetzungen erfüllt sein:
 Der Markt muss segmentierbar sein und die Segmente müssen unterschiedliche Nachfrag-
eintensitäten aufweisen.
 Angehörigen von Marktsegmenten, die in den Genuss niedrigerer Preise kommen, darf es
nicht möglich sein, die Produkte an Kunden aus den anderen Segmenten weiterzuverkau-
fen, da sie damit die vorgesehene Preisstruktur untergraben würden.
 Der Wettbewerb sollte ähnliche Preissetzungs- und Segmentierungskriterien einsetzen.
Ferner sollte die Konkurrenz nicht in der Lage sein, das Unternehmen im teureren Seg-
ment zu unterbieten.
 Die durch die Marktsegmentierung entstehenden Kosten sollten unter den zusätzlichen,
durch Preisunterschiede erzielten Einnahmen liegen.
 Die Preisdifferenzierung muss legal sein.
 Die differenzierten Preise sollten die tatsächlichen Unterschiede bezüglich des wahrge-
nommenen Nutzens durch den Kunden widerspiegeln.
 Die Preisdifferenzierung sollte langfristig nicht zu Unmut oder Unzufriedenheit bei den
Käufern führen.

11.4.3 Psychologische Preissetzung


Der Preis trifft eine wichtige Aussage über das Produkt. Zum Beispiel nehmen viele Käufer
und Kaufinteressenten den Preis als einen Maßstab für die Qualität. Eine Flasche Parfum für
100 Euro mag nur 10 Euro Produktwert enthalten, doch sind viele bereit, den geforderten
Betrag zu bezahlen, da der Preis auf etwas Besonderes schließen lässt.
Psychologische Preissetzung Bei der psychologischen Preissetzung geht ein Unternehmen
vielmehr auf die psychologische Wirkung des Preises ein als auf Kosten oder sonstige
betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Zum Beispiel ergab eine Studie zur Beziehung zwischen
Preis und Qualitätswahrnehmung von Automobilen, dass Käufer teurere Fahrzeuge als quali-
tativ hochwertiger wahrnehmen. Außerdem wurden Autos mit einer hohen Qualität als
wesentlich teurer eingestuft, als sie in Wirklichkeit waren. Wenn Konsumenten die Qualität
eines Produkts aufgrund eingehender Prüfung oder bisheriger Erfahrungen beurteilen kön-
nen, dann spielt der Preis nur eine geringe Rolle bei der Qualitätseinschätzung. Wenn man
die Produktqualität jedoch aufgrund mangelnder Informationen oder Fähigkeiten nicht beur-
teilen kann, wird der Preis zu einem wichtigen Qualitätsmerkmal.
Die psychologische Preissetzung zeigt sich besonders deutlich in Duty-Free-Shops in Flughä-
fen, wo Verbraucher teure Produkte kaufen, mit denen sie kaum vertraut sind. In solchen
Geschäften sind exklusive, hochwertige Whisky-Sorten oftmals sehr günstig zu bekommen,
jedoch greifen unerfahrene Käufer häufig zu auffällig verpackter und völlig überteuerter Mas-
senware.
Referenzpreise Ein anderer Aspekt der psychologischen Preissetzung sind sogenannte Refe-
renzpreise – in den Vorstellungen der Kaufinteressenten vorhandene Ansichten, was ein

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11 Strategien der Preispolitik

bestimmtes Produkt kosten sollte oder könnte. Diese Preisvorstellungen können aufgrund
eines Preisvergleichs bei mehreren Anbietern, aufgrund von Erinnerungen an frühere Käufe
oder der Einschätzung der aktuellen Kaufsituation zustande kommen. Unternehmen können
diese Referenzpreise beeinflussen oder sie für ihre Preissetzung nutzen. Ein Unternehmen
kann zum Beispiel ein Produkt neben teureren Produkten präsentieren, sodass der Eindruck
entsteht, es gehöre derselben Preisklasse an. Große Kaufhäuser bieten Damenbekleidung häu-
fig in mehreren Abteilungen nach Preisklassen getrennt an: Bei Kleidung, die in teureren
Abteilungen zu finden ist, geht man davon aus, dass sie eine bessere Qualität hat. Unterneh-
men können die Referenzpreise der Kunden auch beeinflussen, indem sie auf die höhere
„unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers“, auf den viel höheren Originalpreis oder
auf den höheren Preis eines Wettbewerbers hinweisen.
Bei den meisten Einkäufen können die Kunden aufgrund fehlender Informationen nicht ein-
schätzen, ob sie einen guten Preis für das jeweilige Produkt bezahlen. Sie haben nicht die
Zeit, die Möglichkeit oder die Bereitschaft, verschiedene Marken, Geschäfte und Preise zu
vergleichen und den bestmöglichen Kaufpreis zu finden. Vielmehr verlassen sie sich auf
bestimmte Signale, die anzeigen, ob ein Preis hoch oder niedrig ist. Interessanterweise wer-
den diese Signale hauptsächlich von den Verkäufern selbst, in Form von Reduzierungsschil-
dern, Tiefpreisgarantien und anderen Hinweisen bereitgestellt.
Dabei können selbst kleine Preisunterschiede Produktunterschiede suggerieren. Betrachtet
man die Preise für ein Fernsehgerät von 400 Euro bzw. 399 Euro, ist ein rechnerischer Prei-
sunterschied von lediglich einem Euro gegeben, doch kann der psychologische Unterschied
viel größer ausfallen. Zum Beispiel werden einige Konsumenten den Preis von 399 Euro eher
dem 300-Euro-Bereich als dem 400-Euro-Bereich zurechnen. Während der Preis von 399
Euro wie ein Sonderangebot wirkt, legt der Preis von 400 Euro eine bessere Qualität nahe.
Komplizierte Zahlen, wie zum Beispiel 347,41 Euro, wirken nicht so ansprechend wie runde
Zahlen, z. B. 350 Euro. Einige Psychologen argumentieren, dass jede Ziffer symbolische und
visuelle Qualitäten vermittelt, die bei der Preissetzung beachtet werden sollten. So ist die
Zahl Acht rund und gleichmäßig, was einen beruhigenden Effekt hat, während die Zahl Sie-
ben eckig ist und eher unangenehme Empfindungen auslöst.

11.4.4 Preissetzung bei Sonderaktionen


Mit der Preissetzung für Sonderaktionen legen Unternehmen vorübergehend Preise fest, die
unter den regulären Listenpreisen und manchmal sogar unter den Kosten liegen. Dabei las-
sen sich folgende Arten unterscheiden:
Lockpreise Supermärkte und Kaufhäuser bieten Produkte zu Lockpreisen an, um Konsumen-
ten anzuziehen, in der Hoffnung, dass diese dann weitere Artikel zu regulären Preisen ein-
kaufen. Ein Beispiel ist der Verkauf von einem Liter Frischmilch zu 0,45 Euro, wenn sich in
der betreffenden Stadt oder Region ein Preis von 0,55 Euro bis 0,65 Euro eingespielt hat. Der
Anbieter ist bereit, dieses Produkt ohne Gewinn zu verkaufen, im Vertrauen darauf, dass ein
großer Teil der so angelockten Konsumenten auch seine übrigen Käufe dort tätigt.
Sonderpreise Sonderaktionen und -preise werden zu bestimmten Zeiten angeboten, um
mehr Aufmerksamkeit durch die Kunden zu erhalten, zum Beispiel Ausstattungspakete bei
Automobilen zu Beginn des Winters (Winterpaket zum Sonderpreis) oder Sonderpreise zu
Jubiläen, Festen etc.

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11.4 Preisanpassungsstrategien

Barzahlungsrabatte Unternehmen bieten oftmals Barzahlungsrabatte für Käufer an, die ein
Produkt innerhalb einer bestimmten Zeit erwerben und bar bezahlen. Solche Rabatte sind
insbesondere bei Gebrauchsgütern und Kleingeräten sehr verbreitet.
Günstige Finanzierungsmodelle, Garantieverlängerungen oder kostenlose Wartungen wer-
den angeboten, um dem Käufer das Gefühl zu vermitteln, für den bezahlten Preis mehr Leis-
tung zu bekommen. Solche Angebote findet man häufig beim Autokauf. Einige Hersteller bie-
ten sogar Null-Prozent-Finanzierungen an, um Kunden zu gewinnen.
Preisnachlässe Darüber hinaus kann ein Unternehmen Rabatte und Preisnachlässe auf die
normalen Preise einräumen, um die Verkäufe anzukurbeln und die Lagerbestände zu redu-
zieren.
Allerdings können Preisaktionen bei häufiger Anwendung und Nachahmung durch die Wett-
bewerber dazu führen, dass kostenbewusste Konsumenten, die sich für eine Marke interes-
sieren, auf eine Sonderpreisaktion warten, um „zuzuschlagen“. Ebenso können Dauernied-
rigpreise den Wert einer Marke in den Augen der Kunden mindern. Marketing-spezialisten
verwenden Preisaktionen oft als kurzfristiges Instrument, anstatt den schwierigen Entwick-
lungsprozess effektiver und langfristiger Strategien zu durchlaufen, die nötig sind, um eine
Marke aufzubauen. Wie ein Beobachter anmerkt, können Preisaktionen sowohl für das Unter-
nehmen als auch für die Kunden zu einer regelrechten Sucht werden: „Preisaktionen sind für
Marken eine Art Heroin: Es ist leicht, damit anzufangen, aber schwer, wieder davon loszu-
kommen. Sobald die Marke und ihre Kunden an den kurzfristigen Rausch einer Preissenkung
gewöhnt sind, ist es schwierig, sie zu entwöhnen und zu einem echten Aufbau der Marke
überzugehen ... Verfolgt man weiter den alten Kurs, stirbt die Marke durch ständige Preissen-
kungen.“
Preisnachlässe stellen demnach unter bestimmten Umständen ein sehr effektives Mittel dar,
um hohe Verkaufszahlen zu erreichen, dauerhaft eingesetzt können sie ein Unternehmen
jedoch schädigen.

11.4.5 Geografisch differenzierte Preissetzung


Ein Unternehmen muss auch entscheiden, zu welchen Preisen die Produkte in verschiede-
nen Teilen des Landes oder der Welt angeboten werden sollen. Kann man von weiter entfern-
ten Käufern aufgrund von höheren Transportkosten höhere Preise verlangen oder verliert
man dadurch Kunden? Oder sollte das Unternehmen allen Käufern – ungeachtet von deren
Lieferadresse – den gleichen Preis in Rechnung stellen? Im Folgenden betrachten wir bei-
spielhaft fünf Strategien für eine geografisch differenzierte Preissetzung anhand eines hypo-
thetischen Falls.
Ein norwegischer Papierproduzent, der seine Produkte in ganz Europa vertreibt, sieht sich
mit hohen Frachtkosten konfrontiert, welche den Verkaufspreis in den jeweiligen Ländern
beeinflussen. Daher will man eine geografisch differenzierte Preissetzung vornehmen. Es soll
der Preis für eine Bestellung von 1.000 Nkr ermittelt werden, die an drei verschiedene Kun-
den geliefert wird: Kunde A (Oslo), Kunde B (Amsterdam) und Kunde C (Barcelona).
EXW (Ex works) – Lieferung ab Werk Eine Option wäre, dass jeder der drei Kunden die
Frachtkosten ab Werk bis zum eigenen Standort trägt. Sie würden dabei alle den gleichen
Werkspreis von 1.000 Nkr bezahlen. Beispielsweise würden für Kunde A zusätzliche Trans-
portkosten von 100 Nkr anfallen, für Kunde B 150 Nkr und für Kunde C 250 Nkr. Diese Form
der Preisfestlegung wird EXW (Ex works) genannt, d.h., die Ware wird ab Werk vom Kunden

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11 Strategien der Preispolitik

übernommen. Somit geht zum Zeitpunkt der Übergabe Eigentum und Verantwortung auf den
Kunden über, der für die Frachtkosten vom Werk bis zum Bestimmungsort aufkommen muss.
Da jeder Kunde seine eigenen Frachtkosten trägt, sind Befürworter der EXW-Methode der
Meinung, dass dies die gerechteste Form der Frachtkostenfestsetzung ist. Der Nachteil ist,
dass die Zusammenarbeit mit dem norwegischen Papierproduzenten für weit entfernte Kun-
den sehr kostspielig wäre.
Uniform delivered pricing – Einheitliche Frachtkosten Diese Form ist exakt das Gegenteil
von EXW. Hierbei berechnet das Unternehmen allen Kunden denselben Einheitspreis für
Fracht und Transport, unabhängig von der Lieferadresse. Der Preis wird auf Basis der durch-
schnittlichen Frachtkosten festgelegt. Angenommen, dieser beträgt 150 Nkr. Dann würde die
Lieferung eine höhere Belastung für den Kunden A aus Oslo bedeuten, der anstatt 100 Nkr
nun 150 Nkr zahlen müsste. Für den Kunden C aus Barcelona wäre es günstiger, da die Kos-
ten bei 150 Nkr statt 250 Nkr liegen würden. Einerseits könnte dies dazu führen, dass Kunde
A aus Oslo einen anderen lokalen Papierhersteller bevorzugen würde, der die Preissetzung
aufgrund von EXW vornimmt. Andererseits hätte der norwegische Papierproduzent dadurch
eine größere Chance, den spanischen Kunden C für sich zu gewinnen. Ein weiterer Vorteil
des Einheitspreises ist die einfachere Verwaltung und die Möglichkeit, mit dem gleichen
Preis auf allen Märkten zu werben.
Zone pricing – Einteilung in Preiszonen Hierbei handelt es sich um eine Zwischenform der
Preissetzung nach EXW und dem Einheitspreis. Das Unternehmen legt zwei oder mehr
Zonen mit jeweiligen Preisen fest. Zwar zahlen alle Kunden innerhalb einer Zone denselben
Preis, doch je weiter die Zone entfernt ist, desto höher ist auch der Preis. Zum Beispiel kann
der norwegische Papierlieferant eine skandinavische Zone errichten, in der alle Kunden 100
Nkr für den Transport zahlen müssen. Weiterhin gäbe es eine nordeuropäische Zone mit
einer Frachtkostenpauschale von 150 Nkr und eine südeuropäische Zone mit 250 Nkr. Auf
diese Weise erhalten die Kunden innerhalb einer vorgegebenen Preiszone keinen Preisvorteil
vonseiten des Unternehmens. So zahlen Kunden in Oslo und Kopenhagen denselben
Gesamtpreis. Der Kunde in Oslo könnte sich allerdings beschweren, dass er einen Teil der
Frachtkosten des Kunden in Kopenhagen mittragen muss. Außerdem können für Unterneh-
men unterschiedliche Preise gelten, wenn sie in unterschiedlichen Zonen liegen, obwohl sie
nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind.
Basing-point pricing – Preissetzung anhand von Basisorten Hierbei wählt das Unternehmen
eine Stadt als Basisort, von dem aus die Preise für die Transportkosten festgelegt werden. Es
spielt dabei keine Rolle, ob die Waren tatsächlich von dort verschickt werden. Zum Beispiel
könnte der norwegische Papierhersteller Oslo als seinen Basisort festlegen und allen Kunden
100 Nkr zuzüglich der Lieferkosten ab Oslo zum Zielort berechnen. Das bedeutet, dass ein
Kunde aus Kopenhagen die Frachtkosten von Oslo nach Kopenhagen bezahlt, auch wenn die
Ware direkt vom Produktionsort des Herstellers angeliefert wird. Nutzt man nicht den Werk-
standort als Basisort, hat dies zur Folge, dass der Gesamtpreis für nahe gelegene Kunden
möglicherweise höher und für entfernt gelegene Kunden niedriger ausfällt.
Wenn alle Unternehmen denselben Basisort als Berechnungsgrundlage nutzen würden, wäre
der Zustellpreis für alle Kunden gleich und daher wäre der Preiswettbewerb hinfällig. Die
Zucker-, Zement-, Stahl- und Automobilindustrie haben die Preissetzung anhand von
Basisorten jahrelang angewendet, doch mittlerweile hat diese Methode an Popularität verlo-
ren. Einige Unternehmen legen mehrere Basisorte fest, um flexibler sein zu können, d.h. sie
berechnen die Fracht- und Transportkosten von dem Basisort aus, der am nächsten beim
Kunden liegt.

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11.4 Preisanpassungsstrategien

Freight-absorption pricing – Lieferung frei Haus Schließlich kann ein Unternehmen, das
bestrebt ist, mit einem bestimmten Kunden oder in einem bestimmten Gebiet Geschäfte zu
tätigen, die Lieferung frei Haus anbieten. Hierbei trägt das Unternehmen die gesamten
Fracht- und Transportkosten, oder zumindest einen Großteil davon, in der Hoffnung, so den
Zuschlag für den erwünschten Geschäftsabschluss zu bekommen. Der zugrunde liegende
Gedanke ist, dass das Unternehmen langfristig mit einer besseren Auftragslage rechnet. Das
wiederum bedeutet, dass bei einem größeren Handelsvolumen die Durchschnittskosten
gesenkt und die anfallenden Mehrkosten für Fracht und Transport kompensiert werden kön-
nen. Diese Form der Preissetzung wird angewendet, um eine Marktdurchdringung erreichen
und in zunehmend wettbewerbsorientierten Märkten bestehen zu können.

11.4.6 Dynamische Preissetzung und Preissetzung im Internet


Historisch gesehen wurden Preise zwischen Verkäufer und Käufer ausgehandelt. Im Gegensatz
dazu erfordern die betrieblichen Bedürfnisse der heutigen Verkäufer jedoch meistens einheitli-
che Preise für alle Käufer. Große Handelsunternehmen hatten diese Vorstellungen schon Ende
des vorigen Jahrhunderts. Heute, 100 Jahre später, verspricht das Internet den Trend zu einheit-
lichen, festgelegten Preisen umzukehren und uns in ein Zeitalter mit dynamischen Preisen –
d.h. Festlegung von Preisen auf Basis individueller Kundenbedürfnisse und Situationen –
zurückzuführen. Das Internet, Unternehmensnetzwerke und drahtlose Kommunikation verbin-
den Käufer und Verkäufer wie niemals zuvor. Webseiten wie preisvergleich.de und billiger.de
ermöglichen den schnellen und einfachen Vergleich von Produkten und Preisen. Online-Aukti-
onshäuser wie ebay.de bieten Käufern die Möglichkeit, unter einer Vielzahl von Produkten aus-
zuwählen. Zur gleichen Zeit geben neue Technologien Verkäufern die Gelegenheit, Daten über
Konsumgewohnheiten und -präferenzen zu sammeln. Dadurch können Produkte und Preise
individuell auf den Konsumenten zugeschnitten werden.
Die Preise können sich stündlich und von Kunde zu Kunde ändern. „Das Internet wird die
Preisschilder möglicherweise beiseitedrängen und uns in eine Ära der dynamischen Preisge-
staltung geleiten, in der die Preise verschiedener Produkte dem Markt entsprechend festge-
legt werden, sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht“, sagt ein amerikanischer „Business
Week“-Wirtschaftsjournalist.
Die dynamische Preissetzung bietet Marketingverantwortlichen die folgenden Vorteile:
Maßgeschneiderte Angebote für individuelle Bedürfnisse Online-Händler haben die Mög-
lichkeit, Preise individuell auf bestimmte Kunden zuzuschneiden. Internetanbieter wie Ama-
zon können zum Beispiel das Navigationsverhalten jedes Besuchers auf der eigenen Webseite
verfolgen und ihre Datenbanken entsprechend nutzen, um die individuellen Vorlieben ihrer
Kunden zu erkennen und ihnen maßgeschneiderte Produktvorschläge in entsprechender
Preislage zu machen. Über das Internet kann ein Anbieter auch bestimmten ausgewählten
Kunden einen Zugang zu günstigeren Preisen ermöglichen, z.B. durch den Hinweis auf eine
Webseite mit speziellen Angeboten mittels einer E-Mail, die nicht alle Kunden erhalten.
Preisänderungen aufgrund von Nachfrage- oder Kostenveränderungen Die dynamische
Preisgestaltung erlaubt Online-Händlern außerdem, die Preise entsprechend von Nachfrage-
oder Kostenänderungen kurzfristig anzupassen, indem sie entweder Sonderangebote für
schwer verkäufliche Produkte oder nach oben korrigierte Preise für Bestseller nutzen. Last-
minute.com unterstützt die Touristikbranche, indem es ungebuchte Hotelzimmer, unver-
kaufte Konzerttickets oder nicht ausgelastete Flüge zum Tagespreis verkauft. Im Industriegü-
tergeschäft nutzen Marketingfachleute das unternehmenseigene Extranet, das sie mit Kunden

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11 Strategien der Preispolitik

und Lieferanten verbindet, um den Lagerbestand, Kosten und Nachfrage zu steuern und
Preise bei Bedarf sofort anzupassen.
Sofortiger Preisvergleich Auch die Käufer profitieren von Internetangeboten und der dynami-
schen Preissetzung. Sie können schnell und umfassend Informationen über Produkte und ver-
schiedene Anbieter miteinander vergleichen. Portale wie idealo.de oder billiger.de geben einen
sofortigen Überblick über aktuelle Produkte und Preise der einzelnen Wettbewerber. Auf ande-
ren Seiten können Kunden eigene Produktbewertungen und Erfahrungsberichte einstellen, um
anderen Käufern eine Entscheidungshilfe zu geben. Tripadvisor.de zum Beispiel lässt die Nut-
zer nach Hotels, Restaurants und Pauschalreisen recherchieren und liefert Bewertungen und
Erfahrungsberichte von Reisenden. Es durchsucht das Web und zeigt Links zu den günstigsten
Anbietern an, geordnet nach Preis oder Kundenrezensionen. Der Kunde kann über diese Seiten
nicht nur die besten Produkte und günstigsten Anbieter finden, sondern danach auch mit Prei-
sinformationen, die er bereits hat, einen günstigeren Preis aushandeln. Unterstützt wird dies
inzwischen auch durch die Vielzahl von Apps auf Mobiltelefonen, die es Kunden ermöglichen,
im Geschäft Barcodes oder QR-Codes zu scannen. So erhalten die Käufer umfassende Informa-
tionen wie Produktbewertungen und Preisvergleiche direkt auf ihr Handy und können ent-
scheiden, ob sie das Produkt bei dem ausgewählten Händler oder bei einem Konkurrenten in
der Nähe kaufen oder direkt im Internet bestellen wollen.
Gleichwohl stellen viele Händler fest, dass die Möglichkeit des Preisvergleichs im Internet
den Verbrauchern einen zu großen Vorteil verschafft. Stationäre Einzelhändler entwickeln
heute Strategien, um der Kundengewohnheit des sogenannten Showroomings entgegenzu-
wirken: Kunden kommen mit ihrem Smartphone in die Geschäfte, lassen sich bestimmte
Artikel vorführen, vergleichen die Preise noch im Laden online und bestellen den Artikel
dann preisgünstiger im Internet. Diese Praxis wird als Showrooming bezeichnet, da die Ver-
braucher die Filialen der Händler als reale „Ausstellungsräume“ für den Einkauf bei Amazon
und Co. nutzen.
Preisverhandlungen online Der Käufer kann Preise auch auf Online-Auktions- und Tausch-
seiten aushandeln. Plötzlich ist die jahrhundertealte Kunst des Handelns wieder in aller
Munde. Wollen Sie das antike Gurkenglas verkaufen, das schon über Generationen im Keller
Staub fängt? Stellen Sie es bei eBay, dem weltweit größten Online-Flohmarkt, ein. Möchten
Sie selbst den Preis für ein Hotelzimmer oder einen Mietwagen bestimmen? Besuchen Sie
Priceline.com oder eine andere Auktionsseite dieser Art.
Die dynamische Preissetzung ist ein zweischneidiges Schwert. Viele Kunden fänden es sehr
ernüchternd herauszufinden, dass ihr Sitznachbar im Flieger von Schiphol nach Malpensa
20 Prozent weniger als sie selbst bezahlt hat, nur weil er oder sie zufällig zur richtigen Zeit
oder über den richtigen Anbieter gebucht hat. Amazon hat daraus vor einigen Jahren gelernt,
als das Unternehmen damit experimentierte, neuen Kunden günstigere Preise anzubieten,
um sie als Kunden zu gewinnen. Als Stammkunden über Internet-Chatrooms davon erfuh-
ren, dass sie generell mehr zahlen als Erstbesucher der Webseite, protestierten sie vehement
und Amazon beendete dieses Experiment.
Zudem haben Kritiker Bedenken geäußert, dass variable oder dynamische Preise ahnungslo-
sen Kunden auch Schaden zufügen könnten und die Moral bei einigen Praktiken auf der
Strecke bleibt. Die dynamische Preisregelung kann in vielen Bereichen sinnvoll sein – sie
passt Preise an verschiedene Marktkräfte an und ist häufig auch im Sinne des Kunden. Aller-
dings müssen Marketingverantwortliche aufpassen, dass sie die dynamische Preissetzung
nicht dazu missbrauchen, aus bestimmten Kundengruppen Vorteile zu ziehen, da sie damit
wichtige Kundenbeziehungen nachhaltig schädigen würden.

544
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11.4 Preisanpassungsstrategien

11.4.7 Internationale Preissetzung


International agierende Unternehmen müssen entscheiden, zu welchen Preisen sie ihre Pro-
dukte auf den einzelnen nationalen Märkten anbieten wollen. In einigen Fällen kann ein
weltweit einheitlicher Preis festgelegt werden. So verkauft Airbus seine Flugzeuge überall
auf der Welt zu etwa demselben Preis, sei es in den USA, in Europa oder in Asien. Die meis-
ten Unternehmen müssen ihre Preise jedoch an lokale Marktbedingungen und Kostenstruk-
turen anpassen.
Der Preis, den ein Unternehmen für ein bestimmtes Land festsetzen sollte, hängt von vielen
Faktoren ab, zum Beispiel von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, von der Wettbe-
werbssituation, von Gesetzen und Vorschriften und vom Entwicklungsstand des Groß- und
Einzelhandels. Auch Konsumentenwahrnehmung und -präferenzen sind von Land zu Land
verschieden und ziehen daher unterschiedliche Preise nach sich.
Ein Unternehmen mag auch für verschiedene nationale Märkte unterschiedliche Ziele verfol-
gen, was ebenfalls eine Anpassung der Preisstrategie erfordert. So führte Apple hochwertige
und mit zahlreichen Funktionen ausgestattete Premium-Smartphones in sorgsam segmentier-
ten, reifen Märkten hoch entwickelter Länder ein und nutzte dabei eine bestimmte Preisstra-
tegie zur Abschöpfung der Märkte. Im Gegensatz dazu wächst nun der Druck, ältere Modelle
günstiger anzubieten und ein Basisgerät für größere Märkte, aber mit weniger wohlhabenden
Kunden in den Schwellenländern mit einer Penetrationspreispolitik zu entwickeln.
Auch die Kosten spielen bei der Preissetzung auf internationalen Märkten eine große Rolle.
Wer ins Ausland reist, wird vielleicht überrascht feststellen, dass für einige Produkte welt-
weit deutliche Preisunterschiede bestehen. So ist ein Paar Levi’s Jeans in den USA für 30
Dollar, in Tokio für 63 Dollar und in Paris für 88 Dollar erhältlich. Ein Big Mac von McDo-
nald’s kostet in Norwegen durchschnittlich 7,76 Dollar, in den USA liegt der Preis bei durch-
schnittlich 4,80 Dollar. In einigen Fällen sind derartige Preisunterschiede durch unterschied-
liche Marktbedingungen oder Verkaufsstrategien bedingt. Meistens resultieren sie jedoch aus
höheren Kosten, die sich beim Verkauf auf ausländischen Märkten ergeben. Zusätzliche Kos-
ten können beispielsweise durch Produktanpassungen, höhere Versand- und Versicherungs-
kosten, Importzölle und -steuern entstehen. Außerdem werden Kosten durch nicht vorher-
sehbare Wechselkursrisiken und durch höhere Handels- und Vertriebskosten im Ausland
verursacht. Die Gründung und Weiterentwicklung der Europäischen Union setzt genau an
diesen Punkten an, um für die europäischen Unternehmen die Kosten für grenzüberschrei-
tende Tätigkeiten herabzusetzen.
Der Preis ist zu einem wesentlichen Element in den internationalen Marketingstrategien von
Unternehmen geworden, die in die Schwellenmärkte eintreten wollen. Bei einem solchen
Marktantritt zielte man typischerweise auf die stark wachsende Mittelschicht in Ländern wie
China, Indien, Russland und Brasilien, die ein rapides Wirtschaftswachstum verzeichneten.
In letzter Zeit jedoch verlagern viele Unternehmen angesichts des verlangsamten Wachstums
in heimischen und Schwellenmärkten nach der Wirtschaftskrise ihren Fokus auf ein neues
Ziel – die sogenannte „Basis der Pyramide“, den breiten und noch ungenutzten Markt der
ärmsten Verbraucher der Welt. Es ist noch nicht lange her, dass viele Marken für die Vermark-
tung ihrer Produkte in Schwellenländern – seien es Konsumgüter oder Fahrzeuge, Computer
oder Smartphones – einfach neue Label auf die bestehenden Modelle aufbrachten und sie
dann zu höheren Preisen den wenigen privilegierten Verbrauchern anboten, die sich die Pro-
dukte leisten konnten. Mit diesem Preisansatz blieben jedoch viele Waren für zig Millionen
ärmere Verbraucher in den Schwellenländern unerreichbar. Daher entwickelten viele Unter-

545
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
11 Strategien der Preispolitik

nehmen kleinere, einfachere und bezahlbare Produktversionen für diese Märkte. Unilever
zum Beispiel – Hersteller von Marken wie Dove, Sunsilk, Lipton und Vaseline – verkleinerte
seine Verpackungsgrößen und veranschlagte dafür so niedrige Preise, dass die Produkte
selbst für die ärmsten Verbraucher bezahlbar waren. So wurden Einmalgrößen bei Shampoo,
Waschmittel, Gesichtscreme und anderen Produkten entwickelt, die sich für nur wenige Cent
pro Packung profitabel verkauften. Dadurch erwirtschaftet Unilever heute mehr als die Hälfte
seiner Umsätze in den Schwellenmärkten.2
Obwohl sich diese Strategie für Unilever lohnte, stellen die meisten Unternehmen fest, dass
ein profitables Geschäft an der Basis der Pyramide mehr erfordert als neue Verpackungsgrö-
ßen oder das Angebot vereinfachter Produkte zu günstigeren Preisen. Wie wohlhabendere
Kunden auch, wollen die Verbraucher mit wenig Kaufkraft Produkte erwerben, die sowohl
funktional als auch attraktiv sind. Unternehmen arbeiten daher heute an der Entwicklung
von Produkten, die sich nicht nur zu sehr niedrigen Preisen verkaufen, sondern den Kunden
an der Basis der Pyramide auch ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten – kein schlech-
teres.
Wir gehen auf Fragestellungen der internationalen Preissetzung noch ausführlicher in Kapi-
tel 19 ein.

11.5 Preisänderungen
Nachdem Preisstrukturen und -strategien festgelegt worden sind, stehen Unternehmen
immer wieder Situationen gegenüber, die Preisänderungen oder eine Reaktion auf Preisände-
rungen der Wettbewerber erfordern.

11.5.1 Initiierung von Preisänderungen


Gelegentlich kann es sich für ein Unternehmen als notwendig erweisen, entweder eine Preis-
senkung oder eine Preiserhöhung vorzunehmen. In beiden Fällen müssen mögliche Reaktio-
nen der Käufer und der Wettbewerber antizipiert werden.

Initiierung von Preissenkungen


Unterschiedliche Situationen können ein Unternehmen dazu veranlassen, eine Preissenkung
in Erwägung zu ziehen. Ein möglicher Auslöser sind Überkapazitäten. In diesem Fall ist das
Unternehmen auf einen höheren Absatz angewiesen, der sich unter Umständen nicht mehr
durch verstärkte Absatzförderung, Produktverbesserungen oder andere Maßnahmen errei-
chen lässt. Doch haben in den vergangenen Jahren einige Branchen, wie die Automobil- und
die Baumaschinenindustrie oder der Passagier-Luftverkehr, erkannt, dass derartige Preissen-
kungen bei großen Überkapazitäten Preiskämpfe auslösen können, da alle Wettbewerber
ihren Marktanteil verteidigen wollen.
Ein Unternehmen kann auch dann eine Preissenkung vornehmen, wenn es den Markt durch
niedrigere Kosten dominieren möchte. Zur Zielerreichung gibt es zwei Möglichkeiten. Ent-
weder beginnt man von vornherein mit niedrigeren Kosten als seine Wettbewerber oder man

2 Matthew Boyle, „Unilever: taking on the world, one stall at a time“, Bloomberg Businessweek, 7. Ja-
nuar 2013, S. 18–20 und Martinne Geller, „Unilever sticks with emerging markets as sales rebound“,
Reuters, 21. Januar 2014, http://uk.reuters.com/article/2014/01/21/uk-unilever-results-idUK-
BREA0K09A20140121.

546
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11.5 Preisänderungen

senkt die Preise, in der Hoffnung, Marktanteile zu erreichen, die wiederum zu hohen Stück-
zahlen und schließlich zu Kostensenkungen führen. Lenovo beispielsweise verfolgte eine
aggressive Niedrigpreisstrategie bei gleichzeitig niedrigen Kosten, um Marktführer im PC-
Bereich zu werden.

Initiierung von Preiserhöhungen


Kann eine Preiserhöhung jedoch erfolgreich durchgesetzt werden, ergeben sich daraus hohe
Gewinnsteigerungen. Wenn ein Unternehmen beispielsweise eine Umsatzrendite von drei
Prozent erzielt, kann eine Preiserhöhung von einem Prozent den Gewinn um 33 Prozent stei-
gern, sofern das Absatzvolumen konstant bleibt.
Ein bedeutender Faktor, der zu Preiserhöhungen zwingt, sind steigende Kosten. Häufig set-
zen Unternehmen Preiserhöhungen durch, welche die gestiegenen Kosten zunächst bei Wei-
tem übertreffen, da sie für die Zukunft mit weiteren Kostensteigerungen rechnen. Ein weite-
rer Grund für eine Preiserhöhung kann ein Nachfrageüberhang sein. Ist ein Unternehmen
nicht in der Lage, die Nachfrage aller Kunden zu befriedigen, kann es die Preise erhöhen,
eine Höchstabnahmemenge pro Kunde festlegen oder beide Maßnahmen kombinieren.
Preiserhöhungen lassen sich auf verschiedenen Wegen durchführen. Man kann versuchen,
unmerklich die Preise zu erhöhen, indem zunächst Rabatte und Preisnachlässe gestrichen
und neue, teurere Produktvarianten der jeweiligen Produktlinie hinzugefügt werden. Preiser-
höhungen können aber auch ganz offen durchgeführt werden. In diesem Fall sollte man
besonders sorgfältig vorgehen und darauf achten, dass den Kunden die Gründe für die Prei-
serhöhung genau erklärt werden, am besten anhand begleitender Kommunikationsmaßnah-
men. Zudem kann der Vertrieb den Kunden dabei behilflich sein, Einsparmöglichkeiten zu
finden.
Schauen wir uns zur Strategie der Preiserhöhung das Beispiel der Wodka-Marke Smirnoff an.

Marketing-Highlight: Wodka – ist ein hoher Preis gleichbedeutend


mit Qualität?

Smirnoff, die führende Wodkamarke der USA, wurde lange Zeit von Heublein USA her-
gestellt. Zu dieser Zeit versuchte ein Konkurrent, Wolfschmidt, die Marktführerposition
von Smirnoff anzugreifen. Wolfschmidt beanspruchte, die gleiche Qualität wie Smirnoff
zu liefern, bot sein Produkt jedoch um einen Dollar pro Flasche günstiger an als Smir-
noff. Besorgt über die Vorstellung, Kunden an Wolfschmidt zu verlieren, entwickelte
Heublein mehrere Szenarien denkbarer Reaktionen: Eine Preissenkung um einen Dollar
auf den Preis der Konkurrenz; den Preis halten, aber die Werbeausgaben deutlich erhö-
hen; oder den Preis beibehalten und dabei den Verlust von Marktanteilen in Kauf neh-
men. Alle drei Vorschläge bedeuteten Gewinnrückgänge und es sah so aus, als ob sich
Heublein mit Smirnoff in der Defensive befände.

547
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11 Strategien der Preispolitik

In dieser Situation hatten die Marketing-Fachleute von Heublein die Idee, den Preis des
Wodkas Smirnoff um einen Dollar zu erhöhen (!) und die neue Marke „Relska“ einzu-
führen, die direkt mit dem Wolfschmidt-Produkt bei gleichem Preis konkurrieren sollte.
Darüber hinaus wurde für preisbewusste Käufer die dritte Marke „Popov“ eingeführt,
die das Wolfschmidt-Produkt um einen Dollar unterbot. Damit wurde „Smirnoff“ als eli-
täres, teures Produkt positioniert und von den neuen Produkten flankiert, während das
Wolfschmidt-Produkt wegen des niedrigeren Preises auf den Platz eines „gewöhnlichen
Produkts“ verwiesen wurde. Die Strategie der dreifachen Positionierung erwies sich als
überaus erfolgreich und brachte einen enormen Renditezuwachs.
Da Heublein bei der Methode und Qualität der Herstellung auch für das billigste Pro-
dukt keine Abstriche machte, wurde ein nahezu identisches Produkt, das für alle drei
Marken ähnliche Kosten verursachte, durch die Preissetzung auf drei verschiedenen
Qualitätspositionen angeboten.

Abbildung 11.3: Eine Flasche Smirnoff Wokda mit dem prägnanten roten Label.
(Quelle: Ashley Pomeroy (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Smirnoff_Red_Label_8213.jpg), https://creativecom-
mons.org/licenses/by/4.0/legalcode).

548
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11.5 Preisänderungen

Wenn möglich, sollte das Unternehmen versuchen, Kosten- und Nachfragesteigerungen ohne
Preiserhöhungen zu begegnen. Anstelle von Preiserhöhungen lassen sich möglicherweise
noch Einsparungen am Produkt vornehmen. Eine Möglichkeit wäre, das Produkt zu „verklei-
nern“, d.h. kleinere Mengen zum gleichen Preis anzubieten, wie dies beispielsweise bei Süß-
waren und Lebensmitteln häufig praktiziert wird. Ferner können teure Inhaltsstoffe ersetzt
und Einsparungen hinsichtlich bestimmter Produktmerkmale, Verpackung oder Serviceleis-
tungen vorgenommen werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Produkte und Dienst-
leistungen zu entbündeln und die einzelnen Bestandteile, die zuvor als Paket angeboten wur-
den, getrennt zu berechnen. Beispielsweise stellen EDV-Anbieter Schulung und Beratung,
die früher im Preis für die Hardware inbegriffen waren, heute als gesonderte Serviceleistun-
gen in Rechnung und führen diese unter Umständen sogar als eigene Geschäftsfelder.

Käuferreaktionen auf Preisänderungen


Wann immer Preise erhöht oder gesenkt werden, wirkt sich dies auf Käufer, Wettbewerber,
Vertriebspartner und Zulieferer aus. Auch offizielle Stellen, wie zum Beispiel das Kartellamt,
können sich dafür interessieren. Käufer zeigen nicht immer die erwartete Reaktion auf Preis-
senkungen und interpretieren diese auf ganz unterschiedliche Weise. Was würde man zum
Beispiel davon halten, wenn Lenovo plötzlich seine Preise für Laptops halbieren würde?
Man könnte erwarten, dass bald neuere Modelle auf den Markt kommen und die alten erset-
zen. Denkbar wäre auch, dass die Geräte Mängel oder Funktionsstörungen aufweisen oder
sich nicht gut verkaufen. Möglicherweise würde man zu dem Schluss kommen, dass Lenovo
finanzielle Schwierigkeiten hat und bald aus dem Markt ausscheiden wird, sodass es in
Zukunft bei der Lieferung von Ersatzteilen Probleme geben könnte. Eventuell unterstellt
man, dass die Produktqualität verringert wurde. Oder man spekuliert darauf, dass weitere
Preissenkungen folgen werden und dass es sich daher lohnt, noch abzuwarten.
Ähnlich können auch Preiserhöhungen, die normalerweise Absatzrückgänge nach sich zie-
hen, von den Käufern positiv gedeutet werden. Was würde man denken, wenn Lenovo den
Preis für sein neuestes Laptop-Modell erhöhen würde? Einerseits könnte man glauben, dass
das Gerät sehr beliebt ist und daher bald schwer erhältlich sein könnte, es sei denn, man
greift schnell zu. Auch kann man die Preiserhöhung als Hinweis darauf interpretieren, dass
der Laptop besonders leistungsfähig ist.

Wettbewerberreaktionen auf Preisänderungen


Ein Unternehmen, das Preisänderungen in Betracht zieht, muss sich über die Reaktionen sei-
ner Wettbewerber ebenso Gedanken machen wie über jene seiner Kunden. Reaktionen der
Wettbewerber sind insbesondere dann zu erwarten, wenn relativ wenige Unternehmen auf
diesem Markt tätig sind, wenn es sich um gleichartige Produkte handelt und wenn der Infor-
mationsstand der Käufer hoch ist.
Wie kann nun ein Unternehmen die Reaktion seiner Wettbewerber richtig einschätzen? Es
handelt sich hierbei um ein komplexes Problem, weil ein Wettbewerber, ähnlich wie ein
Kunde, die Preissenkung auf unterschiedliche Art deuten kann. Der Wettbewerber kann
annehmen, dass das Unternehmen einen höheren Marktanteil anstrebt oder dass es seine
schlechte Marktposition durch Absatzsteigerung verbessern möchte. Die Preissenkung kann
auch dahingehend interpretiert werden, dass ein Unternehmen die gesamte Branche dazu
veranlassen will, die Preise zu senken, um die Gesamtnachfrage zu erhöhen.
Ein Anbieter sollte versuchen, die Reaktionen aller Wettbewerber zu antizipieren. Wenn es
einen großen Wettbewerber gibt und dieser dazu neigt, immer auf dieselbe Art und Weise auf

549
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11 Strategien der Preispolitik

Preisänderungen zu reagieren, dürfte die Reaktion leicht vorherzusagen sein. Wenn die Wett-
bewerber jedoch jede Preisveränderung als eine neue Herausforderung ansehen und den
eigenen Interessen entsprechend reagieren, wird es schwieriger. Die Herausforderung besteht
darin, sich in die Lage des Wettbewerbers hineinzuversetzen und zu ermitteln, worin dessen
jeweiliges Hauptinteresse besteht.
Gibt es mehrere Wettbewerber, sollte man versuchen, die voraussichtlichen Reaktionen aller
einzuschätzen. Verhalten sich alle Wettbewerber in etwa gleich, genügt es oftmals, die Reak-
tion eines typischen Akteurs zu analysieren. Wenn hingegen zu erwarten ist, dass dies nicht
der Fall ist – vielleicht aufgrund der Unterschiede in Bezug auf Größe, Marktanteil und
Unternehmenspolitik –, sind individuelle Prognosen notwendig. Wie dem auch sei, zieht ein
Wettbewerber bei der Preisänderung mit, ist davon auszugehen, dass auch die übrigen ihre
Preise anpassen werden.

11.5.2 Reaktionen auf Preisänderungen


Natürlich stellt sich gelegentlich auch die Frage, wie ein Unternehmen auf die Preisänderun-
gen wichtiger Wettbewerber reagieren soll. Hierbei gilt es zu bedenken, was den Konkurren-
ten zu der Preisänderung veranlasst haben könnte:
 Möchte der Wettbewerber einen größeren Marktanteil erreichen?
 Strebt er eine Kapazitätsauslastung an?
 Reagiert er auf Kostenveränderungen?
 Möchte er eine branchenweite Preisänderung vorantreiben?
 Handelt es sich um eine vorübergehende oder um eine dauerhafte Preisänderung?
Darüber hinaus ist das Unternehmen gut beraten, wenn es eine umfassende Analyse durch-
führt, um folgende Fragen zu beantworten:
 Wie wird sich der eigene Marktanteil und Gewinn entwickeln, wenn auf die Änderung
nicht reagiert wird?
 Werden die anderen Mitbewerber darauf reagieren?
 Wie werden die Reaktionen der anderen Unternehmen und die Gegenreaktion des Wettbe-
werbers ausfallen?
 In welchem Stadium des Produktlebenszyklus befindet sich das eigene Produkt?
 Welche Bedeutung hat es für den Produkt-Mix?
 Welche Ziele verfolgt der Wettbewerber und welche Ressourcen stehen ihm dafür zur Ver-
fügung?
 Wie werden die Konsumenten auf die Preisänderung reagieren?
Aus Abbildung 11.4 ist ersichtlich, wie ein Unternehmen die Preisänderung eines Wettbe-
werbers einschätzen und darauf reagieren kann. Wenn man festgestellt hat, dass ein wichti-
ger Konkurrent eine Preissenkung vorgenommen hat und erwartet, dass dieses Vorgehen den
eigenen Absatz und Gewinn beeinträchtigen wird, ist es trotzdem möglich, die gegenwärtige
Preisstruktur und Gewinnspanne beizubehalten. Man geht möglicherweise davon aus, dass
nicht allzu große Marktanteile verloren gehen oder dass eine eigene Preissenkung zu hohen
Gewinnausfällen führen könnte. Eine andere Möglichkeit wäre, zunächst einmal abzuwarten
und erst dann zu reagieren, wenn mehr Informationen über die Auswirkungen der Preisände-

550
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11.5 Preisänderungen

rung vorliegen. Für den Augenblick wird man seine „guten“ Kunden behalten, während man
die „schlechten“ Kunden an die Konkurrenz verliert.

Preis beibehalten,
Preissenkung bei der Nein
Konkurrenzverhalten
Konkurrenz?
weiterhin genau beobachten
Ja

Preissenkung
Wird diese Preissenkung Nein
Auswirkungen auf
unseren Absatz haben?
Steigerung der
Ja wahrgenommenen Qualität

Nein Qualitätsverbesserung
Sollte/kann wirksam und Preiserhöhung
darauf reagiert werden?
Ja
Einführung einer
neuen Marke
im unteren Preissegment
Abbildung 11.4: Reaktionsstrategien auf Preisänderungen

Gegen ein derartiges Abwarten spricht, dass der Wettbewerber in der Zwischenzeit durch
steigende Absatzzahlen seine Position stärken und verteidigen wird.
Wenn man den Beschluss fasst, eine entsprechende Gegenreaktion einzuleiten, sind vier ver-
schiedene Möglichkeiten denkbar:
1. Preissenkungen Wenn man davon ausgehen muss, dass die Konsumenten preissensibel
sind und dass man Marktanteile an den preisgünstigeren Wettbewerber verlieren würde,
liegt es nahe, dass man seinen Preis bis auf das Niveau des Wettbewerbers senkt. Selbst-
verständlich schmälert dies grundsätzlich den Gewinn. Man kann deshalb versuchen,
die alte Gewinnspanne wiederzuerlangen, indem man bei Produktqualität, Serviceleis-
tungen und Kommunikationsmaßnahmen Abstriche macht. Auf lange Sicht kann dies
allerdings dem eigenen Marktanteil schaden. Daher ist es ratsam, auch bei Preissenkun-
gen die Produktqualität beizubehalten.
2. Steigerung der wahrgenommenen Qualität Ein Unternehmen kann seine Preisstruktur
beibehalten, aber die wahrgenommene Qualität seines Produkts erhöhen. Zu diesem
Zweck hat es die Möglichkeit, seine Kommunikationsmaßnahmen anzupassen, um die
eigene Qualität im Vergleich zu der des günstigeren Wettbewerbers hervorzuheben. In
vielen Fällen ist es vorteilhaft, den Preis konstant zu halten und mehr Geld in die Stei-
gerung der wahrgenommenen Qualität zu investieren, anstatt den Preis zu senken und
eine niedrigere Marge zu erwirtschaften.
3. Qualitätsverbesserungen und Preiserhöhungen Das Unternehmen kann die Produktquali-
tät und gleichzeitig die Preise erhöhen und damit die eigene Marke höher positionieren.
Die bessere Qualität rechtfertigt den höheren Preis, der wiederum zu höheren Gewinnspan-
nen führt. Alternativ kann der Preis für das bisherige Produkt beibehalten und parallel eine
neue Marke eingeführt werden, die in einer höheren Preisregion angesiedelt ist.

551
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11 Strategien der Preispolitik

4. Einführung einer zusätzlichen Marke im unteren Preissegment Eine der wirkungsvolls-


ten Reaktionen auf die Preissenkung eines Wettbewerbers besteht darin, einer bestehen-
den Produktlinie preisgünstige Produkte hinzuzufügen oder eine separate „Billigmarke“
zu entwickeln. Dies ist sinnvoll, wenn das betroffene Marktsegment besonders preissen-
sibel ist und die Konsumenten nicht durch höhere Qualität zum Kauf bewogen werden
können. Um mit anderen Billiganbietern wie Indiens Tata oder Koreas Hyundai konkur-
rieren zu können, brachte Renault den Logan auf den Markt, ein günstiges Auto, das auf
Schwellenmärkte zugeschnitten ist. Ein weiteres Beispiel ist die Kampfmarke „Viva“
der Firma Bosch. Während sich die Haushaltsgeräte von Bosch im höherpreisigen Seg-
ment des Markts stets gut behaupten konnten, verzeichneten sie Wettbewerbsnachteile
in den preisgünstigen Kategorien. Folglich lancierte Bosch die Marke „Viva“ als Konkur-
renz zu den günstigen Haushaltsgeräten des Niedrigpreis-Segments, während es gleich-
zeitig seine Markenreputation, sein Image und die Top-Position der Bosch-Haushaltsge-
räte im Premium-Markt zu wahren versuchte.

11.6 Preisgestaltung und öffentliche Politik


Der Preiswettbewerb ist ein Kernelement unserer freien Marktwirtschaft. Bei der Preisgestal-
tung sind Unternehmen in der Regel nicht völlig unabhängig. Auf Bundes- oder Länderebene
oder sogar auf kommunaler Ebene legen Gesetze eine faire Preisgestaltung fest. Ferner müs-
sen Unternehmen ein breiteres gesellschaftliches Preisbewusstsein berücksichtigen. So müs-
sen beispielsweise Pharma-Unternehmen bei der Preisgestaltung ihre Entwicklungskosten
und Gewinnziele sorgsam gegen die manchmal lebenskritischen Bedürfnisse der Patienten
abwägen. In ganz Europa gibt es sehr unterschiedliche Gesetzgebungen, welche die Preisge-
staltung und den Wettbewerb regeln. So beschäftigt sich Artikel 82 (c) des Vertrags über die
Europäische Union mit dem Missbrauch von marktbeherrschenden Stellungen. Außerdem
streben die Mitgliedsstaaten der EU den Schutz der Verbraucher und Firmen durch nationale
Gesetze und Organisationen wie der britischen Kartellbehörde Office of Fair Trading an.
Abbildung 11.5 zeigt die wichtigsten Fragen für die Preisgestaltung in der öffentlichen Politik
auf. Diese enthalten auch potenziell schädliche Preispraktiken sowohl innerhalb bestimmter
Vertriebsebenen (Preisabsprachen und aggressive Preisstrategien) als auch über verschiedene
Ebenen hinweg (Preisbindungen, Preisdumping und irreführende Preisgestaltung).3

3 Zu einer weiterführenden Diskussion siehe Dhruv Grewel und Larry D. Compeau, „Pricing and pub-
lic policy: a research agenda and overview of the special issue“, Journal of Public Policy and Marke-
ting, Spring 1999, S. 3–10; Walter L. Baker, Michael V. Marn und Craig C. Zawada, The Price
Advantage (Hoboken, New Jersey: John Wiley & Sons, 2010), Appendix 2 sowie Thomas T. Nagle,
John E. Hogan und Joseph Zale, The Strategy and Tactics of Pricing, 5th ed. (Upper Saddle River, NJ:
Prentice Hall, 2011).

552
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11.6 Preisgestaltung und öffentliche Politik

Produzent A Händler 1

Preisbindung Irreführende
Preisfestlegung im Einzelhandel Preisfestlegung Preisgestaltung
aggressive aggressive Konsumenten
Preisstrategien Preisdiskriminierungen Preisstrategien

Produzent B Händler 2

Irreführende Preisgestaltung

Abbildung 11.5: Aspekte der Preisgestaltung in der öffentlichen Politik

11.6.1 Preisgestaltung innerhalb von Vertriebsebenen


Die EU-Gesetze zur Preisfestlegung sehen vor, dass Verkäufer ihre Preise ohne Kontakt zu
Wettbewerbern festzulegen haben. Andernfalls wird eine Preisabsprache vermutet. Preisab-
sprachen sind an sich illegal – das heißt, die Regierung akzeptiert dafür keine Entschuldigun-
gen. Unternehmen, die solcher Praktiken für schuldig befunden wurden, drohen empfindli-
che Geldbußen. Regierungen gehen auf Staats- und Länderebene rigoros gegen
kartellrechtliche Verstöße in allen Branchen vor, von Tankstellen, Versicherungen und Beton-
firmen bis hin zu Kreditkarten, CDs und Computerchips. Auch international sind Preisab-
sprachen in vielen Märkten verboten. Apple musste z.B. in Taiwan eine Geldstrafe in Höhe
von 529.000 Euro für Absprachen bei seinen iPhones zahlen.4
Ebenso dürfen Verkäufer auch keine aggressiven Preisstrategien anwenden – also der Verkauf
unter Einstandspreisen mit der Absicht, einen Wettbewerber zu strafen oder höhere langfris-
tige Gewinne durch die Verdrängung von Wettbewerbern zu erzielen. Diese Regelung schützt
kleine Händler vor den großen Unternehmen, die ihre Artikel vorübergehend oder in einem
bestimmten Umfeld unter Einstand verkaufen und damit eine Wettbewerbsverdrängung
erzielen könnten. Das größte Problem besteht darin festzustellen, wodurch genau eine aggres-
sive Preisstrategie gegeben ist. So gilt der Verkauf unter Einstand zur Reduzierung überschüs-
siger Bestände nicht als aggressive Preisgestaltung; zur Verdrängung von Wettbewerbern
hingegen schon. Ein bestimmtes Vorgehen kann daher eine vorsätzliche aggressive Preisge-
staltung darstellen oder eben auch nicht – und Vorsatz ist immer sehr schwer festzustellen
bzw. zu beweisen. In den letzten Jahren wurden einige große und einflussreiche Unterneh-
men der aggressiven Preisgestaltung beschuldigt. Aus einer Unterstellung eine gerichtliche
Klage zu machen, kann jedoch schwierig sein. So haben beispielsweise viele Verlage und
Buchhändler Bedenken über die aggressive Preisgestaltung von Amazon geäußert, insbeson-
dere bei Büchern.

4 Siehe Tim Worstall, „Apple fined $670,000 in Taiwan for price fixing“, Forbes, 25. Dezember 2013,
www.forbes.com/sites/timworstall/2013/12/25/apple-fined-670000-in-taiwan-for-price-fixing.

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11 Strategien der Preispolitik

11.6.2 Preisgestaltung über mehrere Vertriebsebenen


Wie die USA will auch die Europäische Union unfaire Preisdiskriminierungen verhindern,
indem sichergestellt werden soll, dass Verkäufer den Kunden auf einer bestimmten Handel-
sebene dieselben Konditionen gewähren. So stehen jedem Einzelhändler dieselben Preiskon-
ditionen eines bestimmten Herstellers zu; egal, ob es sich um eine große Kette wie Halford’s
oder den kleinen Fahrradhändler von nebenan handelt. Unterschiede bei der Preisgestaltung
sind jedoch zulässig, wenn der Verkäufer nachweisen kann, dass sich mit dem Verkauf an
unterschiedliche Händler auch seine Kostenstruktur ändert – zum Beispiel, dass die Kosten
je Einheit beim Verkauf einer größeren Menge Fahrrädern an Halford’s geringer sind, als
wenn der kleine Händler nur wenige Räder abnimmt. Auch darf der Verkäufer Unterschiede
in der Preisgestaltung vornehmen, wenn verschiedene Qualitäten des gleichen Produkts an
verschiedene Händler verkauft werden. Der Verkäufer muss dann nachweisen, dass diese
Unterschiede verhältnismäßig sind. Preisunterschiede können also eingesetzt werden, um
sich im guten Glauben dem Wettbewerb anzupassen – vorausgesetzt, die Preisdiskriminie-
rung ist vorübergehend, örtlich begrenzt und defensiv statt offensiv.
Per Gesetz ist auch die Preisbindung im Einzelhandel (oder der Wiederverkauf) verboten; ein
Hersteller darf von Händlern nicht verlangen, einen bestimmten Verkaufspreis für sein Pro-
dukt anzusetzen. Zwar kann der Verkäufer eine Preisempfehlung des Herstellers an den Ein-
zelhändler weitergeben, er darf jedoch weder den Verkauf an einen Händler ablehnen, der
eine unabhängige Preisgestaltung betreibt, noch darf er den Händler durch Lieferverzögerun-
gen oder Verweigerung von Werbemaßnahmen bestrafen. Irreführende Preisgestaltung liegt
vor, wenn ein Verkäufer Preise oder Preiseinsparungen bewirbt, die den Verbraucher täu-
schen oder die dem Verbraucher nicht tatsächlich zur Verfügung stehen. Dies kann fingierte
Referenzen oder Vergleichspreise beinhalten, z.B. wenn ein Einzelhändler einen künstlich
erhöhten „Normalpreis“ angibt und dann mit einem „Angebotspreis“ wirbt, der ähnlich hoch
ist wie sein üblicher Verkaufspreis. In den USA beispielsweise geriet der Internethändler
Overstock.com unter Verdacht, nicht exakt die tatsächlich empfohlenen Verkaufspreise der
Hersteller angegeben zu haben, sondern häufig höhere. Derartige Vergleichspreise sind weit
verbreitet.
Weitere Methoden der irreführenden Preisgestaltung sind Scanner-Betrug und undurchsich-
tige Preise. Die weit verbreitete Methode des Scanner-Betrugs an den Kassen hat zu vermehr-
ten Beschwerden über Einzelhändler geführt, die ihren Kunden zu viel berechnen. In den
meisten Fällen liegt dem ein schlechtes Management zugrunde – es wird schlicht versäumt,
die aktuellen Preise oder Angebote in die Kassensysteme einzugeben. Doch es gibt auch vor-
sätzliche Überteuerungen. Seriöse Händler tun allerdings mehr, als nur die gesetzlichen Vor-
gaben umzusetzen. Ihre Kunden fair zu behandeln und die Preise sowie die Preisstellung
transparent zu machen, ist ein wichtiger Bestandteil des Aufbaus von starken und langfristi-
gen Kundenbeziehungen.

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Zusammenfassung

Z US A M M EN FA SSU N G

Bei der Preissetzung für neue Produkte kann man eine Marktabschöpfungsstrategie ver-
folgen, bei der anfänglich hohe Preise festgesetzt werden, um so in jedem Marktsegment
eine möglichst hohe Marge zu realisieren. Eine völlig andere Vorgehensweise stellt die
Marktdurchdringungsstrategie dar, bei der man anfänglich niedrige Preise festsetzt und
sich dadurch einen hohen Marktanteil sichert.
Wenn ein Produkt Teil einer Produktlinie bzw. Produktfamilie ist, wird man eine Preis-
struktur anstreben, die den Gewinn der gesamten Produktlinie maximiert. Es gilt Ent-
scheidungen zu treffen über Preisstufen zwischen den einzelnen Produkten der Produktli-
nie und über die Preise für Zubehör, für Komplementärprodukte, für Koppelprodukte
sowie für Produktbündel.
Unternehmen nutzen eine Vielzahl von Preisanpassungsstrategien, um Unterschieden in
den Käufersegmenten und verschiedenen Kaufsituationen Rechnung zu tragen. Folgende
Strategien lassen sich hierbei unterscheiden: Rabatte und Preisnachlässe, differenzierende
Preissetzung, psychologische Preissetzung, Preissetzung bei Sonderaktionen, geografisch
differenzierte Preissetzung, dynamische sowie internationale Preissetzung.
Wenn ein Unternehmen eine Preisänderung ins Auge fasst, sei es eine Preiserhöhung
oder eine Preissenkung, muss es die Reaktionen der Käufer und der Wettbewerber
berücksichtigen. Die Reaktionen der Käufer leiten sich daraus ab, wie diese die Preisän-
derung wahrnehmen. Die Reaktionen der Wettbewerber ergeben sich aus der Unterneh-
menspolitik und aus der jeweiligen Wettbewerbssituation. Das Unternehmen, das die
Preisänderung als Erstes vornimmt, muss auch die möglichen Reaktionen der Lieferan-
ten, Zwischenhändler und staatlicher Stellen antizipieren. Unternehmen, die mit einer
Preisänderung eines Wettbewerbers konfrontiert werden, sollten versuchen, die Absicht
des Konkurrenten zu verstehen sowie die voraussichtliche Dauer und den Einfluss der
Preisänderung einzuschätzen. Hat ein Wettbewerber eine Preisänderung durchgeführt,
haben die übrigen Unternehmen mehrere Möglichkeiten: Sie können abwarten und
nichts tun, ihre eigenen Preise senken, die wahrgenommene Qualität ihrer Produkte
steigern, die Produktqualität verbessern und gleichzeitig die Preise erhöhen oder sie
können eine sogenannte „Billigmarke“ einführen.
Auf Bundes- oder Länderebene oder sogar auf kommunaler Ebene legen Gesetze eine
faire Preisgestaltung fest. Ferner müssen Unternehmen ein breiteres gesellschaftliches
Preisbewusstsein berücksichtigen. Die zentralen Themen der Preisgestaltung in der
öffentlichen Politik umfassen potenziell schädliche Preispraktiken sowohl innerhalb
bestimmter Vertriebsebenen (Preisabsprachen und aggressive Preisstrategien) als auch
über verschiedene Vertriebsebenen hinweg (Preisbindungen, Preisdumping und irrefüh-
rende Preisgestaltung). Obwohl sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene zahlrei-
che Regelungen zur Preisgestaltung existieren, gehen seriöse Händler über die gesetzli-
chen Vorgaben hinaus. Kunden fair zu behandeln, ist ein wichtiger Bestandteil des
Aufbaus von starken und langfristigen Kundenbeziehungen.

555
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11 Strategien der Preispolitik

Literatur und Quellen


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Distribution und Logistik

12.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 12


12.2 Die Supply Chain und das
Wertschöpfungsnetzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564
12.3 Die Bedeutung und Eigenschaften von
Distributionskanälen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566
12.4 Die Organisation eines Distributionssystems. . . . . 571
12.5 Das Distributionssystem gestalten . . . . . . . . . . . . . . . 582
12.6 Distributionssystem und -partner steuern . . . . . . . 589

ÜBERBLICK
12.7 Gesetzliche Einflüsse auf
Vertriebsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
12.8 Supply Chain Management und Logistik . . . . . . . . . 592
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605

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12 Distribution und Logistik

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... erklären, warum Unternehmen Distributionskanäle benötigen und welche Aufga-
ben diese übernehmen.
 ... erklären, wie die Mitglieder der Distributionssysteme zusammenwirken und auf
welche Arten sie sich organisieren.
 ... die grundsätzlichen Typen von Distributionssystemen erläutern.
 ... erklären, wie Unternehmen Partner für das Distributionssystem aussuchen, moti-
vieren und ihre Leistung bewerten.
 ... die Bedeutung von Marketinglogistik und „Integriertem Supply Chain Manage-
ment“ erklären.

12.1 Einführung
Wir kommen nun zum dritten Instrument des Marketing-Mix – dem Vertrieb. Unternehmen
erreichen Wertschöpfung für ihre Kunden und den Aufbau profitabler Beziehungen selten
allein. Vielmehr sind die meisten nur ein Glied in einer größeren Lieferkette oder eines Ver-
triebswegs. Der Erfolg eines einzelnen Unternehmens hängt nicht nur von der eigenen Leis-
tung ab, sondern auch davon, wie gut sich das gesamte Vertriebssystem gegenüber dem Wett-
bewerb behaupten kann. Der erste Teil dieses Kapitels befasst sich mit der Funktion von
Vertriebskanälen sowie den Entscheidungen von Marketingverantwortlichen hinsichtlich
deren Gestaltung und Steuerung. Anschließend beschäftigen wir uns mit dem physischen
Vertrieb bzw. der Logistik – ein Bereich, der massiv an Bedeutung und Anspruch gewinnt. Im
nächsten Kapitel werfen wir dann einen genaueren Blick auf zwei wesentliche Absatzmittler
im Vertrieb: Einzelhändler und Großhändler.
Beginnen wir mit Netflix. Mit seinem innovativen Vertriebssystem entwickelte sich Netflix
zum größten Video-Anbieter weltweit. Um jedoch in der turbulenten Branche des Videover-
triebs an der Spitze zu bleiben, musste Netflix seine Innovationen in halsbrecherischer
Geschwindigkeit vorantreiben oder riskieren, von anderen Anbietern überholt zu werden.

Einführende Fallstudie: Die Vertriebsinnovation von Netflix – die


Zukunft liegt außerhalb der Vergangenheit

Immer mal wieder hat Netflix seinen Weg an die Spitze im Vertrieb von Video-Unterhal-
tung verändert. Anfang der 2000er-Jahre verdrängte der revolutionäre DVD-Versandser-
vice von Netflix selbst die größten ansässigen Videothekenketten vom Markt. 2007 ver-
änderte der damals bahnbrechende Schritt von Netflix in das digitale Streaming den
Zugang zu Kinofilmen und anderen Videoinhalten von Grund auf. Heute ist Netflix der
Anführer, das Videovertriebs-Geschäft ist zu einem Schmelztiegel für neue Technolo-
gien und Hightech-Wettbewerber geworden – mit hohen Risiken und unfassbaren Mög-
lichkeiten gleichermaßen.

560
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12.1 Einführung

Schauen Sie sich Blockbuster an, eine große Videothekenkette in den USA. Noch vor
wenigen Jahren gehörte der riesigen konventionellen Kette sozusagen die Branche.
Dann kam Netflix mit seinem neuartigen DVD-Versandhandel. Erst ein paar tausend,
dann Millionen Abonnenten waren von dem innovativen Vertriebsmodell begeistert –
keine Fahrten mehr zu den Videotheken, keine Zuschläge für verspätete Rückgaben und
eine Auswahl aus über 100.000 Titeln, die das Angebot jeder herkömmlichen Blockbus-
ter-Filiale in den Schatten stellte. Mehr noch: mit 5 US-Dollar für das Monats-Abo in
den USA kostete Netflix nur wenig mehr als das Ausleihen eines einzelnen Videos bei
Blockbuster. Im Jahr 2010, als Netflix in die Höhe schoss, musste das einst so mächtige
Blockbuster Insolvenz anmelden.
Der Niedergang von Blockbuster unterstreicht nur den Umbruch, der heute den Markt
des Videovertriebs markiert. In den letzten gerade einmal fünf Jahren sind Video-Anbie-
ter wie Pilze aus dem Boden geschossen. Zur selben Zeit, als Netflix aufstieg und Block-
buster abstürzte, erschien das Unternehmen Coinstar’s Redbox aus dem Nichts und
errichtete in den USA ein neuartiges Netzwerk von DVD-Verleih-Kiosken zum Preis von
1 US-Dollar pro Tag. Dann begannen junge Hightech-Anbieter wie Hulu – mit einem
hochwertigen, werbegestützten und kostenlosen Angebot an Filmen und aktuellen
Fernsehshows – das digitale Streaming über das Internet voranzubringen. Doch die
ganze Zeit über blieb Netflix mit kühnen Entscheidungen führend im Wettbewerb. Im
Jahr 2007 beispielsweise ruhte sich Netflix nicht auf dem Erfolg seines immer noch
gefragten DVD-Versandhandels aus, sondern richtete mit seinem Vorstandsvorsitzenden
Reed Hastings den Blick auf ein seinerzeit revolutionäres neues Video-Vertriebsmodell:
die Lieferung des Netflix-Dienstes auf alle mit dem Internet verbundenen Bildschirme,
vom Laptop über internetfähige Fernsehgeräte bis hin zu Mobiltelefonen und anderen
mit WiFi ausgestatteten Geräte. Obwohl dies zulasten des immer noch boomenden
DVD-Geschäfts ging, brachte Netflix seinen Dienst Watch Instantly auf den Markt, über
den Netflix-Kunden im Rahmen ihres monatlichen Mitgliedsbeitrags Filme direkt auf
ihre Computer streamen konnten.
Obwohl Netflix kein Vorreiter beim digitalen Streaming war, investierte es eine Menge
Kapital in die Verbesserung der Technologie und baute die größte Streaming-Videothek
auf. Es schuf sich eine enorme Kundenbasis, die Umsätze und Gewinne gingen durch
die Decke. Mit seinem Massenangebot an DVDs und der Streaming-Videothek mit über
20.000 Filmen in HD-Qualität, die über 200 verschiedene internetfähige Geräte zu emp-
fangen sind, scheint Netflix unaufhaltsam zu sein. Doch der erstaunliche Erfolg zog
auch eine Menge gut ausgestatteter Konkurrenten an. Im Jahr 2010 begannen auch
Video-Riesen wie Googles YouTube und iTunes von Apple mit dem Verleih von Filmen,
die heruntergeladen werden können, und Hulu brachte seinen Abo-Dienst Hulu Plus
auf den Markt. Um an der Spitze zu bleiben, ja sogar sein Bestehen zu sichern, musste
Netflix bei den Innovationen Vollgas geben. So setzte Vorstandschef Hastings im Som-
mer 2011 in einem ebenso ehrgeizigen wie riskanten Schritt alles auf die Karte des digi-
talen Streamings. Er lagerte das noch immer erfolgreiche DVD-Versandgeschäft in einen
separaten Zweig namens Qwikster aus und verlangte separate Abonnements für den
DVD-Verleih und Streaming-Dienst (für Kunden, die beides nutzten, entsprach dies
einem massiven Preisanstieg von 60 Prozent). Der Name Netflix stand nun für nichts
anderes als digitales Streaming, das im Fokus des künftigen Unternehmenswachstums
stehen sollte.

561
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12 Distribution und Logistik

Mochten sie auch visionär erscheinen, bei den Netflix-Kunden kamen die abrupten
Änderungen nicht gut an. Etwa 800.000 Abonnenten kündigten den Dienst, und der
Aktienkurs von Netflix stürzte um fast zwei Drittel ab. Zur Schadensbegrenzung räumte
Netflix innerhalb weniger Wochen seinen Fehler ein und machte die Entscheidung über
den separaten Qwikster-Betrieb wieder rückgängig. Trotz des Rückschlags behielt Net-
flix jedoch die separate höhere Preisgestaltung und den DVD-Versanddienst aufrecht.
Netflix erholte sich rasch, gewann die verlorenen Abonnenten zurück und sogar noch
einige neue dazu. Noch wichtiger: Mit dem 60%igen Preisanstieg erhöhten sich auch
die Einnahmen und Gewinne. Der Aktienkurs von Netflix schoss erneut in die Höhe.
Mehr denn je scheint Hastings entschlossen, den erfolgreichen Sprung des Unterneh-
mens vom DVD- auf den Streaming-Markt zu beschleunigen. Obwohl Kunden bei Net-
flix noch immer auf den weltweit größten DVD-Bestand zugreifen können, wird dieser
Dienst in der Werbung und auf der Internetseite des Unternehmens kaum erwähnt. Der
Schwerpunkt liegt eindeutig auf Video-Streaming, das von aktuell ca. 137 Millionen
Netflix-Abonnenten weltweit genutzt wird.
Trotz des beständigen Erfolgs weiß Netflix, dass die Innovations-Maschinerie nicht
brach liegen darf. Die Konkurrenz wächst in schwindelerregendem Tempo. So kann
man als Amazon-Prime-Mitglied über den Dienst Amazon Prime Instant Video tausende
von Filmen und Fernsehsendungen ohne zusätzliche Gebühren streamen. Google hat
jenseits des Verleih-Angebotes von YouTube den Dienst Google Play eingeführt, ein
multimediales Unterhaltungsportal für Filme, Musik, E-Books und Apps. In den USA
bietet Comcast Xfinity Streampix an, mit dem die Kunden ältere Filme und TV-Pro-
gramme über ihre Fernsehgeräte, Laptops, Tablets oder Smartphones streamen können.
Coinstar und Verizon haben sich gerade zusammengeschlossen und den Dienst Redbox
Instand by Verizon gegründet, der den Abonnenten das Streaming älterer Filme sowie
aktueller Inhalte aus dem Bezahlfernsehen ermöglicht. Apple und Samsung machen
Streaming-Inhalte über das Smart-TV leichter zugänglich. Während sich mittlerweile
die gesamte Branche auf Streaming-Dienste als Hauptangebot konzentriert, sind künftig
die Inhalte – und nicht nur die Bereitstellung – das wichtigste Merkmal, mit dem sich
Netflix vom Rest der Anbieter unterscheiden kann. Angesichts seines rasanten Starts
behält Netflix auch weiterhin einen Vorsprung im Rennen um die Inhalte. Amazon,
Hulu Plus und andere Konkurrenten arbeiten allerdings mit Hochdruck daran, Verträge
mit den großen Anbietern für Filme und TV-Programme abzuschließen. Netflix tut das
aber auch. So konnte Netflix eine gewisse Zeit vom exklusiven Geschäftsabschluss mit
Disney profitieren – Netflix war der einzige Dienst, der seinen Kunden die ganze Band-
breite der Disney-Filme und Neuerscheinungen von Walt Disney Animation, Marvel,
Pixar und Lucasfilm bot. Ab 2019 wird Disney seinen eigenen Streamingdienst starten.
Das Beispiel Walt Disney zeigt, dass Lizenzgeschäfte für Inhalte mit den Film- und Fern-
sehstudios immer schwieriger abzuschließen sind. Deshalb entwickeln Netflix und
seine Wettbewerber in einem komplett neuen Ansatz für den Videovertrieb eigene Origi-
nal-Inhalte in einem enormen Tempo. Wieder einmal scheint Netflix dabei die Nase
vorn zu haben. Es war beispielsweise Vorreiter mit dem Riesenerfolg House of Cards,
einer US-Version der britischen Polit-Dramaserie von den Hollywood-Größen David
Fincher und Kevin Spacey. Nach dem enormen Erfolg von House of Cards entwickelte
Netflix eine Reihe weiterer Original-Serien, darunter Hemlock Grove, Lilyhammer und
Orange is the New Black, der bislang größte Hit. Bei diesem Aufgebot hat die Konkur-
renz Mühe, mitzuhalten. Im Jahr 2018 investierte Netflix an die 8 Milliarden US-Dollar
in die Entwicklung neuer eigener Inhalte.

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12.1 Einführung

Abbildung 12.1: Der Hauptsitz von Netflix in Los Gatos, Kalifornien


(Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Netflix_headquarters.jpg)

So bleibt Netflix vom DVD-Versandhandel über Watch Instantly, Video-Streaming über


fast jedes Gerät bis hin zur Entwicklung eigener Inhalte tonangebend in der Branche,
indem es tut, was es am besten kann – das Vertriebswesen erneuern und revolutionie-
ren. Was kommt als Nächstes? Niemand weiß das so genau. Doch eins scheint sicher:
Was auch immer uns erwartet, sollte Netflix bei den Veränderungen nicht führend sein,
wird es auf der Strecke bleiben – und das rasch. In diesem sich sehr schnell verändern-
den Geschäft sind neue Tricks in nur einem Augenblick veraltet. Um Erster zu bleiben,
liegt daher für Netflix – wie in der Überschrift beschrieben – die Zukunft außerhalb der
Vergangenheit.
Quellen:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/196642/umfrage/abonnenten-von-netflix-quartals-
zahlen/ [22.10.2018]
https://www.playcentral.de/spiele-news/netflix/ueber-700-serien-filme-2018-id73578.html
[22.10.2018]
https://www.golem.de/news/streaming-disney-beendet-zusammenarbeit-mit-netflix-1708-
129388.html [22.10.2018]

Fragen
1. Umreißen Sie die wesentlichen Parameter des Kundenbedürfnisses der Dienstleis-
tung „Filmverleih“.
2. Zeigen Sie mittels welcher Maßnahmen Netflix dieses Kundenbedürfnis schritt-
weise immer besser befriedigt hat.
3. Nennen Sie wesentliche Partner im Wertschöpfungsnetzwerk von Netflix.

563
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12 Distribution und Logistik

Wie das Beispiel von Netflix zeigt, können innovative und gut ausgestaltete Vertriebswegstra-
tegien dazu beitragen, dass der Kundennutzen erhöht wird und ein wichtiger Wettbewerbs-
vorteil für das Unternehmen geschaffen wird. Unternehmen arbeiten jedoch selten allein, um
Werte für ihre Kunden zu schaffen. Viele sind eingebunden in eine größere Liefer- und Wert-
schöpfungskette, die zahlreiche weitere Unternehmen umfasst. Daher hängt der Erfolg eines
einzelnen Unternehmens nicht nur davon ab, wie gut seine eigene Leistung ist, sondern auch
davon, wie gut sein gesamter Absatzkanal mit denen der Wettbewerber konkurrieren kann.
Mercedes kann beispielsweise die besten Autos der Welt bauen und dennoch keinen Erfolg
haben, wenn seine Händler im Verkauf und Service schlechter sind als die Händler von Ford,
Toyota, BMW oder Honda. Um einen tatsächlichen Wert für den Kunden zu schaffen, muss
ein Unternehmen seine Handelspartner sehr sorgfältig auswählen und die Beziehung zu die-
sen Partnern nachhaltig pflegen.
Entscheidungen über Distributionskanäle und die Vertriebsabwicklung gehören zu den wich-
tigsten Elementen des Marketing-Mix. Sie bestimmen, wie schnell und wie zuverlässig die
Kunden das Produkt oder die Dienstleistung erhalten können und ob das System für das
betreffende Unternehmen auch kostengünstig arbeitet.
Die Funktion der Absatzkanäle geht über die rein physische Betrachtungsweise von Trans-
port, Lagerung und Distribution hinaus und kann als Instrument im Wettbewerb eingesetzt
werden. Viele Unternehmen haben diese Chance genutzt und durch entschlossene Investitio-
nen in diesem Engpassbereich eine Überlegenheit in der Produktions-Absatz-Kette erzielt,
die einen echten Wettbewerbsvorteil darstellt.
Durch die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien ist es wie nie zuvor
möglich geworden, effiziente Distributionssysteme zu realisieren und die Bedienung der
Kundenanfragen durch folgende Faktoren zu verbessern:
 Größere Kundennähe
 Größere Flexibilität
 Keine Mindestmengen für kosteneffiziente Produktion
 Schnelle Reaktion auf Bestellungen, sofortige Belieferung
 Internationale Reichweite
 Kostensenkung
 Höhere Gewinnspannen und attraktivere Konditionen für Großhändler oder unternehme-
risch tätige Franchise-Nehmer
Um Wert für den Kunden zu schaffen, müssen Unternehmen eng zusammenarbeiten und auf
diese Weise ein Wertschöpfungsnetzwerk aufbauen. Schauen wir uns an, wie eine solche
erfolgreiche Zusammenarbeit im Bereich der Buchproduktion und des Buchvertriebs ausse-
hen kann.

12.2 Die Supply Chain und das Wertschöpfungsnetzwerk


Ein Hersteller, der seine Produkte oder Dienstleistungen den Käufern zur Verfügung stellen
will, muss Beziehungen nicht nur zum Kunden, sondern auch zu wichtigen Lieferanten und
Wiederverkäufern in der Supply Chain des Unternehmens aufbauen. Diese Supply Chain
besteht aus Partnern, die der Herstellung vor- und nachgelagert sind und schließt Lieferan-
ten, Vermittler und Kunden der Vermittler mit ein.

564
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12.2 Die Supply Chain und das Wertschöpfungsnetzwerk

Entlang der Supply Chain sind dem Hersteller eine Reihe von Unternehmen vorgeschaltet,
die Rohmaterialien, Komponenten, Teile, Informationen, Fachwissen und Finanzmittel lie-
fern, welche zur Produktion benötigt werden. Marketingverantwortliche haben sich jedoch
traditionellerweise auf den Teil der Supply Chain konzentriert, der nach der Produktion ein-
setzt, nämlich auf den Absatzkanal oder Distributionskanal, der zum Kunden führt. Handel-
spartner des Absatzkanals, wie z.B. Großhändler und Einzelhändler, stellen die zentrale Ver-
bindung zwischen dem Hersteller und seinen Zielkunden her.
Sowohl vor- als auch nachgeschaltete Partner können auch Bestandteil der Supply Chain
anderer Firmen sein. Es ist jedoch der einzigartige Aufbau einer Supply Chain, die es dem
Unternehmen ermöglicht, dem Kunden einen überlegenen Nutzen zu bieten. Daher hängt der
Erfolg eines Unternehmens in entscheidendem Maße von der Wettbewerbsfähigkeit seiner
Supply Chain ab.
Der Begriff „Supply Chain“ ist vielleicht zu eng gewählt, da er die herstellungsorientierte
Perspektive einnimmt. Dabei wird davon ausgegangen, dass Rohmaterialien, produktive
Inputs und die Werkskapazität den Ausgangspunkt für die Planung darstellen. Ein besserer
Begriff wäre „Nachfragekette“, denn dieser drückt eine marktorientierte Sichtweise aus. Aus
dieser Perspektive beginnt die Planung mit den Bedürfnissen der Zielkunden, auf die das
Unternehmen mit der Organisation von Ressourcen reagiert, um schließlich profitable Kun-
denbeziehungen aufzubauen.
Allerdings kann auch das Begriffsverständnis der „Nachfragekette“ noch zu begrenzt sein, da
es eine lineare, schrittweise Abfolge der Aktivitäten Einkauf/Produktion/Konsum unterstellt.
Mit der Einführung des Internets bilden Unternehmen jedoch eine Vielzahl komplexer Bezie-
hungen zu anderen Unternehmen. So führen Unternehmen wie Toyota, Mercedes und Ford
zahlreiche Supply Chains. Sie wickeln Geschäfte auch über B2B-Webseiten oder Onlinekauf-
börsen ab und betreiben diese teilweise selbst. Wie diese Unternehmen beschäftigen sich
heute viele große Firmen mit dem Aufbau und dem Management eines kontinuierlich entste-
henden Wertschöpfungsnetzwerks.
Ein solches Wertschöpfungsnetzwerk setzt sich aus dem Unternehmen, den Lieferanten, den
Distribuenten und schließlich den Kunden zusammen, die miteinander eine Partnerschaft
eingehen, um die Leistung des gesamten Systems zu optimieren. All diese unterschiedlichen
Partner müssen effektiv zusammenarbeiten, um gemeinsam einen überlegenen Wert liefern
zu können.
Dieses Kapitel konzentriert sich auf das Management der Absatzkanäle – den Teil des Wert-
schöpfungsnetzwerks, den man als nachgelagert bezeichnet. Dennoch ist es wichtig zu wis-
sen, dass dies nur ein Teil des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks ist. Um Wert für den Kun-
den zu schaffen, benötigen Unternehmen sowohl vorgelagerte als auch nachgelagerte Partner.
Um Finanzdienstleistungen zu bieten, kauft z.B. eine Bank Anlagen und Zubehör wie Geld-
automaten, vorgedruckte Einzahlungsscheine und Computer. Um ihre Dienstleistungen für
den Kunden zugänglich zu machen und Informationen über Transaktionen der Kunden zu
erhalten, unterhält die Bank einen Distributionskanal, der aus unternehmenseigenen Bankfi-
lialen und Webseiten sowie vielen Geldautomaten anderer Banken besteht. Marketingverant-
wortliche nehmen zunehmend Einfluss auf die vorgelagerten und nachgelagerten Aktivitäten
des Unternehmens. Ihre Funktion geht über die des Absatzkanalmanagers hinaus, und sie
entwickeln sich zu umfassenden Netzwerkmanagern.
In Kapitel 13 betrachten wir die Thematik aus der Perspektive des Groß- und Einzelhandels.

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12 Distribution und Logistik

12.3 Die Bedeutung und Eigenschaften von


Distributionskanälen
Nur wenige Hersteller verkaufen ihre Produkte direkt an den Kunden. Die meisten Anbieter
nutzen unternehmensexterne Partner, um ihre Produkte auf den Märkten verfügbar zu
machen. Diese externen Partner können auch als Vertriebs- oder Marketingvermittler
bezeichnet werden. Die Hersteller streben die Etablierung eines dauerhaften Absatz- oder
Distributionskanals an. Darunter versteht man das Zusammenwirken voneinander unabhän-
giger Organisationen mit dem gemeinsamen Ziel, das Produkt eines Herstellers einer Viel-
zahl von Verbrauchern oder gewerblichen Nutzern zum Verbrauch oder Gebrauch verfügbar
zu machen. Ein Distributionskanal ist daher die Gesamtheit der Organisationen, die ein Pro-
dukt zwischen der Abgabe aus dem Produktionsprozess bis hin zum Kunden durchläuft.
Die Entscheidung über die Distributionskanäle wirkt sich unmittelbar auf jede andere Marke-
tingentscheidung aus. Die Preissetzung für ein Produkt hängt davon ab, ob es in großen Men-
gen abgesetzt werden kann oder ob hoch qualifizierte Fachgeschäfte den Vertrieb überneh-
men müssen. Die Entscheidungen über den Verkaufsaußendienst und die Werbung hängen
davon ab, wie viel Überzeugung, Ausbildung und Motivation die Händlerbetriebe erwarten
und benötigen. Ob ein Unternehmen bestimmte neue Produkte entwickeln oder in das Ver-
triebsprogramm aufnehmen kann, hängt wiederum davon ab, wie weit diese Produkte von
seiner Vertriebsorganisation betreut werden können.
Viele Unternehmen schenken ihren Absatzkanälen nicht genügend Aufmerksamkeit, manch-
mal hat dies verheerende Auswirkungen. Im Gegensatz dazu haben einige Unternehmen mit
sehr viel Einfallsreichtum Distributionssysteme dazu genutzt, einen Wettbewerbsvorteil zu
erzielen. Das kreative und eindrucksvolle Distributionssystem, das Netflix im Video-/Fern-
sehgeschäft entwarf, machte es zum führenden Unternehmen in diesem Bereich. Ama-
zon.com bahnte den Weg für die Bestellung von Büchern im Internet, und Dell revolutio-
nierte die Computerbranche, indem es Computer direkt an die Kunden verkaufte, anstatt
Händler dazwischenzuschalten. Kern des Erfolgs ist hierbei jeweils ein effizientes Manage-
ment des Distributionssystems.
Entscheidungen über den Distributionskanal bedingen oft langfristige Vereinbarungen mit
Dritten. Unternehmen können beispielsweise schnell und leicht ihre Werbung, ihre Preise
oder ihre Verkaufsförderungsprogramme ändern. Sie können Produktion und Vertrieb alter
Produkte einstellen und neue Produkte einführen, wenn der Markt dies erfordert. Aber wenn
einmal Absatzkanäle etabliert sind, sei es mit Franchise-Nehmern, mit kleinen unabhängigen
Händlern oder mit großen Handelskonzernen, kann nicht von einem Tag auf den anderen der
Absatzkanal ersetzt und das Geschäft beispielsweise mit einem unternehmenseigenen Ver-
trieb weitergeführt werden. Aus diesem Grund sollte ein Unternehmen die Absatzkanäle
sehr sorgfältig planen, und dabei sowohl die aktuellen als auch die zukünftigen Entwicklun-
gen im Auge behalten.

12.3.1 Wertschöpfung durch Marketingvermittler


Warum geben die Produzenten und Anbieter Teile der Vertriebsaufgaben an Vermittler ab?
Diese Aufgabenübertragung bedeutet schließlich, dass die Kontrolle darüber, wie und an wen
die Produkte verkauft werden, zumindest teilweise aus der Hand gegeben wird. Die Nutzung
von Handelspartnern beruht darauf, dass diese in der Regel am Markt effizienter arbeiten
und sich insgesamt Kostenvorteile aus dieser Aufgabenübertragung ergeben. Durch die Kon-

566
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12.3 Die Bedeutung und Eigenschaften von Distributionskanälen

takte, Erfahrung, Spezialisierung und aufgrund von Größenvorteilen (Economies of Scale)


können Handelspartner zugunsten des Anbieters und seiner Produkte mehr leisten, als der
Anbieter selbst erreichen könnte. Darüber hinaus werden beim Hersteller Ressourcen nicht
in Anspruch genommen, die er nun effizienter für seine eigentlichen Aufgaben einsetzen
kann.
Abbildung 12.2 zeigt, wie sich aus der Einschaltung von Vermittlern Kostenvorteile ergeben.

Hersteller 1 Kunde 1

Hersteller 2 Kunde 2

Hersteller 3 Kunde 3

A. Anzahl der Direktbeziehungen ohne Großhändler


Anzahl: 3 Hersteller u 3 Kunden = 9 Direktbeziehungen

Hersteller 1 Kunde 1

Hersteller 2 Großhändler Kunde 2

Hersteller 3 Kunde 3

B. Reduzierte Anzahl der Direktbeziehungen


bei Zwischenschaltung eines Großhändlers
Anzahl: 3 Hersteller + 3 Kunden = 6 Direktbeziehungen
Abbildung 12.2: Reduktion der Transaktionen und Kosten durch Handelsvermittler

Abbildung 12.2 A zeigt drei Hersteller, die jeweils in direkte Handelsbeziehungen zu je drei
Kunden eingetreten sind. Hier gibt es neun verschiedene Geschäftsbeziehungen. Abbildung
12.2 B zeigt drei Hersteller, die gemeinsam einen Distribuenten (zum Beispiel Großhändler)
gefunden haben, der die drei Kunden betreut. Hier sind nur noch sechs unmittelbare

567
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12 Distribution und Logistik

Geschäftsverbindungen nötig. Das System mit einem Distribuenten spart sowohl für den Her-
steller als auch für den Konsumenten Kosten und Arbeit.
Die Rolle der Marketingvermittler besteht darin, die Produktsortimente der Anbieter in die
Kaufsortimente der Nachfrager umzuwandeln. Die Produzenten möchten ausgewählte Pro-
dukte in großen Stückzahlen herstellen und absetzen, die Verbraucher hingegen benötigen
ein breites Sortiment an Produkten, jedoch in Stückzahlen, die im Verhältnis zu den Produk-
tionsstückzahlen gering sind. Innerhalb des Distributionskanals kaufen die Vermittler große
Stückzahlen von vielen Herstellern der angesprochenen Produkte, um diese in die breiteren
Sortimente und kleineren Stückzahlen, die vom Verbraucher gefragt sind, aufzuteilen. Dem
Käufer wird dadurch auch eine Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Anbietern gegeben. Die
Vermittler spielen eine wichtige Rolle dabei, Angebot und Nachfrage schließlich in Überein-
stimmung zu bringen.

12.3.2 Die Funktionen eines Distributionskanals


Das Konzept eines Vertriebskanals ist nicht auf die Distribution materieller Produkte
beschränkt. Auch Anbieter von Dienstleistungen und Ideen stehen dem Problem gegenüber,
wie sie ihr Angebot der Zielgruppe zugänglich machen können. Hotels, Banken, Fluggesell-
schaften und andere Dienstleistungsanbieter geben sich große Mühe, um ihre Dienstleistun-
gen den Zielkunden in geeigneter Weise verfügbar zu machen. Krankenhäuser müssen an
einem bestimmten Ort sein, um bestimmte Patientengruppen bedienen zu können, und Schu-
len sollten in der Nähe von Kindern, die unterrichtet werden sollen, angesiedelt werden.
Die Aufgabe eines Distributionskanals ist es, eine durchgehende und gut funktionierende Ver-
bindung zwischen dem Produzenten und dem Verbraucher oder Nutzer des Produkts bereit-
zustellen. In Wahrnehmung dieser Funktion füllt und überbrückt die Gesamtheit der daran
beteiligten Institutionen die Lücken in Bezug auf Zeit, Ort und Besitzverhältnisse zwischen
den produzierten Gütern oder Dienstleistungen und denjenigen, die sie nutzen wollen. Der
Distributionskanal befördert das Produkt vom Produzenten zum Verbraucher oder Verwender.
Die Mitglieder eines Distributionskanals üben dabei folgende Schlüsselfunktionen aus:
Information Innerhalb der Vertriebskanäle übernehmen die Mitglieder die Suche, Zusam-
menstellung und Verteilung von Ergebnissen der Marktforschung und Informationen über
Handelnde und Einflusskräfte im Marketingumfeld, die die Planung der Marktvorgänge erst
möglich machen und den Austausch von Leistungen erleichtern.
Kommunikation Um potenzielle Käufer zu überzeugen und zum Kauf zu veranlassen, entwi-
ckeln und verbreiten die Mitglieder des Distributionskanals Informationen über vorhandene
Angebote im Rahmen von Kommunikationsaktivitäten.
Knüpfen von Kontakten Die Distributionskanäle identifizieren Interessenten und mögliche
Käufer und kontaktieren sie.
Abstimmung und Anpassung des Angebots Die Distributionskanäle beteiligen sich daran,
das Angebot auf die Bedürfnisse der Käufer abzustimmen, zum Beispiel durch bedarfsge-
rechte Packungsgrößen, durch die Bildung von Sortimenten, durch Endmontage oder Ergän-
zen mit Zusatzausstattung usw.
Verhandlung von Konditionen Die Distributionssysteme vermitteln häufig in Fragen der
Konditionen, sei es, indem sie beim Einkauf ihre Preisvorstellungen durchsetzen, die einen
Absatz erst möglich machen, sei es, dass sie als Absatzmittler mit Produzenten und Abneh-
mern getrennte Verhandlungen führen, um dann eine gemeinsame Linie zu erarbeiten.

568
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12.3 Die Bedeutung und Eigenschaften von Distributionskanälen

Die folgenden drei Funktionen dienen der Erfüllung der abgeschlossenen Verträge:
Physische Verteilung Die Vertriebskanäle stellen bedeutende Kapazitäten für Beschaffung,
Zwischenlagerung und Verteilung an die Kunden bereit. Man denke dabei nur an die großen
Lkw-Flotten aller Handelsorganisationen oder an die Geschäfte, Supermärkte und Lagerhäu-
ser des Handels.
Finanzierung Die Vertriebskanäle stellen vor allem Finanzmittel bereit, die die Kosten der
Leistungen des Distributionskanals decken. Die Finanzierungsfunktion kann jedoch auch auf
die Produktion und den eigentlichen Absatz ausgedehnt werden. (Beispiel: Mittelbereitstel-
lung für Pkw-Kauf oder Leasing-Vertrag).
Risikoübernahme Die Distributionskanäle beteiligen sich auch an den Risiken auf dem Weg
zwischen Produzent und Abnehmer, seien es die Risiken des Transports, der Präsentation
(Diebstahl, Beschädigungen), der Veralterung oder des Wetters (Mode ist immer nur eine Sai-
son lang zum vollen Preis verkäuflich).
Von den vorgestellten Funktionen eines Distributionskanals tragen die ersten fünf dazu bei,
die Transaktionen abzuschließen, während die restlichen drei bereits abgeschlossene Trans-
aktionsvereinbarungen unterstützen.
Die grundlegende Frage ist nicht, ob diese Funktionen ausgeführt werden müssen, sondern
wer sie ausführen soll. Unternehmen müssen abschätzen, an welcher Stelle sie eigene Ange-
bote machen und wann sie auf solche der Vermittler zurückgreifen wollen. Hier gilt es, den
richtigen Weg mit einer Aufteilung zu finden, die die Funktionen denjenigen Mitgliedern des
Distributionskanals zuweist, die sie am effizientesten erbringen können. Daraus ergibt sich
dann auch die optimale Versorgung der Zielgruppen mit auf deren Bedürfnisse angepassten
Sortimenten.

12.3.3 Anzahl der Stufen eines Distributionskanals


Unternehmen können ihre Vertriebskanäle auf unterschiedliche Weise gestalten. Das ein-
fachste Kriterium zur Beschreibung eines Distributionskanals ist die Anzahl seiner Stufen.
Alle Marketingvermittler einer Ebene, die mit ihrer Arbeit dazu beitragen, das Produkt und
die Eigentumsverhältnisse daran näher an den Verbraucher bzw. Anwender zu bringen, bil-
den eine Stufe des Distributionskanals, auch Handelsstufe genannt. Da auch der Produzent
und der Endkunde mit ihren Aktionen einen Beitrag leisten (zum Beispiel der Transport
nach Hause), sind sie Teile des Distributionskanals. Die Anzahl der Stufen gilt als Maß für
die Länge des Distributionskanals. Abbildung 12.3 A zeigt vier Distributionskanäle mit
jeweils unterschiedlicher Anzahl an Handelsstufen mit Endverbrauchern als Käufern.
Distributionskanal 1 in Abbildung 12.3 A ist ein Direktverkaufsweg eines Herstellers zum
Endverbraucher und hat keine Zwischenstufen. Dieses Modell finden wir bei Landwirten,
die direkt vom Hof verkaufen, aber auch bei Unternehmen wie Tupperware oder Avon, die
ihre Produkte nicht über den Handel, sondern über eine eigene Vertriebsorganisation bis hin
zum Endverbraucher bringen. Dies geschieht mittels Haustürgeschäften oder organisierten
Veranstaltungen im Haus des Kunden (z.B. Tupper-Partys). Auch der Verkauf von Ware per E-
Mail-Bestellung, übers Telefon oder die eigene Webseite bzw. eigene Onlineshops gehört in
diese Kategorie. Eine Universität kann Bildung bzw. Wissensinhalte direkt sowohl in Univer-
sitätseinrichtungen als auch per Fernstudium anbieten.

569
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12 Distribution und Logistik

Distributions-
Hersteller Endverbraucher
kanal 1:

Distributions-
Hersteller Einzelhandel Endverbraucher
kanal 2:

Distributions-
Hersteller Großhändler Einzelhandel Endverbraucher
kanal 3:

Distributions-
Hersteller Großhändler Provisionsvertreter Einzelhandel Endverbraucher
kanal 4:

A. Alternative Distributionskanäle bei Gütern für Endverbraucher

Unternehmen
Distributions- Hersteller
als Käufer
kanal 1:

Distributions- z.B. Vertrieb Unternehmen


Hersteller von Industrie-
kanal 2: spezialitäten als Käufer

Distributions- Werksvertretung, Unternehmen


Hersteller
kanal 3: Außendienst als Käufer

Distributions- Werksvertretung, z.B. Vertrieb Unternehmen


Hersteller von Industrie-
kanal 4: Außendienst spezialitäten als Käufer

B. Alternative Distributionskanäle bei Industriegütern


Abbildung 12.3: Distributionskanäle mit unterschiedlicher Anzahl an Stufen

Die übrigen Distributionssysteme in Abbildung 12.3 A sind indirekte Vertriebskanäle, die


einen oder mehrere Vermittler enthalten. Kanal 2 hat nur eine Zwischenstufe, bei Konsumgü-
tern in der Regel meistens der Einzelhandel. Hier findet man Produzenten, die direkt über
große Handelsorganisationen (Otto, Edeka, Karstadt, Metro, ALDI) absetzen. Kanal 3 weist
die Großhandels- und die Einzelhandelsstufe auf. Dies ist eine kostengünstige Konstellation
für kleinere Hersteller von Lebensmitteln, Medikamenten oder Haushaltswaren, die dadurch
ihre Vertriebsaktivitäten auf die Betreuung einiger weniger Großhändler beschränken kön-
nen. Kanal 4 hat drei Zwischenstufen. Derartige Systeme findet man teilweise im Bereich
Lebensmittel oder Fleischwaren, möglicherweise auch nur regional. Hier agiert zwischen
Großhandel und (kleinen) Einzelhändlern noch ein freier Handelsvertreter. Dieser Vertreter
beschafft bei den Großhändlern Waren und bringt sie zu den kleinen Einzelhändlern, die von
den Großhändlern nicht bedient werden und die häufig auch nicht die großen Packungsgrö-
ßen der Industrie abnehmen können.
In Abbildung 12.3 B werden einige verbreitete Distributionssysteme im Bereich der
Geschäftskunden dargestellt. Ein Anbieter von Industriegütern kann seine Produkte durch
eine eigene Außendienstorganisation an die Geschäftskunden vertreiben (Distributionskanal
1) oder an verschiedene Vermittler (z.B. spezialisierte Industriegroßhändler) verkaufen, die
wiederum an die Geschäftskunden weiterverkaufen (Distributionskanal 2). Der Hersteller
kann über ein System von Werksniederlassungen oder über freie Vertreter seiner Organisa-

570
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.4 Die Organisation eines Distributionssystems

tion direkt an die Geschäftskunden herantreten oder über dieses Netz den regionalen Groß-
handel betreuen (Distributionssysteme 3 und 4).
Sowohl bei Distributionskanälen zu Geschäftskunden als auch zu Endkunden hin lassen sich
weitere Stufen finden, diese sind jedoch nicht sehr häufig anzutreffen. Für den Anbieter gilt,
dass viele Handelsstufen seinen Einfluss mindern und eine höhere Komplexität des Distribu-
tionskanals mit sich bringen. Darüber hinaus sind alle Mitglieder eines Distributionssystems
über verschiedene Transferleistungen miteinander verbunden. Diese beinhalten:
 Transfer des physischen Produkts
 Übertragung des Eigentums
 Transfer von Geld oder Zahlungsmitteln
 Informationstransfer
 Kommunikationsaktivitäten
Wegen dieser zahlreichen Transferfunktionen können auch schon Distributionssysteme mit
nur einer oder zwei Stufen sehr komplex aufgebaut sein. Auf die verschiedenen Arten von
Vermittlern in einem Distributionskanal wird später noch detailliert eingegangen.

12.4 Die Organisation eines Distributionssystems


Distributionssysteme sind mehr als lediglich eine Aneinanderreihung von Unternehmen, die
nur durch Waren- oder Geldströme miteinander verbunden sind. Sie sind vielmehr Struktu-
ren, in denen Menschen und Unternehmen zusammenwirken, um persönliche Ziele, die
Ziele ihres Unternehmens und Ziele des gesamten Distributionskanals umzusetzen. Es exis-
tieren unterschiedliche Formen von Distributionssystemen. Einige bestehen as lose infor-
melle Absprachen und werden getragen durch eine gut eingespielte Zusammenarbeit zwi-
schen Unternehmen mit gleichgerichteten Interessen. Andere Distributionssysteme sind
straff organisiert und streng geführt. Bei der inneren und äußeren Ausprägung von Distributi-
onssystemen gibt es fortwährend Veränderungen. Die Entwicklungsdynamik des Handels
und der Märkte lässt laufend neue Formen und innere Strukturen von Distributionssystemen
entstehen.
Traditionellerweise waren Distributionskanäle eine lose Ansammlung von unabhängigen
Unternehmen, die jeweils wenig Interesse an der Leistungsstärke des gesamten Systems hat-
ten. In solch konventionellen Distributionskanälen waren Machtverhältnisse und Führer-
schaft nicht eindeutig definiert. Viele dieser Distributionssysteme litten unter dem Fehlen
von eindeutigen Kompetenzzuweisungen und Konfliktregelungsabläufen und waren daher
nicht sehr leistungsfähig. In den letzten Jahren haben sich jedoch neue Organisationsmodelle
entwickelt, die durch ein strafferes Management eine verbesserte Leistungsfähigkeit zum
Ergebnis haben. Eine der wichtigsten Innovationen ist die Entwicklung von vertikalen Mar-
ketingsystemen (siehe Abschnitt 12.4.4).

12.4.1 Vertikale Marketingsysteme


Damit der Vertrieb insgesamt gut funktioniert, müssen die Aufgaben jedes Akteurs genau
festgelegt und Konflikte innerhalb des Vertriebs geregelt werden. Mithilfe eines anderen
Unternehmens, einer Agentur oder einer anderen Einrichtung mit führender Funktion sowie
der Kompetenz zur Aufgabenverteilung und Konfliktregelung kann der Vertrieb erfolgreicher

571
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12 Distribution und Logistik

gestaltet werden. In der Vergangenheit fehlten den herkömmlichen Vertriebswegen derartige


Führungsfunktionen und Kompetenzen, was häufig zu Konflikten und schlechten Ergebnis-
sen führte. Eine der größten Entwicklungen der letzten Jahre, insbesondere auf dem riesigen
US-Markt, war das Aufkommen vertikaler Marketingsysteme, die über eine entsprechende
Führungsrolle im Vertrieb verfügen. Abbildung 12.4 stellt die beiden unterschiedlichen Ver-
triebsstrukturen gegenüber.
Ein konventionell organisierter Distributionskanal besteht aus voneinander in jeder Hinsicht
unabhängigen Produzenten, Großhändlern und Einzelhändlern. Jeder der Partner betreibt
seine eigenen Geschäfte und versucht, seine eigenen Gewinne zu maximieren, selbst wenn
das zulasten des Systems als Ganzes geht. Kein Teilnehmer dieser Struktur hat genug Autori-
tät, bei Konflikten regelnd und ausgleichend einzugreifen, keiner hat Macht über andere Teil-
nehmer, und es sind keine formalen Verfahren vereinbart, um Konflikte zu lösen und not-
wendige Aufgaben zuzuweisen. Um diese Defizite zu überwinden, hat man vertikale
Marketingsysteme (VMS) geschaffen.
Vertikale Marketingsysteme (VMS) Im Gegensatz zur Unabhängigkeit der Unternehmen in her-
kömmlich organisierten Distributionssystemen handeln Produzenten, Großhändler und Einzel-
händler in vertikalen Marketingsystemen als einheitliches System. Ein Mitglied dieses Distri-
butionskanals besitzt entweder die anderen oder hat Verträge mit ihnen oder übt so viel Macht
aus, dass alle kooperieren. Das VMS kann von einem Produzenten, von einem Großhändler
oder von einem der Einzelhändler beherrscht und geführt werden. Vertikale Marketingsysteme
wurden ins Leben gerufen, um die hinlänglich bekannten Schwächen der nur lose verbunde-
nen, konventionell organisierten Distributionssysteme auszugleichen. Skalenerträge und Syn-
ergieeffekte stellen sich bei den VMS durch reine Größe, eine erheblich verbesserte Verhand-
lungsposition und die Vermeidung doppelt und mehrfach geführter Aufgabenbereiche ein.

Herkömmlicher Vertikales
Distributionskanal Marketingsystem

Hersteller Hersteller
Großhändler

Großhändler

Einzelhändler Einzelhändler

End- End-
verbraucher verbraucher
Abbildung 12.4: Ein herkömmlich organisierter Distributionskanal und ein vertikales Marketingsystem im Vergleich

In den folgenden Abschnitten und in Abbildung 12.5 werden die wichtigsten Arten von VMS
vorgestellt.

572
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12.4 Die Organisation eines Distributionssystems

Vertikales
Marketingsystem
(VMS)

Unternehmens- Vertraglich Informelles


bestimmtes vereinbartes De-facto-
VMS VMS VMS

Einzelhandels-
Von Großhändlern
zusammenschlüsse, Franchise-
initiierte freiwillige
Einkaufs- Systeme
Zusammenschlüsse
kooperationen

Herstellerinitiiertes Herstellerinitiiertes
Franchise-System
Franchise-System Franchise-System
im Dienstleistungs-
auf der Einzel- mit Groß- und
sektor
handelsstufe Einzelhandelsstufe

Abbildung 12.5: Typologie der wichtigsten vertikalen Marketingsysteme

Unternehmenseigene vertikale Marketingsysteme


Beim unternehmensbestimmten vertikalen Marketingsystem werden Abstimmung, Koordi-
nation und Konfliktbewältigung durch gemeinsames Eigentum an den Unternehmen auf den
verschiedenen Ebenen des Distributionskanals erreicht. Ein Beispiel, wie die Steuerung und
Kontrolle eines derartigen Distributionskanals aussehen kann, ist der Vertrieb von Benzin
und Dieselkraftstoff über Tankstellen, deren Eigentümer die jeweilige Mineralölgesellschaft
ist. Gaststätten wie das „Hofbräuhaus“, die einer Brauerei gehören und in denen nur das
eigene Bier ausgeschenkt werden darf, sind ein weiteres Beispiel. Im Bereich der Mode hat
die Integration der gesamten Vertriebskette – von den eigenen Design- und Produktionspro-
zessen bis zum Vertrieb über die eigenen Filialen – die spanische Einzelhandelskette Zara zu
einem der am schnellsten wachsenden Modehändler der Welt gemacht.1

1 Siehe „Fashion forward; Inditex“, The Economist, 24. März 2012, S. 63–64; Susan Berfield, „Zara’s
fast-fashion edge“, Bloomberg Businessweek, 14. November 2013, www.businessweek.com/articles/
2013–11–14/2014-outlook-zaras-fashion-supply-chainedge sowie Informationen des Inditex Press
Dossier, www.inditex.com/en/press/information/press_kit, Zugriff September 2014.

573
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12 Distribution und Logistik

Vertraglich vereinbarte vertikale Marketingsysteme


In vertragsbestimmten vertikalen Marketingsystemen haben sich voneinander unabhängige
Organisationen aus verschiedenen Ebenen von Produktion und Absatz vertraglich aneinan-
der gebunden, um gemeinsam mehr Kostenersparnis und mehr Einfluss auf den Absatz zu
erreichen, als jeder der Partner es allein könnte. Koordination und Konfliktbewältigung wer-
den vor allem durch den vertraglichen Rahmen der Zusammenarbeit gewährleistet. Es gibt
drei Formen vertragsbestimmter vertikaler Marketingsysteme:
Von Großhändlern initiierte freiwillige Zusammenschlüsse In diesem VMS organisieren
Großhändler freiwillige Zusammenschlüsse mit unabhängigen Einzelhändlern, damit diese
mit großen Einzelhandelsketten konkurrieren können. Der Großhändler entwickelt ein Pro-
gramm, das die Verkaufsmethoden der unabhängigen Einzelhändler standardisiert und zu
Kostenersparnissen führt. Dadurch kann die gesamte Gruppe wirksam mit den großen Ein-
zelhandelsketten konkurrieren.
Einzelhandelszusammenschlüsse Eine Gruppe unabhängiger Einzelhändler schließt sich in
einem vertraglich geregelten VMS zusammen, um gemeinsam Teilfunktionen des Großhan-
dels durchzuführen oder den gesamten Aufgabenbereich des Großhandels zu übernehmen.
Das Schweizer Unternehmen Migros hat beispielsweise Dutzende Kooperationspartner, mit
denen es gemeinsam Einkäufe und Verkaufsförderungsmaßnahmen durchführt und dadurch
erhebliche Einsparungen erzielt. Zu diesem Zweck werden entsprechende Marketingverein-
barungen getroffen. Die Mitglieder kaufen ihre Waren über die Einzelhandelsgenossenschaft
und entwerfen ihre Werbung gemeinsam. Gewinne werden den Mitgliedern proportional zu
ihrem Einkaufsvolumen zurückgegeben.
Franchising ist das am häufigsten anzutreffende vertraglich geregelte VMS. Daher soll hier-
auf gesondert eingegangen werden.

Exkurs: Das Franchising – ein weitverbreiteter Typ vertikaler


Marketingsysteme

Das Franchising hat in den letzten Jahrzehnten ganz enorm an Bedeutung gewonnen.
Franchising beruht darauf, dass ein oder mehrere Unternehmen das Recht erwerben,
eine Marke, Know-how etc. eines anderen Unternehmens (des Franchise-Gebers) zu ver-
treiben. Der Franchise-Geber ist in der Regel das bestimmende Unternehmen im System
und verbindet durch seine Tätigkeit mehrere Stufen des Distributionskanals miteinan-
der. Normalerweise stellt der Franchise-Geber dem Franchise-Nehmer eine Markeniden-
tität und ein junges Unternehmen unterstützt ihn im Marketing und der Buchhaltung
und bietet das entsprechende Management-Know-how. Im Gegenzug erhält der Fran-
chise-Geber eine Art Vergütung, z.B. eine Anfangsgebühr und eine regelmäßige Lizenz-
gebühr, Ausleihgebühren für die erforderliche Ausrüstung und einen Gewinnanteil. Die
Bekleidungsgruppe Esprit ist beispielsweise nach einem stromlinienförmigen Distribu-
tionsmodell aufgebaut: Das Unternehmen kauft seine Ware von externen Lieferanten in
China und verkauft sie an Franchise-Nehmer in seinen Zielmärkten in ganz Europa, den
USA und Asien. Auf diese Weise minimiert es seine eigenen Betriebskosten.

574
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12.4 Die Organisation eines Distributionssystems

Fast alle Branchen haben in den letzten Jahren die Einführung großer Franchise-Sys-
teme gesehen – Hotels (Holiday Inn), Mode (Esprit, Benetton), Systemgastronomie (Sub-
way, Coffee Fellows, McDonald’s), Baumärkte (Obi), Friseursalons (Klipp in Österreich),
Diskotheken (Pacha), Getränkehersteller (Coca-Cola), Reisebüros (Lufthansa City Cen-
ter), Fotogeschäfte (Photo-Porst), Augenoptikergeschäfte (Fielmann teilweise), Fitness-
zentren (clever fit), Autovermietungen (Avis, Hertz) und Beerdigungsinstitute (Novis).
Obwohl die Grundidee schon alt ist, sind einige Formen des Franchisings ziemlich neu.

Drei Grundtypen des Franchisings


Beim Franchising lassen sich drei Grundtypen erkennen:
Herstellergeführtes Einzelhändler-Franchising Die erste Form ist das herstellergeführte
Einzelhändler-Franchising: Automobilhersteller übertragen den Vertrieb ihrer Automo-
bile an regionale Händlerbetriebe. Die Händler sind unabhängige Geschäftsleute, die der
Einhaltung bestimmter Vorgaben in Bezug auf Vertrieb und Service, wie äußere Gestal-
tung der Betriebe, Bereithalten einer Werkstatt-Infrastruktur usw., zustimmen. Diese
Form des Franchisings wird z.B. bei BMW oder auch beim Ölkonzern Shell eingesetzt.
Herstellergeführtes Großhändler-Franchising Die zweite Form ist das herstellerge-
führte Großhändler-Franchising. Bei diesem Franchise-System beliefert der Hersteller
die Großhandelsstufen mit Material, maschineller Ausrüstung und mit Fach- und
Methodenwissen (Know-how), damit der jeweilige Großhändler vor Ort das Produkt fer-
tigstellen und dann an die Einzelhandelsstufe vertreiben kann. Ein derartiges System
betreibt z.B. Coca-Cola: Die jeweilige nationale Zentrale liefert das Sirupkonzentrat an
regional tätige Abfüllbetriebe, unterstützt diese Unternehmen bei der Planung und Ein-
richtung ihrer Fertigungsstraßen und Flaschenwaschanlagen. Der Abfüllbetrieb produ-
ziert das Getränk in der Form, wie es vom Endverbraucher beziehungsweise als Vorleis-
tung der Produktion (Gastronomie, Getränkeautomaten, Schulen, Krankenhäuser)
konsumiert oder verwendet wird.
Dienstleistungs-Franchising auf Einzelhandelsstufe Als dritte Form des Franchisings ist
das Dienstleistungs-Franchising anzusehen, bei dem ein Dienstleistungsanbieter Lizen-
zen an Einzelhändler vergibt, um die Dienstleistung für den Kunden zu erbringen.
Wenn ein Dienstleistungsunternehmen sich Know-how in einer bestimmten Branche
erarbeitet hat und damit erfolgreich ist (Beispiel: Systemgastronomie/McDonald’s), bie-
tet es sich an, über die eigenen Betriebe hinaus das Fach- und Methodenwissen sowie
die eingespielten Beschaffungskanäle zu nutzen. Dieses wird daher gegen Zahlung einer
Franchise-Gebühr interessierten Partnern angeboten. Die Werbung wird überregional
durchgeführt, die Ausgaben hierfür über eine Umlage von allen Partnern getragen. Bei-
spiele für dieses Konzept gibt es im Bereich der Autovermietung (Hertz, Avis, Europcar)
und in der Hotelbranche (Holiday Inn, Ramada).
Warum hat sich das Franchising als so erfolgreich erwiesen? Ein wesentlicher Grund
sind sicherlich die Vorteile sowohl für den Franchise-Geber als auch für den Franchise-
Nehmer (siehe dazu Tabelle 12.1).

575
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12 Distribution und Logistik

Vorteile für den Franchise-Geber Vorteile für den Franchise-Nehmer


Dem Franchise-Geber steht ein schnelles und leis- Dem Franchise-Nehmer, der vor Ort für eine funktio-
tungsfähiges Distributionssystem bis hin zum Ver- nierende Distributionsstruktur verantwortlich ist,
braucher zur Verfügung, obwohl sein steht ein hochwertiges Produkt, dazu uneinge-
unternehmerisches Engagement (Kapital, Personal, schränktes Fach- und Methodenwissen („Know-
Anlagen) nur bis zur Übergabe an den Franchise- how“) zur Verfügung.
Nehmer erforderlich ist. Durch den Anschluss an ein leistungsfähiges natio-
Neueinführung oder Expansion des Systems gehen nales oder internationales Franchising-System
schneller vonstatten, als wenn das Unternehmen das erfährt er u.U. eine günstigere Beurteilung durch
ganze System allein aufbauen müsste. Banken.
Ab Übergabe an den Franchise-Nehmer bedarf es
nur noch des dispositiven Einflusses und der Len-
kung entsprechend den Verträgen. Die vertraglich
geregelten Beziehungen sichern, dass der Franchise-
Nehmer die Standards und Vorgaben des Franchise-
Gebers einhält.
Die Franchise-Nehmer, die als selbstständige Unter- Die Franchise-Nehmer haben mehr Freiheit und mehr
nehmer agieren, sind hoch motiviert, da sie für sich Gestaltungsmöglichkeiten als angestellte Mitarbei-
selbst und nicht für das Gehalt eines Angestellten ter.
arbeiten.
Das unternehmerische Risiko des Franchise-Nehmers
ist geringer als bei unabhängigen Neugründungen,
weil er in bewährte Systeme eintritt, wenn er eine
etablierte Marke vertreibt (z.B. Esprit, McDonald’s,
Shell, The Body Shop).
Durch die Belieferung der Franchise-Nehmer und die Durch gemeinsamen Einkauf aller Teilnehmer des
damit verbundenen großen Mengen entsteht Markt- Franchise-Systems profitiert der Franchise-Nehmer
macht beim Einkauf (Material, aber auch Werbung, von Einkaufs- und Kostenvorteilen.
IT, Fahrzeuge usw.).
Durch die Größe des Systems können Zentralabtei- Vom ersten Augenblick des Anschlusses an das Sys-
lungen und Unternehmensberatungsabteilungen tem stehen die Erfahrungen aller Systemteilnehmer
eingerichtet und kostengünstig allen Teilnehmern zur und der Franchising-Zentrale zur Verfügung.
Verfügung gestellt werden (Beispiele: Marketing und
Werbung, Architekten, IT, Betriebsberatung, Zertifi-
zierungen, Rechts- und Vertragsabteilung, Mitarbei-
terschulung).
Tabelle 12.1: Vorteile für Franchise-Geber und Franchise-Nehmer

Dennoch haben auch Franchise-Systeme Schwachstellen. Die Franchise-Nehmer leiden


unter Defiziten bei den Franchise-Gebern ebenso, wie Franchise-Geber von Mängeln bei
den Franchise-Nehmern betroffen sind.

576
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12.4 Die Organisation eines Distributionssystems

Schwachstellen beim Franchise-Nehmer Schwachstellen beim Franchise-Geber


zulasten des Franchise-Gebers zulasten der Franchise-Nehmers
Gegenüber einem unternehmenseigenen System Mit einem Franchise-Geber, der ein schlechtes Pro-
kann der Franchise-Geber weniger Kontrolle und Ein- dukt oder unzureichende Unterstützung anbietet,
fluss ausüben. An der Peripherie des Systems, an der kann ein leistungsfähiger und leistungswilliger Fran-
Schaltstelle zum Kunden repräsentiert der Franchise- chise-Nehmer sein eingebrachtes Potenzial nicht
Nehmer das System. ausschöpfen.
Wenn manche Franchise-Nehmer die Vorgaben in Pannen und Schwierigkeiten im System, bei einem
Bezug auf Qualität, Zuverlässigkeit, Sauberkeit und globalen System selbst bei weit entfernten Fran-
Hygiene usw. nicht einhalten, fällt dies auf das ganze chise-Nehmern, fallen auf alle Systemangehörigen
System zurück und schadet dem Markennamen. zurück und belasten auch korrekt arbeitende Fran-
chise-Nehmer.
Franchise-Geber sind dem Risiko unseriöser Fran- Franchise-Nehmer machen nicht immer ein gutes
chise-Nehmer ausgesetzt, die mittels des Rufs des Geschäft. Gelegentlich sind die Absatzziele zu hoch
Franchise-Gebers lediglich Aufträge erhalten wol- gesetzt, die Umlagen in Relation zu den Erträgen zu
len, um diese dann den Kunden gegenüber überhöht hoch oder, bei Franchise-Neugründungen, hat das
abzurechnen. Ebenfalls nicht im Sinne des Franchise- Konzept insgesamt nicht den erwarteten Erfolg.
Gebers sind die Fremdnutzung überlassener Geräte Ein anderer Problembereich ist die zu starke finanzi-
und Anlagen oder der Bezug und Weiterverkauf von elle Belastung des Franchise-Nehmers durch den
Fremdware durch den Franchise-Nehmer oder ähnli- Franchise-Geber. Beispielsweise erhebt der Fran-
che Umgehungen des Franchise-Vertrags (konkret: chise-Geber für die Lizenz und Beratung des Betriebs
Getränke anderer Hersteller in der Coca-Cola-Ver- sehr hohe Gebühren. In manchen Fällen fordert der
kaufsvitrine, herstellerfremdes Eis in der Tiefkühlt- Franchise-Geber darüber hinaus, dass alle Mitarbei-
ruhe eines Eisherstellers, Verkauf von Re- ter, auch diejenigen, die bereits eingewiesen sind
Importfahrzeugen, nachdem ein Autohersteller eine und ihr Handwerk beherrschen, teure Seminare und
Werkstatteinrichtung eines Händlers subventioniert Schulungen besuchen.
hat usw.).
Tabelle 12.2: Die Auswirkungen von Schwachstellen bei Franchise-Gebern und Franchise-Nehmern auf die jeweils
anderen Partner des Systems

Die meisten Verbraucher kennen den Unterschied zwischen unternehmensbestimmten


und vertragsbestimmten vertikalen Marketingsystemen, den Franchise-Systemen, gar
nicht und halten zum Beispiel auch McDonald’s oder Coca-Cola für ein Markenprodukt
aus einem Gesamtunternehmen „McDonald’s“ bzw. „Coca-Cola“. Dies spricht eigentlich
für das Funktionieren dieser Systeme und zeigt, wie leistungsfähig die vertragsbestimm-
ten Systeme sind.

Gelenkte vertikale Marketingsysteme


In einem gelenkten VMS werden aufeinanderfolgende Stufen der Produktion und Distribu-
tion nicht durch gemeinschaftlichen Besitz oder vertragliche Bindungen, sondern durch die
Größe und Macht eines oder weniger dominanter Mitglieder des Distributionskanals koordi-
niert. Die Hersteller von führenden Marken haben eine so starke Position, dass die Branche
mit ihnen kooperiert und Händler sie unterstützen. Im Markt für schnell drehende Konsum-
güter können Unternehmen wie Nestlé, Unilever und Procter & Gamble beispielsweise eine
ungewöhnlich hohe Kooperation der Händler in Bezug auf die Darstellung, die Regalplatzie-
rung, Verkaufsförderung und Preispolitik fordern. In der Unterhaltungselektronikbranche

577
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik

erhält z.B. Samsung von den Einzelhandelsgeschäften große Unterstützung für die stark
nachgefragte Marke. Gleichermaßen können große Handelsunternehmen wie IKEA oder Wal-
mart großen Einfluss auf die Hersteller, die ihre Waren produzieren, ausüben.
Innerhalb von vier Jahrzehnten wuchs die schwedische Möbelhausgruppe IKEA von einem
einzigen Geschäft in den schwedischen Hinterwäldern zu einem der größten und erfolg-
reichsten internationalen Handelsunternehmen der Welt. Traditionell war der Markt für
Möbel aufgeteilt zwischen Kaufhäusern und kleinen Läden in Familienbesitz. Alle verkauf-
ten teure Produkte und lieferten erst zwei oder drei Monate nach der Bestellung des Kunden
aus. IKEA jedoch verkauft den Großteil seiner Möbel in zerlegten Bauteilen, die die Kunden
mit nach Hause nehmen und selbst zusammenbauen können. IKEA reduziert zwar die Kos-
ten auf ein Minimum, bietet aber dennoch Produkte an, die langlebig sind und sich durch
außergewöhnliches Design unterscheiden. Dies wird durch die globale Beschaffung und die
Zusammenarbeit mit ausgewählten Lieferanten auf der ganzen Welt, die Rohmaterialien
hoher Qualität zu günstigen Preisen liefern können, ermöglicht. Im Gegenzug erhalten die
Lieferanten technische Beratung und geleaste Anlagen von IKEA. Auch die Designer von
IKEA arbeiten eng mit den Herstellern zusammen, um von Anfang an intelligente Lösungen
zur Reduktion der Produktionskosten zu finden. Weitere Ersparnisse können durch enorme
Größenvorteile, die aufgrund des weltweiten Verkaufs der gleichen Möbelstücke und durch
günstige Standorte außerhalb der Stadt entstehen, erzielt werden. Der Erfolg von IKEA
bedeutet auch Erfolg für seine Lieferanten. Diese müssen allerdings gemäß den Bedingungen
von IKEA arbeiten und es der globalen Firma ermöglichen, ihr Versprechen gegenüber Kun-
den auf der ganzen Welt bezüglich qualitativ hochwertiger Ware zu niedrigen Preisen zu
erfüllen.

12.4.2 Horizontale Marketingsysteme


Eine weitere Entwicklung sind horizontale Marketingsysteme, hier nutzen zwei Unterneh-
men der gleichen Handelsstufe gemeinsam Marktchancen. Indem sie ihr Kapital, ihre Pro-
duktionskapazitäten oder Marketingressourcen vereinen, können die beiden Unternehmen
gemeinsam mehr erreichen (= Synergieeffekt), als sie bei getrenntem Vorgehen insgesamt
erreichen könnten.
Unternehmen können ihre Kräfte mit Wettbewerbern und Nichtwettbewerbern bündeln. Dies
kann temporär oder dauerhaft erfolgen, bis hin zur Gründung eines neuen Unternehmens.
McDonald’s baut beispielsweise „Express“-Versionen seiner Restaurants in Walmart-
Geschäfte. Damit profitiert McDonald’s von der Kundschaft von Walmart, und Walmart muss
andererseits nicht auf seine hungrigen Kunden verzichten, die sonst woanders gegessen hät-
ten. Zudem hat McDonald’s sich mit dem Unternehmen Sinopec zusammengetan, Chinas
größtem Kraftstoffhändler. McDonald’s stattet viele der 30.000 Tankstellen mit seinen Restau-
rants aus. Dieser Schritt beschleunigt die Ausbreitung von McDonald’s in China beachtlich –
und zieht gleichzeitig hungrige Verkehrsteilnehmer an Sinopec-Tankstellen.
Nestlé und Coca-Cola haben eine Gesellschaft gegründet, um gemeinsam trinkfertigen Kaffee
und Tee zu vermarkten. Coca-Cola brachte umfassende Erfahrung in Marketing und Distribu-
tion von Getränken ein, Nestlé brachte zwei große Markennamen ein – Nescafé und Nestea.

578
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12.4 Die Organisation eines Distributionssystems

12.4.3 Multikanal-Marketingsysteme oder Hybrid-Marketingsysteme


In der Vergangenheit haben sich viele Hersteller auf einen Distributionskanal beschränkt und
einen Markt oder ein Marktsegment bedient. Mit der Vielfalt der heutigen Marktsegmente
und Distributionskanalvarianten haben sich mehr und mehr Unternehmen dazu entschlos-
sen, mehrere Distributionskanäle simultan zu bedienen. Solche Distributionssysteme werden
Multikanal-Marketingsysteme oder Hybrid-Marketingsysteme genannt. Sie entstehen, wenn
ein Unternehmen zwei oder mehr Distributionskanäle aufbaut, um ein oder mehrere Kun-
densegmente zu erreichen.

Direktversand Produzent – Verbraucher Marktsegment 1


Endverbraucher

Vertrags- Marktsegment 2
händler Endverbraucher

Produzent

Großhandel Fachhändler Marktsegment 3


Geschäftskunde

werkseigener Außendienst Marktsegment 4


Geschäftskunde

Abbildung 12.6: Multikanal-Marketingsystem – unterschiedliche Distributionssysteme für verschiedene Marktsegmente

In Abbildung 12.6 ist ein derartiges Multikanal-Marketingsystem abgebildet. Der Produzent


verkauft über Kataloge und das Internet direkt an die Kunden des Marktsegments 1. Die Kun-
den des Marktsegments 2 erreicht er über Einzel- bzw. Vertragshändler. Er verkauft an seine
Geschäftskunden des Marktsegments 3 indirekt über Groß- und Einzelhändler, während er
die Geschäftskunden des Marktsegments 4 durch den werkseigenen Außendienst betreut.
Die Einrichtung eines Multikanal-Marketingsystems bringt viele Vorteile für ein Unterneh-
men, das große und komplexe Märkte zu bedienen hat. Mit jedem neuen Vertriebskanal stei-
gen die Aussichten, Absatz und Marktabdeckung zu vergrößern sowie die Möglichkeiten, die
besonderen Bedürfnisse einer Zielgruppe mit den angebotenen Produkten und Dienstleistun-
gen und ihrer Bereitstellung genauer anpeilen und treffen zu können. Allerdings sind derart
komplexe Systeme schwerer zu steuern und zu überwachen, und es kann häufiger zu Kon-
flikten kommen, weil möglicherweise mehrere Kanäle um die gleichen Interessenten konkur-
rieren.
Will man mit diesem Konzept erfolgreich sein, muss man die Konflikte zwischen den einzel-
nen Vertriebskanälen durch saubere und eindeutige Definitionen von Aufgaben und Ziel-
gruppen minimieren und zudem durch höchste Qualität, durch erstklassiges Design und
große Anstrengungen im Bereich der Marketingkommunikation Marke und Produkt heraus-
ragend positionieren.

579
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12 Distribution und Logistik

„Disintermediation“ – das Vertriebssystem verändern


Die Innovationen im Bereich der Digitalisierung und das explosive Wachstum von Direkt-
marketing und Onlinemarketing haben einen tief greifenden Einfluss auf die Landschaft der
Distributionskanäle. Ein ganz wesentlicher Trend ist der Rückzug von Anbietern aus lange
etablierten Distributionsstrukturen und die Neugestaltung der Absatzkanäle unter Nutzung
der Möglichkeiten des E-Business.
Im englischen Sprachraum wird für dieses Vorgehen der Begriff Disintermediation verwen-
det. Darunter versteht man das Übergehen und bewusste Eliminieren bisher vorhandener
Stufen im Distributionskanal, um die Kunden direkt anzusprechen. Dabei werden auch lang-
fristig etablierte und gut eingespielte Beziehungen geopfert und durch neue Formen von Ver-
mittlern ersetzt.
So werden in vielen Branchen die herkömmlichen Absatzmittler zunehmend überflüssig.
Online-Dienste für Musik-Downloads zum Beispiel, wie iTunes und Amazon MP3, haben tra-
ditionelle Musikhändler weitgehend aus dem Geschäft verdrängt. Tatsächlich mussten viele
einst sehr erfolgreiche Händler wie Tower Records Insolvenz anmelden und ihre Türen für
immer schließen. Dafür schaffen Musik-Streamingdienste wie Spotify und Vevo heute nun
die digitalen Download-Dienste ab – während diese im letzten Jahr ihren Höchststand
erreichten, konnte Musik-Streaming um 32 Prozent zulegen. Ähnlich hat auch Amazon.com
den traditionellen Buchhandel weltweit ins Chaos gestürzt. Außerdem hat der wachsende
reine Online-Händler die höchst erfolgreichen, großen Handelsketten gezwungen, ihre
Geschäftsmodelle gründlich zu überdenken. Tatsächlich bezweifeln viele Experten, ob die
traditionellen Geschäfte langfristig gegen die Konkurrenz im Bereich Elektronik sowie Com-
puter-Hard- und -Software bestehen können, da Online-Marketer dem stationären Handel
immer mehr Umsatz streitig machen.2
Auch die Billig-Airlines wie Ryanair in Europa und Southwest Airlines in den USA verkau-
fen ihre Tickets direkt an den Endkunden, dadurch entfallen insgesamt die Kosten für Reise-
agenturen in den Vertriebskanälen. In immer mehr Fällen werden die traditionellen Absatz-
mittler von neuen Formen des Wiederverkaufs verdrängt. Kunden können ihre Hotelzimmer
und Flugtickets direkt bei Expedia.com und Travelocity.com buchen; Elektronikbedarf ist bei
eBuyer.com erhältlich; Kleidung und Accessoires bei Asos.com; Haushaltsgeräte bei AO.com
und Bücher, Videos, Spielzeug, Schmuck, Sportartikel, Unterhaltungselektronik, Heim- und
Gartenartikel, ja so ziemlich alles gibt es bei Amazon.com – und für all das muss man nicht
einmal einen Fuß vor die Tür setzen.
Disintermediation stellt einerseits ein Problem, andererseits aber auch neue Gelegenheiten
für Anbieter und die bisherigen Vermittler dar. Wer nicht überflüssig werden möchte, muss
als Händler neue Wege finden, Wertschöpfung innerhalb der Supply Chains anzubieten. Um
konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen neue
Vertriebskanäle anbieten. Ohne Internet und Direktkontakt würde ein Teil der Kunden verlo-
ren gehen. Andererseits bedeuten diese neuen Kanäle Konkurrenz für die etablierten, sodass
der Konflikt mit ihnen nicht ausbleiben kann.

2 Zu weiteren Informationen zum Thema siehe Eleazar David Melendez, „Best buy is still alive, but
how?“, Huffington Post, 20. August 2014, www.huffingtonpost.com/2013/08/20/best-buy-turna-
round_n_3786695.html; Matthew Yglesias, „Best buy ‘still basically sucks despite successful turna-
round“, Huffington Post, 9. September 2013, www.huffingtonpost.com/2013/09/20/best-buy-
turnaround_n_3962408.html sowie Steve Knopper, „Beats enters streaming wars“, Rolling Stone, 13.
Februar 2014, S. 15.

580
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12.4 Die Organisation eines Distributionssystems

Um dieses Problem zu lösen, versuchen viele Unternehmen, den gesamten Distributionska-


nal zu optimieren. Black&Decker weiß beispielsweise, dass zahlreiche Kunden seine Elektro-
werkzeuge gern über das Internet kaufen würden. Aber der direkte Verkauf über das Internet
würde zu Konflikten mit wichtigen Einzelhandelspartnern führen. Aus diesem Grund stellt
Black&Decker auf seiner Homepage zwar detaillierte Informationen über seine Produkte dar,
der Interessent kann jedoch weder einen Akkubohrschrauber, Winkelschleifer, Laubsauger
noch irgendetwas anderes kaufen. Dafür verweist Black&Decker den Kunden auf die Websei-
ten und Verkaufsstätten der Händler.

12.4.4 Aufgaben und Ziele der Mitglieder eines Distributionskanals


Ein Distributionskanal besteht aus ganz unterschiedlichen Unternehmen, die voneinander
abhängig sind und ein gemeinsames Ziel verfolgen. Ein Händler, der die Marke Volvo führt,
ist davon abhängig, dass der Hersteller Volvo Automobile entwickelt und anbietet, die den
Wünschen, Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten seiner Kunden entsprechen. Ande-
rerseits ist der Hersteller Volvo davon abhängig, dass seine Händler Kunden gewinnen, diese
davon überzeugen, einen Volvo zu kaufen und dann diese Autos der Kunden warten, pflegen
und instand setzen. Der einzelne Volvo-Händler ist auch von der Gesamtheit aller Volvo-
Händler abhängig, dass diese gute Verkaufs- und Kundendienstleistungen erbringen, sodass
die Marke Volvo hohes Ansehen genießt und die Händler ebenso wie die Marke einen guten
Ruf aufrechterhalten. In der Tat wird der Erfolg jedes einzelnen Volvo-Händlers davon
abhängen, wie weit der gesamte Distributionskanal von Volvo (das heißt das gesamte Ver-
triebssystem der Marke Volvo) mit den Distributionssystemen anderer Automobilhersteller
konkurrieren kann.
Jedes Mitglied in einem derartigen Distributionskanal bekommt eine Rolle zugewiesen und
spezialisiert sich darauf, eine oder mehrere Aufgaben auszufüllen.
Der Hersteller Seine Aufgabe ist es, attraktive Produkte zu entwickeln und herzustellen. Wei-
terhin sollten kommunikative Maßnahmen national und international derart eingesetzt wer-
den, dass eine möglichst hohe Nachfrage entsteht.
Der Handel Aufgabe des Handels ist es, an die Kommunikation des Herstellers anzuknüpfen
und die Produkte so zu präsentieren, dass die Interessenten zum Kauf animiert werden. Wei-
terhin soll der Handel gewisse Bestände an Produkten vorrätig haben, damit er Kunden mit
sofortigem Kaufwunsch bedienen kann. Zu den Aufgaben des Handels zählen auch die
Beantwortung von Fragen seitens des Interessenten, der Abschluss von Geschäften und die
Erbringung bestimmter Kundendienstleistungen.
Ein Distributionskanal wird dann am besten funktionieren, wenn jedes Mitglied die Aufgabe
zugewiesen bekommt, die es am besten erfüllen kann. In der Regel hat jedes Mitglied eines
Distributionskanals so viel Erfolg wie der Kanal als Ganzes. Alle Unternehmen in einem Dis-
tributionskanal sollten deshalb ihre Rolle verstehen und akzeptieren, möglichst reibungslos
zusammenarbeiten und ihre Aktivitäten koordinieren und miteinander kooperieren, um die
Ziele des gesamten Kanals zu erreichen.

Konfliktpotenziale in Distributionssystemen
Leider haben in der Regel nicht alle Angehörigen eines Distributionskanals eine derart
umfassende Sicht der Dinge. Normalerweise sind sie eher auf ihre eigenen kurzfristigen Inte-
ressen fixiert und auf die Beziehungen mit den Partnern unmittelbar vor ihnen und nach
ihnen innerhalb des Systems. Eine Kooperation, um die globalen Ziele zu erreichen, kann im

581
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12 Distribution und Logistik

Einzelfall bedeuten, dass man bei den eigenen Unternehmenszielen etwas zurückstecken
muss. Obwohl die Mitglieder eines Distributionskanals aufeinander angewiesen sind, han-
deln sie manchmal im Alleingang. Sie sind häufig uneinig darüber, wer welche Rolle einneh-
men und welche Leistungen erbringen soll und wie diese vergütet werden sollen. Diese Aus-
einandersetzungen über Ziele und Rollen können ernste Konflikte innerhalb eines
Distributionskanals hervorrufen. Sie können auf zwei Ebenen entstehen.
Horizontale Konflikte Unter einem horizontalen Konflikt in einem Distributionskanal ver-
steht man, dass sich zwei oder mehrere Unternehmen derselben Stufe im Konflikt miteinan-
der befinden. Händler beschweren sich beispielsweise über andere Händler aus der gleichen
Stadt oder Region, dass diese ihnen Umsätze wegnehmen, indem sie eine aggressive Preis-
und Kommunikationspolitik betreiben oder über die abgesprochenen und ihnen zugewiese-
nen territorialen Grenzen hinaus Geschäfte machen. Derartige Konflikte treten immer wieder
bei Händlern hochwertiger langlebiger Konsumgüter auf, wenn es keine Exklusiv-Verkaufs-
rechte gibt.
Vertikale Konflikte Vertikale Konflikte in den Distributionssystemen sind fast noch häufiger
anzutreffen. Dabei handelt es sich um Konflikte zwischen den aufeinanderfolgenden Stufen
innerhalb der Distributionssysteme. Die Hersteller von Computern gerieten z.B. in Konflikt
mit ihren stationären Händlern, als sie anfingen, ihre Produkte online direkt an den Kunden
zu verkaufen. Um den Konflikt zu lösen, mussten die Hersteller Informationskampagnen
durchführen, die ihren Händlern zeigten, dass die Bemühungen im Internet die stationäre
Geschäftstätigkeit sogar unterstützen, anstatt ihren Absatz zu bedrohen.
Einige Konflikte in den Distributionssystemen sind zu begrüßen, fördern sie doch einen
gesunden Wettbewerb. Eine gewisse Rivalität hindert die Mitglieder eines Distributionska-
nals daran, passiv und träge zu werden, sie fördert die Suche nach stetiger Innovation. Erns-
tere Konflikte können dem Distributionskanal jedoch Schaden zufügen, denn die Effektivität
des Kanals leidet darunter und die Beziehungen zwischen den Mitgliedern werden dauerhaft
gestört.
Wenn ein Distributionskanal als Ganzes richtig funktionieren soll, sollte die Rolle jedes Mit-
glieds klar definiert und festgelegt sein. Treten Konflikte auf, müssen sie schnellstmöglich
geregelt und aufgelöst werden. Kooperation, Funktionserfüllung und Konfliktbewältigung
können durch entschlossene und starke Führung erreicht werden. Ein Distributionskanal als
Ganzes wird dann besser funktionieren, wenn ein Organisationsteilnehmer, in der Regel ein
Unternehmen oder eine staatliche Dienststelle, in der Lage ist, eine Führungsrolle auszufül-
len, und die Autorität hat, Konflikte zu regeln und Aufgaben eindeutig zuzuweisen.

12.5 Das Distributionssystem gestalten


Im Folgenden diskutieren wir Entscheidungen, die Hersteller bei der Gestaltung ihrer Ver-
triebs- und Distributionssysteme zu treffen haben. Die Gestaltung von Vertriebskanälen
bedeutet meist, dass ein Mittelweg zwischen dem, was wünschenswert und ideal wäre, und
dem, was mit den vorhandenen Ressourcen machbar ist, gefunden werden muss.
Ein junges Unternehmen beginnt meist mit dem Absatz auf einem regional begrenzten Markt.
Das Problem besteht hier nicht darin, zwischen verschiedenen Distributionskanälen die bes-
ten auszuwählen, sondern darin, einige gute Vermittler zu überzeugen, die neuen Produkte
überhaupt in ihr Sortiment aufzunehmen.

582
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12.5 Das Distributionssystem gestalten

Wenn das neue Unternehmen erfolgreich ist, wird es die Erschließung weiterer Märkte
anstreben. Auf kleineren Märkten kann es vielleicht direkt an Einzelhändler verkaufen. Auf
größeren Märkten wird es sich vermutlich die bestehende Struktur der Großhandelsunter-
nehmen zunutze machen. Für regionale Teilmärkte wird man möglicherweise einen exklusi-
ven Franchise-Vertrag abschließen. In einigen Ländern könnten beispielsweise internationale
Verkaufsagenten eingesetzt werden, in anderen Ländern werden Partnerschaften mit lokalen
Unternehmen geschlossen. Eine weitere Option ist die Einrichtung eines Onlineshops, um
Kunden, die nur schwer erreicht werden können, zu bedienen. Auf diese Weise entstehen
Distributionssysteme, die den Marktgegebenheiten und -möglichkeiten entsprechen.
Um eine maximale Effektivität zu erreichen, sollten im Rahmen der Gestaltung des Vertriebs-
kanalsystems a) die Zielgruppenbedürfnisse analysiert, b) Vertriebskanalziele festgelegt und
c) Vertriebskanalalternativen identifiziert und bewertet werden.

12.5.1 Analyse der Kundenbedürfnisse


Wie bereits gezeigt wurde, sind Distributionskanäle Teil des gesamten Wertschöpfungsnetz-
werks, in dem jedes Mitglied Nutzen für den Kunden schafft. Daher beginnt die Planung
eines Distributionskanals mit der Analyse dessen, was die Kunden erwarten und wünschen.
Möchten sie lieber persönlich kaufen oder bevorzugen sie die Bestellung per Telefon, Post
oder Internet? Schätzen sie eine prompte Lieferung oder macht es ihnen nichts aus, nach
Auftragserteilung etwas zu warten? Wollen sie ein breites Sortiment oder lieber die Speziali-
sierung in einem Bereich? Möchten die Kunden diverse Zusatzdienste wie Lieferung, Einbau
und Wartung oder möchten sie diese Dienste anderswo in Anspruch nehmen?
Je schneller die Lieferung, je größer die Auswahl und je mehr Zusatzdienste angeboten wer-
den, umso höher ist die Serviceintensität des jeweiligen Kanals. Nichtsdestotrotz ist das
Angebot der schnellsten Lieferung, des größten Sortiments und des umfangreichsten Ser-
vices nicht immer möglich und sinnvoll. Das Unternehmen und seine Partner in den Distri-
butionskanälen haben nicht immer die nötigen Ressourcen und Fähigkeiten, die notwendig
wären, um alle gewünschten Dienste anzubieten. Darüber hinaus hat eine höhere Servicein-
tensität nicht nur höhere Kosten der Distribution für den Vertriebskanal, sondern auch
höhere Kosten für den Kunden zur Folge. So bietet das Haushaltswarengeschäft in der Innen-
stadt vermutlich eine persönlichere Beratung, eine angenehmere Atmosphäre und weniger
Einkaufsstress als der nächstgelegene riesige B&G-Baumarkt. Doch dafür veranschlagt es
auch höhere Preise. Das Unternehmen muss deshalb ein Gleichgewicht zwischen den Ser-
vice-Wünschen der Kunden, der Realisierbarkeit und den damit verbundenen Kosten sowie
den Preispräferenzen der Konsumenten finden. Grundsätzlich neigen Kunden dazu, zwi-
schen der Servicequalität und anderen Kaufdimensionen, wie z.B. dem Preis, abzuwägen.
Der Erfolg von Discountern wie ALDI oder Lidl zeigt, dass Kunden häufig bereit sind, weni-
ger Serviceleistungen zu akzeptieren, wenn dies in Form besonders niedriger Preise weiter-
gegeben wird.

12.5.2 Festlegung von Zielen


Unternehmen sollten ihre Ziele bezogen auf den Vertriebskanal danach ausrichten, welcher
Grad an Kundenservice angestrebt wird. Zunächst ist eine Entscheidung zu treffen, welche
der vorhandenen Kundensegmente bedient und welche Vertriebskanäle für die gewählten
Segmente genutzt werden sollen. Für jedes Segment gilt, dass man anstreben sollte, die Kos-

583
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik

ten für den Kundenservice möglichst niedrig zu halten und gleichzeitig ihre Anforderungen
so weit wie möglich zu erfüllen.
Die Zielvorstellungen des Unternehmens in Bezug auf seine Distributionskanäle werden
außerdem durch verschiedene Einflussgrößen wie die Charakteristik der angebotenen Pro-
dukte, die Leitlinien der Unternehmenspolitik, die Partner in den Distributionssystemen, die
Konkurrenten und das Umfeld des Unternehmens beeinflusst. So bestimmt auch die Größe
und finanzielle Ausstattung des Unternehmens, welche Marketingaufgaben es selbst durch-
führen kann und welche durch Absatzmittler übernommen werden müssen. Unternehmen,
die mit verderblicher Ware wie frischen Lebensmitteln handeln, benötigen möglicherweise
mehr Direktmarketing, um Verzögerungen und zu aufwendige Abwicklungen zu vermeiden.
In einigen Fällen kann ein Unternehmen in denselben oder nahegelegenen Verkaufsstellen
den Wettbewerb mit konkurrierenden Marken suchen, um Vergleichskäufe zu fördern. In
anderen Fällen wollen Unternehmen die von Wettbewerbern genutzten Kanäle eher vermei-
den. Avon Cosmetics zum Beispiel verkauft über seine Struktur von mehr als sechseinhalb
Millionen Vertreter weltweit direkt an den Endkunden und vermeidet grundsätzlich die
direkte Konkurrenz mit anderen Kosmetikherstellern um die knappen Regalflächen in den
Läden.
Schließlich können auch Faktoren im Umfeld, wie wirtschaftliche Bedingungen und rechtli-
che Auflagen, die Zielsetzungen und Gestaltungen innerhalb der Kanäle beeinflussen. In
einer schwachen Wirtschaft versuchen Hersteller beispielsweise, ihre Produkte so kosten-
günstig wie möglich zu vertreiben, indem sie kürzere Wege nutzen und unnötige Dienstleis-
tungen vermeiden, die zu einem höheren Verkaufspreis führen würden.

12.5.3 Distributionskanalalternativen identifizieren


Nachdem man die Ziele und Einflussfaktoren eines Distributionskanals bestimmt hat, gilt es,
die wichtigsten Distributionsalternativen hinsichtlich ihrer Art, Anzahl und Verantwortlich-
keiten zu bestimmen.

Unterschiedliche Arten bzw. Typen von Vermittlern


Es gibt folgende grundsätzliche Optionen für die Einrichtung der Vertriebskanäle:
Direktmarketing Wenn sich ein Unternehmen dafür entscheidet, Methoden des Direktmarke-
tings einzusetzen, reichen die Möglichkeiten vom Direktabsatz auf Märkten und Messen über
den Versandhandel bis hin zum Telefonverkauf und selbstverständlich dem Vertrieb über das
Internet.
Außendienstorganisation Ein Unternehmen kann sich auch für den Absatz über einen eige-
nen Außendienst entscheiden. Den einzelnen Vertriebsmitarbeitern werden Vertriebsgebiete
zugeteilt, in denen sie potenzielle Käufer aufsuchen. Alternativ kann man auf den Außen-
dienst eines anderen Unternehmens zurückgreifen.
Absatzmittler Absatzmittler sind unabhängige Organisationen, die bestimmte Tätigkeiten
ausführen. Zu ihnen gehören Groß- und Einzelhändler, die die Ware des Unternehmens kau-
fen, eventuell bearbeiten und weiterverkaufen.

584
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12.5 Das Distributionssystem gestalten

A nzahl der Vermittler


Das Unternehmen muss sich auch bezüglich der Breite des Absatzweges entscheiden, d.h.
wie intensiv das neue Produkt auf den Märkten präsent und bei wie vielen Vertriebsstütz-
punkten es erhältlich sein wird. Drei Strategien sind denkbar:
 Intensive Distribution
 Exklusive Distribution
 Selektive Distribution
Intensive Distribution Anbieter von Produkten des täglichen Bedarfs oder von gebräuchli-
chen Rohmaterialien streben eine intensive Distribution an, eine Strategie, bei der das Pro-
dukt in einer maximalen Anzahl von Verkaufspunkten erhältlich sein soll. Wann und wo
immer der Käufer die Waren haben möchte, sollen sie verfügbar sein. Süßigkeiten, Zigaret-
ten, Softdrinks, Batterien und ähnliche Dinge werden in unzähligen Verkaufsstellen aller Art
(Fachgeschäfte, Supermärkte, Kioske, Tankstellen) angeboten, um eine maximale Präsenz der
Marke und Bequemlichkeit für den Käufer sicherzustellen. Coca-Cola, Nestlé, Duracell oder
Varta und viele andere Konsumgüteranbieter vertreiben ihre Waren entsprechend diesem
Konzept.
Exklusive Distribution Auf der anderen Seite begrenzen einige Hersteller die Zahl der Ver-
mittler, die mit ihren Produkten handeln dürfen. In der extremen Form der exklusiven Distri-
bution gelangt man zum Konzept der Exklusivhändler, bei dem die Hersteller eine eng
begrenzte Zahl von Händlerbetrieben bevollmächtigen, mit ihren Produkten in genau
begrenzten Marktgebieten zu handeln. Dies ist häufig der Fall bei Luxus-Automarken (Rolls-
Royce oder Ferrari) oder Kleidung von Modeschöpfern wie Armani, Boss, Yves St. Laurent
oder Prada. Wenn Exklusivdistribution vereinbart wird, erhalten die Anbieter starke Unter-
stützung durch den Händler, stärkeren Einfluss auf die Preisgestaltung, Werbemaßnahmen,
Finanzierung und Zusatzdienstleistungen. Darüber hinaus trägt das restriktive Marktverhal-
ten dazu bei, die Exklusivität und das Image der Marke zu stärken sowie höhere Preise zu
erzielen.
Selektive Distribution Zwischen intensiver und exklusiver Distribution liegt die selektive
Distribution. Hierbei werden einige Vermittler, aber nicht alle, die gerne mit den Produkten
handeln möchten, eingesetzt. Viele Produkte der Unterhaltungselektronik, aber auch die
Mehrzahl der elektrischen Haushaltsgeräte werden so abgesetzt. Miele, Electrolux und Bosch
verkaufen die großen Elektro-Haushaltsgeräte über Vertragshändler und einige ausgewählte
große Einzelhändler. Durch selektive Distribution müssen sie ihre Anstrengungen nicht auf
eine Vielzahl von Händlern verteilen, sondern sind in der Lage, gute Beziehungen zu den
von ihnen ausgesuchten Mitgliedern der Distributionssysteme zu pflegen. Dafür erwarten sie
von ihren Partnerbetrieben überdurchschnittliche Verkaufsbemühungen. Mit der Strategie
der selektiven Distribution erreicht ein Anbieter eine gute Marktabdeckung mit mehr Ein-
fluss und geringeren Kosten als bei intensiver Distribution.

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12 Distribution und Logistik

Verantwortlichkeiten der Vermittler


Hersteller und Absatzmittler müssen sich über die Aufteilung ihrer Pflichten und Aufgaben
einigen. Sie sollten sich über die Preispolitik, die Verkaufsbedingungen, die Aufteilung der
Gebiete und die Serviceleistungen, die jede der Seiten zu erbringen hat, verständigen. Der
Hersteller sollte einen Listenpreis und eine faire Rabattskala für seine Handelspartner auf-
stellen. Auch das Vertriebsgebiet jedes Handelspartners sollte genau festgelegt sein. Gegen-
seitige Unterstützungsleistungen und Pflichten müssen klar definiert werden. Dies gilt ganz
besonders für Franchise-Systeme und bei exklusiver Distribution. McDonald’s beispielsweise
unterstützt Franchise-Nehmer mit Werbemitteln, Trainings und im allgemeinen Manage-
ment. Im Gegenzug müssen die Franchise-Nehmer allgemeine Unternehmensstandards und
solche bezüglich der Qualität des Essens einhalten sowie bei Promotion-Programmen koope-
rieren, angeforderte Informationen bereitstellen und vorgeschriebene Zutaten kaufen.

12.5.4 Alternative Distributionskanäle bewerten


Wenn ein Unternehmen mehrere Distributionsalternativen zur Auswahl hat, sollte es sich für
denjenigen Kanal entscheiden, der seine Ziele auf lange Sicht am besten erfüllt. Das Unter-
nehmen muss alle Alternativen anhand von wirtschaftlichen Daten, den vorhandenen Steue-
rungsmöglichkeiten und der Anpassungsfähigkeit des Systems prüfen und bewerten.
Wirtschaftliche Bewertungskriterien Anhand von wirtschaftlichen Kriterien prognostiziert
man die Rentabilität der einzelnen Kanäle, die zur Auswahl stehen. Man schätzt den Umsatz,
den jeder Kanal voraussichtlich generiert, und die Kosten, die für den Verkauf unterschiedli-
cher Mengen durch den jeweiligen Kanal entstehen.
Kontrollaspekte Darüber hinaus muss man Kontrollaspekte in Betracht ziehen. Der Einsatz
von Vermittlern bedeutet, ihnen Kontrolle über den Vertrieb des Produkts zu überlassen,
wobei manche weniger und andere mehr Kontrolle übernehmen. Generell versucht der Her-
steller natürlich, so viel Kontrolle wie möglich zu behalten.
Anpassungsfähigkeit/Flexibilität des Systems Schließlich ist die Anpassungsfähigkeit des
Systems zu berücksichtigen. Distributionskanäle bringen oft langfristige Verpflichtungen mit
sich. Man sollte jedoch bestrebt sein, die Kanäle so flexibel wie möglich zu halten, um sich
möglichst schnell an Umweltveränderungen anpassen zu können.

12.5.5 Internationale Distributionskanäle aufbauen


Wer auf internationalen Märkten tätig werden will, hat beim Aufbau seiner Distributionska-
näle mit einem noch viel komplexeren Umfeld zu rechnen. Jedes Land hat eine einzigartige,
über die Zeit gewachsene Struktur von Distributionskanälen, die sich nur langsam verändert.
Diese Strukturen weisen von Land zu Land große Unterschiede auf, die speziell die relative
Bedeutung bestimmter Akteure, wie zum Beispiel die Rolle des Großhandels gegenüber dem
Einzelhandel oder kleinen Geschäften, betreffen.
In der Getränkeindustrie zum Beispiel haben Vertragsgroßhändler in Großbritannien eine viel
größere Bedeutung in der Distributionskette vom Hersteller zum Kunden als in Deutschland,
Frankreich, Spanien oder Italien. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gehen
teilweise auf die geschichtliche Entwicklung, auf unterschiedliche Gesetzgebung und auf
wirtschaftliche Gründe zurück. Wegen der in der Regel bereits festgeschriebenen Rahmenbe-
dingungen müssen global tätige Unternehmen ihre Distributionsstrukturen und -strategien
normalerweise an die bereits im jeweiligen Land vorhandenen Strukturen anpassen.

586
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12.5 Das Distributionssystem gestalten

Da sich die bedeutenden Einzelhändler innerhalb nationaler Grenzen immer mehr zu Kon-
zerngiganten zusammengeschlossen haben und die heimischen Märkte gesättigter sind denn
je, wandern viele große Konzerne ins Ausland ab, um ihr Wachstumspotenzial zu erhöhen.
Es ist jedoch gar nicht so einfach, in diese eng verknüpften, traditionsreichen Distributions-
netzwerke im Ausland einzudringen. Selbst international erfahrene Konzerne wie Carrefour
oder Walmart haben große Probleme, sich im Ausland zu etablieren. In manchen Märkten ist
das Distributionssystem sehr komplex aufgebaut, da es aus vielen Stufen und einer großen
Anzahl an Vermittlern besteht. In Japan zum Beispiel umfasst es eine Vielzahl an Großhänd-
lern, Agenten, Zwischenhändlern und Einzelhändlern, die sich mehr durch ihre enorme
Anzahl als durch ihre Funktionen von ihren europäischen Pendants unterscheiden.
Als zum Beispiel die weltweit zweitgrößte Einzelhandelskette Carrefour im Jahr 2000 in den
japanischen Markt eintrat, expandierte sie innerhalb von drei Jahren rasant von einer auf sie-
ben Filialen. Allerdings sah sich der französische Hersteller von Anfang an einer enormen
Feindseligkeit seitens der Großhändler gegenüber und missinterpretierte die Bedürfnisse sei-
ner Kunden, die sich bald abwendeten, um günstige japanische Produkte zu suchen. Carre-
fours Preisforderungen und die Weigerung, das vielschichtige Liefersystem Japans zu akzep-
tieren, führten dazu, dass das Unternehmen darum kämpfen musste, überhaupt beliefert zu
werden. Nach diesem schwierigen Einstieg reagierten Carrefours Megamärkte mit der Einfüh-
rung französischer Nahrungsmittel, die auf den japanischen Geschmack abgestimmt waren.
So bot man zum Beispiel geschnittene Früchte und eine größere Auswahl an Fertiggerichten
an. Zudem knüpfte das Unternehmen Beziehungen zu kleineren Lieferanten, die zuvor oft
durch die kartellrechtlichen Strukturen des japanischen Großmarktsystems blockiert worden
waren. Die Expansion konzentrierte sich auf West-Japan, wo durch niedrige Preise mehr
Kunden angelockt werden konnten als in Tokio.
In der Zwischenzeit waren auch konkurrierende Unternehmen wie Tesco und Walmart in
den japanischen Markt eingetreten, während lokale Marktführer wie Aeon begannen, die
Preise zu drücken und mit neuen Megamarkt-Formaten zu expandieren. Trotz seiner
Anstrengungen hat es der französische Einzelhändler schließlich nicht geschafft, sich von
seinem schwierigen Einstieg in Japan zu erholen. Einige Experten meinen, Carrefour hätte
voraussehen müssen, dass es den Markteintritt in Japan allein nicht schafft und dass sich
einige der Probleme hätten vermeiden lassen, wenn das Unternehmen die konventionelle Art
gewählt hätte und den Markt zusammen mit einem Partner als Gemeinschaftsunternehmen
erschlossen hätte. Der Konzern war anfangs zu aggressiv und arrogant und musste zu der
Erkenntnis gelangen, dass in Japan einige Dinge nur auf die japanische Weise funktionieren.
2006 zog sich Carrefour aus dem japanischen Markt zurück.
Auch die Erfahrungen des weltgrößten Einzelhändlers Walmart beim Eintritt in den deut-
schen Markt sind lehrreich. Durch die Übernahme des Einzelhändlers Wertkauf im Jahr 1997
und von Interspar 1998 wurde Walmart zur viertgrößten Verbrauchermarktkette in Deutsch-
land. Obwohl dieser Schachzug anfangs ein großer Schock für den europäischen Einzelhan-
del war, etablierte sich das Unternehmen sehr schlecht und verlor jährlich zwischen 224 und
333 Millionen Euro. Walmart gesteht sich im Nachhinein seine Fehler ein. Der schlimmste
Fehler war es, die Struktur des deutschen Lebensmitteleinzelhandels zu missachten. Das
Unternehmen versuchte, durch eine zentrale Auftragsvergabe die Kontrolle über die Liefe-
rungen an die Filialen zu übernehmen, anstatt dies den Lieferanten selbst zu überlassen. Dies
führte zu Lieferchaos und vergriffenen Waren. Der Fehlmengenanteil in den Regalen belief
sich auf 20 Prozent – anstelle der sonst üblichen sieben Prozent im Branchendurchschnitt.
Obwohl Walmart einen Marktanteil von zehn Prozent im Verbrauchermarkt-Sektor eroberte,

587
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
12 Distribution und Logistik

kam man auf weniger als zwei Prozent bei Lebensmitteln. Im Gegensatz zu inländischen
Unternehmen fehlte Walmart die Marktmacht, um Lieferanten die Bedingungen zu diktieren.
Hinzu kam, dass Walmarts Ankündigung niedriger Preise in einem Sektor, der bereits von
Discountern geprägt ist, keine neuen Anreize für die Konsumenten bot. Mit heimischen Riva-
len wie ALDI, Lidl und Kaufland, die den niedrigen Preisen standhalten konnten, sah sich
Walmart einem harten Wettbewerb gegenüber. Hohe Renovierungskosten und die Vielschich-
tigkeit der deutschen gesetzlichen Regeln und Verordnungen führten darüber hinaus zu einer
verzögerten Sanierung der Filialen, wodurch viele unattraktiv oder an ungünstigen Standor-
ten blieben.
Walmart sieht auch ein, dass es die Unternehmenskultur falsch eingeschätzt hatte. Die ameri-
kanischen Führungskräfte in den deutschen Märkten, die kein Deutsch sprachen und von
ihren Managern erwarteten, Englisch zu sprechen, veranlassten viele von ihnen, das Unter-
nehmen zu verlassen. Dies führte zu einem Verlust an lokalem Know-how. Der nächste
Geschäftsführer, ein Engländer, versuchte dann, das Unternehmen von England aus zu füh-
ren. Das Topmanagement hatte jedoch keine Ahnung von seinen deutschen Kunden. Diese
gehen nämlich lieber selbst auf Schnäppchenjagd, als sich von einem lächelnden Verkäufer
an die Hand nehmen zu lassen. Auch die vergleichsweise kurzen Öffnungszeiten in Deutsch-
land und die geschlossenen Geschäfte am Sonntag waren für das Unternehmen ungewohnt.
Walmarts Verluste mögen für seine ersten Jahre in Deutschland vielleicht noch verständlich
sein. IKEA musste zum Beispiel acht Jahre warten, bis seine US-Filiale schwarze Zahlen
schrieb. Für Walmart hat sich das Blatt allerdings nie gewendet. Ende Juli 2006 hat sich der
US-Händler schließlich aus Deutschland zurückgezogen und seine 85 Märkte an den lokalen
Marktführer Metro verkauft.
Als anderes Extrem können die Distributionssysteme in Entwicklungsländern angesehen
werden. Sie sind weit über das Land verstreut und arbeiten ineffizient oder sind gar nicht
vorhanden. So verfügen zum Beispiel die Märkte Indiens und Chinas über mehr als eine Mil-
liarde Einwohner, ihr mangelhaftes Distributionssystem führt jedoch dazu, dass Unterneh-
men nur den Teil der Bevölkerung kostendeckend erreichen können, der in den wohlhaben-
den Städten lebt. „China ist ein sehr dezentralisierter Markt“, stellt ein chinesischer Experte
fest. „Er besteht aus zwei Dutzend einzelner Märkte, die sich auf 2.000 Städte verteilen, von
denen jede ihre eigene Kultur hat. Es ist, als ob man in einem Asteroidengürtel agiert.“
Chinas Distributionssystem ist derart fragmentiert, dass seine Logistikkosten 15 Prozent des
nationalen BSPs ausmachen, viel mehr als in den meisten anderen Ländern. Nach zehn Jah-
ren großer Anstrengungen, muss sich selbst Walmart eingestehen, dass man es nicht geschafft
hat, eine effiziente Lieferkette in China aufzubauen.
Gelegentlich können internationale Marktzölle oder staatliche Regulierungen für das Unter-
nehmen zu Einschränkungen führen, wenn es seine Produkte global vertreiben möchte. In
Frankreich zum Beispiel wird die Preisfestlegung noch immer staatlich geregelt und es wer-
den Mindestpreise bestimmt, die Händler an ihre Lieferanten zahlen müssen. In Deutschland
brauchte es jahrelange Debatten, um Gesetze abzuschaffen, die das Feilschen verbieten und
Bonussysteme wie Treuekarten in bestimmten Geschäften begrenzten – diese galten
ursprünglich dem Schutz kleiner Händler im Wettbewerb mit großen Ketten. Jahrzehntelang
konnten europäische Händler die Preise nur zu bestimmten, staatlich geregelten Zeiten redu-
zieren und der Winterschlussverkauf durfte nur im neuen Jahr, nicht über Weihnachten statt-
finden. In vielen europäischen Ländern werden auch die Öffnungszeiten von den regionalen
und zentralen Regierungen geregelt – selbst in Großbritannien, einem der am meisten deregu-
lierten Märkte Europas, dürfen die Geschäften sonntags nur für sechs Stunden öffnen. Einige

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12.6 Distributionssystem und -partner steuern

Händler in Europa wie die Galeries Lafayette in Paris und Harrods in London verkaufen in
der Weihnachtszeit zu regulären Preisen, da Rabatte wenig sinnvoll sind, wenn die Men-
schen ein starkes Kaufinteresse haben.3
Es wird deutlich, dass sich international agierende Unternehmen einer Vielzahl von Distribu-
tionsalternativen gegenübersehen. Der Aufbau effektiver und effizienter Distributionskanäle
zwischen und innerhalb verschiedener Länder stellt eine schwierige Aufgabe dar, bei der
man sich offen gegenüber den Rahmenbedingungen auf ausländischen Märkten zeigen und
sich häufig an diese anpassen muss.

12.6 Distributionssystem und -partner steuern


Wenn ein Unternehmen die Alternativen für den Aufbau des Distributionssystems geprüft
und eine Entscheidung für das am besten geeignete System getroffen hat, muss es diese
Lösung implementieren und darauf aufbauend alle notwendigen Aktivitäten im Rahmen der
Führung und Leitung des Systems durchführen. Die Steuerung eines Distributionssystems
erfordert in erster Linie die Auswahl, Leitung und Motivation einzelner Vertriebspartner
sowie deren Überprüfung und Leistungsbeurteilung im Lauf der Zeit.

12.6.1 Die Partner auswählen


Nicht alle Hersteller besitzen das gleiche Potenzial, um qualifizierte Distributionspartner
anzuwerben. Toyota fiel es zum Beispiel leicht, neue Händler für die Einführung des „Lexus“
zu gewinnen, man musste sogar vielen Händlern, die gerne „Lexus“-Händler geworden
wären, absagen. Wenn es darum geht, bekannte und attraktive Produkte exklusiv oder selek-
tiv zu vertreiben, bewerben sich sehr viele Händler.
Als anderes Extrem gibt es Hersteller, die hart dafür arbeiten müssen, qualifizierte Vertrieb-
spartner für ihr Produkt zu gewinnen. Als der Waschmittelhersteller Reckitt in Großbritan-
nien sein neues Ökowaschmittel einführen wollte, nahm nur die Supermarktkette Tesco das
Produkt in ihr Sortiment auf. Auch kleine Hersteller von Lebensmittelprodukten, die weni-
ger starke Marken führen, haben oftmals Schwierigkeiten, Händler zu finden, die ihre Pro-
dukte ins Sortiment aufnehmen.
Bei der Auswahl von Partnerbetrieben sollten die Unternehmen vorher festlegen, welche
Charakteristika für sie wichtig sind, und die guten von den weniger geeigneten Partnern
unterscheiden. Ansatzpunkte für die Auswahl sind dabei, wie viele Jahre das Unternehmen
schon in diesem Bereich tätig ist, welche anderen Produkte geführt werden und wie sich
Wachstum und Gewinne in den letzten Jahren entwickelt haben. Weitere Kriterien sind die
Bereitschaft zur Zusammenarbeit sowie der Ruf des Unternehmens. Wenn das ausgewählte
Unternehmen eine Handelsvertretung ist, wird man wissen wollen, welche anderen Produkt-
linien es noch führt und wie stark der Außendienst ist (wie viele Personen, welche Qualifika-
tionen, welche Erfolge?). Ist der Partner ein Einzelhändler, der sich um exklusive oder selek-
tive Distribution bemüht, wird man die Kunden des Geschäfts, den Standort und das
künftige Wachstumspotenzial in die Bewertung einfließen lassen.

3 Cecilie Rohwedder, „European shoppers enjoy novelty: Christmas sales“, Wall Street Journal, 24.–26.
Dezember 2007, S. 1–2.

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12 Distribution und Logistik

12.6.2 Die Partner leiten und motivieren


Einmal ausgewählt und zu Partnern bestimmt, müssen die Mitglieder eines Distributionska-
nals geleitet und kontinuierlich motiviert werden, ihr Bestes zu geben. Das Unternehmen
darf nicht nur über die Absatzmittler etwas vertreiben, sondern muss es auch an sie und mit
ihnen tun. Die meisten Unternehmen betrachten ihre Absatzmittler als vorrangige Kunden
und Partner. Sie betreiben ein gezieltes Partnerbeziehungsmanagement (Partner Relationship
Management, PRM), um eine langfristige Zusammenarbeit mit den Partnern der Vertriebska-
näle zu fördern. Dies schafft ein Wertesystem, das sowohl dem Unternehmen als auch seinen
Marketingpartnern nutzt.
Hersteller und Distribuent wirken innerhalb eines Wertschöpfungsnetzwerks zusammen, um
den Kunden den höchstmöglichen Gegenwert bieten zu können. Zusammen planen sie
Absatzziele und -strategien, Lagerhaltungsmodelle sowie Werbe- und Verkaufsförderungsvor-
haben. Produzenten wie Procter & Gamble, Unilever oder Henkel arbeiten in diesem Sinn mit
den großen Handelsketten zusammen. Auch bei Baumaschinenherstellern und den meisten
Autoherstellern sehen wir erfolgreiche Modelle, selbstständige Händlerbetriebe in gut funkti-
onierende vertikale Marketingsysteme zu integrieren.
Viele Unternehmen installieren heute Hightech-Systeme für das Management solcher Part-
nerbeziehungen und koordinieren damit ihre Marketingbemühungen innerhalb des gesamten
Distributionskanals. Vergleichbar mit den Software-Systemen für das Kundenbeziehungsma-
nagement (CRM), die es Unternehmen ermöglichen ihre Beziehungen zu wichtigen Kunden
zu steuern, steht nun auch die entsprechende Software für das Beziehungsmanagement von
Distributionspartnerschaften (PRM) und Supply Chains (SCM) zur Verfügung. Diese Software
hilft bei der Rekrutierung neuer Partner, beim Training, der Organisation und Motivation der
Partner und bei der Bewertung der Beziehungen zu einzelnen Distributionspartnern.

12.6.3 Die Partner bewerten


Ein Hersteller sollte in regelmäßigen Zeitabständen die Leistung der Mitglieder des Distribu-
tionskanals auf Einhaltung der abgesprochenen Ziele wie Service gegenüber dem Kunden,
Verkaufsquoten, durchschnittliche Lagerbestände, Zustellungszeit, Bearbeitung und Verhal-
ten bei beschädigter oder verlorener Ware sowie der Mitarbeit bei Promotion- und Trainings-
programmen prüfen. Er sollte Vermittler, die gute Arbeit leisten, anerkennen und belohnen.
Distributionspartner, die keine zufriedenstellende Leistung erbringen, sollten zunächst
Unterstützung und Hilfe erhalten und erst wenn dies nicht fruchtet ersetzt werden. Man
sollte seine Vermittler auch in regelmäßigen Abständen „neu qualifizieren“, die schlechten
aussortieren und nur den besten erlauben, die Produkte zu vertreiben.
Schlussendlich sollte ein Hersteller fair mit seinen Händlern umgehen. Unternehmen, die
ihre Händler schlecht behandeln, riskieren nicht nur den Verlust ihrer Unterstützung, son-
dern darüber hinaus rechtliche Konsequenzen. Auseinandersetzungen mit Händlern sind
äußerst kontraproduktiv. Der Schlüssel zu einem effektiven Management des Distributions-
kanals liegt in der Schaffung einer Win-win-Situation für alle Partner in der Wertschöpfungs-
kette. Aus einer beiderseitig profitablen Beziehung, die Kooperation, statt Konflikte zwi-
schen den Mitgliedern des Distributionskanals fördert, resultiert unweigerlich eine höhere
Leistung der gesamten Vertriebskette.

590
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12.7 Gesetzliche Einflüsse auf Vertriebsentscheidungen

12.7 Gesetzliche Einflüsse auf Vertriebsentscheidungen


Größtenteils und in den meisten Ländern können Unternehmen ihre Vertriebssysteme frei
nach ihren Bedürfnissen gestalten. Die gängigsten Gesetze in Bezug auf Vertriebswege zielen
vielmehr auf die Vermeidung ausschließender Praktiken, mit denen einige Unternehmen den
gewünschten Vertriebsweg für andere unzugänglich machen. Die meisten Bestimmungen für
den Vertrieb regeln die wechselseitigen Rechte und Pflichten der am Vertrieb beteiligten Par-
teien, sobald sie eine Geschäftsbeziehung eingegangen sind. Marketingverantwortliche müs-
sen sich bewusst sein, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen national stark abweichen
und in einigen Fällen der staatlichen (oder EU-)Gesetzgebung zum Schutz einheimischer
Betriebe unterliegen können.
Ein Problem könnte darin liegen, dass viele Hersteller und Großhändler gern exklusive Ver-
triebswege für ihre Produkte entwickeln. Erlaubt ein Verkäufer die Listung seiner Produkte
nur in bestimmten Geschäften, wird diese Strategie als Exklusivvertrieb bezeichnet. Doch
Exklusivvereinbarungen schließen auch andere Hersteller vom Verkauf an die entsprechen-
den Händler aus, was in gewisser Weise als wettbewerbswidrig gelten kann. In den meisten
Ländern sind Exklusivvereinbarungen legal, solange sie den Wettbewerb nicht bedeutend
schwächen oder ein Monopol begünstigen und solange beide Parteien die Vereinbarung frei-
willig eingehen. Der exklusive Bezug beinhaltet häufig auch exklusive Gebietsvereinbarun-
gen. Der Hersteller sichert zu, nicht an andere Händler in einem bestimmten Gebiet zu ver-
kaufen, oder der Käufer beschränkt den Handel nur auf sein Einzugsgebiet. Das erste
Vorgehen ist bei Franchise-Systemen üblich, um das Engagement und die Treue der Händler
zu erhöhen. In der Regel ist dies vollkommen legal – für einen Verkäufer besteht keine
Rechtspflicht, mehr Abnehmer einzubinden als gewünscht. Das zweite Vorgehen, bei dem
der Hersteller den Handel außerhalb des Einzugsgebietes eines Händlers verhindern will,
könnte rechtlich schon eher problematisch sein. Liegen die Gebietsgrenzen zwischen Län-
dern mit verschiedenen Gesetzgebungen, kann die Sachlage sehr viel komplexer werden.
Hersteller bieten Händlern starke Marken manchmal nur dann an, wenn diese auch die rest-
lichen Produkte der Produktlinie ganz oder teilweise abnehmen. Solche bindenden Verträge
sind nicht zwangsläufig illegal, gelten jedoch unter bestimmten nationalen Gesetzgebungen
zumindest als fragwürdig, wenn sie auf eine deutliche Schwächung des Wettbewerbs zielen.
Örtliche Regulierungsstellen könnten insbesondere annehmen, dass dieses Vorgehen Ver-
braucher daran hindert, aus dem Warenangebot konkurrierender Lieferanten dieser anderen
Marken frei auszuwählen. Schließlich sind die Hersteller auch frei in der Auswahl ihrer
Händler, es gibt jedoch in einigen Ländern Auflagen für die Kündigung der Geschäftsbezie-
hung. Im Allgemeinen können Verkäufer die Verträge mit ihren Händlern aus begründetem
Anlass beenden. In einigen Ländern kann die Kündigung eines Vertrags mit einem örtlichen
Vertriebspartner ein zeit- und kostenintensives Verfahren sein. Besonders groß können die
Unterschiede in den rechtlichen und behördlichen Bestimmungen sein, mit denen Marke-
tingverantwortliche in Märkten wie Indien und China konfrontiert sind. Daher ist eine
Rechtsberatung unabdingbar, ehe man in solchen Märkten eine Vertriebsstrategie festlegt.

591
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12 Distribution und Logistik

12.8 Supply Chain Management und Logistik


Unternehmen müssen Entscheidungen darüber treffen, wie die Produkte am besten zu lagern
und zu transportieren sind bzw. wie und wo ihre Dienstleistungen zu erbringen sind, sodass
sie für die Käufer und Kaufinteressenten in der richtigen Kombination, zur rechten Zeit und
am rechten Platz verfügbar gemacht werden können.
Die Effizienz der Logistik beeinflusst in entscheidendem Maß sowohl die Kosten des Unter-
nehmens als auch die Zufriedenheit der Kunden. Ein unzureichendes Logistiksystem kann
alle übrigen Marketinganstrengungen, mögen sie noch so gut sein, zunichtemachen.
Wir betrachten im Folgenden das Wesen und die Bedeutung der Logistik, die Ziele des Logis-
tiksystems, die Hauptaufgaben der Logistik und die Notwendigkeit eines integrierten Logis-
tikmanagements.

12.8.1 Das Wesen und die Bedeutung der Logistik


Für einige Manager hat Warenverteilung nur mit Lagerhäusern und Lastwagen zu tun.
Moderne Logistik ist jedoch weitaus mehr.
Zur physischen Distribution oder Logistik gehören
 die Planung,
 die Schaffung der notwendigen Strukturen (Gebäude, Fahrzeuge, Personal) und
 die Steuerung und Dokumentation des Warenflusses bezüglich der Materialien, der End-
produkte und der dazugehörigen Informationen vom jeweiligen Ausgangspunkt bis zum
Übergabe- oder Verbrauchspunkt,
um die Bedürfnisse der Kunden unter Erzielung von Gewinn zu befriedigen. Kurz gesagt:
Das richtige Produkt zum richtigen Kunden am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt.
Die traditionelle Warenverteilung setzte typischerweise bei den Waren an, die aus der Fabrik
kamen, und versuchte, kostengünstige Lösungen bereitzustellen, um diese Waren zu den Ver-
brauchern zu bringen. Marketingverantwortliche stellen heute dagegen den Kunden in den
Mittelpunkt der Logistik. Bei der sogenannten Marketinglogistik wird ausgehend vom Markt
der Lieferweg in umgekehrter Richtung bis zur Produktionsstätte oder sogar bis zum Liefe-
ranten definiert.
Der Oberbegriff Logistik beinhaltet nicht nur die Ausgangslogistik (das heißt die Distribution
der Produkte von der Produktion zum Kunden), sondern auch die Eingangs- oder Beschaf-
fungslogistik (Produkte und Material von den Lieferanten an den eigenen Betrieb) und die
Rücknahmelogistik (der Warenfluss beschädigter, zerstörter oder überschüssiger Produkte, die
vom Kunden oder Händler zurückgegeben werden, und deren Wiederverwertung). Logistik
umfasst also das Management des Flusses von Materialien, fertigen Produkten oder Informatio-
nen zwischen Lieferanten, dem Unternehmen, Wiederverkäufern und Endkunden. Man
bezeichnet dies heute im Allgemeinen als Supply Chain Management (siehe Abbildung 12.7).

592
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12.8 Supply Chain Management und Logistik

Eingangs- und
Beschaffungs- Ausgangs-
logistik logistik
Lieferanten Unternehmen Wiederverkäufer Kunden

Rücknahmelogistik
Abbildung 12.7: Das Management der Supply Chain

Die Aufgabe des Logistikverantwortlichen besteht darin, die gesamte Marketinglogistik des
jeweiligen Distributionssystems zu koordinieren. Dabei geht es um die Aktivitäten der Liefe-
ranten, der Einkäufer, des Marketing, der nachgelagerten unternehmensunabhängigen Mit-
glieder des Distributionssystems und der Kunden.
Zu den zu koordinierenden Tätigkeiten gehören:
 Prognose der Absatzzahlen und -mengen
 Beschaffungsfunktion
 Produktionsplanung
 Auftragsbearbeitung
 Lagerhaltung
 Bestandsmanagement
 Planung aller Transporte
Aus mehreren Gründen schenken Unternehmen der Logistik heute große Beachtung:
 Der Dienst am Kunden und dessen Zufriedenstellung sind für viele Unternehmen zu Eck-
punkten der Marketingstrategie geworden. Zentrale Elemente sind die Lieferung und ihre
Zuverlässigkeit, denn eine schnellere oder günstigere Lieferung stellt in vielen Märkten
einen Wettbewerbsvorteil dar. Genauso können Unternehmen aber auch Kunden verlieren,
wenn es ihnen nicht gelingt, ihre Waren zuverlässig zum geforderten Zeitpunkt zu liefern.
 Die wahre Explosion der Produktvielfalt hat die Notwendigkeit eines verbesserten Logis-
tikmanagements mit sich gebracht. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts führte ein typi-
sches Lebensmittelgeschäft nicht mehr als 200 bis 300 Artikel. Den Bestand eines derarti-
gen Geschäfts konnte man auf zehn Seiten eines kleinen Notizbuchs festhalten. Heute
führt ein durchschnittlicher Supermarkt 10.000 bis 20.000 Artikel. Die Bestellung, der
Transport, das Lagern und Einräumen sowie die Kontrolle einer derartigen Vielfalt stellen
allein schon eine beträchtliche logistische Aufgabe dar.
Die Logistik stellt für die meisten Unternehmen einen bedeutenden Kostenfaktor dar. Allein
Fracht und Transport machen nicht weniger als 20 Prozent des durchschnittlichen Verkaufs-
preises eines Produkts aus. Dies übersteigt die Aufwendungen für Werbung und andere Mar-
ketingkosten bei Weitem. Mehr noch, bei einem Anstieg von Benzinpreisen und anderen
Kosten erhöhen sich auch die Kosten für die Logistik. So geben amerikanische Unternehmen
beispielsweise 1,33 Billionen US-Dollar jährlich – 8,5 Prozent des BIP – für die Verpackung,
Bündelung, Verladung, Entladung, Sortierung, Umladung und den Transport von Waren aus.
Dies ist mehr als das gesamte Bruttoinlandsprodukt fast aller Staaten der Welt (bis auf 13).4

4 Siehe Rosalyn Wilson, „24th Annual State of Logistics Report: is this the new normal?“, www.fm-
sib.wa.gov/reports/powerPoints/RosalynWilson-StateofLogisticsReport2013.pdf, 21. August 2013.

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12 Distribution und Logistik

 Auch die Fortschritte der Computer- und Informationstechnik bergen ein Potenzial für
Produktivitätsgewinne in der Marketinglogistik. Durch den zunehmenden Einsatz von
Software zum Supply Chain Management, durch allgemeingültige einheitliche Artikel-
nummern, Strich-Codes und Scanner an der Kasse, Satellitenkommunikation, RFID-Tags,
elektronische Datenübermittlung (EDI = electronic data interchange) und elektronische
Zahlungsvorgänge können hoch integrierte Systeme für Auftragsbearbeitung, Bestandsma-
nagement und die Planung von Transportrouten geschaffen werden.
 Schließlich hat die Logistik mehr als fast jede andere Marketingfunktion Einfluss auf die
Umwelt und die Nachhaltigkeitsbemühungen eines Unternehmens. Transport, Lagerhal-
tung, Verpackung und andere logistische Funktionen tragen in der Regel am meisten zum
ökologischen Fußabdruck eines Unternehmens bei. Gleichzeitig bieten sie aber auch die
größten Möglichkeiten für Kosteneinsparungen.

12.8.2 Ziele des Logistiksystems


Den Ausgangspunkt der Konzeption eines Logistiksystems bildet die Analyse der Bedürf-
nisse der Kunden. Viele Unternehmen beginnen die Planung ihres Logistiksystems mit dem
Ziel, einen maximalen Kundenservice zu minimalen Distributionskosten anzubieten. Aller-
dings ist kein Logistiksystem in der Lage, den Service zu maximieren und gleichzeitig die
Kosten zu minimieren. Maximaler Kundenservice beinhaltet eine schnelle Lieferung,
umfangreichen Lagerbestand, ein flexibles Sortiment, eine großzügige Rücknahmepolitik
und viele weitere Dienste, die die Kosten selbstverständlich erhöhen. Im Gegensatz dazu las-
sen sich niedrige Distributionskosten durch eine langsamere Zustellung, geringere Lagerbe-
stände oder größere Versandmengen erzielen – Maßnahmen, die für den Kunden ein geringe-
res Serviceniveau zur Folge haben.
Das Ziel eines Marketinglogistiksystems sollte darin bestehen, ein definiertes Niveau an Kun-
denservice zu möglichst geringen Kosten zu erreichen. Ein Unternehmen muss die Bedeu-
tung von verschiedenen Distributionsdienstleistungen für seine Kunden zuerst ermitteln und
dann die angestrebten Niveaus der jeweiligen Serviceleistung für jedes Segment definieren.
Dabei gilt es, stets den Nutzen des Angebots eines höheren Servicelevels gegen die höheren
Kosten abzuwägen.

12.8.3 Funktionen der Logistik


Sind die Logistikziele festgelegt, kann das Unternehmen darangehen, ein Logistiksystem zu
gestalten, das es erlaubt, diese Ziele mit minimalen Kosten zu verwirklichen. Die Kernfunkti-
onen der Logistik umfassen die Lagerhaltung, das Bestandsmanagement und den Transport.

Lagerhaltung
Jedes Unternehmen muss einen gewissen Teil seiner materiellen Waren lagern, weil die Zyk-
len von Produktion und Bedarf fast niemals übereinstimmen. Ein Hersteller von Rasenmä-
hern produziert zum Beispiel das ganze Jahr über gleichmäßig und lagert seine Produkte für
die wenige Wochen dauernde Kaufsaison im Frühjahr und im Sommer. Durch die Lagerhal-
tung lassen sich Unterschiede in den benötigten Mengen und Herstellungs- bzw. Bedarfszeit-
räumen überbrücken.
Ein Unternehmen muss festlegen, wie viele und welche Art von Lagereinrichtungen es benö-
tigt und wo diese regional angesiedelt werden sollen. Es kann eigene Lagerhäuser unterhal-

594
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12.8 Supply Chain Management und Logistik

ten oder Lagerraum in Lagereinrichtungen anderer Eigner anmieten. Über eigene Lager haben
die Unternehmen mehr Einfluss als über angemietete. Andererseits darf nicht vergessen wer-
den, dass Lagereinrichtungen viel Kapital binden und dass die Flexibilität bei eigenen im
Vergleich zu angemieteten geringer ist. Viele Lagerhaus-Gesellschaften bieten weitere Dienste
wie Warenkontrollen, Packen und Versenden an. Bei der Anmietung hat das Unternehmen
auch die Auswahl zwischen verschiedenen Standorten und verschiedenen Typen von Lager-
kapazitäten.
Im Gegensatz zu Lagerhäusern sind Distributionszentren eher dafür vorgesehen, Waren in
Bewegung zu halten als sie zu lagern. Es handelt sich dabei um sehr große und hoch automa-
tisierte Lagereinrichtungen, häufig mit sogenannten Hochregallagern ausgestattet. Sie dienen
dazu, Produkte von zahlreichen Herstellern und Lieferanten anzunehmen und einzulagern,
Versandanweisungen entgegenzunehmen, diese effizient zu bearbeiten und die Waren
schnellstmöglich und zuverlässig an die Kunden auszuliefern.
Wie fast alles in den vergangenen Jahren, hat auch die Lagerverwaltung dramatische Verän-
derungen erfahren. Der Standard bei den technischen Beschickungs- und Lagereinrichtungen
hat in Riesenschritten ein immer höheres Niveau erreicht. Ältere Lagerkomplexe mit langsa-
men Aufzügen und überholten Handhabungsmethoden werden sukzessive gegen moderne,
eingeschossige, voll automatisierte Lagerhäuser mit fortschrittlichen, computergestützten
Warenmanagementsystemen ersetzt, die nur noch einen geringeren Personalbedarf haben.
Computer und Scanner lesen Aufträge und steuern Gabelstapler, Hebevorrichtungen oder
Roboter, die die Waren erfassen, sie zu den Verladestationen bringen und Rechnungen aus-
stellen. Wer derartige Hightech-Lieferlogistik als Hersteller nutzen möchte, muss nicht
zwangsläufig selbst in ein Hochregallager investieren. In zunehmendem Maß bieten Logistik-
spezialisten ein Komplettangebot an, mit dem zahlreiche betriebliche Funktionen in die Ver-
antwortung dieser spezialisierten Unternehmen übergeben werden.

Bestandsmanagement
Die Höhe und Vollständigkeit der Lagerhaltung hat großen Einfluss auf die Käuferzufrieden-
heit. Das Grundproblem besteht darin, das empfindliche Gleichgewicht zwischen einem zu
hohen und einem zu niedrigen Lagerbestand zu finden. Ein zu hoher Lagerbestand geht mit
hohen Kosten und dem Risiko des Veraltens (Mode) oder des Verderbs (Fleisch und Milchpro-
dukte) einher. Ein zu niedriger Lagerbestand führt zu Lieferengpässen, die häufig kostspielige
Eillieferungen oder Sonderschichten in der Produktion zur Folge haben. Solche Verzögerun-
gen verärgern zudem die Kunden, die daraufhin möglicherweise zur Konkurrenz abwandern.
Deshalb müssen Unternehmen beim Bestandsmanagement die Kosten großzügiger Lagerhal-
tung zu den sich daraus ergebenden Umsätzen und Gewinnen in Beziehung setzen.
Im Bestandsmanagement sind der Zeitpunkt der Bestellung und die Bestellmenge entschei-
dende Größen. Bei der Entscheidung über die Bestellmengen sind die Kosten von Bestellung
und Lieferung gegenüber den Kosten der Lagerhaltung abzuwägen. Größere durchschnittli-
che Bestellvolumen bedeuten weniger Einzelbestellungen, andererseits aber einen höheren
durchschnittlichen Lagerbestand und damit höhere Kosten der Lagerung.
Just-in-time-Liefersysteme Während der letzten Jahre haben viele Unternehmen die Lagerbe-
stände und die damit verbundenen Kosten stark reduziert, indem sie sogenannte Just-in-
time-Liefer- und -Logistiksysteme (JIT) einführten. Bei diesen Systemen werden beim Her-
steller oder im Handel lediglich kleine Lager geführt, die meist nur für ein paar Stunden oder
Tage ausreichen. Neue Lieferungen gehen erst dann ein, wenn sie wirklich gebraucht wer-
den. Damit vermeidet man, erst später benötigte Ware unnötig zu lagern. JIT-Systeme setzen

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12 Distribution und Logistik

genaue Bedarfsvorhersagen voraus, ebenso wie ein schnelles, flexibles und leistungsfähiges
Belieferungssystem, das die Verfügbarkeit der Ware im Bedarfsfall sicherstellt. Soweit diese
Bedingungen erfüllt werden können, ergeben sich bei diesen Systemen grundlegende Einspa-
rungen bei den Kosten der Lagerhaltung und Verwaltung.
Marketingverantwortliche sind immer daran interessiert, Warenwirtschaftssysteme effizien-
ter zu gestalten. In nicht allzu ferner Zukunft könnte das Lagermanagement sogar vollauto-
matisch ablaufen. Mit dem Einsatz der RFID-Technologie, bei der kleine Transmitter-Chips in
Produkte eingebaut oder auf der Verpackung angebracht werden, lässt sich die gesamte Lie-
ferkette automatisieren. Unternehmen, die RFID nutzen, könnten dann zu jeder Zeit sehen,
wo ein Produkt sich gerade befindet. Intelligente Regale würden nicht nur Bescheid geben,
wenn es Zeit zum Nachbestellen ist, sie würden auch die Bestellung automatisch beim Liefe-
ranten aufgeben. Solche hochinteressanten informationstechnischen Anwendungen werden
die Distribution revolutionieren. Viele große Unternehmen wie Walmart, Tesco, Metro, Proc-
ter & Gamble oder IBM sind höchst interessiert daran, das Leistungsspektrum der RFID-Tech-
nologie voll auszuschöpfen.

Transport
Die Wahl der Transportart und des Transportunternehmens beeinflusst die Preissetzung, die
Leistungsfähigkeit der Belieferung und den Zustand der Waren, wenn sie beim Kunden
ankommen. All dies sind Schlüsselfaktoren für die Zufriedenstellung der Kunden. Für den
Transport von Waren an die Außenlager, die Händler und die Kunden kann ein Unternehmen
im Wesentlichen zwischen fünf Transportarten wählen: Straßentransport, Bahntransport,
Wasserwege, Pipeline und Luftfracht. Für digitale Produkte können Unternehmen eine alter-
native Transportmethode wählen, das Internet.
Straßentransport Der Ausbau des Fernstraßennetzes in den meisten hoch entwickelten Län-
dern, aber auch zunehmend in den Schwellenländern, hat den Güterfernverkehr mit Lastwa-
gen zu einer bevorzugten Transportmethode gemacht. Lkw sind äußerst flexibel, was die
Streckenführung und den Zeitplan angeht. Sie bringen Güter von Haus zu Haus und ersparen
dem Spediteur ein Umladen zwischen Bahn und Lkw und umgekehrt, was mit Zeitverlust
und Diebstahl- und Beschädigungsrisiken verbunden ist. Der Straßentransport mit Lastwagen
ist für relativ kurze Strecken mit hochwertigen Ladungen geeignet. Große Speditionen bieten
inzwischen ein breites Spektrum an Dienstleistungen an, von GPS-Ortungsdiensten für Fahr-
zeuge und Fracht über webbasierte Transportmanagement-Systeme und entsprechende Pla-
nungssoftware bis zu länderübergreifender Verschiffung.
In der Europäischen Union wird der überwiegende Anteil der Güter auf der Straße befördert.
Die Konferenz der europäischen Verkehrsminister berichtet, dass in den letzten 20 Jahren das
gesamte Transportaufkommen in der EU um mehr als 50 Prozent zugenommen habe. Der
überwiegende Teil dieses Wachstums habe beim Straßenverkehr stattgefunden. So machen
Straßentransporte 78 Prozent aller Frachten aus. Bahntransporte umfassen etwa 7 Prozent,
während 5 bis 6 Prozent auf Wasserwegen transportiert werden. Die allmähliche Deregulie-
rung der Restriktionen im Transportwesen in der EU hat auch zu einem intensiven Transport-
wettbewerb geführt, der einen enormen Preisdruck zur Folge hat. Für internationale Spediti-
onen bestehen mittlerweile mehr Freiheiten beim Gütertransport innerhalb eines Landes,
was eine effizientere Auslastung der Lastwagen ermöglicht.
Bahntransport Der Bahntransport ist bei schweren Volumengütern über große Strecken eine
sehr kostengünstige Transportmethode. Kohle, Sand, Mineralien, landwirtschaftliche Pro-
dukte und Forsterzeugnisse sind für den Bahntransport besonders geeignet. Die EU hat sich

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12.8 Supply Chain Management und Logistik

bemüht, die Entwicklung des Warentransports mit der Bahn und des kombinierten Trans-
ports mit der Bahn und auf der Straße in ganz Europa zu beschleunigen und auch osteuropä-
ische Bahnnetze zu erschließen. Dadurch erfährt der Schienentransport im Rahmen der
Logistik mehr und mehr Aufmerksamkeit. Um die Präsenz der Bahn auf den Hauptadern des
innereuropäischen Gütertransports zu verstärken, bedarf es jedoch der Zusammenarbeit und
der Standardisierung der europäischen Eisenbahnnetze.
Wasserwege In Ländern und Wirtschaftsregionen, die küstennahe oder inländische Wasser-
wege haben, können große Anteile schwerer Güter mit Schiffen befördert werden. Einerseits
sind die Kosten für den Wassertransport bei schweren, nichtverderblichen Massengütern wie
Kohle, Sand, Getreide, Rohöl und Erzen sehr niedrig. Der Transport mit dem Schiff ist sicher,
zuverlässig, billig und umweltfreundlich. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass
diese Transportart die langsamste ist und zudem vom Wetter beeinflusst wird. Der Anteil der
Beförderung auf den Binnenwasserwegen ist in der EU im Vergleich zum Straßen- und Schie-
nentransport verhältnismäßig gering. Das volle Potenzial der Binnenschifffahrt kann jedoch
erst realisiert werden, wenn die Schifffahrts- und Hafenpolitik in der EU harmonisiert wird
und viele unnötige und restriktive Vorschriften außer Kraft gesetzt werden.
Pipelines Pipelines sind ein sehr spezielles Transportmittel für Rohstoffe wie Petroleum,
Naturgas und Chemikalien von der Quelle zum Anwender. Die meisten Pipelines werden nur
für den Transport der Rohstoffe und Produkte der Pipeline-Eigner genutzt.
Luftfracht Obwohl die Luftfracht sich vor allem für kleine, hochwertige Güter eignet, wird
sie als Transportmethode immer häufiger eingesetzt. Die Luftfrachtkosten betragen ein Vielfa-
ches dessen, was für den Bahn- oder Lkw-Transport verlangt wird. Luftfracht ist jedoch dann
die ideale Lösung, wenn es auf Schnelligkeit ankommt oder wenn ferne Märkte erreicht wer-
den sollen. Zu den Produkten, die häufig per Luftfracht verschickt werden, gehören verderb-
liche Güter (Frischfisch, Schnittblumen, Früchte) und hochwertige Güter mit kleinem Volu-
men (Juwelen, Computerchips). Durch die Luftfracht lassen sich die Lagerbestände, die
Verpackungskosten und die Anzahl von Außenlagern reduzieren.
Internet Über das Internet lassen sich digitalisierbare Produkte direkt und zu sehr niedrigen
Kosten vom Hersteller zum Konsumenten befördern. Insbesondere Softwarefirmen, Medien,
Musikunternehmen und das Bildungswesen machen sich das Internet zunutze, um digitale
Produkte zu versenden. Obwohl diese Unternehmen auch traditionelle Transportwege für
den Vertrieb von DVDs, Zeitungen und anderen Medien nutzen, bietet das Internet Potenzial
für niedrigere Produktvertriebskosten. Während Flugzeuge, Lkw und Züge Güter und Fracht-
stücke befördern, transportieren die digitalen Technologien Informationseinheiten.
Einige Speditionen nutzen auch multimodale Transportmittel – dabei kombinieren sie zwei
oder mehrere Transportarten. Der sogenannte Huckepack-Verkehr (Piggyback) bezeichnet
den Transport auf Schiene und Straße; Fishyback den Transport auf Wasserwegen und
Straße; Trainship den Transport auf Wasserwegen und Schiene und Airtruck den Transport
in der Luft und auf der Straße. Die Kombination von Transportarten schafft Vorteile, die eine
einzelne Methode allein nicht bieten kann. Jede Kombination hat einen anderen Nutzen für
den Spediteur. So ist der Huckepack-Transport nicht nur günstiger als der Lkw-Transport
allein, sondern auch flexibler und praktischer.
Bei der Wahl des Transportmittels für ein Produkt muss ein Unternehmen verschiedene Vor-
und Nachteile gegeneinander abwägen: Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit,
Kosten, Leistungsfähigkeit und viele weitere. Ist die Geschwindigkeit der wichtigste Faktor,
sind Flugzeug und Lkw die erste Wahl. Sind hingegen die Kosten ausschlaggebend, wird

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12 Distribution und Logistik

man sich wohl eher für den Wasserweg oder, falls möglich, eine Pipeline entscheiden. In der
Praxis nutzt man häufig mehrere Transportmittel parallel oder in Kombination, um die Logis-
tikziele kosteneffizient und zielgruppengerecht zu erreichen.

Informationsmanagement
Unternehmen steuern ihre Wertschöpfungsketten mithilfe von Informationen. Die verschie-
denen Partner des Distributionskanals verknüpfen oftmals ihre Informationssysteme, um
gemeinsam bessere Logistik-Entscheidungen fällen zu können. Aus logistischer Sicht ist die
Leistung eines Distributionskanals eng mit Informationsströmen über Auftragseingänge,
Rechnungen, Warenbestände und Kundendaten verbunden. Informationen können auf ver-
schiedene Weise übermittelt und gesteuert werden, z.B. per E-Mail oder per Telefon, über
den Außendienst oder das Internet oder aber über Electronic Data Interchange (EDI), ein Sys-
tem zum Austausch von Daten zwischen Unternehmen. Handelsunternehmen stehen über
EDI in ständigem Kontakt zu ihren wichtigsten Lieferanten. Ziel ist es, schnelle, einfache und
genau definierte Prozesse zu schaffen, um die Informationen innerhalb des Distributionska-
nals optimal zu erfassen, zu verarbeiten und zu übermitteln.
In manchen Fällen werden Lieferanten gebeten, selbsttätig Aufträge für ihre Kunden auszu-
lösen und die Lieferung zu organisieren. Große Einzelhändler müssen mit ihren Hauptliefe-
ranten eng zusammenarbeiten, um Systeme wie das Vendor Management Inventory (VMI)
aufzubauen. Durch die Nutzung von VMI übermittelt der Händler dem Zulieferer Echtzeitin-
formationen über den aktuellen Verkauf und Warenbestand. Der Lieferant übernimmt dann
die volle Verantwortung für das Bestandsmanagement und die benötigten Zuliefermengen.
Einige Einzelhändler gehen sogar so weit, den Warenvorrat und die Versandkosten auf den
Lieferanten abzuwälzen. Damit Systeme wie das VMI funktionieren, bedarf es allerdings
einer sehr guten Zusammenarbeit zwischen Käufer und Verkäufer.

12.8.4 Integriertes Logistikmanagement


Mehr und mehr Unternehmen führen heute das Konzept des integrierten Logistikmanage-
ments ein. Dieses besagt, dass alle Mitarbeiter des Unternehmens und alle externen Partner
des Distributionskanals sich in echter Teamarbeit engagieren müssen, um die optimale
Betreuung der Kunden zu minimalen Distributionskosten sicherzustellen. Innerhalb des
Unternehmens müssen die verschiedenen Funktionsbereiche eng zusammenarbeiten, um die
eigene Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Logistikaufgaben zu steigern. Sehr wichtig ist es,
die interne Logistikstruktur des Unternehmens und die externen Logistikstrukturen der Lie-
feranten und der Kunden aufeinander abzustimmen, um so die Leistungsfähigkeit des
Gesamtsystems zu optimieren.

Teamwork über mehrere betriebliche Funktionsbereiche


In den meisten Unternehmen ist die Verantwortung für verschiedene logistische Aufgaben
unterschiedlichen Funktionsbereichen wie Marketing, Verkauf, Finanzen, Produktion, Ein-
kauf usw. zugewiesen. Nur zu oft versucht jeder Funktionsbereich, die eigenen Logistikakti-
vitäten zu optimieren, ohne auf jene in den anderen Bereichen zu achten. Transport, Lager-
haltung und Auftragsabwicklung beeinflussen sich jedoch gegenseitig. Niedrige
Lagerbestände bedeuten in erster Linie niedrige Lagerhaltungskosten, sie können aber auch
das Niveau der Lieferbereitschaft herabsetzen und Kostensteigerungen durch Lieferrück-
stände, zusätzliche Produktionsläufe und Eillieferungen bedeuten, falls Kunden unbedingt

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12.8 Supply Chain Management und Logistik

kurzfristig bedient werden müssen. Da Entscheidungen im Distributions- und Logistikbe-


reich eine starke Wirkung auf Kosten und Leistungsfähigkeit entfalten, müssen diese Ent-
scheidungen unter Mitwirkung aller Funktionsbereiche getroffen werden, um eine optimale
Gesamtleistung der Logistik zu erreichen.
Das Ziel des integrierten Logistikmanagements muss es daher sein, alle Distributionsent-
scheidungen des Unternehmens zu koordinieren. Enge Kontakte zwischen den einzelnen
Funktionsbereichen können auf verschiedene Weise erreicht werden. Einige Unternehmen
haben feste Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen sich alle treffen, die in den einzelnen
Funktionsbereichen die Verantwortung für logistische Fragen haben. Diese Teams treffen
Grundsatzentscheidungen und entwickeln Strategien, die eine Verbesserung der logistischen
Abläufe zum Ziel haben. Andere Unternehmen haben Führungspositionen eingerichtet, wel-
che die logistischen Aktivitäten der einzelnen Funktionsbereiche zusammenführen.
Das Unternehmen P&G hat zum Beispiel die Stelle eines „Supply Manager“ für jede der vor-
handenen Produktgruppen geschaffen, der sich jeweils um alle Aktivitäten der Supply Chain
kümmert. Andere setzen einen Beauftragten oder ein Vorstandsmitglied „Logistik“ ein.
Schlussendlich können Unternehmen Softwaresysteme für das Supply Chain Management
einsetzen. Diese werden inzwischen von einer Vielzahl von Software-Unternehmen wie SAP,
Oracle, Infor oder Logility angeboten. Bei allen Investitionen in solche Software bleibt es
allerdings immer wichtig, dass Unternehmen ihre Maßnahmen im Logistikbereich und im
Marketing koordinieren, um eine hohe Kundenzufriedenheit bei angemessenen Kosten zu
schaffen.

Partnerschaften innerhalb der Distributionswege


Unternehmen müssen mehr tun, als nur die eigene Logistik verbessern. Sie sollten mit den
anderen Unternehmen des Distributionskanals zusammenarbeiten, um das Optimum für das
gesamte Distributionssystem zu erreichen. Das Distributionssystem eines Unternehmens ist
das Versorgungssystem des nachgelagerten Unternehmens. Der Erfolg jedes einzelnen Mit-
glieds eines Distributionskanals hängt von den Leistungen aller seiner Mitglieder ab. IKEA
zum Beispiel kann seine schicken, aber erschwinglichen Möbel sowie den damit verbunde-
nen „IKEA Lifestyle“ nur dann anbieten, wenn innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette,
die aus Tausenden von Designern und Lieferanten, Transportunternehmen und Anbietern
von Lagerhallen sowie zusätzlicher Dienstleistungen besteht, höchstmögliche Effizienz und
eine auf den Kunden ausgerichtete Effektivität verfolgt wird.
Fortschrittliche Unternehmen koordinieren deshalb heute ihre Logistikstrategien und gehen
enge Partnerschaften mit Lieferanten und Kunden ein, um den Kundenservice zu verbessern
und die Kosten der Absatzkanäle zu verringern. Eine solche Partnerschaft kann mehrere For-
men annehmen. Viele Unternehmen haben Teams geschaffen, die aus Personen unterschied-
licher Funktionsbereiche und verschiedener Unternehmen zusammengesetzt sind. Andere
Unternehmen arbeiten zusammen an gemeinsamen Projekten. So sind beispielsweise viele
Einzelhändler mit Herstellern an der Erstellung von Marktforschungsprogrammen beteiligt.
Einige Händler erlauben es den Herstellern, ihre Verkaufsstellen als Testfeld für neue Absatz-
programme zu benutzen. Mitarbeiter der Hersteller können sich im Geschäft aufhalten und
beobachten, wie die Kaufinteressenten ein neues Produkt annehmen. Darauf aufbauend ent-
werfen sie für dieses Geschäft und seine Kunden maßgeschneiderte Programme. Lieferant
und Kunde profitieren gleichermaßen von einer solchen Zusammenarbeit. Neue Möglichkei-
ten der Kooperation ergeben sich auch durch das Internet. So etablieren sich beispielsweise
immer mehr elektronische Marktplätze für Geschäftskunden, auf denen Unternehmen

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12 Distribution und Logistik

gemeinschaftlich globale Beschaffungs-, Handels- oder Supply-Chain-Netzwerke aufbauen


können. Wichtig ist, dass alle Mitglieder der Supply Chain zusammenarbeiten, um damit
dem Kunden den höchstmöglichen Nutzen zu bieten. Ein Beispiel für eine erfolgreiche
Zusammenarbeit ist die Vertriebspartnerschaft von Amazon.com und P&G namens „Vendor
Flex“, um die Supply-Chain effizienter zu gestalten. Amazon versendet nun die Waren direkt
vom Produktionsstandort des Herstellers. Und auch für Kunden hat sich mit dem Amazon-
Dash-Button einiges vereinfacht. Sie können Waren per Knopfdruck erneut bestellen.

Marketing-Highlight: Amazon und P&G – das Konzept der


Vertriebspartnerschaft auf einer neuen Ebene

Wenn US-Kunden noch vor wenigen Jahren eine Bounty-Küchenrolle, Pampers-Win-


deln, Charmin-Toilettenpapier oder einen anderen der zahlreichen P&G-Konsumartikel
auf Amazon.com bestellten, wurden die Waren in der Regel über einen komplizierten
Vertriebsweg ausgeliefert. Die Papiertücher z.B. wurden möglicherweise in einer regio-
nalen P&G-Fabrik hergestellt und dann per Lkw an ein Lager des Unternehmens trans-
portiert, wo die Papierartikel entladen und mit anderen P&G-Produkten zu neuen Sen-
dungen umgepackt wurden. Anschließend wurden sie an eines der regionalen Amazon-
Bestellzentren geliefert, dort erneut entladen und eingelagert, ehe sie schließlich von
einem Amazon-Mitarbeiter für den Versand per UPS oder FedEx weiterbearbeitet wur-
den. Durch einen Schritt, der den Vertrieb verpackter Konsumartikel auf den Kopf stel-
len dürfte, betreiben Amazon und P&G mittlerweile jedoch einen neuen, einfacheren
und kostengünstigeren Vertriebsweg für solche Artikel. Heute werden die Sendungen
im P&G-Lager nicht mehr abgeladen und an die Amazon-Bestellzentren geliefert, son-
dern von P&G Mitarbeitern direkt in einen eingezäunten Bereich des eigenen Lagerge-
ländes gebracht. Dieser Bereich wird von Amazon betrieben. Von hier aus verpackt,
adressiert und versendet Amazon die Ware direkt an die Kunden, die sie online bestellt
haben. Amazon nennt diese Zusammenarbeit Vendor Flex — und verändert damit
grundlegend den Handel mit günstigen Alltagsprodukten mit niedrigen Gewinnspan-
nen. Denn diese galten lange Zeit als zu sperrig oder zu billig, um die hohen Frachtkos-
ten im Zusammenhang mit dem Internethandel zu rechtfertigen. Um Haushaltsartikel
profitabel online anzubieten, müssen Unternehmen wie Amazon und P&G zusammen-
arbeiten und auf diese Weise den Vertriebsprozess verschlanken sowie Kosten reduzie-
ren. Hier kommt nun Vendor Flex ins Spiel.
Vendor Flex bringt das Konzept der Vertriebspartnerschaft auf eine ganz neue Ebene.
Der gemeinsame Betrieb von Lagerfläche „unter einem Dach“ verschafft beiden Partnern
Vorteile. Für Amazon reduziert Vendor Flex die Kosten der Lagerhaltung sperriger Arti-
kel wie Windeln und Toilettenpapier in den eigenen Vertriebszentren und schafft
zusätzliche Fläche für Artikel mit höheren Gewinnspannen. Durch die gemeinsame
Nutzung kann Amazon sein Angebot an verpackten Konsumartikeln ausweiten, ohne
dafür zusätzliche Vertriebszentren zu schaffen. Das P&G-Lager hält auch andere erfolg-
reiche Marken des Unternehmens vorrätig, von Gilette-Rasierern über Pantene-Sham-
poo bis hin zu Iams-Tiernahrung. Schließlich garantiert Amazon die Lagerung an der
Quelle auch die sofortige Verfügbarkeit der Waren und ermöglicht eine schnelle Liefe-
rung von P&G-Produkten an die Kunden.

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12.8 Supply Chain Management und Logistik

Auch P&G profitiert von der „Vendor Flex“-Partnerschaft. Durch die Einsparung der
Transportkosten an die Amazon-Bestellzentren senkt das Unternehmen seine Ausgaben;
dadurch wiederum können dem E-Commerce-Riesen wettbewerbsfähigere Preise ange-
boten werden. Und obwohl P&G im stationären Handel eine hervorragende Vermark-
tung betreibt, ist es im Onlinehandel – ein sehr wichtiges Ziel für das Unternehmen –
noch relativ neu. Durch die engere Zusammenarbeit mit Amazon erhält P&G wertvolle
Hilfe bei der Onlinevermarktung seiner Marken. Für Amazon wiederum sind verpackte
Haushaltswaren der nächste große Schritt im Internethandel. Die Präsenz innerhalb der
P&G-Lagerflächen ist für Vendor Flex nur die Spitze des Eisbergs. Amazon und P&G
begannen vor drei Jahren ohne großes Aufheben mit der gemeinsamen Lagernutzung
und der Onlinehändler betreibt in mindestens sieben weiteren P&G-Vertriebszentren
weltweit seine Stationen; unter anderem in Japan und Deutschland. Amazon befindet
sich auch mit anderen großen Herstellern von Verbraucherprodukten – wie z.B. Kim-
berly Clark – in Zusammenarbeit oder in Gesprächen über die gemeinsame Nutzung von
Vertriebsstätten. Ferner hat Amazon beträchtlich in den Ausbau der Infrastruktur inves-
tiert, um sämtliche Artikel des täglichen Bedarfs online an die Kunden verkaufen zu
können. Ende 2010 z.B. übernahm Amazon in den USA die Firma Quidsi, die über die
Seiten Diapers.com und Soap.com Baby-Produkte und Haushaltswaren verkauft. Seit
der Übernahme durch Amazon hat Quidsi ein halbes Dutzend neuer Seiten geschaltet
und verkauft unter anderem Spielzeuge (YoYo.com), Tierbedarf (Wag.com), hochwertige
Kosmetikprodukte (BeautyBar.com) und Wohnbedarf (Casa.com).
Vendor Flex scheint für alle Beteiligten ein Gewinn zu sein – für Amazon, P&G und die
Endverbraucher. Doch die enge Zusammenarbeit zwischen Amazon und P&G sorgte
auch für Unmut bei anderen wichtigen Vertriebspartnern. Nehmen wir zum Beispiel
den US-Handelsriesen Walmart, bisher der mit Abstand größte Kunde von P&G. Wäh-
rend sich der mächtige Händler online einen erbitterten Kampf mit Amazon liefert,
scheint ausgerechnet einer seiner größten Lieferanten Amazon bevorzugt zu behandeln.
Gleichzeitig kommt Amazons Werben um P&G bei anderen wichtigen Lieferanten und
Konkurrenten von P&G auf der Amazon-Webseite nicht gut an. Sowohl P&G als auch
Amazon müssen achtgeben, dass die enge „Vendor Flex“-Beziehung keine anderen
wichtigen Vertriebspartnerschaften beschädigt. Allgemein gehen einige Analysten
davon aus, dass Amazon selbst mit Vendor Flex nicht in der Lage sein wird, Produkte
wie Papiertücher, Reinigungsmittel oder Rasierschaum profitabel online zu verkaufen.
Die Spannen dieser Artikel sind nämlich zu gering, um die Frachtkosten zu decken.
Schon jetzt verliert Amazon schätzungsweise 1 bis 2 Milliarden US-Dollar jährlich
durch das „Amazon Prime“-Versandprogramm. Und, so legen die Experten nahe, könnte
man mit dem Versand schwerer Tide-Waschmittelflaschen oder sperriger Dreierpacks
der Bounty-Küchenrolle aus dem P&G-Lager direkt an den Kunden Geld verdienen,
hätte P&G dies schon längst getan.
Solche düsteren Prognosen lassen jedoch die rasanten Veränderungen im Vertriebswe-
sen außer Acht, besonders im Einzelhandel. Große Versandunternehmen wie UPS und
FedEx treiben die Kosten und Lieferzeiten für kleine Pakete immer weiter nach unten.
Und Amazon zielt in den wichtigen Märkten wie Lebensmitteln und ähnlichen Produk-
ten entschlossen auf das Angebot der Lieferung am selben Tag. Das „Vendor Flex“-Pro-
gramm scheint gut zu diesen Vertriebstrends zu passen.

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12 Distribution und Logistik

Das „Vendor Flex“-Programm zwischen P&G und Amazon ist demnach für beide Unter-
nehmen ideal. Wenn P&G seine Marken effektiver online anbieten will, welchen besse-
ren Partner könnte es dafür finden als Amazon, zweifellos der Platzhirsch im Online-
handel? Und wenn Amazon effektiver verpackte Haushaltswaren anbieten möchte, wer
wäre dafür besser geeignet als P&G, unbestrittene Nummer eins bei der Vermarktung
dieser Artikel? Zusammen können diese beiden Branchenführer unter dem „Vendor
Flex“-Programm ihre Vertriebsstärke voll ausspielen – zum eigenen Vorteil und zum
Vorteil der Kunden, die sie gemeinsam beliefern.

Auslagerung der Logistik an Drittunternehmen


Die meisten Unternehmen übernehmen ihre Logistikaufgaben selbst. Immer mehr Unterneh-
men jedoch lagern Teile oder sogar die gesamte Logistik an Drittunternehmen, wie z.B. UPS,
DHL oder FedEx, aus. Diese integrierten Logistikdienstleister bieten sämtliche Leistungen an,
die notwendig sind, um das Produkt des Kunden auf den Markt zu bringen. Fortschrittliche
Computertechnik und Kommunikationssysteme ermöglichen es den Unternehmen, weit
mehr auszulagern, als nur die Auslieferung der Waren. Logistikunternehmen bieten daher
eine Vielfalt an Dienstleistungen wie Lagerhaltung und After Sales Service an. DHL und UPS
bieten ihren Kunden beispielsweise koordinierte Logistikdienstleistungen aus einer Hand an.
Dies beinhaltet das Supply Chain Management, die Entwicklung kundenspezifischer Infor-
mationstechnologie, Lagerbestandskontrolle und Lagerhaltung, Transportmanagement, Kun-
dendienst sowie Koordination und Kontrolle des Warenversands.
Eine Gruppe von etwa 25 Logistik-Fremdanbietern beherrscht zunehmend das Geschäft der
ausgelagerten Logistik weltweit, da sie für multinationale Hersteller und Einzelhändler eine
immer wichtigere Rolle spielen. Hersteller sind auf verlässliche Lieferquellen angewiesen.
Einzelhändler brauchen flexible Verbindungen zu Lieferanten mit niedrigen Produktionskos-
ten. Doch diese Lieferanten sind oft in weiter entfernten Gebieten ansässig. Gleichzeitig
benötigen die Händler auf Schnelligkeit ausgerichtete Lieferkanäle für ein immer größer wer-
dendes Vertriebsnetz von Konsumenten. Die globalen Fremdanbieter bieten Dienste bei
Transport, Mengenbündelung, Spedition und Zollabwicklung, Lagerhaltung, Vertragserfül-
lung, Vertrieb und praktisch jeder logistischen und handelsbezogenen Leistung für ihre inter-
nationalen Kunden. Die weltweiten Marktführer sind Excel (UK), Kühne & Nagel (Schweiz)
sowie Schenker (Deutschland). Wenig überraschend ist, dass die sieben größten Logistik-
Fremdanbieter allesamt europäisch sind, da das Auslagern von Logistikleistungen in Europa
weiter verbreitet ist als in Amerika.5
Unternehmen setzen Logistik-Fremdanbieter aus verschiedenen Gründen ein. Zunächst liegt
der Hauptfokus darauf, das Produkt auf den Markt zu bringen, was die Dienstleister häufig
effizienter und kostengünstiger erreichen können. Das Auslagern führt in der Regel zu 15 bis
30 Prozent Kosteneinsparungen. Zweitens können sich die Unternehmen durch das Ausla-
gern der Logistikprozesse freier auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Und schließlich verfügen
Logistikunternehmen mit dem gesamten Leistungsangebot über umfassende Kenntnis des
komplexen Logistikumfelds. Laut eines Berichts nutzen 86 Prozent der Fortune-500-Unter-

5 Siehe www.supplychainbrain.com/content/nc/sponsored-channels/kenco-logistic-services-third-
party-logistics/single-article-page/article/top-25-third-party-logistics-providers-extend-their-global-
reach/, Zugriff Juli 2015.

602
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Zusammenfassung

nehmen die Dienste von Logistik-Fremdanbietern (auch ausgelagerte Logistik oder Auftrags-
logistik genannt). General Motors, P&G und Walmart nutzen jeweils 50 oder mehr Logistik-
Dienstleister.6
Die Logistik-Fremdanbieter können für Unternehmen enorm hilfreich sein, wenn es um die
Erweiterung der globalen Marktabdeckung geht. Unternehmen, die ihre Produkte z.B. in ganz
Europa vertreiben, sind mit einer verwirrenden Vielzahl von Umweltauflagen konfrontiert,
die sich auf die Logistik auswirken; darunter Bestimmungen für Verpackungsstandards, Lkw-
Größen und Gewichtsbegrenzungen sowie Lärm- und Emissionskontrollen. Durch das Ausla-
gern der Logistik kann ein Unternehmen ein vollständiges Vertriebssystem für ganz Europa
schaffen, ohne die mit dem Aufbau eines eigenen Systems verbundenen Kosten, Verzögerun-
gen und Risiken tragen zu müssen.

Z US A M M EN FA SSU N G

Um dem Käufer ein Produkt oder eine Dienstleistung verfügbar zu machen, sollte ein
Hersteller nicht nur Beziehungen zu seinen Kunden, sondern auch zu wichtigen Liefe-
ranten und zu Händlern aufbauen. Marketingverantwortliche konzentrierten sich übli-
cherweise auf den Distributions- bzw. Absatzkanal, der die Verbindung zum Kunden
herstellt. Entscheidungen über Vertriebskanäle betreffen direkt alle anderen Entschei-
dungsbereiche des Marketings. Jedes denkbare Distributionssystem erzeugt ein anderes
Niveau von Kosten und Einnahmen und erreicht andere Käufersegmente. Beim Aufbau
von Vertriebskanälen bedienen sich die Anbieter des Zusammenspiels mehrerer interde-
pendenter Organisationen, die daran beteiligt sind, das Produkt oder die Dienstleistung
zum Ge- oder Verbrauch für den Verbraucher oder den gewerblichen Nutzer verfügbar
zu machen. Durch ihre Beziehungen, ihre Erfahrung, ihre Spezialisierung oder ihre
Betriebsgröße und Reichweite vermögen derartige Vermittler häufig mehr zu erreichen,
als es ein Hersteller aus eigener Kraft könnte.
Vertriebskanäle übernehmen mehrere Schlüsselaufgaben: Informationssuche und -ana-
lyse, Kommunikation, Verkaufsförderung, Knüpfen von Kontakten, Abstimmung und
Anpassung der Angebote auf die Bedürfnisse der Kunden, Verhandeln von Konditionen,
Logistik und physische Verteilung, Finanzierung und Risikoübernahme.
Ein Vertriebskanal ist dann wirklich effizient, wenn jedes der Mitglieder die Aufgaben
übertragen bekommt, die es am besten ausführen kann, und wenn alle Teilnehmer har-
monisch zusammenarbeiten. Die Mitglieder sollten ihre Rolle verstehen und akzeptie-
ren, ihre Ziele und Aufgaben koordinieren und miteinander kooperieren, um die Ziele
des gesamten Distributionssystems zu erreichen. In den vergangenen Jahren sind neue
Organisationsformen von Vertriebskanälen entstanden, die eine stärkere Führung bei
der Rollenverteilung und Konfliktbewältigung und eine höhere Leistungsfähigkeit
sicherstellen.

6 „3PL Customers Report identifies service trends, 3PL market segment sizes and growth rates“, Arms-
trong & Associates, Inc., 11. Juli 2013, www.3plogistics.com/PR_3PL_Customers-2013.htm.

603
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12 Distribution und Logistik

Jedes Unternehmen muss alternative Wege identifizieren, über die es seinen Zielmarkt
erreichen kann. Dabei gibt es Variationen von Direktmarketing-Lösungen bis hin zu Ver-
triebskanälen mit ein, zwei, drei oder mehr intermediären Stufen externer Partner. Die
Vertriebskanäle unterliegen einem kontinuierlichen Wandel. Drei der wichtigsten
Trends sind die Zunahme bei den vertikalen, den horizontalen und den hybriden Mar-
ketingsystemen. Diese Entwicklungen beeinflussen die Kooperation innerhalb des Dis-
tributionskanals, mögliche Konflikte und den Wettbewerb.
Die Konzeption eines Vertriebskanals beginnt damit, dass die Anforderungen der Kun-
den ermittelt und die Ziele und Einflussfaktoren des eigenen Unternehmens bestimmt
werden. Das Unternehmen identifiziert dann die möglichen Alternativen in Bezug auf
die eingesetzten Distributionstypen, die Anzahl der Vermittler und die ihnen übertra-
gene Verantwortung.
Jede dieser Distributionsalternativen ist anhand von wirtschaftlichen Kriterien, Kontrol-
laspekten und der Flexibilität des Systems zu bewerten. Zum Management dieser Ver-
triebskanäle gehört es, qualifizierte Vermittler auszusuchen, zu motivieren und ihre
Leistungen periodisch zu überprüfen. Unternehmen sollten ihre Produkte nicht durch
die Vermittler verkaufen, sondern mit ihnen. Ziel ist es, langfristige Partnerschaften zu
den Mitgliedern der Distributionskanäle aufzubauen, um ein Marketingsystem zu etab-
lieren, das sowohl den Bedürfnissen des Herstellers als auch der Handelspartner ent-
spricht. Unternehmen, die auf internationalen Märkten tätig werden, können die Grund-
züge des Managements eines Distributionssystems zwar anwenden, müssen jedoch das
Distributionskonzept den Marktbedingungen der jeweiligen Zielregion anpassen.
Immer mehr Unternehmen schenken heute der physikalischen Distribution, auch Mar-
ketinglogistik genannt, mehr Beachtung. Zur Marketinglogistik gehören alle Aktivitäten
der sogenannten Supply Chain, der Wertschöpfungskette, die dazu dient, dem Kunden
den maximalen Nutzen zu bieten. Kein Logistiksystem kann gleichzeitig den Service für
den Kunden maximieren und die Kosten minimieren. Die Zielvorgabe ist daher, ein
angestrebtes Serviceniveau zu definieren und dieses dann mit minimalen Kosten zu rea-
lisieren. Als primäre Logistikfunktionen werden die Lagerhaltung und das Bestandsma-
nagement einschließlich Transport und das Informationsmanagement angesehen.
Zunehmend führen Unternehmen integrierte Logistikkonzepte ein. Sie erkennen, dass
eine Optimierung von Logistikstrukturen eine enge Zusammenarbeit erfordert, zum
einen zwischen den innerbetrieblichen Funktionsbereichen und zum anderen zwischen
allen externen Partnern in der Wertschöpfungskette. Unternehmen können ihre Logis-
tikstrukturen abstimmen, indem sie über die Funktionsbereiche hinweg Logistikteams
bilden, Logistikkoordinatoren einsetzen, die die logistischen Aktivitäten der einzelnen
Funktionsbereiche zusammenführen oder einen Supply Chain Manager berufen, der mit
funktionsübergreifenden Befugnissen bezüglich Entscheidungen zur Logistik ausgestat-
tet sein sollte. Die Kooperation von unterschiedlichen Akteuren eines Distributionska-
nals kann in Form von unternehmensübergreifenden Teams, gemeinsamen Projekten
und Informationsnetzwerken institutionalisiert werden. Immer mehr Unternehmen
lagern ihre Logistik aus und vergeben sie an externe Logistikspezialisten, um Kosten zu
sparen, die Effizienz zu steigern und schneller und einfacher Zugang zu internationalen
Logistikstrukturen für den Weltmarkt zu erhalten.

604
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Literatur und Quellen

Literatur und Quellen


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605
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Einzelhandel und Großhandel

13.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 13


13.2 Der Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612
13.3 Der Großhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634

ÜBERBLICK
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645

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13 Einzelhandel und Großhandel

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... die Funktion und Bedeutung von Einzelhändlern, Großhändlern und physischer
Distribution diskutieren.
 ... Trends und Entwicklungen des Einzelhandels und Großhandels erklären.
 ... die von Groß- und Einzelhändlern zu treffenden Marketingentscheidungen erläu-
tern.

13.1 Einführung
Wir werfen nun einen genaueren Blick auf die beiden wichtigsten Absatzmittler: den Groß-
handel und den Einzelhandel. Über den Einzelhandel wissen Sie sicher schon einiges –
Händler jeder Art und Größe bedienen Sie schließlich jeden Tag, sowohl in Geschäften als
auch online. Über den Großhandel und dessen Tätigkeit hinter den Kulissen wissen Sie dage-
gen vermutlich weniger. In diesem Kapitel untersuchen wir die unterschiedlichen Arten des
Groß- und Einzelhandels, deren jeweilige Marketingentscheidungen sowie die zukünftigen
Trends.
Der Einzelhandel ist ein höchst wechselhaftes Geschäft. Obwohl wir zunächst an die ganz
großen Ketten der Branche denken, wie Walmart, Carrefour, CostCo, Metro und Tesco, wird
der Markt tatsächlich auch von anderen Akteuren gesteuert, die großen Einfluss auf den
weltweiten Einzelhandel haben. Dazu muss man sich nur ansehen, wie ALDI anstrebt, neben
seiner Marktbedeutung in Deutschland, global an Stärke zu gewinnen. Was ALDI mit ande-
ren erfolgreichen Einzelhändlern gemeinsam hat, ist der unnachlässige Fokus auf der Schaf-
fung von Kundennutzen.

Einführende Fallstudie: ALDI – entspannte Zeiten auf dem britischen


und dem US-Markt?

ALDI war aus internationaler Perspektive nie ein so geläufiger Name, wie es Tesco,
Sainsbury’s, Asda/Walmart oder Carrefour von sich behaupten können, doch der Kon-
zern verzeichnete in den letzten Jahren beeindruckende Ergebnisse. Das Geschäftskon-
zept besteht im Verkauf von Eigenmarken zu günstigen Preisen, präsentiert in karg ein-
gerichteten Filialen. Die ersten ALDI-Märkte waren mit nackten Neonröhren
ausgestattet, die Waren lagen auf Paletten im Verkaufsraum, es gab keine Kühlartikel
und nur wenig Verkaufspersonal. Heute betreibt der ALDI-Konzern mehr als 9.000 Filia-
len in 18 Ländern der Welt, darunter Trader Joe’s in den USA. Kern des Geschäftsmo-
dells ist das begrenzte Warenangebot – ALDI listet vielleicht 1.000 bis 3.000 Artikel,
während es in einem herkömmlichen Hypermarkt bis zu 50.000 sind.

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13.1 Einführung

Die beispiellos niedrigen Preise resultieren aus hoher Effizienz. ALDI konnte unbemerkt
ein enormes Wachstum erreichen, da der Konzern ein Privatunternehmen ist – eines der
größten weltweit. Die Gruppe veröffentlicht keine Ergebnisse, doch Schätzungen gehen
von einem globalen Umsatz von 67 Milliarden Euro aus. Zudem ist ALDI einer der am
schnellsten wachsenden Einzelhändler der Welt. Das Unternehmen war Vorreiter im
Geschäft mit Waren zu günstigen Preisen, die auf Paletten gestapelt sind, und hat den
Einzelhandel in Deutschland, aber auch vielen Teilen Europas von Grund auf verändert.
ALDI nimmt von den Lieferanten große Mengen ab, die als Eigenmarken geordert wer-
den; so sind die Preise weitaus niedriger als die der Wettbewerber. Bemerkenswert:
Schon neben der Tatsache, dass das Unternehmen die Schmucklosigkeit seiner Filialen
auf die Spitze trieb, ist ALDI so billig, dass selbst das mächtige Walmart seine Geschäfte
in Deutschland schließen, sie an Metro verkaufen und auf diese Weise Milliardenver-
luste hinnehmen musste – teilweise deshalb, weil Kunden den US-Riesen im Vergleich
zu ALDI als teuer empfanden. Ursprünglich startete ALDI, Abkürzung für „Albrecht
Diskont“, als deutsche Discount-Supermarktkette. Noch heute besteht der Konzern aus
zwei unabhängigen Gruppen: ALDI Nord mit Hauptsitz in Essen und ALDI Süd mit
Hauptsitz in Mülheim an der Ruhr, die getrennt voneinander mit fest eingeteilten
Geschäftsgebieten geführt werden. Die einzelnen Gruppen wurden ursprünglich von
den inzwischen verstorbenen Brüdern Karl und Theo Albrecht geleitet; sie galten für
lange Zeit als die beiden reichsten Personen in Deutschland. Die Brüder hatten sich
stets von der Öffentlichkeit abgeschottet; selbst einige leitende Angestellte, die ihre
gesamte Laufbahn bei ALDI verbracht hatten, bekamen keinen der Brüder jemals zu
Gesicht.
In Deutschland besteht das Geschäft von ALDI Nord derzeit aus 35 Regionalgesellschaf-
ten mit etwa 2.500 Filialen in West-, Nord- und Ostdeutschland. ALDI Süd umfasst 31
Regionalgesellschaften mit 1.600 Filialen im Westen und Süden des Landes. Laut einer
Studie des deutschen Marktforschungsinstituts Forsa kaufen 95 Prozent der Arbeiter, 88
Prozent der Angestellten, 84 Prozent der Beamten und 80 Prozent der Freiberuflichen
regelmäßig bei ALDI ein. ALDI und seine Wettbewerber im Discount-Geschäft machen
rund 40 Prozent sämtlicher Lebensmittelumsätze in Deutschland aus. Auf internationa-
ler Ebene ist ALDI Nord in Dänemark, Frankreich, den Benelux-Ländern, auf der iberi-
schen Halbinsel und in Polen vertreten, während ALDI Süd in Ländern wie Irland, dem
Vereinigten Königreich, Ungarn, Griechenland, der Schweiz, Österreich, Slowenien
(hier unter dem Namen Hofer) sowie Australien aktiv ist. In den Vereinigten Staaten ist
ALDI Nord die Muttergesellschaft des Nischenhändlers Trader Joe‘s, ALDI Süd betreibt
seine Filialen hier unter eigenem Namen.
Nach einem zunächst schwierigen Markteintritt in Großbritannien Anfang der 1990er-
Jahre ging ALDI im Jahr 2009 als einer der wenigen Gewinner aus der Weltwirtschafts-
krise hervor. Dabei stiegen die Umsätze in einem einzigen Jahr um 25 Prozent. Der
Erfolg wurde noch dadurch verstärkt, dass nun auch kaufkräftigere Kunden aller demo-
grafischen Schichten (nach der ABC-Analyse) zum Kundenstamm gehörten – heute
machen diese gut die Hälfte der regelmäßigen Kunden aus. Mit einem Marktanteil von
nur rund 3 Prozent im britischen Lebensmittel-Einzelhandel war ALDI überzeugt, beim
künftigen Wachstum noch viel Luft nach oben zu haben. Schätzungen legen nahe, dass
der Anteil der Discounter am britischen Einzelhandel von weniger als 5 auf mehr als 20
Prozent anwachsen könnte.

609
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13 Einzelhandel und Großhandel

Abbildung 13.1: ALDI-Filiale in Baltimore, Maryland, USA


(Quelle: Julian Budke (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Usaldisign.jpg), „Usaldisign“, https://creativecommons.org
/licenses/by-sa/2.5/legalcode)

Als das Verbraucherinstitut Which? 2010 Kunden zu der Filialqualität, Mitarbeiter-


freundlichkeit, dem Sortiment und den Preisen befragten, landeten Discounter wie
ALDI (und der kleinere deutsche Konkurrent Lidl) in puncto Kundenzufriedenheit noch
vor den „großen Vier“ (Tesco, Sainsbury’s, Asda und Morrisons). Neben dem sehr preis-
werten Standardsortiment bietet ALDI wöchentlich etwas höherpreisige Aktionsartikel
wie Elektronik, Werkzeuge und Computer an – gerade diese, z.B. das Tablet für ca. 80
Pfund, sind regelmäßig innerhalb weniger Stunden ausverkauft.

610
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13.1 Einführung

Tesco bereitete dies so große Sorgen, dass es eine Nachbildung einer ALDI-Filiale auf
dem Gelände der Firmenzentrale errichtete, in der leitende Angestellte, Marketingex-
perten und Einkäufer die Taktik des Rivalen analysieren sollten. Tesco musste bereits
auf die Discounter reagieren, indem es ein Sortiment günstiger Eigenmarken heraus-
brachte. Doch die etablierten Wettbewerber im britischen Lebensmittel-Einzelhandel
machten den Fehler, ALDI zu unterschätzen – bis es zu spät war. In der Finanzkrise
Ende der 2000er-Jahre, als die Arbeitslosenzahlen durch die Decke gingen und Haus-
halte unter der Last ihrer Kredite sparen mussten, gewannen die schmucklosen Dis-
counter (vorrangig ALDI, aber auch Lidl) scharenweise neue Kunden. Das begrenzte
Angebot hochwertiger Produkte zu niedrigen Preisen lockte die Kunden von Tesco,
Sainsbury’s, Asda und Morrisons weg, da auch die britische Mittelschicht angesichts
steigender Energie- und Lebensmittelkosten den Gürtel enger schnallen musste. ALDI
hat die Zahl seiner Filialen im Vereinigten Königreich in drei Jahren bis 2015 verdop-
pelt. Zuvor war der Kundenanteil in der kaufkräftigsten demografischen Schicht von
nur 12 Prozent im Jahr 2013 auf nunmehr 31 Prozent angewachsen.
ALDI liegt mit seinen Preisen rund ein Drittel unter denen der Wettbewerber. Die Pro-
duktauswahl ist begrenzt, doch das führt zu niedrigeren Kosten als bei der Konkurrenz
– während ALDI nur eine Sorte Tomatenketchup anbietet, listet Tesco etwa 24 Sorten.
Durch die niedrigeren Kosten konnte ALDI eine Flasche Chateau-Neuf-du-Pape zum
Preis von 7,99 Pfund anbieten, dazu leistete sich der Kunde einen kanadischen Hummer
von Lidl für 4,99 Pfund. Paul Foley, Leiter von ALDI UK, meint: „Wenn Sie den Kunden
höchste Qualität zum niedrigsten Preis bieten, überrascht es nicht, dass wir diesen
Marktanteil erreichen.“ Tatsächlich landet ALDI bei Warentests regelmäßig auf den vor-
deren Plätzen – bei einem Geschmackstest der Eigenmarken konnte ALDI im Jahr 2013
bei Schinken, Tees und Kuchen die Händler M&S und Harrods schlagen. In der Werbe-
kampagne von ALDI stellen etwas schrullige und schräge Verbraucher direkte Verglei-
che zwischen den teuren Markenprodukten und den weitaus preiswerteren Eigenmar-
ken von ALDI an und betonen dabei die Gleichwertigkeit der Qualität mit der
Feststellung, dass ALDI-Produkte „wie Marken sind. Nur billiger.“ Ein Meilenstein war
2015 die Überholung von Waitrose bei den Marktanteilen im britischen Lebensmittel-
Einzelhandel – eine halbe Million neuer ALDI-Kunden verschafften dem Unternehmen
einen Marktanteil von 5,3 Prozent, der von Waitrose lag bei 5,1 Prozent. ALDI ist heute
die sechstgrößte Einzelhandelskette im Vereinigten Königreich. ALDI und die anderen
Discounter führten die Deflation der Lebensmittelpreise an und stürzten die großen vier
Händler ins Chaos, die inmitten eines immer härter werden Preiskampfes um Umsatzge-
winne kämpfen müssen. Mehr als die Hälfte aller Familien im Vereinigten Königreich
kaufen heute bei Discountern statt bei den traditionellen Händlern. ALDI bietet einen
konstanten Preisvorteil von bis zu 30 Prozent gegenüber den „fünf großen“ Supermärk-
ten. Der Druck stieg noch weiter an, als ALDI erstmals die Bezahlung mit Kreditkarte
akzeptierte. Im Jahr 2015 befand sich ALDI mitten in einem auf zwei Jahre angelegten
Investitionsprozess mit 600 Millionen Pfund für die Eröffnung neuer Filialen und den
Umbau bestehender Märkte. Bis 2022 soll das Filialnetz 1.000 Märkte umfassen. In vier
Jahren hat ALDI seine Verkaufsdichte von 10 Pfund auf 25 Pfund pro Quadratmeter und
Woche gesteigert. Der US-Ableger von ALDI breitet sich auf dem heimatlichen Boden
von Walmart in Amerika immer weiter aus und versucht, in Zeiten der Krise Kunden in
seine spartanischen und preiswerten Läden zu locken – und sie auch nach der wirt-
schaftlichen Erholung an sich zu binden.

611
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13 Einzelhandel und Großhandel

Das Unternehmen nutzte den Abschwung für die Überwindung einer traditionellen
Hürde: US-Kunden zeigen eine große Markentreue. Laut einer Studie von Nielsen Co.
machen Eigenmarken generell rund 22 Prozent der Umsatzerlöse in den USA aus (fast
30 Prozent sind es in Europa), doch bei ALDI bestehen 95 Prozent des Angebots aus
Eigenmarken. Im Mittleren Westen der USA liegen die ALDI-Preise zwischen 15 und 20
Prozent unter denen von Walmart und 30 bis 40 Prozent unter denen der regionalen Ket-
ten. Tatsächlich gibt es ALDI schon seit 1976 in den USA, mehr als 1.000 Filialen wer-
den dort betrieben. Während die US-Lebensmittelhändler ALDI als „schlafenden Rie-
sen“ betrachteten, wappnet sich das Unternehmen nun für den Marktauftritt seines
Rivalen Lidl, der den Handel noch einmal ordentlich aufmischen dürfte. Gleichzeitig
rüstet ALDI seine deutschen Märkte durch verbesserte Lebensmittelsortimente und ein
Angebot hochwertigerer Aktionsartikel weiter auf, um auch die Kunden der Mittel-
schicht mit höherem verfügbaren Einkommen zu erreichen. Einst betrieb ALDI in den
USA und im Vereinigten Königreich unattraktive Geschäfte in sozial schwächeren
Gegenden, verkaufte nur wenige Produkte und kaum frische Lebensmittel. Das Erschei-
nungsbild der Filialen hat sich verbessert, auch das Angebot an Lebensmitteln wurde
verstärkt. In den USA ist ALDI heute in der Nähe von den großen Walmart-Centern
angesiedelt, um Kunden anzulocken. Ob ALDI seinen Erfolg im Vereinigten Königreich
durch das Vorrücken im riesigen US-Markt wiederholen kann, wird sich zeigen.

Fragen
1. Worin liegt das Erfolgsgeheimnis von ALDI?
2. Worin liegt die Effizienz von ALDI begründet?
3. Wie können die klassischen Retailer auf den Vormarsch von ALDI reagieren, um
nicht weitere Marktanteile zu verlieren?

Die einführende Fallstudie von ALDI dient als Grundlage für einen näheren Blick auf die
sich schnell verändernde Welt der heutigen Wiederverkäufer. Im ersten Abschnitt dieses
Kapitels betrachten wir die Struktur und Bedeutung des Einzelhandels, die wichtigsten stati-
onären und nicht stationären Händler, die Entscheidungen des Großhandels sowie dessen
Zukunft. Im zweiten Abschnitt betrachten wir dieselben Themen bezogen auf den Großhan-
del.

13.2 Der Einzelhandel


Viele Organisationen – Hersteller, Großhändler und Einzelhändler – sind im Handel tätig. In
den meisten Vertriebskanälen spielt der Einzelhandel eine wichtige Rolle. Er führt, wie es die
Marketing-Agentur OgilvyAction beschreibt, auf den letzten Metern die Marken mit den Ver-
brauchern zusammen – und ist damit die letzte Station auf dem Weg des Kunden zum Kauf.
Oder, wie es ein Manager von OgilvyAction ausdrückt, „die Strecke, die ein Kunde zwischen
einem (Kauf-)Vorhaben und der konkreten (Kauf-)Handlung zurücklegt“. Etwa 40 Prozent
aller Kaufentscheidungen werden im oder nahe des Geschäfts getroffen. Daher erreichen die
Händler ihre Kunden „im Moment der Wahrheit und beeinflussen so unmittelbar die Hand-

612
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13.2 Der Einzelhandel

lungen an diesem Punkt des Kaufs“.1 Tatsächlich übernehmen viele Marketingexperten


heute das Konzept des „Shopper-Marketings“ mit Schwerpunkt auf dem gesamten Marke-
tingprozess – von der Produkt- und Markenentwicklung bis hin zu Logistik, Werbung und
Verkaufsförderung – und machen Kunden auf dem Weg zur Einkaufsstätte so zu Käufern.
Shopper Marketing richtet sich auf den Einsatz von Werbemaßnahmen in den Geschäften,
um den Markenwert auch auf die „letzte Meile“ auszuweiten und Kaufentscheidungen in der
Filiale zu begünstigen. Dabei wird deutlich, dass die Bedeutung der Einkaufsstätte selbst ein
wichtiges Marketingmittel ist. Das Konzept des Shopper Marketings unterscheidet sich
durch die Annahme, dass diese Maßnahmen rund um den Kaufprozess selbst platziert sein
sollten. So folgt P&G dem Konzept „Zurück zum Laden“, in dem sämtliche Marketingideen
vor Ort funktionieren müssen und erst von dort aus weitergetragen werden. Diese Strategie
basiert auf dem, was P&G den „First Moment of Truth“ nennt – diese kritischen drei bis sie-
ben Sekunden, in denen ein Käufer sich mit einem Produkt im Regal beschäftigt.2
Der massive Anstieg bei den Online- und mobilen Käufen hat dem Shopper Marketing eine
neue Dimension verliehen. Der „Moment of Truth“ im Einzelhandel findet heute nicht erst in
den Geschäften statt. Stattdessen bezeichnet Google einen „Moment Null der Wahrheit“, ab
dem der Kaufprozess der Verbraucher mit der Suche nach einem Produkt und der Informati-
onsbeschaffung im Internet beginnt. Die modernen Verbraucher nutzen zunehmend alle ver-
fügbaren Vertriebskanäle. Für sie besteht wenig Unterschied zwischen dem Einkauf im
Geschäft und dem im Internet, und für sie führt der Weg zum Kauf im Laden über viele ver-
schiedene Kanäle. Für diese Kunden kann ein bestimmter Einkauf aus einer Online-Pro-
duktrecherche und dem anschließenden Kauf bei einem Onlinehändler bestehen, ohne dass
sie je ein echtes Geschäft betreten würden. Oder aber sie nutzen ihr Smartphone für die Pro-
duktrecherche, entweder unterwegs oder sogar vor Ort im Geschäft. So begegnet man inzwi-
schen häufig Kunden, die sich ein Produkt in einer Kaufhof-Filiale ansehen, während sie
gleichzeitig über eine mobile App die Bewertungen und Preise für genau dieses Produkt bei
Amazon.com prüfen. Daher geht es beim Shopper Marketing heute nicht mehr nur um die
Einkäufe in den Geschäften. Die Beeinflussung der Kaufentscheidungen während des Kaufs
beinhaltet auch Maßnahmen, die auf die Online-Suche sowie auf den Kauf im Geschäft, im
Internet und über mobile Apps gerichtet sind.3 Obwohl der Handel noch immer hauptsäch-
lich in Filialen stattfindet, haben Direkt- und Onlinehandel in den letzten Jahren sehr viel
schneller an Wachstum zugelegt als der stationäre Handel. Wir kommen später in diesem
Kapitel sowie in Kapitel 17 noch auf die Themen Direkt- und Onlinehandel zurück.
Zunächst bleiben wir jedoch beim stationären Einzelhandel.

1 Siehe zu diesem Zitat und weiteren Informationen zu OgilvyAction Katy Bachman, „Suit your shelf“,
AdweekMedia, 19. Januar 2009, S. 10–12; „Ogilvy action takes regional marketers to the last mile“,
23. Januar 2008, www.entrepreneur.com/tradejournals/article/173710015.html; Jack Neff, „Trouble
in store for shopper marketing“, Advertising Age, 2. März 2009, S. 3–4; Statistik zu Umsätzen des Ein-
zelhandels „Monthly and Annual Retail Trade“, US Census Bureau, www.census.gov/retail/, Zugriff
Februar 2010.
2 Jack Neff, „P&G pushes design in brand-building strategy“, 12. April 2010, http://adage.com/
print?article_id=143211; Gil Press, „What do CMOs want? On big data, better focus, and moments of
truth“, Forbes, 25. November 2013, www.forbes.com/sites/gilpress/2013/11/25/what-do-cmos-want-
on-big-data-betterfocus-and-moments-of-truths/.
3 Zu weiteren Aspekten des Shopper-Marketings siehe Christopher Heine, „Marketing to the om-
nichannel shopper“, Adweek, 3. Juni 2013, S. S1–S2; John Balla, „Customer l love – it’s all about the
connection“, loyalty360, 14. Februar 2014, http://loyalty360.org/loyalty-today/article/customer-
love-its-all-about-the-connection; www.shoppermarketingmag.com/home/, Zugriff Juni 2014 und
„ZMOT“, Google Digital Services, www.zeromomentoftruth.com/, Zugriff September 2014.

613
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13 Einzelhandel und Großhandel

13.2.1 Betriebstypen des Einzelhandels


Einzelhandelsgeschäfte kommen in allen Größen und Formen vor, trotzdem entwickeln sich
ständig neue Typen. Grundsätzlich lassen sie sich nach dem Umfang der angebotenen Dienst-
leistungen (Bedienprinzip), der Breite und Tiefe ihres Sortiments, dem Preisniveau und
ihrem Organisationstyp unterscheiden.

Einzelhandel

Bedienprinzip Sortiment Preisniveau Organisationsform


Selbstbedienung Fachgeschäft und Discounter Handelsketten
Eingeschränktes Spezialgeschäft Off-Price-Stores oder (Filialbetriebe)
Serviceangebot Fachmarkt Niedrigpreis-Geschäfte Freiwillige Ketten
Umfassendes Warenhäuser Factory-Outlet Einkaufs-
Serviceangebot Convenience Stores/ genossenschaften
Nachbarschaftsläden Franchising
Supermärkte Einzelhandelsgruppen
Verbrauermärkte
SB-Warenhaus

Abbildung 13.2: Mögliche Klassifikationskriterien für Einzelhandelsgeschäfte

Umfang der angebotenen Dienstleistungen (Bedienprinzip)


Unterschiedliche Produkte verlangen nach unterschiedlichen Serviceleistungen des Unter-
nehmens, aber auch die Serviceerwartungen der Kunden sind verschieden.
Selbstbedienung Der Selbstbedienungseinzelhandel versorgt Kunden, die bereit sind, die
gewünschten Produkte selbst zu suchen, miteinander zu vergleichen und schließlich auszu-
wählen, um Kosten zu sparen. Selbstbedienung ist die Basis aller Discount-Aktivitäten und
findet sich typischerweise in Unternehmen, die Güter des täglichen Bedarfs oder andere
schnell drehende Güter verkaufen. Beispiele sind Supermärkte und Discounter.
Eingeschränktes Serviceangebot Einzelhändler mit eingeschränktem Serviceangebot, wie
z.B. Warenhäuser, bieten Interessierten mehr Hilfe beim Kauf an. Grund sind häufig erklä-
rungsbedürftige Waren, zu denen der Kunde zusätzliche Informationen benötigt.
Umfassendes Serviceangebot Einzelhändler mit umfassendem Serviceangebot, wie z.B. Spezi-
algeschäfte und Warenhäuser der gehobenen Preiskategorie, stehen dem Kunden in jeder Phase
des Kaufprozesses zur Seite. Sie führen in der Regel mehr Güter für den speziellen Bedarf, zu
denen die Kunden eine umfassende Beratung wünschen. Daher bieten sie mehr Dienstleistun-
gen an, was zu höheren Kosten führt, die sich wiederum in höheren Preisen äußern.

Sortiment
Einzelhändler unterscheiden sich auch im Hinblick auf die Breite und Tiefe ihres Sorti-
ments.
Fachgeschäft und Spezialgeschäft Ein Fachgeschäft führt ein branchenspezifisches Sorti-
ment mit einer sehr großen Auswahl an Produkten unterschiedlicher Preis- und Qualitätsni-
veaus. Zusätzlich werden dem Kunden Serviceleistungen wie fachkundige Beratung oder

614
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13.2 Der Einzelhandel

Kundendienst angeboten. Typische Branchen für Fachgeschäfte sind Damen- oder Herrenbe-
kleidung, Kosmetik, Unterhaltungselektronik, Sportbekleidung und Spielwaren. Das Spezial-
geschäft konzentriert sich auf einen Ausschnitt aus dem Warenbereich des Fachgeschäfts
und bietet in diesem eine große Auswahl für die gehobenen Ansprüche seiner Kunden sowie
ergänzende Dienstleistungen an. Der zunehmende Einsatz von Marktsegmentierung, Ziel-
gruppenmarketing und sehr speziellen Produkten erfordert immer mehr Geschäfte, die sich
auf spezifische Produkte und Segmente konzentrieren.
Fachmarkt Im Vergleich zum Fachgeschäft verfügt der Fachmarkt über eine deutlich größere
Fläche und kann seine Ware so übersichtlich präsentieren. Sein Sortiment kann sich auf
einen bestimmten Produktbereich wie z.B. Schuhe, eine bestimmte Zielgruppe wie designin-
teressierte Kunden oder einen speziellen Bedarf wie beispielsweise Heimwerken ausrichten.
Die Standorte sind so gewählt, dass die Verbraucher mit dem Auto günstig dorthin gelangen
können. Typische Beispiele für Fachmärkte sind Media-Markt oder Saturn im Bereich Unter-
haltungselektronik.
Warenhäuser Anders als Fachmärkte verfügen Warenhäuser über ein sehr breites Sortiment,
das mehrere Branchen umfasst wie Bekleidung, Kosmetik, Sport, Heimtextilien, Unterhal-
tungselektronik, Hausrat, aber teilweise auch Nahrungs- und Genussmittel. Meist mehr-
stöckig befindet sich das Warenhaus häufig in Innenstadtlagen oder Einkaufszentren. In den
letzten Jahren wurden die Warenhäuser von flexiblen und fokussierten Fachgeschäften auf
der einen Seite und niedrigpreisigen Discountern auf der anderen Seite bedrängt und haben
darauf mit verschiedenen Konzepten und unterschiedlichem Erfolg reagiert. Beispiele für
bekannte Warenhäuser sind Harrods in Großbritannien, Bloomingdale’s in den Vereinigten
Staaten, El Corte Inglés in Spanien, Galeries Lafayette in Frankreich und Galeria Kaufhof in
Deutschland.
Convenience Stores/Nachbarschaftsläden sind kleine Geschäfte mit einer beschränkten Aus-
wahl an Gütern des täglichen Bedarfs mit einer hohen Umschlagshäufigkeit. Typische Bei-
spiele dafür sind Einzelhandelsgeschäfte wie Nah und Gut (Edeka), aber auch Bahnhofs-
märkte, Kioske oder Tankstellen. Sie sind häufig in Wohngebieten oder an frequenzstarken
Standorten angesiedelt. In Ländern, in denen die Gesetze für Ladenöffnungszeiten liberaler
als in Deutschland sind, haben viele Nachbarschaftsgeschäfte 24 Stunden am Tag an sieben
Tagen in der Woche geöffnet. Damit besetzen sie ein Nischensegment und erfüllen ein wich-
tiges Kundenbedürfnis: Kunden nutzen Nachbarschaftsläden für dringende Einkäufe außer-
halb der regulären Öffnungszeiten oder wenn die Zeit knapp ist. Sie sind bereit, für die güns-
tige Lage und die besonderen Öffnungszeiten zu bezahlen.
Supermärkte sind die am häufigsten besuchte Form von Einzelhandelsgeschäften. Das Sorti-
ment besteht im Wesentlichen aus Nahrungs- und Genussmitteln einschließlich Frischware
(wie Obst, Gemüse, Fleisch, Wurst) und wird durch ausgewählte Waren des täglichen Bedarfs
ergänzt. Beispiele sind Edeka- oder Rewe-Märkte. Trotzdem können Supermärkte aufgrund des
zunehmenden Wettbewerbs durch Convenience Stores, Lebensmitteldiscounter und Verbrau-
chermärkte heute nur geringe Wachstumsraten verzeichnen. Um Kunden zu gewinnen, müssen
die Supermärkte deshalb ihre Leistungen verbessern. Einige der größeren Supermärkte haben
Bäckereien, Feinkostgeschäfte und Frischfischtheken im Geschäft eingerichtet. Andere Super-
märkte versuchen, die Kosten zu senken, indem sie Vorgänge effizienter gestalten und die
Preise senken, um besser mit den Lebensmittel-Discountern konkurrieren zu können.
Verbrauchermärkte Deutlich größer als Supermärkte sind Verbrauchermärkte. Sie bieten
neben einer sehr großen Auswahl an Lebensmitteln auch Non-Food-Waren des kurz- und
mittelfristigen Bedarfs an. Verbrauchermärkte liegen gewöhnlich außerhalb von Städten,

615
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13 Einzelhandel und Großhandel

manchmal sind sie in Einkaufszentren integriert und verfügen in der Regel über ein großes
Parkplatzangebot. Die Waren werden fast ausschließlich in Selbstbedienung ausgewählt und
an einer zentralen Kasse am Ausgang bezahlt. Die letzten Jahre zeigten eine starke Zunahme
an Verbrauchermärkten. Viele entwickelten sich zu riesigen Fachgeschäften, die sogenannten
„Category killers“ wie z.B. Toys“R“Us. Diese Geschäfte führen ein breites Warensortiment
einer bestimmten Linie und haben sachkundiges Personal. Es gibt sie in verschiedenen Berei-
chen wie Unterhaltungselektronik, Babyprodukte, Spielwaren oder Sportartikel.
SB-Warenhaus Das SB-Warenhaus unterscheidet sich von Verbrauchermärkten vor allem
durch seine Größe. Durch das deutlich großzügigere Platzangebot führt es ein noch umfas-
senderes Sortiment mit dem Schwerpunkt auf Lebensmitteln, ergänzt durch Warengruppen
des kurz- und mittelfristigen Bedarfs wie Haushaltswaren, Heimtextilien, Kleinmöbel oder
Bekleidung. Bekannte Beispiele für SB-Warenhäuser sind Globus, real und Marktkauf.

Preisniveau
Einzelhändler können auch anhand der Preise, die sie für die angebotene Ware verlangen,
klassifiziert werden. Die meisten Einzelhändler erheben durchschnittliche Preise und bieten
qualitativ durchschnittliche Waren und Dienstleistungen an. Andere bieten höherwertige
Waren und Dienstleistungen zu höheren Preisen an. Die Geschäfte, die Ware zu niedrigen
Preisen verkaufen, nennt man Discounter oder Off-Price-Stores.
Discounter Ein Discounter vertreibt ein begrenztes Sortiment von Konsumgütern, die einen
hohen Umschlag haben, zu einem günstigen Preis. Um den Käufern diesen Preisvorteil zu
gewähren, sind die Verkaufsräume häufig einfach gestaltet, und ein möglichst großes Ein-
kaufsvolumen pro Artikel bei hoher Kundenfrequenz wird angestrebt. Aus diesem Grund
arbeiten Discounter meist nach dem Filialprinzip. Einige Discounter haben ihre Ladenge-
schäfte in den letzten Jahren aufgewertet und ihre Dienstleistungen ergänzt, während sie
gleichzeitig durch effiziente Arbeitsweise die Preise niedrig halten. Beispiele sind ALDI,
Lidl, Penny oder Norma.
Off-Price-Stores oder Niedrigpreis-Geschäfte Das Sortiment von Off-Price-Stores umfasst
meist Markenartikel des Non-Food-Bereichs und setzt sich aus nicht regulärer Ware wie Aus-
laufmodellen, Reklamationsware, Insolvenzbeständen oder Waren zweiter Wahl zusammen.
Das Preisniveau liegt unter dem im Handel üblichen. Da es sich nicht um reguläre Ware han-
delt, unterliegt das Produktsortiment einem ständigen und schnellen Wandel. Factory-Out-
lets sind eine Form von Off-Price-Stores.
Factory-Outlet In Factory-Outlets, auch Werksverkauf oder Fabrikladen, verkauft ein Herstel-
ler seine Waren zu einem Preis, der unter dem im Handel liegt, direkt an den Endverbrau-
cher. Es handelt sich dabei häufig um Überbestände, Auslaufmodelle, Retouren oder Pro-
dukte mit kleinen Fehlern. Factory-Outlets befinden sich häufig an fabriknahen oder
frequenzstarken Standorten. Oft entstehen auch ganze Factory-Outlet-Zentren mit einer gro-
ßen Anzahl an Outlet-Geschäften, die viele ihrer Artikel zu Preisen anbieten, die 30 bis 50
Prozent unter dem normalen Wiederverkaufspreis liegen. Factory-Outlet-Stores haben sich in
den letzten Jahren stark entwickelt. In Deutschland sind z.B. Wertheim-Village oder das Out-
let-Zentrum in Metzingen sehr bekannt.
Diese Outlets werden zunehmend exklusiver und versuchen den Begriff „Factory“ aus ihrer
Beschreibung zu verbannen. Die steigende Zahl der Outlets weist inzwischen Luxusmarken
wie Polo Ralph Lauren, Dolce&Gabbana, Georgio Armani, Burberry und Versace auf. Heute
werden diese Outlets nicht mehr als Absatzweg für schlecht verkäufliche Ware gesehen, son-
dern vielmehr als zusätzlicher Vertriebskanal.

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13.2 Der Einzelhandel

Organisationsform
Wenngleich viele Einzelhandelsgeschäfte unabhängig sind und sich in Privatbesitz befinden,
schließen sich immer mehr Geschäfte zusammen. Die wichtigsten Formen solcher Einzelhan-
delsorganisationen sind Handelsketten, freiwillige Ketten, Einzelhandelsgenossenschaften,
Franchise-Unternehmen und Einzelhandelsgruppen.
Handelsketten (Filialbetriebe) besitzen zwei oder mehr Geschäfte, die in gemeinschaftlichem
Besitz sind und gemeinschaftlich geführt werden. Ihre Größe ermöglicht es ihnen, große
Mengen zu niedrigen Preisen zu kaufen und auch bei der Werbung Einsparungen zu erzielen.
Sie sind in der Lage, Spezialisten zu engagieren, die sich mit der Preisgestaltung, Werbung,
Verkaufsförderung, Lagerhaltung und der Absatzplanung befassen.
Freiwillige Ketten Einige der Filialbetriebe gehören zu freiwilligen Ketten. Dabei handelt es
sich um einen von Großhändlern initiierten freiwilligen Zusammenschluss unabhängiger
Händler, die gemeinschaftlich einkaufen und Werbung treiben.
Einkaufsgenossenschaften Eine weitere Form vertraglich vereinbarter Kooperation sind Ein-
kaufsgenossenschaften. Dies ist eine Gruppe unabhängiger Einzelhändler, die sich zusam-
menschließt und ein gemeinsames Großhandelsunternehmen gründet, sowie gemeinsam
Werbung und Verkaufsförderungsmaßnahmen durchführt. Diese Organisationen geben unab-
hängigen Händlern die Möglichkeit, die nötigen Einsparungen bei Einkauf und Werbung zu
realisieren, um mit den Preisen der Handelsketten konkurrieren zu können.
Franchising Eine andere Form der Einzelhandelsorganisation ist das Franchising. Der
wesentliche Unterschied zwischen Franchise-Unternehmen und anderen vertraglich verein-
barten Kooperationen ist, dass das Franchise-System gewöhnlich auf einem einzigartigen
Produkt oder einer einzigartigen Dienstleistung, einer Geschäftsidee, einem Markennamen
oder einem Patent beruht, das der Franchise-Geber entwickelt hat. Das Franchising, das bei
Fastfood und Modegeschäften sowie Videotheken, Fitnesszentren und Friseurgeschäften,
Autovermietungen, Hotels und einer Vielzahl weiterer Produkte weitverbreitet ist, wurde
bereits ausführlich behandelt.
Einzelhandelsgruppen sind Zusammenschlüsse, die mehrere unterschiedliche Einzelhan-
delsformen zu einer zentral geführten Gruppe unter einem Besitzer vereinigen. Diversifi-
zierte Einzelhandelsgruppen mit einem überlegenen Managementsystem, das allen Unter-
nehmensbereichen zugutekommt, haben zukünftig gute Erfolgsaussichten.

13.2.2 Marketingentscheidungen im Einzelhandel


Einzelhändler sind immer auf der Suche nach neuen Marketingstrategien, um Kunden zu
gewinnen und an sich zu binden. In der Vergangenheit gewannen Einzelhändler Kunden
durch einzigartige Produktsortimente und umfangreichere oder bessere Dienstleistungen.
Heute ähneln sich die Sortimente und Serviceleistungen im Einzelhandel immer stärker, da
viele Hersteller insbesondere nach einem hohen Marktanteil streben und ihre Marken überall
platzieren möchten. So lassen sich die meisten Konsumgütermarken nicht nur in Kaufhäu-
sern und Supermärkten finden, sondern zunehmend auch bei Discountern und in Online-
shops. Dadurch ist es für Einzelhändler schwieriger geworden, ein exklusives Produktsorti-
ment anzubieten.

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13 Einzelhandel und Großhandel

Auch eine Differenzierung über den Umfang der angebotenen Dienstleistungen ist schwieri-
ger geworden. Während viele Warenhäuser ihre Serviceleistungen reduzierten, haben einige
Discounter diese verbessert. Kunden sind zudem intelligenter in ihrem Kaufverhalten und
sehr preissensibel geworden. Für die gleiche Marke möchten Kunden grundsätzlich bei
einem Händler nicht mehr bezahlen müssen als bei einem anderen. Insbesondere sind sie
dann nicht bereit mehr zu bezahlen, wenn Unterschiede in den Serviceleistungen kaum noch
bemerkbar sind. Aus diesen Gründen überdenken mittlerweile viele Händler ihre Marke-
tingstrategien.
Aus Abbildung 13.3 wird ersichtlich, welche Marketingentscheidungen Einzelhändler zu tref-
fen haben. Diese beziehen sich auf die Segmentierung und Zielgruppenansprache, die Differen-
zierung und Positionierung der Einkaufsstätten und die Gestaltung des Marketing-Mix.

Einzelhändler Einzelhändler
Strategie Marketing-Mix
Segmentierung und Produktsortiment und
Zielgruppenansprache Dienstleistungen

Differenzierung und Preispolitik


Positionierung des
Ladengeschäfts Kommunikationspolitik

Distributionspolitik
(Standort)

Schaffung von Mehrwert für Einzelhandelskunden

Abbildung 13.3: Die Marketingstrategie von Einzelhändlern

Segmentierung, Zielgruppenansprache, Differenzierungs- und


Positionierungsentscheidungen
Zunächst segmentieren Einzelhändler ihren Markt, definieren die für sie relevanten Zielgrup-
pen und bestimmen, wie sie diese ansprechen können. Anschließend entscheiden sie, wie sie
sich positionieren möchten und wodurch sie sich am Markt differenzieren können. Wollen sie
mit ihrem Angebot eher Kunden im gehobenen, mittleren oder niedrigen Preissegment anspre-
chen? Was sind die Bedürfnisse der Zielgruppe? Ist es die Vielfalt, die Tiefe des Sortiments, der
Komfort beim Einkauf oder sind es besonders günstige Preise? Bevor Einzelhändler ihre Märkte
nicht eindeutig definiert und ein klares Profil herausgearbeitet haben, lassen sich keine konsis-
tenten Entscheidungen über Sortiment, Serviceleistungen, Preisgestaltung und Werbung oder
auch die Gestaltung der Läden treffen, da diese Entscheidungen die Positionierung unterstüt-
zen müssen und somit im direkten Zusammenhang mit ihr stehen.
Viele Einzelhändler, selbst große Unternehmen, begehen allerdings den Fehler, ihre Ziel-
gruppe und Positionierung nicht klar zu definieren. Welchen Markt spricht beispielsweise

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13.2 Der Einzelhandel

die weltweit aktive Bekleidungskette Gap Inc. an? Wie lautet ihr Leistungsversprechen und
wie ist die Positionierung? Wenn Sie Probleme bei der Beantwortung dieser Fragen haben,
sind Sie nicht allein, denn das gilt scheinbar auch für das Management des Bekleidungsein-
zelhändlers.
Gap wurde 1969 von Doris und Don Fisher in San Francisco gegründet. Sie wollten es für
ihre Kunden einfacher machen, eine passende Jeans zu finden. In ihrer Blütezeit, in den spä-
ten 80er- und frühen 90er-Jahren, hat sich Gap mit dem damals modischen „Preppy-Look“
positioniert, der sich am vorherrschenden Modestil an US-amerikanischen Privatschulen der
50er-Jahre orientierte. Aber als die Kernzielgruppe älter wurde und sich weiterentwickelte,
folgte Gap seiner Zielgruppe nicht. In den vergangenen Jahren kämpfte die Kette erfolglos um
eine neue Positionierung, mit der sie auch die heute viel jüngeren Käufer erreicht. So attes-
tiert ein Branchenexperte dem Wettbewerber Abercrombie & Fitch den authentischeren
Preppy-Look und gibt weiter zu bedenken, dass die japanische Modekette Uniqlo bereits
Kaschmir-Pullover und Schals zu Niedrigstpreisen anbietet. Auch Primark, Topshop und
Zara verkaufen aktuelle Mode zu sehr günstigen Preisen. Was bleibt da für Gap übrig? Ein
anderer Experte stimmt zu und meint, dass Gap momentan für alles und nichts steht. Das
Unternehmen muss sich darüber klar werden, wer seine eigentliche Kernzielgruppe ist, und
genau diese durch außergewöhnliche Leistungen, unverwechselbare und begehrenswerte
Kleidung überzeugen.
Im Gegensatz dazu definieren andere erfolgreiche Einzelhändler ihre Zielgruppe klar und
positionieren sich eindeutig. Das Unternehmen Tesco positioniert sich beispielsweise durch
niedrige Preise und zeigt auf, was die dauerhaft niedrigen Preise für seine Kunden bedeuten.
Dies verdeutlicht Tesco seinen Kunden konsequent mit dem Slogan „Every little helps“.
Doch wenn ein Großunternehmen wie Tesco das Niedrigpreissegment dominiert, wie können
dann andere Einzelhändler auch nur hoffen, mit Tesco konkurrieren zu können? Auch hier lau-
tet die Antwort, dass Händler ihre Zielgruppe und Positionierung klar herausarbeiten müssen.
Zum Beispiel hat Waitrose in Großbritannien weniger als 300 Filialen und nur ca. fünf Prozent
Marktanteil. Dem gegenüber steht Tesco mit einem weltweiten Filialnetz verschiedener Han-
delstypen und 30 Prozent Marktanteil im britischen Markt. Wie kann so eine kleine Lebensmit-
telkette mit Tesco konkurrieren? Waitrose gelingt dies, indem sich das Unternehmen anders
positioniert und dadurch von Tesco differenziert. Die Kette richtet sich an eine ausgewählte
Gruppe von gehobenen Kunden und bietet ihnen qualitativ hochwertige (Bio-)Produkte aus
kontrollierter Herkunft an. Waitrose wächst nicht nur viel schneller als Tesco, einige der
Waitrose-Kunden boykottieren sogar die lokalen Tesco-Filialen aus Überzeugung.
Natürlich kann Waitrose bei den massiven Skaleneffekten, dem unglaublichen Einkaufsvolu-
men, der ultra-effizienten Logistik, der großen Auswahl und den schwer zu unterbietenden
Preisen von Tesco nicht mithalten. Aber das muss Waitrose auch nicht. Durch die andere
Positionierung differenziert sich Waitrose von Tesco und anderen Discountern, konnte auch
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stark wachsen und ist heute der sechstgrößte Lebensmit-
teleinzelhändler in Großbritannien.

Entscheidungen zum Produktsortiment und zu Dienstleistungen


Einzelhändler müssen insbesondere in drei Bereichen produktbezogene Entscheidungen tref-
fen: Produktsortiment, Service-Mix und Einkaufsstätten-Atmosphäre.
Das Produktsortiment soll dem Händler helfen, sich zu differenzieren und gleichzeitig die
Erwartungen der angesprochenen Zielkunden zu erfüllen. Eine mögliche Strategie ist es, Pro-

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13 Einzelhandel und Großhandel

dukte zu führen, die kein anderer Wettbewerber hat (beispielsweise Eigen- oder Hersteller-
marken), diese also exklusiv anzubieten. So kann sich ein Händler z.B. exklusive Rechte am
Vertrieb der Marken eines bekannten Designers beschaffen und gleichzeitig auch eigene Pri-
vate-Label-Linien führen.
Eine weitere Strategie ist es, durch Veranstaltungen bestimmte Produkte gezielt zu bewerben.
In den USA ist das Kaufhaus Bloomingdale’s für seine spektakulären Shows und Inszenie-
rungen von Waren aus bestimmten Ländern (z.B. Indien oder China) bekannt. Auch können
Händler günstige Aktionsware anbieten, wie es ALDI oder Lidl bereits tun.
Natürlich kann sich ein Händler aber auch durch ein sehr spezielles Produktsortiment diffe-
renzieren: So bietet „Peter Hahn – Starke Mode“ extra große Konfektionsgrößen an, The Gad-
get Shop hat eine ungewöhnliche Auswahl an technischen Geräten und Geschenken.
Auch der Service-Mix kann Einzelhändlern dabei helfen, sich von anderen zu differenzieren.
Einige Händler ermuntern deshalb ihre Kunden, Fragen zu stellen oder sich persönlich, per
Telefon oder online an Kundendienstmitarbeiter zu wenden. Prof. Götz W. Werner, Gründer
und Aufsichtsrat von dm-drogerie markt, verspricht, sich die Probleme des Konsumenten zu
eigen zu machen: „Wir wollen uns beim Konsumenten – dem Wettbewerb gegenüber – mit
allen geeigneten Marketinginstrumenten profilieren, um eine bewusst einkaufende Stamm-
kundschaft zu gewinnen, deren Bedürfnisse wir mit unserem Waren-, Produkt- und Dienst-
leistungsangebot veredeln.“
Die Einkaufsstätten-Atmosphäre ist ein weiteres wichtiges Element für die Darbietung des
Produktangebots. Einzelhändler sind interessiert daran, ein einzigartiges Einkaufserlebnis zu
schaffen, das die Zielgruppe anspricht und sie zu Kaufhandlungen animiert. Einige Händler
setzen dabei auf „Erlebnishandel“, indem sie für sinnliche Erlebnisse bei der Ladengestal-
tung sorgen. So können Kunden von Globetrotter Produkte aus dem Outdoor-Bereich
zunächst „indoor“ ausprobieren, bevor sie sie kaufen. Dafür gibt es in ausgewählten Filialen
beispielsweise eine Kältekammer, eine Schneekammer, ein Wassersportbecken zum Testen
von Kanus, ein Kanu-Paternoster, eine große Kletterwand, einen Klettertunnel und Ähnli-
ches. Abgerundet wird die Erlebnis-Atmosphäre durch eine Ameisenkolonie, ein Quallenbe-
cken, eine Souvenirwand oder ein Café.
Erfolgreiche Einzelhändler inszenieren sämtliche Faktoren, die Einfluss auf das Kundener-
lebnis innerhalb der Verkaufsstätten haben, sehr sorgfältig. Dies lässt sich durchaus im
Selbstversuch überprüfen. Wenn Sie das nächste Mal ein Ladengeschäft (unabhängig davon,
ob es sich um Unterhaltungselektronik, Haushaltswaren oder Mode handelt) betreten, halten
Sie einen Moment inne und achten Sie einmal sorgfältig auf Ihre Umgebung. Denken Sie
über die Gestaltung des Ladens und die Art der Warenpräsentation nach. Achten Sie auch
auf Hintergrundgeräusche und Gerüche.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sämtliche Einflussfaktoren auf das Einkaufserlebnis sorg-
fältig aufeinander abgestimmt sind, um es einzigartig zu machen und Sie zu Kaufhandlungen
zu animieren. Inszeniert werden oftmals neben der Gestaltung der Ladenfläche und der Ein-
zelelemente auch die Beleuchtung und die musikalische Untermalung.
Die vielleicht markanteste Differenzierung gegenüber anderen Händlern erfolgt über den
Geruch der Einkaufsstätte. Viele große Handelsketten entwickeln heutzutage „einzigartige
Düfte“, die Kunden nur in den jeweiligen Geschäften wahrnehmen können:
So verwendet die US-amerikanische Kaufhauskette Bloomingdale verschiedene Essenzen in
den unterschiedlichen Abteilungen: den weichen Duft von Babypuder in der Baby-Abtei-

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13.2 Der Einzelhandel

lung, Kokosnuss-Duft im Bereich der Bademoden, frischen Duft von Flieder in der Dessous-
Abteilung und während der Ferienzeiten – je nach Saison – auch den Duft von Weihnachts-
plätzchen oder einen kräftigen Frühlingsduft. In einem Sony Style Store umweht die Kunden
der zarte Duft von Vanille und Mandarine – der exklusiv für Sony entwickelt wurde – und
sorgt für eine entspannte Wohlfühlatmosphäre. Duftstoffe können tatsächlich die Verweilzei-
ten von Kunden und somit auch den Umsatz erhöhen.
Der „Erlebnishandel“ zeigt, dass Einzelhandelsgeschäften eine weitaus vielfältigere Aufgabe
als das bloße Bereitstellen des Produktsortiments zukommt. Es sind Umgebungen, mit denen
Kunden Einkaufserlebnisse verbinden. Durch die Einkaufsstätten-Atmosphäre können sich
Einzelhändler mit ihren Geschäften somit deutlich von denen der Konkurrenz abheben.
Einkaufsstätten werden darüber hinaus auch zur Pflege sozialer Kontakte genutzt, da es Orte
sind, an denen sich Menschen verabreden und treffen. Solche Orte sind beispielsweise Kaf-
fee-Geschäfte und Cafés, Einkaufszentren, Buchläden, Supermärkte oder auch innerstädti-
sche Bio-Märkte.
So haben sich heutzutage auch viele Buchhandlungen zu einer Mischung aus Bibliothek,
Wohnzimmer und Kaffeehaus weiterentwickelt. Beim führenden britischen Filial-Buchhänd-
ler Waterstones sieht man am frühen Abend in der Café-Bar viele Schüler mit Schultaschen,
die zusammen mit ihren Freunden ihre Hausaufgaben erledigen. In unmittelbarer Nähe sit-
zen Rentner in bequemen Sesseln und blättern in Reise- oder Gartenbüchern, während Eltern
ihren Kleinkindern etwas vorlesen. Waterstones versucht mehr als nur Bücher zu verkaufen
– man bietet Komfort, Entspannung und Gemeinschaft.

Entscheidungen zum Preis


Die Preispolitik eines Händlers muss auf die Zielgruppe und Positionierung, das Produktsor-
timent und Serviceangebot, den Wettbewerb und andere wirtschaftliche Faktoren abge-
stimmt sein. Natürlich würden Händler gerne hohe Preisaufschläge berechnen und große
Volumen absetzen, aber die beiden Ziele passen nur selten zusammen. Die meisten Einzel-
händler erzielen entweder hohe Margen bei geringerem Volumen (meist spezialisierte Fach-
geschäfte) oder niedrige Margen bei höherem Volumen (z.B. Discounter).
Das Traditionsunternehmen Harvey Nichols bietet Bekleidung, Schuhe und Schmuck von
Designern wie Chanel, Prada und Hermes an. Der gehobene Einzelhändler verwöhnt seine
Kunden mit Serviceleistungen wie einem persönlichen Einkaufsberater und Vorführungen
zu den Trends der kommenden Saison bei Cocktails und Kanapees. T.K. Maxx dagegen ver-
kauft Markenkleidung zu Sonderpreisen an preisbewusste Kunden. Durch wöchentlich
wechselnde neue Angebote wird der Besuch des Discounters eine regelrechte Schatzsuche
für Schnäppchenjäger.
Einzelhändler sollten sich sehr genau überlegen, in welchem Umfang sie Sonderpreise und
andere Preisaktionen einsetzen möchten. Einige Händler sehen grundsätzlich von Preisaktio-
nen ab, da sie sich im Wettbewerb ausschließlich über die Produkt- und Servicequalität und
nicht über den Preis differenzieren wollen. Es wäre – selbst in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten – zum Beispiel schwer vorstellbar, dass Harvey Nichols für Chanel-Handtaschen Prei-
saktionen wie „Kauf zwei, zahle eine“ oder Ähnliches durchführt. Andere Einzelhändler ver-
folgen eine Dauerniedrigpreis- oder EDLP-Strategie (everyday low prices), bei der sie die
Waren zu dauerhaft niedrigen Preisen anbieten und deshalb nur selten Sonderaktionen oder
Rabatte nutzen.

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13 Einzelhandel und Großhandel

Wiederum andere Einzelhändler kombinieren hohe und niedrige Preise. Für häufig nachge-
fragte Produkte des täglichen Bedarfs setzen sie höhere Preise an und sorgen zusätzlich mit
Preisaktionen für einen größeren Zulauf in den Filialen. Dadurch suggerieren sie ein Niedrig-
preis-Image bei der Zielgruppe und sprechen durch Rabatte preissensible Kunden in der
Hoffnung an, dass diese beim Einkauf auch Produkte zu regulären Preisen kaufen.
Welche Preisstrategie am besten ist, lässt sich pauschal nicht sagen. Sie wird immer auch
durch die übergeordnete Marketingstrategie des Einzelhändlers, die Preispolitik des Wettbe-
werbs und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst.

Entscheidungen zur Kommunikation


Im Rahmen der Kommunikationspolitik können Einzelhändler Werbung, den persönlichen
Verkauf, Verkaufsförderungsmaßnahmen, Public Relations (PR) und Direktmarketing einset-
zen, um die Verbraucher zu erreichen. Sie werben in Zeitungen und Zeitschriften, im Radio,
Fernsehen und Internet. Die Werbung kann durch Zeitungsbeilagen und Kataloge unterstützt
werden. Verkaufsmitarbeiter suchen den persönlichen Kontakt zu Kunden, versuchen ihre
Bedürfnisse zu befriedigen und Beziehungen aufzubauen. Verkaufsförderungsmaßnahmen
innerhalb der Einkaufsstätten können Vor-Ort-Demonstrationen, Displays, Abverkaufs- und
Kundenbindungsprogramme beinhalten. PR-Aktivitäten wie Eröffnungen, spezielle Veran-
staltungen, Newsletter und Blogs, Kundenzeitschriften und andere Aktivitäten, die sich an
die Öffentlichkeit richten, sind gängige Maßnahmen, die Einzelhändler ergreifen.
Die meisten Einzelhändler interagieren auch digital mit den Verbrauchern – über Webseiten
und digitale Kataloge, Onlinewerbung und Videos, die sozialen Medien, mobile Werbung
und Apps, Blogs und E-Mails. Fast jeder Händler, ob groß oder klein, ist in den sozialen
Medien umfassend präsent. Die digitale Kommunikation bietet den Kunden Informationen
und andere Funktionen sowie einen Direktverkauf der Waren. Durch digitale Verkaufsförde-
rung können die Händler ihre Kunden durch gezielte Botschaften individuell erreichen. So
unterstützt Staples, ein Händler für Büroausstattung, seine Filialen durch Print-Kataloge,
während Stammkunden das Angebot online über Links erhalten. Diese Links dienen gleich-
zeitig als Erinnerung, dass bestimmte Artikel nachbestellt werden müssen und verweisen auf
Sonderangebote und Vorteile für weitere Käufe, die entweder online, telefonisch oder in der
Filiale getätigt werden können.

Entscheidungen zur Distribution


Händler verweisen oft auf drei entscheidende Erfolgsfaktoren im Einzelhandel: Lage, Lage
und Lage! Es ist sehr wichtig, dass Einzelhändler Standorte wählen, durch die sie unmittel-
baren Zugang zur Zielgruppe haben und die im Einklang mit ihrer Positionierung stehen. So
sucht Apple ausschließlich nach Standorten in High-End-Einkaufszentren und angesagten
Einkaufsgegenden. Kleinere Einzelhändler müssen sich dagegen oftmals mit weniger attrakti-
ven Standorten zufriedengeben. Große Einzelhändler beschäftigen meist Spezialisten, die
spezielle Methoden anwenden, um attraktive Standorte zu identifizieren.
Die meisten Händler setzen auf Standorte, an denen sie eine starke Kundenfrequenz haben
und ihren Kunden das sogenannte „One-Stop-Shopping“ bieten können. Bis in die 50er^-
Jahre waren in den USA und den meisten europäischen Ländern die Stadtzentren die begehr-
testen Standorte des Einzelhandels. Jede große Stadt und Gemeinde hatte einen zentralen
Bereich mit Warenhäusern, Fachgeschäften, Banken und Kinos. Als die Bevölkerung begann,
in Vororte zu ziehen, um dem großen Verkehrsaufkommen, den Parkplatzproblemen und teil-
weise auch der Kriminalität in Stadtzentren aus dem Weg zu gehen, verloren zentrumsnahe

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13.2 Der Einzelhandel

Einzelhändler stark an Umsatz. In den letzten Jahren haben viele Städte gemeinsam mit dem
Handel versucht, innerstädtische Einkaufsviertel wiederzubeleben.
Während in Deutschland nach wie vor neue Einkaufszentren entstehen, sagen Experten über-
einstimmend, dass die Vereinigten Staaten mit mehr als 100.000 Einkaufszentren mittler-
weile „overmalled“, also mehr als gesättigt sind. In den 90er-Jahren wuchsen die Flächen der
Shopping Center etwa doppelt so schnell wie die Bevölkerung. So deuten in jüngster Zeit
mehrere Faktoren darauf hin, dass amerikanischen Einkaufszentren harte Zeiten bevorste-
hen. Der Konsumrückgang führte nach der Rezession bei kleineren, aber auch größeren
Unternehmen zur Geschäftsaufgabe und zu gestiegenen Leerständen in Shopping Malls.
Auch der zunehmende Wettbewerb durch E-Commerce und die wachsenden Umsätze der
verkaufsflächenstarken Handelsriesen sorgten für das Ende vieler traditioneller Shopping
Center.
Gleichzeitig werden in den USA andere Arten von Einkaufszentren gebaut. Der Trend geht in
Richtung der sogenannten Power Center, also riesige, frei zugängliche Shopping Center mit
einer langen Zeile von Einzelhandelsgeschäften. Darunter befinden sich auch große, freiste-
hende Anker-Geschäfte, die auf Kunden besonders anziehend wirken. Jedes Geschäft hat
einen eigenen Eingang mit Parkmöglichkeiten davor, sodass Kunden, die nur ein bestimmtes
Geschäft aufsuchen möchten, direkten Zugang haben. Die Anzahl der Power Center hat in
den letzten Jahren stark zugenommen und stellt dadurch traditionelle Shopping Center vor
große Herausforderungen.
Im Gegensatz dazu sind Lifestyle Center kleinere, offene Malls mit exklusiven Geschäften in
verkehrsgünstiger Lage, die auch Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten bieten, wie zum Bei-
spiel einen Kinderspielplatz, eine Eislaufbahn, Hotel- und Gastronomiebetriebe oder ein
Kino. Sie befinden sich meist in der Nähe von wohlhabenden Gegenden und sind auf die
Bedürfnisse der dort lebenden Konsumenten zugeschnitten. Die ursprünglich klare Trennung
zwischen den Handelskonzepten Power Center und Lifestyle Center verschwimmt allerdings
zunehmend, da auch immer mehr hybride Formen von Lifestyle Power Centern entstehen.
Die Idee dahinter ist, die Gemütlichkeit und die Gemeinschaft von einem Dorfplatz der frü-
heren Zeit mit den Qualitätsmerkmalen moderner, städtischer Geschäfte zu kombinieren. Der
Gesamteindruck eines Stadtteilparks soll dadurch mit den großen Annehmlichkeiten eines
Strip Centers verbunden werden. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die heutigen
Center eher als Begegnungsstätten statt ausschließlich als Einkaufsstätten dienen.
Man muss berücksichtigen, dass die „Mall“ eine amerikanische Ikone ist. In den USA ist das
„hanging out in the mall“ eine weitverbreitete Freizeitbeschäftigung. In Europa dagegen ist
die Anziehungskraft großer Einkaufszentren in der Regel etwas geringer, auch wenn es von
Land zu Land natürlich Unterschiede gibt.
Nachdem auf die unterschiedlichen Arten amerikanischer Shopping Center eingegangen
wurde, soll noch ein Blick nach Europa erfolgen. Hier ist ein einheitliches Bild etwas kom-
plizierter, da sich die einzelnen Länder schon durch die geografische Größe, die Geschichte
der Urbanisierung und die einzelnen etablierten Stadtzentren sehr stark unterscheiden.
Außerdem bestehen kulturelle Unterschiede, die sich auch im Konsumverhalten und in der
Einstellung gegenüber dem Einkauf widerspiegeln.
So lässt sich nicht zwangsläufig eine direkte Nachbildung der amerikanischen Center in
jedem europäischen Land finden. Auch ist es nicht möglich, die Entwicklung von Center-
Typen europaweit zu verallgemeinern. Marketingverantwortliche müssen sehr genau auf die
Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Ländern achten und die jeweiligen Ent-

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13 Einzelhandel und Großhandel

wicklungen im Handel berücksichtigen, denn die Einzelhandelsstrukturen unterscheiden


sich innerhalb Europas erheblich.
In Deutschland lassen sich vor allem drei Typen von Einkaufszentren finden: das klassische
Einkaufszentrum, das multifunktionale Einkaufszentrum und das Fachmarktzentrum. Das
klassische Einkaufszentrum stellt einen Branchenmix aus Einzelhandelsgeschäften, Gastro-
nomie und Dienstleistungsunternehmen dar. Wird dieses klassische Einkaufszentrum zusätz-
lich durch Büros, Praxen, Wohnungen, etc. ergänzt, so spricht man von einem multifunktio-
nalen Einkaufszentrum. Daneben gibt es die Fachmarktzentren, die über verschiedene
Fachmärkte oder fachmarktähnliche Geschäfte verfügen.

13.2.3 Trends im Einzelhandel


Der heutige Einzelhandel arbeitet in einem rauen und sich schnell verändernden Umfeld,
das sowohl Gefahren als auch neue Chancen mit sich bringt. In vielen Ländern bestehen
industrielle Überkapazitäten, die einen scharfen Konkurrenzkampf um die Kunden mit sich
bringen. Die demografischen Daten, die Einkaufs- und Lebensgewohnheiten ändern sich
rapide, dem stehen aber die Umbrüche bei Handelsmethoden und der Warenverteilung in
nichts nach. Wer heute als Einzelhändler noch erfolgreich sein möchte, muss seine Zielseg-
mente sorgfältig definieren und ansprechen und sich klar positionieren. Bei der Planung und
Durchführung ihrer Wettbewerbsstrategien sollten Einzelhändler die folgenden Entwicklun-
gen berücksichtigen.

Geringere Konsumausgaben
Nach vielen wirtschaftlich erfolgreichen Jahren für den Handel haben Abschwung und
Rezession den Umsatzboom vieler Einzelhändler ins Gegenteil verkehrt. Selbst nach der
wirtschaftlichen Erholung werden die Folgen des veränderten Konsumverhaltens für die Ein-
zelhändler noch lange spürbar bleiben. Dies gilt mehr oder weniger für den Großteil der ent-
wickelten Märkte in Europa.
Dennoch haben einige Einzelhändler auch vom wirtschaftlichen Abschwung profitiert. Wäh-
rend Verbraucher ihre Ausgaben einschränkten und nach Möglichkeiten für günstigere Ein-
käufe suchten, schafften die großen Discounter ein immer größeres Angebot für Schnäpp-
chenjäger. Denken Sie an Handelsketten wie ALDI oder Poundland in Großbritannien.
Ähnlich haben auch preiswerte Fast-Food-Ketten wie McDonald’s ihren Konkurrenten bei
den Schnellrestaurants das Geschäft streitig gemacht. Den meisten Händlern bereitet einge-
schränktes Konsumverhalten allerdings Probleme. In den letzten Jahren mussten einige große
und bekannte Ketten Insolvenz anmelden und ihre Filialen für immer schließen. Im Vereinig-
ten Königreich betraf dies z.B. namhafte Händler wie Woolworths, Past Times, La Senza,
Focus DIY, Oddbins und Borders, um nur einige zu nennen. Andere bleiben gefährdet. Einige
Händler haben Mitarbeiter entlassen, Kosten gesenkt und massive Rabatte sowie Angebote
eingeführt, um Kunden mit kleinem Budget zurückzugewinnen. Neben den Kostensenkun-
gen und Preisaktionen setzen viele Händler bei ihrer Positionierung auch auf neue Werte.
Wollen sie auf wirtschaftliche Schwierigkeiten reagieren, müssen Einzelhändler achtgeben,
dass ihre kurzfristigen Maßnahmen nicht das langfristige Image und die Positionen beschädi-
gen. Drastische Preissenkungen sind „ein Zeichen von Panik“, so ein Einzelhandelsstratege.
„Jeder kann seine Produkte durch Rabattaktionen verkaufen, doch damit erreicht man keine

624
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13.2 Der Einzelhandel

Kundentreue.“4 Statt sich auf Kostensenkungen und Preisreduzierungen zu verlassen, sollten


Einzelhändler bei ihrer langfristigen Ausrichtungsstrategie auf höheren Kundennutzen set-
zen. Auf die Dauer kann es sich ein Händler wie Waitrose nicht leisten, seine Qualität, Inno-
vation und Dienstleistungsstärke zu vernachlässigen, die ihn schließlich von Tesco und
anderen Discountern unterscheiden.

Neue Formen des Handels und verkürzte Lebenszyklen der Handelsformen


Als Reaktion auf neue Situationen und Käuferbedürfnisse entstehen ständig neue Handels-
formen, aber der Lebenszyklus dieser neuen Handelsformen ist stetig kürzer geworden. Das
Konzept des großen Kaufhauses hat 100 Jahre gebraucht, um die heutige Form zu erreichen.
Neuere Konzepte, wie zum Beispiel die großen Supermärkte „auf der grünen Wiese“ außer-
halb der Zentren, haben kaum zehn Jahre benötigt, um überall vertreten zu sein. In einem
derartigen Umfeld können vermeintlich stabile Positionen in kürzester Zeit verloren gehen.
Konzept des Kreislaufs des Einzelhandels – „wheel of retailing“ Viele Innovationen bei
Betriebsformen im Einzelhandel können durch das Konzept des Kreislaufs des Einzelhan-
dels, das „wheel of retailing“, erklärt werden. Diesem Konzept liegt die Annahme zugrunde,
dass das Bild des Einzelhandels auf jedem einzelnen Markt einem Wandel unterliegt, der in
mehreren Phasen abläuft: Wenn eine neue Handelsform in den Markt tritt, kann sie gegen
bestehende Handelsformen nur positioniert werden, wenn niedrigere Preise oder verbesserte
Leistungen, die mit höheren Kosten verbunden sind, angeboten werden. Der Produzent
selbst zahlt dies mit niedrigeren Spannen. In der Regel hat eine gänzlich neue Handelsform
auch noch keinen definierten Status oder als Niedrigpreisanbieter einen geringeren. Die etab-
lierten Handelsformen, die inzwischen ihre Margen erhöht haben und mit höheren Kosten
operieren, werden von dem Neuankömmling auf dem Markt angegriffen und verlieren Markt-
anteile.
Der Erfolg der neuen Mitbewerber führt dazu, dass sie nach einiger Zeit ihre Verkaufsräume
ausbauen, qualitativ höherwertige Ware, ein breiteres Sortiment und besseren Service anbie-
ten – genau das, was die bestehenden Einzelhandelsformen auf der Kostenseite schwerfällig
und teuer gemacht hat. Durch das erweiterte Angebot steigen nun die Kosten der neuen Han-
delsformen, die folglich gezwungen sind, ebenfalls ihre Preise nach oben anzupassen. Das
neue Unternehmen wird auch in Hinblick auf das Angebot, die Schwerfälligkeit und die Kos-
tensituation den bis dahin konventionellen Unternehmen immer ähnlicher. Damit schafft es
den nötigen Spielraum dafür, dass innovative Handelsformen mit völlig neu durchdachten
Strukturen erneut den Angriff auf „etablierte“ Handelsformen wagen können. Aus diesen
Beobachtungen entstand die These des „wheel of retailing“. Einzelhändler können sich dem-
zufolge nicht zurücklehnen, wenn sie ein erfolgreiches Konzept gefunden haben. Sie müssen
ihr Geschäftsmodell stets anpassen, um Wachstum zu erzielen.
Ein erfolgreiches Beispiel dafür, wie Kunden mit einem ständig wechselnden Sortiment und
innovativen Produktideen angesprochen werden, stellt das Handelsunternehmen Tchibo dar.

4 Kenneth Hein, „Target tries first price point driven TV ads“, Brandweek, 14. Januar 2009,
www.brandweek.com, S. 1.

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13 Einzelhandel und Großhandel

Marketing-Highlight: Tchibo – jede Woche eine neue Welt

Das 1949 in Hamburg gegründete und nunmehr international tätige Handelsunterneh-


men Tchibo erwirtschaftet heute einen Umsatz von ca. 3,3 Milliarden Euro. Rund
12.000 Mitarbeiter in mehreren Ländern bedienen täglich Kunden an unterschiedlichen
Kontaktpunkten des Vertriebssystems. Dieses stützt sich neben einem wachsenden
Onlinevertrieb – Tchibo.de zählt zu den Top 10 der deutschlandweit meistbesuchten
Domains – vor allem auf Eigenfilialen und ein Shop-in-Shop-Konzept. Etwa 1.200 Filia-
len werden in Eigenregie betrieben und umfassen die Themenbereiche „Kaffee“, „Aus-
schank“ und „Non-Food-Sortiment“. Das Tchibo Shop-in-Shop Konzept – das soge-
nannte Depot – ist in etwa 17.000 Standorten des Fach- und Lebensmittelhandels
integriert. Neben den Kaffeespezialitäten werden in etwa 9.000 Depots auch Tchibo
Non-Food-Artikel vertrieben.

Abbildung 13.4: Tchibo-Filiale

Mit der Verbindung des Vertriebs von Röstkaffee, dem Gastronomiebereich und einem
wöchentlich wechselnden Angebot an Non-Food-Gebrauchsartikeln hat Tchibo ein ein-
zigartiges Modell des Systemgeschäfts entwickelt. Die Produktion dieser Non-Food
Gebrauchsartikel erfolgt exklusiv für Tchibo und basiert auf aktuellen Markttrends und
der Analyse des Kaufverhaltens der Kunden.
Die besondere Attraktivität und hohe Kundenfrequenz ist nicht zuletzt in den wöchent-
lich wechselnden Non-Food-Sortimenten begründet. Dabei steht das Unternehmen vor
einer immensen logistischen Herausforderung. Dafür perfektioniert Tchibo seine Logis-
tik kontinuierlich: Die wichtigsten Logistik-Indikatoren wie Logistik-Stückkosten, Lie-
fertermintreue und Warenretourquote entwickeln sich seit Jahren positiv. Um dies
bewerkstelligen zu können, betreibt Tchibo ein weitreichendes Netzwerk von Distributi-
onszentren und sourct einen großen Teil der Logistikprozesse aus, um flexibel zu sein
und um auf schwankende Mengen und auf Marktveränderungen sofort reagieren zu
können.

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13.2 Der Einzelhandel

Als das Unternehmen 2005 den Deutschen Marketing-Preis erhielt, wurde dies von der
Jury damit begründet, dass „der nahhaltige Erfolg von Tchibo auf der einzigartigen Ver-
zahnung von ausgefeilten Marketing-Konzepten und einer integrierten Systemlogistik
basiert und damit ein herausragendes Beispiel für die ganzheitliche Verknüpfung von
Handel, Dienstleistung und Industrie im Konsumgüterbereich“ sei.
Der rasche Wechsel der Sortimente im Wochenrhythmus und die daraus resultierenden
extrem kurzen Produktzyklen sind somit wesentlich durch den Erfolgsfaktor Logistik
geprägt.
Quellen:
https://www.tchibo.com/servlet/content/309602/-/starteseite-deutsch/tchibo-unternehmen/ueber-
tchibo/vertriebssystem.html [19.02.2018]
http://www.zeit.de/news/2017-08/24/handel-tchibo-steigert-gewinn-bei-leicht-sinkendem-umsatz-
24165003 [19.02.2018]

Zunahme von Einkäufen außerhalb der klassischen Einzelhandelsgeschäfte


Auch wenn der größte Teil der Käufe noch in klassischen Ladenlokalen vorgenommen wird,
sind unzählige alternative Einkaufsmöglichkeiten hinzugekommen. Dazu gehören der Ver-
sandhandel, Einkaufsfernsehen und der rasant wachsende Online-Einkauf über das Internet.
Wenngleich einige Händler sicherlich durch diese neuen Formen bedroht werden, stellen sie
außergewöhnliche Möglichkeiten für den Handel insgesamt dar. Viele Unternehmen des Ein-
zelhandels haben parallel zu ihren bisherigen Aktivitäten damit begonnen, diese Möglichkei-
ten des Direktabsatzes zu nutzen. Tatsächlich wird mehr Onlinehandel von Händlern betrie-
ben, die auch andere Absatzformen nutzen, als von reinen Onlinehändlern. So gehören die
Webshops von Tchibo und Otto zu den führenden in Europa.
Für den stationären Einzelhandel ist die rasante Verbreitung des Handels im Internet, Mobil-
netz und in den sozialen Medien Fluch und Segen zugleich. Obwohl ihnen dies neue Wege
für Kundenbindung und Verkauf eröffnet, entsteht auch eine größere Konkurrenz durch den
reinen Onlinehandel. Zum Missfallen einiger Filialhändler sehen sich viele Kunden die Pro-
dukte im Geschäft an, kaufen sie dann aber online über ihren Computer oder ihr Mobilgerät –
manchmal sogar noch direkt im Laden. Diesen Vorgang bezeichnet man als Showrooming.
Etwa die Hälfte aller Onlinekäufer prüft die Artikel vorab in einer herkömmlichen Filiale.
Vom Showrooming sind stationäre Händler so unterschiedlicher Branchen wie Haushaltswa-
ren, Unterhaltungselektronik und Spielzeuge gleichermaßen stark betroffen. Viele stationäre
Einzelhändler reagieren inzwischen jedoch und entwickeln Strategien, um diesem Phäno-
men entgegenzuwirken. Andere begrüßen es sogar als Gelegenheit, die Vorteile des Einkaufs
in herkömmlichen Geschäften gegenüber dem Onlinehandel hervorzuheben.5 Daher geht es
nicht mehr nur um die Frage, ob Kunden online oder im stationären Handel einkaufen. Die
Kunden vereinen Filialen, Webseiten, soziale Medien und mobile Einkaufsmöglichkeiten
zunehmend in einem einzigen Einkaufsprozess. Das Internet und digitale Geräte haben eine

5 Siehe Ann Zimmerman, „Can retailers halt ‚showrooming‘?“, Wall Street Journal, 11. April 2012, S.
B1; „Data points: spending it“, Adweek, 16. April 2012, S. 24–25 und „Consumers visit retailers, then
go online for cheaper sources“, Adweek, 14. März 2013, www.adweek.com/print/147777 und „60%
of US retail sales will involve the web by 2017“, Internet Retailer, 30. Oktober 2013, www.internetre-
tailer.com/2013/10/30/60-us-retail-sales-will-involve-web-2017.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13 Einzelhandel und Großhandel

völlig neue Art von Käufern und Kaufverhalten hervorgebracht. Ob es um Elektronik, Kon-
sumprodukte, Autos, Haushaltsreiniger oder Arzneimittel geht – viele Menschen können
ihren Einkauf nicht mehr tätigen, ohne sich vorab online über das Produkt zu informieren
und Fakten zu beschaffen. Und sie haben sich sehr daran gewöhnt, jederzeit und überall ein-
kaufen zu können – sei es in der Filiale, online, unterwegs oder über ein Gerät noch im
Geschäft. Sämtliche Einzelhändler setzen heute direkte und Online-Vertriebskanäle ein. Das
Internet und die mobilen Angebote des stationären Handels wie Tesco, John Lewis, Staples
und Dixons Carphone wachsen rasant. Viele namhafte reine Onlinehändler, darunter Ama-
zon oder Netflix, Online-Reiseanbieter wie Travelocity.com und Expedia.com und andere
machen im Internet das große Geschäft. Das andere Extrem sind zahlreiche kleine Nischen-
händler, die das Internet nutzen, um neue Märkte zu erreichen und ihre Umsätze zu erhöhen.

Zunehmende Konkurrenz der verschiedenen Handelsformen untereinander


Die Einzelhändler von heute verkaufen zunehmend dieselben Produkte zu gleichen Preisen
an dieselben Kunden und konkurrieren dabei mit einer Vielzahl anderer Einzelhändler. Aus
der Vielfalt der Handelsformen ergeben sich nun vielschichtige Konkurrenzverhältnisse.
Eine CD kann man zum Beispiel im Musikfachgeschäft, bei einem Musikdiscounter, in einem
Elektronikfachmarkt mit Medienabteilung, in einem allgemeinen Supermarkt mit CD-Abtei-
lung, über einen Buchclub oder über unzählige Onlineshops zu ungefähr dem gleichen Preis
kaufen. Wenn es etwa um Haushaltsgeräte geht, kämpfen Fachhändler, Kaufhäuser, Versand-
handel, Discounter und große Fachmärkte um denselben Käufer.
Die Angleichung von Konsumenten, Produkten, Preisen und Einzelhändlern wird auch Han-
delskonvergenz genannt. Kunden aller Einkommensstufen kaufen in den gleichen Geschäf-
ten und häufig auch die gleichen Produkte ein. Die Unterscheidung zwischen Discountern,
Spezialgeschäften und Warenhäusern verliert an Bedeutung. Ein Händler muss eine Schar
von Rivalen hinsichtlich Sortiment, Preis und Service übertreffen.
Eine solche Konvergenz bedeutet mehr Konkurrenz für Einzelhändler und dass es immer
schwieriger wird, Angebote voneinander zu unterscheiden. Der Wettbewerb zwischen gro-
ßen Handelsketten und kleineren, unabhängigen Geschäften hat sich außerordentlich ver-
schärft. Handelsketten können zu niedrigeren Preisen einkaufen, da sie schon aufgrund ihres
Einkaufsvolumens eine starke Position haben. Die Eröffnung eines großen Einkaufszentrums
kann zu einer Bedrohung für die ansässigen unabhängigen Händler werden. Dennoch gibt es
nicht nur schlechte Nachrichten für kleinere Unternehmen. Viele unabhängige Einzelhändler
florieren, denn die reine Größe und Marketingmacht sind für viele Kunden kein Ersatz für
die persönliche Note, die kleine Läden bieten, oder die Nischen, die sie bedienen.

Zunehmende Bedeutung großer Handelsgruppen


Der Aufstieg der großen Supermärkte, die Bildung vertikaler Marketingsysteme und Einkaufsal-
lianzen und eine Welle von Fusionen und Unternehmensübernahmen haben einen harten Kern
sehr mächtiger Handelsgruppen entstehen lassen. Im Markt für Lebensmittel und Güter des täg-
lichen Bedarfs haben sich in Europa extrem starke Einzelhandelskonzerne gebildet. Dazu gehö-
ren Carrefour, die Metro AG, Tesco, Ahold, Groupe Casino, Sainsbury’s und Delhaize.
Durch überlegene Informationssysteme und Marktmacht bei der Beschaffung sind diese gro-
ßen Einzelhandelsgruppen in der Lage, ihren Kunden ein umfassendes Sortiment, guten Ser-
vice und niedrige Preise zu bieten. Für kleinere Anbieter wird es immer schwerer, gegen
diese übermächtigen Konzerne zu bestehen. Auch das Gleichgewicht zwischen Handel und
Produzenten wird durch diese Megaeinzelhändler verschoben. Eine Handvoll Handelsgrup-

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13.2 Der Einzelhandel

pen ist für viele Produzenten der einzige offene Weg zu den Konsumenten, um die Produkte
absetzen zu können. Dadurch gewinnt der Handel bei Geschäftsabschlüssen mit den Herstel-
lern immer häufiger die Oberhand.

Wachsende Bedeutung neuer Technologien für den Handel


Der Einsatz neuer Technologien kann im Handel den entscheidenden Vorsprung vor der Kon-
kurrenz bedeuten. Fortschrittliche Einzelhändler setzen Informationstechnologien ein, um
bessere Prognosen zu erstellen, um die Kosten der Lagerhaltung zu kontrollieren, um elektro-
nische Bestellungen zu übermitteln, um E-Mails innerhalb des Unternehmens (z.B. an Filia-
len) zu versenden und um den Verkauf in den Geschäften durchzuführen. Sie nutzen Scann-
erkassen, Online-Datenverarbeitung, elektronischen Zahlungsverkehr, elektronischen
Datenaustausch, Fernsehen in den Verkaufsräumen und verbesserte Warenwirtschaftssys-
teme. Der Schlüssel zum Erfolg sind Systeme, die eine schnelle und präzise Reaktion auf alle
Kundenanfragen ermöglichen. Dies bedeutet, dass während des ganzen Bereitstellungs- und
Liefergeschehens eine genaue Abstimmung vorgenommen werden muss, um den Kunden die
gewünschten Waren zu liefern, wann und wo auch immer diese sie haben möchten.
Der bemerkenswerteste technologische Fortschritt im Handel betrifft die Methode, mit der die
Händler die Verbindung zum Kunden herstellen. In der Vergangenheit waren die Ladenge-
schäfte, das Verkaufspersonal, die Marke, die Verpackung, Werbebriefe und Werbung in den
Massenmedien die Bindeglieder zwischen Anbietern und Käufern. Heute jedoch ist das Bezie-
hungsgefüge deutlich komplexer. Es gibt Dutzende neuer Wege, um mit Kunden zu interagie-
ren, sie anzuziehen und für sich zu gewinnen. Selbst wenn man das Internet als die dominante
Innovation weglassen würde, blieben noch immer technologische Innovationen wie interaktive
Touchscreen-Displays, elektronische Produktauszeichnung, Smartcards, automatische Scan-
nersysteme, Virtual-Reality-Vorführungen und intelligente Einkaufsagenten. Es wird deutlich,
dass neue Technologien den Handel und seinen Umgang mit den Käufern in den letzten Jahren
deutlich verändert haben. Auch zukünftig wird diese Entwicklung fortschreiten.
Die Zukunft der Technologie im Einzelhandel liegt jedoch in der Zusammenführung von
Online- und stationärem Handel in ein nahtloses Kauferlebnis für den Kunden. Die Frage ist
nicht, ob der Onlinehandel wächst, während der stationäre Handel zurückgeht. Vielmehr wird
beides eine Rolle spielen und beides muss integriert werden. Eine mögliche Variante, wie der
Wandel des Einkaufens aussehen könnte, haben Analysten von Deloitte auf Basis ihrer For-
schungen im weltweiten Einzelhandel entwickelt.6 So sollen wir uns den Einzelhandel zehn
Jahre in der Zukunft vorstellen, wenn die folgenden Technologien zusammenkommen:
 Sie betreten Ihr bevorzugtes Bekleidungsgeschäft; das elektronische Überwachungspro-
gramm des Ladens erkennt Sie an ihren mitgeführten Geräten sowie an den RFID-Etiketten
Ihrer Kleidung und aktiviert Ihren persönlichen Einkaufs-Assistenten.
 Der digitale Assistent stellt anhand Ihrer letzten Einkäufe und des ermittelten Bedarfs aus
Ihren letzten Onlinesuchprozessen ein passendes Outfit für Sie zusammen.
 Unter Nutzung Ihrer eingescannten Körpermaße beginnt der 3-D-Drucker des Geschäfts
mit der Herstellung Ihrer neuen Kleidung.
 Einen Teil Ihrer aktuellen Kleidung können Sie spenden oder recyceln, um die Kosten für
das neue Outfit auszugleichen.

6 Deloitte: http://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/global/Documents/Consumer-Business/dttl-
CB-GPR14STORES.pdf, Zugriff Juli 2015.

629
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13 Einzelhandel und Großhandel

 Schließlich bezahlen Sie per biometrischer Autorisierung – es sind keine Karten oder
sonstige Zahlungsmittel erforderlich. Deloitte behauptet, dass die Technologie schon
heute existiert, um dieses Szenario Realität werden zu lassen – es sei nur eine Frage der
Installation und Integration der technischen Ausstattung in die nächste Generation des
Einzelhandels.

Handel mit nachhaltigen Produkten


Moderne Einzelhändler wenden zunehmend Strategien für ökologische Nachhaltigkeit an.
Sie machen ihre Geschäfte und ihre Prozesse „grüner“, bewerben die ökologische Verantwor-
tung bei ihren Produkten, stärken das Bewusstsein ihrer Kunden durch verschiedene Aktio-
nen und arbeiten mit Vertriebspartnern zusammen, um die negativen Auswirkungen auf die
Umwelt zu reduzieren. Auf der untersten Ebene geht es für die meisten großen Händler – wie
Tesco und Sainsbury’s in Großbritannien – darum, umweltfreundlichere Filialen durch eine
nachhaltige Ausstattung, Bauweise und Betriebsweise zu betreiben. So werden in den neuen
Läden beispielsweise umfangreiche Recycling- und Kompostierprogramme, Windenergie
und Solarpanels zur Stromerzeugung sowie nachhaltige Baumaterialien aus der Region ein-
gesetzt. Auch die Produktsortimente werden immer grüner und in einigen Fällen wurden
verschiedene Ansätze für einen Nischenhandel entwickelt. Der Modehändler H&M brachte
seine umweltfreundliche „Bewusste Kollektion“ heraus; die Kleidung besteht aus Materia-
lien wie Bio-Baumwolle und recycelten Fasern. Solche Produkte können den Umsatz ankur-
beln und das Image des Händlers als verantwortungsvolles Unternehmen festigen.7 Viele
große Handelsunternehmen haben auch Maßnahmen entwickelt, die den Kunden umwelt-
verantwortliche Kaufentscheidungen ermöglichen. So hat der weltweit tätige Büroausstatter
Staples das EcoEasy-Programm auf den Weg gebracht, mit dem die Kunden umweltfreundli-
che Produkte in den Läden ermitteln und Druckerpatronen, Mobiltelefone, Computer und
andere Geräte leichter recyceln können. Als einer der weltweit führenden Händler für Kartu-
schen gehörte Staples zu den ersten weltweit, die ein Elektronik-Recyclingprogramm in den
Filialen anboten. Im Ergebnis recycelt Staples heute mehr als 30 Millionen Druckerpatronen
sowie 4,5 Millionen Kilo an Elektronikgeräten pro Jahr. So wurden seit 2005 zum Beispiel
100.000 Mobiltelefone und PDAs in Zusammenarbeit mit Collective Good recycelt, einem
Anbieter für das Recycling und die Wiederverwendung von elektronischen Kleingeräten.8
Viele große Handelsunternehmen schließen sich auch mit Lieferanten und Vertriebspartnern
zusammen, um nachhaltigere Produkte, Verpackungen und Vertriebssysteme zu entwickeln.
So arbeitet z.B. Amazon eng mit den Herstellern vieler seiner Produkte zusammen, um den
Verpackungsaufwand deutlich zu reduzieren und zu vereinfachen. Und neben ihren eigenen
umfassenden Nachhaltigkeitsstrategien setzen Handelsriesen wie Tesco und Carrefour in
Großbritannien ihre Einkaufsmacht ein, um bei den Heerscharen ihrer Lieferanten eine ver-
besserte Ökobilanz zu erreichen.
Der grüne Einzelhandel wirkt sich sowohl auf den Umsatz als auch auf den Gewinn positiv
aus. Durch nachhaltige Strategien steigt der Umsatz durch eine höhere Zahl an Kunden, die
umweltbewusste Produkte und Händler unterstützen wollen. Auch der Gewinn fällt durch
reduzierte Kosten höher aus. So haben die Maßnahmen zur Reduzierung des Verpackungs-

7 Siehe dazu Peter Berlinski, „Green keeps growing“, Private Label Magazine, www.privatelabel-
mag.com/feature.cfm, Zugriff 31. März 2010, S. 1; www.jcpenney.com/jcp/default.aspx, Zugriff April
2010; www.greenbaby.co.uk, Zugriff 22. Februar 2012.
8 Siehe www.staples.com/sbd/cre/marketing/easy-on-the-planet/recycling-and-eco-services.html, Zu-
griff September 2014.

630
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13.2 Der Einzelhandel

aufwands z.B. bei Amazon zu einer höheren Kundenzufriedenheit geführt und den „Ärger
mit dem Verpackungsmüll“ beseitigt, während gleichzeitig Kosten eingespart wurden. Und
ein umweltbewusstes McDonald’s-Restaurant ist nicht nur anziehend für Kunden und scho-
nend für den Planeten, sondern auch kostengünstiger im Betrieb. „Grüner Einzelhandel ist in
der letzten Zeit zu einem weiteren legitimen Unterscheidungsmerkmal in der Markenbewer-
tung [von Einzelhändlern] geworden und er führt zu einer signifikanten, rasch einsetzenden
Rentabilität“, schlussfolgert ein Einzelhandelsanalyst.9
Welche Bedeutung nachhaltigen Produkten inzwischen in Deutschland zukommt, zeigt der
nachfolgende Exkurs.

Exkurs: Bedeutung grüner Produkte in Deutschland

Ende 2017 hat das deutsche Umweltbundesamt die Neuauflage der Studie „Grüne Pro-
dukte in Deutschland: Marktbeobachtungen für die Umweltpolitik“ herausgegeben.
Nachhaltiger Konsum ist in der internationalen ebenso wie in der nationalen Politik zu
einem zentralen Handlungsfeld einer nachhaltigen Entwicklung geworden. Die von der
UN verabschiedete Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die Neuauflage der Deut-
schen Nachhaltigkeitsstrategie und nicht zuletzt das von der Bundesregierung verab-
schiedete Nationale Programm für nachhaltigen Konsum machen dies deutlich. Mit der
Agenda 2030 hat die Staatengemeinschaft das Bekenntnis abgelegt, gemeinsam für gute
Lebensgrundlagen heutiger und künftiger Generationen zu sorgen.

Abbildung 13.5: Grüne Produkte in Deutschland 2017


(Quelle: Webseite des Umweltbundesamts unter www.umweltbundesamt.de, eingesehen Februar 2019)

9 Peter Berlinski, „Green keeps growing“, op cit.; siehe auch Kee-hung Lai, T.C.E. Cheng und Ailie K.Y.
Tang, „Green retailing: factors for success“, California Management Review, Winter 2010, S. 6+.

631
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13 Einzelhandel und Großhandel

Im nationalen Programm für nachhaltigen Konsum spielt die Quantifizierung nachhalti-


ger Konsumweisen eine wichtige Rolle. Das „Monitoring für nachhaltigen Konsum“
wird dort als eigenständiger Handlungsansatz mit einem eigenen Kapitel bedacht. Es
sollen Indikatoren und Benchmarks zu den Wirkungen des Konsums sowie zur besseren
Messbarkeit von Änderungen im Konsumverhalten erarbeitet und umgesetzt werden.
Denn für eine effektivere Politik zur Förderung des nachhaltigen Konsums braucht es
ein umfassendes und kontinuierliches Monitoring, das aufzeigt, wie es mit dem nach-
haltigen Konsum in Deutschland steht und ob entsprechende politische Maßnahmen
Wirkung zeigen.
Das Umweltbundesamt hat mit der 2011 gestarteten systematischen Marktbeobachtung
grüner Produkte und dem dort entwickelten Markt- und Kaufbereitschaftsindex zentrale
Grundlagen für das Monitoring in Deutschland gelegt. Mit den Broschüren „Grüne Pro-
dukte in Deutschland“ (2013) und „Green Products in Germany 2014“ (2014) wurden
erstmalig übergreifend für nachhaltigen Konsum relevante Marktdaten zusammengetra-
gen und in Beziehung zu den Umweltbelastungen des Konsums gesetzt. Die Neuauflage
2017 setzt diese Datenreihe fort.
Die Ergebnisse der Studie 2017 zeigen: Das Niveau der Marktanteile ist dabei äußerst
heterogen. Einige ökologische Produkte verfügen heute über hohe Marktanteile von 50
Prozent und mehr, etwa Haushaltsgeräte, energieeffiziente Leuchtmittel und MSC-zerti-
fizierte Fischprodukte. In den anderen analysierten Bereichen wie dem öffentlichen
Verkehr, effizienten Fahrzeugen und Bioprodukten liegen die Marktanteile von grünen
Angeboten bei unter zehn Prozent, bei Ökostrom bei knapp 20 Prozent.

Marktentwicklung (durchschnitt-
Marktanteil 2015
liche Wachstumsrate der Marktan-
(Niveau)
teile der vergangenen drei Jahre)

Effiziente Haushaltsgeräte zwischen 70 und 90 % zwischen +8,5 % und +91 %

MSC-Produkte 64 % +7,2 %

Effiziente Beleuchtung 51 % +14,8 %

Ökostromtarife 19,8 % +11,3 %

Ökologische Wärme- 12,2 % k. A., da wechselweise Wachstum und


erzeuger Schrumpfung

Öffentlicher Verkehr 9,8 % +4,0 %

Bioprodukte 4,7 % +3,6 %

Elektro- und Hybridfahr- 1,4 % +22,6 %


zeuge

Car-Sharing 0,1 % +36,2 %

Tabelle 13.1: Marktanteile grüner Produkte und Dienstleistungen (Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/sites/


default/files/medien/1410/publikationen/171206_uba_fb_gruneprodukte_bf_low.pdf)

632
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13.2 Der Einzelhandel

Es besteht hier entsprechend noch ein großes Nachholpotenzial insbesondere im Hin-


blick auf das eigentliche Ziel: Die Minderung der mit dem Konsum verbundenen
Umweltbelastungen. Denn: Effizienzgewinne werden durch steigende Konsumansprü-
che geschmälert oder sogar zunichte gemacht. Zwar erfolgt die thermische Dämmung
von Gebäuden effizienter als vor ein paar Jahren, aber es steigt die Wohnfläche pro Kopf.
Zwar konnten nennenswerte Energieeffizienzgewinne bei Elektrogeräten erzielt werden,
es steigt aber die Verbreitung und Nutzung von Elektrogeräten. Zwar werden Fahrzeuge
immer energieeffizienter, es nimmt aber die Verkehrsleistung an sich zu.
Quelle:
Studie des deutschen Umweltbundesamtes: „Grüne Produkte in Deutschland. Marktbeobachtun-
gen für die Umweltpolitik“. Unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/
1410/publikationen/171206_uba_fb_gruneprodukte_bf_low.pdf [31.03.2018].

Globale Expansion von Einzelhandelsunternehmen


Einzelhändler mit einzigartigen Angeboten und starker Positionierung werden zunehmend
auf internationalen Märkten tätig. Viele expandieren in andere Länder, um den reifen und
gesättigten heimischen Märkten zu entkommen. Während europäische und asiatische Einzel-
händler hier voranschreiten, hinken viele US-Händler hinterher. Obwohl zehn der weltwei-
ten Top-20-Handelsunternehmen aus den USA stammen, haben nur zwei von ihnen
(Walmart und Costco) Filialen außerhalb Nordamerikas eröffnet. Von den zehn nichtamerika-
nischen Handelsunternehmen der Top 20 sind dagegen neun in mindestens zehn Ländern
präsent. Zu den ausländischen Einzelhändlern, die sich global ausgebreitet haben, gehören
Schwedens IKEA und Hennes & Mauritz, Frankreichs Carrefour, Deutschlands Metro und
ALDI, Hollands Royal Ahold, Englands Tesco sowie Japans Yaohan-Supermärkte.
Die Expansion in Schwellenländer wird besonders von den Globalen Top 5 vorangetrieben:
Walmart, Carrefour, Metro, Tesco und Seven Eleven. In West- und Zentraleuropa hat Carre-
four die Nase vorn, auch wenn das Unternehmen vor einiger Zeit Rückschläge auf dem Hei-
matmarkt in Kauf nehmen musste und in Ländern wie Japan, Mexiko oder Tschechien zum
Rückzug gezwungen war. In Osteuropa führen Metro, X5, Magnit und Auchan das Ranking,
obwohl dieser Markt insgesamt weiterhin von lokalen Unternehmen dominiert wird. Welt-
weit betreibt Carrefour 15.400 Filialen in 30 Ländern in Europa, Asien und Nord-, Mittel und
Südamerika, darunter 1.000 Megamärkte. Carrefour übertrifft Walmart in vielen Schwellen-
ländern, wie Südamerika, China und den Pazifikanrainern. In Brasilien und Argentinien, wo
das Unternehmen beinahe 1.000 Märkte betreibt, ist es sogar der führende Einzelhändler.
Verglichen damit hat Walmart in diesen beiden Ländern „nur“ 477 Geschäfte eröffnet. Auch
in China, wo Walmart lediglich über 279 Märkte verfügt, führt Carrefour mit 443 Filialen als
größter ausländischer Einzelhändler.
Obwohl viele Handelsunternehmen den Schritt ins Ausland wagten, ist es nicht allen gut
ergangen. Häufig fanden sie nicht die richtigen Methoden für den Übergang von nationaler
zu internationaler Geschäftstätigkeit. Es erwies sich in vielen Fällen als schwierig, ein Ein-
zelhandelskonzept über nationale Grenzen hinweg zu übertragen. So waren die britischen
Einzelhändler Dixons, Habitat und Mothercare gezwungen, sich aus dem amerikanischen
Markt zurückzuziehen. Sogar Benetton, das in der Vergangenheit für seine Internationalisie-
rungsstrategie bekannt war, musste in den 90er-Jahren Hunderte von Geschäften in den USA
schließen.

633
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13 Einzelhandel und Großhandel

Die wahrscheinlich größte Herausforderung für den internationalen Einzelhandel liegt darin,
in aufstrebenden Märkten wie Indien und China, wo sich Marktstrukturen sowie kulturelle
und gesetzliche Rahmenbedingungen deutlich von denen westlicher Märkte unterscheiden,
erfolgreich zu agieren. Trotz dieser Schwierigkeiten werden auch zukünftig immer mehr
Unternehmen nach neuen Märkten suchen. Vor allem die Top-Einzelhändler werden weiter-
hin in Schwellenländern investieren, um höhere Marktanteile zu gewinnen.

13.3 Der Großhandel


Der Großhandel verkauft Waren oder Dienstleistungen an Wiederverkäufer oder gewerbliche
Verwender. Großhändler beziehen die von ihnen angebotenen Produkte überwiegend von
Herstellern und verkaufen zum größten Teil an den Einzelhandel, an Industriebetriebe, an
andere Großhändler und an institutionelle Großverbraucher (Bund, Länder, Gemeinden,
Hochschulen, Krankenhäuser, Banken, Versicherungen usw.). Nur in Ausnahmefällen treten
Großhändler in Geschäftsbeziehungen mit Endverbrauchern ein.
Eine interessante Frage ist, warum es überhaupt Großhändler gibt. Warum bedient sich ein
Hersteller der Dienste eines Großhändlers, statt seine Einzelhändler direkt zu beliefern? Die
Frage lässt sich ganz einfach beantworten. Großhändler können in der Regel eine oder meh-
rere der Aufgaben in den Absatzwegen besser erfüllen als der Hersteller, der Einzelhandel
oder die Käufer. Dazu gehören die Folgenden:
Verkauf und Verkaufsförderung Der Verkaufsaußendienst des Großhandels kann insbeson-
dere kleinere Einzelhandelskunden zu niedrigeren Kosten erreichen, als dies der Außen-
dienst der Hersteller vermag. Zwischen dem Außendienst des Großhandels und dessen Kun-
den besteht häufig ein Vertrauensverhältnis.
Beschaffung und Sortimentsbildung Die Großhändler wählen bestimmte Artikel aus und
stellen daraus ein Sortiment zusammen, das genau auf die Bedürfnisse ihrer Kunden zuge-
schnitten ist. Sie ersparen dadurch ihren Kunden sehr viel Arbeit.
Anpassung der Mengen Großhändler sparen ihren Kunden viel Geld, indem sie große Pro-
duktionslose bei den Herstellern kaufen und sie auf ihre Kunden entsprechend dem dort vor-
handenen Bedarf aufteilen.
Lagerhaltung Großhändler halten große Warenlager, um immer lieferfähig zu bleiben. Sie
ersparen damit sowohl den Herstellern als auch ihren Kunden Lagerrisiken und Lagerkosten.
Transport Die Großhändler sorgen für eine schnelle Belieferung ihrer Kunden, da sie näher
am Kunden sind als die jeweiligen Hersteller.
Finanzierung Großhändler betreiben Finanzierung für ihre Kunden, indem sie Zahlungsziele
einräumen. Für die Hersteller nehmen sie eine Finanzierungsfunktion wahr, indem sie die
Produkte frühzeitig bestellen und pünktlich bezahlen, ungeachtet dessen, ob sie schon ver-
kauft sind oder nicht.
Risikoübernahme Der Großhandel entlastet Hersteller und Kunden von Risiken, indem er
vorübergehend Eigentümer wird und damit alle damit verbundenen Risiken wie Diebstahl,
Beschädigung, Verderb und Veralterung trägt.
Marktinformation Der Großhandel versorgt sowohl die Hersteller als auch die Kunden mit
aktueller Information über Konkurrenten, neue Produkte und die aktuelle Entwicklung des
Preisniveaus.

634
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13.3 Der Großhandel

Management-Unterstützung für den Einzelhandel Großhändler können ihren Einzelhandels-


kunden bei der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter helfen sowie bei der Einrichtung und Reno-
vierung ihrer Geschäftslokale. Einzelhändler erhalten häufig auch bei der Auswahl von
Buchhaltungs- und Lagerhaltungsstandards und der zugehörigen Software Unterstützung
durch die Großhändler.
Es wird deutlich, dass der Großhandel innerhalb des Absatzwegs eine wichtige Vermittler-
rolle zwischen den Endverbrauchern einerseits und den Produzenten andererseits einnimmt.

13.3.1 Typologie des Großhandels


Das Leistungsangebot eines Großhandelsunternehmens lässt sich anhand von drei Kriterien
charakterisieren:
 Branche oder Geschäftsfelder, in denen das Unternehmen tätig ist
 Sortimentsbreite und Sortimentstiefe, die das Unternehmen mit seinem Angebot abdeckt
 Art und Umfang der für die Kunden ergänzend angebotenen Dienstleistungen
Generell lassen sich Großhändler in drei Hauptgruppen einteilen: Großhändler als eigenstän-
dige Kaufleute, Handelsvertreter und -makler sowie Geschäftsstellen und Niederlassungen
des Herstellers.
Großhändler, die als eigenständige Kaufleute agieren, können nach der Art und dem Umfang
der von ihnen angebotenen Dienstleistungen in zwei Arten klassifiziert werden: Großhändler
mit umfassendem Serviceangebot und solche mit eingeschränktem Service. Großhandelsun-
ternehmen mit umfassendem Serviceangebot offerieren ein vollständiges Servicekomplettan-
gebot, während Großhändler mit eingeschränktem Service ihren Lieferanten und Kunden nur
ausgewählte Dienste anbieten. Die vielen unterschiedlichen Arten von Großhändlern mit
eingeschränktem Service bieten zumeist spezialisierte Dienste innerhalb des Distributionska-
nals an.
Handelsmakler und -vertreter hingegen unterscheiden sich von eigenständigen Großhänd-
lern, da sie keine Eigentumsrechte an der Ware erwerben und nur wenige der oben genann-
ten Funktionen erfüllen. Sie spezialisieren sich in der Regel auf eine Produktgruppe oder
bestimmte Kunden. Handelsvertreter schließen Geschäfte in fremdem Namen ab und Han-
delsmakler bahnen die Abschlüsse an, indem sie Käufer und Verkäufer zusammenbringen.
Zu der dritten Gruppe der Großhändler zählen Geschäftsstellen und Niederlassungen der
Hersteller selbst.

Großhandelsunternehmen mit umfassendem Serviceangebot


Der traditionelle Großhandel bietet seinen Kunden ein komplettes Servicepaket mit Dienst-
leistungen an, zu denen Lagerhaltung, Kreditgewährung über Lieferung auf Rechnung und
Zahlungsziel, ein gut organisierter Zulieferdienst, technische Unterstützung, ein Werkstatt-
oder Außendienstservice und Beratung in allen Fragen gehören.
Großhändler für den Wiederverkaufsbedarf Diese Großhandelsunternehmen verkaufen
überwiegend an Wiederverkäufer und bieten ein volles Leistungsangebot bezüglich des Kun-
dendienstes an. Zu dieser Gruppe zählen Sortimentsgroßhändler und Fach- bzw. Spezi-
algroßhändler:
 Sortimentsgroßhändler Viele Großhandelsunternehmen führen mehrere Produktlinien,
z.B. Haushaltswaren, Kosmetik, Waschmittel, nicht verderbliche Lebensmittel, Kleinmö-

635
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13 Einzelhandel und Großhandel

bel und Einrichtungsgegenstände. Sie wollen damit dem Bedarf der Einzelhändler gerecht
werden, die ebenfalls ein derart breites Sortiment führen, und gleichzeitig auch die Fach-
händler in diesen Bereichen bedienen können.
 Fach- und Spezialgroßhändler Fachgroßhändler beschränken sich auf ein enger einge-
grenztes Gebiet, haben dort aber eine größere Sortimentstiefe. Beispiele wären der Fach-
großhandel für Unterhaltungselektronik, für Sanitärbedarf oder für Mode und Bekleidung.
Daneben gibt es noch echte Spezialitäten- und Nischengroßhändler, die nur einen Aus-
schnitt eines bestimmten Angebots führen, dafür aber mit großer Sortimentstiefe. Bei-
spiele hierfür sind: Fachgroßhändler für Reformwaren, für Frischfisch und Meeresfrüchte
oder für Autoteile. Diese Fachgroßhändler bieten ihren Kunden eine große Auswahl in
ihrem Bereich und die beste Fachkenntnis und Fachberatung.
Großhändler für Industriebedarf Großhändler für Industriebedarf verkaufen vor allem an
produzierende Betriebe und weniger an Wiederverkäufer. Sie versorgen die produzierenden
Unternehmen mit maschineller Ausrüstung, Krediten, schneller Lieferung frei Haus (wichtig
bei Betriebsstörungen), technischer Beratung und weiteren ergänzenden Diensten. Ähnlich
wie die Großhändler für den Wiederverkaufsbedarf haben sie entweder ein sehr breites Sorti-
ment (bis hin zum Kantinenbedarf), ein begrenztes Sortiment oder ein sehr enges Sortiment.
Großhändler für Industriebedarf nehmen häufig eine Konzentration auf bestimmte Bereiche
vor, wie zum Beispiel Großhändler für Wartungsbedarf und Betriebsstoffe oder Erstausrüs-
tung für die laufende Produktion, für Kugellager oder Motoren. Andere Großhändler führen
Ausrüstung und Werkzeuge, wie zum Beispiel ein Großhändler für Elektro- und Druckluft-
werkzeuge oder für Gabelstapler.

Großhandelsunternehmen mit eingeschränktem Service


Großhandelsunternehmen dieses Typs leisten die Großhandelsfunktion unter Auslassung
einiger Teilfunktionen und bieten eine weniger umfassende Kundenbetreuung an. Es gibt
unterschiedliche Ausprägungen dieses Großhandelstyps.
Cash-und-Carry-Großhändler beschränken sich auf wenige Artikelgruppen, die schnellen
Umsatz versprechen, wie Lebensmittel, Spielwaren, Haushaltswaren, Bekleidung, Elektrogeräte,
Büromaterial und Baubedarf. Sie verkaufen an kleinere Wiederverkäufer und an Industriebe-
triebe. Wie schon der Name sagt, muss die Ware bar bezahlt und sofort mitgenommen werden,
die Finanzierung und Lieferung zum Käufer erfolgen ausdrücklich nicht. Ein kleiner Lebensmit-
tel- oder Fischhändler fährt gewöhnlich mehrmals in der Woche zu einem Fischgroßhändler,
kauft dort einige Kisten Fisch, bezahlt sofort und stellt sie nach Rückkehr zum Verkauf bereit. Die
Cash-und-Carry-Großhändler spielen in der Praxis eine wichtige Rolle für viele kleinere
Geschäfte (auch „Tante-Emma-Läden“ und Kioske), weil diese nicht mehr von den regelmäßigen
Lieferfahrten der Branchen-Großhändler angefahren werden. Diese stellen häufig nur noch dann
zu, wenn ganze Kartons oder ganze Paletten der gleichen Ware abgenommen werden. Die Käufe
der kleinen Wiederverkäufer fallen für ihre Logistik zu gering aus. Zudem sind die großen Han-
delsketten „geschlossene Systeme“, die nicht an Außenstehende liefern.
Weitere Erscheinungsformen des Großhandels Je nach Branche und Region oder Land gibt
es noch weitere Formen des Großhandels. Bestimmte Formen haben zwar bis heute überlebt,
existieren aber nur noch sporadisch. Insbesondere in den USA sind die Varianten „truck job-
bers“, „drop shippers“ und „rack jobbers“ noch vorzufinden.
Die „truck jobbers“ sind kleine Selbstständige, die mit einem Lieferwagen voller Waren (wie
zum Beispiel Milch, Brot oder Lebensmittel) die Runde zu kleinen Supermärkten und

636
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13.3 Der Großhandel

Lebensmittelgeschäften machen und auch Krankenhäuser, Restaurants, Hotels und Werks-


kantinen besuchen. Sie übernehmen lediglich die Verkaufs- und Lieferfunktion und führen
ein schmales Sortiment, das sie nur gegen Bargeld verkaufen.
Die „drop shippers“ sind in den Bereichen Kohle, Öl, Chemikalien und Maschinenanlagen
tätig. Sobald sie einen Auftrag von einem Kunden erhalten, werden sie aktiv und suchen
einen Hersteller, der die Ware direkt zum Kunden bringt. Dabei erwerben sie die Eigentums-
rechte an der Ware und tragen das Risiko ab dem Zeitpunkt der Annahme der Bestellung bis
zur Lieferung an den Kunden. Da sie keine Lagerhaltung betreiben, bestehen bei ihnen aller-
dings Kostenvorteile, die sie zum Teil weitergeben.
Bei den „rack jobbers“ handelt es sich um Regalgroßhändler, die an den Verkaufspunkten der
Cash-und-Carry-Großhändler oder Einzelhändler bestimmte Sortimentsbereiche (meist Non-
Food-Produkte, z.B. Taschenbücher, Zeitungen, Spielzeug, Haushaltsartikel) betreuen und
verwalten, d.h., sie präsentieren ihre Waren und füllen die Regale auf. Sie halten die Eigen-
tumsrechte an der Ware und stellen dem Händler nur die an den Endkunden verkaufte Ware
in Rechnung. Sie betreiben ihr Handelsgeschäft sozusagen auf der Verkaufsfläche anderer
Handelsbetriebe.
Ähnlich arbeiten bei uns die sogenannten „Frischdienstverkäufer“ für Milchprodukte oder
abgepacktes Brot. In den Geschäften kann man beobachten, wie sie Waren mit abgelaufenem
Haltbarkeitsdatum einsammeln und die Regale mit frischen Produkten füllen. Ähnliche Kon-
zepte lassen sich bei Blumen, Zeitungen und Zeitschriften beobachten. Wie die „truck job-
ber“ kaufen auch manche Selbstständige bei Landwirten, um in den Wohnsiedlungen der
Städte, aber auch bei Wiederverkäufern und Großverbrauchern der Gastronomie die Ware
weiterzuverkaufen.
Erzeugergenossenschaften mit Großhandelsfunktion Im Bereich landwirtschaftlicher Pro-
dukte oder häufig auch bei Wein übernehmen Genossenschaften als Gemeinschaftsgründung
der produzierenden Landwirte die Vermarktung der Produkte an Wiederverkäufer und Groß-
verbraucher.
Verwendergenossenschaften mit Großhandelsfunktion Hier sei für Deutschland die
„BÄKO“-Organisation genannt, eine Einkaufsgenossenschaft, die für viele Bäcker die Roh-
stoffe und einen Teil der Handelsware (zum Beispiel Konfitüren) beschafft. Die handwerk-
lichen Bäckerbetriebe sind Genossen dieser Organisation.
Versandgroßhändler Dabei handelt es sich um Großhandelsunternehmen, die ihr Sortiment
bei Wiederverkäufern, Großverbrauchern, Behörden usw. anbieten und die Ware dann ver-
senden. Die Hauptkunden dieses Großhandelstyps sind kleinere Betriebe in Gegenden
weitab von den großen Ballungsräumen. Versandgroßhändler beschäftigen keinen Außen-
dienst und bieten im Übrigen kaum eine der weiteren Großhandelsfunktionen an.

Handelsmakler und Handelsvertreter


Die Gruppe der Handelsmakler und -vertreter unterscheidet sich von den Großhandelsunter-
nehmen in zwei Punkten:
 Die Makler und Handelsvertreter werden in fremdem Namen tätig. Sie vermitteln, aber sie
erwerben und veräußern nicht in eigenem Namen.
 Sie leisten nur einige wenige der oben genannten zahlreichen Funktionen des Großhan-
dels.

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13 Einzelhandel und Großhandel

Die Handelsmakler und -vertreter sehen ihre Hauptaufgabe darin, Geschäfte anzubahnen. Für
diese Dienste berechnen sie eine Gebühr, häufig Provision genannt, die vom Verkaufspreis
abhängt. Ähnlich wie die Großhandelsunternehmen spezialisieren sie sich oft auf bestimmte
Produkt- oder Kundengruppen. Als Spezialisten in ihrem Bereich können sie wertvolle
Dienste leisten und guten Rat erteilen.
Handelsmakler Ein Makler bringt Käufer und Verkäufer zusammen und begleitet die Ver-
handlungen. Makler werden von Zeit zu Zeit beschäftigt.
Im Gegensatz zu Maklern vertreten Handelsvertreter die Interessen des Käufers oder Verkäu-
fers nicht nur bei einem bestimmten Auftrag, sondern dauerhaft.

13.3.2 Marketingentscheidungen im Großhandel


Großhändler stehen heute vor vielfältigen Herausforderungen: steigender Wettbewerbsdruck,
anspruchsvollere Kunden, neue Technologien und immer mehr Direktbezugsprogramme sei-
tens großer Industriekunden, Institutionen und auch privaten Kunden. Dies erfordert ein
Überdenken der bisherigen Marketingstrategien.
Ähnlich wie bei Einzelhändlern beziehen sich die Marketingentscheidungen von Großhänd-
lern auf die Segmentierung und Zielgruppenansprache, Differenzierung und Positionierung
der Leistungen und die Gestaltung des Marketing-Mix, also das Produktsortiment und
Dienstleistungsangebot, die Preisgestaltung, die Kommunikation und die Distribution (siehe
Abbildung 13.6).

Segmentierung, Zielgruppenansprache, Differenzierungs- und


Positionierungsentscheidungen
Entscheidungen zur Segmentierung, Zielgruppenansprache, Differenzierung und Positionie-
rung sind erforderlich, da auch Großhändler nicht alle Kunden undifferenziert bedienen kön-
nen. Die Zielgruppenauswahl kann beispielsweise aufgrund der Größe (z.B. nur kleine Einzel-
händler), die Art der Kunden (z.B. nur Lebensmittelgeschäfte), der Notwendigkeit für
Serviceleistungen (Kunden mit Zahlungszielen) oder auch durch andere Kriterien erfolgen.
Innerhalb der Zielgruppen kann man die besonders profitablen Kunden identifizieren, diesen
bessere Angebote unterbreiten und die Beziehungen zu ihnen intensivieren. Man kann auch
automatische Nachbestellungen, Management-Trainings, Beratung oder sogar finanzielle
Unterstützung zur weiteren Expansion anbieten. Vor unprofitablen Kunden hingegen kann
man sich durch Mindestbestellmengen oder das Berechnen von Servicegebühren schützen.

638
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13.3 Der Großhandel

Großhändler Großhändler
Strategie Marketing-Mix
Segmentierung und Produktsortiment und
Zielgruppenansprache Dienstleistungen

Differenzierung und Preispolitik


Positionierung der
Leistungen Kommunikationspolitik

Distributionspolitik
(Standort)

Schaffung von Mehrwert für Großhandelskunden

Abbildung 13.6: Die Marketingstrategie von Großhändlern

Entscheidungen zum Marketing-Mix


Auch Entscheidungen zum Produktsortiment und Dienstleistungsangebot, zur Preisgestal-
tung, zu den Kommunikationsmaßnahmen und zur Distribution müssen von Großhändlern
getroffen werden. Sie können sich durch die angebotenen Produkte und Serviceleistungen
vom Wettbewerb differenzieren und zusätzlich einen Mehrwert für ihre Kunden schaffen.
Häufig stehen Großhändler unter hohem Druck, ein umfassendes Sortiment und große Lager-
bestände zur sofortigen Lieferung bereitzuhalten, was sich ungünstig auf die Margen auswir-
ken kann. Viele Großhändler reduzieren deshalb den Umfang des angebotenen Sortiments,
um sich auf die profitableren Sortimentsbereiche zu konzentrieren. Auch überarbeiten sie
das Serviceangebot. Sie überprüfen, welche Leistungen für den Aufbau starker Kundenbezie-
hungen tatsächlich relevant sind, welche Leistungen entfallen könnten und welche dagegen
kostenpflichtig angeboten werden sollten. Die Herausforderung besteht darin, einen Service-
Mix anzubieten, der den größten Nutzen für die Zielgruppen bietet.
Die Preispolitik erfordert ebenfalls wichtige Entscheidungen seitens der Großhändler. In der
Regel kalkulieren sie die Preise durch einen einheitlichen Prozentsatz (z.B. 20 %), den sie
aufschlagen. Wenn die tatsächlichen Kosten z.B. 17 Prozent der Bruttomarge umfassen, so
beträgt die Gewinnspanne 3 Prozent. Im Lebensmittelgroßhandel beträgt die durchschnittli-
che Gewinnspanne oft weniger als 2 Prozent. Großhändler suchen deshalb nach neuen
Ansätzen der Preisgestaltung.
Auch wenn die Kommunikationspolitik durchaus zum Erfolg der Großhändler beitragen kann,
wird sie von den meisten etwas vernachlässigt. Oftmals setzen sie auf breit gestreute und nur
unzureichend geplante Handelswerbung, Verkaufsförderung, persönlichen Verkauf und PR.
Viele verwenden Ansätze des persönlichen Verkaufs, die mittlerweile längst überholt sind. Sie
sehen den Verkauf lediglich als Einzelleistung eines Vertriebsmitarbeiters, der sein Gegenüber
im Verkaufsgespräch überzeugt. Sie begreifen den Verkauf noch nicht als Teamleistung, bei der
es in erster Linie nicht nur darum geht, schnell zu verkaufen, sondern auch belastbare Bezie-

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
13 Einzelhandel und Großhandel

hungen zu wichtigen Großkunden aufzubauen und diese durch Serviceleistungen zu überzeu-


gen. Großhändler sollten sich außerdem auch einiger der nicht personenbezogenen Verkaufs-
förderungsinstrumente der Einzelhändler bedienen. Es geht darum, eine übergeordnete
Kommunikationsstrategie zu entwickeln und verstärkt auch von Lieferanten zur Verfügung
gestellte Materialien zu nutzen. Digitale und soziale Medien gewinnen dabei zunehmend an
Bedeutung. Einige erfolgreiche Großhändler sind aktiv auf Facebook, YouTube, Twitter, Linke-
dIn und Google+ präsent und bieten mobile Apps und Videos mit zahlreichen Funktionen zu
verschiedenen Themen, z.B. Informationen über das Unternehmen sowie dessen Produkte und
Dienstleistungen oder über Maßnahmen zur Senkung der Inventurkosten.
Abschließend soll nun auf die Bedeutung der Distributionspolitik und der Standortwahl einge-
gangen werden. Großhändler sollten ihre Standorte, Lagerhallen und auch ihre Onlinepräsenz
sorgfältig planen. Es gab Zeiten, in denen Großhändler von niedrigen Mieten und Niedrigsteu-
ergebieten profitierten und nur verhältnismäßig wenig Geld in ihre Gebäude, Ausstattung und
Systeme investieren mussten. Im Zeitalter der Technologisierung und Digitalisierung kann ein
solches Verhalten jedoch nachteilig sein, wenn veraltete Systeme in der Logistik, Auftragsab-
wicklung und Lieferung zu Wettbewerbsnachteilen oder Kundenunzufriedenheit führen.
Fortschrittliche Großhändler zeigen dagegen, dass steigenden Kosten oftmals auch durch
Investitionen in automatisierte Lager und IT-Systeme begegnet werden kann. Aufträge wer-
den durch Informationssysteme der Einzelhändler direkt den Systemen der Großhändler mit-
geteilt, die Bestellungen teilweise automatisch bereitgestellt und dem Versand zugeführt.
Immer mehr Großhändler verwenden neue Technologien, die die Prozesse der Buchhaltung,
Fakturierung, Lagerverwaltung und Prognose der Bestellmengen einheitlich abbilden. Sie
passen ihre Dienstleistungen an die Bedürfnisse der Zielgruppen an und identifizieren Kos-
tensenkungspotenzial innerhalb der Prozesse. So findet die Abwicklung der Geschäftstrans-
aktionen heute zunehmend online statt.

13.3.3 Trends im Großhandel


Auch Großhändler stehen heute vor bedeutenden Herausforderungen. Die Branche wird
durch den anhaltend heftigen Widerstand gegenüber Preiserhöhungen und den Trend zur
Eliminierung von Handelsstufen, die keinen Nutzen in Bezug auf Qualität und Kosten bieten,
gefährdet. Fortschrittliche Großhändler suchen konstant nach Wegen, die stets wechselnden
Bedürfnisse ihrer Lieferanten und ihrer Kunden noch besser zu bedienen. Sie sind sich darü-
ber im Klaren, dass sich auf lange Sicht ihre Daseinsberechtigung nur daraus ergeben kann,
dass sie durch höhere Effizienz und höhere Effektivität den Nutzen des gesamten Vertriebs-
kanals erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sie ihre Dienstleistungen ständig ver-
bessern und die Kosten senken.
Der Unterschied zwischen Einzelhändlern und Großhändlern verschwimmt immer mehr. Es
gibt Einzelhändler, deren Konzept mit dem des Großhandels vergleichbar ist und große
Supermärkte, die viele Großhandelsfunktionen übernehmen. Gleichzeitig bauen zahlreiche
Großhändler eigene Einzelhandelsaktivitäten auf. Ein Beispiel für diese Mischform ist ein
Cash-and-Carry-Großhändler mit Selbstbedienung wie Makro, der als Großhändler mit einge-
schränktem Service hauptsächlich an Geschäftsleute und Besitzer kleiner Läden verkauft.
Andererseits verkauft Makro als großer Einzelhändler alle Artikel des täglichen Bedarfs zu
Großhandelspreisen auch an Kunden, die keine Wiederverkäufer sind, sondern lediglich
große Menge für den eigenen Bedarf kaufen.

640
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13.3 Der Großhandel

Großhändler werden ihre Dienstleistungen, die sie für den Einzelhandel erbringen, wie z.B.
Onlinetransaktionen, Kooperationen bei der Werbung und die Bereitstellung von Marketing-
und Managementinformationen, in der Zukunft weiter verbessern. Steigende Kosten und die
Nachfrage nach besserem Service führen dazu, dass die Gewinnspannen der Großhändler
stark unter Druck geraten. Großhandelsunternehmen, die diese doppelte Herausforderung
nicht bestehen, werden sehr schnell auf der Strecke bleiben.
Gleichzeitig wird der verstärkte Einsatz von computergestützten, automatisierten und webba-
sierten Systemen fortschrittliche Großhändler unterstützen, die Kosten für die Bestellung,
den Versand und die Lagerhaltung einzudämmen und somit ihre Produktivität in einigen
Märkten stärken.
Da auf den Inlandsmärkten nur noch begrenzte Wachstumsraten zu erzielen sind, werden die
leistungsfähigsten Großhandelsunternehmen verstärkt auf die internationalen Märkte expan-
dieren. Dies schafft weltweit neue Herausforderungen für die gesamte Branche.
Das nachfolgende Highlight untersucht, wie der Großhandel auf die Herausforderung einer
zunehmenden Digitalisierung reagiert.

Marketing-Highlight: Großhandel: Herausforderung Digitalisierung

Die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Bedeutung des Großhandels ist enorm:


Gemessen am Umsatz, 2017 immerhin 1,15 Milliarden Euro, ist der Großhandel
Deutschlands zweitstärkster Wirtschaftszweig. Fast zwei Millionen Menschen, darunter
60.000 Auszubildende, erbringen Großhandelsdienstleistungen in 70 unterschiedlichen
Branchen. Insgesamt gibt es in Deutschland 125.000 Unternehmen, die dem Großhan-
delssektor zuzuordnen sind. Trotz starken Drucks auf den Großhandelssektor kann der
Umsatz des deutschen Großhandels seit 2011 auf konstantem Niveau gehalten werden.
Grund dafür ist, dass das Leistungsspektrum der Großhändler längst über den traditio-
nellen Austausch von Waren hinausgeht. Kernfunktionen des Großhandels, wie Lager-
haltung, Distribution innerhalb kurzer Lieferzeiten, breite Marktbearbeitung und kun-
dennahe Standorte wurden im Laufe der Zeit erweitert um Kernfunktionen wie die
Bankfunktion des Großhandels, Tools zur Effektivierung des Beschaffungs- und Trans-
portmanagements sowie ausgeweiteten Kundenservice in Bezug auf Produkte, Marke-
ting und technischen Support.
Dabei gilt, dass das Großhandelsunternehmen gezwungen ist, sowohl den nachgelager-
ten Kunden – wie dem Einzelhandel – als auch den vorgelagerten Kunden – die Liefe-
ranten, die Herstellerunternehmen – ein spezifisches Leistungsspektrum zu bieten.
Dabei ist das Großhandelsunternehmen angehalten, das Leistungsspektrum sowohl
effektiv als auch effizient auszuführen, da dem Unternehmen ansonsten eine Ausspa-
rung aus dem Distributionssystem droht.

641
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13 Einzelhandel und Großhandel

Von besonderer Relevanz für die Zukunft des Großhandels ist der steigende Grad der Digi-
talisierung der Wirtschaft. Dieser Digitalisierungsprozess hat das Potenzial auch das
Geschäftsmodell des Großhandels fundamental zu verändern. Einer Studie von Roland
Berger und dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA)
zufolge, die auf der Befragung von 890 deutschen Großhändlern fußt, halten 54 Prozent der
Großhandelsunternehmen digitale Plattformen für die größte Gefahr für ihr Geschäftsmo-
dell. Dabei sehen 62 Prozent das Geschäftsmodell durch die Produktpreisgestaltung
bedroht, 43 Prozent fürchten erschwerten Zugang zu digital affinen Kunden und 37 Pro-
zent fürchten die Logistikkompetenz digitaler Plattformen. Damit werden durch die neuen
Möglichkeiten der Digitalisierung genau die bisherigen Kernkompetenzen der Großhandel-
sunternehmen direkt angegriffen. Der Druck kommt dabei gleich von zwei Seiten: Zum
einen buhlen nun auch neue digitale Konkurrenten um die Gunst der Kunden, zum ande-
ren vertreiben die Herstellerunternehmen selbst zunehmend die eigenen Produkte über
digitale Kanäle und nutzen die dabei generierten Kundendaten direkt für sich.
Selbstverständlich haben viele Großhandelsunternehmen längst mit der Digitalisierung
ihrer Geschäftsprozesse begonnen. Laut der Studie von Roland Berger setzen 67 Prozent
der befragten Unternehmen neue Technologien und Vertriebskanäle zur Kundenbin-
dung ein. Dennoch bezweifeln selbst viele der digital besonders Aktiven, dass ihre
Bemühungen ausreichen, um im digitalen Wettbewerb zu bestehen. Immerhin ist auch
in den kommenden Jahren mit einem verstärkten B2B-Ein- und -Verkauf über Online-
shops und Marktplätze zu rechnen. Klassische Vertriebswege werden an Relevanz ver-
lieren – auch im Großhandel. Um aber im B2B-E-Commerce erfolgreich zu sein, muss
das gesamte Geschäftsmodell im Kontext der „Digitalisierung“ durchdacht werden.
B2B-E-Commerce verlangt Engagement, Management Commitment, Investitionsbereit-
schaft, Ausdauer und Fachwissen.
Will der Großhandel auch in Zukunft für die Herstellerunternehmen und den nachgela-
gerten Kunden Einzelhandel interessant und nutzenbringend sein, wird er sich erneut
wandeln müssen. Nach wie vor gilt: Nur die Nutzenstiftung für den vor- und nachgela-
gerten Partner der Supply Chain sichert dem Großhandelssektor die Existenz. Mit der
Digitalisierung kommt nun die nächste Herausforderung auf den Großhandel zu. Des-
halb ist es für alle Großhandelsunternehmen an der Zeit, sich über ihre Rolle in Zeiten
fortschreitender Digitalisierung bewusst zu werden und dementsprechend das eigene
Geschäftsmodell darauf auszurichten.
Quellen:
Webseite des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. unter: https://
www.bga.de/start/ [31.03.2018].
Studie von Roland Berger: „Digitale Transformation des Großhandels“, unter: https://www.roland-
berger.com/de/press/Digitalisierung-im-deutschen-Großhandel-Drehscheibe-der-Wirtschaft-in-digi-
taler.html [31.03.2018].
Moser, P. (2010): Die nachhaltige Gestaltung strategischer Kooperationen zwischen Hersteller- und
Großhandelsunternehmen. Eine multiple Fallstudienanalyse anhand der österreichischen Haus-
technikbranche. Linz: Trauner.
Speck, A. (2016): Großhandel braucht mehr Mut zur Digitalisierung. Unter: https://www.springer-
professional.de/multichannel-vertrieb/handel/grosshandel-braucht-mehr-mut-zur-digitalisierung-/
11079174 [31.03.2018].
Wittmann, G. (2016): Digitalisierung im Großhandel – Vertriebsstrategien der Zukunft. Unter:
https://handel-mittelstand.digital/wp-content/uploads/2016-11-14-Agentur-Handel-IHK-Freiburg-
Handout.pdf [31.03.2018].

642
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Zusammenfassung

Z US A M M EN FA SSU N G

Die Konzeption eines Vertriebskanals beginnt damit, dass die Anforderungen der Kun-
den ermittelt und die Ziele und Einflussfaktoren des eigenen Unternehmens bestimmt
werden. Das Unternehmen identifiziert dann die möglichen Alternativen in Bezug auf
die eingesetzten Distributionstypen, die Anzahl der Intermediäre und die ihnen übertra-
gene Verantwortung.
Bei den Intermediären gibt es viele verschiedene Typen, angefangen bei Großhändlern,
Maklern, Agenten usw. bis hin zu Einzelhändlern.
Der Einzelhandel umfasst alle Tätigkeiten rund um den Verkauf von Waren oder Dienst-
leistungen, die sich für den persönlichen, nicht gewerblichen Verbrauch direkt an den
Endverbraucher richten. Einzelhandelsgeschäfte gibt es in vielfältigen Formen und Grö-
ßen und es entstehen ständig weitere neue Einzelhandelstypen, die noch stärker auf die
Bedürfnisse der Konsumenten eingehen.
Zunächst kann man den Einzelhandel in den stationären Handel und in den Direktver-
kauf ohne stationäre Ladengeschäfte gliedern. Des Weiteren können Einzelhändler nach
dem Umfang der angebotenen Serviceleistungen unterschieden werden (Selbstbedie-
nung, eingeschränkter Service, umfassender Service) oder anhand der Produkte, die sie
verkaufen (Fach- oder Spezialgeschäfte, Warenhäuser, Convenience Stores/Nachbar-
schaftsläden, Supermärkte, Verbrauchermärkte, SB-Warenhäuser), und des Preisniveaus
(z.B. Discounter, Niedrigpreis-Geschäfte/Off-Price-Stores).
Wenngleich viele Einzelhandelsgeschäfte unabhängig sind und sich in Privatbesitz
befinden, schließen sich immer mehr Geschäfte zusammen. Die wichtigsten Formen sol-
cher Einzelhandelsorganisationen sind Handelsketten, freiwillige Ketten, Einzelhan-
delsgenossenschaften, Franchise-Unternehmen und Einzelhandelsgruppen.
Einzelhändler sind immer auf der Suche nach neuen Marketingstrategien, um Kunden
zu gewinnen und an sich zu binden. Sie stehen hinsichtlich der Segmentierung, Ziel-
gruppenansprache, Differenzierung, Positionierung und der Ausgestaltung des Marke-
ting-Mix vor wichtigen Marketingentscheidungen. Einzelhändler müssen zunächst Seg-
mente bilden und ihre Zielgruppe definieren. Anschließend entscheiden sie, wie sie
sich in ihren Märkten differenzieren und positionieren können. Diejenigen, die versu-
chen, „für jeden etwas“ zu bieten, werden letztendlich keinen Markt wirklich gut bedie-
nen können. Dem gegenüber stehen sehr erfolgreiche Händler, die ihre Zielgruppe klar
definiert haben und sich stark positionieren konnten.
Einzelhandelsgeschäfte haben heute eine viel umfassendere Aufgabe als nur die Bereit-
stellung der angebotenen Waren. Über das Produkt- und Dienstleistungsangebot hinaus
inszenieren erfolgreiche Einzelhändler praktisch jeden Aspekt, der Einfluss auf das Ein-
kaufserlebnis der Konsumenten hat, sehr sorgfältig. Auf Basis ihrer Zielgruppenbestim-
mung und der Positionierung gestalten Händler ihren Marketing-Mix, indem sie
Entscheidungen hinsichtlich des Produktsortiments und Serviceangebots, der Preisge-
staltung, der Kommunikation und Distribution treffen.

643
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13 Einzelhandel und Großhandel

Die Preispolitik des Händlers muss auf die angesprochene Zielgruppe, die Positionie-
rung, das Produktsortiment und Dienstleistungsangebot und den Wettbewerb abge-
stimmt werden. Im Rahmen der Kommunikationspolitik können Händler Werbung, den
persönlichen Verkauf, Verkaufsförderungsmaßnahmen, Public Relations (PR) und
Direktmarketing einsetzen, um die Verbraucher zu erreichen. Bei der Standortwahl ist es
sehr wichtig, dass Einzelhändler eine Lage wählen, die für die Zielgruppe gut erreichbar
ist und im Einklang mit der Positionierung des Händlers steht.
Nach Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs erfährt die Einzelhandelsbranche in den
letzten Jahren einen starken Strukturwandel. So entstehen einerseits neue Handelsfor-
men, gleichzeitig bedienen aber unterschiedliche Arten von Einzelhändlern zunehmend
ähnliche Kunden mit vergleichbaren Produkten und Preisen, sodass eine echte Differen-
zierung kaum erkennbar ist.
Weitere Trends im Einzelhandel sind im Anstieg der großflächigen Händler mit umfas-
sendem Sortiment (Mega-Retailer), dem rasanten Wachstum des Onlinehandels, der
zunehmenden Bedeutung von digitalen Technologien, der wachsenden Bedeutung von
Nachhaltigkeit und der globalen Expansion großer Einzelhandelsketten zu sehen.
Unter Großhändlern versteht man Unternehmen, die Güter oder Dienstleistungen an
gewerbliche Abnehmer verkaufen, die diese für den Weiterverkauf oder den eigenen
Gebrauch einkaufen. Großhändler übernehmen viele Funktionen. Dazu gehören: Ver-
kauf, Werbung und Vorführung, Einkauf und Sortimentsaufbau, Aufteilung großer Men-
gen in kleine kundengerechte Größen, Lagerung, Transport, Finanzierung, Risikoüber-
nahme, Versorgung der Hersteller und Kunden mit Informationen und Marktdaten
sowie Managementunterstützung und Beratung für den Einzelhandel.
Bei den Großhändlern sind drei Hauptgruppen zu erkennen: Großhändler, die Produkte
kaufen und verkaufen und dabei selbst Verträge schließen und in diese Verträge eintre-
ten, Makler und Agenten, die Geschäfte nur vermitteln, Provisionen bekommen, aber
selbst zu keinem Zeitpunkt auf eigene Rechnung tätig werden, und schließlich
Geschäftsstellen und Niederlassungen, die den Produzenten selbst vertreten und die
Funktionen des Großhandels übernehmen.
Großhändler müssen genau wie Einzelhändler eine sorgfältige Zielgruppenansprache vor-
nehmen und sich selbst nachhaltig positionieren. Und – wie Einzelhändler – müssen
Großhändler Entscheidungen über das Produkt- und Dienstleistungssortiment, die Preise,
die Kommunikation und den Vertrieb treffen. Progressiv agierende Großhändler achten
auf die sich ändernden Bedürfnisse ihrer Lieferanten und Zielkunden. Sie erkennen, dass
ihre Existenzberechtigung vor allem darin besteht, einen Mehrwert zu schaffen, indem sie
die Effektivität und Effizienz des gesamten Vertriebskanals erhöhen. Ähnlich wie bei
anderen Intermediären ist es ihr Ziel, nutzenschaffende Kundenbeziehungen aufzubauen.

644
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13.3 Der Großhandel

Literatur und Quellen


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Institut für Handelsforschung an der Universität Köln, Katalog E, Definitionen zu Handel und Dis-
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Riekhof, Hans-Christian (Hrsg.): Retail Business in Deutschland – Perspektiven, Strategien,
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Rudolph, Thomas: Modernes Handelsmanagement, 3. Aufl., Stuttgart 2013.
Schögel, Marcus: Distributionsmanagement – Das Management der Absatzkanäle, München 2012.
Schröder, Hendrik, Olbrich, Rainer, Kenning, Peter, Evanschitzky, Heiner: Distribution und Han-
del in Theorie und Praxis, Wiesbaden 2009.
Shapiro, Wendy B.: „The golden arches go green: McDonald’s first leed certified restaurant“
(11.12.08), Webseite unter: http://www.greenbeanchicago.com/index.php/leed-certified-per-
meable-pavers-led-lighting-recyclinggolden-arches-green-mcdonalds-leed-certified-restau-
rant/ [18.04.2015].
Specht, Günter, Fritz, Wolfgang: Distributionsmanagement, 4. Aufl., Stuttgart 2005.
Staples, Inc., Webseite unter: www.ecoeasy.eu/en/europe_ecoeasy_initiatives [22.02.2012].
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Wolf, Alan: „Chains embrace eco strategies“, in: Twice (30.03.09), S. 1.

645
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Integrierte
Marketingkommunikation

14.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 14


14.2 Der Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654
14.3 Integrierte Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . 655
14.4 Die Struktur des Kommunikationsvorgangs . . . . . 659
14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation . . . . . . . 661
14.6 Bestimmung von Budget und

ÜBERBLICK
Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674
14.7 Marketingkommunikation und
gesellschaftliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . 686
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 688
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690

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14 Integrierte Marketingkommunikation

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... die wichtigsten Instrumente der Kommunikation aufzählen und die Faktoren
erläutern, die den gesamten Kommunikations-Mix maßgeblich bestimmen.
 ... den Prozess und die Vorteile einer integrierten Marketingkommunikation zur Kom-
munikation des Kundennutzens erläutern.
 ... die einzelnen Schritte zur Entwicklung einer effektiven Marketingkommunikation
erklären.
 ... die Methoden zur Festlegung des Kommunikationsbudgets und Faktoren, die das
Design des Kommunikations-Mix bestimmen, erörtern.

14.1 Einführung
In diesem und den nächsten drei Kapiteln betrachten wir das letzte Instrument im Marke-
ting-Mix – die Marketingkommunikation. Unternehmen müssen mehr tun, als nur einen
Kundennutzen zu schaffen. Sie müssen diesen Nutzen auch klar und überzeugend kommu-
nizieren. Kommunikation besteht nicht aus einem einzelnen Instrument, sondern sie ist eher
eine Mischung verschiedener Instrumente. Idealerweise wird ein Unternehmen im Konzept
der integrierten Marketingkommunikation diese Elemente sorgfältig aufeinander abstimmen,
um Kunden zu binden und eine klare, konsequente und überzeugende Botschaft über die
Organisation und ihre Marken zu transportieren.
Wir starten mit der Einführung verschiedener Instrumente der Marketingkommunikation.
Danach untersuchen wir das sich schnell verändernde Umfeld der Kommunikation – insbeson-
dere die zusätzlichen Funktionen der neuen digitalen und sozialen Medien sowie den Bedarf
an integrierter Marketingkommunikation. Zum Schluss erörtern wir die Schritte zur Entwick-
lung von Marketingkommunikation und den Prozess der Werbebudgetierung. In den nächsten
drei Kapiteln stellen wir die konkreten Instrumente der Marketingkommunikation vor: Wer-
bung und Öffentlichkeitsarbeit (Kapitel 15); Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
(Kapitel 16) sowie direktes, mobiles Online- und Social-Media-Marketing (Kapitel 17).
Starten wir mit der Erfolgsgeschichte von Absolut Vodka, in der vor allem die Gestaltung der
Flasche und ein kreatives Marketing, um die Marke auch außerhalb von Schweden bekannt
zu machen, eine Rolle spielten.

Einführende Fallstudie: Absolut Vodka

Absolut Vodka ist mit 126 Absatzmärkten rund um den Globus die viertgrößte Spirituo-
senmarke der Welt. Die Marke ist im Besitz des schwedischen Unternehmens V&S, das
neben ABSOLUT VODKA auch Plymouth Gin, Danzka Vodka, Level Vodka, ABSOLUT
CUT und Fris Vodka herstellt und im Jahr 2008 von Pernod Ricard gekauft wurde. Der
Erfolg von Absolut ist überraschend, wenn man bedenkt, dass die Marke aus Schweden
kommt, einem Land mit sehr restriktiven Gesetzen zum Verkauf von Alkohol, wozu
auch ein Werbeverbot für Spirituosen zählt.

648
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14.1 Einführung

Dennoch hat sich Absolut in den letzten zwei Jahrzehnten von einer kaum bekannten
Marke aus einem Land, das nicht gerade für seinen Spirituosenmarkt renommiert ist,
zur weltweit führenden Premiummarke für Wodka gemausert. Als Lars Olsson Smith,
Schwedens „König des Wodkas“, im Jahre 1879 eine neue Art des „Absolut Rent Bränn-
vin“ (Absolutely Pure Vodka) einführte, konnte er sicher nicht ahnen, dass diese hun-
dert Jahre später zur weltweiten Nummer eins unter den Wodkas aufsteigen würde. Im
19. Jahrhundert führte der Selfmade-Man und Spirituosen-Tycoon eine revolutionäre
Filtrierungs- und Destillationsmethode ein, die noch heute bei der Herstellung von
Absolut Vodka verwendet wird. Das Ergebnis war ein klarer, hochwertiger Wodka, der
frei von gefährlichen und schlecht schmeckenden Fuselölen und unerwünschten
Inhaltsstoffen war. Auf der Homepage (www.absolut.com) kann man jeden Aspekt der
auf dem Etikett angepriesenen Eigenschaften entdecken.

Abbildung 14.1: Der Originaltext des Etiketts der „Absolut Vodka“-Flasche


(Quelle: Justus Blümer (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Absolut_vodka_bottle.png), „Absolut vodka bottle“,
https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode)

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14 Integrierte Marketingkommunikation

Trotz seiner weit zurückreichenden Traditionen ließ der Erfolg von Absolut Vodka lange
auf sich warten. Im Jahre 1979 entschied das schwedische staatliche Alkoholmonopol Vin
& Spirit, den Wodka in die USA zu exportieren. Aufgrund von Einwänden der amerikani-
schen Behörden wurde der Name von Absolutely Pure Vodka in Absolut Vodka geändert.
Marktforscher hatten den US-amerikanischen Spirituosenmarkt untersucht und dabei
einen klaren Trend der Konsumenten hin zu „weißen Spirituosen“ (wie beispielsweise
Wodka, Gin und weißer Rum) im Gegensatz zu „braunen Spirituosen“ (wie Brandy,
Whisky und dunkler Rum) ausgemacht. Weiße Spirituosen wurden als unverfälschter und
gesünder betrachtet. V&S hatte keinerlei Erfahrung in den Bereichen Marketing und Pro-
duktdesign, sodass es externe Marketing- und Managementexperten engagierte, die ein
Produkt für den neu entdeckten Markt kreieren sollten. Es wurde gleich zu Beginn
erkannt, dass das Flaschendesign eine erfolgsentscheidende Rolle spielen würde. Gunnar
Broman von Absolut entdeckte in einem Stockholmer Antiquitätengeschäft alte Medizin-
flaschen aus dem 18. Jahrhundert. Die Flaschen waren elegant, ungewöhnlich, einfach
und sehr schwedisch. In der Tat wurde Wodka im 18. und 19. Jahrhundert als Medizin in
ganz ähnlichen Flaschen verkauft. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis Gunnar Bromans Idee
akzeptiert und alle Herstellungsprobleme beseitigt wurden. Die neue Absolut-Flasche hob
sich sehr stark von denen der Wettbewerber ab. Sie wurde als Meisterstück des Glasde-
signs angesehen: die zeitlose Form mit feinen Linien und das außergewöhnlich klare Glas
unterscheiden Absolut von anderen Premium-Wodkamarken.
Dennoch hatte es Absolut auf dem US-Markt nicht leicht. Als das Absolut-Team seine Idee
zum ersten Mal der New Yorker Agentur NW Ayer präsentierte, waren einige Agenturmit-
arbeiter sofort begeistert, aber die meisten schüttelten nur den Kopf und dachten sich:
„Wer will schon Wodka aus Schweden trinken?“ Doch nach einigen Treffen einigte man
sich auf den Slogan „Absolut Country of Sweden Vodka“. Die Flasche sollte aus klarem
Glas sein, versehen mit silberner Schrift. Dieser Entwurf wurde getestet, indem man die
Absolut-Flasche zwischen die Flaschen anderer Marken stellte, um zu sehen, wie sie
wirkte. Einer der Agenturmitarbeiter aus dem Absolut-Team, Myron Poloner, verliebte sich
in die Flasche. Er betrachtete die „Medizinflasche“ stundenlang und eines Nachts kam ihm
die zündende Idee: Die Flasche sollte überhaupt kein Etikett haben. Man sollte einfach hin-
durchschauen können. Die Zielgruppe für diesen Premium-Wodka waren gebildete Men-
schen, die über ein hohes Einkommen verfügen und oft auswärts essen gehen. Menschen,
die auch Partys bei sich zu Hause geben und gerne extravagante Getränke servieren.
Beim Versuch, den amerikanischen Distributoren diese neuartige Idee näherzubringen,
stieß man auf dieselbe kühle Reaktion wie bei den anfänglichen Treffen mit der Werbe-
agentur. „Hat irgendjemand schon von einem schwedischen Wodka gehört? Und außerdem
hat die Flasche nicht einmal ein Etikett. Sie wird in den Kaufhausregalen völlig unterge-
hen. Das verkauft sich niemals!“
Carillon Importers Ltd. mit Sitz in Manhattan sah das jedoch anders. Der Geschäftsführer
von Carillon, Al Singer, sah das Produkt und nahm die Herausforderung sofort an. Aller-
dings hatte das Unternehmen nur einen Vertriebsmitarbeiter, Michel Roux, der aber maß-
geblich zum Erfolg von Absolut Vodka beitragen würde. Al Singer wollte nicht mit einer
großen New Yorker Agentur zusammenarbeiten und gab stattdessen Martin Landey Arlow
den Vorzug. Zudem wollten Landey und Singer die Flasche verändern, sie sollte größer
sein und einen dickeren Flaschenhals haben. Eines Tages legte einer von Bromans Mitar-
beitern aus Spaß eine Münze auf die Flaschenschulter. Die Amerikaner liebten es und so
beschloss das Team, ein Siegel zu entwerfen.

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14.1 Einführung

Es wurden Entwürfe mit Schilden, Schwertern, Gewehren, nackten Frauen und Män-
nerprofilen gemacht. Zufällig befand sich Bromans Büro im ehemaligen Haus des Abso-
lut-Gründers Lars Olsson Smith. Und so kam ihm eines Tages der Gedanke, den „König
des Wodkas“ auf dem Siegel abzubilden. Der Präsident von V&S, Lars Lindmark, war es
schließlich, der den Schriftzug für ABSOLUT VODKA festlegte: blau für die 40-%-Vol.-
Flaschen und rot für die 50-%-Vol.-Flaschen. So entstand die Flasche, die wir heute
kennen. Unglücklicherweise musste Martin Landey seine Arbeit bei Carillon aufgrund
eines Interessenkonflikts mit einem anderen Kunden aus der Spirituosenbranche been-
den. Eine andere New Yorker Agentur, TBWA, hörte von Carillon, kontaktierte Singer
und übernahm den Kunden. Geoff Hayes und Graham Turner wurden Absolut zugeteilt.
Eines Abends machte Geoff Hayes Skizzen, während er fernsah. Er war auf der Suche
nach einem unverfälschten, puren und einfachen Symbol und zeichnete einen Heiligen-
schein. Bald schon war sein Boden übersät mit verschiedenen Entwürfen zu Werbean-
zeigen, die er am nächsten Tag Turner zeigte. Sie änderten den Namen für die „Absolut
Purity“-Anzeige in „Absolut Perfection“ um. In der „Absolut Heaven“-Anzeige war die
Flasche mit Flügeln abgebildet. Eine Viertelstunde später hatten sie ein Dutzend Anzei-
gen mit unterschiedlichen Absolut-„irgendetwas“-Motiven beisammen.
Den Mitarbeitern von Absolut, Carillon und TBWA gefiel die Idee auf Anhieb. In allen
Anzeigen sollte die Flasche im Mittelpunkt stehen, es sollte keine Assoziation des Pro-
dukts mit einem bestimmten Lebensstil geben, und das Motiv sollte einen zeitlosen, aber
dennoch zeitgemäßen Charakter haben. Zwei Merkmale treffen dabei auf alle Anzeigen
zu: die Abbildung einer Absolut-Vodka-Flasche und ein Untertitel, bestehend aus zwei
bis drei Worten, der jeweils mit dem Wort „Absolut“ beginnt. Die innovative Art der Ver-
marktung von Absolut stand in starkem Kontrast zu den Werbekampagnen der etablierten
Marken. David Wachsman zufolge wurde bei der Spirituosenwerbung in den USA
gewöhnlich eines von drei Motiven verwendet: ein Raum voller fröhlicher Menschen, ein
Prominenter, der ein Glas in der Hand hält, oder eine altmodische Szene aus dem Famili-
enleben. Dann kamen Absolut Perfection und Hunderte weiterer Anzeigen.
Absolut Vodka ist als ein Premiumprodukt aus dem oberen Preissegment positioniert. In
Anbetracht des Zielmarkts und der Printanzeigen war die Verbindung zur Kunst eine
logische Schlussfolgerung. Der erste Schritt in diese Richtung wurde 1985 unternom-
men, als der New Yorker Pop-Art-Künstler Andy Warhol beauftragt wurde, die Absolut-
Flasche zu malen. Heutzutage arbeitet Absolut mit Künstlern und Designern aller zeit-
genössischen Kunstrichtungen zusammen. „Die Unverfälschtheit und Klarheit des Pro-
dukts ist eine zeitlose Quelle der Inspiration“, erklärte dazu der damalige Geschäftsfüh-
rer der V&S-Gruppe. Inzwischen gibt es mehr als 3.000 Anzeigen aus der Absolut-Reihe.
Alle weisen als Besonderheit einen Aspekt der Flasche oder des Etiketts auf. Bei Abso-
lut war das sogar in Märkten der Fall, die eigentlich ein Alkoholwerbeverbot haben, wie
beispielsweise Schweden. Das unkonventionelle Marketing von Absolut hat zu einer
großen Nachfrage nach den Anzeigen geführt – die Werbeagentur erhält Tausende
Anfragen zu Nachdrucken bestimmter Werbemotive. Die Anzeigen sind zu modernen
Ikonen geworden. Neben der Auszeichnung mit dem Effie- und dem Kelly-Preis wurde
Absolut die Ehre zuteil, in „America’s Marketing Hall of Fame“ aufgenommen zu wer-
den. Dieses Gütesiegel bestätigte Absoluts Erfolg und seinen Einfluss auf den amerikani-
schen Lebensstil, vor allem da neben Absolut nur noch die Marken Coke und Nike mit
dieser Auszeichnung geehrt wurden.

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14 Integrierte Marketingkommunikation

Die Werke von Warhol und anderer amerikanischer Künstler sowie die Auftragsarbeiten
der französischen Künstler Bosser und Delprat wurden in der prestigeträchtigen Galerie
Lavignes-Bastille in Paris gezeigt. Von dort wanderte die Ausstellung in das Londoner
Royal College of Art, wo Werke des britischen Künstlers Peter Blake hinzukamen.
Danach war die Sammlung auch in Berlin, München und Mailand zu bewundern.
Inzwischen haben mehr als 350 Künstler und Modedesigner Absolut-Anzeigen gestaltet.
Dass diese mittlerweile Kultstatus genießen, beweisen der Absolut-Kunst gewidmete
Internetseiten wie www.absolutad.com oder Bücher wie „Absolut Book. The Absolute
Vodka Advertising Story“.
Die raffinierte Flasche und das kreative Marketing spielten eine überaus wichtige Rolle in
der Erfolgsgeschichte von Absolut, doch auch die Vertriebspartner von V&S trugen ihren
Teil dazu bei. Dennoch musste sich Absolut 1995 von Carillon, seinem ursprünglichen Ver-
triebspartner, trennen und arbeitete fortan mit Seagrams zusammen. 2001 verkaufte
Seagram das Spirituosensegment und V&S gründete eine in New York basierte Niederlas-
sung, die Absolut Spirits Company, welche der Importeur für ABSOLUT in den USA ist.
Gleichzeitig baute V&S eine neue Vertriebspartnerschaft für den amerikanischen Markt mit
Future Brands auf, einem Joint Venture zwischen V&S und Jim Beam Brands. Einen weite-
ren Baustein im Rahmen der integrierten Kommunikation von Absolut Vodka bildet die
Absolut Akademi in Åhus, Schweden. Ihr Ziel ist es, die Traditionen und das Wissen rund
um die Marke und das Produkt zu pflegen, damit Absolut Vodka seinen Spitzenplatz
behaupten kann. Die Absolut Akademie richtet sich weltweit an alle Menschen, die täglich
mit dem Produkt zu tun haben – von PR- und Werbeagenturen bis hin zu Barkeepern. Ein
weiteres Marketinginstrument ist das Magazin „Absolut Reflexions“, das in allen Märkten
vertrieben wird. „Absolut Reflexions“ fungiert als PR-Instrument und liefert den Verbrau-
chern weltweit Neuigkeiten zum Produkt, zu Werbeanzeigen und anderen Aktivitäten.
V&S wollte seinen Erfolg mit Absolut in den USA auf den europäischen, asiatischen und
pazifischen Märkten fortsetzen. Im Vergleich zu den USA wächst der europäische Markt
jedoch nur langsam, ist zudem fragmentiert und konservativ. In Europa gibt es eine Viel-
zahl von Trinkkulturen, doch unterscheiden sich diese von Region zu Region stark vonei-
nander und es existieren sehr tief verwurzelte Traditionen. Abgesehen von den Ländern,
in denen Wodka als Nationalgetränk gilt, ist der europäische Markt noch unterentwickelt.
Nur 4 Prozent der europäischen Verbraucher konsumieren Wodka, während es in den
USA 21 Prozent sind. Um seinen US-Erfolg zu wiederholen, benötigt Absolut ausgefeilte
und innovative Strategien, die speziell auf die jeweiligen europäischen Teilmärkte zuge-
schnitten sind. In Bezug auf Absoluts Chancen in Europa äußert sich V&S optimistisch.
„Wir konnten vielerlei Erfahrungen sammeln, was den Vertrieb im Ausland anbelangt,
und daher glauben wir, dass wir dem Wettbewerb standhalten können“, erklärt Margareta
Nysträm. Das Unternehmen ist davon überzeugt, dass, wo auch immer eine Nachfrage
nach Wodka besteht, Absolut Vodka die beste Wahl ist. „Absolut Vodka bewährt sich
immer wieder aufs Neue als mehr als einfach nur ein guter Wodka: Es ist vielmehr ein
Konzept. Und nichts kann ein Konzept stoppen, dessen Zeit nun gekommen ist.“ Nach
vielen Jahren als Herausforderer im Spirituosenmarkt, ist Absolut eine führende Marke,
der viele andere nacheifern. V&S verteidigt seine Marktstellung, indem das Produktsorti-
ment durch Zukäufe erweitert wird. Anfang 2004 kam in den USA Level Vodka auf den
Markt. Carl Horton, der Geschäftsführer der Absolut Spirits Company, erläutert: „Level ist
unser lang erwarteter Einstieg in das dynamische erstklassige Premium-Wodka-Segment.“

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14.1 Einführung

Level zielt auf eine perfekte Balance zwischen Weichheit und Charakter ab, welche
durch die einzigartige Kombination zweier Destillationsmethoden erreicht wird: „Ein
Schluck, und der Verbraucher wird verstehen, dass dies ein völlig neues Level von
Wodka ist.“ Neben seinen Bemühungen, mit Level Vodka das obere Premium-Segment
in Angriff zu nehmen, verknüpfte V&S die Kultmarke mit der ebenfalls kultigen Serie
Sex and the City. In der Folge „Die längste Woche“ steht eine Kampagne im Mittelpunkt,
die an die Durchschlagskraft der frühen Absolut-Anzeigen erinnert. Samantha Jones
schließt für ihren aktuellen Liebhaber einen Werbevertrag ab, im Rahmen dessen er in
einer fiktiven Absolut HUNK (ABSOLUT BLENDEND)-Anzeige erscheint. Der Mann ist
nackt, abgesehen von einer Stelle, wo zweideutig eine „Absolut Vodka“-Flasche plat-
ziert ist. Absolut zahlte nichts für dieses Product Placement. Sowohl Sex and the City
als auch Absolut profitierten in hohem Maße von der Publicity, die sich aus dem „Auf-
tritt“ ergab. Schließlich wurde aus der Fiktion Realität, als in ganz New York City die
ABSOLUT HUNK-Anzeigen erschienen, u.a ein riesiges Poster am Times Square. ABSO-
LUT HUNK wurde zum angesagten Drink in den New Yorker Bars.
Dies mag alles modern, kontrovers und künstlerisch sein, aber handelt es sich dabei
auch um Marketing? Absoluts Werbung hat sich zu einer Stilikone entwickelt. Die
Marke verfügt in der Werbebranche über eine der am meisten bewunderten und durch-
gängig kreativen Marketingkampagnen. Die Anzeigen selbst sind zu Sammlerobjekten
geworden. Trotz aller Auszeichnungen steht Absolut Vodka derweil lediglich auf Platz
fünf der meistgekauften Premium-Spirituosenmarken weltweit, hinter Smirnoff Wodka
von Diageo, Bacardi Rum, Johnnie Walker und Jack Daniels.
Reicht Stil allein also aus? Ein unerbittlicher Wettbewerb bricht von allen Seiten auf
Absolut herein. Der anfängliche Hype hat sich gelegt. Absolut ist nun eher Mainstream
als Kultmarke und die Konkurrenz innerhalb der Branche wird immer härter: Allein in
den USA wurden zwischen 1999 und 2002 etwa 90 neue Wodkaprodukte eingeführt.
Smirnoff ist durch den Erfolg des Mixgetränks Smirnoff Ice gestärkt – ein Segment, das
Absolut zu spät erkannt hat. Seit dem Jahr 2000 haben eine Reihe neuer Super-Pre-
mium-Wodkas den Markt aufgemischt, z.B. Belvedere und Grey Goose, die sich als
gehoben und erstklassig anpreisen und sich sogar oberhalb von Absolut positioniert
haben. Dies führte dazu, dass Bacardi sich engagierte und die Marke Grey Goose auf-
kaufte. Absolut befindet sich nun zwischen zwei Giganten der Spirituosenindustrie,
dem Massenprodukt Smirnoff des überaus mächtigen Unternehmens Diageo und der
Premiummarke Grey Goose aus dem Hause Bacardi.

Fragen
1. Worauf gründet der Erfolg von Absolut? Liegt es am Wodka, an der Flasche, am Ver-
trieb oder an der Werbung?
2. Wie baut das Absolut-Marketing auf den amerikanischen Trends der 80er- und
90er-Jahre auf? Ist Absolut eine Modeerscheinung, die mit der Zeit verschwinden
wird?
3. Die europäischen Kampagnen von V&S sind im gleichen Stil gehalten wie die auf
dem US-Markt so erfolgreichen Werbeanzeigen. Glauben Sie, dass der amerikani-
sche Ansatz auch in anderen Regionen funktioniert? Bitte begründen Sie Ihre Ant-
wort.

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14 Integrierte Marketingkommunikation

Quellen:
Übernommen aus: Andrew Edgecliff-Johnson, 'Drinks disposal leave Seagram with hangover',
Financial Times (20 November 2000), S. 36; John Thornhill, 'Trying to make selling spirits seriously
easy', Financial Times (1 September 2000), S. 16; 'Drink ads box clever', The Irish Times (23
August 2003); 'Level Vodka to launch nationally in 2004', Business Wire (6 November 2003); David
Ibison, 'Fortune urges state backing for V&S bid', Financial Times (16 August 2007); Richard
Wachman, Business & Media: Opinion: 'Market forces', The Observer (26 August 2007); www.abso-
lut.com.
Aktualisiert durch: o.V.: Top 10 Spirituosenmarken der Welt, Webseite der Lebensmittel Zeitung
unter: http://www.lebensmittelzeitung.net/business/daten-fakten/rankings/Top-10-Premium-Spiri-
tuosenmarken-Welt-2014_485.html [31.01.2015].

Wie das vorangegangene Fallbeispiel zeigt, bedeutet Marketing mehr, als nur ein gutes Pro-
dukt zu entwickeln, ihm einen attraktiven Preis zu geben und es der Zielgruppe zur Verfü-
gung zu stellen. Unternehmen müssen die angebotene Leistung auch kommunizieren. Dies
sollte nicht dem Zufall überlassen werden, denn gute Kommunikation ist ein entscheidendes
Element zur Etablierung von dauerhaften Beziehungen zu den Kunden.
Um eine geeignete Kommunikation zu entwickeln, wenden sich Unternehmen oft an Werbe-
agenturen, die dann eine Werbekampagne gestalten sollen.
Wichtig ist, dass alle Anstrengungen zur Kommunikation konsistent und koordiniert sind.
Daher müssen Unternehmen ein komplexes Marketingkommunikations-System managen
(siehe dazu Abbildung 14.2). Die meisten Unternehmen kommunizieren mit Händlern, Kun-
den und verschiedenen Interessengruppen. Auch der Händler und die Vertretungen kommu-
nizieren mit ihren Kunden und der Öffentlichkeit. Selbst die Endverbraucher kommunizie-
ren untereinander, sei es über soziale Netzwerke, in der Familie, am Arbeitsplatz oder über
Mundpropaganda auch im Freundeskreis. Jede dieser Gruppen gibt jeweils auch den anderen
Gruppen Feedback.

Werbung Werbung
Das Persönlicher Verkauf Mund-
Außendienst
Unternehmen Verkaufsförderung Handel Käufer propa- Öffentlichkeit
Verkaufsförderung
Öffentlichkeitsarbeit ganda
Öffentlichkeitsarbeit
Direktmarketing

Abbildung 14.2: Das System der Marketingkommunikation

14.2 Der Kommunikations-Mix


Das komplette System eines Unternehmens zur Marketingkommunikation, auch Kommuni-
kations-Mix genannt, ist eine spezifische Mischung aus Werbung, persönlichem Verkauf, Ver-
kaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit und Direktmarketing, die das Erreichen der Werbe- und
Marketingziele sicherstellt.

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14.3 Integrierte Marketingkommunikation

Die fünf wichtigsten Elemente des Kommunikations-Mix sind:


Werbung Darunter fallen alle Varianten von nicht durch Personen durchgeführten Präsentati-
onen oder Darstellungen von Ideen, Gütern oder Dienstleistungen in Medien, die vom Ver-
käufer oder vom Auftraggeber bezahlt werden.
Verkaufsförderung Hierbei handelt es sich um kurzfristige Anreize für den Außendienst, den
Handel oder Konsumenten, um den Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung zu
unterstützen.
Öffentlichkeitsarbeit Ziel ist es, gute Beziehungen zu den verschiedenen Umfeldern des
Unternehmens und ein positives Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit aufzubauen,
um eventuell auch ungünstige Gerüchte, Berichte und Ereignisse zu kommentieren und zu
neutralisieren.
Persönlicher Verkauf Hierunter verstehen wir die mündlich vorgetragene Präsentation
gegenüber einem oder mehreren Kaufinteressenten oder das persönliche Verkaufsgespräch,
mit dem Zweck, das vorgestellte Produkt oder die präsentierte Dienstleistung zu verkaufen
und eine persönliche Kundenbeziehung aufzubauen.
Direktmarketing und digitales Marketing und Pflege direkter Beziehungen zu sorgfältig aus-
gewählten Kunden, um Reaktionen aus dem Markt schnell zu ermitteln und langfristig Kun-
den zu binden – online bzw. über digitale Kanäle, per E-Mail oder ggf. per Telefon.
Innerhalb jeder der angesprochenen Kategorien stehen besondere Werkzeuge zur Verfügung.
Zum Beispiel gehören zur Werbung die Printwerbung, Werbung in Rundfunk und Fernsehen,
die Plakatwerbung und sonstige Werbung in der Öffentlichkeit. Die Verkaufsförderung umfasst
beispielsweise eine besondere Warenpräsentation in den Regalen des Handels, Prämien, Son-
derrabatte, Preisausschreiben und Sonderwerbeaktionen. Der persönliche Verkauf beinhaltet
Verkaufsvorführungen, Messen und Verkaufsgespräche. Die Öffentlichkeitsarbeit setzt sich u. a.
aus Pressearbeit, Sponsoring, der Gestaltung spezieller Events und der Betreuung des Internet-
Auftritts zusammen. Zum Direktmarketing gehören Instrumente wie Kataloge, Telemarketing,
Infokioske, das Internet und vieles andere mehr.
Gleichzeitig geht die Kommunikation weit über diese speziell und gezielt einzusetzenden
Werkzeuge hinaus. Das Design des Produkts, sein Preis, das Aussehen, die Farbe seiner Verpa-
ckung und nicht zuletzt das Geschäft, in dem die Ware verkauft wird, vermitteln Botschaften
an die Kaufinteressenten. Obwohl der Verkaufsprozess die herausragende Kommunikationsak-
tivität des Unternehmens ist, muss der gesamte Marketing-Mix, das heißt Produktleistung und
Kommunikation sowie der Preis in Beziehung zur Platzierung und zum Vertriebsweg, koordi-
niert werden, um einen optimalen Kommunikationserfolg zu erreichen.

14.3 Integrierte Marketingkommunikation


In den letzten Jahrzehnten haben Unternehmen rund um den Globus die Kunst des Massen-
marketings perfektioniert. Dabei ging es darum, standardisierte Produkte an möglichst viele
Verbraucher zu verkaufen. Zu diesem Zweck wurden effektive Techniken der Kommunika-
tion über Massenmedien entwickelt. Deren große Reichweite ermöglicht es, dass sich heute
mit der Schaltung einer einzigen Anzeige oder einem TV-Spot Millionen von Kunden errei-
chen lassen. Das Kommunikationsumfeld hat sich für Marketingverantwortliche jedoch
grundlegend verändert. In wenigen anderen Bereichen lässt sich ein so tief greifender Wan-
del erkennen wie im Bereich der Marketingkommunikation – gleichzeitig spannende und
unruhige Zeiten für die Verantwortlichen.

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14 Integrierte Marketingkommunikation

14.3.1 Das neue Kommunikationsmodell


Über die Jahre änderten sich mehrere Schlüsselfaktoren, welche das Gesicht des Kommuni-
kationsumfelds prägen und die Entwicklung eines neuen Kommunikationsmodells erforder-
lich machten. Der erste Faktor sind dabei die Kunden. Im Zeitalter des drahtlosen Internets,
der Smartphones und Tablets sind die Kunden weitaus besser informiert und können sich
wesentlich fundierter eine unabhängige Meinung bilden. Anstatt sich lediglich auf die Anga-
ben und Informationen eines Anbieters zu verlassen, können Verbraucher nun schnell und
einfach weitere Informationen und Meinungen über das Internet einholen und sich anhand
von Erfahrungen und Bewertungen anderer Kunden eine eigene Meinung bilden. Sie können
markenbezogene Informationen austauschen oder sogar eigene Marketingbotschaften senden.
Zweitens änderten sich die Marketingstrategien. Mit der Fragmentierung von Massenmärkten
entfernte man sich Stück für Stück vom unspezifischen Massenmarketing und wendete sich
fokussierten Marketingstrategien zu. Diese zielen auf nachhaltige Beziehungen zu Konsu-
menten in enger definierten Mikromärkten ab.
Der letzte Faktor ist der rasante Fortschritt der Kommunikationstechnologien, welche völlig
neue Wege in der Kommunikation von Kunden und Unternehmen eröffnen. Zu den Instru-
menten des digitalen Zeitalters gehören Smartphones, Kabel- und Satellitenfernsehen und
selbstverständlich auch die unzähligen Facetten des Internets (E-Mail, Blogs, Social Media,
Onlinecommunitys, das mobile Internet usw.).
Obgleich Fernsehen, Zeitschriften, Zeitungen und anderen Massenmedien weiterhin eine
große Bedeutung zukommt, nimmt ihre Vormachtstellung doch langsam ab. An ihre Stelle
treten gezieltere Werbemaßnahmen, welche kleinere Kundensegmente mit personalisierten,
interaktiven Nachrichten ansprechen. Diese Maßnahmen wirken über eine große Bandbreite
an Medien wie kostenpflichtige Fernsehkanäle, internetexklusive Videos, E-Mails, Blogs,
Apps, Internetkataloge und die sozialen Netzwerke des Internets.
Einige Experten aus der Werbebranche sagen sogar voraus, dass das alte Kommunikations-
modell über konventionelle Massenmedien bald schon obsolet sein wird. Während die Kos-
ten für die Massenmedien steigen, wird das erreichbare Publikum weniger. Störungen in der
Kommunikation über Massenmedien nehmen zu und die Zuschauerschaft gewinnt mehr und
mehr Kontrolle darüber, welche Nachrichten sie erreichen sollen und welche nicht, indem
sie Sendungen aufnehmen und die störenden Werbepausen überspringen oder sich Videos
werbefrei über das Internet ansehen. Als Resultat werden immer größere Teile des Marketing-
budgets weg von konventionellen 30-Sekunden-Werbespots und Zeitschriftenanzeigen hin
zu digitalen und anderen modernen Medien verschoben. Einer Studie zufolge werden die
Ausgaben für Fernsehspots in den kommenden fünf Jahren um lediglich 4 Prozent jährlich,
die für Internetwerbung und andere digitale Medien hingegen um bis zu 17 Prozent steigen.
Als Kellogg’s die in Europa bereits erfolgreichen Crunchy Nut Cornflakes auch in den Verei-
nigten Staaten auf den Markt brachte, hat das Unternehmen komplett auf Fernsehspots ver-
zichtet. Dies wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Die Zielgruppe der 18- bis
35-jährigen Männer, hauptsächlich College-Studenten, erreichte man mit einem ganztägigen
Event in einer sechs Stockwerke hohen Kuckucksuhr, über Webseiten, SMS-Nachrichten,
Facebook, in Echtzeit ausgestrahlte Videos, E-Mails und Aktionen am Point of Sale. Ähnlich
agierte Microsoft beim Start des Musikdienstes Zune Pass. Die zu diesem Anlass gedrehten
30-Sekunden-Werbespots wurden nur online auf vielen kleineren Internetseiten geschaltet.
Microsoft erreichte damit genauso viele Nutzer aus seiner Zielgruppe wie ein Jahr zuvor über
das Fernsehen, jedoch zur Hälfte der Kosten.

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14.3 Integrierte Marketingkommunikation

Die neue Welt der Marketingkommunikation kommt zunehmend ohne eine Unterbrechung
oder Belästigung der Kunden mit unpersönlichen Botschaften aus. Die neuen Medienformate
erlauben es, die Kunden auf einnehmende, interaktive Art und Weise anzusprechen. Auch
das Fernsehen hat sich verändert. Man kann nicht mehr nur über das Fernsehgerät, sondern
auch über Laptops und Smartphones, ja über nahezu alles, was einen Bildschirm hat, seine
Lieblingssendungen ansehen, wann und wo man will. So werden in zunehmendem Maße
Programme, Werbesendungen und Videos speziell für das Internet konzipiert.
Die meisten Experten sind der Meinung, dass nicht mit einem rapiden Kollaps des alten
Kommunikationsmodells zu rechnen ist und es eher zu einer schrittweisen Verschmelzung
alter und neuer Medien kommen wird. Das neue Kommunikationsmodell wird eine
Mischung aus konventionellen Massenmedien und einer breiten Auswahl an neuen, perso-
nalisierten und zielgruppenorientierten Medien sein. Die Herausforderung besteht darin, die
Kluft zwischen alten und neuen Medien zu überbrücken, seine Marke auf diese Weise best-
möglich zu kommunizieren und damit das Markenerlebnis beim Kunden zu steigern.
So wie sich das Umfeld der Marketingkommunikation verändert, so ändert sich auch die
Rolle der Verantwortlichen für die Marketingkommunikation. Statt nur „TV-Werbung“,
„Printwerbung“ oder „Facebook-Anzeigen“ zu entwickeln und zu schalten, sehen sich viele
Marketingexperten heute als Content-Marketing-Manager. Als solche kreieren und verbreiten
sie Markenbotschaften und Gesprächsthemen mit und unter den Verbrauchern und inspirie-
ren diese durch einen stimmigen Mix aus Paid, Owned, Earned und Shared Media. Diese
Kanäle beinhalten Medien, die sowohl traditionell als auch neu, kontrolliert als auch nicht
kontrolliert sind.

14.3.2 Die Notwendigkeit einer integrierten Marketingkommunikation


Der soeben skizzierte Übergang vom Massenmarketing zum zielgerichteten Marketing und
die damit einhergehende zunehmende Vielfalt der Kommunikationskanäle und -instrumente
haben ein grundlegendes Problem zur Folge. Kunden können die Botschaften eines Unter-
nehmens und die Kanäle, über die diese verbreitet werden, nicht in der Art und Weise diffe-
renzieren, wie es dessen Marketingverantwortliche vermögen. Für den Kunden ergeben alle
Botschaften, die ein Unternehmen oder eine Marke aussendet, eine einzige Gesamtbotschaft.
Botschaften, die über unterschiedliche Kanäle kommuniziert werden, ergeben am Ende ein
großes Bild. Widersprüchliche Botschaften aus unterschiedlichen Quellen können daher ein
konfuses Bild des Unternehmens oder der Marke in der Öffentlichkeit und beim Kunden ent-
stehen lassen.
Viel zu häufig gelingt es Unternehmen nicht, ihre vielfältigen Kommunikationskanäle wir-
kungsvoll zu koordinieren. Im Ergebnis kommt eine verwirrende Mischung verschiedenarti-
ger Botschaften beim Interessenten an. Massenkommunikation enthält eine Aussage über
eine Marke, eine Aktion mit einem Preis-Sonderangebot sagt etwas ganz anderes über das
Produkt aus, und auf der Verpackung werden weitere, davon abweichende Aussagen getrof-
fen. In den Katalogen des Unternehmens steht wieder etwas ganz anderes und die Website ist
auch nicht mit den anderen Kommunikationskanälen synchronisiert.
Die Ursache liegt meist darin, dass einzelne Teile der Kommunikation für ein und dieselbe
Marke von verschiedenen Quellen innerhalb des Unternehmens ausgesendet werden. Die
Werbung wird von der Werbeabteilung oder einer externen Werbeagentur geplant und durch-
geführt. Für die Kommunikation über den Verkaufsaußendienst ist die Verkaufsabteilung

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14 Integrierte Marketingkommunikation

zuständig. Andere Spezialisten betreiben die Öffentlichkeitsarbeit, die Verkaufsförderung,


das Direktmarketing, die Website und die übrigen Formen der Marketingkommunikation.
Insbesondere wenn Instrumente zur Kommunikation von verschiedenen Abteilungen verant-
wortet werden, nehmen die Kunden diese Trennung nicht wahr. Um Informationen über Pro-
dukte und Dienstleistungen zu erhalten, verwenden Kunden heutzutage zwar häufig das
Internet, trotzdem wird aber auch noch der Fernseher eingeschaltet, es werden Zeitschriften
gelesen oder sonstige Kanäle genutzt, um sich möglichst umfassend über das Angebot zu
informieren.
Die neue Welt des Online-, mobilen und Social-Media-Marketings beinhaltet enorm viele
Chancen, aber auch große Herausforderungen. Sie „bietet Unternehmen einen besseren
Zugang zu ihren Kunden, neue Einblicke in deren Gewohnheiten sowie vielfältigere Einsatz-
möglichkeiten“, sagt ein Marketingleiter. Doch „das größte Problem liegt in der Komplexität
und der Aufteilung … der großen Auswahl auf dem Markt“, so ein anderer Experte. Die Her-
ausforderung besteht darin, „all dies auf organisierte Weise zusammenzuführen“.1

Sorgfältig abgestimmer Einsatz des


Kommunikations-Instrumentariums

Verkaufsgespräche und
Werbung Außendienstbesuch
Schlüssige, klare und
überzeugende
Aussagen zum
Unternehmen
Verkaufs- Öffentlich-
und zum Produkt
förderung keitsarbeit

Direkt-
marketing

Abbildung 14.3: Das Konzept der integrierten Marketingkommunikation

Vor diesem Hintergrund wird die Anwendung einer integrierten Marketingkommunikation


immer wichtiger. Mit dem Ziel, eine klare, einheitliche und unwiderstehliche Botschaft über
das Unternehmen, seine Leistung und seine Marken zu senden, werden bei diesem Konzept
alle Kommunikationsmittel sorgfältig aufeinander abgestimmt.
Das Konzept der integrierten Marketingkommunikation setzt voraus, dass alle Kontakt-
punkte, über die ein Käufer oder Kaufinteressent mit dem Unternehmen, seinen Produkten

1 Siehe dazu Jon Lafayette, „4A’s conference: agencies urged to embrace new technologies“, Broadcas-
ting & Cable, 8. März 2011, www.broadcastingcable.com/news/advertising-and-marketing/4asconfe-
rence-agenciesurged-embrace-new-technologies/52550 sowie David Gelles, „Advertisers rush to
master fresh set of skills“, Financial Times, 7. März 2012, www.ft.com/intl/cms/s/0/8383bbae-5e20–
11e1-b1e9–00144feabdc0.html#axzz1xUrmM3KK.

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14.4 Die Struktur des Kommunikationsvorgangs

und seinen Marken in Verbindung treten kann, bekannt sind. Jeder Kontakt zieht eine Bot-
schaft nach sich, die gut, schlecht oder auch indifferent sein kann. Und mit jedem Kontakt
sollte man dem Kunden ein positives und einheitliches Bild vermitteln.
Im Konzept der integrierten Marketingkommunikation sind alle Botschaften und Bilder über
das Unternehmen und seine Leistungen verankert. Indem Botschaften, Positionierung und
Identität des Unternehmens über alle Kommunikationskanäle zusammengefasst und ver-
stärkt werden, wird eine starke Markenidentität erzeugt. TV-Werbung und Anzeigen haben
dieselbe Anmutung wie E-Mail, Onlinekommunikation und persönliche Verkaufsgespräche.
Und die Inhalte von Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit stimmen mit denen auf der
Website und denen, die über mobiles, Online- und Social-Media-Marketing verbreitet wer-
den, überein.
In der Vergangenheit war oftmals niemand dafür verantwortlich, die Rolle der einzelnen
Kommunikationsinstrumente im Kommunikations-Mix zu überdenken und zu koordinieren.
Die verschiedenen Abteilungen waren sich häufig nicht einig darüber, wie die Prioritäten für
das Kommunikationsbudget gesetzt werden sollten. Der Verkaufsleiter würde vielleicht lie-
ber drei oder vier weitere Außendienstmitarbeiter einstellen, als einige Hunderttausend Euro
allein für einen neuen Fernsehspot aufzuwenden. Und der Verantwortliche für die Öffent-
lichkeitsarbeit ist der Meinung, dass er mit wenigen Euros mehr in seinem Budget wahre
Wunder vollbringen könnte.
Um die Implementierung von integrierter Marketingkommunikation zu unterstützen, benen-
nen immer mehr Unternehmen einen sogenannten Marketingkommunikations-Direktor, der
die Gesamtverantwortung für die Kommunikation des Unternehmens hat. So werden die
Zuständigkeiten gebündelt, und ein konsistentes Image des Unternehmens, das von Tausen-
den von Aktivitäten geprägt ist, wird angestrebt.

14.4 Die Struktur des Kommunikationsvorgangs


Integrierte Marketingkommunikation erfolgreich zu betreiben, heißt, die Zielgruppe zu iden-
tifizieren und ein maßgeschneidertes Programm zu entwerfen und durchzuführen, das die
erwünschten Reaktionen bei der Zielgruppe hervorruft. Häufig beschränken sich Marketer
darauf, bei der Zielgruppe die sofortige Aufmerksamkeit zu erhalten und Probleme des
Erscheinungsbilds oder der Präferenzbildung direkt anzugehen. Aber dieses Konzept der
Kommunikation ist zu kurzsichtig.
Heute wird Kommunikation als langfristig angelegte Begleitung und Beeinflussung des Käu-
ferverhaltens definiert, die während aller Phasen des Kaufprozesses (Vorbereitung des Kaufs,
Kauf, Nutzung/Verwendung und Verhalten nach dem Kauf) präsent sein muss. Kunden
unterscheiden sich voneinander, deshalb sollte es für bestimmte Segmente, Nischen oder
sogar Einzelkäufer eine persönliche Kommunikation geben. Vor dem Hintergrund der neuen,
interaktiven Technologien zur Kommunikation muss ein Unternehmen nicht nur danach fra-
gen, wie es seine Kunden erreichen kann, sondern auch festlegen, wie die Kunden das Unter-
nehmen erreichen können.
Der Kommunikationsprozess sollte also mit einer Bestandsaufnahme beginnen, die alle
denkbaren Interaktionen zwischen der Zielgruppe einerseits und dem Produkt und Unter-
nehmen andererseits auflistet. Wer beispielsweise einen neuen Mobilfunkvertrag abschlie-
ßen will, kann mit Bekannten oder Kollegen sprechen, Werbeanzeigen studieren, Verbrau-
cherportale konsultieren sowie die Websites oder ggf. die Geschäfte der Anbieter selbst

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14 Integrierte Marketingkommunikation

besuchen. Wer eine Werbekampagne entwerfen will, muss den Einfluss, den jede dieser
Kommunikationsaktivitäten auf die Kaufentscheidung hat, kennen. So lässt sich das Budget
effizient auf die einzelnen Kommunikationswege aufteilen.
Die Kenntnis des Kommunikationsprozesses spielt für Marketingverantwortliche eine große
Rolle. Zur Kommunikation gehören neun Elemente, die aus Abbildung 14.4 ersichtlich sind.

Botschaft
Sender Codierung Decodierung Empfänger

Medien

Störfaktoren

Feedback Reaktion

Abbildung 14.4: Der Ablauf von Kommunikationsvorgängen

Zwei davon sind die Hauptteilnehmer des Kommunikationsprozesses, der Sender und der
Empfänger. Zwei weitere Elemente sind die Botschaft und die benutzten Kommunikationska-
näle. Die vier restlichen Elemente sind die Funktionen im Kommunikationsprozess: Ver-
schlüsseln (Codieren), Entschlüsseln (Decodieren), Reagieren und Feedback geben. Schließ-
lich gibt es noch gewisse Störfaktoren im System:
 Sender: Der Auftraggeber, der eine Botschaft versenden möchte.
 Verschlüsselung (Codierung): Die Botschaft wird als Symbol verschlüsselt. Beispielsweise
benutzen die Werbeagenturen dazu Wörter, Bilder und Musik.
 Botschaft: Die Zusammenstellung aus Wörtern, Bildern und Symbolen, die tatsächlich
veröffentlicht wird.
 Kommunikationskanäle: Die Kommunikationswege/Medien vom Sender zum Empfänger,
zum Beispiel Printmedien und ergänzend das Fernsehen bzw. die Programme, die das
Unternehmen für seine Werbeschaltungen auswählt.
 Entschlüsselung (Decodierung): Die Vorgänge, bei denen der Empfänger den Symbolen
bestimmte Bedeutungen zuordnet; er sieht die Werbung und interpretiert die Worte und
Bilder, die er wahrnimmt.
 Empfänger: Das Individuum oder die Gruppe, die die Botschaft empfängt.
 Wirkung: Die Reaktionen des Empfängers auf die Botschaft, denkbar sind unzählige Vari-
anten.
 Feedback: Der Teil der Wirkung, der an den Sender zurückübermittelt wird, beispiels-
weise über die Marktforschung des Unternehmens.
 Potenzielle Störfaktoren („Noise“): nicht eingeplante Störungen des Kommunikationspro-
zesses, die dazu führen, dass der Empfänger eine andere Botschaft aufnimmt, als der Sen-
der abgesetzt hat. Zum Beispiel kann der Kunde während des Fernsehens abgelenkt wer-
den durch Aktionen anderer Familienmitglieder, die Türklingel, das Telefon etc.

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14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation

Damit eine Botschaft erfolgreich kommuniziert werden kann, muss der Verschlüsselungspro-
zess des Senders mit dem Entschlüsselungsprozess des Empfängers übereinstimmen. Folg-
lich sollte sich eine gute Botschaft aus Wörtern und Symbolen zusammensetzen, die dem
Empfänger gut bekannt sind. Je besser das Erfahrungsumfeld des Senders mit dem des Emp-
fängers übereinstimmt, umso effektiver wird die Botschaft wirken. Marketingspezialisten
müssen dabei nicht immer den gleichen Erfahrungshorizont haben wie die Endverbraucher.
Eine Werbeagentur kann zum Beispiel auch eine Anzeige für einen Arbeiter entwerfen,
obwohl sich alle Beteiligten eher in einem akademischen Umfeld bewegen. Um jedoch effek-
tiv zu kommunizieren, muss der Verantwortliche im Marketing den Erfahrungshorizont des
Verbrauchers verstehen.
Dieses Modell zeigt, worauf es bei einer gut funktionierenden Kommunikation ankommt. Die
Sender müssen wissen, welche Empfänger sie erreichen möchten und welche Reaktionen sie
als wünschenswert erachten. Es gilt, die Botschaft so zu verschlüsseln, dass die Zielgruppe
sie auf die gewünschte Weise entschlüsseln kann. Man sollte die Botschaft über diejenigen
Medien verbreiten, die die Zielgruppe erreichen und Feedbackkanäle vorsehen, damit man
die Reaktion der Zielgruppe auf die Botschaft überprüfen kann. Auch im modernen interakti-
ven Medienumfeld müssen sich Unternehmen darauf einstellen, den Kommunikationspro-
zess „umzudrehen” – sie müssen gute Zuhörer für die Botschaften der Kunden sein und auf
diese reagieren.

14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation


Im Folgenden gehen wir detailliert auf die einzelnen Schritte ein, die notwendig sind, um
ein effizientes, integriertes Kommunikationskonzept zu entwerfen. Zunächst muss die Ziel-
gruppe identifiziert werden. Im Anschluss daran sind die Kommunikationsziele festzulegen,
die Botschaft zu entwerfen und die Medien auszuwählen, mit denen die Botschaft übermit-
telt werden soll. Schließlich gilt es zu entscheiden, wo und auf welche Weise man Feedback
für Wirkungsanalysen erhalten möchte.

14.5.1 Die Identifizierung der Zielgruppe


Jeder, der Marketingkommunikation betreibt, sollte eine klare Vorstellung von seiner Ziel-
gruppe haben. Das können Kaufinteressenten oder gegenwärtige Benutzer sein, es können
diejenigen sein, welche die Kaufentscheidung treffen oder sie beeinflussen. Die Zielgruppe
der Marketingkommunikation können Einzelpersonen, spezielle Gruppen oder die allge-
meine Öffentlichkeit sein. Die Auswahl der Zielgruppe hat eine starke Auswirkung darauf,
was gesagt wird, wie es gesagt wird, wann und wo es gesagt wird und wer es schließlich
sagen soll.

14.5.2 Die Bestimmung der Kommunikationsziele


Nachdem die Zielgruppe definiert ist, muss sich der Marketer entscheiden, welche Reaktion
gewünscht wird. In den meisten Fällen wird dies der Kauf des Kommunikationsobjekts sein.
Eine Kaufentscheidung ist jedoch das Ergebnis eines lange währenden Prozesses der Kauf-
entscheidungsfindung. Der Marketingverantwortliche sollte wissen, wo die Zielgruppe der-
zeit steht und wohin man sie zukünftig bewegen möchte. Er muss herausfinden, ob der
Kunde bereit ist, sich für dieses Angebot zu entscheiden.

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14 Integrierte Marketingkommunikation

Die Zielgruppe kann sich in einem der sechs Stadien zunehmender Kaufbereitschaft befin-
den. Potenzielle Käufer durchlaufen üblicherweise diese Schritte, wenn sie einen Kauf täti-
gen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um das Bewusstsein, dass es das Produkt gibt, also
die Bekanntheit, genauere Kenntnis über das Produkt, eine Sympathie für das Produkt, eine
Präferenz, die Überzeugung, dass das Produkt am besten geeignet ist, und schließlich den
Entschluss, das Produkt zu kaufen.

Bekanntheit Kenntnis Sympathie

Präferenz Überzeugung Kauf

Abbildung 14.5: Die sechs Stadien zunehmender Kaufbereitschaft

Ziel und Zweck der Marketingkommunikation ist es nun, den Kaufinteressenten durch diese
Stadien zu begleiten und schließlich zu erreichen, dass er kauft.

Bekanntheit
Die Zielgruppe einer Kampagne weiß möglicherweise überhaupt nichts über das Produkt,
kennt vielleicht nur den Namen oder hat von ein oder zwei relativ unwichtigen Eigenschaf-
ten erfahren. Wenn ein großer Teil der Zielgruppe von dem Produkt noch nichts gehört hat,
versucht der Kommunikator zunächst das Bewusstsein aufzubauen, dass es dieses Produkt
gibt. In vielen Fällen versucht man zu erreichen, dass die Mitglieder der Zielgruppe die
Marke bzw. den Produktnamen erkennen, wenn er genannt wird. Dies kann beispielsweise
mithilfe einer sogenannten Ankündigungskampagne mit ganz einfachen Botschaften ange-
strebt werden, indem vielleicht lediglich der Name des Unternehmens oder des Produkts
wiederholt wiedergegeben wird.

Kenntnis
Es mag sein, dass die Zielgruppe schon davon gehört hat, dass ein Unternehmen oder ein
Produkt existiert. Aber Genaueres ist bei den Mitgliedern der Zielgruppe nicht bekannt. Das
Unternehmen muss herausfinden, wie viele Menschen wenig, etwas oder viel über das Ange-
bot wissen.

Sympathie
Angenommen, die Mitglieder der Zielgruppe kennen das Produkt. Nun stellt sich die Frage,
ob sie es mögen. Wenn der potenzielle Kunde das Produktangebot bereits kennt, muss der
Marketer dafür sorgen, dass er damit positive Gefühle und Stimmungen verbindet. Wenn die
Zielgruppe eine schlechte Meinung über das Angebot hat, gilt es, die Gründe dafür zu identi-
fizieren. Diese sollten idealerweise vor dem Start einer Kampagne beseitigt werden, die die
neue, verbesserte Qualität kommuniziert und den Kunden dazu bringen soll, positive
Gefühle mit dem Produkt zu verbinden.

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14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation

Präferenz
Weiterhin ist es möglich, dass die Zielgruppe das Produkt mag, aber es gegenüber anderen
nicht vorzieht. In diesem Fall muss der Kommunikator versuchen, Präferenzen bei den Käu-
fern aufzubauen, indem er die Qualität und den hohen Gegenwert hervorhebt. Man kann die
Wirkung einer Werbekampagne messen, indem man die Präferenzen der Zielgruppe davor
und danach misst.

Überzeugung
Falls die Kaufinteressenten schon eine Vorliebe für ein Produkt entwickelt haben, aber noch
nicht davon überzeugt sind, dass sie das Produkt kaufen sollten, gilt es, die Überzeugung auf-
zubauen, dass das Angebot das beste auf dem Markt ist. Anfang der 1990er-Jahre beschränk-
ten sich große Anbieter wie Vodafone und Telekom darauf, lediglich Unternehmen und
Selbstständige mit Mobiltelefonen zu versorgen. Orange wollte erreichen, dass der Besitz von
Mobiltelefonen zukünftig für alle möglich ist und nicht ein Privileg für einige wenige bleibt.
Dementsprechend fokussierte sich ihre Kampagne auf die klare Kommunikation der Vorteile
der Produkte im alltäglichen Gebrauch und nicht auf die dahinterstehende Technik.
Prinzipiell sollte eine Kombination aus allen Kommunikationsinstrumenten verwendet
werden, um die Präferenz des Käufers zu bilden und ihn zu überzeugen: Anzeigen können
beispielsweise emotionale Verbindungen der Marke zum Kunden knüpfen oder die Vorteile
hervorheben, die das eigene Produkt gegenüber denen der Wettbewerber bietet. Öffentlich-
keitsarbeit kann dazu verwendet werden, die speziellen Vorzüge einer Marke zu betonen,
wie beispielsweise Innovationskraft und Leistung. Direktes Marketing über den Außendienst
kann den potenziellen Kunden von verschiedenen Service-Optionen oder dem guten Preis-
Leistungs-Verhältnis überzeugen.

Kauf
Manchmal sind Mitglieder der Zielgruppe von dem Produkt überzeugt, zögern aber noch mit
dem Kauf. Vielleicht, weil sie auf eine bessere Gelegenheit warten oder mehr Informationen
wünschen, oder weil sie planen, den Kauf erst später zu vollziehen. Der Kommunikator muss
diese Kaufinteressenten dazu bringen, auch noch den letzten Schritt zu tun. Mögliche Aktio-
nen wären zum Beispiel das Angebot des Produkts zu einem Sonderpreis oder eine spezielle
Produktvorführung.
Wenn wir die Bereitschaft des Käufers analysieren, unterstellen wir, dass Kaufinteressenten
zunächst ein kognitives Stadium (Bewusstsein, Detailwissen), dann ein affektives Stadium
(Vorliebe, Überzeugung) und schließlich ein Stadium des Handelns (Vollzug des Kaufs)
durchlaufen. Diese Abfolge „lernen, empfinden, handeln“ ist zutreffend, wenn die Kaufinter-
essenten persönlich großes Interesse an der Kaufentscheidung haben und der Ansicht sind,
dass sich die angebotenen Güter in wichtigen Punkten erheblich unterscheiden. Dieses Vor-
gehen gilt insbesondere für Käufe langlebiger Konsumgüter wie zum Beispiel Autos.
Manchmal ist die Abfolge aber auch anders und Konsumenten folgen vielleicht einer
Sequenz „lernen, handeln, empfinden“. Dies ist insbesondere bei Produkten der Fall, an
denen man ein großes Interesse hat, die Unterschiede zu anderen Produkten auf dem Markt
aber relativ gering sind, wie z.B. bei einer Zentralheizung. Und schließlich gibt es auch noch
die Sequenzabfolge „handeln, empfinden, lernen“. Diese kommt oft bei Produkten vor, an
denen der Konsument wenig Interesse hat und nur geringe Unterschiede zwischen den ein-
zelnen Anbietern erkennt. Dies ist beispielsweise beim Kauf von alltäglichen Produkten wie

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14 Integrierte Marketingkommunikation

Speisesalz oder Kartoffeln der Fall. Je besser man die Phasen der Kaufentscheidung und der
Entscheidungsfindung verstanden hat, umso besser lässt sich die Kommunikation planen.

14.5.3 Entwurf der Botschaft


Wenn entschieden ist, welche Reaktion man bei der Zielgruppe hervorrufen will, sucht man
nach Ideen für eine griffige Botschaft. Idealerweise folgt die Botschaft der Formel „AIDA“:

A I D A
auf Englisch Attention Interest Desire Action
auf Deutsch Aufmerksamkeit Interesse Wunsch Aktion
Tabelle 14.1: Die Merkformel „AIDA“

Das AIDA-Modell ermöglicht die Überprüfung der Qualität einer Botschaft in jedem einzel-
nen Schritt bis zum Kauf eines Produkts. Beim Entwurf einer Botschaft muss der Marketer
festlegen, was gesagt werden soll (Inhalt der Botschaft) und wie es gesagt werden soll (Struk-
tur und Format der Botschaft).

Der Inhalt der Botschaft


Man muss zunächst ein Thema finden, das die gewünschte Reaktion bei der Zielgruppe her-
vorruft. Hierfür gibt es drei verschiedene Möglichkeiten: rational, emotional und moralisch.
Rational Eine rationale Ansprache richtet sich an das Eigeninteresse der Mitglieder der Ziel-
gruppe. Damit soll gezeigt werden, dass das Produkt den erwünschten Nutzen erbringen
wird. Dabei kann auf Qualität, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit oder verbesserte Produkti-
vität verwiesen werden. Der Autohersteller Audi beispielsweise wirbt seit Jahren mit dem
Slogan „Vorsprung durch Technik“.
Emotional Emotionale Appelle versuchen, positive oder negative Emotionen hervorzurufen,
um eine Kaufmotivation entstehen zu lassen. Printmedien und Fernsehen sind voll von Bil-
dern mit Menschen, die Liebe, Sympathie, Humor, Stolz, Erfolg oder Freude ausstrahlen.
So wirbt der Autohersteller BMW zum Beispiel mit dem Slogan „Freude am Fahren“ und
vermittelt dies auch in entsprechenden Fernsehspots.
Aber emotionale Werbung muss nicht unbedingt nur positive Gefühle ansprechen. Eine Bot-
schaft kann auch Angst, Schuldgefühle oder Scham hervorrufen.
Moralisch Appelle an die Moral richten sich an die Zielgruppe, um diese darüber aufzuklä-
ren, was „richtig“ und was „gut“ ist. Oftmals geht es darum, gesellschaftliches Verhalten zu
ändern oder „gutes Verhalten“ zu belohnen beziehungsweise zu bestätigen. Beispiele für die
Objektbereiche dieser Werbung sind:
 Saubere Umwelt
 „Aktion Mensch“
 Verpackungsrecycling, Duales System und „Grüner Punkt“
 Bekämpfung der Ausländerfeindlichkeit
 Hilfe für Bedürftige, „Brot für die Welt“
 „Keine Macht den Drogen!“

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14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation

Die Struktur der Botschaft


Marketer müssen auch entscheiden, wie etwas gesagt werden soll. Es sind drei Fragen zur
Struktur der Botschaft zu klären:
1. Soll mit der Botschaft eine Schlussfolgerung gezogen werden oder soll dies der Ziel-
gruppe überlassen bleiben? Untersuchungen haben ergeben, dass es sinnvoll sein kann,
eine Schlussfolgerung einzubauen, wenn die Zielgruppe nicht sehr motiviert ist, selbst-
ständig Schlüsse zu ziehen. In neueren Untersuchungen allerdings wird vorgeschlagen,
dass der Marketingverantwortliche die intensive Beschäftigung mit dem Produkt ledig-
lich anstößt. Die interessierte Zielgruppe kann dann eigenständig über das Produkt
nachdenken und zu eigenen Schlussfolgerungen kommen.
2. Soll nur einseitig argumentiert werden (zum Beispiel nur mit den starken Seiten des
Produkts) oder soll ausgewogen das Für und Wider besprochen werden? Für Zwecke der
Absatzförderung ist das einseitig positive Argument häufig besser geeignet, es sei denn,
die Zielgruppe besitzt einen sehr hohen Bildungsstand oder steht dem Produkt negativ
gegenüber.
3. Soll das stärkste Argument an erster oder an letzter Stelle stehen? Mit einem starken Ar-
gument an erster Stelle erreicht man große Aufmerksamkeit. Allerdings besteht die
große Gefahr, dass die Überzeugungskraft letztlich verloren geht, weil die Argumenta-
tion zum Ende hin abflacht.

Das Format und Design der Botschaft


Für die Übermittlung der Botschaft muss ein Design festgelegt werden. Hier kommt es insbe-
sondere auf das Medium an, das für die Übermittlung der Botschaft verwendet wird.
Printmedien Gedruckte Botschaften müssen sorgfältig entworfen werden in Bezug auf Über-
schrift, Platzierung im Medium (zum Beispiel Umschlag- oder Innenseite), typografische
Gestaltung, Illustrationen, Hervorhebungen oder Verwendung von Farben. Um mehr Auf-
merksamkeit zu erzeugen, lassen sich einzigartige Layouts, Bilder als Blickfang, besondere
Formate usw. einsetzen. All dies muss auf kreative Art und Weise derart zusammengestellt
werden, dass sich ein maximaler Aufmerksamkeitswert ergibt.
Rundfunk Hat man sich für den Rundfunk als Medium entschieden, müssen Worte, Stimmen
und Sprecher sorgfältig abgestimmt werden. Werbung für exklusive Einrichtungsprodukte
sollte einfach anders klingen als solche für Gebrauchtwagen oder Süßigkeiten.
Fernsehen oder Live-Auftritte Wird die Botschaft im Fernsehen gesendet oder durch Auf-
tritte übermittelt, ist neben den angesprochenen Elementen auch die Körpersprache zu
berücksichtigen. Die Beteiligten sollten ihren Gesichtsausdruck vorbereiten und prüfen. Ges-
ten und Haltung, Bekleidung und Make-up sind sorgfältig zu planen und vor dem Auftritt
genauestens vorzubereiten.
Die Botschaft auf dem Produkt selbst Wenn die Botschaft auf dem Produkt selbst oder auf
seiner Verpackung übermittelt werden soll, muss der Marketingverantwortliche auf das
Material und seine Oberfläche, auf Farben und Größe achten. Konsumenten verbinden mit
einer speziellen Verpackung, einem Material oder beispielsweise auch der Verwendung von
bestimmten Farben spezifische Produkteigenschaften. Welche Rolle Farben bei der Auswahl
von Lebensmitteln spielen, demonstriert folgendes Beispiel:
In einem Geschäft wurden die Kunden eingeladen, neue Kaffeesorten zu probieren. Die
gefüllten Tassen standen vor jeweils einer Kaffeepackung in den Farben Braun, Blau, Rot und

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14 Integrierte Marketingkommunikation

Gelb. Der ausgeschenkte Kaffee war identisch, aber die Versuchspersonen wussten das nicht.
75 Prozent gaben an, dass der Kaffee aus der braunen Kaffeepackung zu stark sei. Etwa 85
Prozent gaben an, dass ihnen der Kaffee vor der roten Kaffeepackung am besten geschmeckt
habe. Nahezu alle Versuchspersonen gaben an, dass der Kaffee vor der blauen Kaffeepackung
ihnen als mild und der Kaffee vor der gelben als zu schwach erschien.
Aus derartigen Experimenten lässt sich zum Beispiel ableiten, dass ein Kaffeehersteller am
besten eine rote Verpackung verwenden sollte, damit sein Produkt als aromatisch eingestuft
wird, die Wirkung der roten Farbe kann mit einer geeigneten Beschriftung verstärkt werden.
Selbst wenn ein Konsument unmittelbar mit einer Werbebotschaft konfrontiert wird, kann es
sein, dass er ihr keine Beachtung schenkt, weil die Botschaft langweilig oder irrelevant ist.
Man erhöht die Chancen der Wahrnehmung durch die Zielgruppe, wenn man folgende
Punkte beachtet:
 Die Botschaft sollte einen Nutzwert für die Angehörigen der Zielgruppe enthalten. Es ist zum
Beispiel wenig aussichtsreich, schon bei Erstsemestern teure Lebensversicherungen anbieten
zu wollen, da in diesem Lebensabschnitt noch andere Interessen im Vordergrund stehen.
 Die Zielgruppe muss an der Botschaft interessiert sein.
 Die Botschaft sollte neue Fakten über das Produkt oder die Marke enthalten, um Interesse
zu wecken.
 Die Botschaft sollte eine vor Kurzem getätigte Kaufentscheidung der Zielgruppe bestäti-
gen. Dies ist die Voraussetzung für eine positive Aufnahme. Wenn Sie beispielsweise erst
kürzlich ein neues Smartphone gekauft haben, fällt Ihnen eine Werbung für Smartphones
sofort auf.
 Die Präsentation der Botschaft muss Aufmerksamkeit erregen. Wie oben erläutert, kann
dieses Ziel über das Design und mittels Kreativität erreicht werden.
Das Ziel des Anbieters oder der Werbeagentur wird es stets sein, der Werbebotschaft die größt-
mögliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Dabei sind jedoch gesetzliche Vorschriften zu beach-
ten. Es müssen Regulierungen und Selbstverpflichtungen eingehalten werden, die sich teilweise
die Branchen selbst geben, und es sollten sensibel Grenzen gewahrt werden, die durch Ethik,
Moral und guten Geschmack vorgegeben sind. Werbung, die öffentliche Betroffenheit oder Irrita-
tionen verursacht, bringt in der Regel auch für den Werbenden negative Effekte mit sich.

14.5.4 Auswahl der Medien


Grundsätzlich kann man zwei Typen von Kommunikationskanälen unterscheiden: Kommu-
nikation über Menschen als Werbeträger und Kommunikation, die ohne Menschen aus-
kommt und daher in der Regel ausschließlich über die Medien stattfindet.

Persönliche Kommunikation
Bei den an Personen gebundenen Kommunikationskanälen treten zwei oder mehrere Personen
direkt miteinander in Beziehung. Sie können sich persönlich miteinander unterhalten, eine
Person kann zu einer größeren Gruppe sprechen, sie kann über soziale Netzwerke oder E-Mail
kommunizieren oder telefonieren. Diese Art der Kommunikation ist sehr effizient, da die Ziel-
personen direkt angesprochen werden und auch häufig ein sofortiges Feedback möglich ist.
Einige dieser persönlichen Kommunikationskanäle, wie z.B. der Verkaufsaußendienst, stehen
unter direktem Einfluss des Unternehmens. Andere persönliche Informationen über das Pro-

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14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation

dukt erreichen den Käufer oder Kaufinteressenten jedoch über Kanäle, die nicht unbedingt
vom Unternehmen beeinflusst werden können. Zu diesen Informationsüberbringern gehören
zum Beispiel unabhängige Experten, die aus irgendeinem Grund Aussagen gegenüber der Ziel-
gruppe machen. Dies können populäre Verbraucheranwälte sein, Berater von Verbraucherorga-
nisationen usw. Genauso gut können es die Nachbarn, Freunde, Familienmitglieder oder
Geschäftspartner sein, die mit den Kaufinteressenten über ein bestimmtes Produkt reden. Die-
ser letzte Kanal der Mundpropaganda hat in vielen Bereichen beträchtlichen Einfluss.
Interpersoneller Einfluss erzeugt großen Druck bei Kaufentscheidungen, bei denen es um
teure, riskante oder sehr gut sichtbare Produkte (etwa Mode) geht. Jemand, der ein Auto oder
ein großes Haushaltsgerät kauft, erkundigt sich unter Umständen bei Bekannten nach deren
Erfahrungen. Eine Studie zeigt, dass 90 Prozent aller Käufer sich gerne auf die Empfehlung
von Verbrauchern verlassen, wohingegen sich lediglich maximal 40 Prozent der Käufer auf
die Aussagen in einer Anzeige verlassen wollen. Das ist auch einer der Gründe für den gro-
ßen Erfolg der Strategie von Amazon zur Steigerung des Verkaufs pro Kunde. Vielleicht
haben auch Sie sich schon beim Kauf von Produkten bei Amazon auf die Meinung anderer
Verbraucher gestützt oder einfach in der Sektion „Kunden, die dieses Produkt gekauft haben,
haben auch ...“ nachgesehen.
Unternehmen haben verschiedene Möglichkeiten, bestehende interpersonelle Beziehungen
als Kommunikationswege zu nutzen:
 Das Buzz Marketing bietet Unternehmen die Möglichkeit, gezielt Privatpersonen anzu-
sprechen und diese als Meinungsführer für ihre Marken oder Leistungen aufzubauen, um
dann von deren positiver Mundpropaganda zu profitieren. Als Meinungsführer bezeichnet
man Personen, die von ihren Mitmenschen um Rat oder ihre Meinung gefragt werden und
die häufig eine Vorbildfunktion haben. Sie können über Gratisprodukte oder Aufwands-
entschädigungen motiviert werden, positiv in ihrem sozialen Umfeld oder in ihren sozia-
len Netzwerken über eine Marke oder eine Leistung des Unternehmens zu berichten und
so das Image positiv zu beeinflussen. Blogger spielen in diesem Zusammenhang für Unter-
nehmen eine große Rolle.
 Auch das Bemühen von Unternehmen, herauszufinden, welche Themen Konsumenten
interessieren und über welche sie sich austauschen, dient dem Versuch, die Mundpropag-
anda positiv zu beeinflussen. Sie können dieses Wissen nutzen, um relevante Inhalte oder
Informationen bereitzustellen oder Lösungen für bestimmte Probleme anzubieten.
Ob und wie stark eine Botschaft bei ihrer Zielgruppe ankommt, hängt nicht zuletzt von der
Attraktivität und der Glaubwürdigkeit desjenigen ab, der die Botschaft überbringt und ver-
breitet. Botschaften, die aus glaubwürdigen Quellen stammen, überzeugen eher. Wichtig ist
hierbei, dass die Zielgruppe oder die allgemeine Öffentlichkeit den Überbringer der Bot-
schaft als neutralen Fachmann akzeptiert und ihm abnimmt, dass er sich unparteiisch für ein
gutes Produkt auf faire Weise einsetzen will.

Kommunikation über Medien


Hier handelt es sich um nichtpersönliche Kommunikationskanäle, die Botschaften ohne Fee-
dback übertragen. Zu dieser Gruppe gehören:
 Massenmedien
 Umgebung
 Events

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14 Integrierte Marketingkommunikation

Zu den wichtigsten Massenmedien zählen Printmedien wie Tageszeitungen, (Fach- und Pub-
likums-)Zeitschriften und Direktwerbung, Hörfunk und Fernsehen, Online- und elektroni-
sche Medien wie Internet, soziale Netzwerke und E-Mail sowie Plakatwerbung wie z.B. Groß-
flächenplakate, City-Light-Poster oder Plakatsäulen.
Die Umgebung können den interessierten Kunden in seiner Kaufentscheidung bestärken. Die
Räumlichkeiten von Banken, Anwaltskanzleien oder Arztpraxen sind beispielsweise so
gestaltet, dass sie Vertrauen und weitere relevante Werte kommunizieren.
Events sind (Groß-)Veranstaltungen, die durchgeführt werden, um einem Zielpublikum
bestimmte Botschaften zu kommunizieren. PR-Abteilungen oder Agenturen veranstalten
dazu beispielsweise Pressekonferenzen, feierliche Eröffnungen, Ausstellungen und Shows
oder öffentliche Führungen.
Bei der Kommunikation über Medien wird der Käufer zunächst direkt angesprochen. Außer-
dem wird er oftmals zusätzlich indirekt angesprochen, indem persönliche Kommunikation
angeregt wird. Kommuniziert wird zunächst über das Fernsehen, Zeitschriften und andere
Massenmedien an Meinungsführer und dann von diesen Meinungsführern zu allen anderen.
Meinungsführer bewegen sich zwischen Massenmedien und deren Zielgruppen und tragen
Nachrichten auch zu Personen, die diesen Medien weniger ausgesetzt sind. Marketer können
diesen Kommunikationsmultiplikator bewusst nutzen, indem sie über die Massenmedien die
Meinungsführer direkt ansprechen, damit diese dann die Nachricht an andere Personen
transportieren.
Die Pharmaindustrie beispielsweise nutzt diesen Effekt konsequent und spricht mit neuen
Kampagnen zur Einführung von Innovationen zunächst gezielt ausgewählte Ärzte und medi-
zinische Experten an. Wenn diese überzeugt sind, dann hat deren Meinung großen Einfluss
auf die Akzeptanz des neuen Produkts durch andere Ärzte. Auf diese Weise erweitern Mei-
nungsführer den Einfluss der Massenmedien. Allerdings können sie die gesendete Nachricht
auch verändern oder sie nicht weitertragen.
Schauen wir uns nachfolgend am Beispiel der erfolgreichen xDrive-Kampagne an, wie der
Automobilhersteller BMW seinen Kommunikations-Mix gestaltet und dabei neben klassi-
scher Werbung auch auf das Dialogmarketing setzt.

Marketing-Highlight: BMW – Markenbindung durch integrierte


Kommunikation

Wer seine Kunden langfristig an die Marke binden will, sollte auf eine wertschätzende
und qualifizierte Ansprache und Betreuung Wert legen. Kunden und Interessenten
erwarten zunehmend eine direkte Kommunikation und Interaktion mit ihrer Marke.
Beim Einsatz vernetzter Marketinginstrumente setzt BMW neue Maßstäbe in der Auto-
mobilbranche. Der Münchener Autobauer beweist höchste Professionalität bei der Kun-
denansprache und große Innovationskraft und Effizienz in der Kommunikation.
Der Schwerpunkt liegt auf klassischer Werbung, BMW geht aber zunehmend neue und
innovative Wege in der Kommunikation, um die entsprechend der Baureihen spezifi-
zierten Zielgruppen erfolgreich und effektiv anzusprechen. Daraus resultiert ein integ-
rierter Kommunikations-Mix, der sowohl aus klassischen als auch aus einer ganzen
Reihe nicht klassischer Instrumente besteht.

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14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation

Dialogmarketing z.B. ist eine der Disziplinen, auf die BMW zunehmend setzt. Die Stra-
tegie dort ist grundsätzlich anders als bei anderen Automobilherstellern: Nahezu alle
Adressen werden von BMW selbst generiert, teilweise gemeinsam mit Kooperations-
partnern, teilweise im Internet. Außerdem verzichtet das Unternehmen auf Massenmai-
lings. So werden hohe Streuverluste vermieden und die Zielgruppen persönlicher und
damit premium-adäquat angesprochen. Dabei müssen Mailings nicht immer aufwendig
und teuer sein. BMW bevorzugt intelligente und zielgruppengerechte Lösungen, die
anspruchsvoll in Bild, Text und Tonalität sind. Letztendlich kommt es weniger darauf
an, wie hoch der Response auf Mailings ist, sondern es geht darum, wie viele Fahrzeuge
de facto verkauft werden.
Um optimal arbeiten zu können und Ergebnisse zu erreichen, die den hochgesteckten
Zielen von BMW gerecht werden, ist daher eine intensive Zusammenarbeit mit den
unterschiedlichen Abteilungen der Marketingkommunikation zur Umsetzung einer
integrierten Kommunikation unerlässlich. Denn es kommt nicht nur auf einen gut abge-
stimmten Zeitplan an, sondern auch auf die nach außen wahrnehmbare Verbindung
aller Instrumente, wie es z.B. bei der groß angelegten Markenkampagne #BMWstories
der Fall ist, die individuelle Erlebnisse und Geschichten von Menschen mit ihrem
BMW porträtiert. Alle Fachteams arbeiten so eng wie möglich zusammen. Koordiniert
werden sie für die Einführung neuer Automobile oder bei themenübergreifenden Pro-
jekten durch einen sogenannten Launchmanager, der alle Aktivitäten vernetzt, die Maß-
nahmen der internationalen Märkte kennt, diese adaptiert und marktgerecht anpasst,
um Synergien und Erfahrungen zu nutzen.

Zur Kampagne
In den letzten Jahren bestimmte die größte Produktoffensive der BMW-Geschichte (Ein-
führung neuer Baureihen, wie z.B. der BMW 2er, 4er, X4) maßgeblich die Inhalte der
BMW-Kommunikation. Parallel hierzu standen seit 2011 die Stärkung der Allradkompe-
tenz und die Betonung der Innovationsführerschaft der Marke BMW in diesem Technik-
feld im Fokus. Gleichzeitig werden über den Themenschwerpunkt xDrive, so der Marke-
tingbegriff für das intelligente Allradsystem von BMW, Produkt- und Absatzimpulse
generiert. Die groß angelegte und langjährige Kampagne belegt durch die richtungswei-
sende BMW-Kompetenz den Premiumanspruch der Marke und differenziert BMW nach-
drücklich vom Wettbewerb. Die Kampagne verknüpft kommunikativ jeweils die Allrad-
kompetenz von BMW mit einer Baureihe. Dadurch erhalten die technischen Argumente
eine höhere Emotionalität und Lebendigkeit. Ziel dabei ist es, xDrive in einer besonders
anschaulichen und Baureihen-übergreifenden Kommunikation aufmerksamkeitsstark und
nutzenorientiert darzustellen und zu vermitteln. Um die Wirkungsweise von xDrive im
Vergleich zu herkömmlichen Lösungen darzustellen, nutzt BMW einen einfachen und
schnell verständlichen Leitgedanken: „Ob Schnee, Regen oder Eis – es gibt 1.000 Gründe,
zu Hause zu bleiben. Und einen dagegen: BMW xDrive“.
Die Kampagne wird im Internet mit einem Special fortgeführt – unter der Adresse
www.bmw.de/x können sich Kunden und Interessenten über die BMW-Kompetenz- und
Innovationsthemen weitergehend informieren. Eine zielgruppenorientierte Onlinekam-
pagne schaltet Banner auf frequenzstarken Internetseiten. Dadurch werden Interessen-
ten auf das Special geführt.

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14 Integrierte Marketingkommunikation

Der Erfolg der xDrive-Offensive von BMW basiert wesentlich auf ihrer starken Vernet-
zung. Dieses Konzept hat BMW auch schon für vergangene Kampagnen genutzt, bei-
spielsweise in der Einführungskampagne „Prinzip Freude“ mit Kermit dem Frosch für
den BMW 1er. Dabei ist klassische Werbung immer fester Bestandteil der Kommunika-
tion von BMW, allein schon im Hinblick auf den Aufbau einer hohen Bekanntheit, eines
positiven Images der Marke und einer Verankerung im Relevant Set der Verbraucher.
Für die TV-Kommunikation wurde ein TV-Spot rund um xDrive Mountain, den fiktiven
Ort mit 365 Jahreszeiten, neu konzipiert. Der 25 Sekunden dauernde Clip zeigt am
Anfang das Ortsschild des „xDrive Mountain“-Dorfs, ein Ort, an dem die verschiedens-
ten Wetterbedingungen aufeinandertreffen – die perfekte Umgebung für BMW xDrive.
Flankierend zu TV-Spots und klassischen Printanzeigen wurden alle Maßnahmen auf
Grundlage dieser kreativen Idee entwickelt und mit der Präsentation am PoS hin zum
Internet mit Specials und Vodcasts, Dialogmarketing, Messen mit speziellen Exponaten,
Events mit fahraktiven Bausteinen und eigens produzierten Kommunikationsmitteln in
Skigebieten der Alpen vernetzt. Diese Vernetzung der klassischen Kommunikation mit
den Below-the-line-Maßnahmen gewährleistet eine hohe Wiedererkennung und führt
den Interessenten auf die Internetseite www.bmw.de/x. Produktseitig werden diese Maß-
nahmen durch spezielle Pakete abgerundet, die an einem zentralen Innovationstag in
den Handelsbetrieben präsentiert wurden.
Ziel der xDrive-Kampagne ist es, Zielgruppen mit Inhalten anzusprechen, die für sie
gleichermaßen relevant wie attraktiv sind, und sie von der Innovationsführerschaft der
Marke BMW zu überzeugen. Das ist in hohem Maße gelungen.

Abbildung 14.6: Abbildungen der „xDrive Mountain“-Kampagne in den unterschiedlichen Medien


(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der BMW AG, Region Deutschland)

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14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation

BMW – Fakten und Zahlen Die BMW Group ist mit ihren Marken BMW, MINI und
Rolls-Royce der weltweit führende Premium-Hersteller von Automobilen und Motorrä-
dern und Anbieter von Premium-, Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen. Als interna-
tionaler Konzern betreibt das Unternehmen 30 Produktions- und Montagestätten in 14
Ländern sowie ein globales Vertriebsnetzwerk mit Vertretungen in über 140 Ländern.
Im Jahr 2016 erzielte die BMW Group einen weltweiten Absatz von rund 2,367 Millio-
nen Automobilen und 145.000 Motorrädern. Das Ergebnis vor Steuern im Geschäftsjahr
2016 belief sich auf 9,67 Milliarden Euro, der Umsatz auf rund 86,42 Milliarden Euro.
Zum 31. Dezember 2016 beschäftigte das Unternehmen weltweit 124.729 Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter.
Quelle:
Geschäftsbericht BMW 2016, Download unter: https://www.bmwgroup.com/content/dam/bmw-
group-websites/bmwgroup_com/ir/downloads/de/2016/BMW_GB16_de_Finanzbericht.pdf
[12.02.2018]

Die Wahl der Nachrichtenquelle


Sowohl bei persönlicher als auch unpersönlicher Kommunikation wird die Wirkung des
Inhalts auch durch das Bild beeinflusst, das der Kunde von der Nachrichtenquelle hat. Ihre
Glaubwürdigkeit und Attraktivität – es kann sich hierbei beispielsweise um das Unterneh-
men selbst, einen Sprecher oder einen Schauspieler handeln – muss daher beachtet werden.
Werbebotschaften, die von einer sehr glaubwürdigen Quelle verbreitet werden, sind natür-
lich überzeugender. Viele Lebensmittelhersteller versuchen daher Ärzte, Zahnärzte oder
Experten in Gesundheitsfragen von ihren Produkten zu überzeugen, damit diese ihren Pati-
enten dann die Produkte empfehlen. Sensodyne Zahncreme hat seine Produkte beispiels-
weise jahrelang in Zahnarztpraxen beworben. Auch ihre Werbespots basierten auf der Befür-
wortung durch Zahnexperten, die die Zielgruppe zum Kauf des Produkts bewegen sollten.
Um glaubhaft zu bleiben, muss der Vermittler von der Zielgruppe als (glaubwürdiger)
Experte bezüglich des beworbenen Produkts anerkannt werden. Er sollte objektiv und ehr-
lich die angeblichen Vorzüge des Produkts bestätigen.
Marketingverantwortliche engagieren auch bekannte Persönlichkeiten, um die Werbebot-
schaften für ihre Marken zu transportieren. Hierzu gehören bekannte Athleten, Schauspieler,
Models und sogar Cartoon-Figuren. Dieses Vorgehen birgt aber auch Risiken. Unternehmen
müssen daher die Persönlichkeiten, die ihre Marken repräsentieren sollen, sorgfältig auswäh-
len. Ein Fehlgriff kann zu Peinlichkeiten und einem angeschlagenen Image führen. H&M,
Chanel und Burberry mussten das Supermodel Kate Moss offiziell entlassen, nachdem sie
wiederholt beim Konsum von Kokain fotografiert worden war.

14.5.5 Messung der Werbewirkung


Wenn die Botschaft „gesendet“ wurde, sollte man versuchen, etwas über die Wirkung der
Aktivitäten bei der Zielgruppe in Erfahrung zu bringen.
Man benötigt Antworten auf folgende Fragen:
 Erinnern sich die Angehörigen der Zielgruppe daran, die Botschaft gesehen beziehungs-
weise gehört zu haben?

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14 Integrierte Marketingkommunikation

 Wie oft denken sie, dass sie die Botschaft gesehen haben?
 An welche einzelnen Punkte oder Aussagen erinnern sich die Angehörigen der Ziel-
gruppe?
 Was empfanden sie, als sie die Botschaft aufnahmen (Sympathie/Antipathie usw.)?
 Hat sich ihre Einstellung zum beworbenen Produkt oder Unternehmen gegenüber vorher
geändert und wie sieht diese Änderung aus?
Weiterhin wäre es wichtig zu wissen, ob die Botschaft zu tatsächlichen Aktionen oder zu Ver-
haltensänderungen geführt hat, also:
 Wie viele Menschen haben das beworbene Produkt angesehen, ausprobiert oder gekauft?
 Wie viele Menschen haben mit anderen über das Produkt gesprochen?

Marke A

kennen 20% das


Produkt nicht Von den 60%,
haben es 40% die es
nicht ausprobiert
ausprobiert haben,
Von den 80%,
Markt kennen 80% die das
= 100% davon das Produkt Produkt
kennen, waren 80%
haben es 60% enttäuscht
ausprobiert
waren nur 20%
zufrieden

Marke B

kennen 60%
das Produkt Von den 40%,
nicht die das Produkt
kennen, Von den 30%,
Markt die es ausprobiert
= 100% davon
haben,
haben es 70% waren 20%
nicht enttäuscht
kennen 40% ausprobiert
das Produkt
haben es 30% waren 80%
ausprobiert zufrieden
Abbildung 14.7: Die Ergebnisse der Messung der Werbewirkung von zwei hypothetischen Marken

Abbildung 14.7 illustriert die Messung der Werbewirkung von zwei hypothetischen Marken.
Für Marke A gilt, dass sie bei 80 Prozent der Marktteilnehmer auf dem Zielmarkt bekannt ist.
60 Prozent derer, die die Marke A kennen, haben diese auch schon einmal getestet. Aber nur
20 Prozent derjenigen, die das Produkt bereits probiert haben, waren damit zufrieden. Daraus
ergibt sich, dass die Kommunikationsstrategie zwar eine hohe Bekanntheit erzielt, dass Pro-
dukt A selbst es aber nicht schafft, Zufriedenheit beim Kunden hervorzurufen. Das Unterneh-
men sollte daher versuchen, die Produktqualität zu verbessern, und gleichzeitig die erfolgrei-

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14.5 Aufbau einer effizienten Kommunikation

che Kommunikationsstrategie beibehalten. Im Gegensatz dazu kennen nur 40 Prozent aller


Konsumenten die Marke B und nur 30 Prozent derjenigen, die die Marke kennen, haben sie
auch bereits getestet. Dafür sind 80 Prozent derer, die das Produkt probiert haben, damit auch
zufrieden. In diesem Fall sollte die Kommunikation für Marke B stärker darauf ausgerichtet
werden, die Bekanntheit zu erhöhen, um die Vorteile aus der Zufriedenheit der Kunden mit
dem Produkt besser zu nutzen.

Exkurs: Messung der Werbewirkung

Für jeden Werbenden ist es natürlich von größtem Interesse zu erfahren, wie stark der
Impact der Werbung auf die Konsumenten war. Letztlich soll auch gemessen werden, ob
das für die Werbung eingesetzte Budget die bestmögliche Wirkung entfalten konnte. Wie
steht es um die Werbeerinnerung? Wurden die Botschaften aufgenommen? Hat die Wer-
bung einen Konsumimpuls gesetzt? Diese und ähnliche Fragen stehen im Zentrum des
Interesses.
Die Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung mbH & Co. KG – kurz GiK –,
die von den Gesellschaftern Axel Springer SE, Bauer Media KG, Burda GmbH, Funke
Mediengruppe GmbH & Co KGaA, Gruner + Jahr GmbH & Co KG betrieben wird, führt
hierzu Erhebungen und Auswertungen durch. „best for tracking“ ist die Werbewir-
kungsinitiative, die damit neben „best for planning“ auch das Feld der Wirkungsfor-
schung besetzt und umfangreiche Tools für die Planung und Analyse von Kampagnen
zur Verfügung stellt. Während „best for planning“ ex ante bei der Allokation und Pla-
nung der Werbebudgets hilft, erlaubt „best for tracking“ Kampagnen ex post auf Wirk-
samkeit und Effizienz hin zu untersuchen.
Die Initiative „best for tracking“ basiert mit dem „Kreativtracking“ und dem „Marken-
tracking“ auf zwei Studiensäulen: Im Rahmen des „Kreativtrackings“ werden kontinu-
ierliche Werbemitteltests zur Messung der Aufmerksamkeitsstärke und Durchsetzungs-
kraft von Anzeigen und Online-Motiven durchgeführt. Im Rahmen des
„Markentrackings“ wird ein kontinuierliches Tracking der Werbewirkung von über 380
Marken, Modellen und Produktlinien durchgeführt. Damit kann eine Analyse der Kam-
pagnenwirkung und des Wirkungsbeitrags der eingesetzten Medienkanäle vorgenom-
men werden.
Auf der Website http://www.b4t.media sind eine Reihe von Analysen und Auswertun-
gen frei downloadbar – beispielsweise für Branchen wie Tourismus, Automobil, Food
and Beverage, Retail und Consumer Electronics –, aber auch hinsichtlich der Werbevor-
lieben von Männern und Frauen, der Werbevorlieben unterschiedlicher Generationen
und anderem mehr.
Quelle:
Unternehmenswebsite der Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung mbH & Co. KG
unter: http://www.b4t.media/b4t-startseite/ [29.03.2018]

673
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation

14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix


Neben den einzelnen Schritten bei der Planung von Werbebotschaften und der Wahl geeigne-
ter Kommunikationswege zu einer Zielgruppe hin stellt sich für Unternehmen auch die Frage
nach der Gestaltung des Werbebudgets. Wie soll die absolute Höhe bemessen werden und
wie teilt man es auf die wesentlichen Instrumente auf, um einen gelungenen Kommunika-
tions-Mix zu erhalten? Wie lassen sich die einzelnen Mittel kombinieren, um integrierte Mar-
ketingkommunikation zu realisieren? Diesen Fragen widmen wir uns im Folgenden.

14.6.1 Festlegung des Budgets für die Marketingkommunikation


Eine der schwierigsten Entscheidungen, die es zu treffen gilt, ist die Festlegung, wie viele
Mittel auf Werbung verwandt werden sollen. John Wanamaker, Inhaber eines amerikanischen
Kaufhausimperiums, sagte immer: „Ich weiß, dass die Hälfte meines Werbebudgets zum
Fenster hinausgeworfen ist. Wenn ich nur wüsste, welche Hälfte es ist. Ich habe jetzt zwei
Millionen Dollar für Werbung ausgegeben und ich weiß nicht, ob das erst die Hälfte des Not-
wendigen war oder doppelt so viel wie nötig.“
Es überrascht daher nicht, dass sich einzelne Branchen und Unternehmen sehr stark darin
unterscheiden, wie viel sie für die Werbung ausgeben. Die Ausgaben für Werbung können
zwischen 20 und 30 Prozent des Umsatzes in der Kosmetikbranche erreichen und sich ande-
rerseits auf nur zwei bis drei Prozent im Maschinenbau belaufen. Selbst innerhalb einer
Branche wird man stets Unternehmen antreffen, die viel, und andere, die wenig ausgeben.
Wie trifft ein Unternehmen seine Entscheidungen bezüglich der Höhe des Budgets für Marke-
tingkommunikation? Für die Ermittlung dieser Zahl haben sich vier Methoden durchgesetzt:
die Festlegung anhand verfügbarer Mittel, die Festlegung als Prozentsatz des Umsatzes, die
Festlegung im Vergleich zum Wettbewerb und die Festlegung anhand der zu bewältigenden
Marketingaufgaben.

Festlegung anhand verfügbarer Mittel


Eine „Daumenregel“, die von vielen Unternehmen genutzt wird, ist die Festlegung des Bud-
gets anhand verfügbarer Mittel. Ausgehend vom Gesamtumsatz werden bestimmte operative
Kosten und Kapitalaufwendungen abgezogen, um dann einen Teil des verbleibenden Rests
als Werbebudget festzulegen.
Unglücklicherweise ignoriert diese Methode den Effekt, den kommunikative Maßnahmen
auf den Umsatz haben können. Kommunikation wird hierbei als letzte Priorität gesehen,
unabhängig von Situationen, in denen sie einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg des
Unternehmens leisten kann. Sie führt zu absoluter Unsicherheit in der Budgetplanung und
macht eine mittelfristige Planung, und damit den gezielten Aufbau und die Steuerung einer
Marke, unmöglich. Obwohl diese Methode gelegentlich zu überhöhten Werbeausgaben füh-
ren kann, hat sie in den meisten Fällen ein zu knappes Budget zur Folge.

Festlegung als Prozentsatz des Umsatzes


Viele Unternehmen legen ihr Werbebudget als Prozentsatz des erzielten oder geplanten
Umsatzes fest. Automobilhersteller verwenden einen festen Prozentsatz des Verkaufspreises
für Werbeaufwendungen. Hersteller von Konsumgütern arbeiten ebenfalls häufig mit festen
Prozentsätzen des tatsächlichen oder vorhergesagten Umsatzes.

674
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix

Diese Methode hat einige Vorteile. Da der Werbeaufwand in direkter Beziehung zum Umsatz
steht, ist immer eine Proportion gewahrt, die sich das Unternehmen „leisten“ kann. Außerdem
wird für die Überlegungen der Unternehmensleitung der Zusammenhang zwischen Werbeaus-
gaben, Verkaufspreis und Gewinn pro verkaufter Einheit deutlich gemacht. Und schließlich
kann man annehmen, dass diese Methode zu Stabilität im Wettbewerb führt, da konkurrie-
rende Unternehmen vermutlich ähnliche Prozentsätze ihres Umsatzes für Werbung einplanen.
Trotz dieser Vorteile gibt es wenig, was für diese Methode spricht. Die Idee, das Werbebudget
als Prozentsatz des erzielten oder geplanten Umsatzes festzulegen, ist grundlegend falsch,
weil der Umsatz in der Regel durch die Höhe der Werbeaufwendungen bestimmt wird und
nicht umgekehrt.
Der zweite Kritikpunkt ist, dass dieser Ansatz von der Verfügbarkeit von Mitteln ausgeht und
nicht von den Geschäftschancen oder von dem Bedarf an Kommunikationsaktivitäten. Bei
strenger Anwendung dieser Methode wäre es nicht möglich, einem Absatzrückgang mit ver-
stärktem Werbeaufwand gegenzusteuern beziehungsweise antizyklisch zu werben. Eine
Untersuchung, ob eine Erhöhung oder eine Absenkung der Werbeausgaben mehr Gewinn
bringen würde, findet bei diesem starren Schema nicht statt. Weil zudem das Budget auch
noch von Jahr zu Jahr schwankt, ist eine langfristige Planung des Werbeaufwands nicht mög-
lich. Und schließlich bietet diese Methode auch keinen Ansatzpunkt für die Wahl eines
bestimmten Prozentsatzes.

Festlegung im Vergleich zur Konkurrenz


Hierbei orientiert man sich am Budget der Mitbewerber und nimmt deren Zahlen als Richt-
größe für die eigenen Aktivitäten. Zu diesem Zweck müssen die Werbeaktionen der Konkur-
renz genau beobachtet und analysiert werden. Handelskammern und Industrieverbände lie-
fern Schätzungen darüber, wie viel Prozent des Umsatzes im Branchendurchschnitt für
Werbung ausgegeben werden. Die so erhaltenen Zahlen werden zu Vorgaben für die eigenen
Werbeanstrengungen.
Zwei Argumente sprechen für diese Methode. Erstens: Die Werbeaufwendungen der Wettbe-
werber spiegeln das gesammelte Fachwissen der Branche wider. Zweitens: Wenn innerhalb
einer Branche alle Unternehmen ähnliche Richtzahlen verwenden, könnten Werbekriege ver-
mieden werden.
Leider trifft keines der beiden Argumente zu. Es gibt keinen überzeugenden Grund für die
Annahme, dass die Wettbewerber die nötigen Werbeausgaben besser bestimmen könnten als
man selbst. Auch innerhalb einer Branche unterscheiden sich Unternehmen sehr stark in Bezug
auf Marktchancen und Gewinnspannen. Dies führt zu spezifischen Anforderungen an die
Gestaltung der Kommunikation der einzelnen Anbieter. Außerdem gibt es keine Praxisbeispiele,
die belegen, dass eine derartige Gestaltung des Budgets Werbekriege wirklich verhindert.

Festlegung anhand der zu bewältigenden Marketingaufgaben


Die logischste Methode für das Festlegen des Kommunikationsbudgets ist die Auflistung der
Ziele und Aufgaben und die Aufstellung eines Budgets entsprechend dieser Vorgaben. Die
Entwicklung des Budgets erfordert:
1. die Definition aller Ziele im Detail,
2. die Bestimmung der einzelnen Teilaufgaben, mittels derer diese Ziele erreicht werden
sollen und

675
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation

3. eine Abschätzung der Kosten für die beabsichtigten Maßnahmen. Die Summe des Auf-
wands für alle geplanten Maßnahmen ergibt dann das Budget, das beantragt werden muss.
Das Vorgehen, ein Budget anhand der Marketingziele und -aufgaben festzulegen, zwingt die
einzelnen Mitglieder der Geschäftsleitung, sich intensiv mit diesen Themen und mit dem
Zusammenhang zwischen den bewilligten Mitteln und den Absatzerfolgen zu beschäftigen.
Gerade deshalb ist diese Methode die schwierigste. Zunächst müssen Umsatz- und Gewinn-
vorgaben gemacht werden, um daran anschließend die Höhe des Werbeaufwands festzustel-
len, der für die angestrebten Absatzzahlen als erforderlich angesehen wird. Oft sind Progno-
sen darüber, welche Maßnahme mit welcher Intensität welchen Erfolg nach sich ziehen wird,
nur sehr schwer oder gar nicht zu erhalten oder sie sind nicht sehr präzise.
Nehmen wir einmal an, Samsung würde für die Einführung eines neuen Smartphone-
Modells einen Bekanntheitsgrad des Produkts von 95 Prozent innerhalb von sechs Monaten
anstreben. Welche Medien und welche Werbemittel würde Samsung benötigen, um das zu
erreichen? Was würden der Medieneinsatz und die benötigten Werbemittel kosten? Die
Geschäftsbereichsleitung von Samsung muss die Antworten auf diese Fragen für die Diskus-
sion im Gesamtunternehmen und für die dann anstehende Verteilung der Budgets liefern.
Der Hauptvorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass hier wirklich recherchiert und argumen-
tiert werden muss. Im Unternehmen kommen eigene, selbst erarbeitete Entscheidungen zum
Tragen, und man eilt nicht lediglich anderen hinterher. Es wird verlangt, dass
 die Kommunikationsziele klar definiert werden,
 festgestellt wird, welcher Grad der Zielerreichung zu erwarten ist, wenn bestimmte Instru-
mente angewandt werden und
 festgestellt wird, was die einzelnen Alternativen zur Zielerreichung an Kosten verursachen.

14.6.2 Festlegung des Kommunikations-Mix


Das Konzept der integrierten Marketingkommunikation fordert eine sorgfältige Vernetzung
der einzelnen Kommunikationsinstrumente zu einem abgestimmten Kommunikations-Mix.
Es stellt sich die Frage, wie ein Unternehmen festlegen kann, welches Bündel von Instrumen-
ten es für die Kommunikation einsetzen will.
Anbieter versuchen oftmals, ihre Kommunikation durch den Austausch einer Maßnahme gegen
eine andere zu optimieren. Häufig stehen dabei wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund.
Einige Unternehmen haben einen Teil der Aktivitäten am Point-of-Sale durch Telefonverkauf
oder Direktmarketing ersetzt. Andere verstärkten ihre Verkaufsförderungsaktivitäten im Ver-
gleich zu Aufwendungen für klassische Werbung, um den Absatz kurzfristig anzukurbeln.
Die Herausforderung an die Gestaltung des Kommunikations-Mix wird noch größer, wenn
ein Instrument benötigt wird, um ein anderes zu unterstützen. Wenn eine Fluggesellschaft
zum Beispiel ein Vielflieger-Bonus-Programm einrichtet, muss Werbung für das Instrument
selbst gemacht werden. Wenn ein Waschmittelanbieter Werbung in den Medien und im Han-
del eine Kampagne für ein neues Waschmittel durchführt, sollte auch der Handel über Boni,
Sonderrabatte, Werbegeschenke oder Ähnliches zur Unterstützung motiviert werden.
Bei der Aufteilung des Budgets auf die einzelnen Instrumente der Kommunikation wie Wer-
bung, persönlicher Verkauf, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit und Direktmarketing
müssen unterschiedliche Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Diese werden wir nun
genauer betrachten.

676
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix

Merkmale der Kommunikationsinstrumente


Jedes einzelne Instrument der Kommunikation hat eine eigene Charakteristik und Kostens-
truktur. Marketingfachleute müssen sich dessen bewusst sein, wenn sie deren Einsatz im
Rahmen des Kommunikations-Mix planen.
Werbung Da Werbung in sehr vielen Formen und Umsetzungen auftritt, ist es schwer, eine
allgemeine Aussage zu treffen, die alle einzigartigen Vorzüge für den Kommunikations-Mix
beinhaltet. Aber einige wichtige Vorteile lassen sich leicht aufzählen:
 Mit Werbung lassen sich breite Bevölkerungsschichten zu einem relativ geringen Preis
erreichen.
 Werbung sagt etwas Positives über die Größe des Verkäufers, seine Bekanntheit und seinen
Erfolg aus.
 Weil viele Menschen die Werbung sehen, können beim überwiegenden Teil der Produkte
die Käufer davon ausgehen, dass Kauf und Besitz dieses Produkts von der Gesellschaft
verstanden und akzeptiert werden. Werbung lässt den Eindruck entstehen, dass das
gezeigte Objekt einen gewissen Standard darstellt.
 Werbung ermöglicht dem Verkäufer, eine Botschaft mehrere Male zu wiederholen, und
gibt damit dem Käufer die Chance, die Botschaften von mehreren konkurrierenden Unter-
nehmen zu vergleichen.
 Werbung ist auch sehr ausdrucksstark und erlaubt dem Unternehmen, das Produkt durch
eine Kombination aus Bild, Druck, Ton und Farbe zu dramatisieren.
 Zum einen kann Werbung dazu verwendet werden, ein langfristiges Markenimage aufzu-
bauen (z.B. BMW oder Lufthansa). Zum anderen kann Werbung auch dazu genutzt wer-
den, kurzfristig den Verkauf anzukurbeln (z.B. Sonderangebote in Warenhäusern oder
Baumärkten).
Werbung unterliegt jedoch auch Grenzen und Einschränkungen:
 Obwohl Werbung viele Menschen sehr schnell erreichen kann, bleibt sie unpersönlich
und kann daher nicht genauso überzeugend sein wie beispielsweise ein persönliches Ver-
kaufsgespräch.
 Werbung ist nur zu einer Einbahn-Kommunikation fähig und niemand, selbst wenn er das
Produkt prüft oder kauft, fühlt sich verpflichtet, auf die Werbung zu achten, auf sie einzu-
gehen oder sich zu irgendeiner Reaktion zu bekennen.
 Werbung kann sehr kostspielig werden. Nationale oder europaweite Aktionen, wie zum
Beispiel bei Produktneueinführungen mittels Zeitschriften oder Spots im Werbefernsehen,
sind für mittelständische Unternehmen im Alleingang nicht durchführbar. Bestimmte
Werbeformen wie zum Beispiel Hörfunksendungen oder Anzeigen in der Lokalpresse kön-
nen aber auch mit kleineren Budgets durchgeführt werden.
Persönlicher Verkauf In bestimmten Phasen des Kaufvorgangs, wenn es beispielsweise
darum geht, Präferenzen und Überzeugungen beim Käufer aufzubauen und Handeln auszulö-
sen, ist das beste Instrument der persönliche Besuch eines Außendienstmitarbeiters. Im Ver-
gleich zur Werbung bietet der persönliche Verkauf folgende einzigartige Vorteile:
 Beim Verkaufsgespräch sind immer mindestens zwei Parteien im direkten Miteinander
beteiligt. Jede Partei kann das Gegenüber beobachten und sofort reagieren.
 Der persönliche Verkauf beruht auf der Entstehung einer persönlichen Beziehung und bie-
tet weitergehende Entwicklungsmöglichkeiten. Die Beziehung zwischen Verkäufer und

677
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation

Käufer kann sich ganz unterschiedlich entwickeln und aufgebaut werden, von einer nüch-
ternen Partnerschaft bis hin zu tiefer persönlicher Freundschaft. Ein geeigneter Außen-
dienstmitarbeiter setzt sich so weit wie möglich für die Interessen seiner Kunden ein, um
eine auf lange Sicht angelegte vertrauensvolle Beziehung aufzubauen.
 Der Besuch eines Verkaufsmitarbeiters spricht den potenziellen Käufer ganz persönlich
an. Er muss sich länger mit dem Produkt beschäftigen, als wenn ihn nur Werbung erreicht.
Selbst einem höflichen „Nein, lieber doch nicht“ geht eine intensive Beschäftigung mit
dem Produkt voraus.
Diese Vorzüge eines persönlichen Gesprächs sind für ein Unternehmen jedoch sehr kostspie-
lig. Der persönliche Verkauf erfordert einen gut aufgestellten Außendienst, was im Vergleich
zu anderen Instrumenten der Kommunikation am kostenintensivsten ist. Ein einziger Kun-
den- oder Interessentenbesuch eines qualifizierten Mitarbeiters kann mehrere Hundert Euro
kosten. Die Kosten setzen sich aus den Personalkosten, den Reisekosten und den Kosten der
Vorbereitung und Nachbearbeitung des Besuchs zusammen. Ein Verkaufsaußendienst erfor-
dert zudem ein längerfristiges Engagement als eine kurze Werbeaktion. In Werbung kann man
in einem Moment viel investieren und im nächsten Moment gar nichts, je nach Budget.
Anders sieht es bei Außendienstmitarbeitern aus, da man es hier mit Menschen und Arbeits-
verhältnissen zu tun hat. Es erfordert einen großen Aufwand, einen qualifizierten Mitarbeiter
aufzubauen und im Außendienst zum Einsatz zu bringen. Kurz- bis mittelfristig sind dann
kaum Variationen im Engagement möglich.
Verkaufsförderung Zu den Sonderaktionen gehören zahlreiche Instrumente wie Gutschei-
naktionen, Preisausschreiben, Preisnachlässe oder Zugaben. Sie zeichnen sich im Allgemei-
nen durch die folgenden Eigenschaften aus:
 Sie erregen die Aufmerksamkeit der Kaufinteressenten und liefern Informationen, die
geeignet sind, einen Kauf auszulösen.
 Sie bieten starke Anreize zum Kauf, indem sie zusätzlichen Nutzen im Rahmen der Son-
deraktion in Aussicht stellen.
 Sie lösen spontane und schnelle Reaktionen aus. Während die Aussage der Werbung
„Kaufen Sie unser Produkt!“ lautet, ist die Aussage der Verkaufsförderung „Kaufen Sie
jetzt!“.
Unternehmen benutzen die Instrumente der Verkaufsförderung häufig, um Produktangebote
besonders zu betonen und somit sinkenden Absatzzahlen entgegenzuwirken. Die Effekte
einer solchen Sonderaktion sind häufig kurzlebig und in der Regel nicht geeignet, langfristige
Produkttreue aufzubauen. Damit das Vorgehen überhaupt funktioniert, müssen die Anbieter
den Verbrauchern echte Vorteile anbieten und bei der Aktion sorgfältig alle Einzelheiten auf-
einander abstimmen.
Öffentlichkeitsarbeit Die Öffentlichkeitsarbeit kann zu einem wichtigen Bestandteil des
Kommunikations-Mix werden. Man versteht darunter alle Aktivitäten, bei denen das Unter-
nehmen mit der Zielgruppe kommuniziert, aber nicht direkt dafür bezahlt. Eine geschickt
gestaltete Öffentlichkeitsarbeit hat die folgenden Vorteile:
 Öffentlichkeitsarbeit ist glaubhaft: Berichte von Ereignissen oder über den Einsatz von
Produkten fallen oft realistischer aus als in der Werbung, werden von der Zielgruppe als
unabhängig wahrgenommen und überzeugen deshalb eher.

678
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14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix

 Öffentlichkeitsarbeit erreicht auch eine Zielgruppe, die Werbung und Außendienstmitar-


beitern gezielt aus dem Weg geht. Die Botschaft wird als „Nachricht“ übermittelt und sieht
nicht wie eine nur auf Verkauf ausgerichtete Werbebotschaft aus.
 Ähnlich wie Werbung kann auch Öffentlichkeitsarbeit ein Produkt theatralisch überbeto-
nen.
Bei den Marketingfachleuten besteht die Tendenz, die Öffentlichkeitsarbeit nur am Rande
einzusetzen. Sie wird daher häufig lediglich als Stiefkind am Ende einer umfangreichen
Kampagnenplanung behandelt. Jedoch kann sich eine gut konzipierte PR-Kampagne, zum
Beispiel bei Einführung eines neuen Produkts, zusammen mit anderen Elementen aus dem
Kommunikations-Mix als sehr wirksam erweisen und letztlich viel Geld sparen.
Direktmarketing und digitales Marketing Die vielen Ausprägungen des Direktmarketings,
zum Beispiel der Werbebrief, das Telefonmarketing, das E-Marketing oder das mobile,
Online- und Social-Media-Marketing, sind durch die folgenden vier Merkmale gekennzeich-
net:
 Direktmarketing ist nicht öffentlich, weil die Werbebotschaft nur vom Empfänger eingese-
hen wird.
 Direktmarketing ist zeitlich unmittelbar und reaktionsschnell.
 Direktmarketing ist maßgeschneidert und lässt sich direkt auf die Zielgruppe oder die
Zielperson ausrichten.
 Direktmarketing ist interaktiv. Zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter findet ein
Dialog statt, die Kommunikation kann in jedem Moment geändert und auf den Kunden
hin angepasst werden.
Direktmarketing und digitales Marketing sind somit Instrumente, die insbesondere für hoch-
gradig zielgruppenspezifisches Marketing, zur Schaffung von Customer-Engagement und
zum Aufbau von persönlichen Kundenbeziehungen geeignet sind.
Schauen wir uns nachfolgend ein Beispiel für eine erfolgreich gestaltete integrierte Marke-
tingkommunikationskampagne einer britischen Supermarktkette an.

Marketing-Highlight: Tesco – „Jedes bisschen hilft“

Tesco ist nicht nur die Nummer eins unter den britischen Supermarktketten, sondern
auch bekannt für seine breit angelegten Marketingaktivitäten, in denen mehrere Pro-
duktlinien im Mix über verschiedene Medien beworben werden. Viele sind erstaunt,
wie es Tesco gelingt, regelmäßig seine Konkurrenten auszustechen – darunter Asda/
Walmart, Morrison und Sainsbury, ALDI und Lidl folgen dahinter. Die Antwort liegt
nahe: durch eine brillant zusammengestellte Marketing- und Kommunikationsstrategie.
Obwohl der Erfolg der Organisation auch mit dem Gesamtpaket des Marketingkonzepts
zusammenhängen kann – einschließlich einer sehr effektiven Abstimmung sämtlicher
Elemente des Marketing-Mix –, ist der Anteil der Marketingkommunikationsstrategie in
dieser Hinsicht beachtlich.

679
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14 Integrierte Marketingkommunikation

Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb die Marketingkommunikationsstrategie von


Tesco so gut funktioniert. Zum einen betreibt das Unternehmen eine integrierte Marke-
tingkommunikation, indem es die Kommunikationskanäle zum Zweck einer klaren,
beständigen, verständlichen und überzeugenden Botschaft über das Unternehmen und
seine Angebotsvielfalt sorgsam einbindet und koordiniert. Das zeigt sich besonders
deutlich in der Anwendung von Werbung, Verkaufsförderung, Direktverkauf, Öffent-
lichkeitsarbeit, Direktmarketing und anderen Marketingkommunikationsinstrumenten.
Ein wesentlicher, nicht zu unterschätzender Faktor der Marketingkommunikation ist
mittlerweile der Slogan „Every little helps“ („Jedes bisschen hilft“), der 1992 zur Bewer-
bung der Eigenmarke und des damit verbundenen einzigartigen Angebots von Tesco
eingeführt wurde. Dieser Werbeslogan wurde notwendig, als Tesco erkannte, dass Ver-
braucher mit zahlreichen Marketingbotschaften aus den verschiedensten Quellen gera-
dezu bombardiert werden und es unbedingt einer klaren Aussage bedurfte, in welcher
Weise das Unternehmen seinen Kunden bei der Lösung von Problemen helfen kann. Für
das Unternehmen ist der Slogan eine Philosophie für sämtliche Aktivitäten der letzten
25 Jahre, aber auch für das künftige Vorgehen. Wie beispielsweise auf der Webseite des
Unternehmens beschrieben, kommuniziert der Slogan, dass Kunden alles bekommen
können, was sie brauchen; er informiert sie darüber, dass die Preise wettbewerbsfähig
sind; er weist aufgrund verkürzter Wartezeiten auf einen verbesserten Kundendienst hin
und signalisiert, dass alle Mitarbeiter freundlich und zuvorkommend sind. Daher ist es
nicht überraschend, dass Tesco von der Organisation Climate Change zum besten Ein-
zelhändler Großbritanniens gekürt wurde. Natürlich ist der Slogan ein wichtiger
Bestandteil des Firmenvermächtnisses, daran hat sich in all den Jahren nichts geändert.
Die Beständigkeit, mit der die Botschaft über sämtliche von Tesco genutzten Marketing-
kommunikationskanäle verbreitet wird, ist bemerkenswert. Erwiesenermaßen wendet das
Unternehmen die traditionellen Marketingkommunikationsinstrumente sehr wirksam an
und gab für jedes einzelne seit 2005 genutzte Medium mehr Geld aus als die Branche im
Durchschnitt. Es ist ganz klar, dass sich die Gegebenheiten im Marketingumfeld verän-
dern, genau wie die Kommunikationswege der Kunden. Dies wird noch durch die Tatsa-
che hervorgehoben, dass wir im digitalen Zeitalter leben; es ist daher logisch, die relevan-
ten Instrumente im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen in die traditionellen
Medien zu integrieren, um die Marke des Unternehmens überzeugend darzustellen.
Genau das macht Tesco. Es ist in verschiedenen sozialen Medien vertreten, darunter
auch Facebook, Twitter und YouTube. Diese Präsenz wird von einem ausgesuchten
Expertenteam verwaltet, das so einen persönlichen Service für die regionale Fange-
meinde im Vereinigten Königreich bietet. Ein ganz wichtiger Schritt von Tesco in diese
Richtung war die Ernennung von Coca-Colas interaktivem Manager Jude Brooks als Lei-
ter der Social-Media-Abteilung. Trotz der steigenden Zahl der verfügbaren Kommunika-
tionsmittel konzentriert sich Tesco heute nach wie vor auf die Kernbotschaft „Jedes biss-
chen hilft“. Das Unternehmen stellt grundlegend sicher, dass die Massenmedien-
Werbung auf wirksame Weise genau die Botschaft transportiert, die in den Werbeimpul-
sen des stationären Handels enthalten ist, die mit den Inhalten auf der Webseite über-
einstimmt und auch die Aussagen untermauert, die von dem Unternehmen über ver-
schiedene soziale Netzwerke kommuniziert werden. Einfach ausgedrückt werden die
Marketinginformationen über Tesco und sein Angebot auf YouTube, Facebook, Twitter
und in anderen sozialen Medien auf stimmige Weise in andere traditionelle Medien ein-
gefügt, welche die gleiche Botschaft vermitteln.

680
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix

Wie bei einem effektiven Marketingkommunikationsprozess nicht anders zu erwarten,


beginnt Tesco häufig mit der Identifizierung seiner Zielkunden. Dies hilft dem Unter-
nehmen bei der Entscheidung über die Inhalte der Werbebotschaft und darüber, wie und
wann sie transportiert werden sollen, wer sie transportiert und an wen. Auch die Kom-
munikationsziele werden frühzeitig in dem Prozess festgelegt, um ein erfolgreiches
Ergebnis zu erzielen. Obwohl es das Gegenargument gibt, dass das Kernziel einer Mar-
ketingkommunikationskampagne darin liegt, die Kunden zum Kauf der eigenen Pro-
dukte zu animieren, geht das Verständnis von Tesco über diese Sichtweise hinaus. Vor
allem betont das Unternehmen, dass die Kunden die verschiedenen Stadien zunehmen-
der Kaufbereitschaft durchlaufen – Bewusstsein, Kenntnisse, Sympathie, Präferenz,
Überzeugung, Kaufentschluss. Dementsprechend stellt es Ziele für die Marketingkom-
munikation auf, die diesem Modell je nach Erfordernis der Umstände folgen. Es legt die
Botschaft so fest, dass eine Konsistenz zwischen allen eingesetzten Marketingkommuni-
kationsinstrumenten gewährleistet ist, wählt den Bezug für die Botschaft aus, sammelt
Rückmeldungen und bestimmt das Marketingkommunikationsbudget im Verhältnis
zum angemessenen Mix der eingesetzten Instrumente.
Als Maßnahme zur Verstärkung der integrierten Marketingkommunikation startete
Tesco beispielsweise eine Werbekampagne, um die verbesserte Qualität der Eigenmar-
ken-Serie „Everyday“ zu kommunizieren, die Tescos Sortiment preisgünstiger Artikel
ersetzt. Das neue Sortiment bietet Angaben zufolge gesündere Produkte und zeichnet
sich durch modernere Verpackungen aus. Die zu diesem Zweck entwickelte Printwer-
bung zeigt Abbildungen der Produkte mit Schwerpunkt auf den Themen Frühstück und
Abendessen. Laut Marketingdirektor hat man sich für diese Strategie entschieden, da
das Feedback der Kunden den Wunsch nach schmackhaften, gesunden und optisch
ansprechenden Produkten nahelegte – und das alles zu günstigen Preisen. Was hierbei
jedoch außerordentlich wichtig und bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass die Marke-
tingkommunikation für dieses neue Sortiment noch immer mit dem Slogan aufwartet:
„Jedes bisschen hilft“.
Natürlich stehen Unternehmen angesichts zunehmender Herausforderungen im wirt-
schaftlichen Umfeld vor der Aufgabe, ihre Marketingstrategien daraufhin zu überprü-
fen, ob sie für komplexe Gegebenheiten geeignet sind. Vor diesem Hintergrund hat auch
Tesco damit begonnen, einen kritischen Blick auf die eigenen Marketingaktivitäten zu
werfen; dabei bildet die Marketingkommunikation einen wesentlichen Schwerpunkt.
Der Werbeetat wurde aufgestockt und eine neue Werbeagentur engagiert. Angaben
zufolge wird dabei auch die Markenkommunikation überprüft, einschließlich des Slo-
gans „Jedes bisschen hilft“. Die Reaktionen der meisten Kommentatoren hinsichtlich
der Auswirkungen des Slogans auf die integrierte Marketingkommunikation waren
jedoch positiv. Tatsächlich hieß es, dass die neue Agentur bei aller Demonstration ihrer
Kreativität zur Schaffung klarer und überzeugender Botschaften den Slogan „Jedes biss-
chen hilft“ beibehalten will, der seit mittlerweile 20 Jahren Bestand hat. Allgemein
kann man festhalten, dass die Wahl dieses Slogans ein kleiner Schritt war, der sich für
Tesco immens rentiert hat und zum Inbegriff des Konzepts der integrierten Marketing-
kommunikation geworden ist.
Unternehmenswebsite von Tesco unter: https://www.tesco.com/ [29.03.2018]

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14 Integrierte Marketingkommunikation

Strategien im Rahmen des Kommunikations-Mix


Marketer können zwischen zwei grundsätzlichen Strategien der Kommunikation auswählen:
der Push- und der Pull-Strategie. Abbildung 14.8 illustriert den Unterschied zwischen bei-
den Vorgehensweisen.

Push-Strategie: »In den Markt drücken«

Groß- und
Hersteller Einzelhandel Käufer
Marketingaktivitäten Marketingaktivitäten
des Herstellers: des Handels: Werbung,
Außendienst, Messen usw. Verkaufsgespräch,
Sonderaktionen usw.

Pull-Strategy: »Die Käufer müssen unser Produkt verlangen«

Nachfrage Groß- und Nachfrage


Hersteller Einzelhandel Käufer

Hersteller adressiert seine Marketingaktivitäten überwiegend


an die Käufer (Endverbraucher), in der Folge verlangen
die Käufer dieses Produkt im Handel und kein anderes.
Abbildung 14.8: Push- und Pull-Strategie im Vergleich

Bei einer Push-Strategie wird das Produkt durch die Vertriebskanäle hin zum Endverbrau-
cher gewissermaßen „geschoben“. Der Hersteller richtet seine Marketingaktivitäten (haupt-
sächlich der persönliche Verkauf und Verkaufsförderungsaktionen) an andere Mitglieder des
Absatzkanals (zum Beispiel den Handel), um sie dazu zu bringen, das Produkt zu listen und
es an den Endverbraucher zu bringen. Bei der Pull-Strategie richtet der Anbieter den über-
wiegenden Teil seiner Marketingaktivitäten auf die Käufer oder Endverbraucher (hauptsäch-
lich Werbung und Verkaufsförderungsaktionen), um diese zu veranlassen, sein Produkt zu
kaufen.
Wenn die Pull-Strategie funktioniert, fragen die Kaufinteressenten das angebotene Produkt
bei Mitgliedern des Absatzkanals nach, die ihren Bedarf wiederum beim Hersteller deutlich
machen. Auf diese Weise wird das Produkt durch den Absatzkanal „gezogen“.
Einige kleinere Hersteller hoch spezialisierter Industriegüter beschränken sich auf Push-Stra-
tegien. Die großen Markenhersteller benutzen in der Regel beide Strategien. Sie betreiben
aufmerksamkeitsstarke Werbung in den Medien, damit ihre Produkte im Handel nachgefragt
werden (Pull-Strategie). Parallel dazu betreut der Verkaufsaußendienst die Handelspartner
(Push-Strategie). Zusätzlich initiieren Unternehmen oft Sonderaktionen, beispielsweise Son-
derrabatte usw., sodass für die Vertriebskanäle noch mehr Anlass besteht, den Verkauf ihrer
Produkte zu forcieren.
In den letzten Jahren ließ sich beobachten, dass insbesondere bei Konsumgüteranbietern eine
Verschiebung des Schwerpunkts von den Pull-Strategien hin zu Strategien mit Push-Kompo-
nenten stattgefunden hat. Kampagnen in Massenmedien sind teuer. Viele Unternehmen stel-
len zudem fest, dass Werbung über Massenmedien an Effektivität verliert. Als Folge davon
werden die Anstrengungen zur Segmentierung der Märkte erhöht und Marketingprogramme
konzipiert, die spezifischer auf die Zielgruppen zugeschnitten sind. Schließlich erschweren
die vielen Markenausdehnungen und „Me too“-Produkte eine Differenzierung durch die

682
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix

Werbung. Stattdessen wird eine Differenzierung häufig über Preisreduktionen, Zugaben und
andere Verkaufshilfen für den Handel angestrebt.
Maßgebend für diese Entwicklung von Pull- zu Push-Strategien ist die wachsende Macht des
Handels. Große Handelsketten in Europa oder Nordamerika haben es zunehmend leichter,
Informationen über Absatz und erzielte Gewinne zu erhalten, und bekommen daher weitge-
hend alles von den Herstellern, was sie verlangen. Und das sind vor allem höhere Spannen –
was mehr „Push“ bedeutet. Endverbraucherwerbung geht am Handel vorbei, während ihm
die Push-Maßnahmen direkt zugutekommen. Verbraucher-Promotions erhöhen kurzfristig
den Umsatz des Handels und bares Geld aus den Handelskonditionen erhöht seinen Gewinn.
Damit sind Hersteller gezwungen, sich auf Push-Strategien einzulassen, um sich einen guten
Platz im Verkaufsregal zu sichern.
Ein unerbittlicher Wettbewerb über Preise und Konditionen für den Handel führt allerdings
zu einer Spirale, an deren Ende nur wenig Geld für Produktentwicklung, Verpackung und
Werbung übrig bleibt. Gerade dies ist aber nötig, um langfristig die Kundenpräferenz für das
eigene Produkt sowie die Treue der Verbraucher sicherzustellen. Einem Produkt das Werbe-
budget zugunsten von Sonderaktionen im Handel zu streichen, kann langfristig bedeuten,
die Zukunft der Marke zugunsten kurzfristiger Vorteile zu gefährden. Push-Strategien wer-
den zwar zukünftig ihre Bedeutung beibehalten, es werden jedoch diejenigen Unternehmen
langfristig den Kampf um zufriedene und treue Verbraucher gewinnen, die es verstehen,
beide Strategien geschickt zu kombinieren, das heißt, einerseits in konsistente Werbung zu
investieren, um langfristig einen Markenwert und eine entsprechende Verbraucherpräferenz
zu schaffen, und andererseits gemeinsame Sonderaktionen mit dem Handel zu initiieren, um
dessen Engagement, aber auch eine erhöhte Aktivierung der Verbraucher zu erreichen.

Einflussgrößen bei der Festlegung des Kommunikations-Mix


Unternehmen müssen verschiedene Einflussgrößen berücksichtigen, wenn sie ihren Kommu-
nikations-Mix festlegen wollen. Dazu gehören die Art des Produkts und der dafür bestehende
Markttyp, die Kaufbereitschaft der Kaufinteressenten und die Position des Produkts in sei-
nem Produktlebenszyklus.

Verkaufsgespräch
Werbung
(überwiegend Außendienst)

Verkaufsförderung Verkaufsförderung
Marketing für Marketing für
Konsumgüter Industriegüter
Verkaufsgespräch (Business-to- Werbung
Business-
Marketing)
Öffentlich- Öffentlich-
keitsarbeit keitsarbeit

Relative Wichtigkeit Relative Wichtigkeit


Abbildung 14.9: Die Gewichtung der Kommunikationsinstrumente beim Marketing für Konsumgüter und beim Business-zu-
Business-Marketing

683
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14 Integrierte Marketingkommunikation

Der Markt Die Wichtigkeit der einzelnen Instrumente im Kommunikations-Mix entscheidet


sich in Abhängigkeit davon, ob die Güter auf dem Markt zum Konsum beim Endverbraucher
bestimmt sind oder ob sie als Industriegüter eingesetzt werden.
Unternehmen, die an Endverbraucher kommunizieren („B2C – Business to Consumer“), ver-
wenden üblicherweise häufiger die Pull-Strategie und setzen ihr Budget überwiegend für
Werbung ein, gefolgt von Verkaufsförderung, dem persönlichen Verkauf und Öffentlichkeits-
arbeit. Werbung ist auf Konsumgütermärkten im Verhältnis ein eher wichtiges Instrument, da
eine große Anzahl an Käufern angesprochen werden muss, die eher von Routine gesteuert
einkaufen und bei denen Emotionen eine hohe Rolle in der Kaufentscheidung spielen.
Anders beim Absatz von Industriegütern („B2B – Business to Business“). Hier wird die Push-
Strategie eingesetzt, indem man einen großen Teil des Budgets für den persönlichen Verkauf
verwendet, gefolgt von Verkaufsförderung, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Allgemein
lässt sich sagen, dass der persönliche Verkauf typisch ist für teure und risikobehaftete Pro-
dukte und für Märkte mit wenigen, aber zugleich großen Kunden.
Obwohl es so aussieht, als ob Werbung auf den Märkten für Industriegüter nicht so bedeu-
tend wäre, spielt sie auch dort eine wichtige Rolle. Werbung ist dazu geeignet, Produkte
bekannt zu machen und Produktwissen zu entwickeln, den Absatz zu erhöhen und die Käu-
fer in ihrer Wahl zu bestätigen. Andererseits kann bei Konsumgütern auch viel durch den
Verkaufsaußendienst erreicht werden. Es trifft einfach nicht zu, dass der Außendienst ledig-
lich Produkte in Regale räumt und die Werbung diese verkauft. Ein guter Außendienst für
Konsumgüter kann Händler davon überzeugen, das Produkt zu listen, ihm mehr und einen
besseren Verkaufsregalplatz zu geben oder spezielle Displays aufzustellen und Werbeaktio-
nen durchzuführen.
Die Kaufbereitschaft der Interessenten Die Wirkung der Instrumente der Kommunikation
hängt stark von der Phase der Kaufbereitschaft ab, in der sich der potenzielle Käufer gerade
befindet. Werbung, ergänzt durch die Öffentlichkeitsarbeit, ist im ersten Schritt das wich-
tigste Instrument, um Aufmerksamkeit und Wissen zu vermitteln, viel wichtiger als bei-
spielsweise unangekündigte Telefonanrufe oder Besuche von Außendienstmitarbeitern. Posi-
tive Gefühle gegenüber dem Angebot, der Präferenz und der Überzeugung hingegen können
leichter durch den persönlichen Verkauf beeinflusst werden, dicht gefolgt von der Wirkung
der Werbung. Der Abschluss des Kaufs schließlich wird hauptsächlich durch persönliche
Anrufe oder Besuche und durch Verhandlung der individuellen Verkaufskonditionen
erreicht. Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sind somit die Instrumente der Wahl während
der frühen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses, während sich der persönliche Verkauf,
auch vor dem Hintergrund der hohen Kosten, besser für die späteren Stadien im Kaufent-
scheidungsprozess eignet, wenn es darum geht, einen bereits informierten und interessierten
Kunden abschließend zu beraten und möglichst zum Kaufabschluss zu bringen.
Die Phase im Produktlebenszyklus Die Wirkung der verschiedenen Instrumente des Kommu-
nikations-Mix wird auch von der Phase des Produktlebenszyklus beeinflusst, in der sich das
Produkt gerade befindet. Werbung und Öffentlichkeitsarbeit haben eine breite Streuung und
sind daher bestens geeignet, in der Einführungsphase die Bekanntheit des Produkts in weiten
Kreisen vorzubereiten. Produktpräsentationen oder Proben bewirken, dass das Produkt auch
getestet und von potenziellen Käufern in der Anwendung ausprobiert wird, und ein moti-
vierter Außendienst macht das neue Produkt im Handel bekannt. Je nach Komplexität des
Produkts können auch Schulungen für die Handelspartner vorgenommen oder Handelskata-
loge erstellt werden. Die Einführung einer grundlegend neuen Modellreihe bei Automobilen

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14.6 Bestimmung von Budget und Kommunikations-Mix

beispielsweise ist mit umfangreichen Schulungen für die Handelspartner und das Verkaufs-
personal verbunden.
In der Wachstumsphase werden Werbung und Öffentlichkeitsarbeit weiterhin auf hohem
Niveau beibehalten. Aktionen der Verkaufsförderung dagegen können zurückgenommen wer-
den, weil nicht mehr so viele Anreize nötig sind. In der Reifephase nimmt die Bedeutung der
Verkaufsförderung in Relation zur Werbung wieder zu. Den Kaufinteressenten sind Marke
und Produkt bekannt, Werbung ist gewissermaßen nur zur Erinnerung nötig. In der Phase des
Auslaufens wird die Werbung lediglich zur Erinnerung eingesetzt, Öffentlichkeitsarbeit wird
vernachlässigt und der Außendienst schenkt dem Produkt keine große Aufmerksamkeit
mehr. Verkaufsförderungsaktionen hingegen werden gelegentlich massiv eingesetzt, um bei-
spielsweise den Abverkauf von noch vorhandenen Lagerbeständen zu beschleunigen.

14.6.3 Integration des Kommunikations-Mix


Nachdem die Grundsatzentscheidungen bezüglich des Kommunikationsbudgets und Kom-
munikations-Mix getroffen wurden, muss jetzt geprüft werden, ob alle Elemente des Kommu-
nikations-Mix auch ausreichend Beachtung finden. Dabei sind insbesondere die folgenden
als Checkliste aufgeführten Punkte zu berücksichtigen:
 Analysieren Sie die internen und externen Trends, welche die wirtschaftlichen Fähigkei-
ten Ihres Unternehmens beeinträchtigen können. Ermitteln Sie die Bereiche, in denen mit
Kommunikation am meisten erreicht werden kann. Legen Sie die Stärken und Schwächen
der einzelnen Kommunikationsinstrumente fest. Entwickeln Sie eine Kombination aus
Instrumenten, die auf diesen Stärken und Schwächen beruht.
 Fassen Sie alle Ausgaben, die im gesamten Unternehmen für Kommunikation getätigt wer-
den, in einem einzigen Budgetierungsprozess zusammen. Bewerten Sie die Kommunikati-
onsausgaben pro Produkt und pro Werbemaßnahme sowie anhand der Phase im Produkt-
lebenszyklus und dem beobachteten Effekt neu.
 Identifizieren Sie alle Kontaktpunkte (touchpoints) des Kunden mit dem Unternehmen
und seinen Marken. Stellen Sie sicher, dass die Kommunikation des Unternehmens nach
außen von allen Abteilungen auf gleiche Art und Weise durchgeführt wird und mit der
übergeordneten Kommunikationsstrategie übereinstimmt. Gewährleisten Sie, dass die
Kunden mit Ihnen in Kontakt treten können, wann, wo und wie sie es wünschen.
 Beziehen Sie alle kommunikationsnahen Funktionsbereiche im Unternehmen in eine
gemeinsame Planung ein und integrieren Sie Kunden, Zulieferer und andere Interessen-
gruppen in jeder Phase der Kommunikationsplanung.
 Erstellen Sie Vorgaben zu Themen, Tonalität und Qualität der Kommunikation. Stellen Sie
sicher, dass jedes Element der Kommunikation das einzigartige Versprechen und die Ver-
kaufsargumente, die Sie überbringen wollen, trägt. Konsistenz in der Kommunikation stei-
gert die Aufmerksamkeit bei der Zielgruppe und erspart unnötige doppelte Arbeit inner-
halb des Unternehmens.
 Legen Sie Erfolgskriterien fest, die für alle Elemente der Kommunikation gültig sind. Ent-
wickeln Sie Systeme, die die Gesamtwirkung der Kommunikationsaktivitäten des Unter-
nehmens erfassen.
 Ernennen Sie einen Verantwortlichen, der alle Aktivitäten der Marketingkommunikation
koordiniert. Durch die zentrale Planung und Festlegung gemeinsamer Leistungskennzah-
len kann die Effizienz der Kommunikation des Unternehmens gesteigert werden.

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14 Integrierte Marketingkommunikation

14.7 Marketingkommunikation und gesellschaftliche


Verantwortung
Bei der Zusammenstellung des Marketing- und Kommunikations-Mix muss ein Unterneh-
men ein großes Spektrum gesetzlicher und ethischer Maßstäbe, die sich auf die Marketing-
kommunikation und ihr Umfeld beziehen, berücksichtigen. Die meisten Unternehmen sind
fair und arbeiten hart an einer offenen und ehrlichen Kommunikation mit Kunden, Händlern
und Lieferanten. Um Missbrauch zu verhindern, hat die Politik jedoch auch Vorschriften ent-
wickelt, die unter dem Generalthema „Verbraucherschutz“ die Werbung, den Verkauf im
Außendienst, den Wettbewerb der Unternehmen untereinander, das Direktmarketing und
viele weitere Aktivitäten der Marketingkommunikation regeln. In diesem Abschnitt widmen
wir uns den Instrumenten Werbung, Verkaufsförderung und persönlicher Verkauf. Das digi-
tale und das Direktmarketing werden eingehend im Kapitel 17 behandelt.
In einem Umfeld, das von immer mehr Gesetzen geregelt und überprüft wird, müssen Marke-
ting-verantwortliche über die relevanten Regelungen informiert sein. Dabei gewinnt im euro-
päischen Markt die Gesetzgebung der EU immer mehr an Bedeutung und wird zukünftig
noch mehr Einfluss auf die praktische Umsetzung von Kommunikation haben. Hinzu kom-
men diverse regionale und nationale Gesetze, die beachtet werden müssen, und nicht wenige
davon sind sogar unabhängig vom Staat. Großbritannien beispielsweise besitzt ein selbstre-
gulierendes Organ, die Advertising Standards Authority, das keine Verbindung zur Regierung
hat, sondern von der werbenden Industrie ins Leben gerufen wurde, um die Werbung gewis-
sen Regularien zu unterwerfen. Eine ähnliche Funktion hat der vom Zentralverband der
deutschen Werbewirtschaft gegründete Deutsche Werberat.

14.7.1 Werbung und Verkaufsförderung


Falsche oder irreführende Werbung ist gesetzlich verboten. In der Werbung dürfen keine fal-
schen Behauptungen aufgestellt werden, wie zum Beispiel dass ein Medikament eine
bestimmte Krankheit heilen würde, wenn das nicht unbedingt der Fall ist. Werbung, die täu-
schen könnte, ist ebenfalls verboten, selbst dann, wenn nur die Gefahr einer Täuschung
besteht.
Ein Autohersteller darf beispielsweise nicht behaupten, sein Auto würde nur drei Liter auf
100 Kilometern verbrauchen, auch wenn das mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40
Kilometer pro Stunde zu erreichen wäre. Den Verbrauch als Werbeargument darf er nur
benutzen, wenn dieser in einem bestimmten standardisierten Mix von gemischten Fahrsitua-
tionen (Stadt, Landstraße, Autobahn) ermittelt wurde und damit mit den Daten aller Mitbe-
werber vergleichbar wird. Niemand darf werben „Nur 1 Prozent Zins“, wenn er damit den
Zins pro Monat meint. Hier ist der Jahreszins Maßstab. Kalorienangaben bei Nahrungsmitteln
müssen ebenfalls auf eine Norm (beispielsweise pro 100 Gramm) bezogen sein. Eine Brots-
orte zum Beispiel ist noch nicht allein deshalb „kalorienarm“, weil ihre Packungen im Ver-
gleich zur Konkurrenz dünner geschnittene Scheiben enthalten.
Es wird als unlauterer Wettbewerb angesehen und ist somit verboten, Interessenten mit
besonders günstigen Angeboten oder unter falschen Voraussetzungen ins Geschäft zu locken,
um sie dann auf ein teureres Angebot umzustimmen. So hatte ein großer Haushaltsgeräte-
händler Werbung für Geschirrspülmaschinen zum Preis von 250 Euro gemacht. Als Interes-
senten diese Maschinen kaufen wollten, redeten die Verkäufer nur über Nachteile und
schlechte Qualität, benutzten defekte Maschinen zur Vorführung und taten alles, um den

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14.7 Marketingkommunikation und gesellschaftliche Verantwortung

Kaufinteressenten eine teurere Maschine zu verkaufen. Derartige Aktionen sind ebenso


unmoralisch wie illegal.
Wer Werbung auf internationalen Märkten macht, sollte unbedingt die Vorschriften in den
jeweiligen lokalen Märkten beachten. In den USA beispielsweise ist es der Pharmaindustrie
gestattet, Endverbraucherwerbung für verschreibungspflichtige Medikamente zu machen. So
wurden die Umsätze von Cholesterin senkenden Medikamenten wie „Crestor“ (AstraZeneca)
mit Werbung bei den Endverbrauchern angeschoben. In den meisten Ländern Europas wäre
ein derartiges Vorgehen undenkbar und absolut illegal. Werbung für verschreibungspflichtige
Medikamente ist hier bisher nur in der medizinischen Fachpresse erlaubt.
Auch die Verkaufsförderungsaktivitäten der Unternehmen unterliegen vielfältigen Beschrän-
kungen. In einigen Ländern dürfen Anbieter bestimmte Händler oder Kundengruppen nicht
bevorzugen. Ihr Angebot, Rabatte sowie Zusatzdienstleistungen dürfen allen Nachfragern nur
zu identischen Konditionen gewährt werden.
Über das Vermeiden unmoralischer oder illegaler Praktiken hinaus können Unternehmen
jedoch durch ihre Kommunikation auch ein positives Unternehmensbild in der Öffentlich-
keit aufbauen. Ein Beispiel ist die Unterstützung ökologischer oder sozialer Projekte. Mit
dem Projekt „Last Mile“ („Letzte Meile“) hilft Coca- Cola, die Verfügbarkeit lebensrettender
Medikamente in Afrika zu verbessern. Dabei kooperiert Coca-Cola mit nichtstaatlichen Orga-
nisationen und den Regierungen vor Ort bei der Gewährleistung medizinischer Versorgung
auch in den entlegensten Regionen – bis zur kostenintensiven „letzten Meile“. Coca-Cola
unterstützt dabei in erster Linie die Regierungsmitarbeiter vor Ort mit Know-how in den
Bereichen Logistik, Lieferkette, Vertrieb und Marketing und leistet so Hilfe zur Selbsthilfe.

14.7.2 Der persönliche Verkauf


Auch im persönlichen Umgang mit dem Kunden durch Verkaufs- oder Außendienstmitarbei-
ter sollten die Regeln des „Fairplay“ gelten, wie hoffentlich auch im ganzen Unternehmen.
Einige Länder haben sogar geregelt, was im Rahmen eines Verkaufsgesprächs gesagt oder
behauptet werden darf. Wie die Werbung selbst dürfen die Darstellungen der Mitarbeiter, die
im Verkauf tätig sind, nicht irreführend, falsch oder übertrieben sein.
Im Business-to-Business-Marketing sollten Mitarbeiter, die im Verkauf tätig sind, keine
Schmiergelder an die Einkäufer anderer Unternehmen oder staatlicher Institutionen bezah-
len. Sie sollten nicht durch Geldzahlungen oder Industriespionage an technologische oder
geschäftliche Geheimnisse von Wettbewerbern kommen. Ebenso sollte es selbstverständlich
sein, dass Konkurrenten oder konkurrierende Produkte nicht durch falsche Behauptungen
und Lügen herabgewürdigt werden.
Es ist zu beachten, dass sich die Gesetzgebung für Verkaufs- und Marketingpraktiken von
Land zu Land erheblich unterscheiden kann. Jeder, der im internationalen Marketing tätig
ist, sollte die das Produkt betreffenden Bestimmungen in den jeweiligen Ländern kennen
und strikt beachten. Die immer wieder aufflammende Diskussion zur Tätigkeit internationa-
ler Unternehmen zeigt, dass es sich bei jeglicher Kommunikation um einen ganz besonders
sensiblen Bereich handelt, bei dem auch die öffentliche Meinung schnell gegen ein ausländi-
sches Unternehmen umschlagen kann. Über das Kennen, Verstehen und Beachten der regio-
nalen Gesetze hinaus sollten Unternehmen immer sicherstellen, dass sie ausschließlich offen
und ehrlich an Händler, andere Unternehmen und den Endverbraucher kommunizieren.

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14 Integrierte Marketingkommunikation

ZUSAMMENFASSUNG

Marketing verlangt mehr, als nur ein gutes Produkt zu einem attraktiven Preis zu entwi-
ckeln und es dann für die Zielgruppe verfügbar zu machen. Unternehmen müssen mit
ihren vorhandenen und mit potenziellen Kunden kommunizieren, und was sie kommu-
nizieren, darf nicht dem Zufall überlassen bleiben. Für die meisten Unternehmen lautet
die Frage nicht, ob kommuniziert werden soll, sondern wie viel die Kommunikation
kosten darf und welche Instrumente genutzt werden sollen.
In diesem Kapitel definierten wir den Kommunikations-Mix als eine geplante Mischung
aus
 Werbung,
 persönlichem Verkauf,
 Verkaufsförderung,
 Öffentlichkeitsarbeit und
 digitalem Marketing und Direktmarketing.
Diesen Mix setzen Unternehmen ein, um ihre Werbe- und Marketingziele effizient zu
erreichen.
Werbung Zur Werbung gehören alle von einem Auftraggeber bezahlten (nicht persönli-
chen) Präsentationen und Darstellungen von Ideen, Produkten oder Dienstleistungen.
Persönlicher Verkauf Hierunter verstehen wir die mündlich vorgetragene Präsentation
gegenüber einem oder mehreren Kaufinteressenten oder das persönliche Verkaufsge-
spräch, mit dem Zweck, das vorgestellte Produkt oder die präsentierte Dienstleistung zu
verkaufen und eine persönliche Kundenbeziehung aufzubauen.
Verkaufsförderung Verkaufsförderungsmaßnahmen sind kurzfristige Anreize, um dem
Absatz von Produkten oder Dienstleistungen starke Impulse zu geben.
Öffentlichkeitsarbeit Öffentlichkeitsarbeit konzentriert sich darauf, gute Beziehungen
zu den Gruppen, die Interesse am Unternehmen haben, aufzubauen.
Digitales Marketing und Direktmarketing Digitales Marketing und Direktmarketing
beschreiben direkte Beziehungen des Unternehmens zu sorgfältig ausgewählten Kun-
den, um eine unmittelbare Reaktion (response) hervorzurufen und lang anhaltende Kun-
denbeziehungen aufzubauen.
Wir haben die folgenden neun Elemente und die Vorgänge des Kommunikationsprozes-
ses beschrieben:
1. Sender
2. Empfänger
3. Verschlüsselung der Botschaft
4. Entschlüsselung der Botschaft
5. Botschaft
6. Medien

688
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Zusammenfassung

7. Wirkung und Reaktion


8. Feedback
9. Störfaktoren
Dieses Kapitel zeigte auch grundlegende Änderungen im Umfeld der Marketingkommuni-
kation auf. Die Verschiebung der Marketingstrategien vom Massenmarketing zum zielge-
richteten Eins-zu-Eins-Marketing, gekoppelt mit den Vorteilen der Informationstechnik,
hatte gravierende Auswirkungen auf die Marketingkommunikation. Obwohl auch heute
noch sehr wichtig, mussten die Massenmedien zum Teil einer Durchdringung mit weni-
gen, aber zielgerichteteren Medien weichen – darunter mobiles und Onlinemarketing
sowie Social-Media-Marketing. Da werbende Unternehmen einen immer ausgefeilteren,
aber auch zunehmend zersplitterten Medien- und Kommunikations-Mix einsetzen,
besteht die Gefahr, dass beim Endverbraucher ein Durcheinander an unterschiedlichen
Kommunikationsbotschaften ankommt, deren Wirkung nicht gewünscht und zielführend
sein kann. Das Konzept der integrierten Marketingkommunikation besagt, dass die Kom-
munikation des Unternehmens aus allen internen Quellen ausgewogen und sorgfältig
integriert und koordiniert werden muss, bevor Kommunikation nach außen stattfindet.
Um die externe Kommunikation effektiv integrieren zu können, muss das Unternehmen
zunächst die internen Kommunikationsaktivitäten zusammenführen. Der Anbieter legt
fest, welche Werbemaßnahmen in welchem Ausmaß eine Rolle spielen, koordiniert
diese und bestimmt die Zeiträume, in denen die wesentlichen Kampagnen laufen sol-
len. Um dieses Konzept der integrierten Marketingkommunikation wirkungsvoll im
Unternehmen zu implementieren, ist es hilfreich, einen Projektleiter für Marketingkom-
munikation auf Vorstandsebene zu benennen, der die gesamte Kommunikation des
Unternehmens koordiniert.
Die erste Aufgabe des Marketingverantwortlichen ist die Identifizierung der Zielgruppe
und ihrer Charakteristika. Dann gilt es, das Ziel der Kommunikation festzulegen. Ziele
können sich auf die folgenden Kriterien beziehen:
 Bekanntheit des Produkts
 Detailkenntnisse über das Produkt
 Positive Einstellung der Zielgruppe zum Produkt
 Präferenz für das Produkt
 Überzeugung vom Produkt
 Kauf des Produkts
Dann muss eine Botschaft mit einem prägnanten Inhalt und einer entsprechenden
Struktur entworfen werden. Die Media-Instrumente des persönlichen und nichtpersön-
lichen Verkaufs werden ausgewählt und das Feedback des Markts wird eingeholt.
Anschließend wurden die unterschiedlichen Methoden zur Budgetbestimmung diskutiert.
Weit verbreitet sind Ansätze, bei denen das Unternehmen so viel ausgibt, wie es sich leisten
kann, oder bei denen mit bestimmten Prozentsätzen vom Umsatz gerechnet wird. Manche
Unternehmen orientieren sich am Budget ihrer Konkurrenten. Optimal kann jedoch nur
eine Festlegung des Aufwands sein, der sich sachlich an den Aufgaben und Zielen der Kom-
munikation orientiert und versucht, diese Bedürfnisse kostengünstig zu erfüllen.

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14 Integrierte Marketingkommunikation

Das Budget für die Kommunikation muss dann zwischen den einzelnen Instrumenten
aufgeteilt werden, was in einem konkreten Kommunikations-Mix resultiert. Die Einzel-
entscheidungen fallen aufgrund des vorliegenden Markttyps, des beabsichtigten Einsat-
zes einer Push- oder Pull-Strategie, der Kaufbereitschaft der Interessenten oder aufgrund
der Position des angebotenen Gutes im Produktlebenszyklus.
Schließlich sollten sich Marketer der vielen rechtlichen und ethischen Probleme der
Marketingkommunikation bewusst sein. Unternehmen müssen stets bemüht sein, offen
und ehrlich mit ihren Kunden und Geschäftspartnern umzugehen.

Literatur und Quellen


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691
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Werbung und Public Relations
(PR)/Öffentlichkeitsarbeit
15.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 15
15.2 Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696
15.3 Grundsatzentscheidungen bei
Werbemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697

ÜBERBLICK
15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema
Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721
15.5 Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . 732
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... die Rolle der Werbung und der Public Relations im Rahmen des Kommunikations-
mix definieren.
 ... die wichtigsten Entscheidungen bei der Entwicklung einer Werbekampagne erläutern.
 ... beschreiben, wie Public Relations im Kommunikationsmix die Werbung ergänzen
und unterstützen kann.
 ... erklären, wie ein Unternehmen Public Relations einsetzen kann, um mit seinen
Zielgruppen in Verbindung zu treten und diese zu beeinflussen.

15.1 Einführung
Nach unserer Analyse, wie eine integrierte Marketingkommunikation geplant werden sollte,
werfen wir nun einen genauen Blick auf die konkreten Instrumente in der Marketingkommu-
nikation. In diesem Kapitel untersuchen wir Werbung und Public Relations (PR) bzw. Öffent-
lichkeitsarbeit. Werbung beinhaltet die Kommunikation des Leistungsversprechens eines
Unternehmens oder einer Marke durch die Nutzung kostenpflichtiger Medien (Paid Media),
über die Verbraucher informiert, überzeugt und erinnert werden. PR beinhaltet den Aufbau
guter Beziehungen zu wichtigen Gruppen außerhalb des Unternehmens – von Kunden und
der Öffentlichkeit bis hin zu den Medien, Investoren, Geldgebern und Regierungen. Wie bei
allen Instrumenten im Kommunikationsmix müssen auch Werbung und PR in das gesamte
Kommunikationsprogramm eingefügt werden. In den Kapiteln 16 und 17 erörtern wir die
weiteren Instrumente im Kommunikationsmix: persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung
sowie das digitale Marketing und das Direktmarketing.
Wir starten mit einem Fallbeispiel, das zeigt, wie Coca-Cola in der Vergangenheit mit seinen
Kampagnen immer wieder große Aufmerksamkeit bei Verbrauchern erzielen konnte und wie
es dem Unternehmen gelungen ist, Öffentlichkeitsarbeit mit den sozialen Medien erfolgreich
zu verknüpfen.

Einführende Fallstudie: Public Relations und Kundenbindung bei Coca-


Cola: von der Ad Impression zur Social Media Expression zum Kauf

Mit seiner Öffentlichkeitsarbeit will Coca-Cola sehr viel mehr erreichen, als nur passive
„Eindrücke“ zu schaffen. Das Unternehmen will Kundenbindung erzeugen und seine
Kunden anregen, sich „auszudrücken“. Laut Joe Tripodi, Marketingchef bei Coca-Cola,
liegt das PR-Ziel darin, „eine Information zu kommunizieren, die auf sehr breiter Front
geteilt wird und im Internet eine Vielzahl von Ad Impressions erzeugt – und dann, ganz
entscheidend, zu Kommentaren von Verbrauchern führt, die sich einbringen und die
Geschichte groß machen. Schließlich wird das Produkt dann gekauft.“ Dies kann als das
„Impression-Expression-Kauf“-Prinzip bezeichnet werden. Das bedeutet, Coca-Cola
nutzt die Öffentlichkeitsarbeit zur Kundenbindung und tritt in einen Dialog mit seinen
Kunden ein, sodass diese selbst dazu angeregt werden, die Markenbotschaft „Mach dir
Freude auf“ weiterzutragen.

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15.1 Einführung

Nehmen wir nur Coca-Colas „Hug Me“-Kampagne, in der das Unternehmen über Nacht
einen „Freude-Automaten“ in einer Universität in Singapur aufgestellt hat. Der Automat
war leuchtend rot und trug die unverwechselbare weiße Wellenlinie, hatte jedoch
weder ein Coca-Cola-Logo, noch einen Geldschlitz, noch Knöpfe für die Auswahl der
Getränke. Nur die Wörter „Hug me“ (umarme mich) waren in großen weißen Buchsta-
ben mit dem typischen Coca-Cola-Schriftzug aufgedruckt. Mit versteckter Kamera fing
Coca-Cola die skeptischen Reaktionen der Passanten ein, die sich zunächst einmal wun-
derten, dann langsam auf den Automaten zugingen und ihn schließlich mit einem
Lächeln im Gesicht umarmten. Als Dank für diese einfache Form der Freude warf der
Automat wie durch Magie eine kostenlose, herrlich kalte Dose Coca-Cola aus.
Das „Hug me“-Video zeigt, wie eine Person nach der anderen den Automaten umarmt,
eine Coke bekommt und ihre Freude mit anderen Menschen teilt. Coca-Cola stellte das
Video online, zog sich dann zurück und überließ den Rest den Medien und Verbrau-
chern. Innerhalb von einer Woche hatte das Video 112 Millionen Ad Impressions
erzeugt. Angesichts der niedrigen Kosten für die Gratis-Coke und die Produktion des
Videos waren die Aufwendungen je erzeugter Ad Impression damit erstaunlich gering.
Wertvoller als das war allerdings der beträchtliche Umfang an Ausdrücken, der darauf
folgte – zum Beispiel durch „Liken“ und Teilen des Videos. „Der Hug-Me-Automat von
Coca-Cola ist eine einfache Idee, Freude zu verbreiten“, so ein Marketingfachmann bei
Coca-Cola. „Mit unserer Strategie bringen wir kleine Dosen Freude unters Volk, auf eine
unerwartete und innovative Weise … und Freude ist ansteckend.“
Die „Hug me“-Kampagne war nur die jüngste in einer ganzen Reihe ähnlich gelagerter
PR-Maßnahmen von Coca-Cola, bei der die Kunden mit eingebunden wurden. Am
Valentinstag stellte das Unternehmen einen präparierten Verkaufsautomaten mitten in
einem gut besuchten Einkaufszentrum auf. Der Automat warf kostenlose Cokes für alle
Paare aus, die ihren Beziehungsstatus durch eine Umarmung oder einen Kuss bestätig-
ten. Vor einigen Jahren spendierte ein anderer „Happiness“-Automat auf einem Univer-
sitätsgelände so ziemlich alles von gratis Coke über Popcorn, Pizza, Blumen, Händedrü-
cken bis hin zu Polaroid-Fotos. Mit regelmäßig ertönenden „Volltreffer“-Klingeltönen
gab der Automat auch Dutzende von Coke-Dosen und ein langes Blech voll bunter Cup-
cakes aus. Diese unerwarteten Aktionen sorgten bei den Menschen nicht nur für sponta-
nes Lächeln und Fröhlichkeit, die Beschenkten konnten es auch kaum erwarten, ihr
Glück und die verrückte Geschichte mit jedem zu teilen – und so die Botschaft der
Freude von Coca-Cola zu verbreiten.
Coca-Cola brachte noch viele andere PR-Kampagnen auf Basis des „Ad Impression-
Expression-Kauf“-Prinzips auf den Markt, um den Markendialog zu fördern. In seiner
„Project Connect“-Kampagne druckte das Unternehmen 150 gängige Vornamen auf die
Coke-Dosen. Mit dieser Aktion sorgte es dafür, dass Hunderttausende von Kunden die
Coca-Cola-Regale in den Supermärkten nach Dosen mit ihrem Namen durchwühlten.
Die langjährige „Arctic Home“-Kampagne von Coca-Cola nutzt die Macht der öffentli-
chen Aufmerksamkeit und sozialer Medien, um Kundenbindung durch die Integration
der Marke in einen kulturellen Bezug zu erzeugen. In dieser Kampagne arbeitete Coca-
Cola mit dem World Wildlife Fund (WWF) zusammen, um den Lebensraum von Eisbä-
ren zu schützen – ein Engagement, das hervorragend zu den digital erzeugten Eisbären
passt, die Coca-Cola schon seit vielen Jahren als „tierische Markenbotschafter“ in seiner
Werbung einsetzt.

695
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

Die „Arctic Home“-Kampagne geht weit über die cleveren Weihnachts-Werbekampag-


nen hinaus, indem die PR-Maßnahmen in praktisch jeden Teil der Werbung und des
Marketings integriert werden. Zu der Kampagne gehören eine spezielle Webseite, eine
Smartphone-App, eine Spende über 3 Millionen US-Dollar an den WWF, Anzeigen und
Online-Videos mit Filmmaterial aus der IMAX-Dokumentation „To The Arctic 3D“
sowie auffällige weiße Cola-Dosen, auf denen die Notlage der Eisbären dargestellt ist. Im
ersten Jahr erzeugte Arctic Home eine unglaubliche Anzahl von 1,3 Milliarden Impres-
sions, aus denen sich eine unermessliche Kundenbindung mit entsprechenden Reaktio-
nen ergab.
Coca-Colas „großes, schwieriges, unverfrorenes Ziel“ ist nicht einfach, den Marktanteil
im Softdrink-Segment zu halten, in dem die Umsätze seit Jahren stagnieren. Das Unter-
nehmen will das Geschäft bis zum Ende des Jahrzehnts verdoppeln. Öffentlichkeitsar-
beit und die sozialen Medien spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie die Verbrau-
cher zu einem Teil der Markengeschichte machen. Als Heerschar von
Markenbotschaftern verbreiten die Verbraucher so das Motto von Coca-Cola: Mach dir
Freude auf! „Es geht nicht nur darum, die Produkte auf den Markt zu werfen, wie wir es
in der Vergangenheit getan haben“, meint Tripodi. „Wir haben besondere Erlebnisse
geschaffen, die vielleicht nur wenigen Menschen vorbehalten waren, die aber genug
Überzeugungskraft besaßen, um viele zu erreichen.“

Fragen:
1. Wie würden Sie die PR-Strategie von Coca-Cola in diesem Fall zusammenfassen
und wie verhält sich diese zu dem Ansatz einer integrierten Marketingkommunika-
tion?
2. Welche Nachteile sehen Sie bei dieser PR-basierten Kommunikationsstrategie im
Gegensatz zum herkömmlichen Ansatz der Medienwerbung?
3. War die Kommunikationsstrategie von Coca-Cola effektiv? Begründen Sie Ihre Ant-
wort.

Wie das Beispiel Coca-Cola zeigt, müssen Unternehmen mehr leisten, als lediglich gute Pro-
dukte oder Dienstleistungen anzubieten. Sie sollten den Verbraucher über den Nutzen des
Produkts oder der Dienstleistung informieren und diesen sorgfältig im Bewusstsein des Ver-
brauchers verankern. Hierfür nutzt man zumeist Massenmedien wie Werbung und PR/
Öffentlichkeitsarbeit.

15.2 Werbung
Werbung kann bis zu den Anfängen des Handels zurückverfolgt werden. Archäologen haben
rund um das Mittelmeer immer wieder Zeichen oder Bilder gefunden, die auf besondere
Angebote oder Veranstaltungen hinweisen. Die Römer bemalten Mauern, um auf Gladiato-
ren-Kämpfe aufmerksam zu machen, die Phönizier malten ihre Handelswaren auf große Fel-
sen an den Wegen von Paraden, und in Pompeji entdeckte man das Gemälde eines Politikers,
der für Stimmen warb.

696
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

Als Werbung definieren wir alle bezahlten Formen nicht persönlicher Präsentation und För-
derung von Ideen, Gütern oder Dienstleistungen durch einen identifizierbaren Absender.
Der Werbemarkt ist ein beträchtlicher Wirtschaftsfaktor. Die globalen Werbeausgaben für das
Jahr 2019 werden auf rund 588 Milliarden US-Dollar geschätzt. Etwa 243 Milliarden US-Dol-
lar sollen allein auf die digitale Branche entfallen.1 Weltweit entfällt mit Abstand der größte
Anteil der Werbeinvestitionen auf die USA, gefolgt von den nächst größeren Werbemärkten
China, Japan, Großbritannien und Deutschland.2
Werbung wird betrieben, um bei der Zielgruppe eine bestimmte Reaktion hervorzurufen. Die
erwünschte Reaktion kann zum einen ein gewolltes Verhalten sein: Endverbraucher sollen
bestimmte Produkte kaufen oder ihren Verbrauch bei diesen Produkten erhöhen. Sie kann
aber ebenso eine Meinungsänderung sein. Zum Beispiel soll der Beworbene seine Einstel-
lung gegenüber einer Institution ändern. Werbung wird daher nicht nur von Unternehmen,
sondern auch von einer großen Anzahl von gesellschaftlichen Institutionen wie Stiftungen,
Museen, dem Roten Kreuz oder den Kirchen dazu verwendet, Aufgaben und Ziele dieser
Organisation den verschiedenen Zielgruppen deutlich zu machen. Werbung ist ein geeigne-
tes Instrument, um zu informieren oder zu überzeugen, sei es, dass man Präferenzen für eine
bestimmte Handymarke aufbauen will oder dass man Raucher darin bestärken will, ihre
Gewohnheit aufzugeben.
Werbung wird, abhängig von der Organisation, auf verschiedene Art und Weise eingesetzt. In
kleinen und mittleren Unternehmen kann der Aufgabenbereich Werbung innerhalb des Ver-
triebs angesiedelt bzw. durch dessen Tätigkeiten abgedeckt sein. Großunternehmen richten
eigene Werbeabteilungen ein, die dann das Werbebudget verwalten, ggf. Kommunikations-
maßnahmen selbstverantwortlich durchführen und als Ansprechpartner für externe Werbe-
agenturen dienen.

15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen


Wenn eine Werbekampagne entwickelt werden soll, muss das Unternehmen zunächst fünf
wichtige Entscheidungen treffen (siehe dazu Abbildung 15.1).

Werbestrategie

Definition Festlegung Entwicklung Auswahl Messung der


der Ziele des Budgets der Botschaft der Medien Werbewirkung

 Kommuni-  Anhand  Entwurf einer  Entscheidung über  Kommuni-


kationsziele verfügbarer Mittel Werbebotschaft Reichweite, Kon- kationswirkung
 Absatzziele  Als Prozentsatz  Test und Auswahl takthäufigkeit  Wirkung auf
des Umsatzes der Werbe- und Wirkung den Absatz
 Im Vergleich zur botschaft  Auswahl der
Konkurrenz  Umsetzung der Mediengattung
 Anhand der zu Werbebotschaft  Auswahl von
bewältigenden Werbeträgern
Marketingaufgaben  Festlegung des
Timings der
Kampagne

Abbildung 15.1: Die Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

1 https://www.horizont.net/marketing/nachrichten/Prognose-Group-M-geht-von-geringem-Wachs-
tum-im-globalen-Werbemarkt-aus-167850, Zugriff am 10.10.2018.
2 https://weischer.media/de/de/trends-und-innovationen/news/werbeausgaben-wachsen-weltweit-
weiter/, Zugriff am 10.10.2018.

697
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

15.3.1 Festlegung der Ziele der Werbung


Der erste Schritt zur Durchführung einer Werbekampagne ist die Festlegung der Ziele. Diese
sollten auf den Entscheidungen zur Zielgruppe, auf der Positionierung der Marke und auf
dem Marketing-Mix basieren und die Aufgabe der Werbung im gesamten Marketingpro-
gramm festlegen.

Exkurs: IVW – Pfadfinder durch die Medienlandschaft

Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V.


(IVW) wurde 1949 als Unterorganisation des Zentralverbands der deutschen Werbewirt-
schaft (ZAW) gegründet. Ihre Aufgabe ist es, über Auflagen und die regionale Verbrei-
tung von Medien zu berichten. Damit gibt sie wichtige Hilfestellungen zur Werbepla-
nung und zum Einsatz von Druck-, Funk- und Onlinemedien in Werbestrategien.

Verbreitungsanalyse der Tageszeitungen


Alle zwei Jahre, zuletzt im Juni 2018, stellt die IVW eine genaue Verbreitungsanalyse
der Tageszeitungen vor. Die Auswertung kann in zwei Zielrichtungen vorgenommen
werden:
Ortsauswertung – Fragestellung: „Über welche Zeitungen erreichen wir einen bestimm-
ten Ort, Landkreis usw.?“ In der Datensammlung sind in Einträgen zu den einzelnen
Städten, Gemeinden und Teilorten sämtliche am entsprechenden Ort mit Verkäufen ver-
tretenen Zeitungstitel mit ihren jeweiligen Stückzahlen aufgeführt.
Medienwirkung – Fragestellung: „Welche Orte erreichen wir, wenn wir in der XY-Zei-
tung annoncieren?“ Anhand der Einträge zu den einzelnen Titeln wird lückenlos nach-
gewiesen, an welchen Orten und in welcher Stückzahl der jeweilige Titel verkauft wird.

Teilnehmende Tageszeitungen Anzeigenbelegungseinheiten Gemeinden


>300 >1.000 11.200
Tabelle 15.1: IVW-Verbreitungsanalyse Tageszeitungen 2018

Ähnlich berichtet die IVW über zahlreiche andere Werbeträger. Der Bericht über die
Printmedien im dritten Quartal 2018 enthält folgende Zahlen:

698
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

Tageszeitungen Tägliche Auflage


Verbreitung 15.945.790*
Verkauf 15.626.171*
Abonnement 11.135.270*
Einzelverkauf 3.130.263*
Lesezirkel
Bordexemplare (in Flugzeugen etc.) 400.571*
Sonstiger Verkauf 960.067*

Wochenzeitungen Wöchentliche Auflage


Verbreitung 1.779.043*
Verkauf 1.683.942*
Abonnement 1.456.023*
Einzelverkauf 76.045
Lesezirkel
Bordexemplare (in Flugzeugen etc.) 38.444*
Sonstiger Verkauf 113.430*

Publikumszeitschriften Auflage
Verbreitung 94.607.205*
Verkauf 87.500.384*
Abonnement 42.756.130*
Einzelverkauf 31.638.989*
Lesezirkel 3.737.362
Bordexemplare (in Flugzeugen etc.) 1.679.867*
Sonstiger Verkauf 7.688.036*

Fachzeitschriften Auflage
Verbreitung 18.886.665*
Verkauf 9.620.289*
Abonnement 8.492.215*
Einzelverkauf 72.442*
Lesezirkel
Bordexemplare (in Flugzeugen etc.) 42.934*
Sonstiger Verkauf 1.012.698*

Kundenzeitschriften Auflage
Verbreitung 42.862.018
Verkauf 33.298.905
Abonnement 282.304
Einzelverkauf 49.575
Lesezirkel
Bordexemplare (in Flugzeugen etc.)
Sonstiger Verkauf 79.835
Tabelle 15.2: Auflagen deutscher Printmedien im dritten Quartal 2018 (* enthält ePaper-Verkäufe)

699
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

Hörfunk- und Fernsehwerbung: IVW-Funkmedienkontrolle


Die IVW überwacht auch Werbeträger im Hörfunk und im Fernsehbereich. Mitglieder
sind 36 Rundfunk- und Fernsehveranstalter mit deren Werbegesellschaften.

Onlinewerbung: die am meisten frequentierten Webseiten


Institutionen wie die IVW standen der Entwicklung im Onlinebereich von Anfang an
interessiert gegenüber und bereiteten auch Messungen in diesem Bereich vor. Die für
die IVW-Kontrolle notwendige Messung der Onlinenutzung erfolgt durch das soge-
nannte „Skalierbare zentrale Messsystem“ (SZM). Für die Messung, Prüfung und Aufbe-
reitung der Nutzungsdaten ist die unabhängige INFOnline GmbH verantwortlich. Für
September 2018 hat die IVW folgende Daten zur Internetnutzung in Deutschland veröf-
fentlicht:

Onlinebesuche Onlinebesu- Verhältnis Online Page


Anbieter
(Visits) gesamt che Inland Impressions/Besuch
T-Online Contentangebot 153.934.470 96 % 5,43
eBay 132.038.955 86 % 8,70
Bild.de 120.188.896 87 % 3,65
eBay Kleinanzeigen 90.163.084 87 % 10,72
Linguee 83.335.149 16 % 2,70
SPIEGEL ONLINE 80.438.028 82 % 4,13
wetter.com 59.224.460 81 % 2,65
mobile.de Der Automarkt 59.142.854 55 % 9,83
Wetteronline 45.538.855 83 % 4,76
FOCUS ONLINE 45.441.218 87 % 2,40
DIE WELT 42.729.051 86 % 2,80
twitch.tv 32.268.936 89 % 3,50
CHIP Online 30.083.267 84 % 2,41
n-tv.de 29.169.424 87 % 4,07
COMPUTERBILD.de 26.868.220 88 % 3,56
ZEIT ONLINE 26.652.939 83 % 2,85
RTL.de 26.473.843 90 % 2,25
Wetter.de 26.048.792 93 % 2,64
TV NOW 23.271.537 87 % 3,39
Süddeutsche.de 22.326.396 82 % 3,14
Tabelle 15.3: Die meistbesuchten deutschen Webseiten (Quelle: Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbrei-
tung von Werbeträgern e. V. (IVW))

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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

Onlinebesuche Onlinebesu- Verhältnis Online Page


Anbieter
(Visits) gesamt che Inland Impressions/Besuch
ImmobilienScout24 22.054.943 87 % 31,91
Gamestar 21.836.693 88 % 2,13
Chefkoch.de 21.508.769 87 % 4,49
FAZ.NET 20.985.823 79 % 3,86
kicker online 20.272.510 87 % 6,49
Duden 19.072.488 73 % 2,25
finanzen.net – das Finanzportal 17.466.445 81 % 3,92
heise online 17.366.213 85 % 5,23
TAG24 16.799.904 95 % 2,15
gutefrage.net 16.403.489 86 % 1,78
autobild.de 16.256.676 81 % 5,62
stern.de 16.090.062 82 % 5,17
Tabelle 15.3: Die meistbesuchten deutschen Webseiten (Quelle: Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbrei-
tung von Werbeträgern e. V. (IVW)) (Forts.)

Praxishinweise für die Werbung in örtlichen Medien


Media-Daten der örtlichen Anbieter besorgen Soweit es sich um Planung und Realisie-
rung von Werbekampagnen in örtlichen Medien handelt, empfiehlt es sich, Kontakt mit
den Vertriebsabteilungen der Regionalpresse, den örtlich tätigen öffentlich-rechtlichen
und privaten Rundfunk- und Fernsehstationen und den regionalen Online-Anbietern
aufzunehmen und zunächst einmal die sogenannten Media-Daten (Verbreitungsanaly-
sen, Reichweitenanalysen usw.) anzufordern. Damit können Vorausschätzungen über
Werbewirkung und anfallende Kosten erarbeitet werden.
Regionale Telefonverzeichnisse und Gelbe Seiten Bei den Druckmedien haben insbe-
sondere für den Mittelstand und regional tätige Unternehmen die Telefonverzeichnisse
und die Branchentelefonverzeichnisse (Gelbe Seiten) große Bedeutung als Werbeme-
dien. Die Preise für Einschaltungen sind im Verhältnis zur Tagespresse recht hoch, sie
werden jedoch durch die lange Laufzeit von einem Jahr, gegenüber einem Tag bei der
Zeitung, relativiert. Werbewirkungsanalysen haben gezeigt, dass diese Verzeichnisse in
vielen Büros und Haushalten bereitgehalten und konsultiert werden, wenn mögliche
Lieferanten, Handwerker usw. gesucht werden.

701
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

Quellen:
Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW), Webseite
unter: www.ivw.eu [01.11.2018]
http://meedia.de/2016/10/20/ivw-blitz-analyse-zeitungen-bild-welt-und-f-a-s-verlieren-mehr-als-
10-bei-den-abos-und-am-kiosk/ [12.02.2018]
http://www.ivw.eu/print/quartalsauflagen/pressemitteilungen/auflagenzahlen-des-3-quartals-2018
[01.11.2018]
http://ausweisung.ivw-online.de/index.php?i=10&mz_szm=201809&pis=0&az_fil-
ter=0&kat1=0&kat2=0&kat3=0&kat4=0&kat5=0&kat6=0&kat7=0&kat8=0&sort=vgd&suche=
[01.11.2018]

Ein Werbeziel ist eine genau umrissene Kommunikationsaufgabe, die gegenüber einer festge-
legten Zielgruppe in einem bestimmten Zeitabschnitt durchgeführt werden soll. Grundsätz-
lich lassen sich mit Werbung drei Kategorien von Zielen verfolgen, und zwar zu informieren,
zu überzeugen oder zu erinnern.

Informierende Werbung
Den Nutzen für den Kunden kommunizieren. Zusätzliche Dienstleistungen beschreiben.
Über ein neues Produkt informieren. Unrichtige Eindrücke korrigieren.
Neue Verwendungen für ein Produkt vorschlagen. Ein Unternehmensimage aufbauen.
Erklären, wie das Produkt funktioniert. Über eine Preisänderung informieren.

Überzeugende Werbung
Eine Markenpräferenz aufbauen. Zum sofortigen Kauf animieren.
Einen Wechsel zur eigenen Marke initiieren. Zum Empfang eines Außendienstmitarbeiters animie-
Einstellungen bezüglich Produktattributen verändern. ren.
Kunden davon überzeugen, anderen von ihren Erfah-
rungen zu berichten.

Erinnernde Werbung
Daran erinnern, dass das Produkt in naher Zukunft An das Produkt erinnern oder das Interesse am Produkt
benötigt werden könnte. wiederbeleben (z. B. bei Saisonprodukten, Saisonferien-
Daran erinnern, wo man das Produkt kaufen kann. orten usw.).
Produktbekanntheit auf hohem Niveau halten.
Tabelle 15.4: Mögliche Ziele der Werbung

Informierende Werbung Die informierende Werbung wird schwerpunktmäßig eingesetzt, um


Kunden über neue Produkte zu informieren und um eine grundlegende Nachfrage nach einer
neuen Produktkategorie zu erzeugen.
Überzeugende Werbung Überzeugende Werbung wird verwendet, um eine selektive Nach-
frage aufzubauen, wenn die Konkurrenz in einem Produktbereich zunimmt. Dies bedeutet,
dass eine grundsätzliche Nachfrage nach einer Produktkategorie besteht und das Werbung
treibende Unternehmen diese Nachfrage auf das eigene Produkt lenken will. Eine spezielle
Art der überzeugenden Werbung ist die vergleichende Werbung, bei der man seine Marke
direkt oder indirekt mit einem oder mehreren Wettbewerbern vergleicht. Allerdings gibt es
hierbei einige potenzielle Gefahren, die zu beachten sind. Oft werfen beide Seiten der jeweils

702
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

anderen vor, dass die Anzeigen irreführend sind. Diese Vorgehensweise ist in Großbritannien
und in den USA legal, aber in den meisten europäischen Ländern nur mit starken Einschrän-
kungen erlaubt. Trotzdem verwenden in Europa insbesondere Autohersteller und -vermie-
tungen diese Art der Werbung besonders gerne. Vergleichende Werbung wird voraussichtlich
immer in der einen oder anderen Art existieren, da die meiste Werbung im Grundsatz ver-
gleichend ist – schließlich ist das Ziel der Werbung, den Konsumenten davon zu überzeugen,
dass das eine Angebot besser als ein anderes ist.
Ein anderes Beispiel kommt vom Tabletmarkt. Amazon hat 2013 sein neu auf dem Markt
erschienenes Kindle Tablet beworben. Die Werbung wirkt in den ersten Sekunden, als wäre
sie für das iPad, entpuppt sich aber schnell als Vergleich zwischen den zwei Konkurrenzpro-
dukten. „Fantastisches HD auf dem iPad“, „fantastisches HD auf dem Kindle Fire“, sagt eine
Stimme im Hintergrund, während auf beiden Tablets gestochen scharfe Bilder von Blüten-
blättern und Feuerwerk gezeigt werden. Erst am Ende des Spots wird ein Unterschied klar,
der Kindle ist gut 200 Euro günstiger. Im deutschen Fernsehen ist solche vergleichende Wer-
bung eher selten zu sehen und so verwundert es kaum, dass man sich fragt: „Dürfen die das
denn überhaupt?“ Der in Deutschland Geltung findende Kriterienkatalog für vergleichende
Werbung schreibt vor, dass die Aussagen nur nachweisbare Fakten beinhalten dürfen und
den Konkurrenten weder verunglimpfen noch herabsetzen. „Der Kriterienkatalog ist so
unklar, dass man sich bei vergleichender Werbung auf juristisches Glatteis begibt“, sagt Vol-
ker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft. Er sehe grundsätz-
lich mehr Chancen und Vorteile, mit eigenen Stärken zu werben. „Wenn bei dem Vergleich
irgendetwas schräg oder missverständlich ist, bin ich am Ende der Dumme, weil der Verbrau-
cher mir das negativ ankreidet. Oder er merkt sich möglicherweise nur das, was ich Gutes
über den Mitbewerber sage“, erläutert Nickel. Um mögliche rechtliche Folgen zu umschiffen,
hat Amazon den Spot etwas abgeschwächt. „Wahrscheinlich können Sie gar keinen Unter-
schied erkennen“, heißt es in dem überarbeiteten Spot vage, „aber ihr Portemonnaie ganz
bestimmt“. Seitens Apple ist wohl kaum ein rechtlicher Schritt gegen Amazon zu erwarten,
da das Unternehmen härtere Töne aus dem Heimatland gewohnt ist.
Erinnernde Werbung Erinnernde Werbung ist wichtig für Produkte, die schon lange auf dem
Markt sind, weil sie die Käufer wieder an das Produkt heranführen soll. Gelegentlich hat
erinnernde Werbung auch zum Ziel, Kunden, die das Produkt gekauft haben, davon zu über-
zeugen, dass sie die richtige Wahl getroffen haben.
Ziel der Werbung ist es, den Verbraucher durch die verschiedenen Stufen der Kaufbereit-
schaft zu führen, die in den vorangestellten Kapiteln diskutiert wurden. Werbung kann so
gestaltet werden, dass sie die Zielgruppe zu einer zeitnahen Aktion bewegt. Beispielsweise
soll eine Anzeige für Sonderangebote eines Supermarkts in der lokalen Zeitung zu einem
direkten Kauf animieren. Andere Maßnahmen hingegen fokussieren auf den Aufbau oder die
Stärkung lange andauernder Kundenbeziehungen. Zum Beispiel hat ein TV-Spot von Nike, in
dem berühmte Athleten Sport nach dem Motto „Just do it“ treiben, nie den sofortigen Kauf
zum Ziel. Letzteres besteht vielmehr darin, langfristig ein bestimmtes Image der Marke bei
den Konsumenten aufzubauen.

15.3.2 Festlegung des Werbebudgets


Wenn die Werbeziele feststehen, legt man das Werbebudget für die einzelnen Produkte bezie-
hungsweise Produktgruppen fest. Vier verbreitete Methoden, das Werbebudget zu bestimmen,

703
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

wurden schon im vorigen Kapitel besprochen. Ergänzend beschreiben wir hier noch einige
spezifische Faktoren, die bei der Festlegung des Budgets berücksichtigt werden sollten.
Position innerhalb des Produktlebenszyklus Neue Produkte benötigen umfangreiche Werbe-
budgets, um erst einmal bekannt zu werden und die Verbraucher zu veranlassen, das Produkt
auszuprobieren. Bei Produkten in der Reifephase reicht hingegen ein im Verhältnis zum
Umsatz niedrigeres Budget aus.
Marktanteil des Produkts Zum Aufbau eines neuen Markts oder zur Eroberung von Marktan-
teilen der Konkurrenten bedarf es in der Regel höherer Werbeausgaben als zum Halten eines
bestehenden Marktanteils. Produkte mit hohem Marktanteil benötigen deshalb zumeist einen
niedrigeren Prozentsatz an Werbung im Verhältnis zum Umsatz als Produkte mit niedrigem
Marktanteil.
Wettbewerbsintensität Auf einem Markt mit vielen Konkurrenten und hohen Werbeausgaben
aller Beteiligten muss vom einzelnen Unternehmen mehr für Werbung ausgegeben werden,
um von den Konsumenten wahrgenommen zu werden.
Häufigkeit der Werbung Wenn es die Werbestrategie ist, den Verbrauchern mit vielen Wie-
derholungen die Botschaft einer Marke nahezubringen, muss das Werbebudget größer sein.
Produktdifferenzierung In Märkten, in denen sich die Produkte sehr stark ähneln, sind ten-
denziell hohe Werbeaufwendungen nötig, um eine Marke besonders herauszustellen. Unter-
scheiden sich Produkte hingegen von den Produkten der Konkurrenz, wird die Werbung nor-
malerweise dafür eingesetzt, diese Unterschiede hervorzuheben.
Unabhängig von der Methode zur Festlegung des Werbebudgets ist die Aufgabe an sich nicht
leicht. Woher soll ein Unternehmen wissen, ob es genau den richtigen Betrag für Werbung aus-
gibt? Einige Kritiker sind der Ansicht, dass die großen Konsumgüterunternehmen dazu tendie-
ren, zu viel für Werbung auszugeben, und dass andererseits viele Hersteller von Industriegütern
zu wenig Werbung treiben. Sie behaupten weiterhin, dass die großen Konsumgüterunternehmen
Imagewerbung massiv einsetzen, ohne die Wirkungen genau zu kennen. Es wird einfach sehr viel
Geld für Werbung aufgewendet, um eine Art Versicherung dagegen zu haben, zu wenig auszuge-
ben. Weiterhin verlassen sich laut Meinung der Kritiker die Anbieter im Marketing von Industrie-
gütern und Vorleistungen zu sehr auf ihren Vertrieb und vernachlässigen die Chancen, die ihnen
eine gut durchdachte Werbung im Vorfeld des Verkaufs bieten könnte.
Unternehmen wie Coca-Cola, Unilever und Kraft haben komplexe statistische Modelle ent-
wickelt, um die Beziehung zwischen den Ausgaben für Werbung und dem Umsatz genauer
zu bestimmen und somit auch die optimale Mittelverteilung über die verschiedenen Medien
zu definieren. Da aber unendlich viele Faktoren die Effektivität von Werbung beeinflussen
und nur einige davon vom Unternehmen gesteuert werden können, bleibt die Messung des
Erfolgs von Werbung ein ungenaues Unterfangen.
Dies führt dazu, dass das Budget für Werbung eines der am schnellsten und leichtesten zu kür-
zenden Budgets in Krisenzeiten ist. Denn Einschnitte bei der Werbung zum Zwecke des Mar-
kenaufbaus scheinen den Umsatz auf kurze Sicht kaum zu beeinträchtigen. So fielen die Aus-
gaben für Anzeigenschaltung in den USA in Folge der Wirtschaftskrise und Rezession um 12
Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Während der Krise in der Eurozone und dem übrigen West-
europa Anfang der 2010er-Jahre sahen sich Unternehmen veranlasst, die Kosten für Anzeigen-
schaltungen zu kürzen. Auf lange Sicht jedoch wirken sich drastische Einsparungen bei der
Werbung negativ auf das Markenimage sowie den Marktanteil aus. Tatsächlich können Unter-
nehmen, die ihre Ausgaben für Anzeigenwerbung beibehalten oder sogar erhöhen, einen Wett-
bewerbsvorteil gegenüber den Unternehmen verzeichnen, die ihre Ausgaben senken.

704
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

So steigerte der Fahrzeughersteller Audi im Gegensatz zur Konkurrenz während der letzten
Rezession seine Ausgaben für Marketing und Werbung. Audi „hielt den Fuß auf dem Gaspe-
dal, während alle anderen anhielten“, so ein Leiter der Audi-Werbeabteilung. „Warum soll-
ten wir den Rückwärtsgang einlegen, jetzt da die Branche generell auf die Bremse tritt und
Ausgaben kürzt?“ Letztlich konnte Audi während der Rezession Rekordwerte bei der Mar-
kenbekanntheit und der Kaufabsicht der Kunden erreichen und übertraf damit BMW, Merce-
des und Lexus. Gleichzeitig positionierte sich Audi stark für die Zeit der wirtschaftlichen
Erholung. Heute gehört Audi zu den erfolgreichsten Marken auf dem Fahrzeugmarkt und
rangiert bei den Verkäufen im globalen Luxussegment gleichauf mit BMW und Mercedes.3

15.3.3 Entwicklung der Werbestrategie


Eine Werbestrategie besteht aus zwei Elementen: Entwicklung der Werbebotschaft und Aus-
wahl der geeigneten Medien. In der Vergangenheit hat man dem Prozess des Auswählens der
Medien im Vergleich zur Entwicklung der Botschaft eine eher sekundäre Rolle zugeordnet. In
vielen Unternehmen wurden Botschaft und Medien völlig unabhängig voneinander entwi-
ckelt. Die Kreativen gestalteten zuerst das Konzept der Werbekampagne, dann wurden von
der Medienabteilung die Medien ausgewählt, die am besten die Werbung zur gewünschten
Zielgruppe transportieren. Diese Trennung führte häufig zu Konflikten und endete meist mit
der Frustration aller Beteiligten.
Heute jedoch hat die Bedeutung der Medienplanung angesichts stark angestiegener Kosten,
zielgenauerer Marketingstrategien und der Flut neuer digitaler und interaktiver Medien
immens zugenommen. Die Entscheidung darüber, welche Medien für eine Werbekampagne
eingesetzt werden – Fernsehen, Zeitungen, Magazine, Videos, eine Webseite oder ein soziales
Netzwerk, mobile Geräte oder E-Mail –, ist heute zum Teil wichtiger als die kreativen Ele-
mente der Kampagne. In der Folge organisieren immer mehr Werbetreibende eine harmoni-
sche Abstimmung zwischen ihren Botschaften und den Medien, über die diese transportiert
werden. In der Tat muss man sich häufig bei einer richtig guten Werbekampagne fragen:
„Liegt das an der Medienauswahl oder an der kreativen Idee?“

Der Weg durch das Werbewirrwarr


Betrachten wir die Lage bei der Fernsehwerbung in den Vereinigten Staaten. Für einen einzi-
gen 30 Sekunden dauernden Spot sind im Durchschnitt 354.000 US-Dollar fällig. Anschlie-
ßend kostet jede Wiederholung noch einmal durchschnittlich 122.000 US-Dollar für 30
Sekunden Werbung während eines beliebten Programms zur Hauptsendezeit. Die Kosten lie-
gen sogar noch höher, wenn es sich um eine besonders erfolgreiche Sendung wie American
Idol (355.000 US-Dollar) oder The Big Bang Theory (317.000 US-Dollar) oder um ein Mega-
Event wie den Super Bowl handelt (durchschnittlich 4 Mio. US-Dollar für 30 Sekunden!).
Die Spots werden dann in einem ganzen Block mit anderer Werbung, Ankündigungen und
Programmhinweisen ausgestrahlt. Das sind insgesamt 20 Minuten neben der eigentlichen
Sendezeit des Hauptprogramms, dabei laufen die Werbepausen etwa alle sechs Minuten. Sol-

3 Siehe dazu Jean Halliday, „Thinking big takes Audi from obscure to awesome“, Advertising Age, 2.
Februar 2009, http://adage.com/print/134234; Chad Thomas und Andreas Cremer, „Audi feels a
need for speed in the US“, Bloomberg Businessweek, 22. November 2010, S. 1 und Kyle Stock, „Audi
swipes BMW’s luxury crown. Keeping it will be harder“, Bloomberg BusinessWeek, 11. März 2014,
www.businessweek.com/articles/2014–03–11/where-audi-will-win-or-lose-the-luxury-car-race.

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

che massiven Blöcke im Fernsehen und in anderen Medien haben ein zunehmend feindli-
ches Umfeld für die Werbung geschaffen.4
Einer Studie zufolge sind mehr als 70 Prozent der Amerikaner der Ansicht, dass es zu viel
Fernsehwerbung gibt, 62 Prozent der für Werbung Verantwortlichen glauben, dass Werbe-
spots im Fernsehen an Effektivität verloren haben, und nennen dafür das Werbewirrwarr als
zentralen Grund.5
Zwar sind die Kosten für Werbung außerhalb der Vereinigten Staaten meist niedriger, aber
europäische Werbetreibende geraten aufgrund der zunehmend fragmentierten Werbemedien
unter einen ähnlichen Druck wie ihre amerikanischen Kollegen. Noch vor einiger Zeit waren
die Fernsehzuschauer den Werbetreibenden praktisch ausgeliefert. Doch angesichts der digi-
talen Revolution haben Konsumenten inzwischen eine umfangreiche Auswahl an Unterhal-
tung und Informationen. Technische Entwicklungen wie Kabel- und Satelliten-Fernsehen,
das Internet, Video on Demand (VOD), das Streamen von Videos sowie Tablets und Smart-
phones haben dazu geführt, dass die Zuschauer eine Vielzahl neuer Möglichkeiten haben.
Mithilfe digitaler Technologien können Konsumenten heute selbst bestimmen, was sie sehen
möchten und was nicht. Dank der Verbreitung von digitalen Videorekordern (DVR) können
Verbraucher sich bewusst dafür entscheiden, keine Werbung zu sehen. Die Hälfte aller ameri-
kanischen Haushalte verfügt inzwischen über ein DVR-System und zwei Drittel aller Besitzer
solcher Geräte nutzen die Möglichkeit, Werbung auszublenden. Gleichzeitig nehmen der
Download und das Streamen von Videos immer weiter zu, sodass Zuschauer selbst bestim-
men können, wann sie Unterhaltung wünschen – mit oder ohne Werbung.6
Hinzu kommt, dass die Globalisierung des weltweiten Technologiemarkts zu einer raschen
Verbreitung dieser Technologie auf der ganzen Welt geführt hat. Infolgedessen können Wer-
betreibende nicht mehr mit den alten konventionellen Werbebotschaften arbeiten, um die
Konsumenten mit traditionellen Medientypen zu erreichen. Heutige Werbebotschaften müs-
sen besser geplant sein, viel einfallsreicher und unterhaltsamer und sie müssen emotional
fesselnd sein, damit sie Aufmerksamkeit erzeugen und diese beibehalten. Es reicht nicht
mehr, Konsumenten während einer Tätigkeit einfach zu unterbrechen oder zu stören. Sofern
die heutige Werbung keine Informationen erhält, die für sie in irgendeiner Weise interessant,
nützlich oder unterhaltsam ist, werden Konsumenten sich dieser einfach entziehen.

Der Zusammenschluss von Werbung und Unterhaltung


Um diesem Wirrwarr zu entgehen, wenden sich viele Marketingverantwortliche heute einer
neuen Kombination aus Werbung und Unterhaltung zu. Diese Kombination tritt in zwei For-

4 „Results of 4A’s 2011 television production cost survey“, 22. Januar 2013, www.aaaa.org/news/bul-
letins/pages/tvprod_01222013.aspx; Sam Thielman, „The new hour is 43 minutes long“, Adweek,
24. Juni 2013, S. 12; Jeanine Poggi, „TV ad prices“, Advertising Age, 20. Oktober 2013, http://ada-
ge.com/print/244832 sowie „Who bought what in Super Bowl XLVIII“, Advertising Age, 3. Februar
2014, http://adage.com/print/244024.
5 „Advertising in the U.S.: Synovate Global Survey shows Internet, innovation and online privacy a
must“, 3. Dezember 2009, Zugriff auf www.synovate.com/news/article/2009/12/advertising-in-theus-
synovate-global-survey-shows-internet-innovation-and-onlineprivacy-a-must.html und Katy Bach-
man, „Survey: clutter causing TV ads to lack effectiveness“, MediaWeek, 8. Februar 2010.
6 Caleb Garling, „How television advertising deals with DVRs destroying their business“, SFGate, 27.
Dezember 2013, http://blog.sfgate.com/techchron/2013/12/27/dvr-advertisements/ und „No hard-
ware, no problem: VOD lets users time-shift with ease“, 9. September 2013, www.nielsen.com/us/en/
newswire/2013/no-hardware-no-problem-vodlets-users-time-shift-with-ease.html.

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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

men auf: Advertainment (Wortschöpfung aus Advertising und Entertainment, unterhaltende


Form der Werbung) oder Branded Entertainment (eine Weiterentwicklung der Produktplat-
zierung). Das Advertainment zielt darauf ab, die Werbung so unterhaltend oder nützlich zu
gestalten, dass Menschen sie gerne ansehen.
Heutzutage ist es nicht unüblich, eine unterhaltsame Werbung oder andere Markeninhalte
auf YouTube sehen zu können, ehe sie im Fernsehen ausgestrahlt werden. Und höchstwahr-
scheinlich werden Sie eher von einem Freund darauf hingewiesen, als durch die Platzierung
der Werbeverantwortlichen zum Hinsehen gezwungen zu werden. Neben der Tatsache, dass
sie ihre regelmäßigen Anzeigen spannender machen, entwickeln Werbefachleute auch neue
Inhaltsformen, die weniger an Werbespots, sondern mehr an Kurzfilme oder Shows erinnern.
Eine ganze Reihe neuer Plattformen für Markenbotschaften – von Webisoden und Blogs bis
hin zu Onlinevideos und Apps – verwischen heute die Grenzen zwischen Werbung und
Unterhaltung.
Im Rahmen seiner jahrelangen und äußerst erfolgreichen Kampagne für „Wahre Schönheit“
schuf die Unilever-Marke Dove ein nachdenklich stimmendes, dreiminütiges Video namens
„Dove real beautysketches“ (Bilder wahrer Schönheit), in denen Frauen erzählen, wie sie
sich selbst sehen. Im Video werden Bilder der Frauen verglichen, die ein Skizzenzeichner
einmal anhand der eigenen Beschreibungen und einmal anhand der Beschreibung eines
Fremden anfertigt. Hält man die Bilder nebeneinander, erkennt man, dass die Skizzen nach
Beschreibung der Außenstehenden sehr viel realer und schmeichelhafter sind, was jedes Mal
eine starke Reaktion bei den Frauen hervorruft. Der Slogan lautet: „Sie sind viel schöner, als
Sie denken.“ Obwohl das mit Preisen ausgezeichnete Video nie im Fernsehen ausgestrahlt
wurde, erreichte es auf YouTube weltweit 163 Millionen Aufrufe innerhalb von nur zwei
Monaten. Damit wurde es zum meistgesehenen Video aller Zeiten.7 Branded Entertainment
(oder Markenintegration) verbindet die Marke untrennbar mit einer anderen Unterhaltungs-
form. Die häufigste Art des Branded Entertainment ist die Produktplatzierung – hier tauchen
die Marken als Requisiten im Rahmen einer anderen Sendung auf. In den USA ist dieses Vor-
gehen so weit entwickelt, dass es für Programmverantwortliche schon beinahe zwingend ist.
So kann bei „Grey’s Anatomy“ kurz das neueste LG Smartphone im Bild zu sehen sein oder
die Marke wird durchgehend in die Handlung eingebaut – wie bei „The Big Bang Theory“, in
der die Figur Penny in einem Cheesecake Factory Restaurant arbeitet.
Produktplatzierungen können sogar in einzelne Episoden hineingeschrieben werden. So
dreht sich eine ganze Folge der US-Sitcom „Modern Family“ um die Suche nach dem neues-
ten und überall ausverkauften iPad für den leicht trotteligen Vater Phil Dunphy, das dieser
sich so sehnlich zum Geburtstag wünscht.8 Ursprünglich im Hinblick auf das Fernsehen ent-
wickelt, hat sich Branded Entertainment rasch auf andere Bereiche der Unterhaltungsindust-
rie ausgebreitet. Es kommt häufig in Filmen zum Einsatz (denken Sie nur an all die GM-Fahr-

7 „Real beauty shines through: Dove wins Titanium Grand Prix, 163 million views on YouTube“, Goo-
gle: Think Insights, Juni 2013, www.thinkwithgoogle.com/case-studies/dove-real-beauty-sketches.ht-
ml; Nina Bahadur, „Dove ‘Real Beauty’ campaign turns 10: How a brand tried to change the
conversation about female beauty“, Huffington Post, 6. Februar 2014, www.huffingtonpost.com/
2014/01/21/dove-realbeauty-campaign-turns-10_n_4575940.tml und www.youtube.com/watch?v=
XpaOjMXyJGk, Zugriff Juni 2014.
8 Siehe Alessandra Stanley, „Commercials you can’t zap“, New York Times, 7. Juni 2009, S. MT1; Sam
Schechner und Suzanne Vranica, „IPad gets star turn in television comedy“, Wall Street Journal, 2.
April 2010, S. B8 und Rupal Parekh, „Why long-form ads are the wave of the future“, Advertising
Age, 3. Mai 2010, Zugriff auf http://adage.com/madisonandvine/article?article_id=143603.

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

zeuge in der Transformers-Reihe, das überall sichtbare Purina Welpenfutter in „Marley & Me"
oder die ständig auftauchenden Marken wie Audi, Oracle oder LG in „Iron Man 2").
Sieht man genauer hin, kann man Produktplatzierungen auch in Videospielen, Comics, Bro-
adway Musicals und sogar in der Popmusik entdecken. So gibt es eine Szene mitten im zehn-
minütigen Lady-Gaga-Video zum Song „Telephone“, in der Sandwiches mit Wonder Bread
und Miracle Whip zubereitet werden (das Video wurde auf YouTube in nicht einmal einem
Monat mehr als 50 Millionen Mal angesehen).
Während sie in den US-Medien schon am weitesten entwickelt und fortgeschritten sind,
breiten sich die Kommunikationsmethoden der Produktplatzierung auch rasant nach Europa
aus. Seit der Lockerung der europäischen Gesetze im Jahr 2007 nutzen auch Unternehmen in
Frankreich, Spanien und Deutschland das Instrument der Produktplatzierung. Mit der neuen
EU-Gesetzgebung nähert sich Europa weitgehend den Regulierungen der USA zur Produkt-
platzierung an. Im Jahr 2011 wurde Produktplatzierung durch die neuen Gesetze erstmals
auch im Vereinigten Königreich zulässig. Dennoch muss auf den Bildschirmen zu Beginn
und am Ende der Sendung sowie zwischen den Werbepausen das „P“-Logo eingeblendet
werden, um die Zuschauer auf die Produktplatzierung hinzuweisen, und die britische Regu-
lierungsstelle Ofcom setzt konsequentere Regelungen und Beschränkungen durch als die
Behörden der meisten anderen Länder (Kindersendungen und religiöse Programme sind aus-
genommen, ferner sind bestimmte Produkte wie Computerspiele und Alkohol von der Pro-
duktplatzierung ausgeschlossen).9
Es gibt also eine neue Schnittstelle für die Werbe- und die Unterhaltungsbranche. Sie zielt
darauf ab, Markenbotschaften zu einem Teil der Unterhaltung zu machen, statt diese zu
unterbrechen. Wie es die Werbeagentur JWT ausdrückt: „Wir glauben, dass Werbung die
Menschen nicht länger stören darf, wenn sie ihre Interessen verfolgen, sondern sie selbst zu
einem Interesse werden muss.“ Doch Werbeverantwortliche müssen achtgeben, dass diese
neue Schnittstelle nicht überstrapaziert wird. Angesichts all der neuen Formate und Pro-
duktplatzierungen droht dieses neue Konzept sogar noch mehr Chaos zu erzeugen, als es
ursprünglich beseitigen sollte. An dieser Stelle könnten sich Verbraucher entschließen, einen
anderen Weg einzuschlagen.

15.3.4 Entwicklung der Werbebotschaft


In einer hochpreisigen und zersplitterten Medienlandschaft sind gute Werbebotschaften
besonders wichtig. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Kreativität für den Erfolg
wichtiger ist als die Höhe des Budgets, das für eine Kampagne zur Verfügung steht. Es muss
darauf geachtet werden, dass die bereitstehenden Mittel in effiziente Werbebotschaften
investiert werden. Dazu sind drei Schritte notwendig:
 Entwurf einer Werbebotschaft
 Test und Auswahl der Werbebotschaft
 Umsetzung der Werbebotschaft
Entwurf einer Werbebotschaft Oft tendieren Werbebotschaften dazu, platt und einfach die
Vorteile und Positionierung des Produkts herauszustellen, die der Marketingverantwortliche
hervorheben möchte. Er sollte aber ein überzeugendes, kreatives Konzept – in der Fachspra-

9 David Gelles und Tim Bradshaw, „When props pay for production“, Financial Times, 1. März 2011,
S. 16.

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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

che häufig auch „Big Idea“ genannt – vorstellen, das die Werbebotschaft in hervorstechender
und einprägsamer Weise zum Leben erweckt. Normalerweise entwickeln der Texter und der
„Art Director“ einer Kampagne gemeinsam eine Vielzahl neuer kreativer Konzepte, in der
Hoffnung, dass eines davon zum Schluss die „Big Idea“ sein wird. Das kreative Konzept ist
dann visuell, textlich oder als Kombination aus beidem umzusetzen.
Der erste Schritt zur Entwicklung einer effektiven Werbestrategie ist die Entscheidung, wel-
che generellen Botschaften an den Verbraucher kommuniziert werden sollen. Im Allgemei-
nen ist der Zweck der Werbung, die Zielgruppe zu einer bestimmten Meinung oder Reaktion
in Bezug auf das Produkt oder das Unternehmen zu bringen. Menschen reagieren prinzipiell
immer nur dann, wenn sie selbst davon einen Vorteil haben. Daher muss die Entwicklung
einer Kommunikationsstrategie mit der Identifizierung der Vorteile für den Kunden begin-
nen. Idealerweise leitet sich die Kommunikationsstrategie direkt aus der Positionierungsstra-
tegie des Unternehmens ab.
Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Typen kreativer Ansätze:
 Die Werbebotschaft bezieht sich auf die Positionierung der Marke, z. B. „Vorsprung durch
Technik“ (Audi), „Freude am Fahren“ (BMW).
 Die Werbebotschaft soll Motivation wecken, z. B. „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“
(Frankfurter Allgemeine Zeitung).
Die Idee für eine Werbebotschaft kann beispielsweise aus der genauen Kenntnis des Erlebnis-
ses des Kunden mit dem Produkt resultieren, insbesondere in der Phase des Kaufens oder
des Verbrauchens. Die Kreativen, die die Kommunikationsstrategie entwerfen, müssen sich
daher genau mit dem Kunden und dessen Erfahrungen mit dem Produkt befassen. Deshalb
unterhalten sich manche erst einmal mit Käufern, Händlern, Fachleuten und Konkurrenten.
Oder sie versetzen sich in die Lage von Kunden, die das Produkt benutzen, und arbeiten
dann die Vorteile heraus, die der Käufer aus dem Kauf und der Nutzung zieht.
Test und Auswahl der Werbebotschaft Bereits bei der Entwicklung der Botschaft werden ver-
schiedene Slogans getestet. In einem ersten Schritt werden allgemein gültige Aussagen in der
beauftragten Agentur einem größeren Kreis vorgestellt und diskutiert, um deren Wirkung zu
testen. Nach Präsentation beim Auftraggeber wird dann eine besonders geeignete Version
ausgesucht und weiterentwickelt.
Wie soll nun der Marketingverantwortliche die Wirkung der Werbebotschaft bei der Ziel-
gruppe messen? Grundsätzlich sollten Werbereize drei verschiedene Charakteristika haben:
 Erstens müssen sie aussagekräftig sein, sodass sie den Nutzen verdeutlichen, der das Pro-
dukt für den Kunden aus der Masse hervorhebt.
 Zweitens sollte die Botschaft das beworbene Produkt in besonderer Weise gegenüber dem
Wettbewerb hervorheben und die Unterschiede deutlich machen.
 Und drittens muss die Werbebotschaft glaubhaft sein.
Das letztere Ziel ist besonders schwierig zu erreichen, weil viele Kunden an der Wahrhaftig-
keit der Werbung an sich zweifeln. Marketingverantwortliche argumentieren oft, dass aussa-
gefähige und glaubwürdige Vorteile nicht unbedingt die besten sind, um darauf zu fokussie-
ren. Eine Studie hat herausgefunden, dass ein Drittel der Öffentlichkeit Werbebotschaften
grundsätzlich als „unglaubwürdig“ einstuft. Die Skepsis der Verbraucher überrascht nicht,
wenn man bedenkt, dass viele Anzeigen behaupten, ihr eigenes Produkt sei größer, besser
oder würde wesentlich länger halten als das Konkurrenzprodukt. Deshalb legen immer mehr

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

Unternehmen bei der Entwicklung von Werbekampagnen Wert auf eine ehrliche und aufrich-
tige Kommunikation zum Endverbraucher.
Ein werbendes Unternehmen sollte daher jede einzelne Werbemaßnahme auf maximale Wir-
kung, Glaubwürdigkeit und Erregung von Aufmerksamkeit überprüfen.
Umsetzung der Werbebotschaft Der Verantwortliche muss nun die Idee („Big Idea“) in eine
Anzeige umsetzen, die die Aufmerksamkeit und das Interesse der Zielgruppe weckt. Dabei
hängt die Wirkung nicht nur davon ab, was gesagt wird, sondern auch davon, wie es gesagt
wird. Die Kreativen müssen den besten Stil, die am besten geeignete Stimmung, die besten
Worte und die beste Platzierung für die Umsetzung der Werbung finden. Die Werbebotschaft
kann mithilfe unterschiedlicher Techniken vermittelt werden:
 Die „Slice of life“-Technik zeigt einen Ausschnitt aus dem Alltagsleben, in dem das Pro-
dukt in seinem „normalen“ Umfeld genutzt und gezeigt wird.
 Die „Lifestyle“-Technik betont die Passung eines Produkts zu einem bestimmten Lebens-
stil.
 Die Fantasie-Technik schafft eine Fantasiewelt um das Produkt oder seine Nutzung
herum.
 Die Verwendung von Stimmungen verbindet das Produkt mit einem Bild oder einer Stim-
mung, wie beispielsweise Natur, Schönheit oder Liebe, und macht damit implizit eine
Aussage über das Produkt.
 Durch musikalische Untermalung verbindet man das Produkt mit einem bekannten Lied
oder einer Melodie und zielt so darauf ab, die durch die Musik hervorgerufenen Emotio-
nen mit dem Produkt zu assoziieren.
 Mittels der „Personality-symbol“-Technik kreiert man einen Charakter, der das Produkt
repräsentiert. Der Charakter kann animiert sein (Wüstenrot-Fuchs, Meister Proper) oder
real (Mac vs. PC, Ronald McDonald).
 Die Betonung technischer Expertise verdeutlicht die spezifische Fähigkeit des Unterneh-
mens bei der Herstellung des Produkts.
 Die Technik des wissenschaftlichen Beweises nutzt Umfragen oder wissenschaftliche Stu-
dien, um die Verbraucher von der Überlegenheit eines bestimmten Produkts zu überzeu-
gen.
 Die „Testimonial“-Technik greift auf eine besonders glaubwürdige oder sympathische Per-
son zurück, die erläutert, warum sie das Produkt besonders schätzt. Dies können sowohl
ganz normale Verbraucher als auch Prominente sein.
Zusätzlich dazu muss für die Werbebotschaft auch eine Grundstimmung definiert werden.
Positive Stimmungen, die beispielsweise an „glücklich sein“, „Erfolg“ oder „Spaß“ erinnern,
sind im Sinne der Werbung wirkungsvoller als negative Stimmungen. Experimente haben
gezeigt, dass negative Stimmungen die Mitglieder der Zielgruppe veranlassen könnten, sich
von der Werbebotschaft abzuwenden, ohne sie wahrzunehmen.
Der Marketingverantwortliche sollte zudem insbesondere darauf achten, Worte zu verwen-
den, die bei der Zielgruppe nicht nur Aufmerksamkeit erlangen, sondern auch leicht erinnert
werden können.
Schließlich spielen noch gestalterische Elemente eine große Rolle für die Wirkung der Wer-
bebotschaft. Die Illustration ist das Erste, was der Leser wahrnimmt. Sie sollte stark genug
sein, um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu ziehen. Die Schlagzeile muss die

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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

Angehörigen der spezifischen Zielgruppe anziehen und neugierig machen, den Textblock zu
lesen. Der Textblock sollte knapp, aber präzise formuliert sein und überzeugen. Darüber hin-
aus müssen diese Elemente sorgfältig aufeinander abgestimmt sein und harmonisch zusam-
menwirken.
Selbst wenn diese Forderungen alle erfüllt sind, wird eine Anzeige nur von weniger als 50
Prozent der Betrachter wahrgenommen. Nur 30 Prozent werden sich an die Aussage der
Schlagzeilen erinnern und etwa 25 Prozent werden wissen, wer geworben hat. Weniger als
10 Prozent werden sich mit der gesamten Anzeige beschäftigen und auch die Aussagen aus
dem Textblock lesen. Anzeigen, die Defizite bei der Gestaltung aufweisen, werden nicht ein-
mal diese Ergebnisse erreichen können.

15.3.5 Konsumentengenerierte Werbebotschaften


Immer mehr Unternehmen nutzen aktuelle interaktive Technologien, um mithilfe der Konsu-
menten Werbebotschaften oder sogar ganze Spots zu generieren. Dies geschieht, indem exis-
tierende Videoseiten durchsucht, eigene Seiten erstellt und Wettbewerbe veranstaltet wer-
den, um Ideen zu sammeln. Manchmal sind die Ergebnisse herausragend, manchmal
vernachlässigbar. Wenn es jedoch richtig gemacht wird, kann konsumentengenerierter Inhalt
die „Stimme“ des Käufers beinhalten, in die Markenbotschaft einfließen und so eine größere
Bindung und Identifikation der Konsumenten mit einer Marke schaffen. Das dramatische
Wachstum von Social-Media-Internetseiten ermutigt Werbeagenturen zu Experimenten mit
von Nutzern generierten Werbebotschaften. Viele Marken haben spezielle Webseiten entwi-
ckelt oder veranstalten Wettbewerbe, die Konsumenten dazu einladen, Ideen für Werbebot-
schaften und Videos einzureichen.
Zum Beispiel hat PepsiCos Marke Doritos in den letzten Jahren einen jährlichen Wettbewerb
namens „Crash the Super Bowl Challenge“ veranstaltet, der Konsumenten dazu einlädt, ihre
eigenen Spots zu schaffen über die leckeren, dreieckigen Maischips. Die daraus resultieren-
den Spots waren ein großer Erfolg.
Konsumentengenerierte Werbung ist jedoch nicht in jedem Fall so erfolgreich. Viele größere
Unternehmen haben erkannt, dass Werbung, die von Amateuren gemacht wird, auch durch-
aus recht amateurhaft sein kann. Gut gemacht kann konsumentengenerierte Werbung jedoch
neue kreative Ideen und frische Perspektiven bezüglich einer Marke bringen, und zwar von
Menschen, die diese auch wirklich verwenden. Das Einbeziehen von Nutzern kann das
Nachdenken und Sprechen über die Marke fördern.

15.3.6 Auswahl der Werbemedien


Als Nächstes muss die Entscheidung getroffen werden, mit welchen Werbemedien die Bot-
schaft transportiert werden soll. Die wichtigsten Schritte in diesem Prozess sind:
1. Entscheidungen über Reichweite, Kontakthäufigkeit und Wirkung
2. Auswahl der Mediengattung
3. Auswahl von Werbeträgern
4. Festlegung des Timings der Kampagne

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Entscheidungen über Reichweite, Kontakthäufigkeit und Wirkung Bei den Vorüberlegungen


zur Medienauswahl muss der Marketingverantwortliche entscheiden, welche Reichweite
und welche Kontakthäufigkeit benötigt werden, um die Ziele der Kampagne erreichen zu
können. Die Werbereichweite beschreibt den Prozentsatz der Personen im Zielmarkt, die die
Kampagne während eines gegebenen Zeitraums wahrnehmen können. Eine Vorgabe könnte
zum Beispiel sein: 70 Prozent der Haushalte des Zielmarkts sollen innerhalb von drei Mona-
ten die Kampagne sehen. Der Begriff der Kontakthäufigkeit beschreibt, wie oft eine Person
auf dem Zielmarkt durchschnittlich der Kampagne begegnen soll. Beispielsweise kann eine
Person im Zielmarkt im ersten Monat der Kampagne durchschnittlich viermal angesprochen
werden.
Der Marketingverantwortliche muss außerdem entscheiden, welche Art von Wirkung die
Botschaft qualitativ entfalten soll. Insbesondere die Auswahl des Mediums hat einen nicht
unerheblichen Einfluss auf die Wirkung der Botschaft. Produkte beispielsweise, deren
Anwendungsweise präsentiert werden muss, können mitunter im Fernsehen wirkungsvoller
beworben werden als z.B. im Radio, weil hier sowohl Bild als auch Bewegung und Ton ver-
wendet werden können. Werbung in einer überregionalen Tageszeitung kann wesentlich
glaubwürdiger sein als in einer lokalen Wochenzeitschrift. Generell gilt, je höher Reichweite,
Frequenz und Wirkung der Werbekampagne sein sollen, umso größer muss auch das Werbe-
budget sein.
Im Allgemeinen wollen Marketer ein Medium, das eine enge Beziehung zwischen dem Kon-
sumenten und dem Produkt herstellt, anstelle ihn einfach nur zu erreichen. Daher setzen die
Werbeagenturen gesteigerten Wert auf die Messung der Aktivierung und Bindung von Kun-
den, die durch Medien erreicht werden kann. Letztlich entsteht Markenbindung jedoch im
Kopf des Verbrauchers und weniger durch die Wahl eines Werbemediums. Nur wenn die
Zielgruppe wirklich mit einer Markenidee in Verbindung tritt und von ihr begeistert ist,
schafft es ein Werbetreibender, eine länger andauernde Kundenbeziehung aufzubauen.
Obwohl das Forschungsinstitut Nielsen begonnen hat, diese Verbindung (im Englischen
„Engagement“) verschiedener Medien wie Fernseh- und Radiosender sowie soziale Medien
zu messen, ist es bei den meisten Medientypen immer noch schwierig, an diese Informatio-
nen heranzukommen. Die aktuellen Messdaten enthalten Kategorien wie Bewertungen,
Leserschaft, Hörerschaft und Clickraten für Webseiten. Das Engagement bestimmter Medien
entscheidet sich jedoch im Kopf des Kunden. Ein Fachmann dazu: „Nur die Anzahl an
Augenpaaren vor einem Fernsehbildschirm zu messen, ist schon schwierig, geschweige denn
die Messung der Intensität, mit der diese Augenpaare das Programm verfolgen.“10 Trotzdem
müssen Marketingverantwortliche wissen, was Kunden mit einer Werbung und Markenidee
als Teil einer weitergehenden Markenbeziehung verbinden. Eingebundene Verbraucher wer-
den auf Markenbotschaften eher reagieren und sie sogar mit anderen teilen. Statt also einfach
die Eindrücke der Verbraucher bei der Nutzung eines Mediums nachzuverfolgen – wie viele
Menschen sehen, hören oder lesen eine Werbung – verfolgt Coca-Cola heute auch die daraus
resultierenden Ausdrücke der Kunden, z.B. Kommentare wie ein „Like“, das Hochladen
eines Fotos oder Videos oder das Teilen eines Markeninhalts in den sozialen Netzwerken.
Auswahl der Mediengattung Als Nächstes gilt es, aus der Vielzahl der Medien den Mix zu
definieren, der am ehesten zur Zielerreichung der Kommunikationsstrategie beitragen kann.
Dabei müssen die Medien wegen ihres aktuellen Regional- und Zeitbezugs für jede Kampa-

10 Brian Steinberg, „Viewer-engagement rankings signal change for TV industry“, Advertising Age, 10.
Mai 2010, S. 12.

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gne neu festgelegt werden. Ein Media-Planer sollte die Unterschiede und die Vor- und Nach-
teile der einzelnen Medien in Bezug auf Reichweite, Kontaktfrequenz und Erinnerungsquali-
tät kennen. Tabelle 15.5 zeigt die Vorteile und Beschränkungen der verschiedenen Medien.

Mediengattung Vorteile Beschränkungen


Tageszeitung Flexibilität, Aktualität, Zeitnähe, weite kurze Aktualität (1 Tag), einfache Druck-
Verbreitung, Glaubwürdigkeit qualität, kurze Dauer des Werbekontakts
Fernsehen Sehen, Hören und Bewegung, spricht die hohe absolute Kosten, starker Streuver-
Sinne an, hohe Reichweite lust, kaum Eingrenzung auf Zielgruppe
möglich
Hörfunk hohe Benutzungshäufigkeit, große Aus- nur Hören, Aufmerksamkeit geringer als
wahl in Bezug auf Geografie und demo- beim Fernsehen, in der Regel geringer
grafisches Profil Erinnerungswert
Zeitschriften große Auswahl nach geografischen, lange Vorlaufzeiten für Anzeigen, hohe
demografischen und sonstigen Kriterien, Kosten, Streuverluste, keine Garantie für
gute Druckqualität, längere Zeit im eine bestimmte Positionierung
Umlauf
Direktwerbung genaue Auswahl möglich, Flexibilität, relativ hohe Kosten pro Kontakt, bei vie-
keine Werbung der Konkurrenz im glei- len Empfängern unbeliebt, wenn unbe-
chen Exemplar, Personalisierung möglich stellt
Außenwerbung/Outdoor Flexibilität, hohe Wiederholungsrate, keine Zielgruppenwerbung, vielmehr
(Plakate, Bushaltestellen geringe Kosten, wenig Konkurrenz, breiteste Streuung, grundsätzlich nur
usw.) genaue Platzierung möglich großflächig-optisch, eingeschränkte Kre-
ativität
Digitale und soziale hohe Selektivität, niedrige Kosten, eher geringer Effekt, Empfänger ent-
Medien schnelle Reaktion, Möglichkeit interakti- scheidet über Betrachtung
ver Werbung
Tabelle 15.5: Charakteristika verschiedener Medien

Wie trifft nun der Verantwortliche im Unternehmen oder in der Werbeagentur die richtige
Wahl zwischen den Medien? Media-Planer betrachten viele Faktoren, wenn sie ihre Auswahl
treffen. Die Gewohnheiten der Mitglieder der Zielgruppe werden die Auswahl ebenso beein-
flussen wie die Effektivität, mit der die Zielgruppe über ein bestimmtes Medium erreicht
wird. Außerdem spielt natürlich auch das Produkt selbst eine Rolle. Mode wird sicherlich
am besten in farbigen Hochglanzmagazinen beworben, wohingegen die Leistungsfähigkeit
eines Autos am besten im Fernsehen demonstriert wird. Verschiedene Botschaften können
auch unterschiedliche Medien erfordern: Die Botschaft, dass tags darauf ein großer Ausver-
kauf startet, erfordert eher das Radio oder eine Tageszeitung. Eine Botschaft mit vielen tech-
nischen Daten hingegen kann leichter über spezielle Zeitschriften, Direktwerbung, eine
Onlineanzeige oder eine Webseite an die Zielgruppe kommuniziert werden. Dabei spielen
auch die Kosten eine große Rolle. Während die klassische Fernsehwerbung relativ teuer ist,
können die Kunden über das Radio oder die Zeitung wesentlich günstiger angesprochen wer-
den. Der Media-Planer achtet dabei auf zwei Größen: die Gesamtkosten der Kampagne in
einem Medium und die Kosten pro 1.000 Kontakte.
Die Wirkung der Medien und ihre Kosten müssen immer wieder überprüft werden. Bei
Unternehmen, die bundesweit werben, dominierten lange Zeit Fernsehwerbung und national

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verbreitete Illustrierte den Medienmix. Die Medienwahl scheint sich jedoch zu ändern. Wäh-
rend die Kosten für Massenmedien steigen, sinkt die Anzahl der Zuschauer und neue digitale
und interaktive Medien treten auf, die alternative Wege bieten, den Kunden zu erreichen. Sie
ergänzen die traditionellen Massenmedien durch spezialisierte und höchst zielgerichtete
Medien, die weniger kosten, effektiver zugeschnitten sind und Kunden umfänglicher einbin-
den. Die modernen Marketingverantwortlichen wollen einen vollständigen Mix aus Paid,
Owned, Earned und Shared Media schaffen und spannende Markeninhalte an Zielkunden
vermitteln. Neben der rasanten Verbreitung von Online-, mobilen und sozialen Medien legen
auch Kabel- und Satelliten-Fernsehsysteme wie Sky im Vereinigten Königreich oder Free-
view weiter zu. Diese Systeme ermöglichen eine Eingrenzung der Sendeformate, wie reine
Programme für Sport, Nachrichten, Ernährung, Kultur, Einrichtung und Garten, Kochen,
Reise, Zeitgeschichte, Finanzen und anderes für bestimmte Zielgruppen. Einige Betreiber tes-
ten sogar Systeme, die eine bestimmte Art von TV-Werbung in einer gezielten Umgebung
oder für individuelle Kundengruppen ermöglichen. So laufen Werbespots für einen pol-
nischsprachigen Kanal nur in polnischsprachigen Gebieten, oder Werbung für Tiernahrung
wird nur von Haustierbesitzern empfangen. Werbetreibende können diese zugeschnittenen
Formate für sich nutzen, um in spezielle Marktsegmente vorzudringen, anstatt das „Gießkan-
nenprinzip“ des Rundfunk- und Fernsehnetzes anzuwenden.
Nicht zuletzt haben Werbetreibende in ihren Bemühungen um weniger kostenintensive und
zielgerichtetere Wege zur Kundenerreichung eine überwältigende Vielzahl alternativer
Medien entdeckt. Wohin man auch geht, stößt man heutzutage auf irgendeine Form der Wer-
bung. Diese alternativen Medien scheinen vielleicht etwas weit hergeholt und bisweilen sind
Kunden der empfundenen Werbeflut überdrüssig. Für viele Werbetreibende jedoch sparen
diese Medien bares Geld und eröffnen neue Möglichkeiten, Kunden dort zu erreichen, wo sie
leben, einkaufen und arbeiten.
Das österreichische Unternehmen Red Bull machte in den vergangenen Jahren immer wieder
mit spektakulären Werbeaktionen auf sich aufmerksam. Schauen wir uns genauer an, mit
welcher Medienauswahl das Unternehmen seine Werbebotschaft transportiert.

Marketing-Highlight: Red Bull – eine andere Art der integrierten


Kampagne

Gut 30 Jahre nach seiner Gründung wird die Botschaft von Red Bull weit und breit
durch zahlreiche berühmte Werbeträger sowie Sponsoren aus Sport, Musik und Unter-
haltung in die Welt gesendet. Red Bull ist nicht gerade ein traditioneller Vermarkter. Das
Unternehmen verbreitet seine Markenbotschaft über einen vielseitigen Mix aus Werbe-
maßnahmen und scheut dabei weitgehend die herkömmlichen Medien. Doch die Art,
wie Red Bull seine diversen Botschaften integriert, ist ein Erfolgsmodell, das beim Auf-
bau tiefer emotionaler Kundenbeziehungen direkt ins Schwarze trifft.
Ein ungewöhnlicher Start Alles begann vor gut 30 Jahren, als der österreichische
Zahnpasta-Vertreter Dietrich Mateschitz nach Thailand reiste. Während seines Aufent-
halts dort probierte er ein „Erfrischungsgetränk“ namens Krating Daeng – zu Deutsch
„Büffelwasser“. Es schmeckte scheußlich, erlöste ihn aber sofort von seinem Jetlag. So
führte eines zum anderen und innerhalb weniger Jahre hatten Mateschitz und sein Part-
ner die Rechte zum weltweiten Verkauf der Rezeptur erworben.

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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

Sie nannten sie Red Bull. Von Anfang an war bei Red Bull nichts traditionell. Die
schlanke blau-silberne Dose mit dem Emblem zweier muskelbepackter roter Bullen, die
vor einer leuchtend gelben Sonne ihre Köpfe zusammenstoßen, war mit keinem anderen
Produkt auf dem Markt vergleichbar. Der Inhalt betrug 235 ml. Mit geheimnisvollen
Zutaten wie Taurin und Glucuronolacton sowie einem extrem süßen Geschmack, der oft
mit „flüssigen Gummibärchen“ oder „Hustensaft in der Dose“ beschrieben wird, passte
das Getränk in keine bestehende Kategorie. Und mit einem Preis von 1,65 Euro pro Dose
war Red Bull das mit Abstand teuerste kohlensäurehaltige Getränk im Regal. Doch
gerade mit dieser ungewöhnlichen Kombination rief Red Bull die Sparte der Energy-
drinks ins Leben.
Ein ungewöhnliches Werbeprogramm Als Chef eines jungen Unternehmens ohne gro-
ßes Marketingbudget führte Mateschitz seine unorthodoxen Wege fort, als er Red Bull
auf die Märkte brachte (1994 im Vereinigten Königreich, 1997 in den USA und 2000 im
Mittleren Osten). Er kippte den Trend der aggressiven und exzessiven Werbekampag-
nen, die andere Start-ups in den 1990er-Jahren verfolgten. Stattdessen warf seine junge,
attraktive Armee von Werbeleuten kostenlose Dosen Red Bull aus glänzenden Gelände-
wagen mit dem Logo des Unternehmens und überdimensionalen Dosen als Verzierung
an der Ladefläche. Die Mundpropaganda erledigte den Rest. Auf diese Weise machte
Mateschitz das Produkt Red Bull überall bekannt und baute mit verschwindend gerin-
gem Aufwand ein Markenimage auf.
Schritt für Schritt wuchs nun auch das Portfolio an Werbemethoden bei Red Bull. Das
Unternehmen machte Abstecher in die TV- und Printwerbung, doch die ursprünglichen
Taktiken von Red Bull lagen in der Vermeidung solcher Mainstream-Maßnahmen. Statt-
dessen plante Mateschitz die Bewerbung der Marke in einer Weise, die außerhalb der
Reichweite und Frequenz der normalen Medienpräsenz lag. Er wollte, dass die Marke
die junge Zielgruppe direkt erreicht und sie die ganze Kraft von Red Bull zu spüren
bekommen. Er wollte seine Kunden einbinden – und zwar mit Themen, die eine so
große Bedeutung hatten, dass sie sehr schnell eine tiefe Kundenbeziehung schaffen
konnten. Aus dieser Philosophie entwickelte sich der heutige Kommunikationsmix von
Red Bull. Die folgenden Beispiele beschreiben einige der bisherigen Aktivitäten.
Sportler und Mannschaften. Mit dem Versprechen im Kern der Werbeaussage, dass Red
Bull die Leistungsfähigkeit von Sportlern verbessert, bediente sich die Marke einer
schon von Nike und Gatorade angewandten Strategie und begann früh mit dem Sponso-
ring von Sportlern als Werbeträger. Heute sponsert Red Bull über 650 Athleten in 97
meist „Extrem“-Sportarten: Langstreckenläufer, Triathleten, Rennfahrer, Skifahrer,
Paraglider, Windsurfer. Die Sponsorship-Strategie von Red Bull geht jedoch über die
Förderung einzelner Athleten hinaus. Red Bull besitzt fünf Fußballmannschaften: die
New York’s Red Bulls, Red Bull Salzburg, Red Bull Brazil, Red Bull Ghana und RB Leip-
zig. Auch ein NASCAR Team gehört dem Unternehmen, ebenso wie zwei Formel-Eins-
Rennställe, Eishockey-Mannschaften, Hockey-Teams und andere Rennställe. Viele
behaupten, dass der Besitz von Sportmannschaften für Mateschitz nur ein Hobby sei,
und merken an, dass keines dieser Teams Geld einbringt. Doch für Mateschitz geht das
am Thema vorbei. „In rein finanzieller Hinsicht sind unsere Sportmannschaften noch
nicht profitabel, aber sie sind wertvoll. Der gesamte redaktionelle Medienwert zusam-
men mit den digitalen Medienassets, die rund um die Teams geschaffen wurden – Clips,
Fotos, Social-Media-Einträge –, übersteigt die reinen Werbeaufwendungen.“

715
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

Sportveranstaltungen Nachdem Red Bull durch die Sportler und Mannschaften


Geschäftsbeziehungen aufgebaut hatte, dauerte es nicht lang, bis man auch mit dem Sponso-
ring von Veranstaltungen begann. Heute ist der Name Red Bull bei Dutzenden großer jährli-
cher Veranstaltungen vertreten, darunter die Red Bull Romaniacs Hard Enduro Rallye (ein
Extrem-Langstrecken-Motorradrennen im Gelände, das jedes Jahr in Rumänien stattfindet),
der Red Bull Dolomitenmann (gilt als weltweit härtester Mannschafts-Staffellauf), die Red
Bull X-Alps (ein Marathon über 1.000 Kilometer von Österreich nach Monaco über die
Alpen), die Red Bull Wake Open (Wakeboarding), die Red Bull Rampage (Mountain-Biking)
und die Red Bull Sharpshooters (Basketball). Mit dem Sponsoring solcher Veranstaltungen
hat Red Bull wieder einmal einen ganz neuen Sport erfunden.
Musik und Unterhaltung Red Bull weiß, dass nicht alle Zielkunden sportbesessen
sind, und hat die Strategie für Sponsoring und Veranstaltungen um den Bereich Musik
und Unterhaltung erweitert. Mit seinem untrüglichen Gespür für das Einzigartige spon-
sert Red Bull Künstler, Bands und Veranstaltungen in Tanz, Musik, Film, Videospielen
und anderen kreativen Medien. Red Bull Flying Bach ist eine Tanzgruppe, die Break-
dance zu den Klängen von Bach aufführt. Das Red Bull Canvas Cooler ist ein landeswei-
ter Wettbewerb für die besten Künstler zur Umgestaltung des kultigen Red-Bull-Kühl-
schranks. Und das Red Bull Common Thread ist ein neues Konzept für Konzertreihen –
aufeinanderfolgende Auftritte von Bands, die sich im Laufe ihrer Geschichte dieselben
Mitglieder teilten.
Programmgestaltung Als Produzent von TV-Sendungen wie „No Limits“ auf ESPN
und Filmen wie „That’s It, That’s All“ ist Red Bull kein Neuling in der Medienproduk-
tion. Doch in seinem bisher vielleicht ehrgeizigsten Vorhaben hat Red Bull das Red Bull
Media House gegründet – „das Zentrum des globalen Red-Bull-Mediennetzwerks“ und
„Ihr Zugang zur Welt von Red Bull“. Das Netzwerk umspannt Fernsehen, Printmedien,
Mobilfunk, digitale Medien und Musik. Mit diesem Schritt hat sich Red Bull als bedeu-
tender Anbieter multimedialer Inhalte positioniert.
Um das Ausmaß dieses Netzwerks zu begreifen, sollte man zum Beispiel den Musik-
zweig von Red Bull Media House betrachten. Nicht viel weniger als eine vollständige
Musiksparte, umfasst es Red Bull Publishing (eine Zentrale für sämtliche Musik- und
Audioproduktionen, die bei Red Bull Media House entstehen), Red Bull Records (ein
eigenes Musiklabel) und Red Bull Radio Services (ein Internet-basiertes Netzwerk aus
Radio und eigenen Sendungen). Über dieses Musik-Mediennetzwerk platziert Red Bull
seine Marke in einer Kooperative aus Unternehmen, Marken und Künstlern und regt sie
zur Teilnahme an den Red-Bull-Produktionen an. Multipliziert man dies mit den ande-
ren großen Medien im Netzwerk Red Bull Media House, wird deutlich, dass Mateschitz
Red Bull nicht nur als Getränkemarke betrachtet, sondern als eine globale Lifestyle-
Marke, deren Grenze noch lange nicht erreicht ist.
Alles für den Kunden Von seinen ungewöhnlichen Anfängen hat sich Red Bull zu
einem gewaltigen Unternehmen entwickelt. Im Jahr 2017 verkaufte Red Bull etwa 6,3
Milliarden Dosen seines Getränks und erzielte damit Einnahmen von 6,28 Milliarden
Euro. Angesichts des kontinuierlichen Wachstums hat Mateschitz nicht die Absicht,
kürzer zu treten. Tatsächlich gibt er zu, dass ihn die Idee immer gereizt hat, einen unab-
hängigen Nationalstaat zu gründen – das Red-Bull-Land. „Die Regeln wären einfach.
Niemand sagt einem, was man zu tun hat – nur, was man nicht tun sollte.“

716
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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

Ein weiterer wichtiger Trend bei der Medienauswahl ist der rasante Anstieg der sogenannten
Medien-Multitasker, also Menschen, die mehrere Medien gleichzeitig nutzen. So ist es nicht
unüblich, dass jemand mit einem Smartphone in der Hand fernsieht, dabei mit Freunden auf
Snapchat kommuniziert und auf Google nach Produktinformationen sucht. Eine aktuelle Stu-
die fand heraus, dass 88 Prozent der Besitzer eines Tablets und 86 Prozent der Smartphone-
Nutzer ihre Geräte während des Fernsehens benutzen. Obwohl dieses Multitasking sich teil-
weise auf die Fernsehsendung bezieht – wie die Suche nach relevanten Produkt- und Pro-
gramminformationen – finden dabei auch Aktivitäten unabhängig vom Fernsehprogramm
statt. Werbetreibende müssen diese Medien-Interaktionen daher bei der Entscheidung über
den Einsatz der einzelnen Medien berücksichtigen.11
Auswahl der Werbeträger Der Media-Planer muss nun innerhalb der zuvor ausgewählten
Mediengattungen die am besten geeigneten Werbeträger bestimmen. Wenn die Grundsatzent-
scheidung fällt, in welchen Medien geworben werden soll, denkt der Media-Planer meistens
schon an bestimmte Platzierungen (bei Druckmedien) oder an Hörfunk- oder Fernsehwerbe-
zeiten im Zusammenhang mit beliebten Film- oder Unterhaltungssendungen.
Die Medien können aber nicht jeden Wunsch erfüllen. Die beste Platzierung bei Zeitschriften
zum Beispiel ist die Umschlagseite. Diese Platzierung ist in jeder Ausgabe jedoch nur einmal
verfügbar. Und deshalb ist diese Platzierung auch entsprechend teuer. Ähnlich ist es mit
Fernsehwerbezeiten innerhalb bestimmter Filme in der Hauptsendezeit zwischen 20 und 22
Uhr.
Zudem gibt es heute im Fernsehen eine Kanalvielfalt, durch die es immer schwieriger wird,
eine große allgemeine Zielgruppe umfassend zu erreichen. Selbiges gilt für die Vielfalt an
öffentlich-rechtlichen und privaten Hörfunksendern. Auf der anderen Seite lassen sich aber
auch bestimmte Segmente auf diese Weise genauer definieren und gezielter ansprechen.
Bei der Werbung in Zeitschriften müssen die Media-Planer die jeweiligen Eigenschaften wie
Auflage, Erscheinungshäufigkeit, Kosten einer Anzeige, Druckfarbe oder Platzierung detail-
liert vergleichen. Jedes Land und jede Region hat Zeitschriften, die eine relativ große Leser-
schaft erreichen (z.B. Fernsehprogrammzeitschriften) und die stark auf die jeweilige Ziel-
gruppe ausgerichtet sind (z.B. Frauenzeitschriften oder Fachzeitschriften für Manager oder
Computerinteressierte).
Der Media-Planer wird die Zeitschriften heraussuchen, mit denen er seine Zielgruppe am
genauesten erreichen kann. Dann wird er die ausgewählten Zeitschriften nochmals nach
ihrem Image bezüglich Glaubwürdigkeit und redaktioneller Qualität, nach ihrer Gestaltung
und Druckqualität überprüfen und sich nach den Erscheinungsdaten und Schlussterminen
für Anzeigen erkundigen. Häufig werden bei Abschlüssen über größere Werbevolumen und
längere Zeiträume Nachlässe eingeräumt, die unter günstigen Umständen an anderen Stellen
Erweiterungen oder Ergänzungen der geplanten Kampagnen zulassen.
Die Auftragsvergabe an andere Medien, etwa Zeitungen, erfolgt in derselben Art und Weise.
Als Maßgröße für den Preisvergleich werden normalerweise die Kosten pro 1.000 Kontakte
(Tausender-Preis oder Tausendkontakte-Preis) angegeben. Wenn zum Beispiel eine ganzsei-
tige Anzeige in Farbe im „Economist“ 90.000 Euro kostet und der „Economist“ von drei Mil-

11 Siehe hierzu und zu anderen Statistiken zur Multimedia-Nutzung „Nielsen: most tablet/smartphone
users watch TV at same time“, Electronista, 5. April 2012, www.electronista.com/articles/12/04/05/
simultaneous.use.prevalent.in.us.market/; Lucia Moses, „Second-screen effect“, Adweek, 1. April
2013, S. 16–17 und „TiVo social media and multitasking survey“, Yahoo! Finance, 23. Januar 2013,
http://finance.yahoo.com/news/tivo-socialmedia-multitasking-survey-120600364.html.

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

lionen Menschen gelesen wird, kostet jeweils ein Kontakt 90.000 Euro geteilt durch
3.000.000 Leser, d. h. 30 Euro pro 1.000 Kontakte. Die gleiche Anzeige in „Business Week“
mag nur 60.000 Euro kosten, dafür aber vielleicht nur eine Million Leser erreichen. Absolut
sind das 60 Euro pro 1.000 Kontakte, also eine wesentlich teurere Variante. Bei einer voll-
ständigen Kostenschätzung müssen zudem auch die Layoutkosten für die Anzeigen bzw. bei
Fernsehwerbung die Produktionskosten für den Spot berücksichtigt werden.
Schließlich muss der Media-Planer sich auch mit der Demografie und den Kaufkraftmerkma-
len der Mediennutzer auskennen und aus integrierten Medienangeboten, der Bereitschaft der
Mediennutzer, sich mit Werbung zu befassen, und der redaktionellen Qualität des Mediums
das richtige Medium für die geplante Kampagne auswählen. Eine Anzeige für einen Kopierer
beispielsweise sollte in einem Wirtschaftsmagazin geschaltet werden, da die jeweiligen Ziel-
gruppen nahezu identisch sind. Leser von Modezeitschriften, wie beispielsweise der Vogue,
setzen sich typischerweise eher mit Werbung auseinander als dies die Leser von Wirtschafts-
magazinen tun. Werbung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wiederum ist glaubwürdi-
ger als solche in wöchentlichen Lifestyle-Magazinen wie Gala.
Festlegung des Timings der Kampagne Auch die Entscheidung über zeitliche Dauer und
Zeitpunkt der Werbung ist ein wichtiger Schritt zum Erfolg einer Kampagne. Zunächst ist zu
entscheiden, wie die Werbung auf das gesamte Jahr verteilt wird. Nehmen wir einmal an,
dass ein bestimmtes Produkt (zum Beispiel Kinderspielwaren) einen Absatzhöhepunkt im
Dezember und einen starken Absatzrückgang im März hat. Das Unternehmen kann dann aus
den folgenden grundlegenden Strategien wählen:
 Das Saisongeschäft wird mit starker Werbung angeheizt.
 Während der schwachen Perioden wird der Absatz belebt.
 Ungeachtet der saisonalen Schwankungen wird das ganze Jahr über möglichst gleichmä-
ßig Werbung durchgeführt.
Seit das Gesetz der zeitlichen Bindung von Sommer- und Winterschlussverkäufen in
Deutschland außer Kraft getreten ist, werben die meisten Kaufhäuser und Einzelhandelsge-
schäfte nicht mehr nur zu Beginn einer neuen Jahreszeit mit besonders attraktiven Angebo-
ten, sondern hauptsächlich auch anlässlich spezieller Feiertage wie Weihnachten, Muttertag
oder Ostern.
Nicht zu vernachlässigen ist die Entscheidung über den Erscheinungsrhythmus der Wer-
bung. Eine Anzeigenwerbung kann in gleichen Zeitabständen, zum Beispiel regelmäßig an
einem bestimmten Wochentag, kontinuierlich über ein Jahr erscheinen, sie kann aber auch
pulsierend, z. B. in zehn Blöcken mit jeweils fünf Schaltungen innerhalb einer Woche, einge-
setzt werden. Eine wiederholte Konzentration der Werbung zu bestimmten Zeitpunkten bie-
tet den Vorteil, dass das Produkt besser bekannt wird und dass diese Produktbekanntheit
offensichtlich auch für längere Zeit anhält. Diejenigen, die diese Methode bevorzugen, argu-
mentieren zudem, dass hierbei mit viel niedrigeren Kosten die gleiche Wirkung wie mit kon-
tinuierlicher Werbung erzielt werden kann. Kritiker dieses Vorgehens weisen darauf hin,
dass dieses „Pulsieren“ zwar eine hohe Produktbekanntheit ermöglicht, aber eine gewisse
Tiefe der werblichen Kommunikation verloren gehen kann.
Mithilfe der modernen Online- und sozialen Medien können Werbetreibende Anzeigen
gestalten, die in Echtzeit auf bestimmte Ereignisse reagieren. So stellte der Luxus-Fahrzeug-
hersteller Lexus ein neues Modell über ein Live-Streaming von der nordamerikanischen
International Auto Show auf dem Facebook News Feed vor. Allein in den ersten zehn Minu-
ten verfolgten etwa 100.000 Menschen die Präsentation live; weitere 60.000 sahen sie in den

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15.3 Grundsatzentscheidungen bei Werbemaßnahmen

folgenden Tagen online. Die Gebäckmarke Oreos reagierte blitzschnell auf einen Stromausfall
während des US-Super-Bowl XLVII mit dem Thema Dunkelheit und twitterte den Slogan:
„Dippen kann man auch im Dunkeln“. Diese schlagfertige Werbung wurde in nur 15 Minuten
retweeted und positiv kommentiert.12

15.3.7 Messung von Werbewirkung und Werbeerfolg


Für die meisten Unternehmen stellt die Messung von Werbewirkung und Werbeerfolg ein
aktuelles Thema dar. Zunehmend fragt sich das Top-Management „Investieren wir den richti-
gen Betrag in Werbung?“ und „Was bekommen wir für unsere Investition in Werbung
zurück?“.
Vor diesem Hintergrund sollte eine Werbemaßnahme regelmäßig im Hinblick auf die Kom-
munikationswirkung und die messbare Wirkung auf den Absatz überprüft werden. Die Mes-
sung des Kommunikationseffekts bzw. der Test des Entwurfs einer Werbemaßnahme (copy
test) gibt Auskunft darüber, ob eine Werbemaßnahme die Botschaft in geeigneter Weise über-
mitteln kann. Ein Test kann durchgeführt werden, bevor die Werbemaßnahme in den Markt
einfließt, man kann aber auch eine bereits im Markt etablierte Werbemaßnahme testen. Sol-
che Tests können für eine einzelne Werbemaßnahme oder für eine komplette Werbekampa-
gne durchgeführt werden.
Die Messung der verschiedenen Kommunikationseffekte von Anzeigen und Anzeigenkampa-
gnen stellt für Werbetreibende eine lösbare Aufgabe dar. Die Messung der monetären Effekte
hingegen, wie beispielsweise die Steigerung der Verkaufsmenge oder des Umsatzes, gestaltet
sich weitaus schwieriger. Fragen wie „Welcher Absatz und Umsatz wird durch eine Anzeige
verursacht, die die Markenbekanntheit um 20 Prozent und die Markenpräferenz um 10 Pro-
zent steigert?“ sind schwierig zu beantworten. Der Absatz ist üblicherweise von deutlich
mehr Faktoren abhängig als nur der Werbung, zum Beispiel auch von Produkteigenschaften,
dem Preis und der Verfügbarkeit. Trotz dieser Schwierigkeiten ist es für den Werbetreibenden
wichtig, die Wirkung einer Anzeige oder einer Kampagne zu messen. Bevor eine Werbemaß-
nahme geschaltet wird, kann der Marktforscher sie Konsumenten zeigen, fragen, wie sie
ihnen gefällt, die Erinnerung der Werbebotschaft oder daraus resultierende Einstellungsände-
rungen messen. Bei der Wirkungsmessung nach Durchführung einer Maßnahme kann er die
Werbeerinnerung, die Bekanntheit von Produkt oder Marke, das Produktwissen, Präferenzen
oder Kaufabsichten erfragen.
Um eine Auswertungsgrundlage zu haben, sollten Größen wie beispielsweise die Bekannt-
heit der Marke, Detailkenntnisse über Marke oder Produkt, Einstellungen und Überzeugun-
gen in Bezug auf die Marke und Präferenzen oder Kaufabsichten bereits vor der Werbeaktion
festgehalten werden. Unmittelbar nach einer Werbemaßnahme wird eine Stichprobe der Per-
sonen, die der Werbemaßnahme ausgesetzt waren, zu ihrer Erinnerung befragt. Wenn sich
das Unternehmen vorher vorgenommen hatte, den Bekanntheitsgrad der Marke in der Ziel-
gruppe von 20 Prozent auf 50 Prozent zu steigern, aber nach der Kampagne nur 30 Prozent
Bekanntheit feststellen kann, müssen die Ursachen dafür untersucht werden. Es kann bei-

12 Zu diesem und anderen Beispielen siehe Christopher Heine, „Lexus nabs 100K video views on Face-
book – in 10 minutes“, Adweek, 23. Januar 2013, www.adweek.com/news/technology/print/146726;
Matt McGee, „Oreo, Audi, and Walgreens Newsjack Super Bowl Blackout Bowl“, Marketing Land, 3.
Februar 2013, http://marketingland.com/oreo-audiwalgreens-market-quickly-duringsuper-bowl-
blackout-32407 und „Arby’s slayed the Grammys with this tweet about Pharrell Williams’ hat“, Ad-
week, 27. Januar 2014, www.adweek.com/print/155237.

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

spielsweise das Budget für ein derartiges Ziel nicht ausreichend hoch sein oder die Qualität
der Werbung war nicht gut genug bzw. die Maßnahme war nicht ausreichend auf die Ziel-
gruppe ausgerichtet. Eine genaue Messung der Effektivität von Werbung ist aber in der Regel
schwierig aufgrund der Vielfalt der die Konsumentenwahrnehmung und die Kaufentschei-
dung beeinflussenden Faktoren.

Wiederholungskauf
Zufriedenheit Langeweile
Erstkauf (Probieren)
Handlung Unzufriedenheit

Kaufabsicht
Akzeptanz Desinteresse
Aufbau einer
Präferenz
Begeisterung Gleichgültigkeit
Aufbau einer
positiven Einstellung
Lernen Ablehnung
Kenntnis über
das Produkt
Wahrnehmung Vergessen
Unkenntnis über
das Produkt
Abbildung 15.2: Die verschiedenen Ebenen der Kommunikationseffekte

Trotz der Schwierigkeit, die Wirkung von Werbung zu messen, sollte sie regelmäßig evaluiert
werden.
Abbildung 15.2 zeigt die verschiedenen Ebenen der Kommunikationseffekte, die der Marke-
tingverantwortliche im Rahmen einer Kommunikationskampagne überwachen und messen
sollte:
 Die Veränderung der Markenbekanntheit ergibt sich aus der Differenz zwischen der
Anzahl an Kunden, die die Marke vor bzw. nach der Werbekampagne kennen. Wenn nur
eine kleine Erhöhung oder vielleicht sogar ein Rückgang der Markenbekanntheit stattge-
funden hat, muss der Marketingverantwortliche prüfen, ob die Gründe für den schwachen
Effekt in der Kampagne selbst oder in zu geringen Werbeaufwendungen liegen.
 Die Einstellung des Verbrauchers gegenüber der Marke kann vor und nach der Kampagne
untersucht werden. Eine informative Anzeige erlaubt den Konsumenten, etwas über die
Marke und deren Vorteile zu lernen. Wenn eine Botschaft nicht zielgerichtet genug ist
oder eine unerwünschte und unglaubwürdige Information kommuniziert wird, reagieren
die Konsumenten mit Ablehnung gegenüber der Marke. Die Kreativen müssen dann ein
neues Layout für die Anzeige entwickeln, das einen größeren Einfluss auf die Endverbrau-
cher hat, oder den Text überarbeiten, um die Markenvorteile gegenüber der Zielgruppe
verständlicher zu kommunizieren.
 Verbraucher, die positiv gegenüber den kommunizierten Vorteilen einer Marke eingestellt
sind, können aus ihrer positiven Meinung eine klare Markenpräferenz entwickeln. Dem-
entsprechend können vor und nach einer Kampagne Messungen durchgeführt werden, die
eine Veränderung in der Markenpräferenz deutlich machen. Auf diese Weise können auch
Gründe für die Ablehnung einer Marke erkannt werden.

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15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung

 Eine Kampagne kann dazu verwendet werden, eine Präferenz unter den Kunden in eine
Kaufabsicht umzuwandeln. Auch diese Art der Reaktion auf Werbung kann gemessen wer-
den.
 Wie bereits erwähnt, ist es sehr schwer, den Verkaufseffekt einer Kampagne zu messen.
Eine Möglichkeit ist der Vergleich der Verkäufe vor der Anzeige mit der Anzahl der Ver-
käufe nach der Anzeige. Auch die Durchführung von Experimenten eignet sich zur Mes-
sung des Verkaufseffekts. Um beispielsweise die Auswirkung von verschiedenen Anzei-
gen zu testen, hat Pizza Hut die Höhe der Werbeaufwendungen in verschiedenen, fest
voneinander abgegrenzten Märkten variiert und die Unterschiede der Verkaufsergebnisse
miteinander verglichen. Hierbei könnte beispielsweise die normale Höhe an Werbeauf-
wendungen in einen Markt investiert werden, die Hälfte der normalen Höhe in einen
anderen Markt und doppelt so viel in eine dritte Region. Wenn diese drei Märkte sich ähn-
lich verhalten und wenn alle anderen Marketinganstrengungen vergleichbar sind, dann
können die unterschiedlichen Verkaufsergebnisse in den drei Regionen auf die verschie-
denen Investitionen zurückgeführt werden. Bei noch komplexeren Experimenten könnten
weitere Variablen, wie beispielsweise eine unterschiedliche Gestaltung der Anzeige oder
der Einsatz verschiedener Medien, berücksichtigt werden.
 Wenn der Kunde mit der gekauften Marke zufrieden ist, dann führt dies zu Wiederho-
lungskäufen. Das Ausmaß, in dem eine Anzeige oder eine spezielle Erinnerungskampagne
Wiederholungskäufe beeinflusst, ist aufgrund einer fehlenden Trennung von kurzfristigen
und langfristigen Effekten schwierig zu messen. Vorher-nachher-Untersuchungen oder
kontrollierte Experimente können durchgeführt werden, um Kauf- oder Verwendungsver-
änderungen zu untersuchen. Der Marketingverantwortliche sollte aber auf jeden Fall ein
Feedback von den Verbrauchern einholen, um ein besseres Verständnis davon zu bekom-
men, wie die Kommunikation die Wiederholungskäufe beeinflusst. Aufgrund der speziel-
len Charakteristika von Konsumgütern darf die Werbung jedoch nicht für schlechte Wie-
derkaufraten des Produkts verantwortlich gemacht werden. So ist es möglich, dass sich
ein Konsument langweilt, wenn er über einen längeren Zeitraum hinweg immer das glei-
che Produkt verwendet. Er wünscht sich auch Abwechslung („variety seeking“). In diesem
Fall ist eine Anzeige nicht stark genug, den Konsumenten von einem Markenwechsel
abzubringen.

15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung


Zur erfolgreichen Entwicklung von Werbestrategien und -programmen muss sich das Unter-
nehmen mit zwei weiteren Fragen auseinandersetzen. Erstens muss entschieden werden, wie
die Funktion der Werbung organisiert werden soll: Wer übernimmt welche Aufgaben? Zwei-
tens muss die Frage geklärt werden: Wie will das Unternehmen seine Konzepte und Strate-
gien an die Komplexität internationaler Märkte anpassen?

15.4.1 Organisation der Werbung


Abhängig von der Organisationsstruktur des Unternehmens kann auch die Werbung von
unterschiedlichen Stellen aus gesteuert werden. In kleinen oder mittleren Unternehmen ist
es durchaus üblich, dass jemand im Vertrieb oder in der Marketingabteilung auch die Anzei-
genschaltung betreut. Großunternehmen können Abteilungen für Werbung einrichten, deren
Aufgabe es ist, das Kommunikationsbudget festzulegen, mit Werbeagenturen zusammenzuar-

721
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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

beiten, Displays und Verkaufshilfen an den Handel zu verteilen und andere Aufgaben, die
Agenturen nicht wahrnehmen, durchzuführen. Die meisten Unternehmen, ungeachtet des-
sen, ob sie groß oder klein sind, tendieren dazu, mit externen Werbeagenturen zusammenzu-
arbeiten. Aus einer solchen Zusammenarbeit erwartet man folgende Vorteile:
 Agenturen haben Spezialisten, von denen man glaubt, dass sie bestimmte Aufgaben
(Marktforschung, kreative Arbeit) professioneller und besser erfüllen können.
 Agenturen bringen einen neuen und frischen Standpunkt von außen in das Unternehmen
hinein, gepaart mit jahrelanger Erfahrung aus der Arbeit für ganz unterschiedliche Kun-
den und in verschiedenen Situationen.
 Agenturen haben gegenüber den Medien eine bessere Position in Bezug auf die Konditio-
nen, weil sie die Nachfrage mehrerer Unternehmen bündeln. Häufig erhalten sie auch von
den Medien Provisionen, die schon einen Teil ihrer Aufwendungen tragen.
Andererseits können auch Nachteile entstehen, wenn man die Werbung an eine externe
Agentur vergibt. Hierzu gehören:
 Keine vollständige Kontrolle über die eigenen Werbemaßnahmen
 Geringere Flexibilität
 Konflikte, wenn die Arbeitsmethoden der Agentur von denen im eigenen Unternehmen
abweichen
 Keine Kontrolle über die Koordination der Kommunikationsaktivitäten
Trotz dieser zweifellos vorhandenen Problempotenziale sind die meisten Unternehmen der
Ansicht, dass die Vorteile aus der Zusammenarbeit mit einer Agentur überwiegen.
Wie arbeitet eine Werbeagentur? Die Anfänge der Werbeagenturen gehen bis in die Mitte des
19. Jahrhunderts zurück, als einige Geschäftsleute und Makler, die für die damaligen Medien
tätig waren, sich selbstständig machten und auf Provisionsbasis Anzeigen verkauften. Im
Lauf der Jahre setzte sich durch, dass diese Verkäufer den damaligen Kunden mehr und mehr
dabei behilflich waren, Werbekampagnen zu gestalten. Daraus entwickelten sich selbststän-
dige Agenturen, die ihre Aufgabe mehr darin sahen, die Interessen der Werbung treibenden
Unternehmen gegenüber den Medien zu vertreten, als dass sie Mitarbeiter der damaligen
Medien gewesen wären.
Heute sind Agenturen teilweise sehr große Unternehmen. Agenturen wie McCann, WPP oder
die BBDO-Gruppe vergeben im Auftrag ihrer Kunden jedes Jahr Werbemaßnahmen im Wert
von mehr als fünf Milliarden US-Dollar. In den vergangenen Jahren haben diese Agenturen
große Wachstumsraten verzeichnet, da sie national und international andere Agenturen auf-
gekauft und große Agentur-Holdings gebildet haben.
Die meisten großen Agenturen verfügen sowohl über die Mitarbeiter als auch über die übri-
gen Ressourcen, um alle Phasen einer Werbekampagne für ihre Kunden durchführen zu kön-
nen. Üblicherweise wird dabei mit dem Marketingplan begonnen, um dann die Kampagnen
inklusive Ausarbeitung und Platzierung von Anzeigen zu entwickeln. In der Regel sind diese
Agenturen in vier Abteilungen gegliedert:
 Kreativität: Die Kreativabteilung kümmert sich um Entwurf, Konzipierung und Entwick-
lung der Werbung.
 Medien: Die Medienabteilung wählt die jeweils geeigneten Medien aus und sorgt für die
Schaltung der Anzeigen, Spots etc.

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15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung

 Marktforschung: Die Marktforschung beschäftigt sich mit der Charakteristik und den
Wünschen der Zielgruppen.
 Abwicklung/innere Dienste: Die Abteilung Verwaltung und Abwicklung nimmt administ-
rative Aufgaben wahr.
Jeder Kunde (Account) wird von einem für ihn zuständigen Mitarbeiter umfassend betreut
(Account Executive). Die Mitarbeiter in den verschiedenen Abteilungen einer Agentur arbei-
ten für einen oder mehrere Kunden.
Traditionellerweise werden Werbeagenturen zum Teil aus Provisionen und zum Teil aus
Honoraren bezahlt. Agenturen mit großem Auftragsvolumen erzielen meistens günstigere
Konditionen und höhere Provisionen für sich selbst. Trotzdem gibt es inzwischen viele Geg-
ner des Systems, sowohl bei den Unternehmen wie auch bei den Agenturen. Großunterneh-
men mit hohem Werbeaufkommen beklagen sich, dass sie an ihre Agenturen sehr hohe Pro-
visionen bezahlen müssen und damit mehr für eine bestimmte Dienstleistung bezahlen, als
wenn sie weniger Werbung in Auftrag geben würden, und das, obwohl eine vergleichbare
Kampagne die gleiche Arbeitsleistung von der Agentur verlangt. Marketingverantwortliche
hegen gelegentlich auch den Verdacht, dass die Agenturen wegen der Provisionen lieber lang
dauernde und teure Kampagnen entwerfen würden. Andererseits argumentieren die Werbe-
agenturen, dass sie hier zusätzliche Dienstleistungen für ihre Kunden erbringen, ohne dafür
bezahlt zu werden.
Die Bezahlung auf Provisionsbasis wird insbesondere den neuen Medien, wie zum Beispiel
dem Internet, nicht gerecht. Im Ergebnis müssten sich zusätzliche Vergütungsanteile zum
Beispiel aus der Nutzungsfrequenz der Internetseiten ergeben, da eine Provision auf die rela-
tiv geringen Entgelte nicht ausreichend ist.
Alles aus einer Hand ... Viele Agenturen expandieren in benachbarte Geschäftsfelder. Diese
diversifizierten Werbeagenturen bieten einschließlich Werbung, Sonderaktionen, Marktfor-
schung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Direkt- und Onlinemarketing die komplette Liste integ-
rierter Marketingdienstleistungen unter einem Dach an. Zusätzlich dazu bieten einige auch
Marketingberatung, Produktion von Fernsehspots und Verkaufstraining an, um ihren Kunden
als kompetenter Partner für alle Fragen des Marketings gegenüberzutreten. Dies kann für das
Unternehmen durchaus vorteilhaft sein. Die Werbeagentur ist gegenüber dem Unternehmen
wegen des großen Auftragsvolumens mehr in der Pflicht. Es ist effizienter, nur einen Partner
und nicht mehrere zu haben, es vereinfacht die Abläufe, Agenturhonorare müssen nur ein-
mal ausgehandelt werden, es wird sichergestellt, dass das Marketing weltweit homogen ist,
und eine international tätige Allzweck-Werbeagentur kann der richtige Partner sein, wenn es
darum geht, gute Ideen schnellstmöglich auf viele nationale Märkte zu übertragen.
Die meisten Agenturen mussten in der Vergangenheit jedoch erfahren, dass Unternehmen
nicht viel mehr als die traditionellen Werbedienstleistungen von ihnen in Anspruch neh-
men, da sie Kernkompetenzen nicht aus der Hand geben oder den Wettbewerb zwischen den
Agenturen aufrechterhalten wollen. Gelegentlich kommen höchstens noch Direktmarketing,
Sonderaktionen und Öffentlichkeitsarbeit hinzu. Deshalb konzentrieren sich viele Agenturen
wieder auf ihre traditionellen Dienste und ihre Kernkompetenzen. Einige haben kleine „Kre-
ativbüros“ gegründet, in denen besonders geeignete Mitarbeiter ohne die Fesseln einer gro-
ßen Agenturbürokratie ihre kreativen Talente für anspruchsvolle Großkunden unter Beweis
stellen können.

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

... oder Wettbewerb der Agenturen um den Kunden? Die meisten Unternehmen führen vor
der finalen Auftragsvergabe einen sogenannten „Pitch“ durch. Hierbei wird mehreren Agen-
turen die gleiche Aufgabe gestellt. Diese müssen dann ein kreatives Konzept entwickeln und
präsentieren, und anschließend werden die Ergebnisse in der Marktforschung getestet. Die
beste Idee und somit die beste Agentur gewinnt dann den Etat des Unternehmens.
Einige Unternehmen, wie zum Beispiel Coca-Cola, suchen neue Wege der Kreativität und
sichern sich über die Beteiligung einer großen Anzahl kleiner und großer Agenturen an den
Aufträgen die kreativen Potenziale vieler. Procter & Gamble, Unilever und Nestlé halten sich
einige der renommiertesten Agenturen der Welt auf Abruf, um gegebenenfalls die Schwä-
chen einer Agentur auf bestimmten Märkten oder bei bestimmten Dienstleistungen mit den
Stärken einer anderen Agentur kompensieren zu können.

15.4.2 Werbung auf internationalen Märkten


Auch auf internationalen Märkten ist Werbung das Mittel, um die Bekanntheit einer Marke
aufrechtzuerhalten oder zu steigern. Die Problemstellungen bei internationaler oder weltwei-
ter Werbung sind jedoch im Vergleich zu Werbung lediglich auf dem heimischen Markt
wesentlich komplexer.
Um internationale Werbung handelt es sich, wenn für eine Angelegenheit oder eine Organi-
sation oder für den Verkauf von Gütern oder Dienstleistungen in mehr als einem Land oder
in verschiedenen Teilen der Welt Werbung betrieben wird.
Wenn Werbekampagnen für internationale Märkte entwickelt werden sollen, müssen
zunächst zwei Grundsatzentscheidungen getroffen werden:
 Standardisierung oder Differenzierung
 Zentrale oder dezentrale Planung und Durchführung

Standardisierung versus Differenzierung


Hierbei geht es darum, in welchem Ausmaß die Werbung den Charakteristika der verschiede-
nen nationalen Märkte angepasst werden muss, oder ob es möglich ist, international mit
einer standardisierten Kampagne zu arbeiten. Einige der großen weltweit operierenden
Unternehmen und ihre Agenturen haben versucht, für ihre in der ganzen Welt etablierten
Marken in hohem Maße weltweit standardisierte Werbung zu betreiben, mit Kampagnen, die
sowohl in Bangkok funktionieren als auch in Budapest. Zum Beispiel verwendet Coca-Cola
für seine Marke Sprite einen standardisierten Ansatz, der weltweit die Jugendlichen
anspricht. Anzeigen für den Rasierapparat Venus von Gillette sind weltweit nahezu identisch
und werden nur minimal an lokale Kulturen angepasst. Ericsson, der schwedische Telekom-
munikationskonzern, hat 70 Millionen Euro für eine globale Fernsehwerbung mit dem Titel
„Make yourself heard“ ausgegeben.
Die Erfolgschancen für einen derartigen Ansatz hängen davon ab, inwieweit das Produkt
bzw. die Dienstleistung kulturgebunden ist, inwiefern sich das Kaufverhalten der Konsumen-
ten auf den internationalen Märkten ähnelt, wie sich die Konkurrenz verhält und in welchem
Maß nationale Gesetzgebung und Regulierungen der Absatzmärkte ein standardisiertes Vor-
gehen zulassen. Die Gesamtheit dieser Faktoren bestimmt, wie weit sich Werbekonzepte
auch über Grenzen transferieren lassen.
Seit einigen Jahren erfordert die enorme Beliebtheit der sozialen Netzwerke und der Verbrei-
tung von Videos zunehmend eine Vereinheitlichung der Werbung globaler Marken. Die meis-

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung

ten großen Marketing- und Werbekampagnen beinhalten eine starke Onlinepräsenz. Ver-
netzte Verbraucher können über das Internet und die sozialen Medien ganz einfach Grenzen
überschreiten, was es für Werbetreibende schwierig macht, an das jeweilige Land angepasste
Kampagnen auf kontrollierte und strukturierte Art und Weise zu entwickeln. Im Ergebnis
nehmen die meisten globalen Konsummarken als Reaktion darauf mindestens eine internati-
onale Koordination ihrer Webseiten vor.
Vorteile der Standardisierung Soweit sich Standardisierung durchsetzen lässt, entstehen
durch sie viele Vorteile für das Unternehmen:
 Große Kostenersparnis bei Entwurf und Durchführung von Werbekampagnen
 Hoher Koordinierungsgrad ist selbst für weltweite Kampagnen möglich
 Entstehen eines weltweit gleichartigen Produkt-, Marken- und Unternehmensimage
Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass unüberlegte Standardisierung in der Werbung
für viele Rückschläge verantwortlich ist.
Defizite der Standardisierung Eine Standardisierung ignoriert, dass jeder nationale Markt
seine Eigenheiten hat. Dies gilt nicht nur, wenn man auf anderen Kontinenten tätig wird,
sondern auch innerhalb eines Kontinents oder einer politischen Union wie Europa mit sei-
nen vielfältigen kulturellen, demografischen und wirtschaftlichen Unterschieden. Ein pan-
europäisches Werbekonzept erscheint für die meisten Produkte nahezu undenkbar, da zwi-
schen den Staaten große Unterschiede in Bezug auf Kultur, Sprachen, Traditionen, Musik,
Überzeugungen, Wertvorstellungen und Lebensstil bestehen. Briten beispielsweise haben in
vielerlei Hinsicht mehr mit Australiern gemeinsam, die am anderen Ende der Welt leben, als
mit Deutschen oder Franzosen.
Selbst wenn ein Werbekonzept, ähnlich wie das Produkt, die Dienstleistung oder die Marke
selbst, international standardisiert werden kann, ist es häufig nicht möglich, seine Ausfüh-
rung zu standardisieren. Jegliche Kommunikation wird unüberbrückbar von Sprache und
Kultur dominiert. Ein Produkt, ein Dienstleistungskonzept oder eine Marke können interna-
tional standardisiert werden. Die Werbung unterliegt jedoch der Sprache und Kultur des
Absatzmarkts.
Grundsätzliche Standardisierung mit notwendiger lokaler Anpassung Daher gilt es bei
internationaler Werbung, „global zu denken und lokal zu handeln“ („Think globally, act
locally“). Hierbei werden zunächst globale Werbestrategien entworfen, die auf Schlüssigkeit
und Effizienz ausgerichtet sind. Unter dem Dach dieser Strategie werden dann die Werbepro-
gramme für den jeweiligen regionalen oder lokalen Markt adaptiert. Selbst wenn eine stan-
dardisierte Botschaft verwendet wird, geht das Werbeprogramm dann viel genauer auf die
Bedürfnisse und Erwartungen der Käufer ein, als dies weltweit standardisierte Programme
leisten könnten.
Ein Beispiel für national angepasste Werbebotschaften waren Kampagnen für Schreibgeräte der
Marke Parker. In Deutschland sah man eine Hand, die einen Parker hielt, unter der zu lesen
stand: „So schreibt man mit Präzision“. In Großbritannien, wo Parker Marktführer ist, sah man
Fotos aus dem Herstellungsprozess hochwertiger Schreibgeräte, zum Beispiel das Polieren von
Goldfedern der Parker-Füllfederhalter. In den Vereinigten Staaten hatte sich Parker dazu ent-
schlossen, die Betonung auf Status und Image seiner Produkte zu legen. Die Bildüberschriften
lauteten: „So zeigt man, wer der Boss ist“ und „Manchmal muss es einfach ein Parker sein“.
Das Unternehmen begründete die unterschiedlichen Werbethemen mit dem unterschiedlichen
Produktimage und den unterschiedlichen Kaufmotiven auf den verschiedenen Märkten.

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

Je homogener die Zielgruppe in ihren Bedürfnissen ist und je mehr das Produkt aus gleichar-
tigen Kaufmotiven erworben wird, desto eher kann international standardisierte Werbung als
das geeignete Instrument angesehen werden.
Dies gilt zumeist für das Marketing von Industriegütern. Wer eine Industriemesse wie die
Hannover Messe oder die Baumaschinenmesse „Bauma“ in München besucht, kann beob-
achten, wie große Geräte wie Baumaschinen oder Kräne den Besuchern aus Europa, Amerika
oder Asien in gleicher Weise angeboten werden. Die Motive und Beweggründe für den Kauf
sind international als gleich anzusehen: Leistungsfähigkeit, Produktivität und Störsicherheit,
Preis und günstige Folgekosten über die gesamte Lebensdauer der Investition, Verfügbarkeit
von Ersatzteilen und Service.
Werbung für Konsumgüter eignet sich weniger für eine Standardisierung über Ländergrenzen
hinweg. Trotzdem lassen sich beachtliche Ähnlichkeiten in den Segmenten, die sich aus
wohlhabenden Konsumenten zusammensetzen, finden. Diese Verbraucher fühlen sich durch
Marken wie Mont Blanc, Chanel, LVMH und Hugo Boss angesprochen. Ähnlich lassen sich
auch junge Segmente in unterschiedlichen Ländern mit einer gemeinsamen Werbebotschaft
ansprechen. Marken wie Nike, Pepsi und Jeep werden weltweit auf die gleiche Weise bewor-
ben: Jeep hat ein globales Markenimage von Unempfindlichkeit und Verlässlichkeit aufge-
baut; Nike drängt Amerikaner, Afrikaner, Asiaten und Europäer dazu, „es einfach zu tun“
(„Just do it“); Pepsi nutzt weltweit eine standardisierte Ansprache für seine jugendliche Ziel-
gruppe.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein international standardisierter Ansatz der Wer-
bung sinnvoll sein:
 Der Nutzen des Produkts oder der Marke ist auf jedem der Zielmärkte gleichartig.
 Die Kaufinteressenten auf jedem Zielmarkt haben ähnliche Erwartungen an das Produkt.
Ein Beispiel sind die Erwartungen von Geschäftsreisenden an ihre Fluglinie, die sich wohl
in keinem Land wesentlich unterscheiden.
 Die Zielgruppen auf jedem der Zielmärkte sind homogen, sodass ein vergleichbarer
Medieneinsatz erfolgen kann.
 Das beworbene Produkt befindet sich auf jedem der Zielmärkte in einer vergleichbaren
Phase seines Produktlebenszyklus.
 Die angebotene Marke hat eine starke Position auf jedem der Zielmärkte mit einem großen
Werbebudget.
 Die Grundidee der Werbebotschaft ist übertragbar.
In Abhängigkeit von den Gegebenheiten auf den unterschiedlichen Ländermärkten kann der
individuelle Stil der Werbung unterstützt werden oder eine Anpassung verlangen. In Nord-
amerika beispielsweise hat sich ein bestimmter „Glamour-Stil“ durchgesetzt, der in Europa
zum Teil als übertrieben und lächerlich empfunden wird. In Großbritannien werden in der
Werbung häufig Ironie, Understatement und Groteske in Anlehnung an „Monty Python“ oder
„Mister Bean“ verwendet. Frankreich ist für einen Zukunftsglauben (z. B. TGV-Züge, Con-
corde) und Eleganz, Kreativität und Schönheit bekannt (z. B. Renault: „Créateur d’automobi-
les“, L’Oréal-Gruppe: „Weil ich es mir wert bin“) und in Deutschland identifiziert man sich
gerne mit eher nüchterner Werbung zum Thema Technik, Funktionalität, Wirtschaftlichkeit
und Zukunftssicherung.

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15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung

Standardisierung durch Clusterbildung In der Praxis werden häufig Gruppen (Cluster) gebil-
det aus Ländern, die ähnliche wirtschaftliche, sozioökonomische, kulturelle oder gesetzgebe-
rische Merkmale aufweisen. Auf diese Weise kann in Ländergruppen wie beispielsweise
Deutschland – Österreich – Schweiz oder Niederlande – Belgien – Luxemburg standardi-
sierte Werbung mit Erfolg durchgeführt werden.
Die Möglichkeiten der Clusterbildung sind jedoch beschränkt, und es wäre unrealistisch
anzunehmen, dass die kulturellen Unterschiede und die verschiedenen Traditionen inner-
halb der Europäischen Union kurzfristig verschwinden würden. Trotz politischer Einheit
muss sicherlich auch weiterhin noch unterschiedlichen Bedürfnissen und Wünschen Rech-
nung getragen werden. Für Asien gilt Ähnliches. Als Konsumenten oder beispielsweise als
Köche unterscheiden sich Japaner, Koreaner und Chinesen ebenso dramatisch wie Sizilianer,
Schotten und Polen. Soweit es wirklich grenzüberschreitende Gemeinsamkeiten gibt, kann
Werbung dort vereinheitlicht werden. Dafür muss aber umso genauer bei jeder bevorstehen-
den Wiederholung von Werbung darauf geachtet werden, ob einzelne Bestandteile der Kam-
pagne aufgrund verborgener kultureller Unterschiede die gewünschte Wirkung erzielt haben.
Es gibt keine einfache und allgemeingültige Antwort darauf, ob für ein Unternehmen bezie-
hungsweise für eine Marke Standardisierung oder Differenzierung die richtige Methode ist.
Die Verantwortlichen müssen daher die Unterschiede und die Übereinstimmungen bei den
Zielgruppen auf den unterschiedlichen nationalen oder regionalen Märkten feststellen und
Gelegenheiten oder Notwendigkeiten in Bezug auf Standardisierung oder Differenzierung
erkennen.

Zentralisierung versus Dezentralisierung


Der zweite wichtige Entscheidungsbereich für Unternehmen, die auf internationalen Märk-
ten Werbung machen wollen, betrifft die zentrale oder dezentrale Steuerung der Werbeaktivi-
täten. Diese Entscheidung hängt direkt mit der Auswahl eines standardisierten oder differen-
zierten Ansatzes für internationale Werbeaktivitäten zusammen.
Fünf Schlüsselgrößen beeinflussen die Entscheidung zwischen Zentralisierung und Dezent-
ralisierung des Managements und der Umsetzung der internationalen Werbung:
1. Unternehmens- und Marketingziele Ein Unternehmen, dessen globale Marketingziele
als wichtiger angesehen werden als jene des Inlandsmarkts, wird wahrscheinlich Wer-
bung und Kommunikation zentral steuern. Wenn kurzfristige Gewinngelegenheiten ge-
nutzt werden sollen und Zielvorstellungen der Regionen einen großen Stellenwert ha-
ben, wählt man eine dezentrale Entscheidungsfindung.
2. Einheitlichkeit des Produktangebots Je ähnlicher oder gleichartiger das Angebot auf
verschiedenen Ländermärkten ist, desto eher sollte auch ein einheitlicher Ansatz in der
Kommunikation verwendet werden. Dies hat tendenziell eine zentrale Führung der
Werbeaktivitäten zur Folge.
3. Ausstrahlung und Image des Angebots Die Ausstrahlung und das Image eines Angebots
zählen zu den wesentlichen Gründen, warum es gekauft wird. Ausstrahlung und Image
können jedoch zwischen Ländern und Kulturen sehr unterschiedlich wahrgenommen
werden. Die Mitgliedschaft in einem Golfclub ist ein sehr hohes Statussymbol in Singa-
pur, in Großbritannien ist es hingegen eine ziemlich alltägliche Art der Freizeitgestal-
tung. Wenn die zugrunde liegenden Imagewirkungen des Produktangebots sich von
Land zu Land stark unterscheiden, kann nur eine dezentrale Steuerung der Werbeaktivi-
täten unter Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten zum Erfolg führen.

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

4. Kulturelle Empfindsamkeiten Um kulturelle Unterschiede bei der Nutzung und Ver-


wendung eines Produkts kompetent ansprechen zu können, sollte die Werbung dezent-
ral organisiert werden. Im Falle von Essen und Trinken ist eine dezentralisierte Werbung
sinnvoll, um den vorhandenen Unterschieden bezüglich örtlicher Sitten, Präferenzen
und Verarbeitungstechniken Rechnung tragen zu können.
5. Rechtliche Einschränkungen Eigenständige Gesetzgebung und Regulierungen auf na-
hezu jedem Auslandsmarkt beeinflussen Werbeentscheidungen und die Durchführung
der Werbung. Wenn auf einem Auslandsmarkt eine umfassende und restriktive Gesetz-
gebung herrscht, ist die Dezentralisierung der Verantwortung nötig, um von dem Wissen
vor Ort zu profitieren.
In vielen großen internationalen Unternehmen, besonders in Europa, gab es in den letzten
Jahren Tendenzen, alle Marketingaktivitäten zu zentralisieren. Daraus ergaben sich auch Ver-
suche, alle Werbeaktivitäten zentral durchzuführen. In vielen Produktkategorien einschließ-
lich des Automobilmarkts, der Märkte für langlebige Konsumgüter, für Unterhaltungselektro-
nik, für Kosmetik und für alkoholische Getränke haben europäische, international tätige
Unternehmen Marketingnetze über ganz Europa eingerichtet, die jeweils einer einzigen gro-
ßen Werbeagentur anvertraut wurden. Der Handel, die Medien und viele Anbieter von Nah-
rungsmitteln und Getränken sind jedoch nach wie vor der Zentralisierung der Werbung
gegenüber weniger positiv eingestellt, da sie ihrer Ansicht nach nicht ausreichend auf die
vorhandenen Unterschiede in Kultur und Gesetzgebung eingeht.

Medien für internationale Märkte


Auch für Werbung auf internationalen Märkten steht eine Vielzahl von Medien zur Verfü-
gung.
Die internationale Presse Die internationale Presse, wie beispielsweise die Herald Tribune
(New York), die Financial Times (London), das Wall Street Journal (New York) oder die
Frankfurter Allgemeine Zeitung, hat durch die Verwendung von elektronischem Satz, Satelli-
tenübermittlung, Simultanproduktion in mehreren Ländern und anderer neuer Technologien
in vielen Ländern eine größere Zeitnähe der Berichterstattung als je zuvor erreicht.
Illustrierte und Magazine Es bietet sich unter Umständen auch an, international verbreitete
Zeitschriften, wie zum Beispiel Newsweek, Time oder The Economist, als Werbeträger zu
verwenden. Sie eignen sich jedoch nur bedingt für internationale Werbung, da damit aus-
schließlich in den englischen Sprachraum hinein geworben werden kann. Die Zahl der stän-
digen Leser im deutschen Sprachraum dürfte im Vergleich zu den Lesern der entsprechenden
deutschen Publikationen (Capital, Wirtschaftswoche, Impulse usw.) gering sein. Andere
international bekannte Zeitschriften wie Cosmopolitan, Marie Claire, Elle, Reader’s Digest,
aber auch Playboy und Penthouse erscheinen in vielen Ländern als nationale Ausgaben in
der Landessprache.
Internationale Fachzeitschriften Allein in Europa erscheinen mehr als 15.000 Fachzeit-
schriften, mit zunehmender Tendenz. Mit ihnen lassen sich ausgewählte Zielgruppen mit
geringen Streuverlusten erreichen.
Werbung in Kinos Bei bestimmten Zielgruppen, wie zum Beispiel Teenagern, ist Kinower-
bung ein Medium erster Klasse. In einigen Schwellen- und Entwicklungsländern hat das
Kino nach wie vor eine größere Bedeutung als in den Industriestaaten.

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15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung

Fernsehwerbung Es gibt kaum noch Länder, in denen Fernsehwerbung nicht zur Verfügung
steht. Da in vielen Ländern auch Kabel- und Satellitenprogramme empfangen werden kön-
nen, hat sich das Medium Fernsehen von einem lokal oder national orientierten Medium zu
einem internationalen Medium gewandelt. Einige Stationen wie CNN, NBC oder MTV sind
Anbieter auf diesen internationalen Märkten. Diese Fernsehsender kommen allerdings auch
nur für Unternehmen infrage, die eine derartige internationale Abdeckung anstreben. In vie-
len Ländern ist der Fernsehmarkt durch eine große Anzahl an Programmen sehr stark seg-
mentiert. Hier Werbung mit dem richtigen Sprachrohr zu machen, ist mittlerweile viel
schwieriger als noch vor wenigen Jahren.
Werbung im öffentlichen Raum Auch diese Medien stehen nahezu weltweit zur Verfügung.
Werbeträger, wie zum Beispiel Parkbänke, Wartehäuschen an Straßenbahn- und Bushaltestel-
len, Lastzüge des Fernverkehrs, große Bahnhofshallen, Stadien, Busse, Bahnen und Taxis,
unterliegen im Falle von Alkohol- und Tabakwerbung teilweise noch nicht den in vielen
Ländern geltenden gesetzlichen Einschränkungen. Die Unternehmen, die diese Art Werbung
anbieten, bemühen sich daher, immer mehr Bereiche des öffentlichen Raums als Werbeträger
nutzen zu können. In einigen Ländern, wie beispielsweise China oder Russland, ist aller-
dings die Werbung im öffentlichen Raum erst nach den gesellschaftlichen Umbrüchen in
Gang gekommen.
Elektronische Medien Die Entwicklung zur interaktiven Kommunikation über elektronische
Medien und Internet hat die Gesellschaft und damit auch die Landschaft der Werbemedien
verändert und zu einer Ausweitung der nutzbaren Medien geführt. Vor allem das Internet mit
seinen unzähligen Plattformen bietet ein breites Spektrum an potenzieller Werbefläche. Von
einfachen Bannern, die auf fast jeder Webseite zu finden sind, bis hin zu in die Webseite inte-
grierten Videos. Zu nennen sind neben dem Internet auch Mobilfunk, Pay-TV, interaktives
Fernsehen etc.
Hörfunkwerbung Als Medium für internationale Werbung ist der Hörfunk aufgrund seiner
eingeschränkten Reichweite nur bedingt geeignet und eher lokal oder regional orientiert.
Interessant ist das Medium jedoch nach wie vor, da es Autofahrer (Autoradio) erreicht.
Situationsbedingte Werbung Weltweit versucht man Werbung jeweils dort zu schalten, wo
sich der potenzielle Kaufinteressent gerade aufhält, d. h. am Arbeitsplatz, im Fitnesscenter,
im Supermarkt (besonders auch neben der Warteschlange zur Kasse mit Zeitschriften, Ziga-
retten, Schokolade), im öffentlichen Raum oder auch in Verkehrsmitteln. Ist eine derartige
Kampagne einmal konzipiert und auf einem Inlandsmarkt mit Erfolg eingeführt, kann sie
auch auf internationale Märkte übertragen werden.
Messen und Ausstellungen Hier kann man zwischen Fachmessen und Verbrauchermessen
unterscheiden. Trotz hohen Personalbedarfs und Kostenaufwands sind sie in manchen
Geschäftsfeldern (Investitionsgüter, bauma als weltweit größte Baumaschinen-Fachmesse
usw.) ein wichtiges Medium internationaler Kommunikation.
Sponsoring So wie es für ein mittelständisches Unternehmen sinnvoll sein kann, den örtli-
chen Fußballverein oder eine Jugendgruppe zu fördern, kann es für ein global tätiges Unter-
nehmen sinnvoll sein, eine internationale Großveranstaltung zu sponsern. Weltweit beach-
tete Aktivitäten, wie zum Beispiel die Olympischen Spiele oder Weltmeisterschaften, finden
nicht sehr häufig statt und erfordern hohe Investitionen. Daher sind derartige Projekte den
meisten Unternehmen nicht zugänglich.

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

Sonstige Medien Werbematerial, das unmittelbar dort eingesetzt wird, wo die Ware verkauft
wird (am Point of Sale), kann für einen internationalen Einsatz kaum standardisiert werden,
weil es in der Landessprache erstellt werden muss. Ähnliches gilt für Versandhauskataloge
und Werbebriefe, die immer in der Landessprache vorgelegt werden sollten. Insbesondere
Kreditkartenunternehmen haben zum Teil globale Kundenkarteien und nutzen landesspezi-
fisch angepasste Mailings für ihre Kommunikation.

Internationale Mediaplanung
Unternehmen, die für ihre Produkte auf verschiedenen Ländermärkten werben, müssen ent-
scheiden, auf welchen Medien sie ihre Kampagne aufbauen wollen. Dies hängt von der ins
Auge gefassten Zielgruppe, vom Budget, von umfassendem Fachwissen über die Medien-
branche und von der Effizienz der eingesetzten Medien auf dem jeweiligen Markt ab.
Die internationale Werbe- und Media-Planung ist komplizierter als eine rein nationale Pla-
nung, weil Situation und Angebot der Medienbranche sich von Land zu Land unterscheiden.
Dies ist das Ergebnis von unterschiedlichen kulturellen, wirtschafts- und unternehmensge-
schichtlichen Traditionen und Entwicklungen. Die Marktforschungstechniken variieren sehr
stark von Land zu Land, in einigen Ländern gibt es keine ausgeprägte Medienforschung, in
anderen hingegen ist die Medienlandschaft sehr detailliert beschrieben. Die vergleichende
internationale Medienforschung steckt noch in den Kinderschuhen und ist relativ teuer.
Bevor zuverlässige internationale Vergleiche vorliegen, ist es für international werbende
Unternehmen schwierig, die Wirkungen der unterschiedlichen Medien auf den einzelnen
nationalen Märkten wirklich vergleichen zu können.
Innerhalb der EU arbeitet die European Association of Advertising Agencies daran, zuverläs-
sige Daten zu sammeln, um die paneuropäischen Medienforscher zu unterstützen. Es werden
vergleichende Daten generiert, die den Media-Planern helfen sollen, ihre Kampagnen sowohl
europaweit als auch in einzelnen Ländern besser zu planen.
Auch die Verfügbarkeit der einzelnen Medien unterscheidet sich stark von Land zu Land.
Einige Länder haben zu wenige Medien und können nicht alle Werbewünsche erfüllen. Oft
fehlt in solchen Ländern eine leistungsfähige Fachpresse. Jemand, der zum Beispiel ein Spe-
zialwerkzeug für eine kleine Zielgruppe anbieten möchte, könnte dann nur in eine große Zei-
tung mit nationaler Verbreitung gehen. Andere Länder haben sehr viele und stark segmen-
tierte Medien. Hier ist es dann eine Herausforderung, wirklich alle Mitglieder der Zielgruppe
kostengünstig mit Werbung anzusprechen.
Auch die Preise und die Präferenzen für Medien können sich von Land zu Land unterschei-
den In Skandinavien hat einer von drei Konsumenten eine positive Einstellung gegenüber
Printmedien, nur einer von fünf hat eine vergleichbare Meinung zu Fernsehwerbung. Die
Präferenz für das gedruckte Wort hat wichtige Auswirkungen auf die Auswahl des Kommu-
nikationsmediums.
Nichtsdestotrotz spiegeln sich kulturelle Unterschiede im Käuferverhalten wider. Beispiels-
weise ist in Italien die durchschnittliche Anzahl der Fernsehspots, die Werbende kaufen
(auch durchschnittlicher Werbedruck – average advertising weight – genannt), höher als im
restlichen Europa. Der Ursprung kultureller Unterschiede ist häufig auch eher im „Bauchge-
fühl“ der Werbeplaner zu suchen als in rationalen Gründen, mit der Folge, dass die Akzep-
tanz einer zentralisierten oder standardisierten Herangehensweise lokal verweigert wird.
Daher ist es schwierig, paneuropäische Media-Strategien zu standardisieren. Wenn die Mar-
ketingdirektorin im amerikanischen Hauptsitz ihren italienischen Kollegen vorhält, dass

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15.4 Weiterführende Überlegungen zum Thema Werbung

deren Werbedruck zweieinhalb Mal höher ist als der anderer europäischer Niederlassungen,
dann wird es sicher zu einer kontroversen Diskussion mit dem italienischen Marketingteam
kommen.

Einschränkungen und Regulierungen der internationalen Werbung


Die einzelnen Ländermärkte unterscheiden sich auch darin, wie sie Werbepraktiken
beschränken oder verbieten. Diese Bestimmungen machen es notwendig, dass Werbemaß-
nahmen von Land zu Land angepasst werden müssen.
Alkoholhaltige Produkte dürfen z. B. weder in Indien noch in muslimischen Ländern bewor-
ben werden. Vergleichende Werbung, die in den USA oder Kanada nicht nur akzeptiert, son-
dern gängig ist, wird in Europa seltener eingesetzt, in Japan gar nicht akzeptiert und in Brasi-
lien und Indien ist sie sogar illegal. China unterbindet das Versenden von Werbe-E-Mails an
Empfänger, die nicht ausdrücklich zugestimmt haben – und jede E-Mail, die Werbezwecken
dient, muss im Betreff mit dem entsprechenden Begriff für Werbung versehen werden. China
hat zudem strenge Zensurvorschriften für Radio- und Fernsehwerbung: Superlative wie „das
Beste“ sind verboten, genauso wie Spots, die die gesellschaftlichen Sitten und Bräuche ver-
letzen oder Frauen in „unanständiger“ Art und Weise zeigen. McDonald’s ist staatlichen
Sanktionen in China nur entgangen, indem es sich öffentlich für einen Spot entschuldigt hat,
der kulturelle Normen missachtete, weil es einen Kunden zeigte, der um einen Preisnachlass
bettelte. Auf ganz ähnliche Weise wurde die indische Niederlassung von Coca-Cola gezwun-
gen, eine Werbung zurückzuziehen, die Gewinne wie eine Reise nach Hollywood auslobte.
Grund war die Verletzung der indischen Handelspraktiken, weil Kunden über den Kauf indi-
rekt zum Glücksspiel aufgefordert wurden.
In Europa ergibt sich für Werbetreibende eine nicht leicht zu durchschauende Situation. In
der EU existiert beispielsweise eine Vielzahl von Gesetzen zur Werbung für Tabakwaren,
Alkohol oder gegenüber Kindern. Nicht alle EU-Mitglieder haben diese Gesetze jedoch der-
zeit in nationales Recht umgesetzt und Länder, die nicht der EU angehören, haben weiterhin
ihre eigene Gesetzgebung. Dazu ein Beispiel:
In Schweden, Norwegen und Dänemark ist Fernsehwerbung für Kinder unter 12 Jahren ver-
boten. Um auf der sicheren Seite zu sein, macht McDonald’s dort Werbung als Familienres-
taurant. Werbemaßnahmen für Kinder unterliegen auch in Belgien, Irland, Holland und
Österreich strengen Regulierungen. In Griechenland darf Spielzeugwerbung im Fernsehen
nicht vor 22 Uhr gezeigt werden.
Im August 2005 ist ein EU-weites Gesetz zur Einschränkung der Werbung für Tabak in Kraft
getreten. Seit diesem Zeitpunkt darf gemäß einer EU-Richtlinie keine Werbung mehr für
Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse in Zeitungen, Zeitschriften, im Radio oder Internet
geschaltet werden. Nach diesem geltenden EU-Recht ist auch das Sponsoring durch die
tabakverarbeitende Industrie bei grenzübergreifenden Kultur- und Sportereignissen unter-
sagt. Für alkoholische Getränkewerbung herrschen in Schweden und Finnland strikte Ein-
schränkungen, wobei in Frankreich jedoch die strengsten Restriktionen zu finden sind: Hier
sind jegliche Werbemaßnahmen für Alkohol verboten. Dänemark und Großbritannien for-
dern die Platzierung von Gesundheitswarnungen auf den Verpackungen.
Grundsätzlich können also international tätige Unternehmen ihre Werbung mit weltweiten
Kommunikationsstrategien betreiben. In der Regel ist es jedoch nötig, den lokalen Kulturen
und Gebräuchen, den Mediencharakteristika und der jeweiligen Gesetzgebung mit maßge-
schneiderten, regional und lokal orientierten Programmen zu entsprechen.

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15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

15.5 Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit


Ein weiteres wichtiges Instrument in der Massenkommunikation sind die Public Relations
(PR) – durch positive Berichterstattung involviert und erzeugt sie gute Beziehungen zu den
verschiedenen öffentlichen Interessenvertretern des Unternehmens, schafft ein positives
Image für das Unternehmen und begegnet negativen Gerüchten, Berichterstattungen und
Ereignissen. PR-Spezialisten können einzelne oder alle der folgenden Aufgaben wahrneh-
men:
 Pressearbeit/Pressestelle: Verfassen und Verbreiten aktueller Meldungen über die Kommu-
nikationskanäle, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf bestimmte Personen, Produkte
oder Dienstleistungen zu lenken.
 Bekanntmachung von Produkten: Hervorheben bestimmter Produkte durch Werbung
 Öffentliche Angelegenheiten: Aufbau und Pflege von Geschäftsbeziehungen auf landes-
weiter oder kommunaler Ebene
 Lobbyarbeit: Aufbau und Pflege von Geschäftsbeziehungen mit Abgeordneten und Regie-
rungsbehörden, um bei Gesetzgebung und rechtlichen Bestimmungen Einfluss auszuüben
 Beziehungen zu Investoren: Pflege von Geschäftsbeziehungen zu Anteilseignern und
anderen Akteuren des Finanzwesens
 Entwicklungsarbeit: Zusammenarbeit mit Geldgebern oder Mitgliedern gemeinnütziger
Organisationen zwecks finanzieller bzw. freiwilliger Unterstützung
PR dient der Bewerbung von Produkten, Personen, Orten, Ideen, Aktivitäten, Organisationen
und selbst Nationen. Unternehmen, die PR einsetzen, schaffen eine gute Beziehung zu Ver-
brauchern, Investoren, den Medien und ihren Kundengruppen. Branchenverbände nutzen
die PR, um neues Interesse an Waren mit sinkender Nachfrage wie Eiern, Äpfeln, Kartoffeln
und Milch zu wecken. Selbst Regierungsorganisationen setzen PR für Aufklärungskampag-
nen ein – beispielsweise zu Herzkrankheiten, schlechter Ernährung, Alkoholkonsum oder
Rauchen.

15.5.1 Die Rolle und Wirkung der Public Relations


Das Instrument der Public Relations wird benutzt, um Produkte, Persönlichkeiten, Orte und
Regionen, Ideen, Aktivitäten, Organisationen und sogar Staaten im öffentlichen Ansehen
nach vorne zu bringen. Unternehmen nutzen die Öffentlichkeitsarbeit, um gute Beziehungen
zu Konsumenten, Investoren, den Medien und anderen Gruppierungen aufzubauen. Staaten
bedienen sich einer umfangreichen PR, um Besucher oder Investitionen aus dem Ausland
anzuziehen oder um internationale Unterstützung einzuwerben.
Der Vorteil einer erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit ist die sehr starke Wirkung im öffentli-
chen Bewusstsein, die mit viel niedrigeren Kosten erzielt werden kann, als das bei der Wer-
bung der Fall ist. Das Unternehmen bezahlt nicht für die Medienplatzierung. Stattdessen
muss es eine Abteilung aufbauen und unterhalten, die Informationen professionell entwi-
ckelt, systematisch verbreitet und gelegentlich große Ereignisse organisiert. Je interessanter
die Geschichten, die ein Unternehmen anzubieten hat, desto größer das Interesse der Medien
daran. Dies kann den gleichen Effekt haben wie eine groß angelegte Werbekampagne, die
sehr viel Geld kostet. Zudem darf nicht vergessen werden, dass der öffentlichen Berichter-
stattung mehr Glaubwürdigkeit eingeräumt wird als der bezahlten Werbung. Öffentlichkeits-

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15.5 Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

arbeit kann manchmal außergewöhnliche Effekte erzielen. Schauen wir uns die Markteinfüh-
rung von Apples iPad an.

Marketing-Highlight: Die Markteinführung von Apples iPad

Das iPad gehört zu den erfolgreichsten neuen Produkten aller Zeiten. Das Besondere:
Während die meisten großen Markteinführungen neuer Produkte im Vorfeld von gewal-
tigen Werbekampagnen begleitet werden, verzichtete Apple in diesem Fall darauf. Über-
haupt keine Werbung. Stattdessen entfachte es einfach das PR-Feuer. Schon Monate
zuvor sorgten die ersten Testgeräte für Furore, die Print- und Online-Medien wurden
mit Appetithäppchen versorgt und Fans durften im Internet schon mal einen Blick auf
Tausende neuer iPad-Apps werfen, die mit dem neuen Modell zur Verfügung standen.
Zum Verkaufsstart fachte das Unternehmen die Glut noch mit einem Cameo-Auftritt in
der US-amerikanischen Sitcom Modern Family, einer Dauerpräsenz in Talkshows am
Tag der Markteinführung und anderen Veranstaltungen weiter an.
So erzeugte das iPad zum Verkaufsstart nur durch die PR-Maßnahmen eine grenzenlose
Aufregung bei den Verbrauchern, Ekstase bei den Medien und lange Warteschlangen vor
den Geschäften. Apple verkaufte allein am ersten Tag mehr als 300.000 der schlanken
Geräte und über 2 Millionen in den ersten zwei Monaten – und das bei einer Nachfrage,
die das Angebot überstieg. Ein Jahr später wiederholte Apple den Coup mit dem gleich-
sam erfolgreichen iPad 2, von dem am ersten Wochenende fast eine Million Geräte ver-
kauft wurden.

Abbildung 15.3: Apple iPad mit Cover


(Quelle: Robert Scoble (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:IPad_2_Smart_Cover_at_unveiling_crop.jpg), „IPad 2
Smart Cover at unveiling crop“, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode)

Quellen: Geoffrey Fowler und Ben Worthen, „Buzz powers iPad launch“, Wall Street Journal, 2.
April 2010; „Apple iPad sales top 2 million since launch“, Tribune-Review (Pittsburgh), 2. Juni
2010; „PR pros must be Apple’s iPad as a true game-changer“, PRweek, Mai 2010, S. 23 sowie
„Apple launches new iPad“, 7. März 2012, www.apple.com/pr/library/2012/03/07Apple-Launches-
New-iPad.html.

733
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

Trotz dieser Vorteile wird das Potenzial der Öffentlichkeitsarbeit von vielen Unternehmen
nicht genutzt. Zum Teil liegt dies an der inneren Organisation der Unternehmen. Die Abtei-
lung Öffentlichkeitsarbeit ist fast immer der Konzernzentrale angeschlossen. Die Mitarbeiter
stehen ständig unter Druck, die Wünsche bestimmter Gruppen zu erfüllen: der Aktionäre,
der Mitarbeiter, der Gewerkschaften, des Staates, des Kartellamts und anderer Aufsichtsbe-
hörden. Der Abteilung bleibt keine Zeit, Programme für Öffentlichkeitsarbeit zu entwerfen
und durchzuführen, welche die Ziele des Produktmarketing unterstützen könnten. Darüber
hinaus sprechen die Verantwortlichen des Marketings und der Public Relations häufig nicht
die gleiche Sprache: Während die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit bisweilen nur die reine
Kommunikation zu ihren Aufgaben zählt, verlassen Marketingmanager sich lieber nicht auf
den langfristigen Erfolg der Öffentlichkeitsarbeit, sondern investieren eher in kräftige
Impulse durch zielgerichtete Werbung.
Die Situation ändert sich jedoch. Obwohl Öffentlichkeitsarbeit nach wie vor nur einen klei-
nen Teil des gesamten Marketingbudgets vieler Firmen ausmacht, kann sie ein starkes Mittel
zum Markenaufbau sein. Besonders im heutigen digitalen Zeitalter verschwimmen die Gren-
zen zwischen Werbung und PR zunehmend. Gehören zum Beispiel Markenwebseiten, Blogs,
Markenvideos und Aktivitäten in den sozialen Medien in den Bereich Werbung oder PR?
Alles gehört zu beidem. Und da die Nutzung geteilter digitaler Inhalte rasant wächst, könnte
PR eine größere Rolle bei der Steuerung von Markeninhalten spielen. Mehr als jede andere
Abteilung ist PR heute verantwortlich für die Entwicklung relevanter Marketinginhalte, die
die Marke für Kunden interessant machen, statt nur Markenbotschaften zu verbreiten. „Zu
wissen, wo Einfluss und Gesprächsthemen stattfinden, ist das Kapital von PR“, sagt ein
Experte. „PR-Profis sind die Regisseure einer Organisation. Kurz gesagt sie machen
Inhalte.“13 Der Punkt ist, dass PR und Werbung im Rahmen eines integrierten Marketing-
Kommunikationsprogramms Hand in Hand gehen müssen, um die Einbindung von Kunden
und den Aufbau von Beziehungen zu gewährleisten.

15.5.2 Instrumente der Public Relations


Für die Durchführung von Public Relations gibt es mehrere Instrumente. Sie bauen fast
immer auf einer Nachricht und deren aktuellem Bezug zum Unternehmen auf. Die Abteilun-
gen für Öffentlichkeitsarbeit suchen aktuelle Informationen über das Unternehmen, seine
Produkte und die Persönlichkeiten, die in ihm arbeiten. Einige Nachrichten ergeben sich von
allein. Bei anderen Nachrichten schlägt das Unternehmen Aktivitäten und Ereignisse vor,
über welche die Medien berichten sollten, sobald sie geschehen (beispielsweise bei der Vor-
stellung eines neuen Automobils).
Öffentliche Vorträge Veranstalter wie Industrie- und Handelskammern, Banken, Städte und
Gemeinden, Medien oder Talkshow-Gastgeber sollten wissen, dass in einem Unternehmen
stets geeignete Mitarbeiter zur Verfügung stehen, die über das Unternehmen und seine Akti-
vitäten kompetent berichten können. Ein guter Beitrag bedeutet für das Unternehmen Punkte
in der Öffentlichkeit.
PR-Events Mit PR-Events werden direkt (Teilnehmer und Publikum vor Ort) oder indirekt
(Berichterstattung in den Medien) sehr große Zielgruppen erreicht. PR-Events können von
besonderen Produktvorstellungen und Pressekonferenzen, Tagungen, dem Sponsoring spezi-

13 Sarah Skerik, „An emerging PR trend: Content PR strategy and tactics“, PR Newswire, 15. Januar
2013, http://blog.prnewswire.com/2013/01/15/an-emerging-pr-trend-content-pr-strategy-tactics/.

734
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15.5 Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

eller Veranstaltungen bis hin zur Organisation und Durchführung bundesweiter Veranstal-
tungsreihen reichen.
Informationsmaterial Die Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens erstellt auch schrift-
liches Material, in dem vergangene, gegenwärtige und künftige Aktivitäten sowie das Unter-
nehmen in seinem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhang dargestellt
werden. Hierzu gehören Geschäftsberichte, Umwelt- und Sozialbilanzen, Unternehmenszeit-
schriften usw. Die Erstellung von Informationsmaterial kann aber auch weit über gedrucktes
Material hinausgehen und sich unterschiedlicher Medien bedienen (Filme, CD-ROM, Inter-
net etc.).
Corporate Identity Für die Wiedererkennung des Unternehmens ist ein abgestimmtes
Erscheinungsbild sehr wertvoll. Hierzu gehören alle Materialien, die das Unternehmen nach
außen verwendet, wie z. B. Logos, Drucksachen (Briefköpfe, Rechnungen, Visitenkarten
usw.) und Werbemittel. Auch Gebäude, Firmenfahrzeuge und Dienstkleidung können die
Philosophie des Unternehmens widerspiegeln.
Soziales Engagement Für Unternehmen gibt es verschiedene Gelegenheiten, Sach- oder
Geldspenden zugunsten einer guten Sache zu leisten. Bei vielen Aktionen dieser Art werden
die Spender und Helfer genannt und finden in unabhängigen Berichten der Medien öffentli-
che Erwähnung.
Sponsoring bezeichnet Maßnahmen, mit denen Unternehmen bestimmte Personen oder
Organisationen durch Geld, Sachmittel oder Dienstleistungen fördern. Sie erhalten dafür von
den geförderten Institutionen eine Gegenleistung. Diese kann z. B. in der Erwähnung in Pub-
likationen, Pressemitteilungen oder Anzeigen bestehen. Wesentliche Bereiche des Sponso-
ring sind: Sport, Kultur, Bildung und Wissenschaft.
Sponsoring hat sich zu einem wichtigen Instrument für solche Unternehmen entwickelt, die
entweder ihre Marke aufbauen oder das Markenbild verbessern wollen und für solche, die
neue Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt bringen möchten. Samsung trat bei-
spielsweise erfolgreich einer kleinen, aber ausgesuchten Gruppe von Sponsoren der Olympi-
schen Spiele bei. Durch die Konzentration der Sponsoring-Aktivitäten auf wenige erstklas-
sige weltweite Ereignisse wie die Olympischen Spiele konnte das Unternehmen den
Markennamen Samsung zu einer begehrten globalen Marke entwickeln.
Internet und soziale Medien Innerhalb weniger Jahre wurde das Internet zu einem führenden
Medium und damit die Darstellung des Unternehmens auf seiner eigenen Webseite ein zent-
rales Instrument der Öffentlichkeitsarbeit. Da immer mehr Verbraucher im Internet nach
Informationen suchen, stellt das Netz ein geradezu ideales Instrument für die Öffentlichkeits-
arbeit dar. Blogs und soziale Medien wie YouTube, Facebook, Pinterest und Twitter bieten
neue Möglichkeiten, Verbraucher zu erreichen und stärker einzubinden. „Die wesentlichen
Stärken der Öffentlichkeitsarbeit – nämlich die Fähigkeit, eine Geschichte zu erzählen und
Gesprächsthemen zu initiieren – verbinden sich sehr gut mit dem Wesen der sozialen
Medien“, sagt ein PR-Experte.
Die Webseite eines Unternehmens ist ein wichtiges PR-Instrument. Konsumenten besuchen
sie, um sich zu informieren oder zu unterhalten. Webseiten können auch herausragende Inst-
rumente sein, um Krisensituationen zu bewältigen. Die direkte Verbindung zum Verbraucher
über Unternehmenswebseiten bedeutet auch, dass die PR-Abteilungen der Firmen und ihre
Agenturen eine bessere Kontrolle über die kommunizierten Inhalte haben. Vor der Internet-
Ära mussten die PR-Verantwortlichen darauf vertrauen, dass die Journalisten „Geschichten“
über das Unternehmen, seine Produkte und Mitarbeiter schreiben, die die Organisation oder
ein Ereignis glaubwürdig und berichtenswert darstellen.

735
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

Ein wesentlicher Vorteil der Nutzung der Webseite des Unternehmens im Rahmen der
Öffentlichkeitsarbeit ist die Kontrolle der Konsistenz von Nachrichten. Pressemitteilungen
erreichen beispielsweise den interessierten Verbraucher direkt – und nehmen nicht den
Umweg über Journalisten.
Auch wenn das Internet die PR-Arbeit grundsätzlich verändert, ist es kein Ersatz für Journa-
listen und deren wirkungsvolle Leitartikel. Die online getätigten Anstrengungen der Öffent-
lichkeitsarbeit müssen deshalb durch persönliche Gespräche mit Journalisten und anderen
Meinungsbildnern ergänzt werden.

ZUSAMMENFASSUNG

Ein Unternehmen muss mehr tun, als nur gute Produkte und Dienstleistungen anzubie-
ten. Der Kunde muss auch über die Produktvorteile informiert werden. Um potenzielle
Kunden zielgerichtet anzusprechen, werden hauptsächlich zwei Instrumente der Kom-
munikation über Massenmedien verwendet: Werbung und PR bzw. Öffentlichkeitsar-
beit. Sie stehen im Gegensatz zu Instrumenten, die auf individuell orientierte Kontakte
ausgerichtet sind, wie beispielsweise der persönliche Beratungs- und Verkaufsbesuch.
Werbung Die Werbung ist die Nutzung bezahlter Medien durch einen Anbieter, um
bestimmte Zielgruppen über seine Produkte oder seine Organisation zu informieren, zu
überzeugen oder daran zu erinnern. Unter den Kommunikationsaktivitäten ist Werbung
das einflussreichste Instrument, und es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher For-
men. Die Entscheidungsfindung in der Werbung erfolgt in fünf Schritten:
1. Die Definition der Ziele der Werbung
2. Die Festlegung des Budgets
3. Die Entwicklung der Botschaft
4. Die Bestimmung der eingesetzten Medien
5. Die Überprüfung und Bewertung der Werbewirkung
Die Ziele der Werbung bestehen darin, zu informieren, zu überzeugen oder zu erinnern.
Das Budget kann sich daran orientieren, was sich das Unternehmen leisten möchte oder
was die Konkurrenz ausgibt. Es kann sich aber auch an bestimmten Prozentsätzen des
Umsatzes orientieren oder berechnen, wie viel Werbung nötig ist, um ein festgelegtes Ziel
zu erreichen. Bezüglich der Botschaft geht es meistens darum, effiziente und schlagkräf-
tige Aussagen zu formulieren, sie schon im Vorfeld zu prüfen und sie dann wirkungsvoll
einzusetzen. Die Entscheidung über die einzusetzenden Medien befasst sich mit Reich-
weite, Häufigkeit (Frequenz) und Zielen für deren Einsatz. Die Hauptmedien müssen
bestimmt werden, ehe eine Medienfeinplanung und schließlich eine Terminierung des
Medieneinsatzes erfolgen können. Zum Schluss muss eine Gesamtüberprüfung und -
bewertung stattfinden, die auf den Kommunikations- und Umsatzsteigerungseffekten
(Absatz vor, während und dauerhaft nach der Werbekampagne) beruht.
Unternehmen, die ihre Produkte über die Landesgrenzen hinweg anbieten, sollten die
vorhandenen Unterschiede in kultureller, sozioökonomischer, politischer und rechtli-
cher Hinsicht berücksichtigen, wenn es zu entscheiden gilt, ob man Werbung internatio-
nal standardisieren oder an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen will.

736
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Literatur und Quellen

Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit Bei der Öffentlichkeitsarbeit geht es darum,


positive Nachrichten über das Unternehmen verbreiten zu lassen und einen guten Ruf
für das Unternehmen in der Öffentlichkeit zu erringen. Public Relations kann als das am
wenigsten systematisch eingesetzte Instrument angesehen werden, obwohl auch sie
enorme Potenziale hat, kostengünstig Bekanntheit und Präferenzen für Marken und Pro-
dukte aufzubauen. Public Relations beinhaltet die folgenden Schritte:
1. Definition der Zielsetzung der Öffentlichkeitsarbeit
2. Festlegung der Botschaften und der Übermittlungswege
3. Planung und Durchführung der Öffentlichkeitsarbeit
4. Messung und Bewertung der Aktivitäten und ihrer Ergebnisse
Im Rahmen ihrer Arbeit nutzt PR Instrumente wie die Information der Medien über
Neuigkeiten aus dem Unternehmen, Reden von Mitarbeitern, die Veranstaltung von
Events, schriftlich oder multimedial aufbereitete Informationsmaterialien oder die Web-
seite des Unternehmens.
Um die Mittel des Unternehmens optimal auf die verschiedenen Formen der marktge-
richteten Kommunikation zu verteilen, müssen die Marketingverantwortlichen einen
umfassenden Ansatz wählen, der die Möglichkeiten der einzelnen Maßnahmen zu
einem in sich konsistenten Kommunikationsmix integriert.

Literatur und Quellen


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737
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
15 Werbung und Public Relations (PR)/Öffentlichkeitsarbeit

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738
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Persönlicher Verkauf und
Verkaufsförderung

16.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740 16


16.2 Der persönliche Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744
16.3 Sales Force Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749
16.4 Social Selling: Online-, mobile und

ÜBERBLICK
Social-Media-Tools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765
16.5 Der Prozess des persönlichen Verkaufs. . . . . . . . . . . 768
16.6 Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 782

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... erklären, welche Rolle der Vertrieb eines Unternehmens hinsichtlich Kundennut-
zen und Kundenbeziehungen spielt.
 ... die einzelnen Schritte der Vertriebssteuerung identifizieren und beschreiben.
 ... den Ablauf des persönlichen Verkaufs erläutern und dabei die Unterschiede zwischen
transaktionsorientiertem und beziehungsorientiertem Marketing herausarbeiten.
 ... beschreiben, wie ein Verkaufsförderungsprogramm entwickelt und durchgeführt
wird.

16.1 Einführung
In den letzten beiden Kapiteln haben Sie erfahren, wie man Kundennutzen über integrierte
Marketingkommunikation vermittelt, und zwei Elemente aus dem Kommunikationsmix ken-
nengelernt: Werbung und Öffentlichkeitsarbeit bzw. Public Relations (PR). In diesem Kapitel
untersuchen wir nun zwei weitere Elemente der integrierten Marketingkommunikation: den
persönlichen Verkauf und die Verkaufsförderung. Der persönliche Verkauf ist der zwischen-
menschliche Zweig der Marketingkommunikation, in welchem die Vertriebsmitarbeiter mit
bestehenden und potenziellen Kunden interagieren, um Beziehungen aufzubauen und
Umsätze zu erzielen. Die Verkaufsförderung besteht aus kurzfristigen Anreizen, um den Kauf
oder Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung zu erreichen. Denken Sie beim Lesen
daran, dass es in diesem Kapitel bei persönlichem Verkauf und Verkaufsförderung zwar um
zwei separate Themenbereiche geht, beide jedoch sorgfältig in die anderen Elemente des
Marketing-Mix integriert werden müssen.
Sehen wir uns zunächst das Vertriebspersonal an. Woran denken Sie zuerst, wenn Sie sich einen
Verkäufer oder Handelsvertreter vorstellen? Vielleicht an übereifrige Mitarbeiter in den Geschäf-
ten, marktschreierische Anpreisungen in der Fernsehwerbung oder den Typ „schmieriger
Gebrauchtwagenhändler“. Doch solche Stereotypen entsprechen einfach nicht der Realität des
modernen Vertriebspersonals – dies sind nämlich Verkaufsprofis, deren Erfolg nicht auf der Über-
vorteilung von Kunden beruht, sondern darauf, deren Bedürfnisse ernst zu nehmen und Lösun-
gen anzubieten. Für die meisten Unternehmen spielt der persönliche Verkauf eine wichtige Rolle
beim Aufbau profitabler Kundenbeziehungen. Denken Sie an Procter & Gamble (P&G), dessen
kundenorientierte Vertriebsorganisation schon lange als eine der effektivsten weltweit gilt.

Einführende Fallstudie: Procter & Gamble

Seit Jahrzehnten ist P&G an der Spitze fast jeder von Experten erstellten Bestenliste heraus-
ragender Marketingbetreiber. Die Fachleute heben P&Gs Portfolio an bestverkauften Ver-
brauchermarken hervor oder auch die Tatsache, dass P&G jahrein, jahraus die meiste Wer-
bung weltweit platziert. Verbraucher scheinen das genauso zu sehen. In 99 Prozent aller
amerikanischen Haushalte findet sich mindestens eine große P&G-Marke; in vielen Haus-
halten gibt es ein Dutzend oder mehr bekannter P&G-Produkte. Doch noch etwas anderes
bringt P&G großen Respekt ein – seine erstklassige, kundenorientierte Absatzorganisation.

740
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.1 Einführung

Die Absatzorganisation von P&G galt lange als Symbol für den besten Vertrieb. Wenn es
um die Auswahl, Ausbildung und den Umgang mit Verkaufspersonal geht, setzt P&G
höchste Maßstäbe. Das Unternehmen unterhält eine enorme Absatzorganisation mit
mehreren tausend Verkaufsmitarbeitern weltweit. Bei P&G jedoch spricht man selten
von „Vertrieb“. Stattdessen nutzt das Unternehmen die Bezeichnung „Customer Busi-
ness Development“ (CBD, Entwicklung des Kundengeschäfts). Und die Mitarbeiter von
P&G sind kein „Verkaufspersonal“, sondern „CBD-Manager“ oder „CBD-Großkundenbe-
treuer“. Das hört sich vielleicht sehr nach Unternehmenssprache an, doch für P&G trifft
diese Unterscheidung genau den Kern, wie Vertrieb funktioniert.

Abbildung 16.1: Headquarter von Procter & Gamble


(Quelle: Derek Jensen (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cincinnati-procter-and-gamble-headquarters.jpg), „Cin-
cinnati-procter-and-gamble-headquarters“, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode)

P&G weiß: Wenn es dem Kunden nicht gut geht, geht es auch dem Unternehmen nicht
gut. Für das eigene Geschäftswachstum muss P&G daher zunächst das Geschäft der Ein-
zelhändler stärken, die die Marken an den Endverbraucher verkaufen. Und für P&G liegt
die Hauptverantwortung zur Förderung des Kundenwachstums bei der Absatzorganisa-
tion.

741
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Statt einfach nur an die Groß- und Einzelhandelskunden zu verkaufen, arbeiten die
CBD-Manager strategisch mit den Kunden zusammen, um deren Geschäft in den P&G-
Produktkategorien zu stärken. „Wir brauchen sie und sie brauchen uns“, sagt ein CBD-
Manager. Durch die Zusammenarbeit schaffen P&G und seine Kunden eine Win-win-
Situation, in der beide gedeihen können.
Die meisten P&G-Kunden sind große und komplexe Unternehmen – wie z.B. Walmart,
Dollar General, Tesco, Metro oder Carrefour – mit tausenden Filialen und Milliarden-
umsätzen. Die Zusammenarbeit mit diesen Kunden und der Verkauf an sie kann sehr
komplex sein und übersteigt die Kapazität eines einzelnen Verkaufsmitarbeiters oder
Verkaufsteams. Stattdessen stellt P&G ein vollständiges CBD-Team für jeden Großkun-
den zur Verfügung. In jedem CBD-Team ist nicht nur Verkaufspersonal vertreten, son-
dern eine ganze Bandbreite von Spezialisten für jeden Aspekt des Vertriebs von P&G-
Verbrauchermarken auf Einzelhandelsebene.
Die CBD-Teams variieren in ihrer Größe je nach Kunden. Um den größten Einzelkunden
von P&G, Walmart, der beachtliche 20 Prozent des Geschäftsumsatzes ausmacht, küm-
mert sich beispielsweise ein CBD-Team aus 350 Personen. Zum Vergleich: Das Team von
P&G für die Firma Dollar General umfasst gerade einmal 30 Mitarbeiter. Unabhängig von
der Größe bildet jedes CBD-Team eine vollständige, multifunktionale Einheit für den
Kundendienst. Jedes Team hat einen CBD-Manager und mehrere CBD-Großkundenbe-
treuer (jeder davon ist zuständig für eine bestimmte P&G-Produktkategorie) und wird
von Fachleuten für Marketingstrategie, Produktentwicklung, betriebliche Abläufe, Infor-
mationssysteme, Logistik, Finanzen und Personalwesen unterstützt.
Um die Großkunden effektiv betreuen zu können, muss das Verkaufspersonal von P&G
klug, gut geschult und verhandlungssicher sein. Sie haben jeden Tag mit anspruchsvol-
len Einzelhandelskunden zu tun, die zum Teil für mehrere Hundert Millionen Dollar
pro Jahr Marken von P&G sowie von Wettbewerbern abnehmen. Es braucht mehr als ein
freundliches Lächeln und einen festen Händedruck, um mit solchen Kunden umzuge-
hen.
Doch ein einzelner P&G-Verkaufsmitarbeiter kann nicht alles wissen und dank der CBD-
Struktur muss er das auch nicht. Stattdessen verfügen sie als Mitglieder eines vollstän-
digen CBD-Teams über alle Mittel, die sie benötigen, um auch die größten Herausforde-
rungen der Kunden zu bewältigen. „Ich habe hier alles, was ich brauche“, sagt ein Kun-
denbetreuer für Haushaltspflege-Produkte. „Wenn mein Kunde Unterstützung bei der
Filialwerbung benötigt, kann ich einfach nach unten gehen und mit einem Marketing-
kollegen aus meinem Team über eine geeignete Werbemaßnahme sprechen. Ganz ein-
fach.“ CBD beinhaltet die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Kunden zur gemein-
samen Festlegung von Strategien, die Mehrwert und Zufriedenheit beim Endkunden
erzeugen und den Filialen profitable Umsätze bringen. Wenn es um den profitablen
Abverkauf von Marken wie Tide, Pampers, Gillette oder anderen P&G-Marken in den
Läden geht, sind die Vertreter von P&G und ihre Teams oft besser informiert als die Ein-
zelhändler, die sie beraten. Tatsächlich verlassen sich die Handelspartner von P&G oft-
mals darauf, dass die CBD-Teams sie nicht nur bei der Listung von P&G-Marken, son-
dern auch in allen anderen Produktkategorien einschließlich der Marken von
Wettbewerbern unterstützen.

742
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.1 Einführung

Moment mal. Ist es für P&G überhaupt sinnvoll, bei der Lagerung und Platzierung von
Konkurrenzmarken ebenso zu beraten wie bei den eigenen? Würde ein CBD-Vertreter
von P&G einem Einzelhandelskunden jemals raten, weniger P&G-Produkte und mehr
Marken von Wettbewerbern zu führen? Ob Sie es glauben oder nicht, das passiert stän-
dig. Das vorrangige Ziel der CBD-Teams ist es, dem Kunden Vorteile in jeder Produktka-
tegorie zu verschaffen. Analysen zeigen manchmal, dass die beste Lösung für den Kun-
den darin liegt, „mehr Artikel von den anderen“ zu listen. Für P&G ist das in Ordnung.
Das Unternehmen weiß, dass die beste Lösung für den Einzelhändler letztlich eine
höhere Kundenfrequenz bringt, die dann wiederum höchstwahrscheinlich auch die
Umsätze anderer P&G-Produkte in derselben Kategorie steigert. Da die meisten P&G-
Marken den jeweils größten Marktanteil haben, profitieren sie wohl eher von einer
höheren Kundenfrequenz als die der Konkurrenz. Auch hier gilt: Was gut für den Kun-
den ist, ist gut für P&G; es ist eine Win-win-Situation.
Offene und ehrliche Abschlüsse helfen auch beim Aufbau langfristiger Geschäftsbezie-
hungen. Das Verkaufspersonal von P&G wird zu vertrauten Beratern für die Handel-
spartner, ein Status, für dessen Erhalt sie hart arbeiten. „Ich brauchte vier Jahre, um die-
ses Vertrauensverhältnis mit meiner Kundin aufzubauen“, sagt ein langjähriger CBD-
Großkundenbetreuer. „Wenn ich sie überreden will, P&G-Produkte zu kaufen, die sie
nicht abverkaufen kann, oder Konkurrenzmarken auszulisten, die sie verkaufen könnte,
dann verliere ich dieses Vertrauen in einer Sekunde.“ Schließlich funktioniert die
Zusammenarbeit in beide Richtungen: P&G leistet etwas und bekommt von den Kunden
etwas zurück. „Wir helfen den Kunden bei der Platzierung von TV-Werbungen oder bei
der Durchführung von Werbeveranstaltungen, aber in der Regel lohnt sich die Investi-
tion“, erläutert ein anderer CBD-Manager. „Der Nutzen für uns liegt dann vielleicht in
der Unterstützung beim Vertrieb eines neuen Produkts oder mehr Regalfläche für Textil-
pflege. Wir sind bereit, uns anzustrengen, wenn sich die Mühe lohnt und einen Wert
sowohl für uns als auch für den Kunden und den Endverbraucher erzeugt.“ Laut P&G
„bringt das Customer Business Development Umsatz, und noch eine Menge mehr. Es ist
P&Gs ganz spezieller Ansatz, [der uns hilft] Wachstum durch die Zusammenarbeit als
‚strategischer Partner‘ mit unseren Großkunden zu erzielen, in der wechselseitige
Geschäftsvorteile im Fokus stehen. Alle Kunden wollen ihr Geschäft verbessern; es ist
unsere Aufgabe, ihnen bei der Ermittlung der besten Möglichkeiten zu helfen.“
So entsprechen die Verkaufsmitarbeiter von P&G nicht dem Stereotyp penetranter Ver-
treter, die einem in den Sinn kommen, wenn man an Verkauf denkt. Sie werden noch
nicht einmal als „Verkaufspersonal“ bezeichnet, sondern als CBD-Manager – talentierte,
gut ausgebildete, geschulte Vertriebsprofis, die alles tun, um den Erfolg ihrer Kunden zu
fördern. Sie wissen, dass Verkaufsgeschick auch die Zusammenarbeit mit den Kunden
beinhaltet, um deren Probleme zum gegenseitigen Vorteil zu lösen. Sie wissen: Hat der
Kunde Erfolg, haben auch sie Erfolg.

Fragen
1. Welche Vertriebsphilosophie verfolgt P&G?
2. Welche Rolle spielt der einzelne Kundenbetreuer im Verkaufsprozess?

743
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Die einführende Fallstudie greift einige Aspekte auf, die für eine erfolgreiche Vertriebs- und
Außendienstorganisation wichtig sind. Nachdem wir uns bereits mit zwei Bestandteilen des
Marketingkommunikations-Mix – Werbung und Öffentlichkeitsarbeit – beschäftigt haben,
werfen wir nun einen genaueren Blick auf zwei weitere Elemente: persönlicher Verkauf und
Verkaufsförderung. Beide nutzen den direkten Kontakt zum Kunden, um einen kundenspezi-
fischen Nutzen zu erzeugen und um eine langfristige Kundenbeziehung aufzubauen.

16.2 Der persönliche Verkauf


In der Wirtschaft passiert nichts, bis jemand etwas verkauft. Egal wie schön das Design, wie
konsistent die Strategie – erst der Verkauf lässt Träume wahr werden. Weltweit nutzen Unter-
nehmen den Außendienst, um Produkte und Dienstleistungen an Geschäftskunden oder End-
verbraucher zu verkaufen. Und Vertriebsorganisationen gibt es nicht nur in Wirtschaftsunter-
nehmen, sondern auch in Non-Profit-Organisationen. (Private) Hochschulen nutzen
Vermittler, um neue Studierende zu rekrutieren, und Krankenhäuser oder Museen gründen
Fördervereine, um Spender anzusprechen und finanzielle Mittel zu erhalten. Im ersten Teil
dieses Kapitels werden die Rolle des persönlichen Verkaufs im Unternehmen, das Vertriebs-
management und der Prozess des persönlichen Verkaufs untersucht.

16.2.1 Grundlagen des persönlichen Verkaufs


Der persönliche Verkauf ist eine der ältesten Tätigkeiten der Welt. Für die Personen, die die
Verkaufsaktivitäten durchführen, existieren eine Vielzahl von Bezeichnungen wie Vertriebs-
mitarbeiter, Handelsvertreter, Verkaufsberater, Vertriebsleiter, Gebietsleiter, Bezirksleiter,
Filialleiter, Marktleiter, Außendienstmitarbeiter, Vertriebsassistenten etc.
Vielleicht denkt man beim Begriff Verkäufer auch an den klischeehaften Handelsreisenden,
der versucht, seine Waren desinteressierten Kunden zu verkaufen. Heute sind Vertriebs- und
Außendienstmitarbeiter jedoch gut ausgebildete und geschulte Profis, die auf eine langfris-
tige und Nutzen bringende Kundenbeziehung hinarbeiten. Ihr Erfolg besteht nicht darin,
Kunden hereinzulegen, sondern ihnen zu helfen: Sie erkennen Kundenbedürfnisse und
lösen die Probleme ihrer Kunden.
Einige Annahmen darüber, was einen guten Verkäufer ausmacht, sind deshalb grundsätzlich
falsch. Klassischerweise stellt man sich eine Verkaufspersönlichkeit überheblich, aufdring-
lich und kontaktfreudig vor. Allerdings sind die besten Verkäufer heute eher gut im Herstel-
len persönlicher Beziehungen. Sie bauen Loyalität auf, akquirieren und entwickeln Kunden,
weil diese ihnen vertrauen und mit ihnen arbeiten wollen. Im Gegensatz zur klassischen
Sichtweise geht es darum, die Interessen des Kunden in den Vordergrund zu stellen. Die bes-
ten Verkäufer sind nur aus einem einfachen Grund so erfolgreich: Sie wissen, wie man Bezie-
hungen aufbaut. Ein wirklich guter Verkäufer schafft es, die Gefühle des Kunden zu lesen,
ohne ihn auszunutzen. Was am Ende wirklich entscheidet, ist, dass der Verkäufer das errei-
chen möchte, was für den Kunden am besten ist.
Die Bezeichnung Verkäufer bzw. Vertriebsmitarbeiter deckt eine große Spannbreite von Tätig-
keiten ab. Zum einen gibt es Positionen, bei denen überhaupt keine Verkaufskreativität
gefragt ist, sondern lediglich einfache Bestellungen oder ähnliche Vorgänge bearbeitet wer-
den. Ein Beispiel hierfür ist, an der Kasse eines Kaufhauses zu arbeiten. Zum anderen verlan-
gen einige Verkaufstätigkeiten einen hohen Grad an Kreativität. Dies ist beispielsweise beim
Verkauf von Industriegütern, technisch komplexen Maschinen wie Flugzeugen oder von

744
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.2 Der persönliche Verkauf

Dienstleistungen wie Versicherungspolicen der Fall. Auch gibt es Vertriebsmitarbeiter, die


gar keinen unmittelbaren Verkauf abwickeln, sondern sich um Goodwill und Aufklärung des
Kunden kümmern. Ein Beispiel dafür ist ein Vertriebsmitarbeiter eines Pharmaunterneh-
mens, der Ärzte über die Arzneimittel des Unternehmens aufklärt und ihnen dabei nahelegt,
ihren Patienten diese Medikamente zu verschreiben. Dieses Kapitel befasst sich hauptsäch-
lich mit den anspruchsvolleren Verkaufstätigkeiten sowie mit der Planung und Durchfüh-
rung eines erfolgreichen Vertriebsmanagements.

16.2.2 Die Rolle des Außendienstes


Während Werbung aus einseitiger, unpersönlicher Kommunikation mit der Zielgruppe
besteht, beinhaltet der persönliche Verkauf beidseitige, persönliche Kommunikation zwi-
schen dem Verkäufer und dem einzelnen Kunden, sei es von Angesicht zu Angesicht, am
Telefon, über E-Mail, per Videokonferenz oder mithilfe anderer Mittel. Aus diesem Grund ist
der persönliche Verkauf in komplexen Verkaufssituationen effektiver als Werbung. Der
Außendienstmitarbeiter kann die Probleme eines Kunden erforschen, das Angebot seinen
speziellen Anforderungen anpassen und die Verkaufsbedingungen aushandeln. Er kann eine
langfristige und persönliche Beziehung zu einem wichtigen Entscheider aufbauen.
Die Rolle des persönlichen Verkaufs ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich.
Einige Betriebe haben überhaupt kein Vertriebspersonal, z.B. solche, die ausschließlich über
Versandkataloge oder über Makler verkaufen. Doch in den meisten Unternehmen spielt die
Vertriebsmannschaft eine wichtige Rolle. Bei Firmen, die Industriegüter verkaufen, z.B. Sie-
mens oder BASF, ist der Außendienstmitarbeiter manchmal der einzige Kontaktpunkt zum
Kunden. Für diese ist der Außendienstmitarbeiter gleichbedeutend mit dem Unternehmen.
In Konsumgüterunternehmen wie Adidas oder Unilever, die über Zwischenhändler verkau-
fen, treffen die Endverbraucher nur selten auf Vertriebs- oder Außendienstmitarbeiter, meist
wissen sie gar nichts von ihnen. Dennoch spielt der Außendienst auch hier eine wichtige
Rolle: Er arbeitet mit dem Groß- und Einzelhandel zusammen, um dessen Unterstützung zu
erlangen und um ihm dabei zu helfen, die Produkte des Unternehmens erfolgreich zu ver-
kaufen.

Bindeglied zwischen Unternehmen und Kunden


Der Außendienst fungiert also als entscheidendes Bindeglied zwischen einem Unternehmen
und seinen Kunden – in vielen Fällen nützt er beiden. Zunächst repräsentiert der Außen-
dienst für den Kunden das Unternehmen. Er findet und erschließt neue Kundengruppen und
informiert über die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens. Vertriebsmitarbeiter
verkaufen, indem sie auf Kunden zugehen, Waren vorführen, Einwände aus dem Weg räu-
men, Preise und Konditionen aushandeln und den Kauf abschließen. Zusätzlich erbringen
sie Serviceleistungen und sammeln Informationen über den Markt und die Wettbewerber.
Darüber hinaus repräsentiert der Außendienst für das Unternehmen den Kunden, denn er
tritt innerhalb des Unternehmens für die Kundeninteressen ein und lenkt das Käufer-Verkäu-
fer-Verhältnis. Folglich agiert der Außendienstmitarbeiter oft als Kundenmanager (Account-
Manager), der die Beziehung zwischen dem Anbieter und dem Käufer regelt. Der Außen-
dienst gibt Sorgen der Kunden bezüglich der Produkte und der Tätigkeiten des Unterneh-
mens an diejenigen Mitarbeiter weiter, die diese dann bearbeiten können. Auch kennt der
Außendienst die Kundenbedürfnisse. Diese Informationen nutzt er, um mit anderen Mitar-
beitern Produkte mit größerem Kundennutzen zu entwickeln.

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Tatsächlich ist der Außendienstmitarbeiter für viele Kunden gleichbedeutend mit dem
Unternehmen und dessen einziges erkennbares „Gesicht“. Dies verdeutlicht, wie wichtig die
Fähigkeit, Kundenbeziehungen aufzubauen, für den Außendienstmitarbeiter ist. Starke
Beziehungen zum Außendienstmitarbeiter führen zu starken Beziehungen zum Unterneh-
men und seinen Produkten. Umgekehrt gilt, dass lockere Beziehungen wahrscheinlich zu
lockeren Beziehungen zum Unternehmen und den jeweiligen Produkten führen. Durch seine
Schlüsselrolle in der Verbindung eines Unternehmens zu dessen Kunden muss der Außen-
dienst sehr stark kunden- und lösungsorientiert agieren.

Organisation von Marketing und Vertrieb


Idealerweise arbeitet der Außendienst eng mit anderen Marketingfunktionen zusammen, um
gemeinsam Nutzen für den Kunden zu generieren. Leider agieren Vertrieb und Marketing in
vielen Unternehmen nach wie vor als separate Funktionen, was häufig zu Schwierigkeiten
führt. Wenn etwas schiefläuft, werfen Marketing-Manager dem Vertrieb eine schwache
Umsetzung der aus Marketingsicht brillanten Strategie vor. Andersherum wirft das Vertriebs-
team den Marketingfachleuten vor, zu weit vom Markt entfernt zu sein. Keiner von beiden
weiß den Beitrag des anderen voll zu schätzen. Wenn man diese Spannungen zwischen Ver-
trieb und Marketing ignoriert, können die Kundenbeziehungen und die Leistung des Unter-
nehmens darunter leiden.
Um Vertrieb und Marketing näher zusammenzubringen, hat ein Unternehmen verschiedene
Möglichkeiten. Grundsätzlich kann es die Kommunikation zwischen beiden Gruppen durch
die Durchführung gemeinsamer Besprechungen und die Ausgestaltung von Kommunikati-
onskanälen verstärken. Es kann Rahmenbedingungen schaffen, in denen Vertriebs- und Mar-
ketingmitarbeiter eng zusammenarbeiten. Produktmanager und Mitarbeiter aus Forschung
und Entwicklung können gelegentlich an Kundenbesuchen oder Besprechungen zur Ver-
kaufsplanung teilnehmen. Im Gegenzug sollten Vertriebsmitarbeiter an Besprechungen zur
Marketingplanung teilnehmen und Kundenwissen aus erster Hand einbringen. Ein Unter-
nehmen kann auch gemeinsame Ziele und Belohnungssysteme für Vertriebs- und Marketing-
teams einführen oder Marketingmitarbeiter ernennen, die konkret helfen, Marketing- und
Vertriebsprogramme zu koordinieren.
Das nachfolgende Highlight zeigt am Beispiel von Airbus, welchen Einfluss eine gut organi-
sierte Vertriebsmannschaft auf den Erfolg eines Unternehmens hat.

Marketing-Highlight: Airbus von 1970 bis 2017

Das europäische Unternehmen Airbus mit Hauptsitz in Toulouse wurde 1970 als
Zusammenarbeit zweier Unternehmen, Aerospatiale aus Frankreich und Deutsche Air-
bus, gegründet. Gemeinsames Ziel war es, das Modell A300 zu bauen, das erste Groß-
raumflugzeug mit zwei Triebwerken, um so eine Marktlücke zu füllen und gleichzeitig
der amerikanisch dominierten Flugzeugindustrie den Kampf anzusagen. 1974 schloss
sich das spanische Unternehmen CASA an, 1979 folgte die British Aerospace. Erst 2001
wurde aus der sogenannten Groupe d’Intérêt Economique ein einheitliches Unterneh-
men, welches zu 100 Prozent der European Aeronautic Defence and Space Company
(EADS) gehört. EADS benannte sich im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen
nach seinem Tochterunternehmen neu zu Airbus Group.

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16.2 Der persönliche Verkauf

Aufgrund des überwältigenden Erfolges der A300/A310-Baureihe in den 70er- und 80er-
Jahren konnte Airbus schon bald sein Produktprogramm ausweiten. Während der
damals unangefochtene Marktführer Boeing bereits ein vollständiges Sortiment anbot,
legte der europäische Neuling schrittweise eigene Modelle nach. 2003 gelang es Airbus
schließlich, Boeing bei bestellten und ausgelieferten Flugzeugen zu überholen. Damit
war Airbus vom belächelten Außenseiter innerhalb von drei Jahrzehnten zum größten
Hersteller ziviler Flugzeuge der Welt aufgestiegen. Der Flugzeughersteller erreichte
2016 mit rund 66,6 Milliarden Euro den höchsten Umsatz seiner Firmengeschichte.
Über viele Jahre hinweg war Boeing Marktführer auf dem Gebiet der Verkehrsflugzeuge.
Um mit einem starken Konkurrenten wie Boeing mithalten zu können, musste das
Unternehmen außerordentliche Anstrengungen unternehmen. Von Beginn an zählten
der hohe Innovationsgrad und das herausragende Verkaufs- und Kundenmanagement zu
den Stärken des europäischen Herausforderers. Der größte Teil der Verantwortung lag
dabei bei den Mitarbeitern der Vertriebsorganisation. In vielerlei Hinsicht unterscheidet
sich der Verkauf von Flugzeugen vom Verkauf anderer Industrieprodukte. Weltweit hat
man es mit 380 Kunden zu tun. Das Flugzeug als echtes Hochtechnologieprodukt in
allen Funktionen ist sehr komplex und stellt für Käufer wie für Verkäufer gleichermaßen
eine große Herausforderung dar.
In anderer Hinsicht hat aber auch der Verkauf von Flugzeugen vieles mit dem Verkauf
sonstiger Investitionsgüter gemeinsam. Die Vertriebsmitarbeiter ermitteln die Bedürf-
nisse der potenziellen Käufer und machen interne Vorgaben, was ein Produkt leisten
sollte. Anschließend wird das Produkt gemäß diesen Vorgaben entwickelt. Der Vertrieb
führt dann beim Kunden vor, wie gut das neue Produkt die Aufgaben erfüllt, und ver-
sucht, Kaufabschlüsse zu erreichen. Daraufhin folgt eine Phase einer sorgfältigen techni-
schen und kommerziellen Programmbegleitung, in der der operationale Einsatz der
gekauften Flugzeuge laufend optimiert wird, nicht zuletzt in der Hoffnung, dass sich bei
Expansion oder Ersatz Folgegeschäfte entwickeln werden.
Um die Bedürfnisse zu ermitteln, werden die Vertriebsmitarbeiter von Airbus zu Experten
für jene Fluglinien, für deren Betreuung sie die Verantwortung tragen. Dabei bleibt es aber
nicht bei oberflächlichen Kenntnissen, sondern sie arbeiten sich intensiv in die Struktu-
ren und Bedürfnisse ein, in ähnlicher Weise, wie es vielleicht nur noch die Finanzanalyti-
ker großer Anleger vor bedeutenden Börseninvestitionen tun würden. Sie streben an, her-
auszufinden, in welchen Regionen die Fluglinien ihr Wachstum suchen, wann ihre
Flugzeuge zur Erneuerung fällig sind und wie die finanzielle Situation zu beurteilen ist.
Dann entwerfen sie Möglichkeiten, wie die Wünsche und Bedürfnisse dieser bestimmten
Fluglinie erfüllt werden könnten. Die Flugzeuge von Airbus und die der Konkurrenz wer-
den Computer-Simulationen mit den Routen der Linie unterworfen, um herauszufinden,
ob die Airbus-Produkte in Bezug auf Sitzkilometer-Kosten und andere Faktoren besser
geeignet und kostengünstiger sind als die Konkurrenzprodukte. Wenn die Airbus-Ver-
triebsgruppe dann ausreichend auf alle auftretenden Fragen vorbereitet ist, meldet sie sich
als Team aus Finanzfachleuten, Planern und Technikern zu einem ersten Besuch an.
In der Regel ist dies der Beginn der Verhandlungen, in deren Verlauf die Konditionen
festgelegt und umfangreiche Schulungsprogramme für Piloten und Technik vereinbart
werden. Wenn die Verhandlungen in einem weit fortgeschrittenen Stadium angelangt
sind, kommen häufig Mitglieder der obersten Geschäftsleitungsebene der Fluglinie und
von Airbus hinzu, um das Geschäft zu einem Abschluss zu bringen.

747
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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Wenn dann der Auftrag vorliegt, muss die Vertriebsmannschaft im nahezu täglichen
Kontakt mit dem Kunden dessen Ausstattungswünsche entgegennehmen und sicher-
stellen, dass der Käufer weiterhin zufrieden ist. Der Erfolg hängt davon ab, wie weit es
gelingt, stabile, langfristig angelegte Beziehungen mit dem Kunden aufzubauen, die auf
Leistung und Vertrauen basieren. Die Vertriebsmannschaft ist das wichtigste Instrument,
mit dem Airbus die Information vom Kunden erhält und auf ihn einwirkt. Nur durch
sorgfältige Teamarbeit und optimal organisierte Abläufe ist ein derart komplexer Leis-
tungstransfer möglich.
Um größtmögliche Nähe zu den Kunden zu gewährleisten, wurden aufgrund des globa-
len Charakters dieses Geschäfts mit Airbus Japan, Airbus China, Airbus America und
Airbus Middle East Unternehmen vor Ort gegründet.
Die Vertriebsmannschaft von Airbus besteht aus erfahrenen technischen Verkäufern, die
einen geradlinigen und soliden Ansatz des Verkaufens anwenden. Sie sind hoch qualifi-
ziert und dafür ausgebildet, mittels Tatsachen und Logik zu verkaufen. Sie müssen dem
Kunden die Produktvorteile überzeugend vermitteln können. Damit die Kunden wirk-
lich zufriedengestellt sind und um die Kunden langfristig zu binden und zu behalten,
muss Airbus als Unternehmen alles daransetzen, dass auch nach dem Kauf das Produkt
die gesetzten Erwartungen erfüllt.
Große Aufträge und dauerhafte Verkaufserfolge sind natürlich dazu geeignet, die Ver-
triebsmannschaft immer wieder neu zu motivieren. Das Team hat als direkte Gegenspie-
ler die Vertriebsmitarbeiter von Boeing, ebenfalls eine gut geschulte und hoch moti-
vierte Mannschaft, die lange Zeit mit dem Vorsprung des Marktführers an den Start
gehen konnte. Boeing hatte ein breiteres Programm als Airbus anzubieten, bei dem die
ganz großen Flugzeuge im Programm fehlten. Inzwischen hat auch Airbus ein vollstän-
diges Produktprogramm und besitzt mit dem doppelstöckigen A380 ein Modell, das
Boeing in diesem Größenbereich sogar überholen konnte. Zwar bleibt Boeing der
stärkste Konkurrent, doch hat Airbus inzwischen seine Marktposition in der Zivilluft-
fahrt gefestigt.
Bei der Zahl der Auslieferungen aller Flugzeugtypen blieb der US-Konzern 2016 der
größte Luftfahrtausrüster der Welt. Bei Boeing verließen 762 Flugzeuge die Produktions-
stätten, bei Airbus waren es 635 Jets. Betrachtet man aber den Geschäftsausblick so hat
Airbus die Nase vorn: Ende Oktober 2017 stand es bei der Zahl bestellter Flugzeuge in
Sachen Airbus gegen Boeing 6645 zu 5651.
Quellen:
Airbus S.A.S., Präsentationen Financial Year 2016, 2014, 2012 und 2010 sowie Airbus Order and
Deliveries unter www.airbus.com [12.02.2018]; Airbus S.A.S., Webseite unter: www.airbus.com
[24.04.2015]; Machatschke, Michael: „Champion auf Bewährung“, in: Manager Magazin, 4/2006;
o.V.:„Airbus feiert 40. Geburtstag seines ersten Verkehrsflugzeugprogramms“, Pressemitteilung von
Airbus S.A.S unter: www.airbus.com [31.10.2009]; o.V.: „EADS heißt künftig Airbus“, unter: http://
www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/eadsheisst-kuenftig-airbus-und-restrukturiert-ruestungs-
sparte-a-914000.html [24.04.2015]; Wall, Robert: „Airbus Rack Up More 2014 Jet Orders than
Boeing“, unter: http://www.wsj.com/articles/airbus-racks-up-more-2014-jet-orders-than-boeing-
1421142005 [24. 04. 15]. Bartels, Till: „Airbus versus Boeing: Wer ist die Nummer eins am Him-
mel?“, unter: https://www.stern.de/wirtschaft/news/airbus-versus-boeing--wer-ist-die-nummer-
eins-am-himmel--7700048.html [12.02.2018]

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16.3 Sales Force Management

16.3 Sales Force Management


Unter Sales Force Management versteht man die Analyse, Planung, Durchführung und Kont-
rolle der Aktivitäten des Vertriebsteams. Dazu gehört es, die Strategie und Struktur des Ver-
triebspersonals zu bestimmen sowie geeignete Mitarbeiter anzuwerben, auszuwählen, auszu-
bilden, zu vergüten, zu steuern und zu beurteilen. Diese Hauptaufgaben des Sales Force
Management sind in Abbildung 16.2 dargestellt und sollen im Folgenden näher betrachtet
werden.

16.3.1 Zielvorgaben für den Außendienst


Unternehmen geben für ihren Außendienst unterschiedliche Ziele vor. In der Regel überneh-
men die einzelnen Außendienstmitarbeiter meist mehrere der folgenden Aufgaben:
 Suchen potenzieller Käufer Neue potenzielle Käufer finden und zu Kunden machen
 Kommunikation Informationen über die Produkte und Dienstleistungen des Unterneh-
mens erteilen
 Verkauf Einen Kaufabschluss erzielen, nachdem die Kunden aufgesucht, die Produkte
oder Dienstleistungen präsentiert und erklärt, Fragen beantwortet und Einwände ausge-
räumt worden sind
 Betreuung und Service Verschiedene Kundendienstleistungen erbringen (z.B. Hilfe bei
Problemlösungen, technische Unterstützung, Finanzierungsangebote)
 Sammeln von Informationen Marktforschung betreiben, Marktkenntnisse erwerben und
Verkaufsberichte erstellen
Einige Unternehmen geben ihren Außendienstmitarbeitern in Bezug auf Ziele und Tätigkei-
ten sehr genaue Anweisungen. Beispielsweise kann man vorgeben, 80 Prozent der Zeit für
bestehende Kunden und 20 Prozent der Zeit für potenzielle Kunden aufzuwenden. Oder die
Vorgabe kann lauten, 85 Prozent der Zeit für aktuelle Produkte und 15 Prozent für neue Pro-
dukte zu verwenden. Dahinter steckt die Befürchtung des Unternehmens, dass die Außen-
dienstmitarbeiter dazu neigen, ihre ganze Zeit für den Verkauf aktueller Produkte an bereits
bestehende Kunden zu verwenden. Dabei würden jedoch neue Produkte sowie neue poten-
zielle Kunden vernachlässigt werden.

Zielvorgaben Strategie und Auswahl der Aus- und Weiter-


für den Struktur des Außendienst- bildung des
Außendienst Außendienstes mitarbeiter Außendienstes

Führung und Leistungsbewer-


Vergütung der
Kontrolle des tung der Außen-
Außendienstmitarbeiter
Außendienstes dienstmitarbeiter

Abbildung 16.2: Die wichtigsten Maßnahmen des Sales Force Management

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

16.3.2 Strategie und Struktur des Außendienstes


Marketing- bzw. Vertriebsmanager müssen bei der Festlegung von Strategie und Struktur für
den Außendienst unterschiedliche Fragen berücksichtigen. Wie sollen die Aufgabenfelder
des Außendienstes strukturiert sein und wie viele Mitarbeiter soll er umfassen? Sollten die
Außendienstmitarbeiter allein unterwegs sein oder lieber in einem Team zusammenarbeiten?
Sollten sie das Verkaufen beim Kunden vor Ort, telefonisch oder über Online- bzw. soziale
Medien durchführen? Wie kann die Vergütung für Außendienstmitarbeiter und für im Team
erzielte Leistungen aussehen? Diese Fragen sind Gegenstand der folgenden Betrachtungen.

Strategie
Jedes Unternehmen konkurriert mit anderen um die Aufträge der Kunden. Daher ist es ent-
scheidend, den Kaufentscheidungsprozess des Kunden zu verstehen und darauf die eigene
Strategie zu begründen. Ein Unternehmen kann auf unterschiedliche Methoden zurückgrei-
fen, um mit dem Kunden in Kontakt zu treten. Ein einzelner Außendienstmitarbeiter kann
einen Kunden persönlich oder telefonisch ansprechen oder die Produkte vor einer ganzen
Kundengruppe vorführen. Ebenso kann ein Verkaufsteam eine Präsentation der Produkte vor
einem oder mehreren potenziellen Kunden durchführen. Beim Konferenzverkauf (Confe-
rence Selling) bringt ein Vertriebsmitarbeiter auch andere Mitarbeiter des Unternehmens
zum Kunden mit, um dort Probleme und Möglichkeiten zu diskutieren. Beim Seminarver-
kauf (Seminar Selling) hält ein Verkaufsteam ein Fortbildungsseminar für das technische Per-
sonal des Kunden über die neuesten Entwicklungen.
Oft hat ein Außendienstmitarbeiter die Aufgaben eines Kundenmanagers (Account-Mana-
ger), der den Kontakt zwischen den Mitarbeitern des kaufenden und des verkaufenden
Unternehmens herstellt. Da Außendienstmitarbeiter dafür die Hilfe anderer Mitarbeiter benö-
tigen, ist Teamwork unerlässlich. Weitere Positionen, die den Vertrieb unterstützen, sind das
Top-Management, insbesondere wenn ein wichtiger Verkauf ansteht. Darüber hinaus wird
der Außendienst von technisch geschultem Personal unterstützt, das die Kunden mit techni-
schen Informationen versorgt. Außerdem werden weitere Dienstleistungen von verschiede-
nen Kundendienstmitarbeitern angeboten, u.a. Installation und Wartung. Und schließlich
sind auch Mitarbeiter im Innendienst am Verkaufsprozess beteiligt, z.B. Sachbearbeiter in der
Auftragsannahme und Sekretärinnen.
Wenn sich das Unternehmen auf eine Strategie festgelegt hat, muss es entscheiden, ob es
einen eigenen Außendienst aufbauen oder ob es auf externe Partner zurückgreifen will. Ein
eigener (oder direkter) Außendienst setzt sich aus teil- oder vollzeitbeschäftigten Mitarbei-
tern zusammen, die ausschließlich für das eigene Unternehmen arbeiten. Dazu gehören Mit-
arbeiter, die ihre Geschäfte telefonisch von der Unternehmenszentrale aus erledigen und dort
auch potenzielle neue Kunden empfangen. Hinzu kommt der eigentliche Außendienst, d.h.
Mitarbeiter, die zumeist unterwegs sind, um Kunden zu besuchen. Dahingegen besteht der
externe Außendienst aus Handelsvertretern oder Maklern, die auf ihrem Umsatz basierende
Provisionen erhalten.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.3 Sales Force Management

Struktur des Außendienstes


Die Auswahl der Strategie beeinflusst auch die Struktur des Außendienstes. Ein Unterneh-
men kann die Verkaufstätigkeiten auf unterschiedliche Art und Weise unterteilen. Wenn es
nur eine einzige Produktlinie in einer Branche anbietet, die Kunden jedoch weit verbreitet
sind, ist die Entscheidung ganz einfach. In diesem Falle erfolgt die Strukturierung des
Außendienstes nach Gebieten. Bietet es viele verschiedene Produkte für unterschiedliche
Kunden und Branchen an, kommen zusätzlich eine Strukturierung nach Produkten, nach
Kunden oder aber eine Kombination daraus infrage.
Strukturierung des Außendienstes nach Gebieten Bei dieser Form wird jedem Außendienst-
mitarbeiter ein eigenes Verkaufsgebiet zugeordnet, in welchem er allen Kunden die ganze
Bandbreite an Produkten und Dienstleistungen anbietet. Dabei sind die Tätigkeiten und der
Verantwortungsbereich des Mitarbeiters ganz klar definiert. Diese Vertriebsstruktur begüns-
tigt den Aufbau regionaler und persönlicher Geschäftsbeziehungen. Außerdem ergeben sich
bei dieser Struktur relativ niedrige Reisekosten. Ein gebietsbezogenes Vertriebsteam wird
häufig von mehreren Führungsebenen in der Vertriebsleitung unterstützt. Während in welt-
weiten Vertriebsorganisationen mehrere Führungsebenen üblich sind, gibt es in kleineren
europäischen und anderen spezialisierten Märkten gewöhnlich flachere Hierarchien.
Strukturierung des Außendienstes nach Produkten Selbstverständlich müssen die Außen-
dienstmitarbeiter ihre Produkte sehr gut kennen, was durchaus schwierig sein kann, wenn
das Unternehmen eine Vielzahl von Produkten anbietet, die zudem technisch komplex sind
und nichts oder wenig miteinander zu tun haben. Dieser Umstand und das allgemeine
Wachstum der Bedeutung des Produkt-Managements haben dazu geführt, dass viele Unter-
nehmen eine Strukturierung nach Produkten eingeführt haben, bei welcher der Außendienst
den Produktlinien entsprechend organisiert ist. Beispielsweise setzt General Electric für den
Verkauf seiner Produktgruppen unterschiedliche Vertriebsmannschaften ein. Innerhalb von
GE Infrastructure existiert für jeden der Bereiche Luftfahrt, Energie, Transport und wasser-
verarbeitende Produkte und Technologien ein separater Außendienst. Innerhalb von GE
Healthcare gibt es separate Vertriebsmannschaften für die diagnostische Bildgebung, Life
Sciences und integrierte IT-Produkte und -Services. Insgesamt kann ein so großes und kom-
plexes Unternehmen wie General Electric dutzende separate Vertriebsmannschaften haben,
die das Produkt- und Serviceportfolio global anbieten.
Dennoch kann die Vertriebsstrukturierung nach Produkten auch Probleme mit sich bringen,
insbesondere wenn ein bestimmter Kunde viele verschiedene Produkte des Unternehmens
kauft. Zum Beispiel kann ein Hersteller von Krankenhausbedarfserzeugnissen mehrere pro-
duktorientierte Unternehmensbereiche haben, die alle ihren eigenen Außendienst betreiben.
In diesem Fall kann es passieren, dass Außendienstmitarbeiter der verschiedenen Unterneh-
mensbereiche am selben Tag im selben Krankenhaus aufeinandertreffen und darauf warten,
mit dem gleichen Einkäufer sprechen zu können. Daher ist es nötig, die entstehenden Zusatz-
kosten gegenüber den Vorteilen der Vertriebsstruktur nach Produkten, nämlich der besseren
Produktkenntnis und dem Fokus auf einzelne Produkte, abzuwägen.
Strukturierung des Außendienstes nach Kunden Immer mehr Unternehmen strukturieren
ihren Vertrieb nach Kundengruppen oder Branchen. Dabei kann das Vertriebsteam so organi-
siert sein, dass voneinander getrennte Vertriebsmannschaften unterschiedliche Branchen
bedienen. Oder aber sie betreuen verschiedene Kundenbereiche, z.B. kümmert sich ein Team
um bereits bestehende Kundengruppen und ein anderes ist für die Gewinnung neuer Kunden
zuständig. Möglich ist auch die getrennte Bearbeitung von Großkunden und von kleineren
bzw. mittleren Kunden.

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Als Beispiel mag ein Hersteller von Kopierern dienen. Intern wird eine Aufteilung in vier
Hauptgruppen vorgenommen:

Gruppe Kunden Betreuung


1 Nationale Großkunden mit vielen einzelnen Betreuung durch Großkundenvertrieb bei der
Niederlassungen sowie die Bundesbehörden Zentrale des Unternehmens
2 Regionale Großkunden und Landesbehörden Betreuung durch Leitung und Großkundenver-
trieb bei den Regionalniederlassungen
3 Mittelständische Unternehmen in den Regio- Betreuung durch erfahrene Mitarbeiter im Ver-
nen und der öffentlichen Hand/den Kommunen trieb der Regionalniederlassungen
der Region
4 Kleine Unternehmen und Freiberufler der Betreuung durch Außendienst der Regionalnie-
Region derlassungen
Tabelle 16.1: Kundengruppenstruktur einer Außendienstorganisation

Durch die Strukturierung des Außendienstes nach Kunden kann ein Unternehmen besser auf
deren Bedürfnisse eingehen. Beispielsweise hat der in der Schweiz ansässige Industriegüter-
hersteller ABB seinen Vertrieb von Produkt- auf Kundenstruktur umgestellt. Die neue Ver-
triebsstruktur hat zu einer stärkeren Kundenorientierung und zur Verbesserung der Kunden-
dienstleistungen geführt:
David Donaldson verkaufte Boiler für ABB. Nach 30 Jahren wusste Donaldson alles über Boi-
ler, aber über die übrigen Produkte des ABB-Geschäftsbereichs Kraftwerke wusste er kaum
Bescheid. Die Kunden waren etwas genervt, da bis zu zwölf Außendienstmitarbeiter von
ABB zu unterschiedlichen Zeitpunkten kamen, um ihre Produkte anzupreisen. Gelegentlich
gaben sich ABB-Mitarbeiter bei Kunden die Klinke in die Hand, ohne zu wissen, dass sie
beide vom gleichen Unternehmen kamen. Die Führungskräfte von ABB kamen zu dem
Schluss, dass sich ein Außendienst auf diese Weise nicht führen ließe. Infolgedessen beka-
men Donaldson und 27 weitere Kollegen des Geschäftsbereichs Kraftwerke ein neues Tätig-
keitsfeld. Heute verkauft Donaldson auch Turbinen, Generatoren und drei weitere Produktli-
nien. Er betreut jetzt sechs Großkunden, die alle derselben Branche angehören, anstelle von
ehemals 35 Kunden, die zwar alle sein Produkt kauften, aber ganz unterschiedlichen Bran-
chen angehörten. Seine Aufgabe besteht darin, seine Kunden möglichst genau kennenzuler-
nen, um ihnen so Produkte verkaufen zu können, die ihren speziellen Anforderungen ent-
sprechen. Donaldson selbst meint dazu Folgendes: „Mein Job ist es, dem Kunden die
Geschäftsbeziehung mit uns zu erleichtern. Wann immer ein Kunde ein Problem hat, ver-
weise ich ihn an den richtigen Ansprechpartner innerhalb von ABB.“ Der Leiter des
Geschäftsbereichs Kraftwerke von ABB erläutert die neue Philosophie so: „Um ein kunden-
orientiertes Unternehmen zu sein, muss man die Vertriebsorganisation an den einzelnen
Kunden ausrichten, und nicht an den Produkten.“
Mehrdimensionale Strukturierung des Außendienstes Für ein Unternehmen, das in einem
großen geografischen Gebiet eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte an verschiedene Kun-
dengruppen verkauft, ist häufig die Kombination unterschiedlicher Vertriebsstrukturen sinn-
voll. Die Außendienstmitarbeiter können dabei nach Kunde und Gebiet ausgerichtet sein
oder aber nach Produkt und Gebiet. Denkbar wäre auch eine Kombination von Produkt und
Kunde oder von Gebiet, Produkt und Kunde. In diesen Vertriebsstrukturen kann es durchaus
vorkommen, dass der Außendienstmitarbeiter mehreren Führungskräften Bericht erstatten

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16.3 Sales Force Management

muss. Zwar gibt es keine bestimmte Struktur, die für jedes Unternehmen in jeder Situation
die Ideallösung bietet, doch sollte jedes Unternehmen eine Organisationsform wählen, die
den Kundenbedürfnissen entspricht und zur allgemeinen Marketingstrategie des Unterneh-
mens passt.
Eine gute Vertriebsstruktur kann den Unterschied zwischen Erfolg und Scheitern bedeuten.
Im Laufe der Zeit können Außendienststrukturen komplex, ineffizient und unempfänglich
für Kundenbedürfnisse werden. Unternehmen sollten ihre Außendienstorganisationen des-
halb regelmäßig überprüfen, um sicher zu sein, dass sie den Bedürfnissen der Kunden und
des Unternehmens dienen.
Wie wichtig eine solche Überprüfung und Anpassung der Vertriebsstrukturen für den Unter-
nehmenserfolg ist, zeigt auch das folgende Beispiel von HP.

Marketing-Highlight: HP – Erneuerung einer riesigen


Vertriebsorganisation

Stellen Sie sich vor, Sie brauchen eine neue Digitalkamera. Sie sind nicht ganz sicher,
welches Modell Sie kaufen sollen oder welche Funktionen Sie benötigen. Also gehen Sie
in den nächsten großen Elektronikmarkt, um sich von einem Verkäufer beraten zu lassen.
In der Fachabteilung für Kameras ist jedoch weit und breit niemand zu sehen. Als sie
schließlich einen Verkäufer finden, gähnt dieser und lässt Sie wissen, dass er für jede Pro-
duktkategorie im Markt zuständig ist und sich mit Kameras nicht besonders gut auskennt.
Dann liest er Ihnen ein paar Informationen von der Verpackung des Modells vor, für das
Sie sich interessieren, und tut so, als hätten Sie das nicht selbst herausfinden können. Als
Nächstes schlägt er vor, dass Sie besser jemand anders fragen. Sie suchen weiter und fin-
den endlich eine Verkäuferin, die sich mit Kameras auskennt. Kaum hat sie Ihnen jedoch
einige Fragen beantwortet, muss sie sich allerdings schon wieder um andere Aufgaben
kümmern und verweist Sie an einen Kollegen. Und die Aussagen dieses Verkäufers wider-
sprechen nun all dem, was Ihnen die erste Mitarbeiterin gesagt hat. Es werden Ihnen sogar
andere Preise für die Kameramodelle genannt, die Ihnen gefallen.
So oder so ähnlich ist es Ihnen vielleicht schon einmal ergangen. Wenn ja, können Sie
sich vorstellen, was viele Geschäftskunden erleben, wenn sie von einem Großlieferan-
ten kaufen wollen. Diese Erfahrung machten jedenfalls die Firmenkunden des Techno-
logie-Riesen Hewlett-Packard, ehe Mark Hurd vor einigen Jahren als Vorstandsvorsit-
zender die Kontrolle übernahm. Zuvor stagnierten die Umsätze und Gewinne, der
Aktienwert war abgestürzt. Um die Gründe dafür herauszufinden, sprach Hurd direkt
mit den 400 Geschäftskunden. Was er hörte, waren überwiegend Beschwerden über die
Vertriebsorganisation von HP. Kunden beklagten, dass sie mit zu vielen verschiedenen
Mitarbeitern zu tun hätten und die verwirrenden Hierarchien bei HP machten es proble-
matisch, den richtigen Ansprechpartner herauszufinden. Es war schwierig, den zustän-
digen Vertriebsbeauftragten ans Telefon zu bekommen. Und sobald man ihn gefunden
hatte, verhielt sich der Mitarbeiter häufig passiv und überließ dem Kunden die Initia-
tive. Die Vertriebsbeauftragten von HP waren für eine Vielzahl komplexer Produkte
zuständig, sodass ihnen zum Teil das Fachwissen für eine bestimmte Kategorie fehlte.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Auch monierten die Kunden, dass ihnen von verschiedenen Mitarbeitern unterschiedli-
che Preise für ein Produkt genannt wurden und es oft Wochen dauerte, ehe sie auf eine
scheinbar einfache Frage eine Antwort erhielten. Insgesamt waren die Geschäftskunden
von HP frustriert und das ist nicht gerade ein günstiger Umstand für ein Unternehmen,
das 70 Prozent seiner Einnahmen mit Geschäftskunden generiert.
Doch nicht nur die Kunden waren über die schwerfällige und starre Vertriebsorganisa-
tion von HP frustriert. HP war in drei wesentliche Produktbereiche unterteilt: die Perso-
nal Systems Group (PSG), die Technology Solutions Group (TSG) sowie die Image and
Printing Group (IPG). Die Absatzorganisation von HP war jedoch in einem vierten Res-
sort untergebracht, nämlich der Customer Sales Group (CSG). Alle Vertriebsmitarbeiter
berichteten direkt an den CSG und waren zuständig für den Verkauf von Produkten aus
allen drei Bereichen. Hinzu kam die Tatsache, dass das CSG-Ressort aufgebläht und leis-
tungsschwach war. Nach Angaben eines Informanten beschäftigen sich „von den insge-
samt 17.000 Mitarbeitern in der Vertriebsorganisation nur etwa 10.000 mit dem direkten
Verkauf an Kunden. Der Rest waren Hilfskräfte oder Mitarbeiter im Management“. Die
Leiter der einzelnen HP-Ressorts waren mit der CSG-Struktur ebenfalls unzufrieden. Sie
beklagten, nur eine geringe oder gar keine direkte Kontrolle über die Vertriebsmitarbei-
ter zu haben, die die Produkte verkauften. Auch die komplexen Führungsebenen
schwächten die Entscheidungsprozesse und die Kundenansprache in der Vertriebsorga-
nisation.
Letzten Endes waren auch die Vertriebsmitarbeiter selbst durch die herrschenden Struk-
turen frustriert. Sie hatten weder die Zeit noch die Unterstützung, die sie brauchten, um
die Kunden angemessen zu betreuen. Mit administrativen Aufgaben und bürokratischen
Abläufen überlastet, verbrachten sie weniger als ein Drittel ihrer Zeit tatsächlich mit
den Kunden. Sie mussten sich durch zahlreiche bürokratische Abläufe arbeiten, um
Preisangebote und Muster für die Kunden zusammenstellen zu können. „Es fehlte ein-
fach der Kundenfokus“, sagte einer der stellvertretenden Verkaufsleiter bei HP. „Es war
schwierig, HP zu steuern. Dieser Zustand war nicht hinnehmbar.“
Als Hurd die Strukturen aufrollte, stellte sich heraus, dass die organisatorischen Prob-
leme von HP noch tiefer reichten. Das gesamte Unternehmen war derart zentralisiert
und verfügte über so viele Führungsebenen, dass es für die Kunden keine wirklich
erreichbaren Ansprechpartner gab. Als Hurd zu HP kam, stand er in dem Ruf, Kosten-
senkungen und kompromisslose Effizienz durchzusetzen. Vor seiner neuen Position war
er 25 Jahre bei NCR tätig und leitete das Unternehmen schließlich. Obwohl die Firma
natürlich wesentlich kleiner war als HP, lief sie unter Hurds Führung ohne Probleme.
Nichts machte ihm mehr Sorgen als die ineffizienten Strukturen, die er bei HP auf-
deckte. So begann nun das, was ein Beobachter als „eine der größten Herausforderungen
für Hurd“ bezeichnete: die Erneuerung der gewaltigen Vertriebsstruktur bei HP. Als Ers-
tes löste Hurd das CSG-Ressort auf und wies die Vertriebsmitarbeiter stattdessen direkt
den drei Produktbereichen zu. Er schaffte auch drei Führungsebenen ab und entließ
Hunderte unproduktiver Vertriebsmitarbeiter. Mit diesem Schritt erhielten das Sparten-
Marketing und die Verkaufsleitung eine direkte Kontrolle über einen schlankeren und
effizienteren Vertriebsprozess, was zügigere Kaufentscheidungen und schnellere Mark-
treaktionen zur Folge hatte.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.3 Sales Force Management

Hurd ergriff auch Maßnahmen, um Frustration beim Vertriebspersonal und den Kunden
abzubauen. Die Abschaffung des CSG-Ressorts bedeutete, dass nun jeder Vertriebsmitar-
beiter für den Absatz einer überschaubaren Produktanzahl zuständig war und sich
Fachwissen in dem jeweiligen Bereich aneignen konnte. Hurd drängte die Verkaufslei-
ter, den administrativen Aufwand für die Mitarbeiter zu kürzen und die Vertriebsunter-
stützung zu erhöhen, sodass die Verkäufer ihren Kunden mehr Qualitätszeit widmen
konnten. In der Folge verbrachten die Vertriebsmitarbeiter nun mehr als 40 Prozent
ihrer Zeit mit Kundengesprächen; zuvor waren es nur 30 Prozent gewesen.
Um sicherzustellen, dass die wichtigen Kunden gut umsorgt werden, teilte HP jedem
Mitarbeiter nur drei oder weniger Großkunden zu. Den 2.000 größten Geschäftskunden
wurde jeweils nur ein Vertriebsmitarbeiter zugewiesen – „sodass sie immer wissen, wer
ihr Ansprechpartner ist“. Die Veränderungen machen sich für den Kunden auch in der
Aufmerksamkeit bemerkbar, die sie nun von HP erhalten.
Sobald die neue Vertriebsstruktur Formen annahm, konzentrierte sich Hurd auf die
Rolle des Kunden im Vertriebsprozess. Die Tatsache, dass HP seine Geschäftskunden als
„Partner“ bezeichnet, sagt eine Menge über die Firmenphilosophie aus. „Wir sind sehr
[von unseren Partnern] abhängig. Wir betrachten sie als Erweiterung der HP-Vertriebsor-
ganisation“, meint Hurd. Um die Beziehungen zwischen HP und seinen Partnern zu
stärken, bindet HP die Geschäftspartner in die Großkundenplanung und strategische
Entwicklung mit ein – ein Vorgang, der die Geschäftspartner und Vertriebsmitarbeiter
sowie Verkaufsleiter von HP zu einem Team macht. Da Hurd eine enge Beziehung zwi-
schen der Vertriebsorganisation und den Geschäftspartnern anstrebt, praktiziert er seine
eigenen Vorgaben. Jährlich ist er fast 60 Prozent seiner Zeit mit verschiedenen Vertrieb-
spartnern und deren Kunden unterwegs. Einen weiteren Teil der Zeit widmet er dem
Executive-Connections-Programm von HP – Gespräche am Runden Tisch, die weltweit
organisiert werden.
Die Veränderungen, die bei HP durchgeführt wurden, haben bei fast jedem Beteiligten
zu mehr Zufriedenheit geführt. Und zufriedene Vertriebsmitarbeiter sind produktiver,
was wiederum mehr Zufriedenheit bei den Kunden erzeugt. Dies dürfte HP eine glän-
zende Zukunft versprechen. Hurd weiß, dass noch viel Arbeit vor ihm liegt. Doch mit
einem beständigen Fokus auf Vertriebspersonal und -prozesse schafft HP eine Struktur,
die vorteilhaft für die Geschäftskunden ist. Wenn der Elektronikfachmarkt in Ihrer Nähe
das nur auch hinbekäme …

Größe des Außendienstes


Hat man erst einmal Strategie und Struktur des Außendienstes festgelegt, muss man eine Ent-
scheidung in Bezug auf dessen Größe treffen. Diese kann von wenigen Außendienstmitarbei-
tern bis hin zu Zehntausenden reichen. Zum Beispiel beschäftigt PepsiCo 36.000 Außen-
dienstmitarbeiter, American Express 23.400, General Electric 16.400 und Xerox 15.000.
Außendienstmitarbeiter sind einerseits sehr produktive, andererseits aber auch teure Posten
eines Unternehmens. Daher werden sowohl der Absatz als auch die Kosten steigen, wenn
ihre Anzahl zunimmt.
In den vergangenen Jahren haben viele Unternehmen ihren Außendienst verkleinert. Ent-
wicklungen im Vertrieb, z.B. der Verkauf über das Internet oder die Verwendung von CRM-
Software, haben dazu geführt, dass von den Außendienstmitarbeitern ein effizienterer

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Umgang mit den Kunden verlangt wird. In einigen Fällen wurde der Außendienst sogar
durch die neuen Technologien ersetzt.
Viele Unternehmen legen die Größe des Außendienstes fest, indem sie die Arbeitsbelastung
der Außendienstmitarbeiter als Grundlage heranziehen. Man gruppiert seine Kunden nach
Größe und nach Status bzw. nach dem Aufwand, der für ihre Betreuung erforderlich ist.
Dann bestimmt man die Anzahl der Mitarbeiter, die nötig ist, um die gewünschte Zahl von
Kundenbesuchen durchzuführen. Als Beispiel dient folgende Berechnung: Die Arbeitsbelas-
tung des Außendienstes, also die Anzahl der Besuche pro Jahr, beläuft sich auf insgesamt
60.000 (36.000 + 24.000). Unter der Annahme, dass ein Außendienstmitarbeiter durch-
schnittlich 1.000 Kundenbesuche im Jahr machen kann, werden hier 60 Außendienstmitar-
beiter benötigt.

A-Kunden B-Kunden
Anzahl der Kunden 1.000 2.000
Besuche/Jahr 36 12
Besuche 36.000 24.000
Tabelle 16.2: Kundenmerkmale und gewünschte Besuchshäufigkeit als Grundlage der Außendienstplanung

Sonstige Aspekte bei der Strategie- und Strukturbestimmung


Das Vertriebsmanagement muss auch darüber entscheiden, welche Mitarbeiter am Verkaufs-
prozess beteiligt sein sollen und auf welche Art und Weise verschiedene Vertriebsmitarbeiter
mit anderen sie unterstützenden Mitarbeitern zusammenarbeiten sollen.
Vertriebsaußendienst und -innendienst Für den Vertrieb kann ein Unternehmen einen
Außendienst, einen Innendienst oder auch beides einsetzen. Während der Außendienst Kun-
den Besuche abstattet, führen die Innendienstmitarbeiter ihre Geschäfte vom Büro aus, sei es
telefonisch, über das Internet oder durch den Empfang von Einkäufern.
Die Vertriebsmitarbeiter im Innendienst entlasten den Außendienst und ermöglichen ihm so,
mehr Zeit für die Betreuung wichtiger Großkunden und für die Gewinnung neuer Käufer auf-
zuwenden. Zum Beispiel stellt die technische Vertriebsunterstützung Informationen und
Antworten auf Kundenfragen bereit. Vertriebsassistenten führen administrative Tätigkeiten
für den Außendienst aus. Sie rufen Kunden vorab an und bestätigen Termine, gehen Liefe-
rungen nach und beantworten Kundenanfragen, wenn der Außendienst nicht erreichbar ist.
Solche Kombinationen aus Vertriebsinnen- und -außendienst können dabei helfen, wichtige
Kunden besser zu betreuen. Der Innendienst bietet den permanenten Zugriff und die tägliche
Unterstützung. Der Außendienst sichert persönliche Zusammenarbeit und den Aufbau der
Kundenbeziehung.
Andere Innendienstmitarbeiter leisten mehr als nur Unterstützung. Mitarbeiter im Telemar-
keting und Internetverkäufer nutzen Telefon und Internet, um Neukundenkontakte zu finden
und Interessenten zu qualifizieren oder um Kunden direkt zu beliefern. Telemarketing und
Internetvertrieb können ein sehr effektiver Weg sein, an kleine oder schwer erreichbare Kun-
den zu verkaufen.
Je nach Beratungsintensität und Komplexität des Produkts kann ein Mitarbeiter im Vertrieb-
sinnendienst am Tag 20 bis 33 Kontakte zu Kaufentscheidungsträgern herstellen, im Ver-
gleich zu den durchschnittlich vier Kundenkontakten, die ein Außendienstmitarbeiter an

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.3 Sales Force Management

einem Tag erzielen kann. Für viele Produktarten und Verkaufssituationen kann das Telemar-
keting genauso wirkungsvoll sein wie ein persönlicher Besuch und ist dabei noch erheblich
günstiger. Zum Beispiel verursacht ein typischer Kundenbesuch durch den Außendienst
Kosten in Höhe von 300 Euro, während ein routinemäßiger Telemarketing-Anruf je nach
Komplexität des Gesprächs zwischen 7 und 30 Euro kostet.
Insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten reduzieren deshalb viele Unternehmen
ihre persönlichen Kundenbesuche und greifen vermehrt auf den Vertrieb über Telefon, E-
Mail oder Internet zurück. Neben der Kostenersparnis sind viele Käufer im modernen
Umfeld der digitalen, mobilen und sozialen Medien einfach empfänglicher oder bevorzugen
sogar den telefonischen und Onlinekontakt gegenüber dem persönlichen, der früher bei den
Gesprächen mit Vertretern unerlässlich war. Viele Verbraucher neigen eher dazu, sich Infor-
mationen im Internet zu beschaffen – eine Studie zeigt, dass Handelsvertreter vom durch-
schnittlichen Käufer erst dann kontaktiert werden, nachdem dieser etwa 60 Prozent des
gesamten Kaufvorgangs bereits unabhängig durchgeführt hat. Die Kunden nutzen dann in der
Regel das Telefon, den Dialog über das Internet oder soziale Medien, um die Verkäufer zu
kontaktieren und den Kaufabschluss zu tätigen. „Mit virtueller Konferenz-Software wie
GoToMeeting.com und WebEx, Kommunikationsprogrammen wie Skype und den Social-
Media-Seiten wie Twitter, Facebook und LinkedIn wird ein Verkauf mit wenig bis gar keinem
persönlichen Kontakt immer einfacher“, so ein fachkundiger Verkaufsberater.1
Als Folge dieses Trends verzeichnet der Verkauf per Telefon und Internet deutlich schnellere
Zuwächse als der Direktverkauf. Eine Studie weist auch auf die zunehmende Verbreitung
von „Hybrid-Vertretern“ hin, eine moderne Mischung aus Handelsvertreter und internem
Verkaufsberater, die häufig aus der Ferne tätig sind. Etwa 41 Prozent der Verkaufsaktivitäten
im Außendienst finden heute telefonisch oder über ein mobiles Gerät statt, entweder in
einem Home-Office, einem Unternehmensbüro oder von unterwegs.2
Team Selling Da die Komplexität vieler Produkte zunimmt und Kunden größer und
anspruchsvoller werden, ist es einem einzigen Vertriebsmitarbeiter oftmals nicht mehr mög-
lich, alle Kundenanforderungen zu erfüllen und zu bearbeiten. Aus diesem Grund setzen
Unternehmen verstärkt auf das Team Selling, also auf eine Vertriebsmannschaft, insbeson-
dere für die Betreuung großer und komplexer Kunden. Solche Verkaufsteams können Prob-
leme, Lösungen und Verkaufsgelegenheiten besser ausfindig machen, als es einem einzelnen
Vertriebsmitarbeiter jemals gelingen würde. Dabei vereinen sie Mitarbeiter der unterschiedli-
chen Unternehmensbereiche und -ebenen, z.B. Vertrieb, Marketing, technische und andere
unterstützende Servicebereiche, Forschung und Entwicklung, Organisation, Finanzen etc.
In vielen Fällen spiegelt der Schritt zum Team Selling eine vergleichbare Veränderung in der
Einkaufsorganisation der Kunden wider. Vertriebsmitarbeiter treffen heutzutage zunehmend auf
Teams aus Einkäufern. Ein Verkäufer kann aber nicht alles erledigen und Experte für alle Pro-
dukte sein, die dem Kunden angeboten werden. Daher bildet man strategische Kundenteams.
Einige Unternehmen, wie beispielsweise IBM, Xerox, Unilever und Procter & Gamble, ver-
wenden bereits erfolgreich solche Teams. Vertriebsmitarbeiter sind in sogenannten Customer

1 Jeff Green, „The new Willy Loman survives by staying home“, Bloomberg Businessweek, 14.–20. Ja-
nuar 2013, S. 16–17 und Dave Stein, „The evolution of social selling“, Sales & Marketing Manage-
ment, Mai/Juni 2013, S. 14.
2 Siehe hierzu Jim Domanski, „Special Report: The 2012 B@B Tele-Sales Trend Report“, www.salesope-
dia.com/down-loads/2012%20B2B%20Tele-Sales%20Trend%20Special%20 Reportl.pdf, Zugriff
Juli 2013.

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Business Development Teams (CBD) organisiert. Die Teams bestehen aus Vertriebsleitern,
Key-Account-Managern und diversen Spezialisten zu den Themen Marketingstrategie, Tech-
nik, Informationssysteme, Logistik und Finanzen. Eine solche Organisationsstruktur eignet
sich insbesondere dazu, Kunden in allen wichtigen Belangen optimal zu unterstützen. Die
Idee dahinter ist, dass Umsatz und Gewinn nur dann gesteigert werden können, wenn die
wichtigsten Kunden als strategische Partner angesehen werden. Indem ein Unternehmen sei-
nen Kunden hilft, ihren Umsatz zu steigern, kann dies auch seinen eigenen erhöhen.
Doch auch das Team Selling hat seine Fallen. Kunden, die es gewohnt sind, mit nur einem
Vertriebsmitarbeiter zu arbeiten, können sich angesichts eines Verkaufsteams verwirrt und
überfordert fühlen. Ebenso kann ein Vertriebsmitarbeiter, der gewöhnlich den Kunden ganz
für sich hat, Schwierigkeiten haben, mit anderen im Team zusammenzuarbeiten und diesen
zu vertrauen. Und schließlich sind auch die Bewertung und die daraus folgende Vergütung
der einzelnen Leistungen, die zum Gesamterfolg des Teams geführt haben, problematisch.
Key-Account-Management Für die meisten Unternehmen sind stabile Beziehungen zu Groß-
kunden besonders wichtig. Konsumgüterhersteller wie Procter & Gamble, Unilever und
Danone unterhalten Geschäftsbeziehungen zu großen Einzelhandelsunternehmen wie Rewe,
Edeka oder Metro. Die Bedeutung dieser Großkunden hat auch das Marketing in diesem
Bereich entscheidend verändert. Hierfür werden eigens Kundenbetreuer, sogenannte
Account-Manager, eingesetzt, welche für die Geschäftsbeziehung zu einem bestimmten Groß-
kunden zuständig sind. Die Aufgabe des Key-Account-Managers besteht darin, eine gute und
vertrauensvolle Geschäftsbeziehung zwischen besonders wichtigen Kunden und der eigenen
Organisation zu etablieren und zu pflegen. Manchmal koordinieren sie auch die Geschäfte
mit mehreren kleinen Kunden oder einer Kundengruppe.
Da die großen Einzelhandelsketten ständig alle wichtigen bekannten Marken im Sortiment
führen, ist es die Aufgabe des Account-Managers, den Gewinn der eigenen Marke über die-
sen Distributionskanal zu steigern. Aus diesem Grund werden häufig auf das Einzelhandel-
sunternehmen zugeschnittene Sonderaktionen und exklusive Werbemaßnahmen vereinbart.
So stärkt man nicht nur die Position der eigenen Marken, sondern auch die des Einzelhan-
dels.
Ähnlich verhält es sich im Industriegütergeschäft, mit dem wir uns ausführlich in Kapitel 6
beschäftigt haben. Selbst wenn noch keine Geschäftsbeziehung zu bestimmten Kunden
besteht, werden auf allen Unternehmensebenen regelmäßig Kontakte gepflegt. Besonders
wichtige Schlüsselkunden werden von Key-Account-Managern betreut. Sie sorgen für eine
für beide Seiten vorteilhafte Geschäftsbeziehung.

16.3.3 Auswahl der Außendienstmitarbeiter


Die Basis eines erfolgreichen Außendienstes wird geschaffen durch das Anwerben und die
Auswahl guter Mitarbeiter. Der Leistungsunterschied zwischen einem durchschnittlichen
und einem sehr guten Außendienstmitarbeiter kann beträchtlich sein. In einer typischen Ver-
triebsmannschaft erwirtschaften normalerweise 30 Prozent der Mitarbeiter 60 Prozent des
Umsatzes. Daher ist deren sorgfältige Auswahl für den Unternehmenserfolg von großer
Bedeutung.
Außerdem verursacht eine schlechte Personalauswahl hohe Kosten. Scheidet ein Außen-
dienstmitarbeiter aus, entstehen Kosten, um einen neuen Mitarbeiter zu finden und auszubil-
den. Hinzu kommen die entgangenen Umsätze. Deshalb ist eine stabile Außendienstmann-
schaft wesentlich produktiver als ein Vertriebsteam mit ständig neuen Mitarbeitern.

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16.3 Sales Force Management

Eigenschaften eines guten Außendienstmitarbeiters


Neue Vertriebsleute auszusuchen wäre kein Problem, wenn das Unternehmen genau wüsste,
welche Eigenschaften einen sicheren Verkaufserfolg versprechen. Wenn man wüsste, dass
gute Außendienstmitarbeiter offen, aggressiv und energisch sein müssen, könnte man die
Bewerber nur nach diesen Merkmalen beurteilen. In Wirklichkeit sind jedoch viele erfolgrei-
che Verkäufer eher zurückhaltende, beinahe schüchterne Menschen.
Was unterscheidet also einen erfolgreichen Verkäufer von all den anderen? Mit der Absicht,
das Profil eines Top-Verkäufers zu erstellen, befragte die Gallup Management Consulting
Group Hunderttausende von Verkäufern. Die Umfrage ergab, dass die besten über vier
Schlüsseltalente verfügen: eine hohe Motivation, einen disziplinierten Arbeitsstil, die Fähig-
keit, Verkäufe abzuschließen und das wahrscheinlich wichtigste: die Fähigkeit, gute Bezie-
hungen zu Kunden aufzubauen.
Richtig gute Verkäufer sind intrinsisch, also von innen heraus motiviert. „So verschieden die
Menschen, so verschieden ist auch ihr Antrieb: Stolz, Glück, Geld, wie auch immer“, sagt ein
Experte. „Aber eines haben alle erfolgreichen Verkäufer gemeinsam: den unablässigen Drang,
andere zu übertreffen.“ Einige Verkäufer sind nur auf das Geld aus, sehnen sich nach Aner-
kennung oder nach der Befriedigung durch das Ausspielen von Konkurrenz. Andere sind
allein dadurch motiviert, Dienstleistungen anzubieten und Kontakte zu knüpfen. Die besten
Verkäufer besitzen ein bisschen von jeder dieser Motivationen.
Unabhängig von ihrer Motivation brauchen Verkäufer einen disziplinierten Arbeitsstil. Wenn
jemand nicht bereit ist, hart zu arbeiten, unorganisiert und planlos agiert, so wird er den ste-
tig steigenden Ansprüchen der Kunden heutzutage nicht gerecht werden. Gute Verkäufer
sind daher immer darauf bedacht, ihre detaillierten und durchorganisierten Pläne strikt und
zeitgenau einzuhalten.
Alle Fähigkeiten haben jedoch wenig Bedeutung, solange jemand keinen Verkauf abschließen
kann. Wie wird man also erfolgreich darin, Geschäfte abzuschließen? Zunächst einmal
braucht man unbeirrbares Durchhaltevermögen. „Einen Verkauf abzuschließen ist wie
Sport“, sagt ein Verkaufstrainer. „Wie gute Athleten dürfen auch Verkäufer keine Angst davor
haben zu verlieren und sie dürfen nicht aufgeben, bevor sie ihr Ziel erreicht haben.“ Sie
brauchen ein hohes Maß an Selbstbewusstsein und müssen daran glauben, dass das, was sie
tun, das Richtige ist.
In der heutigen Welt des Beziehungsmarketings ist es wohl am wichtigsten, dass gute Verkäu-
fer die Probleme ihrer Kunden lösen und eine gute Beziehung zu ihnen aufbauen. Sie erken-
nen instinktiv die Bedürfnisse ihrer Kunden. Befragt man Verkaufsleiter, beschreiben sie ihre
Top-Angestellten mit den folgenden Eigenschaften: empathisch, geduldig, fürsorglich, ver-
antwortungsbewusst, gute Zuhörer, ehrlich. Gute Verkäufer können sich in die Lage des Käu-
fers hineinversetzen und ihre Ansichten verstehen. Sie wollen nicht nur gemocht werden,
sondern ihre Kunden wirklich zufriedenstellen.
Bei der Mitarbeiterauswahl sollte man die Verkaufstätigkeit an sich und die Charakteristika
der erfolgreichsten eigenen Außendienstmitarbeiter analysieren, um so die entscheidenden
Eigenschaften zu ermitteln, die einen guten Verkäufer in der eigenen Branche ausmachen.
Dabei stellen sich folgende Fragen: Erfordert die Tätigkeit ein hohes Maß an Planung und
Schreibarbeit? Ist häufiges Reisen nötig? Muss der Vertriebsmitarbeiter mit Zurückweisung
und Ablehnung rechnen? Hat es der Mitarbeiter vor allem mit anspruchsvollen Kunden zu
tun? Ein erfolgreicher Bewerber sollte die Voraussetzungen für die Bewältigung dieser Aufga-
ben aufweisen.

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Anwerbe- und Auswahlverfahren


Nachdem die Auswahlkriterien festgelegt sind, kann man die benötigten Mitarbeiter anwer-
ben. Hierzu sollte sich die Personalabteilung auch bei den aktuellen Mitarbeitern umhören,
ob dort jemand einen Interessenten kennt. Auch bei Arbeitsagenturen und durch Veröffentli-
chung von Stellenanzeigen wird nach Bewerbern gesucht. Eine andere Möglichkeit besteht
darin, Verkaufspersonal von anderen Unternehmen abzuwerben. Solche Mitarbeiter müssen
nicht erst ausgebildet werden und können daher sofort anfangen zu arbeiten.
In der Regel meldet sich eine Vielzahl von Bewerbern, aus denen die Personalabteilung die
besten auswählen muss. Das Auswahlverfahren kann aus einem einzigen informellen Vor-
stellungsgespräch bestehen, es kann aber auch eine längere Phase mit unterschiedlichen
Test- und Gesprächsrunden umfassen. Solche Tests zeigen, ob der Kandidat für den Verkauf
geeignet ist, und dienen zur Beurteilung von analytischen und organisatorischen Fähigkeiten
sowie persönlichen Eigenschaften des Bewerbers. Aber es darf nicht vergessen werden, dass
Testergebnisse nur ein Indiz sein können, wenn man einen Bewerber bewerten will. Darüber
hinaus spielen persönliche Eigenschaften, Referenzen, bisherige Tätigkeiten und die unmit-
telbaren Reaktionen des Bewerbers im Vorstellungsgespräch eine große Rolle.

16.3.4 Aus- und Weiterbildung des Außendienstes


Heutzutage werden Außendienstmitarbeiter zunächst einmal für ihre Tätigkeit ausgebildet,
wobei diese Ausbildungszeit von einigen Tagen oder Wochen bis hin zu einem Jahr reichen
kann. Durchschnittlich dauert die Ausbildungsphase vier Monate. Danach bieten die meisten
Unternehmen für ihre Mitarbeiter regelmäßige Fachschulungen auf Seminaren, Vertriebstref-
fen und im Internet an.
Schulungs- und Weiterbildungsprogramme haben mehrere Ziele. Zum einen sollen die
Außendienstmitarbeiter über das Unternehmen informiert sein und sich mit ihm identifizie-
ren können. Daher geht es zu Beginn fast aller Ausbildungsprogramme zunächst um die
Geschichte und die Ziele des Unternehmens, um dessen Organisation, Finanzstruktur und
Einrichtungen und schließlich um seine Produkte und wichtigsten Märkte. Da die Außen-
dienstmitarbeiter die Produkte besonders gut kennen müssen, erhalten sie weitere Informati-
onen zu deren Herstellung und Gebrauch. Außerdem werden sie über die Wettbewerbs- und
Kundenstruktur aufgeklärt, wobei zu Letzterer auch die Groß- und Zwischenhändler zählen.
Des Weiteren werden ihnen die Strategien der Konkurrenz sowie die unterschiedlichen Kun-
dentypen und deren Bedürfnisse, Kaufmotive und Kaufgewohnheiten erläutert. Um später
wirkungsvolle Produktpräsentationen erstellen und Verkaufsgespräche führen zu können,
erlangen sie grundlegende Kenntnisse des Verkaufens und Verhandelns. Schließlich sollten
die Außendienstmitarbeiter auch die internen Vorgehensweisen und Verantwortlichkeitsbe-
reiche kennen. Sie lernen, wie sie ihre Zeit angemessen für tatsächliche und potenzielle Kun-
den einteilen, wie man ein Spesenkonto führt, Berichte schreibt und Informationen effektiv
weiterleitet.
Viele Unternehmen nutzen im Rahmen der Verkaufstrainings ihrer Mitarbeiter auch webba-
sierte Schulungsprogramme. Online-Schulungsprogramme können einfache, textbasierte
Produktinformationen vermitteln oder auch komplexe internetbasierte Verkaufsübungen ent-
halten, die die Dynamik eines realistischen Kundengesprächs simulieren.
Finden Schulungen online und nicht in festen Räumlichkeiten statt, kann dies die Reise- und
Schulungskosten senken und den Zeitaufwand des Verkaufsmitarbeiters reduzieren. Auch
werden so bedarfsgerechte Schulungen für Vertriebsmitarbeiter möglich; sie können sich

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16.3 Sales Force Management

genau das Wissen aneignen, das sie benötigen, unabhängig von Zeit und Ort, und Sprachbar-
rieren in den globalen Märkten überwinden. Obwohl das E-Learning meistens webbasiert ist,
bieten viele Unternehmen heute auch bedarfsgerechte Schulungen über Smartphones und
mobile Tablet-Geräte an, die von überall aus zugänglich sind. Viele Unternehmen nutzen
heute auch einfallsreiche und anspruchsvolle E-Learning-Methoden, um Verkaufsschulun-
gen effizienter zu machen – und manchmal sogar unterhaltsamer.

16.3.5 Vergütung der Außendienstmitarbeiter


Um gute Außendienstmitarbeiter zu gewinnen, muss man ein attraktives Vergütungssystem
bieten. Die Bezahlung ist von Unternehmen zu Unternehmen und von Branche zu Branche
ganz unterschiedlich. Grundsätzlich setzt sich die Vergütung der Außendienstmitarbeiter aus
mehreren Elementen zusammen: Ein fixes Grundgehalt, eine erfolgsabhängige Komponente,
dazu kommen die Erstattung der Auslagen (Spesen) und weitere freiwillige Leistungen. Das
Grundgehalt sorgt zunächst für ein stabiles Basiseinkommen. Der variable Betrag, in der
Regel umsatzabhängige Provisionen oder Prämien für Beratungs- und Verkaufserfolge, stellt
eine Art Belohnung für den Einsatz und Erfolg des Außendienstmitarbeiters dar. Der Ausla-
genersatz erstattet arbeitsbezogene Ausgaben, die nötig sind, um Umsätze zu tätigen (z.B.
Kosten für Hotel, Reisen etc.).
Das Vergütungssystem für einen Außendienst kann die Mitarbeiter motivieren und auch die
Ausrichtung ihrer Aktivitäten bestimmen. Möchte das Vertriebsmanagement besonders die
Neukundengewinnung vorantreiben, so wird es einen Bonus für jeden neuen Kunden ausbe-
zahlen. In jedem Fall sollten das Vergütungssystem und die daraus folgenden Aktivitäten den
allgemeinen Marketingzielen des Unternehmens entsprechen.
Besteht die Zielsetzung darin, ein schnelles Wachstum und eine Steigerung des Marktanteils
zu erzielen, sollte das Vergütungssystem so angelegt sein, dass hohe Umsätze und neue Kun-
den besonders entlohnt werden. Ist hingegen eine Gewinnmaximierung anhand bestehender
Kundenkontakte das Ziel, so sollte das Vergütungssystem aus einem relativ hohen Grundge-
halt bestehen, das durch bestimmte Anreizsysteme – basierend auf den Umsätzen bei beste-
henden Kunden und auf Kundenzufriedenheit – ergänzt wird. In der Tat wenden sich immer
mehr Unternehmen von Vergütungssystemen mit hohen Provisionszahlungen ab, da diese
die Außendienstmitarbeiter möglicherweise nur um des eigenen Verdienstes wegen zu kurz-
fristigen Kundenbeziehungen und schnellen Geschäften verleiten. Dies kann sogar das Ende
einer Kundenbeziehung bedeuten, z.B. wenn der Außendienstmitarbeiter den Kunden zu
hartnäckig dazu drängt, etwas zu kaufen. Stattdessen sind Unternehmen an der Entwicklung
von Vergütungssystemen interessiert, bei denen die Mitarbeiter für den Aufbau besonders
Nutzen bringender und stabiler Kundenbeziehungen belohnt werden.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind manche Unternehmen versucht, durch die Redu-
zierung der Außendienstvergütung Kosten zu senken. Wenngleich manche Einsparmaß-
nahme bei stagnierendem Geschäft sinnvoll ist, so sollte eine Kürzung der Vertriebsvergü-
tung der wirklich letzte Ausweg sein. Es gilt zu berücksichtigen, dass sich dadurch auch
Kundenbeziehungen verschlechtern könnten. Es besteht immer Bedarf an Spitzenverkäufern
und durch eine zu geringe Bezahlung verliert man sie möglicherweise genau dann, wenn
man sie am dringendsten braucht. Daher kann eine hohe Fluktuation beim entscheidenden
Vertriebspersonal auch zu einer hohen Fluktuation bei den so wichtigen Kundenbeziehun-
gen führen. Ein Experte für die Vergütung von Vertriebsmitarbeitern meint: „Bedenken Sie,
dass Sie mit dem Verlust Ihres Verkäufers auch Ihre Kundenbeziehung verlieren können.“

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Wenn ein Unternehmen seine Lohnkosten senken muss, so der Fachmann, sollte man statt
übergreifender Kürzungen besser „die Topleute besser bezahlen und die weniger erfolgrei-
chen Mitarbeiter entlassen“.3

16.3.6 Führung und Motivation des Außendienstes


Neue Außendienstmitarbeiter benötigen mehr als ein Verkaufsgebiet, ein Gehalt und Fortbil-
dung, sie brauchen vor allem Führung und Motivation. Die Unternehmensleitung verfolgt
damit zwei Teilziele: Sie leitet die Außendienstmitarbeiter an und motiviert sie, gute Arbeit
zu leisten. Das Ziel der Führung ist es, Außendienstmitarbeitern zu helfen, die richtigen
Dinge auf die richtige Weise zu erledigen und dadurch intelligenter zu arbeiten. Das Ziel der
Motivation ist es, Außendienstmitarbeiter anzuspornen, hart und energisch für die Errei-
chung der Außendienstziele zu arbeiten.

Führung des Außendienstes


Es stellt sich zunächst die Frage, inwieweit das Vertriebsmanagement die Außendienstmitar-
beiter bei der Bearbeitung ihres Gebiets führen sollte. Diese Entscheidung hängt von einer
Vielzahl von Faktoren ab, die von der Größe des Unternehmens bis zu der Berufserfahrung
des jeweiligen Mitarbeiters reichen.
Kundenziele und Kundenbesuche In Hinblick auf Führung und Kontrolle des Außendienstes
sind sehr große Unterschiede anzutreffen. Viele Unternehmen helfen dem Außendienst
dabei, Zielkunden zu identifizieren und Besuchshäufigkeiten festzulegen. Sie erstellen für
die Suche neuer Kunden genaue Zeitvorgaben und Richtlinien zum Zeitmanagement. Aus
Erfahrung weiß man, dass die meisten Außendienstmitarbeiter, wenn sie auf sich allein
gestellt sind, nahezu ihre gesamte Zeit für bestehende Kundenkontakte verwenden. Während
neue potenzielle Kunden vielleicht nie einen Kauf abschließen, kann man sich bei bestehen-
den Kunden eher darauf verlassen, dass sie etwas kaufen. Aus diesem Grund meiden Ver-
triebsmitarbeiter die Suche nach neuen Kunden, es sei denn, sie werden für neu geknüpfte
Kundenkontakte belohnt.
Zeitmanagement Die Außendienstmitarbeiter müssen eingewiesen werden, wie sie ihre
Arbeitszeit effizient gestalten können. Ein wichtiges Instrument ist zunächst die Wochen-,
Monats- und Jahres-Besuchsplanung. Darin ist festgehalten, welche Kunden und Interessen-
ten in welchen Monaten zu besuchen sind, und welche weiteren Aktivitäten, wie die Teil-
nahme an Messen und an internen Vertriebstreffen, zu planen sind. Ein weiteres Instrument
zur Führung des Außendienstes ist die Zeitnutzungsanalyse. Neben der Zeit, die der Mitar-
beiter für die Beratung und den Verkauf aufwendet, ist auch noch Zeit für die Anreise, Warte-
zeit, für Mittagessen, für kleine Pausen und für Verwaltungstätigkeiten nötig. Abbildung 16.3.
zeigt, wofür ein Außendienstmitarbeiter seine Zeit verwendet. Im Durchschnitt beträgt der
Anteil des aktiven Verkaufens an der gesamten Arbeitszeit nur 37 Prozent.4 Aus diesem
Grund müssen Unternehmen Wege finden, damit die Mitarbeiter Zeit sparen können. In eini-
gen Fällen kann es sinnvoll sein, anstatt eines persönlichen Kundenbesuchs das Telefon zu

3 Susan Greco, „How to reduce your cost of sales“, Inc, 5. März 2010, www.inc.com/guide/reducing-
cost-of-sales.html, Zugriff Oktober 2015.
4 Siehe dazu Louis Columbus, „Top-five focus areas for improving sales effectiveness initiatives“, Ac-
centure, 2013, www.accenture.com/SiteCollectionDocuments/PDF/Accenture-Top-Five-Improve-
ments-Sales-Effectiveness.pdf sowie „2014 sales performance optimization study“, CSO Insights,
www.csoinsights.com/Publications/.

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16.3 Sales Force Management

nutzen. Auch kann man das Verfassen der Berichte vereinfachen, die Routen- und Besuchs-
pläne optimieren und die Außendienstmitarbeiter schon vorab mit genaueren Kundeninfor-
mationen versorgen.

13,9%
Bürotätigkeiten, 17,1%
Meetings Kundendienst
(nach dem
10%
Verkauf)
Reisezeit,
Schulungen

21,7% 37,1%
Recherchetätigkeiten Aktiver Verkauf
und Verfolgen (persönlich oder
neuer Kunden- über das Telefon)
kontakte

Abbildung 16.3: Zeitliche Aufteilung der Tätigkeiten von Außendienstmitarbeitern

Viele Vertriebsteams arbeiten heutzutage mit Softwaresystemen zur effizienteren Kundenbe-


treuung und -steuerung. Der Einsatz von Laptops, Smartphones, drahtlosen Internetverbin-
dungen, Webcams für Videokonferenzen und CRM-Systemen hat die Arbeit des Außendiens-
tes wesentlich erleichtert: Damit kann man u.a. Kundenprofile erstellen, Verkaufszahlen
analysieren und prognostizieren, Kundenkontakte verwalten, Kundenbesuche planen,
Bestellungen online aufgeben und den aktuellen Bestand abfragen, Verkaufsberichte und
Spesenabrechnungen erstellen, mit anderen Mitarbeitern oder der Firmenzentrale kommuni-
zieren. Dadurch wird die Anzahl der erforderlichen Kundenbesuche gesenkt und gleichzeitig
die Produktivität des Außendienstes erhöht. Außerdem trägt dies auch zu verbesserten Ent-
scheidungen im Vertriebsmanagement bei.

Motivation des Außendienstes


Neben der Anleitung der Vertriebsmitarbeiter ist auch deren Motivation sehr wichtig. Einige
tun ihr Bestes, ohne vom Vertriebsmanagement dazu besonders aufgefordert worden zu sein.
Für diese Mitarbeiter ist Verkaufen ohnehin der faszinierendste Job der Welt. Aber Verkaufen
kann auch frustrierend sein. In der Regel arbeiten Außendienstmitarbeiter allein und sind
manchmal auch weit entfernt von zu Hause unterwegs. Sie begegnen unter Umständen
aggressiven Außendienstmitarbeitern der Konkurrenz oder schwierigen Kunden. In einigen
Fällen fehlt ihnen die Entscheidungsbefugnis, um noch ein letztes Zugeständnis machen zu
können, von dem ein Großauftrag abhängt. Dann verlieren sie den Auftrag, auf den sie zuvor
hart hingearbeitet haben. Aus diesen Gründen benötigen die Außendienstmitarbeiter manch-
mal besondere Ermutigung, damit sie weiterhin ihr Bestes geben. Das Management kann die
Moral und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter unterstützen, indem es für ein gutes
Arbeitsklima, faire Absatzvorgaben und positive Anreize sorgt.

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Arbeitsklima Das Arbeitsklima beschreibt die Gefühle der Außendienstmitarbeiter hinsicht-


lich ihrer Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, der Wertschätzung ihrer Person im
Unternehmen und der Anerkennung für gute Leistungen. Einige Unternehmen behandeln
ihre Vertriebsmitarbeiter so, als ob sie nicht besonders wichtig wären, worunter deren Leis-
tung leidet. Andere Unternehmen wiederum schätzen den Außendienst sehr und gewähren
ihm nahezu unbegrenzte Entwicklungsmöglichkeiten in Bezug auf Einkommen und Karriere.
Es überrascht sicher nicht, dass die Außendienstmitarbeiter dieser Unternehmen besonders
hohe Leistungen erbringen und die Fluktuation sehr gering ist.
Absatzvorgaben Um ihre Vertriebsmannschaft zu motivieren, setzen viele Unternehmen
Absatzvorgaben fest. Das sind zum einen Angaben zu Mengen oder Stückzahlen, die abge-
setzt werden sollen. Zum anderen wird dabei bestimmt, wie sich der Gesamtumsatz auf die
einzelnen Produktgruppen des Unternehmens verteilen soll. Die Vergütung der Außendienst-
mitarbeiter hängt häufig davon ab, wie gut sie diese Vorgaben einhalten.
Positive Anreize Unternehmen nutzen auch diverse positive Anreize (Incentives), damit die
Mitarbeiter ihre Verkaufsbemühungen verstärken. Vertriebstreffen fördern den sozialen
Umgang, bringen Abwechslung in den Verkaufsalltag, bieten die Gelegenheit, sich mit Kolle-
gen und dem Management zu unterhalten und führen schließlich dazu, dass man sich mit
der Gruppe identifiziert. Häufig veranstalten Unternehmen auch Verkaufswettbewerbe.
Dadurch sollen die Außendienstmitarbeiter veranlasst werden, sich über das normale Maß
hinaus noch mehr anzustrengen. Weitere positive Anreize sind Ehrenurkunden oder Ehrenti-
tel (Verkäufer des Jahres etc.) innerhalb des Unternehmens, Sachpreise, Geldprämien, Reisen
und Gewinnbeteiligungen.

16.3.7 Leistungsbeurteilung
Es wurde zuvor beschrieben, wie die Unternehmensleitung den Außendienst führt und moti-
viert. Dafür sind zuverlässige Rückmeldungen erforderlich, d.h., das Management muss
regelmäßig Informationen über die Vertriebsmitarbeiter einholen, um anschließend ihre Leis-
tung beurteilen zu können.

Informationsquellen
Informationen über die Außendienstmitarbeiter werden auf verschiedene Art und Weise
gesammelt. Die wichtigste Informationsquelle ist der Verkaufsbericht. Dieser enthält einen
wöchentlichen oder monatlichen Arbeitsplan und eine langfristige Verkaufsgebietsplanung.
Der Arbeitsplan führt die geplanten Besuche und die vorgesehenen Reiserouten auf. Daraus
kann das Vertriebsmanagement entnehmen, wo sich die einzelnen Außendienstmitarbeiter
aufhalten. Zudem können auf dieser Grundlage Pläne und Leistungen der verschiedenen
Mitarbeiter miteinander verglichen werden. Im jährlichen Verkaufsgebietsplan wird darge-
legt, wie neue Kunden gewonnen und wie die Umsätze mit bereits vorhandenen Kunden
gesteigert werden können.
Darüber hinaus verfassen Außendienstmitarbeiter Besuchsberichte, in denen ihre gesamten
Aktivitäten verzeichnet sind. Die darin enthaltenen Informationen geben Aufschluss über die
jeweilige Situation bei den einzelnen Kunden, was sich für spätere Besuche als nützlich
erweisen könnte. Einige Unternehmen erwarten eine gesonderte Berichterstattung über hin-
zugewonnene bzw. verlorene Kunden sowie über die wirtschaftliche Situation und die
Geschäftstätigkeit in den besuchten Gebieten. Außerdem legen die Außendienstmitarbeiter
Spesenabrechnungen vor, aus denen sich die Rückerstattung der Auslagen ergibt. Zusätzli-

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.4 Social Selling: Online-, mobile und Social-Media-Tools

che Informationen zieht man aus persönlicher Beobachtung, aus Kundenbriefen und Kun-
denbeschwerden, aus Kundenbefragungen und aus Gesprächen mit anderen Außendienst-
mitarbeitern.

Formale Leistungsbeurteilung
Die formale Leistungsbeurteilung der Außendienstmitarbeiter erfolgt durch das Heranziehen
von Außendienstberichten und anderen Informationen. Dabei muss das Vertriebsmanage-
ment klare und objektive Standards zur Beurteilung entwickeln und den Mitarbeitern mittei-
len. Daneben müssen über jeden Mitarbeiter die gleichen Informationen eingeholt werden.
Wichtig ist auch, dass die Außendienstmitarbeiter ein konstruktives Feedback erhalten, das
motivierend wirken und ihnen helfen soll, ihre Leistungen in der Zukunft zu verbessern.
Das Vertriebsmanagement sollte auch die Leistung der Außendienstmitarbeiter als Team
bewerten. Erfüllt die Vertriebsmannschaft ihre Ziele in Bezug auf Kundenbeziehungen,
Umsatz und Gewinn? Arbeitet sie gut mit anderen Bereichen der Unternehmensorganisation,
wie beispielsweise dem Marketing, zusammen? Stehen die Kosten für den Außendienst in
einem vernünftigen Verhältnis zu dessen Nutzen?

16.4 Social Selling: Online-, mobile und Social-Media-Tools


Der am schnellsten wachsende Verkaufstrend ist der explosionsartige Anstieg des sogenann-
ten Social Selling – der Einsatz von Online-, mobilen und sozialen Medien zur Einbindung
von Kunden, zum Aufbau stärkerer Kundenbeziehungen und zur Umsatzsteigerung. Die
neuen digitalen Verkaufstechnologien schaffen spannende neue Möglichkeiten zur Vernet-
zung mit den Kunden und deren Einbindung im Zeitalter der digitalen und sozialen Medien.
Einige Analysten sagen sogar voraus, dass das Internet das Ende der zwischenmenschlichen
Verkaufsprozesse bedeutet, da die Handelsvertreter letztlich durch Webseiten, die sozialen
Netzwerke, mobile Apps, Video- und Konferenztechnologien und andere Instrumente ersetzt
werden, die einen direkten Kundenkontakt ermöglichen. „Glauben Sie das nicht“, meint
dagegen ein Verkaufsexperte – geschickt eingesetzt würden die Technologien der Online-
und sozialen Medien den Außendienst nicht überflüssig, sondern produktiver und effektiver
machen.5
Mit den neuen digitalen Technologien verfügen Außendienstmitarbeiter über starke Instru-
mente, um Neukunden zu ermitteln und zu analysieren, Kunden einzubinden, Kundennut-
zen zu schaffen, Geschäfte abzuschließen und Kundenbeziehungen zu pflegen. Die Metho-
den des Social Selling können den Vertriebsorganisationen enorme Vorteile verschaffen. Sie
können den Vertriebsmitarbeitern wertvolle Zeit sparen, Reisekosten reduzieren und ihnen
neue Mittel für den Verkauf und den Kundendienst bieten. Doch Social Selling hat den Ver-
kauf nicht fundamental verändert. Die Hauptverantwortung für die Erreichung und Bindung
von Kunden sowie das Management der Kundenbeziehungen lag schon immer bei der Ver-
triebsorganisation. Heute laufen nur wesentlich mehr Prozesse digital ab. Durch Online- und
soziale Medien haben sich die Kaufprozesse der Kunden drastisch gewandelt, sodass sie im

5 Lain Chroust Ehmann, „Sales up!“, Selling Power, Januar/Februar 2011, S. 40; siehe auch Scott Gil-
lum, „The disappearing sales process“, Forbes, 7. Januar 2013, www.forbes.com/sites/gyro/2013/01/
07/the-disappearingsales-process/ sowie Matt Dixon und Steve Richard, „Solution selling is dead:
why 2013 is the year of B2B insight selling“, Openview, http://labs.openviewpartners.com/solution-
selling-is-dead-2013-yearof-b2b-insight-selling/.

765
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Ergebnis auch den Verkaufsprozess verändern. In der modernen digitalen Welt verlassen sich
Kunden nicht mehr wie früher auf die Information und Beratung durch den Außendienst.
Stattdessen agieren sie im Kaufprozess heute unabhängiger – insbesondere in den frühen Sta-
dien. Sie nutzen zunehmend die Quellen von Online- und sozialen Medien, um ihre Prob-
leme zu analysieren, nach Lösungen zu suchen, Ratschläge von Kollegen und Freunden ein-
zuholen und die Möglichkeiten ausloten, ehe sie überhaupt mit einem Vertreter sprechen.
Eine Studie mit industriellen Einkäufern zeigt, dass 92 Prozent von ihnen eine Onlinesuche
starten und dass durchschnittlich 60 Prozent des Kaufprozesses von den Kunden selbst
durchgeführt wird, ehe der Kontakt zu einem Lieferanten stattfindet.6
So haben die Kunden heute wesentlich mehr Kontrolle über den Kaufprozess als zu der Zeit,
als Broschüren, Preislisten und Produktberatung nur über einen Handelsvertreter erhältlich
waren. Heute können Kunden die Webseiten der Unternehmen, Blogs und YouTube-Videos
ansehen, um den richtigen Verkäufer zu finden und einzuschätzen. Sie können sich mit ande-
ren Käufern in den sozialen Medien wie LinkedIn, Google+, Twitter oder Facebook über Erfah-
rungen austauschen, Problemlösungen finden und für sie interessante Produkte bewerten.
Falls und wenn Außendienstmitarbeiter im Kaufprozess aktiv werden, wissen die Kunden also
häufig schon ebenso viel über die Produkte des Unternehmens wie die Mitarbeiter selbst.
„Nicht nur beginnen die Käufer den Kaufprozess ohne Sie“, so ein Analyst, „sondern sie erledi-
gen ihn in der Regel größtenteils ohne jeglichen Kontakt zum Außendienst. Bis zu diesem Zeit-
punkt sind die Kunden weit besser über Ihr Geschäft informiert als Sie über das der Kunden.“7

16.4.1 Die Rolle des Außendienstes im Zeitalter digitaler und


sozialer Medien
Eine Welt ohne Außendienst scheint schwer vorstellbar, doch laut einigen Analysten wird es
in zehn Jahren bedeutend weniger Handelsvertreter geben. Angesichts der rasanten Verbrei-
tung von Technologien, die Kunden direkt mit dem Unternehmen verbinden – so ihre
Begründung –, wer braucht da noch das persönliche Verkaufsgespräch? Skeptiker meinen,
dass Vertreter schon bald durch Webseiten, E-Mails, Blogs, mobile Apps, die Verbreitung von
Videos, virtuelle Präsentationen, soziale Medien wie LinkedIn und Facebook sowie zahlrei-
che andere interaktive Kommunikationsprogramme des digitalen Zeitalters ersetzt werden.
Das Marktforschungsinstitut Gartner prognostiziert, dass bis zum Jahr 2020 etwa 85 Prozent
aller Interaktionen zwischen Unternehmen ohne menschliche Intervention ablaufen werden
und somit auch weniger Verkaufspersonal benötigt wird. „Die Welt braucht keinen Außen-
dienst mehr“, so die düstere Prognose eines Experten.
„Verkäufer zu sein, ist ein aussterbender Beruf und dieser wird schon bald so antiquiert sein
wie Öllampen oder Telefone mit Wählscheibe.“ Ein anderer Experte meint: „Wenn wir beste-
henden Bedarf nicht schneller ermitteln und bedienen können als ein Computer, braucht
man uns nicht mehr.“

6 Siehe „The digital evolution in B2B marketing“, Marketing Leaderships Council, 2. Dezember 2012,
S. 3; Scott Gillum, „The disappearing sales process“, Forbes, 7. Januar 2013, www.forbes.com/sites/
gyro/2013/01/07/the-disappearing-sales-process/ und Alice Myerhoff, „How selling has gone social
in the last 15 years“, Salesforce Blog, 13. März 2014, http://blogs.salesforce.com/company/2014/03/
socialselling-15-years-gp.html.
7 Siehe Barbara Giamanco und Kent Gregoire, „Tweet me, friend me, make me buy“, Harvard Business
Review, Juli–August 2012, S. 88–94 und John Bottom, „Research: are B2B buyers using social me-
dia?“, Slideshare, 10. September 2013, www.slideshare.net/basebot/b2b-buyer-behaviour.

766
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.4 Social Selling: Online-, mobile und Social-Media-Tools

Stirbt also der B2B-Handel tatsächlich aus? Werden Internet, mobile Technologien und die
sozialen Medien den uralten zwischenmenschlichen Verkaufsvorgang ersetzen? Um diese
Fragen zu beantworten, hat das Magazin Selling Power eine Kommission aus Verkaufsexper-
ten zusammengestellt und gebeten, die Zukunft des B2B-Handels zu analysieren. Die Mitglie-
der der Kommission waren sich einig, dass die Technologien den gesamten Berufszweig radi-
kal verändern. Der grundlegende Wandel in der Art, wie Menschen heute kommunizieren,
betrifft jeden Aspekt des Wirtschaftslebens. Der Verkauf bildet da keine Ausnahme. Doch, so
die Kommission von Selling Power: Technologien, das Internet und die sozialen Medien wer-
den den persönlichen Handel in absehbarer Zeit nicht ersetzen. Zwar habe sich das Verkaufs-
wesen verändert, da ist man sich einig, und die technologischen Möglichkeiten können den
Verkaufsprozess enorm weiterentwickeln. Doch sie können viele der Funktionen, die vom
Außendienst erbracht werden, nicht einfach ersetzen. „Das Internet kann Aufträge entgegen-
nehmen und Inhalte verbreiten, aber es kann keine Kundenbedürfnisse ermitteln“, so ein
Mitglied der Kommission. „Es kann keine Beziehungen aufbauen und nicht selbstständig
Neukunden akquirieren.“ Ein weiterer Teilnehmer ergänzt: „Jemand muss ja das Leistungs-
versprechen und die einzigartige Botschaft eines Unternehmens formulieren und an den
Markt kommunizieren – und diese Person ist der Handelsvertreter.“ Was allerdings ausstirbt,
ist die Funktion, die ein Teilnehmer als reine Bestandspflege bezeichnet – das einfache und
routinemäßige Entgegennehmen von Aufträgen. Ein solcher Außendienst schafft keinen Nut-
zen und kann durch automatisierte Vorgänge ersetzt werden. Die Vertriebsmitarbeiter jedoch,
die sich bei der Kundenakquise, der Pflege von Kundenbeziehungen und einem steten
Wachstum im Kundenstamm hervortun, stehen nach wie vor hoch im Kurs.

16.4.2 Die neue digitale Verkaufsumgebung


Als Reaktion auf das neue digitale Beschaffungsumfeld haben Verkäufer ihre Prozesse rund
um das veränderte Kundenverhalten neu ausgerichtet. Sie „gehen dahin, wo die Kunden
sind“ – in die sozialen Medien, Internetforen, Online-Communitys und Blogs, um die Kun-
den möglichst früh einzubinden. Die Einbindung erfolgt dabei nicht nur beim Kauf, sondern
bereits während der Recherche und Bewertung des zu kaufenden Produkts.
Der Außendienst nutzt heute in der Regel digitale Funktionen zur Überwachung von Kun-
denaktivitäten in den sozialen Medien, um Trends zu ermitteln, Neukunden zu finden und
um festzustellen, wofür sich Kunden interessieren, wie sie einen Verkäufer bewerten und
worauf es ankommt, um den Geschäftsabschluss zu tätigen. Aus den Online-Datenbanken
und Seiten der sozialen Netzwerke wie InsideView, Hoovers und LinkedIn erstellen die Mit-
arbeiter Listen von möglichen Neukunden. Besuchen diese potenziellen Kunden die Websei-
ten und sozialen Netzwerke, treten die Mitarbeiter über einen Livechat des Verkaufsteams
mit den Kunden in einen Dialog. Ferner nutzen sie Internet-Konferenzfunktionen wie
WebEx, zoom, GoToMeeting oder TelePresence, um live mit den Kunden über Produkte und
Dienstleistungsangebote sprechen zu können. Sie stellen Videos und andere Informationen
auf ihren YouTube-Kanälen und Facebook-Seiten zur Verfügung.
Die modernen Vertriebsorganisationen verstärken auch den eigenen Einsatz sozialer Medien,
um Kunden während des gesamten Einkaufsprozesses zu begleiten. Eine Studie mit B2B-Mar-
ketingexperten zeigte, dass 68 Prozent von ihnen, trotz einer Kürzung bei den Ausgaben für tra-
ditionelle Medien und Veranstaltungen, heute mehr in die sozialen Medien investieren, von
eigenen Online-Kundengruppen bis hin zu Webinaren, sozialen Medien und mobilen Anwen-
dungen. Schließlich helfen die Methoden des Social Selling dabei, den Außendienst effizien-
ter, kosteneffektiver und produktiver zu machen. Die Technologien unterstützen die Mitarbei-

767
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

ter bei dem, was einen guten Außendienst schon immer ausgemacht hat: Aufbau von
Kundenbeziehungen durch Problemlösungen. Nur eben besser, schneller und günstiger.
Das Social Selling hat jedoch auch Nachteile. Zunächst einmal ist es nicht billig. Ferner kön-
nen derartige Systeme technisch weniger versierte Mitarbeiter oder Kunden überfordern.
Mehr noch, einiges kann man eben nicht über das Internet präsentieren oder vermitteln – für
manche Dinge braucht es den persönlichen Umgang. Daher empfehlen einige Hightech-Spe-
zialisten den Verkaufsleitern die Nutzung von Online- und Social-Media-Technologien, um
Chancen zu ermitteln, Informationen bereitzustellen, Kundenkontakte zu pflegen und Vorab-
Verkaufspräsentationen zu zeigen, ansonsten jedoch bei den herkömmlichen, persönlichen
Kundengesprächen zu bleiben, sobald der Abschluss eines wichtigen Geschäftes näher rückt.

16.5 Der Prozess des persönlichen Verkaufs


Der Verkaufsprozess besteht aus mehreren Schritten, die die Außendienstmitarbeiter beherr-
schen müssen. Diese Schritte zielen darauf, neue Kunden zu akquirieren und Aufträge von
ihnen zu erhalten. Allerdings verwenden viele Außendienstmitarbeiter einen Großteil ihrer
Zeit dafür, bestehende Kunden zu halten und langfristige Kundenbeziehungen zu pflegen.
Wir diskutieren den Beziehungsaspekt im Ablauf des persönlichen Verkaufs in einem späte-
ren Kapitel.

16.5.1 Der Ablauf des persönlichen Verkaufs


Bei den meisten Schulungsprogrammen wird der Verkaufsvorgang als eine Abfolge von sie-
ben Schritten, die der Verkäufer durchlaufen muss, dargestellt (siehe Abbildung 16.4). Diese
Schritte zielen darauf ab, neue Kunden zu gewinnen und Aufträge von diesen zu erhalten.
Allerdings verbringen viele Außendienstmitarbeiter den Großteil ihrer Zeit damit, bereits
existierende Kunden zu betreuen und langfristige Kundenbeziehungen herzustellen. Dieser
Aspekt des persönlichen Verkaufs wird in einem späteren Abschnitt genauer untersucht.

Identifizierung Präsentation und


Vorbereitung Kontakt-
potenzieller Vorführung des
des Erstkontakts aufnahme
Käufer Produkts

Umgang Nachkauf-
Kaufabschluss
mit Einwänden betreuung

Abbildung 16.4: Die Schritte eines erfolgreichen Verkaufsgesprächs

Identifizierung potenzieller Käufer


Der erste Schritt des Verkaufsvorgangs ist die Käufervorauswahl, d.h. die Identifizierung
potenzieller Käufer. Der Verkäufer muss sehr viele dieser möglichen Kunden ansprechen, um
schließlich einige Verkäufe zu tätigen. Obwohl das Unternehmen einige Hinweise geben
kann, müssen die Außendienstmitarbeiter ein gutes Gespür dafür mitbringen, wie sie selbst
Kunden finden können. Beispielsweise können sie vorhandene Kunden nach weiteren Inter-
essenten fragen und Lieferanten, Händler, Banken und andere Außendienstmitarbeiter, zu

768
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.5 Der Prozess des persönlichen Verkaufs

denen keine Konkurrenz besteht, sowie Online- und Social-Media-Kontakte, als Informati-
onsquelle nutzen. Ferner können sich die Vertriebsmitarbeiter Organisationen und Verbän-
den anschließen, denen mögliche Käufer angehören, durch schriftliche oder mündliche Akti-
vitäten die Aufmerksamkeit neuer Kunden erregen, Newsletter und Telefonbücher nach
möglichen Käufern durchsuchen und telefonisch oder per Post versuchen, einen ersten Kon-
takt herzustellen.
Wichtig dabei ist, dass die Außendienstmitarbeiter in der Lage sind, echte Kaufinteressenten
von den nicht Interessierten zu unterscheiden in der Lage sind. Diese Einteilung lässt sich
anhand finanzieller Möglichkeiten, des Geschäftsumfangs, spezifischer Bedürfnisse, des
Standorts oder anhand des Umsatzwachstumspotenzials vornehmen.

Vorbereitung des Erstkontakts


Bevor der Außendienstmitarbeiter den potenziellen Kunden zum ersten Mal aufsucht, sollte
er so viel wie möglich über das Unternehmen und dessen Organisation in Erfahrung bringen.
Mögliche Fragestellungen sind, welcher Bedarf besteht, wer an der Kaufentscheidung betei-
ligt ist, welche Merkmale die Käufer aufweisen und welche Kaufgewohnheiten sie haben. In
dieser Vorbereitungsphase kann der Außendienstmitarbeiter Fachliteratur, Internetquellen,
Bekannte und andere Quellen zurate ziehen, um möglichst viel über das Unternehmen zu
erfahren. So kann er oder sie die Webseiten und sozialen Netzwerke des Neukunden nach
Informationen über dessen Produkte, Käufer und Kaufprozesse durchforsten. Auf Basis die-
ser Recherche muss der Vertriebsmitarbeiter dann eine Kundenstrategie entwickeln. „Nur
das Sortiment des Neukunden auswendig zu lernen reicht nicht“, sagt der Berater. „Man
muss die Daten für den Auftraggeber sinnvoll aufbereiten.“8
Der Verkaufsmitarbeiter sollte Zielsetzungen für das Telefonat festlegen, zum Beispiel die
Einschätzung des Neukunden, Sammlung von Informationen oder einen unmittelbaren
Geschäftsabschluss. Eine weitere Aufgabe liegt in der Bestimmung der besten Vorgehens-
weise, zum Beispiel durch einen Besuch, einen Anruf oder Brief oder auch per E-Mail, Text-
nachricht oder Tweet. Auch der beste Zeitpunkt sollte sorgsam ausgesucht werden, da viele
Neukunden zu bestimmten Zeiten während des Tages oder in der Woche sehr beschäftigt
sind. Abschließend sollte sich der Außendienstmitarbeiter Gedanken über eine Gesamtstrate-
gie für den potenziellen Kunden machen.

Kontaktaufnahme
In Hinblick auf die Kontaktaufnahme sollte der Außendienstmitarbeiter wissen, wie er auf
den potenziellen Käufer zugehen will und womit er das Gespräch einleiten will, damit es
einen positiven Verlauf nimmt. Die Kontaktaufnahme kann offline oder online, persönlich
oder über digitale Konferenzfunktionen bzw. soziale Medien stattfinden. Wichtig sind hier-
bei das Erscheinungsbild des Verkäufers, seine Gesprächseröffnung und die anschließende
Gesprächsentwicklung. Die Gesprächseröffnung sollte positiv sein, sodass die Kundenbezie-
hung von Anfang an auf Wohlwollen basiert. Anschließend können einige genauere Fragen
gestellt werden, um mehr über die Kundenbedürfnisse zu erfahren. Zusätzlich sollen durch
eine Produktvorführung oder ein Produktmuster die Aufmerksamkeit und die Neugier des
Kunden geweckt werden. Wie in allen Schritten des Verkaufsvorgangs ist es auch hier ent-
scheidend, dem Kunden gut zuzuhören.

8 Die Zitate aus diesem Absatz stammen aus Lain Ehmann, „Prepare to win“, Selling Power, April
2008, S. 27–29.

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Präsentation
Die Präsentation gibt dem Außendienstmitarbeiter die Gelegenheit, dem Kunden die
„Geschichte“ des Produkts oder der Dienstleistung zu erzählen. Dabei wird der Kundennut-
zen hervorgehoben und gezeigt, auf welche Weise die Probleme des Kunden gelöst werden
können. Im Gegensatz zu Druck ausübenden oder überschwänglichen, extrovertierten Ver-
käufern entspricht ein Außendienstmitarbeiter, der auf Problemlösungen eingeht, am besten
der heutigen Marketingkonzeption. Die Käufer wollen Lösungen und Resultate, sie erwarten
von einem Verkäufer, dass er ihnen zuhört, ihre Sorgen und Bedürfnisse versteht und ihnen
daraufhin die entsprechenden Produkte und Dienstleistungen anbietet.
Dieser bedürfnisorientierte Verkaufsansatz erfordert die Fähigkeiten, gut zuhören zu können
und Problemlösungen zu finden. Folgende Verkäufereigenschaften werden von den Kunden
als besonders negativ bewertet: aufdringlich/penetrant, unpünktlich, betrügerisch, unvorbe-
reitet, unorganisiert und übermäßig gesprächig zu sein. Die Eigenschaften, die Kunden am
meisten schätzen, sind Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit zuzuhören, Ehrlichkeit, Zuver-
lässigkeit, Gründlichkeit und Sorgfalt sowie konsequentes Einhalten von Absprachen. Ein
erfolgreicher Außendienstmitarbeiter weiß, wie man verkauft, aber vor allem weiß er, wie
man Kunden zuhört und stabile Kundenbeziehungen aufbaut. Ein Experte sagt: „Sie haben
zwei Ohren und einen Mund. Verwenden Sie diese in diesem Verhältnis.“ Ein anderer sagt:
„Alles beginnt mit dem Zuhören. Ich denke, die Magie heutzutage liegt darin, dass wir so
viele Wege haben, um zuzuhören.“
Schließlich müssen Außendienstmitarbeiter auch Präsentationsmethoden beherrschen. Es
kommt auf gute zwischenmenschliche Kommunikationsfähigkeiten an, wenn es darum geht,
effektive Verkaufspräsentationen zu erstellen. Allerdings birgt das heutige medienreiche und
überladene Kommunikationsumfeld viele neue Herausforderungen für den präsentierenden
Außendienstmitarbeiter. Die mit Informationen überhäuften Kunden fordern anspruchsvolle
Präsentationserlebnisse. Gleichzeitig sind Außendienstmitarbeiter während ihrer Präsenta-
tion Ablenkungen durch Mobiltelefone und mobile Internetgeräte ausgeliefert. Sie müssen
ihre Nachrichten prägnanter und überzeugender als je zuvor übermitteln. Das ehrwürdige
Flipchart wird deshalb durch hoch entwickelte Tablets, ausgeklügelte Präsentationssoftware,
Onlinepräsentationstechnologie und interaktive Whiteboards ersetzt.

Umgang mit Einwänden


Kunden haben fast immer Einwände während einer Präsentation oder wenn es darum geht,
den Auftrag oder die Bestellung zu unterschreiben. Diese können logischer oder psychologi-
scher Natur sein, doch werden die Einwände oft gar nicht erst ausgesprochen. Daher sollte
der Außendienstmitarbeiter eine positive Herangehensweise wählen und versuchen, die ver-
steckten Einwände zu entlarven. Er sollte Einwände als Gelegenheit betrachten, um den Kun-
den mit noch mehr Informationen zu versorgen und die Einwände in Kaufargumente zu ver-
wandeln.

Kaufabschluss
Nachdem eventuelle Bedenken ausgeräumt worden sind, versucht der Außendienstmitarbei-
ter, den Kaufvorgang zum Abschluss zu bringen. Einige Verkäufer schaffen es gar nicht so
weit oder bewältigen die Aufgabe des Kaufabschlusses nicht besonders gut. Möglicherweise
fehlt ihnen das nötige Selbstvertrauen oder sie fühlen sich schuldig, wenn sie auf die Auf-
tragserteilung oder Bestellung zu sprechen kommen, oder aber sie verpassen einfach den
richtigen Moment, um den Kauf abzuschließen. Daher sollten Außendienstmitarbeiter die

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16.5 Der Prozess des persönlichen Verkaufs

Kundensignale erkennen, die auf eine Kaufbereitschaft hindeuten, also Körpersprache,


Bemerkungen und Fragen des Kunden. Derartige Kaufsignale sind zum Beispiel eine nach
vorne gebeugte Sitzhaltung des Kunden, zustimmendes Nicken oder die Frage nach Preisen
und Finanzierungsmöglichkeiten. Um den Kauf abzuschließen, können Außendienstmitar-
beiter verschiedene Techniken anwenden. Sie können um die Auftragserteilung oder Bestel-
lung bitten, die Vertragsbestimmungen wiederholen, ihre Hilfe beim Ausfüllen der Bestell-
formulare anbieten, sich erkundigen, für welches Modell sich der Käufer entschieden hat
oder sie können darauf hinweisen, dass der Käufer sich eine Gelegenheit entgehen lässt,
wenn er die Bestellung jetzt nicht aufgibt. Auch kann der Verkäufer dem Kunden besondere
Zugeständnisse machen, um ihn zum Kaufabschluss zu bewegen. Das kann zum Beispiel ein
Rabatt sein oder die kostenlose Erbringung zusätzlicher Dienstleistungen.

Nachkaufbetreuung
Der letzte Schritt des Kaufvorgangs, die Nachkaufbetreuung, ist für den Außendienstmitar-
beiter in Hinblick auf Kundenzufriedenheit und Folgeaufträge besonders wichtig. Unmittel-
bar nach dem Kaufabschluss sollten dem Kunden die noch offenen Einzelheiten zu Lieferzei-
ten, Kaufbedingungen und weiteren Fragen mitgeteilt werden. Insbesondere bei Erstkunden
sollte der Außendienstmitarbeiter einen Termin für einen zusätzlichen Besuch vereinbaren,
um sicherzustellen, dass die Installation, die technische Einweisung und andere Kunden-
dienstleistungen korrekt ausgeführt wurden. Dieser Folgebesuch kann etwaige Probleme ans
Licht bringen und zeigt dem Kunden, dass sich der Verkäufer um ihn bemüht. Auch hilft die
Nachkaufbetreuung bei der Beseitigung eventueller Zweifel, die dem Kunden nach dem Kauf
noch entstanden sein könnten.

Verkauf auf internationalen Märkten


Grundsätzlich kann der Prozess des persönlichen Verkaufs auch auf den internationalen
Markt angewendet werden. Allerdings erfordert der internationale bzw. interkulturelle Han-
del immer besondere Maßnahmen, um die Verkaufs- und Verhandlungskonzepte den dort
herrschenden Gebräuchen anzupassen. In diesem Zusammenhang spielen die Kulturdimen-
sionen von Hofstede eine wichtige Rolle.

Exkurs: Verkaufen über Kulturgrenzen hinweg: auf der Suche


nach allgemeingültigen Werten

Der persönliche Verkauf ist der Teil des internationalen Marketings, der am schwierigs-
ten zu kontrollieren ist. Zahlreiche Akademiker und Berater haben Unmengen von Lis-
ten mit „Dos“ und „Don’ts“ erstellt, die auf Untersuchungen von Verkaufsverhandlun-
gen innerhalb bestimmter Kulturen basieren. Zunehmend ziehen internationale
Marketingfachleute sowohl Studien zu kulturspezifischen Verhandlungstechniken als
auch allgemeine kulturelle Untersuchungen zurate, um die kulturellen Werte zu verste-
hen, die das Verhandlungsverhalten beeinflussen, und um die eigenen Verkaufstechni-
ken bestmöglich daran anzupassen.

771
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Ein beliebtes Instrument ist das von Geert Hofstede entwickelte System der fünf Kultur-
dimensionen, um eine nationale Kultur zu definieren. Dazu zählen die folgenden
Aspekte:
 Langzeitorientierung: Darunter versteht man die Wertschätzungen gegenüber lang-
fristigem Denken. Im Allgemeinen haben Asiaten eine langfristigere Zeitorientierung
als westliche Kulturen, d.h. sie neigen dazu, zu Beginn des Verhandlungsprozesses
mehr Zeit für den Aufbau einer persönlichen Beziehung zu verwenden. Aus diesem
Grund ist es von Vorteil für westliche Geschäftsleute, Karaoke-Abende zu veranstal-
ten, wenn sie in Verhandlung mit japanischen oder koreanischen Unternehmen ste-
hen! Da sich die Geschäftsbeziehung aus dem Inhalt der Verhandlungen ableitet und
sie – im Gegensatz zu den kurzfristigen Aspekten des laufenden Geschäfts – die Basis
für langfristige Nutzen bringende Geschäfte darstellt, passt der „Kundenbeziehungs-
ansatz“ besser zu asiatischen als zu westlichen Kulturen. Daraus lässt sich folgender
Schluss ziehen: Wenn man an jemanden aus einer Kultur mit langfristiger Zeitorien-
tierung verkauft, muss man damit rechnen, mehr Zeit für die Gestaltung der Kunden-
beziehung zu verwenden, anstatt sich nur auf den Vertragsabschluss zu konzentrie-
ren.
 Unsicherheitsvermeidung: Die Bereitschaft der Verhandelnden, Risiken einzugehen,
ist teilweise auf den Grad der Unsicherheit, den sie in ihrer Kultur gewohnt sind,
zurückzuführen. In Ländern, in denen Menschen eine höhere Toleranz gegenüber
mehrdeutigen, unklaren Situationen besitzen, wie Großbritannien und Dänemark,
verbringt ein Verkäufer weniger Zeit damit, die Kundenbedürfnisse zu erforschen,
bevor er zum Kaufabschluss kommt. In Ländern wie Frankreich, wo die Menschen
eine niedrigere Toleranz gegenüber Mehrdeutigkeit und Unsicherheit aufweisen,
wird ein Verkäufer länger brauchen, um die genauen Kundenbedürfnisse herauszu-
finden.
 Machtdistanz: Inwiefern ungleiche Machtverhältnisse im Beruf und im Privatbereich
erwartet und akzeptiert werden, beeinflusst auch die Verhandlungstaktik. In Kultu-
ren mit großer Machtdistanz tragen untergeordnete Mitarbeiter ein Problem nur dann
an Vorgesetzte heran, wenn es besonders wichtig ist. Im Gegensatz dazu ist in Kultu-
ren mit niedriger Machtdistanz die in der Unternehmenshierarchie weiter unten
angesiedelte Belegschaft eher daran gewöhnt, von ihren Vorgesetzten gleichberechtigt
behandelt zu werden, d.h. sie neigen dazu, Angelegenheiten direkt mit ihren Vorge-
setzten zu besprechen. Wenn man also mit einem Kunden verhandelt, für den der
eigene Status von großer Bedeutung ist, sollte das verkaufende Unternehmen sicher-
stellen, dass Dienstalter und Dienstgrad des Verkäufers jenem des Käufers entspre-
chen.
 Individualismus vs. Kollektivismus: Damit ist das Unabhängigkeitsbedürfnis und
der Freiheitsgrad einer Person gemeint. Im Allgemeinen werden die Vereinigten Staa-
ten und Großbritannien als individualistische Gesellschaften angesehen, die Freiheit
und Unabhängigkeit schätzen. In kollektivistischen Kulturen wie Japan und China
leitet sich der persönliche Wertebegriff aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe ab.
Daher verwenden Verhandelnde, die von der letztgenannten Kultur beeinflusst sind,
mehr Zeit und Mühe darauf, eine Einigung und einen Abschluss zu erzielen.

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16.5 Der Prozess des persönlichen Verkaufs

 Maskulinität vs. Femininität: Leistung und Besitz spiegeln männliche Werte wider,
während der soziale Bereich und Hilfsbereitschaft weiblichen Werten zugeschrieben
werden. Menschen lassen sich mithilfe der Maskulinität-Femininität-Dimension
klassifizieren. In maskulinen Kulturen, in Hofstedes Studie anhand von Österreich
veranschaulicht, haben Verkäufer einen sehr klaren und bestimmten Verkaufsstil, der
in femininen Kulturen wie Dänemark als unangenehm gewertet wird. Letztere legen
mehr Wert auf Partnerschaft, um die erwünschten Ergebnisse beider Parteien zu
erreichen. Jene, die etwa in der Mitte liegen, schätzen den Aufbau guter Kundenbe-
ziehungen genauso sehr wie harte Fakten und vertragliche Details.
Diese fünf allgemeingültigen Kulturdimensionen bieten eine Basis, um die kulturellen
Rahmenbedingungen im internationalen Handel besser zu bewältigen und um die eigene
Verkaufsmethode daran anzupassen. Trotzdem legen weder Hofstede noch Befürworter
seines Modells nahe, dass erfolgreiche internationale Verhandlungen dem alten Sprich-
wort „Andere Länder, andere Sitten“ zu folgen haben. Die Experten argumentieren eher
damit, dass Verhandlungspartner mit jemandem aus ihrer eigenen Kultur nicht auf die
gleiche Art verhandeln, wie sie es mit jemandem aus einer anderen Kultur tun. Deshalb
hilft es wenig zu wissen, wie die Schweden untereinander verhandeln, will man vorher-
sagen, wie sie mit ihren japanischen Geschäftspartnern verhandeln werden. Da außerdem
eine immer größere Anzahl internationaler Führungskräfte im Ausland ausgebildet wird
oder umfangreiche Auslandserfahrung hat, können diese ihren kulturellen Stil anpassen,
um zu zeigen, dass sie mit den kulturellen Werten ihrer ausländischen Verhandlungspart-
ner vertraut sind. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht so sehr in der Nachahmung der kul-
turellen Werte des ausländischen Kunden, sondern vielmehr in der subtilen Anpassung,
um sich dem Stil des anderen Verhandlungspartners anzunähern.

16.5.2 Persönlicher Verkauf und Kundenbeziehungsmanagement


Die oben beschriebenen Grundlagen des persönlichen Verkaufs sind insofern transaktionsori-
entiert, als sie darauf abzielen, Vertriebsmitarbeitern zu einem Kaufabschluss beim Kunden
zu verhelfen. Aber in vielen Fällen ist das Unternehmen nicht nur an einem einzelnen Auf-
trag interessiert, sondern es will einen Kunden gewinnen und langfristig an sich binden. Das
Unternehmen möchte diesem Kunden beweisen, dass es in der Lage ist, ihn in einer für beide
Seiten profitablen Geschäftsbeziehung über einen langen Zeitraum hinweg zu betreuen. Der
Außendienst spielt insbesondere beim Aufbau und der Pflege solcher langfristigen Kunden-
beziehungen eine wichtige Rolle.
Mehr und mehr Unternehmen verlagern ihren Schwerpunkt vom absatzorientierten Marke-
ting, dessen Ziel in erster Linie das Verkaufen ist, auf das Kundenbeziehungsmanagement,
das auf den Erhalt langfristiger und gewinnbringender Kundenbeziehung ausgerichtet ist,
indem sie ein höheres Maß an Kundennutzen und Kundenzufriedenheit schaffen. Diese
Unternehmen haben verstanden, dass es in einem wachsenden Markt mit verstärkter Kon-
kurrenz viel mehr kostet, den Wettbewerbern neue Kunden abzuringen, als die bereits vor-
handenen Kunden zu halten.
Die Kunden von heute bevorzugen Lieferanten, die ihnen ein aufeinander abgestimmtes Pro-
dukt- und Dienstleistungsprogramm verkaufen und möglichst weltweit liefern können.
Außerdem erwarten sie von den Lieferanten, dass sie eng mit Kundenteams zusammenarbei-

773
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

ten, um Produkte und Abläufe zu optimieren und schnell Problemlösungen zu finden. Für
derartige Kunden ist der erste Kauf lediglich der Beginn einer Geschäftsbeziehung.
Leider haben sich viele Unternehmen noch nicht auf diese Entwicklungen eingestellt. Häufig
vertreiben sie ihre Produkte durch getrennte Außendienstmannschaften, die unabhängig
voneinander arbeiten. Ihre technischen Mitarbeiter wollen sich nicht damit aufhalten, einem
Kunden ein Produkt zu erklären, weil sie das als Aufgabe des Vertriebs ansehen. Das für die
Entwicklung, das Design und die Produktion verantwortliche Personal vertritt die Einstel-
lung: „Es ist unsere Aufgabe, gute Produkte herzustellen, und die Aufgabe des Vertriebs ist
es, diese an Kunden zu verkaufen.“ Der Außendienst wiederum konzentriert sich darauf, vor-
handene Produkte zu verkaufen, anstatt genau zuzuhören, was der Kunde eigentlich möchte,
und hierfür Lösungen anzubieten.
Die erfolgreicheren Unternehmen erkennen jedoch, dass die Gewinnung und Erhaltung von
Kunden mehr erfordert, als gute Produkte herzustellen und den Außendienst anzuweisen,
möglichst viele davon zu verkaufen. Wenn ein Unternehmen nur darauf fokussiert ist, kurz-
fristige Geschäfte zu generieren, kann es das einfach tun, indem es die Preise drastisch senkt,
um die der Wettbewerber zu unterbieten. Stattdessen wollen die meisten Unternehmen, dass
ihre Mitarbeiter Kundennutzen verkaufen. Überlegene Nutzenangebote aufzuzeigen und zu
liefern und dafür etwas zurückzubekommen ist in gleichem Maße vorteilhaft für den Kunden
und das Unternehmen.
Leider kommt es während Verkaufsverhandlungen, insbesondere in wirtschaftlich schwieri-
gen Zeiten, oftmals dazu, dass Außendienstmitarbeiter den einfachen Weg der Preisreduzie-
rung statt der Betonung des Kundennutzens wählen. Deshalb liegt die Herausforderung für
das Vertriebsmanagement darin, den Außendienst von Verfechtern von Preiskürzungen für
Kunden in Fürsprecher des Unternehmens für Kundenwerte zu verwandeln.

16.6 Verkaufsförderung
Ein immer wichtiger werdendes Instrument der Marketingkommunikation ist die Verkaufs-
förderung. Verkaufsförderung besteht aus einem kurzfristig bereitgestellten Zusatznutzen,
der zu den grundsätzlichen Vorteilen des Produkts hinzukommt. Durch diesen kurzfristigen
Stimulus soll der Interessent zur sofortigen Umsetzung der Kaufabsicht ermutigt und veran-
lasst werden.
Während die Werbung erläutert, warum und wieso ein Interessent ein Produkt oder eine
Dienstleistung erwerben sollte (und gegenüber den Produkten der Konkurrenz vorziehen
sollte), will die Verkaufsförderung die Interessenten motivieren, den Kauf sofort vorzuneh-
men und nicht erst in ungewisser Zukunft.

16.6.1 Die zunehmende Bedeutung der Verkaufsförderung


Die meisten Organisationen, inklusive Hersteller, Großhändler, Einzelhändler und gemein-
nützige Einrichtungen, verwenden Instrumente der Verkaufsförderung. Verkaufsförderung
kann sich richten an a) Endkunden (Konsumenten), b) organisationale Kunden, c) Handel-
spartner, d) das Vertriebsteam selbst. In einem durchschnittlichen amerikanischen Konsum-
güterunternehmen werden 60 Prozent der gesamten Marketingausgaben für die Verkaufsför-
derung ausgegeben. In Europa geben Unternehmen wahrscheinlich mindestens genauso viel
für die Verkaufsförderung wie für Werbung aus.

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16.6 Verkaufsförderung

Insbesondere auf Märkten für Konsumgüter hat die Verkaufsförderung in den letzten Jahren
stark an Bedeutung gewonnen. Dies hat folgende Gründe:
Steigende Erfolgserwartungen Auf Unternehmen, insbesondere denjenigen, die auch an der
Börse notiert sind, lastet ein hoher Druck, den Gewinn und somit auch den Umsatz und die
Absatzzahlen zu erhöhen. Produktmanager sehen die Verkaufsförderung als ein effektives,
kurzfristig anwendbares Instrument an, um den Verkauf zu erhöhen.
Intensivierung des Wettbewerbs Konkurrierende Marken sind in immer mehr Bereichen
nicht ausreichend differenziert, um eine Marktführerrolle zu erringen. Dennoch wird alles
getan, um sich von Konkurrenzprodukten abzugrenzen, mit dem Effekt, dass sich der Wettbe-
werb verschärft. Viele Unternehmen versuchen, mit relativ kostengünstigen Verkaufsförde-
rungsaktionen einen Vorsprung zu erlangen.
Nachlassende Effizienz der Werbung Aufgrund von steigenden Kosten, Streuverlusten und
gesetzlichen Auflagen sinkt die Produktivität der Werbung. Für viele Unternehmen ist der
Markteintritt über eine Kampagne im Werbefernsehen nicht mehr möglich, da die Kosten
hierfür den zu erwartenden Nutzen deutlich übertreffen. Die Verkaufsförderung in Verbin-
dung mit anderen Kommunikationsinstrumenten, wie z.B. Werbebriefen, kann sich beim
Erschließen neuer Märkte als erheblich kostengünstiger erweisen.
Angebotsorientierung der Konsumenten Bedingt durch den ökonomischen Abschwung und
die Rezession in Europa wurden Konsumenten angebotsorientierter. In der heutigen Wirt-
schaft verlangen sie niedrigere Preise und bessere Angebote. Die Verkaufsförderung kann
dabei helfen, die sparsameren Konsumenten zum Kauf zu bewegen.
Macht des Handels Der Handel erwartet heute massive Verkaufsunterstützung jeder Art von
den Herstellern. Eine individuelle Verkaufsförderung eignet sich hierfür besonders gut.
Geschieht dies nicht, so wird ein Produkt unter Umständen nicht mehr gelistet.
Leistungsstarke IT Die neuesten Entwicklungen in der Datentechnik, wie beispielsweise die
Reduktion der Kosten bei Datenspeicherung und verfeinerte Techniken zur zielgerichteten
Datensuche, erleichtern heute die Durchführung großer Kampagnen. Sie ermöglichen auch
Wirkungsmessungen und Kontrollen der Verkaufsförderungsmaßnahmen.
Der ungebremst häufige Einsatz von Maßnahmen zur Verkaufsförderung hat jedoch bereits
dazu geführt, dass Kaufinteressenten die Verkaufsförderung kaum mehr beachten. Um wie-
der mit größerer Aufmerksamkeit bei den Kunden rechnen zu können, suchen die Anbieter
neue Wege, um sich aus der Masse der Aktionen hervorheben zu können. Dazu gehören wert-
vollere Geschenke bei Preisausschreiben, kreative Displays und Dekorationen am Verkaufsre-
gal (Point of Sale) oder Fördermaßnahmen über interaktive Medien wie beispielsweise das
Internet und Mobiltelefone. Laut einer Studie sehen 88 Prozent der Einzelhändler die digi-
tale Werbung – wie mobile Coupons, Kunden-E-Mails und Onlineangebote – als wichtigen
Teil ihrer Strategien im Shopper-Marketing an.9
Bei der Entwicklung von Verkaufsförderprogrammen muss ein Unternehmen zuerst die Ziele
der Verkaufsförderung definieren und dann die besten Instrumente auswählen, um diese
Ziele zu erreichen.

9 Kantar Retail, Making Connections: Trade Promotion Integration across the Marketing Landscape, S. 6.

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

16.6.2 Zielsetzung der Verkaufsförderung


Die Ziele einer verkaufsfördernden Maßnahme sind vielseitig. Unternehmen verwenden Ver-
kaufsförderung für Endverbraucher bzw. organisationale Kunden, um
 kurzfristig den Verkauf zu erhöhen,
 das Interesse der Kunden an der Marke grundsätzlich zu fördern und
 loyale Kunden zu halten und zu belohnen.
Ziele einer Verkaufsförderung für den Handel können sein:
 den Handel zur Listung neuer Artikel zu motivieren,
 ihn zu veranlassen, mehr und besseren Regalplatz zur Verfügung zu stellen,
 ihn zu motivieren, das Produkt zu bewerben, und
 ihn zu veranlassen, sich in großem Umfang zu bevorraten.
Für das Vertriebsteam können die Ziele sein:
 mehr Unterstützung für aktuelle und neue Produkte zu bekommen oder
 den Außendienst darin zu motivieren, neue Kundenkreise zu erschließen.
Verkaufsförderungen werden normalerweise in Verbindung mit Werbung, persönlichem Ver-
kauf, Direktmarketing oder anderen Instrumenten des Kommunikations-Mix angewendet.
Verkaufsförderungen für Endverbraucher müssen normalerweise beworben werden und kön-
nen Werbung aufregender machen und ihr größere Zugkraft verleihen. Sonderaktionen für
den Handel und den Außendienst unterstützen den persönlichen Verkauf.
Grundsätzlich sollte Verkaufsförderung auch das Verhältnis zum Kunden ausbauen und pfle-
gen und nicht nur auf eine kurzfristige Erhöhung des Absatzes oder einen kurzfristigen Mar-
kenwechsel abzielen. Wenn Verkaufsförderung gut geplant und organisiert ist, kann sie die
Positionierung des Produkts verstärken und eine langfristige Kundenbeziehung aufbauen.
Marketingverantwortliche vermeiden zunehmend Maßnahmen, die aufgrund von Preissen-
kungen lediglich kurzfristig den Absatz fördern, zugunsten von solchen, die auch eine Stei-
gerung des Markenwerts bewirken können.
Beispiele hierfür sind in den letzten Jahren verstärkt genutzte Marketinginstrumente, die auf
der Häufigkeit der getätigten Transaktionen basieren, wie beispielsweise Treue- oder Bonu-
skarten oder Kundenclubs, mit denen Hotels, Einzelhändler oder Fluglinien ihren treuen
Kunden eine Vielzahl an Vergütungen oder Vergünstigungen anbieten. Wenn sie gut durch-
dacht sind, haben solche Verkaufsförderungsinstrumente das Potenzial, langfristige Kunden-
beziehungen aufzubauen.
Dennoch hat Verkaufsförderung auch ihre Grenzen. Sie zieht häufig die Gruppe der Marken-
wechsler an. Verkaufsförderungsaktivitäten werden diese jedoch nur selten dazu bringen,
treue Kunden einer bestimmten Marke zu werden. Nutzt ein Unternehmen für seine Marke
jedoch zu häufig preisorientierte Maßnahmen, besteht die Gefahr, dass Konsumenten diese
als Billigmarke wahrnehmen – oder sie nur noch im Sonderangebot kaufen. Daher kommen
viele Forscher zu dem Schluss, dass Verkaufsförderungsmaßnahmen keine langfristige Präfe-
renz schaffen und die Treue der Kunden fördern, wie es die Werbung vermag. Stattdessen
erhöhen sie nur kurzfristig die Verkaufszahlen, ohne langfristig Bestand zu haben. Marke-
tingverantwortliche führender Marken nutzen Verkaufsförderungsaktivitäten deshalb ver-
gleichsweise selten, da sie wenig mehr bringen würden, als den bestehenden Kunden zu
einem Schnäppchen zu verhelfen.

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16.6 Verkaufsförderung

Trotz dieser Gefahren nutzen viele Konsumgüterhersteller weiterhin Verkaufsförderungsakti-


onen. Sie glauben, dass solche Aktivitäten für sie vorteilhaft sind, da sie dadurch kurzfristige
Marktschwankungen oder Veränderungen in Kundensegmenten ausgleichen können. Außer-
dem ermuntern diese Maßnahmen Verbraucher dazu, neue Produkte auszuprobieren und
geben diesen ein gutes Gefühl, wenn sie sich für ein Produkt zum Sonderangebotspreis ent-
schieden haben.

16.6.3 Instrumente der Verkaufsförderung


Für die Erreichung der festgelegten Ziele steht eine Vielzahl verschiedener Instrumente zur
Verfügung. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Instrumente der Verkaufsförderung,
die beim Endverbraucher und beim Handel ansetzen, vorgestellt.

Verkaufsförderung für Endverbraucher


Tabelle 16.3 zeigt eine Auswahl gängiger Verkaufsförderungsinstrumente, die sich an den
Endverbraucher richten.

Bezeichnung Charakteristik
Rabatte, Coupons oder Nachlass beim Kauf eines bestimmten Produkts, ggf. durch Coupons, Gutscheine
Gutscheine gewährt; kann gleichermaßen den Absatz reifer Produkte stimulieren wie das Probie-
ren neuer Produkte anregen; Verteilung per Post, über Printmedien; Zugabe zu ande-
ren Produkten; neue Formen: Coupon-Spender am Regal, automatischer Drucker am
Point of Sale.
Muster, Proben Kostenlose Produktproben in Kleinmengen; effizientester, aber zugleich teuerster
Weg, ein neues Produkt vorzustellen; Verteilung als Postwurfsendung, über den Han-
del, Zugabe zu anderem Produkt, in eine Werbeanzeige integriert.
„Geld zurück“-Angebote Nach erfolgtem Kauf sendet der Käufer einen Beleg an den Hersteller und erhält eine
Barvergütung; Ermäßigung findet also nicht am Point of Sale statt, sondern nach
dem Kauf; in Deutschland weniger bekannt.
Sonderpreispackungen, Größerer Packungsinhalt zum gleichen Preis; Doppel- oder Mehrfachpackungen zu
Doppelpackungen einem günstigeren Preis; kurbelt kurzzeitig den Absatz an; Vertrieb über den Handel.
Zusatzausstattung Preisgünstige oder kostenfreie Zusatzausstattung, z.B. „Winterpaket“ bei Autos;
„Edition“-Sonderausgaben mit Mehrausstattung, z.B. Tasche zur Kamera gratis; zeit-
lich beschränktes Angebot von Mehrnutzen für den Käufer, mit dem Ziel, die Kauf-
entscheidung zu beschleunigen.
Werbegeschenke Übliche Beispiele sind Kugelschreiber, Kalender, Taschen, Uhren, Mousepads, Kaffee-
tassen, T-Shirts etc., die mit dem Namen des Absenders versehen sind.
Verkaufsförderung am Sonderplatzierungen von Produkten, Displays oder Produktvorführungen an dem
Point of Sale Ort, an dem die Produkte üblicherweise gekauft werden.
Wettbewerbe, Lotterien, Der Verbraucher erhält auf unterschiedliche Arten die Möglichkeit, etwas zu gewin-
Gewinnspiele nen (Bargeld, Reise, Produkte etc.). Bei einem Wettbewerb werden Kunden ange-
regt, ein Bild, einen Werbespruch, ein Foto, eine Idee oder Ähnliches einzusenden;
bei einer Lotterie können Zahlen oder Lose gezogen werden; bei einem Gewinnspiel
können Verbraucher mit oder ohne Beantwortung einer einfachen Frage an einer
Verlosung teilnehmen.
Tabelle 16.3: Instrumente der Verkaufsförderung für Endverbraucher (beispielhafte Auswahl)

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Verkaufsförderung für den Handel


Verkaufsförderung kann auch dazu dienen, den Handel zu überzeugen, eine Marke zu füh-
ren, ihr Regalplätze einzuräumen, sie in die hauseigene Werbung einzubeziehen und sie so
mit Nachdruck den Käufern anzubieten. Regalplätze sind heutzutage so rar und teuer, dass
Hersteller oft mit Rabatten, Zugaben, Gutschriften, Rücknahmegarantien oder Naturalrabat-
ten gegenüber dem Einzel- oder Großhandel versuchen, einen Regalplatz zu bekommen und
zu halten.
Viele der an Endverbraucher gerichteten Instrumente der Verkaufsförderung können auch für
den Handel verwendet werden. Zusätzlich können die Hersteller dem Handel auch Sonder-
rabatte auf die regulären Preise einräumen. Der Hersteller kann sogenannte „Werbekostenzu-
schüsse“ an den Handel zahlen, wenn dieser seine Produkte im Angebot oder in der Wer-
bung besonders herausstellt. Ein Werbekostenzuschuss beinhaltet eine Vereinbarung, das
Produkt in der Werbung des Handelsunternehmens zu präsentieren.
Hersteller gewähren gelegentlich auch freie Zusatzmengen, zum Beispiel wenn ein Händler
regelmäßig eine bestimmte Produktvariante bevorzugt, der Hersteller jedoch anstrebt, dass
die übrigen Varianten auch angeboten werden. Der Hersteller kann Anreize in Form von
Geldprämien oder Gewinnen wie Reisen etc. für den Händler und seine Mitarbeiter auslo-
ben, damit diese sich besonders für die Produkte des Herstellers einsetzen. Auch im Bereich
der Werbegeschenke werden Hersteller oft tätig und überlassen dem Handel Artikel wie
Kugelschreiber, Kalender, Schreibmappen oder Kaffeetassen. Im Vereinigten Königreich und
der EU müssen Lieferanten jedoch beachten, nicht gegen die strengen Anti-Korruptionsge-
setze in den europäischen Ländern zu verstoßen – sowohl regional als auch EU-weit. Unter
der neuen Gesetzgebung in Großbritannien können selbst kleinere Geschenke oder Zahlun-
gen an Einzelpersonen als Bestechung gelten und mit hohen Strafen für die Spender geahn-
det werden.

Verkaufsförderung im Industriegütermarketing
Hersteller setzen Verkaufsförderung auch im Industriegütermarketing ein. Aktivitäten in die-
sem Bereich können zum Ziel haben, neue Geschäftskontakte zu generieren, Verkäufe zum
Abschluss zu bringen, Käufer zu belohnen oder den eigenen Außendienst zu motivieren und
zu unterstützen. Zwei populäre Förderungsaktivitäten in diesem Bereich sind Messen bzw.
Fachtagungen sowie Verkaufswettbewerbe.
Messen, Präsentationen und Fachkongresse Viele Unternehmen, aber auch viele Berufsver-
bände organisieren Kongresse und Messen, um das neueste Fachwissen auszutauschen und
die Produkte, welche die jeweilige Branche anbietet oder benötigt, auszustellen. Unterneh-
men, die an die jeweilige Branche verkaufen möchten, zeigen ihre Produkte auf Fachmessen.
Für Verkäufer sind diese Messen sehr attraktiv. Hier bieten sich Gelegenheiten, neue Kun-
denbeziehungen aufzubauen, Produktinnovationen vorzustellen, die bestehenden Geschäfts-
verbindungen zu intensivieren und die Kunden mittels Vorführungen und Publikationen in
der Anwendung weiterzubilden.
Verkaufswettbewerbe Ein Verkaufswettbewerb richtet sich an Verkäufer oder Händlerbe-
triebe, um sie zu motivieren ihre Verkaufsanstrengungen nochmals zu steigern. Viele Unter-
nehmen führen mindestens einmal im Jahr einen Verkaufswettbewerb durch. In diesen Wett-
bewerben werden leistungsfähige Verkäufer öffentlich gelobt und die Besten unter ihnen mit
Reisen, Bargeld oder anderen Geschenken belohnt. Verkaufswettbewerbe erreichen dann am
effizientesten ihr Ziel, wenn sie an objektiv messbare und erreichbare Absatzziele gekoppelt

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16.6 Verkaufsförderung

sind (wie z.B. neue Kunden gewinnen, frühere Kunden wieder aktivieren, Steigerung des
Umsatzes beim einzelnen Kunden erreichen). Eine wichtige Bedingung für den Erfolg eines
Verkaufswettbewerbs ist, dass die Mitarbeiter davon überzeugt sind, dass jeder die gleichen
Chancen hat, zu gewinnen. Die Mitarbeiter müssen sich mit dem Wettbewerb und seinen
Zielen identifizieren.

16.6.4 Die Entwicklung von Verkaufsförderungsprogrammen


Für die Realisierung der Verkaufsförderung müssen im Vorfeld verschiedene Entscheidungen
getroffen werden.
Eine wichtige Rolle für den Erfolg einer Verkaufsförderungsaktion spielt der Zeitraum. Wird
dieser falsch (z.B. in den Ferien) oder zu kurz gewählt, können potenzielle Kunden unter
Umständen ihren Kauf nicht realisieren. Läuft die Sonderaktion über einen zu langen Zeit-
raum, verliert die Maßnahme ihren aktivierenden „Kaufen Sie jetzt!“-Appell.
Für jede Verkaufsförderungsaktion sollte zudem ein Zeitplan aufgestellt werden, der den
nötigen Vorlauf (Produktion von Sonderausführungen, Sonderverpackungen und Begleitma-
terial, Distribution bis zum Handel) bis zum eigentlichen Start der Aktion an der Schnitt-
stelle Handel – Käufer ausweist.
Soweit von Kaufinteressenten und möglichen Kunden eine Reaktion erwartet wird, müssen
auch hierfür die Bedingungen festgelegt werden. Je leichter es für den Interessenten ist, auf
die Aktion zu reagieren, desto höher wird die Beteiligung sein. Sofortige Realisierung der
Zugabe, zum Beispiel in Form eines an der Kasse gewährten Preisnachlasses oder in Form
eines kleinen Produktmusters an der Flasche eines anderen Produkts, ist unbürokratisch und
löst eine hohe Reaktionsrate aus. Müssen für die Realisierung weitere Handlungen vorge-
nommen werden, zum Beispiel das Sammeln von Coupons und anschließendes Einschicken
für den Erhalt eines kleinen Werbegeschenkes, wird die Angelegenheit komplizierter und es
ist mit geringeren Rückläufen beziehungsweise Reaktionsraten zu rechnen. Jede Verteilungs-
methode hat andere Charakteristika in Bezug auf Reichweite, Akzeptanz und Kosten.
Man muss außerdem Bedingungen festsetzen, unter denen eine Teilnahme möglich ist.
Anreize können für jedermann, aber auch lediglich für ausgesuchte Gruppen ausgeschrieben
werden. Zu den Gruppen, die ausgeschlossen werden, gehören in vielen Fällen die Mitarbei-
ter des Unternehmens und der Werbeagentur mit ihren Angehörigen und Personen unter 18
Jahren. Einschränkende Klauseln, wie der Schlusstermin der Aktion, müssen deutlich sicht-
bar bekannt gemacht werden.
Wenn irgend möglich, sollten große und aufwendige Aktionen vorab getestet werden, ob sie
zu Produkt und Zielgruppe passen und ob der Anreiz die richtige Stärke hat. Verkaufsförde-
rungsaktionen, die sich an den Endverbraucher wenden, lassen sich schnell und kostengüns-
tig testen. Verbraucher können zum Beispiel in einem Geschäft angesprochen und um ihre
Meinung zu Entwürfen der Kampagne gefragt werden. Große Sonderaktionen sollten auf
einem begrenzten Testmarkt ihre Wirkung vorab unter Beweis stellen können.
Auch sollte der Erfolg der Verkaufsförderung gemessen werden. Viele Unternehmen überprü-
fen ihre verkaufsfördernden Maßnahmen allerdings gar nicht, andere lediglich oberflächlich.
Dennoch sollten die Rückflüsse aus den Investitionen in die Verkaufsförderung genauso wie
diejenigen aus anderen Marketingaktivitäten evaluiert werden. Eine der beliebtesten Metho-
den für die Erfolgsmessung einer Verkaufsförderung ist der Vergleich des Verkaufs vor, wäh-
rend und nach der Maßnahme. Marketingfachleute sollten sich folgende Fragen stellen: Hat

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

die Verkaufsförderung neue Kunden angezogen oder die Verkäufe an bestehende Kunden
erhöht? Können diese Neukunden und Zusatzgeschäfte gehalten werden? Werden die lang-
fristige Kundenbeziehung und zusätzliche Verkäufe aus der Verkaufsförderungsmaßnahme
ihre Kosten rechtfertigen?
Die Verkaufsförderung spielt eindeutig eine wichtige Rolle im Kommunikations-Mix. Um
jedoch Erfolg zu haben, muss der Marketingverantwortliche die Ziele klar definieren, die
besten Werkzeuge auswählen, das Programm zur Verkaufsförderung entwerfen, testen und
umsetzen und anschließend die Ergebnisse anhand der Ziele überprüfen. Schließlich sollten
die Maßnahmen zur Verkaufsförderung sorgfältig mit allen anderen Elementen des Kommu-
nikations-Mix abgestimmt sein, sodass am Ende ein vollständig integriertes Kommunikati-
onsprogramm realisiert wird.

ZUSAMMENFASSUNG

Die meisten Unternehmen haben für den persönlichen Verkauf einen Außendienst und
weisen diesem eine Schlüsselrolle im Marketing-Mix zu. Als Bestandteil des Marketing-
Mix erweist sich der Außendienst als sehr geeignet, um die Aktivitäten der Kundensu-
che, der Kommunikation, des Verkaufs, der Betreuung und der Informationssammlung
durchzuführen und um damit bestimmte Marketingziele zu erreichen. Der Außendienst
sollte im Sinne des gesamten Unternehmens handeln und langfristige sowie gewinn-
bringende Kundenbeziehungen aufbauen, welche auf einem höheren Kundennutzen
und auf Kundenzufriedenheit beruhen. Dabei sollte sich das Verhalten des Außendiens-
tes am Konzept des Kundenbeziehungsmanagements orientieren.
Bei Anbietern von Industriegütern arbeitet der Außendienst direkt mit dem Kunden
zusammen. Oft ist der Außendienst der einzige Kontakt zum Unternehmen und wird
vom Kunden daher als Vertreter des gesamten Unternehmens angesehen. Bei Herstellern
von Konsumgütern, die ihre Produkte über Zwischenhändler verkaufen, treffen die End-
verbraucher nie auf Außendienstmitarbeiter, meist wissen sie gar nicht von ihrer Exis-
tenz.
Da hohe Kosten für einen Außendienst aufzubringen sind, ist auch ein effektives Ver-
triebsmanagement gefordert, das folgende Bereiche berücksichtigt: Zielvorgaben,
Bestimmung von Strategie, Struktur, Größe und Vergütung, Anwerbe- und Auswahlver-
fahren, Aus- und Weiterbildung, Führung und Kontrolle und die Leistungsbewertung
des Außendienstes. Dabei muss sich das Sales Management mit den Fragen beschäfti-
gen, welche Strukturart für den Außendienst am besten geeignet ist (nach Gebieten, Pro-
dukten, Kunden oder einer Kombination daraus), wie groß der Außendienst sein sollte,
wer in den Verkaufsprozess einbezogen werden sollte und inwiefern die verschiedenen
Vertriebsmitarbeiter und die den Vertrieb unterstützenden Abteilungen zusammenarbei-
ten können (Außen-, Innendienst und Team Selling). Außerdem muss man Überlegun-
gen zur Vergütung der Außendienstmitarbeiter anstellen, in Bezug auf Fixgehalt, Provi-
sionen, Bonusleistungen, Spesenabrechnungen und andere freiwillige Leistungen.

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Zusammenfassung

Bei der Mitarbeiterauswahl sollte man die Verkaufstätigkeit und die Charakteristika der
erfolgreichsten Außendienstleute analysieren, um so die entscheidenden Eigenschaften für
einen guten Außendienst zu bestimmen. In Ausbildungsprogrammen erlernen die neuen
Mitarbeiter nicht nur die Kunst des Verkaufens, sondern werden auch über die Geschichte
und die Produkte des Unternehmens sowie die Wettbewerbs- und Marktstruktur aufge-
klärt. Alle Außendienstmitarbeiter brauchen eine gute Führung und Kontrolle, und einige
müssen ständig motiviert werden angesichts der vielen Entscheidungen, die sie treffen
müssen, und der vielen Enttäuschungen, die sie im Umgang mit Kunden und Wettbewer-
bern tagtäglich erleben. Schließlich ist auch eine regelmäßige Leistungsbeurteilung der
Außendienstmitarbeiter wichtig, um diesen ihre Stärken und Schwächen aufzuzeigen.
Eine solche Beurteilung beruht auf Informationen aus Verkaufs- und Außendienstberich-
ten, persönlichen Beobachtungen, Kundenbriefen und -beschwerden, Kundenbefragungen
und aus Gesprächen mit anderen Außendienstmitarbeitern.
Der am schnellsten wachsende Verkaufstrend ist der explosionsartige Anstieg des soge-
nannten Social Selling – der Einsatz von Online-, mobilen und sozialen Medien im Ver-
kauf. Die neuen digitalen Technologien bieten dem Außendienst starke Funktionen für
die Ermittlung und Analyse von Neukunden, Kundeneinbindung, Schaffung von Kun-
dennutzen, Tätigung von Geschäftsabschlüssen und Pflege des Kundenbestands. Die
modernen Kunden sind größtenteils nicht mehr wie früher auf die Beratung durch das
Vertriebspersonal angewiesen. Stattdessen nutzen sie zunehmend die Quellen des Inter-
nets und der sozialen Medien, um ihre Probleme selbst zu analysieren, nach Lösungen
zu suchen, Ratschläge von Kollegen und Freunden einzuholen und die Möglichkeiten
auszuloten, ehe sie überhaupt mit einem Handelsvertreter sprechen. Als Reaktion dar-
auf haben Verkäufer ihre Prozesse rund um das veränderte Kundenverhalten neu ausge-
richtet. Sie nutzen die sozialen Medien, Internetforen, Online-Communitys, Blogs und
andere digitale Funktionen, um die Kunden früher und umfangreicher einzubinden.
Schließlich helfen die Funktionen des Internets und der sozialen Medien dabei, den
Außendienst effizienter, kosteneffektiver und produktiver zu machen.
Sowohl der persönliche Verkauf als auch die Verkaufsförderung sind Instrumente, die
dazu genutzt werden, mit bereits bestehenden oder potenziellen Kunden zu kommuni-
zieren und diese vom Kauf zu überzeugen.
Der persönliche Verkauf ist der zwischenmenschliche Teil des Kommunikations-Mix
und umfasst einen siebenstufigen Prozess: Identifizierung potenzieller Käufer, Vorberei-
tung des Erstkontakts, Kontaktaufnahme, Präsentation des Produkts, Umgang mit Ein-
wänden, Kaufabschluss und Nachkaufbetreuung. Diese Stufen dienen dem Kaufab-
schluss und sind daher eher absatzorientiert.
Unter dem Oberbegriff Verkaufsförderung subsumiert man viele verschiedene Maßnah-
men, die eine kurze Vorlaufzeit und Wirkung haben. Sie können auf die Käufer, den
Handel oder den eigenen Außendienst gerichtet sein. Dazu gehören Gutscheinaktionen,
kostenlose Proben, Prämien, Wettbewerbe, Verkostungen etc. Auf vielen nationalen
Märkten sind in den letzten Jahren die Ausgaben für Verkaufsförderung stärker gestie-
gen als jene für Werbung. Soll Verkaufsförderung eingesetzt werden, müssen zunächst
die Ziele festgelegt werden, dann werden die einzusetzenden Instrumente bestimmt.
Schließlich wird die Kampagne entworfen, eventuell in kleinem Rahmen getestet und
dann als umfassendes Programm eingeführt. Dem schließt sich begleitend und im Nach-
hinein eine Überprüfung und Messung der Wirkungen an.

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16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
16 Persönlicher Verkauf und Verkaufsförderung

Thompson, David: „Embracing the future: A step by step overview of sales 2.0“, in: Sales and Mar-
keting Management (Juli/August 2008), S. 21.
Thorogood, Pelin Wood: „Sales 2.0: How soon will it improve your business?“, in: Selling Power
(November/Dezember 2008), S. 58–61.
Wall, Robert: Airbus Rack Up More 2014 Jet Orders than Boeing, unter: http://www.wsj.com/
articles/airbus-racks-up-more-2014-jet-orders-than-boeing-1421142005 [24.04.2015].
Wiley, Kim Wright: „For the love of sales“, in: Selling Power (Oktober 2008), S. 70–73.
York, Emily Bryson: „Starbucks gets its business brewing again with social media“, in: Advertising
Age (22.02.10), S. 34.
York, Emily Bryson: „Starbucks: Don’t be seduced by lower prices“, in: Advertising Age (30.04.09),
Webseite unter: http://adage.com/print?article_id=136389.

784
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Direktmarketing,
Onlinemarketing, mobiles und
Social-Media-Marketing

17.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786 17


17.2 Direktmarketing und digitales Marketing . . . . . . . . 790
17.3 Arten des Direkt- und Digitalmarketings . . . . . . . . . 797

ÜBERBLICK
17.4 Digitales und Social-Media-Marketing . . . . . . . . . . . 797
17.5 Öffentliche Verantwortung und Ethik im
digitalen und Direktmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822

MyLab | Grundlagen des Marketing bietet Ihnen: ELEARNING


 Das vollständige Lehrbuch in digitaler Form mit zahlreichen Werk-
zeugen und Zugang über viele Endgeräte
 Interaktive Kapiteltests zu den Inhalten des Kapitels
 Digitale Lernkarten und ein umfangreiches Glossar zum Nachschla-
gen und Wiederholen von Definitionen

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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... Direktmarketing und digitales Marketing definieren, deren schnelles Wachstum
erklären und Vorteile für die Kunden bzw. für das Unternehmen erörtern.
 ... die wichtigsten Arten des Direktmarketings und des digitalen Marketings bestim-
men und umschreiben.
 ... erklären, wie Unternehmen mit Onlinemarketingstrategien auf das Internet und
das digitale Zeitalter reagieren.
 ... diskutieren, wie Unternehmen das mobile und das Social-Media-Marketing nut-
zen, um Kunden stärker zu integrieren und Marken-Communitys zu schaffen.
 ... traditionelle Formen des Direktmarketings erklären und rechtliche und ethische
Gesichtspunkte aufzeigen, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Direkt-
marketing von Bedeutung sind.

17.1 Einführung
In den vorherigen drei Kapiteln haben wir die Einbindung von Kunden sowie die Vermitt-
lung von Kundennutzen über die integrierte Marketingkommunikation sowie die vier Ele-
mente der Marketing-Kommunikation behandelt: Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, persönli-
cher Verkauf und Verkaufsförderung. In diesem Kapitel erörtern wir das Direktmarketing und
seine am schnellsten wachsende Form, das digitale Marketing (Online-, Social-Media- und
mobiles Marketing). Angetrieben von der rasanten Verbreitung der Internetnutzung und
Online-Kaufaktivitäten sowie der schnellen Entwicklung bei den digitalen Technologien –
von Smartphones, Tablets und anderen digitalen Geräten bis hin zur Flut an Online- und
sozialen Medien – hat das Direktmarketing einen drastischen Wandel durchlaufen: all die
verschiedenen Kommunikations- und Vertriebskanäle wurden zu einem. Denken Sie beim
Lesen daran, dass es in diesem Kapitel bei Direkt- und Digitalmarketing zwar um zwei sepa-
rate Themenbereiche geht, beide jedoch gleichermaßen sorgfältig in die anderen Elemente
des Kommunikationsmix integriert werden müssen.
Beginnen wir mit Facebook, einem Unternehmen, das ausschließlich direkt und digital ver-
marktet. Das riesige soziale Netzwerk verspricht einer der weltweit stärksten und profitabels-
ten digitalen Vermarkter zu werden. Als gewinnorientiertes Marketingunternehmen steht
Facebook jedoch noch am Anfang.

Einführende Fallstudie: Facebook: online, in sozialen Medien und


mobil aktiv sein – und Geld damit verdienen

Überall haben das Internet, soziale Medien und mobile Aktivität in kürzester Zeit einen
Siegeszug gefeiert – und kein Unternehmen hat daran mehr Anteil als Facebook. Das
größte soziale Netzwerk der Welt beeinflusst das Leben von einer Milliarde Mitgliedern
weltweit jeden Tag ganz erheblich. Doch trotz der enormen Größe und des rapiden
Wachstums von Facebook bleibt eine entscheidende Frage: Wie kann es das Marketing-
potenzial der massiven Online-Gemeinde in profitabler Weise ausschöpfen, ohne die
Scharen treuer Nutzer zu vergraulen?

786
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17.1 Einführung

Facebook ist riesig. In etwas mehr als einem Jahrzehnt hat es 1,3 Milliarden monatlich
aktive Nutzer generiert – das ist ein Siebtel der Weltbevölkerung. Mehr als eine Milli-
arde Mitglieder nutzen heute Facebook auf ihren Mobilgeräten und etwa 757 Millionen
besuchen die Seite täglich. Insgesamt lädt die Facebook-Gemeinde rund 350 Millionen
Fotos hoch, gibt 4,5 Milliarden Objekten ein „Like“ und teilt 4,75 Milliarden Inhalte pro
Tag.
Bei dieser geballten Aufmerksamkeit auf einen einzigen virtuellen Bereich verfügt Face-
book über einen unermesslichen Einfluss. Die Macht von Facebook resultiert nicht nur
aus der Größe und Allgegenwärtigkeit des Unternehmens; sie liegt eher in den tiefen
sozialen Verbindungen mit und unter den Nutzern. Die Mission von Facebook ist es,
„den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich mitzuteilen und die Welt offener und
vernetzter zu machen“. Dies ist ein Ort, an dem man sich mit Familie und Freunden
trifft, Geschichten teilt, Fotos zeigt und seinen Alltag dokumentiert. Unzählige Men-
schen machen Facebook rund um die Uhr zu ihrem digitalen Zuhause.
Mit diesem enormen Einfluss ist Facebook zu einem der mächtigsten und profitabelsten
Online-Vermarkter der Welt geworden. Dabei hat das aufstrebende soziale Netzwerk
gerade erst begonnen, seine finanziellen Möglichkeiten auszuschöpfen. Zunächst kon-
zentrierten sich Mark Zuckerberg und seine jungen, idealistischen Mitgründer auf den
Aufbau einer Mitgliederbasis und verschwendeten kaum einen Gedanken an Geld. Tat-
sächlich entdeckten die Unternehmen selbst ohne Mitwirkung von Facebook den kom-
merziellen Wert des sozialen Netzwerks. Die meisten – großen und kleinen – Marken
bauten ihre eigenen Facebook-Seiten auf und erlangten auf diese Weise kostenlosen
Zugang zu dem gewaltigen Potenzial der Netzwerk-Gemeinde. Mit zunehmender Reife
erkannte Facebook jedoch, dass es eigene Marketingmaßnahmen ergreifen musste.
Heute entwickelt es ein wachsendes Portfolio an Produkten, mit denen es alle Men-
schen weltweit miteinander verbinden kann – und damit Geld verdient. Das erste und
beste Mittel für das soziale Netzwerk, den Wert der gewaltigen Nutzerbasis in bares
Geld zu verwandeln, ist Online-Werbung. Tatsächlich haben sich die Erlöse von Face-
book in den letzten drei Jahren fast vervierfacht und stiegen von 2 Milliarden auf 7,9
Milliarden US-Dollar, dabei machte Werbung fast 90 Prozent der Einnahmen aus.
Viele Online-Vermarkter erzielen Einnahmen aus Werbung. Doch Facebook hat zwei
entscheidende Vorteile – eine beispiellose Menge an Nutzerdaten und eine hohe Nutzer-
bindung. Facebook hält eine der umfangreichsten Sammlungen an Nutzer-Profildaten
weltweit. So können Werbungen auf Facebook sorgsam platziert werden, basierend auf
dem Wohnort, Geschlecht, Alter, Vorlieben und Interessen, Beziehungsstatus, Beruf und
Bildungsstand der Nutzer. Doch Facebook-Werbungen tun mehr, als nur die richtige
Aufmerksamkeit anzuziehen. Die Anzeigen erzeugen Kundenbindung und nutzen die
Social-Sharing-Macht des Netzwerks, um Menschen zu inspirieren. Die Facebook-
Anzeigen fügen sich in die regelmäßigen Nutzer-Aktivitäten ein und die Nutzer können
mit den Werbeplatzierungen interagieren, indem sie Kommentare oder Empfehlungen
hinterlassen, den „Gefällt mir“-Button anklicken oder einem Link auf eine markengeför-
derte Facebook-Seite folgen. Facebooks Attraktivität für Nutzer und Werbekunden hängt
an der Fähigkeit, spezielle Inhalte für bestimmte Nutzer-Segmente festzulegen. Der frü-
here „Alles für Jeden“-Ansatz von Facebook hat jedoch dazu geführt, dass viele Nutzer,
besonders jüngere, Facebook weniger oft besuchen und mehr Zeit mit den spezialisier-
ten Konkurrenz-Netzwerken verbringen.

787
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

Um auf diese wachsende Bedrohung zu reagieren, verfolgt Facebook heute eine Multi-
App-Strategie, um „für jeden Einzelnen“ das Richtige anzubieten. Laut Zuckerberg ist
„unsere Vision von Facebook die, eine Reihe von Produkten zu schaffen, mit der sie
jeden beliebigen Inhalt mit jedem beliebigen Publikum teilen können“.
Der erste Schritt bei dieser Multi-App-Strategie bestand in der Zahlung von 1 Milliarde
US-Dollar für die Übernahme von Instagram, der schnell wachsenden App für das Tei-
len von Fotos. Obwohl Facebook bereits über seine eigene Foto-Funktion verfügte,
brachte der Kauf eine jüngere, fast 27 Millionen Mitglieder starke Nutzergemeinde in
den Facebook-Bestand. Und statt Instagram einfach als zusätzlichen Facebook-Dienst zu
integrieren, führte man es als unabhängige Marke mit eigener Persönlichkeit und Nut-
zergemeinde weiter. Die Kunden von Instagram und Facebook können ihr eigenes Integ-
rationslevel bestimmen, darunter auch eine Mitgliedschaft bei Instagram ohne Face-
book-Account. „Dass Instagram auch mit anderen Diensten außer Facebook verbunden
ist, macht einen wichtigen Teil der Erfahrung aus“, so Zuckerberg.

Abbildung 17.1: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg


(Quelle: Ian Dagnall / Alamy Stock Photo)

Nicht lange nach der Übernahme von Instagram kündigte Facebook im Zuge seines
Ziels, einzigartige neue Produkte und Nutzersegmente zu erwerben, die Gründung von
Creative Labs an – einer Facebook-Sparte, die sich mit der Entwicklung mobiler Apps
für individuelle Zwecke beschäftigt. Das Unternehmen enthüllte auch gleich das erste
Produkt seiner neuen Sparte – die mobile App „Paper“, mit der Nutzer einen einfachen
und persönlichen Zugang zum Nachrichtenbereich von Facebook erhalten.

788
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17.1 Einführung

Obwohl die mobile Facebook-App selbst diesen Zugang bereits ermöglicht, können Nut-
zer mit Paper die Inhalte nach Themen, Interessen und Quellen sortieren. Diese werden
auf dem gesamten Bildschirm ohne störende Elemente präsentiert. Schon kurz nach
dem Start von Paper folgte eine weitere Mega-Übernahme durch Facebook. In einem
noch größeren Geschäft als mit Instagram zahlte Facebook die atemberaubende Summe
von 19 Milliarden US-Dollar für die eigenständige Nachrichten-App WhatsApp. Face-
books eigener Nachrichtendienst war bereits rasch auf 200 Millionen Nutzer angewach-
sen. Doch ähnlich wie Instagram verschaffte WhatsApp Facebook einen Vorteil, den es
nicht aus eigener Kraft erreichen konnte – eine unabhängige Marke mit mehr als 450
Millionen registrierten Nutzern weltweit, von denen viele gar nicht bei Facebook waren.
Der letzte Kauf von Facebook war die Fitness- und Aktivitäts-App Moves, die ebenfalls
als eigenständige Marke weitergeführt wird.
Durch die Entwicklung und den Erwerb solcher neuen Produkte und Apps macht Face-
book genau das, was es am besten kann – die Mitgliederbasis vergrößern und den unter-
schiedlichen Nutzern immer mehr Möglichkeiten und Gründe bieten, sich zu vernetzen
und einzubringen. Durch Facebooks ständig wachsendes Portfolio können die Nutzer
ihre persönlichen Bedürfnisse innerhalb des wachsenden Angebots der Facebook-Fami-
lie befriedigen. Im Gegenzug führen immer mehr zielgruppenrelevante Nutzer, die
immer mehr Zeit in dem Netzwerk verbringen, zu weiteren Werbeeinnahmen für Face-
book.
Werden die zunehmenden Werbeanzeigen und die Kommerzialisierung treue Facebook-
Nutzer abschrecken? Nicht, wenn es richtig gemacht wird. Jüngste Studien zeigen, dass
Online-Nutzer gut platzierte Online-Werbung und Marketing bereitwillig akzeptieren,
sogar begrüßen. Geschmackvolle und angemessene Angebote können das Facebook-
Erlebnis eher verstärken als Nutzer vergraulen. Trotz ihrer anfänglichen Bedenken
gegen die Platzierung von Werbung und Marketing und der Sorge, dass diese die freie
(und werbefreie) Kultur des Teilens beschädigen könnte, haben die Facebook-Gründer
auch erkannt, dass das Netzwerk ohne die Erzielung von Einnahmen seine Nutzerge-
meinde nicht mehr optimal versorgen kann.
Was immer die Zukunft bringt, Facebook scheint gerade erst an der Oberfläche gekratzt
zu haben. Die neue Strategie mit zahlreichen Apps und Segmenten in Verbindung mit
der unglaublich dichten sozialen Struktur verleiht Facebook ein schwindelerregendes
Potenzial. Carolyn Everson, Vizepräsident für den internationalen Verkauf, fasst das
Wachstumspotenzial von Facebook so zusammen: „Ich bin nicht sicher, ob die Marke-
ting-Gemeinde unsere Geschichte verstanden hat. Wir haben uns so schnell entwickelt.
Wir haben etwas zu sagen: Unsere Mission ist gerade mal zu einem Prozent erfüllt.“

Fragen
1. Warum ist Facebook anderen Direkt-Vermarktern gegenüber im Vorteil?
2. Wie werden sich vermehrte Werbeanzeigen auf Facebook vermutlich auf die Nut-
zung der User auswirken?
3. Hat Facebook eine öffentliche Verantwortung? Und wenn ja, inwiefern?

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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

Quellen: Basierend auf Informationen von Sarah Kessler, „With Paper, Facebook stops trying to be
everything for everyone“, Fast Company, 30. Januar 2014, www.fastcompany.com/3025762/with-
paper-facebookstops-trying-tobe-everything-for-everyone; Josh Constine, „Zuck says ads aren’t the
way to monetise messaging“, Techcrunch, 19. Februar 2014, http://techcrunch.com/2014/02/19/
whatsapp-will-monetize-later/; Shayndi Raice und Spencer E. Ante, „Insta-rich: $1 billion for Ins-
tagram“, Wall Street Journal, 10. April 2012, http://online.wsj.com/news/articles/SB10001424052
702303815404577333840377381670; „Facebook’s sales chief: Madison Avenue doesn’t understand
us yet“, Advertising Age, 29. April 2011, www.adage.com/print/227314/; Craig Smith, „By the num-
bers: 105 amazing Facebook user statistics“, Digital Marketing Ramblings, 13. März 2014, http://
expandedramblings.com/index.php/by-thenumbers-17-amazing-facebook-stats/#.U2F1gtxH38u
sowie www.facebook.com, www.instagram.com und www.whatsapp.com, Zugriff September 2014.

Viele der Marketing- und Werbeinstrumente, über die Sie in den vorherigen Kapiteln gelesen
haben, wurden im Rahmen des Massenmarketings entwickelt: ausgerichtet auf breite Märkte
mit standardisierten Botschaften und Angeboten, die über Absatzmittler wie Einzelhändler
und Vertriebspartner verbreitet werden. Angesichts des Trends hin zu einer enger definierten
Zielgruppenansprache und des Wachstums im Bereich der digitalen und sozialen Medien-
technologien wenden viele Unternehmen das Direktmarketing an, entweder als ersten Mar-
ketingansatz oder als Ergänzung zu den anderen Strategien. In diesem Abschnitt erörtern wir
den explosionsartigen Anstieg des Direktmarketings sowie seine am schnellsten wachsende
Form – das digitale Marketing unter Nutzung der Kanäle des Online-, Social-Media- und
mobilen Marketings.

17.2 Direktmarketing und digitales Marketing


Direkt- und digitales Marketing heißt, direkt auf sorgsam ausgesuchte Kunden bzw. Kunden-
gruppen zuzugehen mit dem Ziel, einerseits eine unmittelbare Reaktion (seitens der Kunden)
zu erhalten und gleichzeitig langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen. Unternehmen nut-
zen das Direkt- und Digitalmarketing, um ihre Angebote und Inhalte genau auf die Bedürf-
nisse und Interessen der eng definierten Kundensegmente oder sogar einzelner Kunden
zuzuschneiden. So schaffen sie Kundenbindung, Markengemeinschaften und Umsatz. Ama-
zon.com beispielsweise kommuniziert mit seinen Kunden direkt über die Webseite oder die
mobile App, um sie bei der Entdeckung und dem Kauf fast sämtlicher Waren im Netz zu
unterstützen. Auch viele Finanzdienstleister kommunizieren direkt mit ihren Kunden – tele-
fonisch, über Webseiten oder mobile Apps sowie auf Facebook, Twitter und YouTube-Seiten
–, um persönliche Markenbeziehungen aufzubauen, Versicherungsangebote zu unterbreiten,
Policen zu verkaufen oder Bestandskunden zu betreuen.
Wie das folgende Marketing-Highlight zeigt, kommuniziert Dell auf ähnliche Art mit seinen
Kunden – über das Telefon, seine Webseite und Facebook, Twitter sowie YouTube –, um indi-
viduelle Kundenbeziehungen zur Marke Dell aufzubauen, technischen Rat und Unterstüt-
zung zur Verfügung zu stellen, Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen oder Kunden zu
betreuen.

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17.2 Direktmarketing und digitales Marketing

Marketing-Highlight: Ein Pionier des Direktvertriebs – Michael Dell

Als 1984 der damals neunzehnjährige Michael Dell von seiner Studentenbude aus
damit begann, Computer zu verkaufen, hätten nur wenige auf seinen Erfolg gesetzt.
Damals verkauften die meisten Computerhersteller ihre PCs über ein ausgedehntes
Netzwerk aus Groß- und Einzelhändlern. Selbst als die zwischenzeitlich gegründete
Dell Computer Corporation in eine enorme Wachstumsphase eintrat, verspotteten Kon-
kurrenten und Fachleute das Konzept des Computerversenders. Sie behaupteten, dass
PC-Käufer Beratung und Unterstützung benötigten, die nur über die üblichen Vertriebs-
wege angeboten werden könnten. Der Versandhandel mit Computern könne, ähnlich
wie der Kleiderversand, niemals mehr als 15 Prozent Marktanteil erreichen.

Abbildung 17.2: Michael Dell


(Quelle: Oracle PR from Redwood Shores, Calif., USA (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Michael_-
Dell_(6211618173).jpg), „Michael Dell (6211618173)“, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode)

Die Kritiker wurden eines Besseren belehrt. Zwanzig Jahre später ist aus dem einstigen
Garagen-Versandhandel ein Milliardenunternehmen geworden. Heutzutage ist Dell der
weltgrößte Direktanbieter von Computersystemen. In den USA wird inzwischen ein
Drittel aller PCs direkt gekauft, und die Konkurrenten von Dell bemühen sich, eigene
Direktvertriebssysteme aufzubauen. Neben PCs hat Dell auch weitere Produkte in sein
Sortiment integriert, darunter Notebooks, Server, Workstations und Drucker.
Das Geheimnis von Dells überwältigendem Erfolg liegt zweifelsohne im Direktmarketin-
gansatz, der seinen Kunden eine unschlagbare Kombination aus Produktinformationen,
großer Auswahl, niedrigen Preisen, schneller Lieferung und einem ausgezeichneten
Kundendienst bietet. Wenn zum Beispiel ein Kunde am Montagvormittag mit einem
Dell-Mitarbeiter telefoniert und einen den individuellen Wünschen angepassten Com-
puter auf dem neuesten Stand der Technik bestellt, erfolgt die Lieferung schon am Mitt-
woch. Der Preis liegt in der Regel um 10 bis 15 Prozent unter dem der Konkurrenz.

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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

Umsatz weltweit 74 Mrd. US-$

Nord- und Südamerika: 47 %


Umsatzanteile Europa, Nahost und Afrika: 22 %
Asien-Pazifik mit Japan: 19 %

Mitarbeiter weltweit 138.000

Weltmarktanteil (PC-Absatz) ca. 14,7 %

Austin (Texas, USA), Winston-Salem (North Carolina, USA),


Weltweite Produktionsstätten Miami (Florida, USA), Penang (Malaysia), Xiamen (China),
Chennai (Indien), Hotolandia (Brasilien), Lodz (Polen)
Tabelle 17.1: Kennzahlen für das Geschäftsjahr 2017 (endete am 01.02.2017)

Dell sichert den Verkauf durch einen schlagkräftigen Kundendienst und umfassende
Unterstützung der Nutzer. Dementsprechend nimmt Dell in Umfragen einen der ersten
Plätze ein, wenn es um Produktzuverlässigkeit und guten Kundenservice geht. Die Kun-
den von Dell gehören in den USA zu den zufriedensten der Branche. Bei Dell erhalten
die Käufer genau das, was sie brauchen. Der Grundgedanke von Michael Dell war, dass
jeder Kunde seinen Computer genau so ausstatten kann, wie er es möchte – und dies
alles zu niedrigen Preisen. Diese Philosophie sprach in besonderem Maße die großen
Unternehmen und institutionellen Käufer an.
Dell bietet ebenfalls an, die Computer für die Aufgaben im Unternehmen oder in der
Organisation schon vorzubereiten. Der Kunde übermittelt bereits eingeführte Software
einschließlich vorhandener Datenbestände an Dell. Hier werden dann die zu liefernden
Computer mit den Betriebssystemen und Datenbeständen des Kunden konfiguriert. Wenn
dann der Computer an den Schreibtisch des jeweiligen Mitarbeiters geliefert wird, ist er
von der ersten Minute an für das Unternehmen und die jeweilige Netzwerkumgebung ein-
satzbereit. Dieser Service zahlt sich aus, denn Dell macht 85 Prozent seines Umsatzes mit
der Belieferung von Unternehmen, staatlichen Stellen und Hochschulen.

Effizienz des Direktvertriebs


Da Dell die Computer erst bei Vorliegen einer konkreten Bestellung zusammenstellt, gibt
es wenig Lagerbestand. Durch Steuerung der Computerproduktion anhand der vorlie-
genden Bestellungen werden auch keine Geräte gefertigt, die dann nicht abgesetzt wer-
den können. Auch übernimmt Dell alle Handelsfunktionen, sodass kein Zwischenhänd-
ler an der Gewinnmarge beteiligt ist.
Bei Dell ist man sich bewusst, dass Zeit Geld bedeutet. Daher setzt das Unternehmen
seit Langem auf eine konsequente Durchsetzung der Just-in-time-Produktion und auf
ein effizientes Beschaffungs- und Zulieferungsmanagement. Zur Beschleunigung und
Optimierung der Auftragsabwicklung hat Dell ein betriebsinternes System entwickelt,
welches unnötige Arbeitsschritte eliminiert. So kann vom Bestellungseingang über die
Lieferung bis hin zum Zahlungsvorgang Zeit eingespart werden.

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17.2 Direktmarketing und digitales Marketing

Neben der telefonischen Bestellannahme hat Dell insbesondere die Verbreitung des
Internets und des E-Commerce genutzt, um sein Direktvertriebsmodell erfolgreich aus-
zuweiten. Besonders in Asien und speziell in China wird mit einem hohen Wachstum-
spotenzial des Internets gerechnet. Dies bedeutet, dass in Zukunft die Nachfrage nach
Computern steigen wird und gleichzeitig, dass immer mehr Menschen Zugang zum
Onlinevertrieb von Dell haben werden.
Quellen:
Unternehmensbroschüre: „The Dell Effect“ und „Annual Report FY 2017“, Webseite unter:
www.dell.com, [12.02.2018].;
https://www.delltechnologies.com/content/dam/delltechnologies/assets/press/resources/Dell_-
Technologies_Key_Facts.pdf [12.02.2018].

17.2.1 Das neue Direktmarketing-Modell


Die frühen Direktvermarkter wie Versandhäuser, Verteiler von Postwurfsendungen und Tele-
fonverkäufer sammelten die Namen von Kunden und verkauften ihre Waren hauptsächlich
per Post und Telefon. Inzwischen jedoch hat das Direktmarketing einen drastischen Wandel
durchlaufen, beflügelt durch die zunehmende Nutzung des Internets und Onlinekaufaktivitä-
ten sowie die rasche Entwicklung der digitalen Technologien – von Smartphones, Tablets
und anderen digitalen Geräten bis hin zur Flut an sozialen und mobilen Medien. In den vor-
herigen Kapiteln haben wir das Direktmarketing als Form des Direktvertriebs erörtert – näm-
lich Marketingkanäle, die keine Absatzmittler wie den Einzelhandel beinhalten. Wir haben
ferner direkte und digitale Marketingelemente im Werbemix betrachtet, mit denen eine
direkte Einbindung der Kunden und die Schaffung einer Markengemeinschaft erreicht wer-
den sollen. Tatsächlich ist Direktmarketing beides, und gleichzeitig wesentlich mehr.
Die meisten Unternehmen wenden das Direktmarketing nach wie vor als ergänzenden Ver-
triebskanal oder Medium an. So verkaufen die meisten Warenhäuser wie John Lewis oder
Debenhams den Großteil ihrer Waren direkt in ihren Filialen, aber auch über den Versandhan-
del, Onlinekataloge und die Seiten der sozialen Medien. So setzt die Pepsi-Softdrinkmarke
Mountain Dew massiv auf Werbung über die Massenmedien und Verkaufsförderung im Han-
del, ergänzt diese Kanäle jedoch auch durch Direktmarketing. Die Marke nutzt verschiedene
Markenwebseiten und zahlreiche soziale Medien, um Kundengruppen in alle Prozesse einzu-
binden – von der Gestaltung eigener „Mountain Dew“-Lifestyle-Seiten bis zur Mitentwicklung
von Werbekampagnen und Mitsprache bei den limitierten Geschmacksrichtungen, die einge-
führt oder vom Markt genommen werden sollen. Mit solchen direkten Interaktionen hat Moun-
tain Dew eine der treuesten Fangemeinden der gesamten Softdrink-Branche aufgebaut. Einer
Schätzung zufolge reichte es schon, den Anhängern die Auswahl von Geschmacksrichtungen
zu überlassen, um Mountain Dew zusätzliche Erlöse von 200 Millionen Dollar zu bescheren.
Für viele Unternehmen sind direktes und digitales Marketing allerdings mehr als nur ergän-
zende Kanäle oder Werbemedien – sie stellen auch ein ganzheitliches Geschäftsmodell dar.
Manche Firmen nutzen dieses direkte Modell als einzige Strategie. Unternehmen wie Face-
book, Amazon, Google, eBay und Netflix haben ihre gesamte Marktausrichtung erfolgreich um
das direkte und digitale Marketing herum aufgebaut. Das Onlinereiseportal Priceline.com zum
Beispiel bietet seine Dienste ausschließlich über das Internet sowie mobile und soziale Medien
an. Priceline.com und seine Wettbewerber unter den Onlinereiseportalen wie Expedia und
Lastminute.com haben traditionelle Reisebüros fast vollständig vom Markt verdrängt.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

17.2.2 Wachstum des Direktmarketings und des digitalen Marketings


Das Direkt- und Digitalmarketing ist heute die am schnellsten wachsende Marketingform.
Einer Statistik des IAB Europe zufolge wurden im Jahr 2017 in Europa rund 48 Milliarden
Euro in digitale Werbeformate investiert.1 Das ist ein Wachstum von 5,5 Milliarden Euro
gegenüber dem Vorjahr. Damit haben sich die Ausgaben in etwa verdoppelt.
Bemerkenswert ist vor allem die Zunahme des digitalen Marketings im Osten Europas. So
verzeichnen vor allem Länder wie Serbien, Tschechien und Slowenien einen starken Anstieg
bei den Ausgaben für digitales Marketing. Aber auch in reiferen Märkten zeigen sich durch-
aus noch Steigerungen, wie z. B. in Großbritannien (+14,3 %), Norwegen (+16,6 %) und
Schweden (+18,4 %). In Deutschland ist dagegen ein etwas geringerer Anstieg von 11,2 Pro-
zent zu verzeichnen. Gleichwohl bleibt Deutschland hinter Großbritannien der zweitstärkste
Werbemarkt.
Ein ähnliches Muster zeigt sich in anderen europäischen Märkten, auch wenn gewisse natio-
nale Abweichungen bestehen und der anhaltend negative Einfluss der schwachen Konjunk-
tur auf die Werbe-Etats allgemein berücksichtigt werden muss. Es ist jedoch fast überall ein
sehr dynamischer und sich schnell verändernder Bereich des Marketings.
Schaut man sich die einzelnen digitalen Werbeformate an, stehen vor allem Onlineanzeigen
und Suchmaschinenwerbung, Videos, soziale Medien, mobile und E-Mail-Werbung im
Fokus.2 Die Ausgaben für Social Media stiegen im europäischen Raum im Jahr 2017 um 38
Prozent und auch die Video-Werbung verzeichnete mit 35 Prozent einen starken Zuwachs.
Gerade bei diesem Werbeformat wird für die kommenden Jahren mit einem starken Anstieg
gerechnet.
Doch nicht nur die Werbung im Internet gewinnt an Bedeutung, auch die Ausgaben der Ver-
braucher im Internet steigen weiter an. Im europäischen Vergleich sind die durchschnittli-
chen Ausgaben pro Kopf beim Onlineeinkauf in Großbritannien am höchsten.3 Sie liegen
dort bei etwa 940 Euro. Angekurbelt wurde diese Entwicklung scheinbar durch den umfas-
senden Anschluss von Verbrauchern an das Breitbandnetz sowie die lange Tradition ver-
schiedener Arten des Versandhandels in Großbritannien (über Kataloge, Vertreter, Tupper-
Partys). Da fast 80 Prozent der britischen Haushalte an das schnelle Breitbandnetz ange-
schlossen sind, liegt das Vereinigte Königreich noch vor Frankreich, Deutschland, Italien
und Spanien.
Mithin steigt auch der Anteil der Verbraucher, die ihre Einkäufe über mobile Endgeräte täti-
gen. Immerhin 23 aller Deutschen haben im Jahr 2017 etwas über das Mobiltelefon einge-
kauft.4 Besonders gefragt sind dabei Kleidung, Schuhe und Bücher. Laut dem Marktfor-
schungsinstitut eMarketer werden die Gesamtausgaben für Medienwerbung im Jahr 2014
weltweit eine Summe von 546 Milliarden US-Dollar erreichen; davon entfallen etwa 27 Pro-
zent auf digitale Werbung und 8 Prozent auf mobile Internetwerbung. Unter den führenden
Werbeländern (USA, China, Japan, Deutschland und Großbritannien) schwankt der Online-
anteil der Werbeausgaben an den Gesamtausgaben zwischen 28 Prozent in Deutschland und
50 Prozent in China sowie 62 Prozent in Großbritannien. Der Anteil bei den Ausgaben für

1 https://www.internetworld.de/online-marketing/digitale-werbung/boom-digitalen-werbung-in-os-
teuropa-1545151.html, Zugriff am 1. Februar 2019.
2 https://www.iab-austria.at/iab-europe-adex-052018/, Zugriff am 1. Februar 2019.
3 https://de.statista.com/themen/2142/e-commerce-in-europa/, Zugriff am 1. Februar 2019.
4 https://de.statista.com/themen/1347/mobile-commerce/, Zugriff am 1. Februar 2019.

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17.2 Direktmarketing und digitales Marketing

Werbemedien im Onlinebereich dürfte noch weiter steigen, da Märkte im asiatisch-pazifi-


schen Raum, Osteuropa und Lateinamerika an Einfluss gewinnen. Mithin geben Verbraucher
in Großbritannien mehr Geld im Internet aus als in jedem anderen entwickelten Land – im
Jahr 2013 lagen die durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben bei 2.000 Pfund und damit 50
Prozent höher als in dem dahinter platzierten Australien. Angekurbelt wurde diese Entwick-
lung scheinbar durch den umfassenden Anschluss von Verbrauchern an das Breitbandnetz
sowie die lange Tradition verschiedener Arten des Versandhandels in Großbritannien (über
Kataloge, Vertreter, Tupper-Partys). Da fast 80 Prozent der britischen Haushalte an das
schnelle Breitbandnetz angeschlossen sind, liegt das Vereinigte Königreich noch vor Frank-
reich, Deutschland, Italien und Spanien.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Zahl der Internetnutzer in der europäi-
schen Union.

Anteil der Internet-


Bevölkerungszahl Internet-Nutzer
Europäische Union nutzer an der Gesamt-
(2017, Schätzung) (30.06.2017)
bevölkerung (in %)
Belgien 11.443.830 10.060.745 87,9 %
Bulgarien 7.045.259 4.213.065 59,8 %
Dänemark 5.711.837 5.534.770 96,9 %
Deutschland 80.636.124 72.290.285 89,6 %
Estland 1.305.755 1.196.521 91,6 %
Finnland 5.541.274 5.125.678 92,5 %
Frankreich 64.938.716 56.367.330 86,8 %
Griechenland 10.892.931 7.525.926 69,1 %
Irland 4.749.153 4.453.436 93,8 %
Italien 59.797.978 51.836.798 86,7 %
Kroatien 4.209.815 3.133.485 74,4 %
Lettland 1.944.565 1.663.739 85,6 %
Litauen 2.830.582 2.399.678 84,8 %
Luxemburg 584.103 569.442 97,5 %
Malta 420.521 334.056 79,4 %
Niederlande 17.032.845 16.143.879 94,8 %
Österreich 8.592.400 7.273.168 84,6 %
Polen 38.563.573 28.267.099 73,3 %
Portugal 10.264.797 7.430.762 72,4 %
Rumänien 19.237.513 12.082.186 62,8 %
Schweden 9.920.624 9.216.226 92,9 %
Tabelle 17.2: Die Internetnutzung in der Europäischen Union – 2017
Quelle: http://www.internetworldstats.com/stats9.htm#eu [12.02.2018]

795
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

Anteil der Internet-


Bevölkerungszahl Internet-Nutzer
Europäische Union nutzer an der Gesamt-
(2017, Schätzung) (30.06.2017)
bevölkerung (in %)
Slowakei 5.432.157 4.629.641 85,2 %
Slowenien 2.071.252 1.563.795 75,5 %
Spanien 46.070.146 40.148.353 87,1 %
Tschechische Republik 10.555.130 9.323.428 88,3 %
Ungarn 9.787.905 7.874.733 80,5 %
Großbritannien 65.511.098 62.091.419 94,8 %
Zypern 1.187.575 901.369 75,9 %
Europäische Union 506.279.458 433.651.012 85,7 %
Tabelle 17.2: Die Internetnutzung in der Europäischen Union – 2017 (Forts.)
Quelle: http://www.internetworldstats.com/stats9.htm#eu [12.02.2018]

17.2.3 Vorteile des Direktmarketings


Für Käufer sind Direkt- und Digitalmarketing einfach, unkompliziert und diskret. Käufer
erhalten überall und jederzeit Zugang zu einem fast unbegrenzten Warenangebot sowie einer
Fülle von Produkt- und Kaufinformationen. So bietet Amazon auf seiner Webseite und bei
der mobilen App mehr Informationen, als die meisten von uns verarbeiten können, angefan-
gen von Produktlisten mit den Top 10 über ausführliche Produktbeschreibungen bis zu Pro-
duktbewertungen und Empfehlungen von Experten und Verbrauchern, die auf Grundlage
vorheriger Suchanfragen und Käufe der Kunden generiert werden. Im Zuge dieses Direktmar-
ketings können Kunden entweder telefonisch oder über die Internetseite bzw. App mit dem
Verkäufer kommunizieren und genau die benötigten Produkte, Informationen und Dienstleis-
tungen nach ihren Wünschen zusammenstellen, um sie schließlich mit einem Klick zu
bestellen. Für Kunden, die dafür aufgeschlossen sind, bietet Digitalmarketing schließlich
durch Einbindung über das Internet sowie die mobilen und sozialen Medien auch ein Gefühl
der Markenzugehörigkeit und -gemeinschaft – einen Ort, an dem man Markeninformationen
und Erlebnisse mit anderen Fans teilen kann.
Verkäufern bietet Direktmarketing häufig eine kostengünstige, effiziente und schnelle Alter-
native, um ihre Märkte zu erreichen. Die modernen Direktvermarkter können kleine Ziel-
gruppen oder auch einzelne Kunden ansprechen. Der persönliche Charakter des Direktmar-
ketings ermöglicht es Unternehmen, mit ihren Kunden telefonisch oder online zu
kommunizieren, mehr über ihre Bedürfnisse zu erfahren und Produkte sowie Dienstleistun-
gen auf die besonderen Anforderungen der Kunden zuzuschneiden. Im Gegenzug können
Kunden Fragen stellen und freiwillige Bewertungen abgeben. Zudem bietet Direkt- und Digi-
talmarketing Verkäufern eine größere Flexibilität. So können Vermarkter ihre Preise und Pro-
gramme laufend an die Gegebenheiten anpassen oder zeitnahe und persönliche Aktivitäten
und Angebote entwickeln. Anlässlich des „Tags der Erfinder“ im letzten Jahr lud beispiels-
weise General Electric seine Follower auf Twitter ein, möglichst originelle Ideen für Erfin-
dungen einzureichen. Die besten, wie der „händchenhaltende Roboter“, wurden mit Illustra-
tionen geehrt.

796
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.3 Arten des Direkt- und Digitalmarketings

Besonders im modernen digitalen Umfeld bietet Direktmarketing Chancen für ein Echtzeit-
Marketing, das Marken mit den wichtigsten Momenten und Wendepunkten im Leben der
Verbraucher verbindet. Es ist ein starkes Instrument, mit dem man Kunden durch den Kauf-
prozess navigieren und Kundenbindung sowie Gemeinschaften und persönliche Beziehun-
gen aufbauen kann.
Ob im Zusammenhang mit einem gesellschaftlichen Anlass, einem aktuellen Thema oder
Ereignis, der persönlichen Situation eines Kunden oder anderen Gegebenheiten – das
wesentliche Konzept hinter erfolgreichem Echtzeit-Marketing ist ziemlich einfach. Es geht
darum, dauerhafte Verbindungen zwischen der Marke und den wichtigen Ereignissen im
Leben der Kunden zu finden oder zu schaffen, und schließlich den Verbraucher ganz authen-
tisch in diesem Moment einzubinden. Ein Marketingexperte schlägt vor, dass Verantwortli-
che im Echtzeit-Marketing die „persönliche Kontaktaufnahme in einem sozialen Umfeld
nachstellen sollten – man spricht jemanden nicht plump an, sondern versucht gemeinsame
Interessen zu entdecken“.

17.3 Arten des Direkt- und Digitalmarketings


Die wichtigsten Arten des Direkt- und Digitalmarketings sind in Abbildung 17.3 dargestellt.
Instrumente des traditionellen Direktmarketings sind beispielsweise persönlicher Verkauf,
Versandhandel-Marketing, Katalogmarketing, Telemarketing bzw. das seltener anzutreffende
Direct-Response-Television-Marketing und Kioskmarketing. In den letzten Jahren wurde die
Marketinglandschaft allerdings regelrecht überflutet von neuen digitalen Instrumenten des
Direktmarketings, darunter Onlinemarketing (Webseiten, Onlineanzeigen und Aktionen, E-
Mails, Onlinevideos und Blogs), Social-Media-Marketing und mobiles Marketing. Wir begin-
nen mit der Untersuchung der neuen Instrumente im digitalen Direktmarketing und Social-
Media-Marketing, die in letzter Zeit besondere Aufmerksamkeit erhalten haben. Anschlie-
ßend betrachten wir die immer noch starken und äußerst wichtigen Instrumente des traditio-
nellen Direktmarketings. Dabei ist aber wie immer zu beachten, dass all diese Instrumente –
sowohl die neuen digitalen als auch die traditionelleren Formen – in ein ganzheitliches Mar-
ketingkommunikationsprogramm eingebunden werden müssen.

Traditionelles Direktmarketing
Digitales und Social-Media-Marketing
Persönlicher Verkauf
Onlinemarketing (Webseiten, Kundenbindung
Direct-Mail-Marketing
Onlinewerbung, E-Mails, und Kunden-
Katalogmarketing
Onlinevideos, Blogs) Communitys
Telefonmarketing
Social-Media-Marketing schaffen
Direct-Response-Television-Marketing
Mobiles Marketing
Kioskmarketing

Abbildung 17.3: Formen des digitalen und des Direktmarketings

17.4 Digitales und Social-Media-Marketing


Wie zuvor erwähnt sind digitales und Social-Media-Marketing die am schnellsten wachsen-
den Formen des Direktmarketings. Hier kommen digitale Marketinginstrumente wie Websei-
ten, Onlinevideos, E-Mails, Blogs, soziale Medien, mobile Anzeigen und Apps sowie andere
digitale Plattformen zum Einsatz, um die Kunden überall und jederzeit über ihre Computer,

797
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

Smartphones, Tablets, internetfähigen Fernseher und andere digitale Geräte zu erreichen. Die
weit verbreitete Nutzung des Internets und der digitalen Technologien hat sowohl auf die
Käufer als auch auf die mit ihnen beschäftigten Marketingexperten einen enormen Einfluss.

17.4.1 Marketing, das Internet und das digitale Zeitalter


Ein Großteil der weltweiten Geschäftstätigkeit findet heute über digitale Netzwerke statt, die
Menschen und Unternehmen miteinander verbinden. Heutzutage vernetzen sich Menschen
auf digitale Weise mit Informationen, Marken und miteinander zu fast jeder Zeit und von fast
jedem Standort aus. Das digitale Zeitalter hat die Auffassung der Kunden von Annehmlich-
keit, Geschwindigkeit, Preis, Produktinformation, Service und Markenkommunikation von
Grund auf verändert. Somit verfügen Marketingverantwortliche über einen ganz neuen
Ansatz für die Schaffung von Kundennutzen, die Einbindung von Kunden und den Aufbau
von Kundenbeziehungen. Digitales Engagement und Einfluss nehmen weltweit kontinuier-
lich zu. In den USA nutzen mehr als 85 Prozent aller Erwachsenen das Internet, der durch-
schnittliche US-Internetnutzer verbringt mehr als fünf Stunden pro Tag mit digitalen
Medien. Allerdings nutzen auch über 60 Prozent der Smartphone-Besitzer das Internet über
ihre mobilen Geräte. Weltweit haben über 40 Prozent der Bevölkerung einen Internetzugang
und 22 Prozent können über ihre mobilen Geräte auf das Internet zugreifen – diese Zahl wird
sich in den nächsten fünf Jahren schätzungsweise verdoppeln, da die mobile Internetnutzung
immer beliebter wird. Das bedeutet, dass insgesamt etwa 3,1 Milliarden Menschen, also 42
Prozent der Weltbevölkerung, das Internet nutzen können. Folgende Regionen haben den
höchsten Bevölkerungsanteil mit Internetzugang: Nordamerika (86,9 Prozent), Ozeanien/
Australien (72,1 Prozent) und Europa (70,4 Prozent), doch das mit Abstand schnellste
Wachstum bei der Internetverbreitung weisen Afrika, Asien, der Nahe Osten sowie Latein-
amerika auf. In der Folge haben Internetkäufe rund um den Globus rasant zugenommen;
dabei verlagern sich immer mehr Kaufaktivitäten vom stationären zum digitalen Handel.
Onlinequellen unterstützen den Kunden durch Informationen bei der Kaufentscheidung und
immer mehr Verbraucher nutzen ihre Smartphones und Tablets direkt in den Geschäften, um
nach besseren Angeboten zu suchen und durch Preisvergleiche möglichst günstig zu kaufen.
In Schwellenmärkten wie Afrika werden daneben Zahlungs- und Bankensysteme entwickelt,
da die schwache Infrastruktur Käufe und Verkäufe ansonsten erschweren würde.
Um diesen aufstrebenden Markt zu erreichen, vermarkten viele Unternehmen heute online.
Einige sind sogar ausschließlich im Internet aktiv. Dazu zählen eine Vielzahl verschiedener
Firmen von Händlern wie Amazon.com und Expedia.com, die ihre Produkte und Dienste im
Internet direkt an den Endkunden verkaufen, bis hin zu Suchmaschinen und Portalen (wie
Google, Yahoo! und Bing), Auktionsseiten (eBay), inhaltsbezogenen Seiten (die Onlineaus-
gabe der Financial Times, BBC News und die Encyclopædia Britannica) und sozialen Medien
(Facebook, YouTube, Pinterest, LinkedIn, Twitter und Flickr). Man findet heute kaum noch
ein Unternehmen ohne großen Internetauftritt. Selbst Firmen, die traditionell im stationären
Handel aktiv sind, haben ihre eigenen Kanäle für Onlinehandel, Marketing und Markenge-
meinschaften aufgebaut. Tatsächlich haben Unternehmen mit einem Multichannel-Marke-
ting mehr Erfolg als Wettbewerber, die allein auf Onlineaktivität setzen. Eine Rangliste der
weltweit zehn größten Seiten für Onlinehandel weist nur drei reine Internethändler auf
(Amazon.com auf Platz eins, Netflix und CDW, ein Anbieter von Technologielösungen). Alle
anderen sind Einzelhändler, die mehrere Kanäle nutzen.
Schauen wir uns den Onlinepionier Amazon.com und seine Verkaufsstrategien im folgenden
Highlight einmal genauer an.

798
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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing

Marketing-Highlight: Amazon – Pionier im Onlineshopping

Hört man den Begriff Onlineshopping, ist es sehr wahrscheinlich, dass man zuerst an
Amazon denkt. Der Onlinepionier öffnete seine virtuellen Türen erstmals 1995 mit dem
Verkauf von Büchern aus der Garage von Amazon-Gründer Jeff Bezos in Seattle. Ama-
zon verkauft immer noch Bücher – sehr, sehr viele Bücher. Mittlerweile wird jedoch so
gut wie alles verkauft, von Musik, Videos, Elektronik über Werkzeuge, Haushaltswaren,
Kleidung, Handys und Lebensmittel bis hin zu Diamanten. Viele Experten sehen Ama-
zon als das Beispiel für Direktmarketing im digitalen Zeitalter.

Abbildung 17.4: Amazon-Gründer Jeff Bezos


(Quelle: U.S. Department of Defense photo by Senior Master Sgt. Adrian Cadiz (https://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Jeff_Bezos_2016.jpg), „Jeff Bezos 2016“, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode)

Von Anfang an wuchs Amazon explosionsartig. Der Umsatz schoss von bescheidenen
147 Millionen US-Dollar im Jahr 1997 auf rund 178 Milliarden Dollar 2017, eine
Umsatzverdoppelung gegenüber 2014. Dabei erzielt Amazon ein durchschnittliches
jährliches Umsatzwachstum von 20 bis 30 Prozent. In Deutschland wächst Amazon
deutlich schneller als der Onlinehandel insgesamt und kontrolliert etwa ein Viertel die-
ses Vertriebskanals. Warum ist Amazon so erfolgreich? Es liegt an der absoluten Kun-
denorientierung. „Die Sache, die alles vorantreibt, ist, einen echten Nutzen für Kunden
zu schaffen“, sagt Bezos. Das Unternehmen startet mit dem Kunden und arbeitet dann
rückwärts. „Anstatt zu fragen, worin wir gut sind und was man noch mit dieser Fähig-
keit machen kann“, sagt Bezos, „fragen wir, wer sind unsere Kunden? Was brauchen sie?
Und dann lernen wir diese Fähigkeiten.“
Ein Beispiel: Als Amazon die Notwendigkeit sah, seinen Buchkäufern durch den Zugang
zu E-Books und anderem E-Content ein noch besseres Angebot zu unterbreiten, entwi-
ckelte man ein eigenes Produkt – den Kindle, ein Lesegerät zum Herunterladen von
Büchern, Blogs, Magazinen, Zeitungen und Ähnlichem. Es bedurfte mehr als vier Jahre
Entwicklungsarbeit, aber Amazons „Starte-mit-dem-Kunden“-Strategie hat sich ausgezahlt.

799
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

Der Kindle entwickelte sich zum meistverkauften eReader der Welt. Der Kindle-Store
bietet mehr als 700.000 E-Books an. Diverse Kindle-Apps lassen Kunden E-Books auch
auf Geräten von Apple, Blackberry oder solchen mit Android-Betriebssystem lesen.
Wichtiger als was Amazon verkauft, ist jedoch wie verkauft wird. Das Unternehmen will
viel mehr machen als nur Bücher, DVDs oder Digitalkameras zu verkaufen. Es will eine
besondere Erfahrung an jeden Kunden liefern. „Die Kundenerfahrung ist, was wirklich
zählt“, sagt Bezos. „Wir haben uns immer darauf konzentriert einen besseren Laden zu
haben, in dem es leichter ist einzukaufen, in dem man mehr über das Produkt lernen
kann, in dem man eine größere Auswahl hat und in dem man die niedrigsten Preise hat.
Man kombiniert all diese Dinge und die Leute sagen: „Hey, die haben es echt verstan-
den.“ Und die Kunden verstehen es auch. Die meisten regulären Amazon-Kunden füh-
len eine erstaunlich starke Verbindung zum Unternehmen, vor allem, wenn man das
absolute Fehlen von zwischenmenschlichem Kontakt bedenkt. Amazon bemüht sich,
die Erfahrung jedes Kunden einzigartig und individuell zu gestalten. So wird der Kunde
zum Beispiel von einer personalisierten Startseite begrüßt und die Rubrik „Empfehlun-
gen für Sie“ bietet personalisierte Produktvorschläge. Amazon war das erste Unterneh-
men, das „collaborative filtering“ nutzte, eine Technologie, die die vergangenen Käufe
und Kaufmuster der einzelnen Kunden analysiert und anhand der gesammelten Daten
eine personalisierte Startseite erstellt. „Wir wollen, dass Amazon.com der richtige
Laden für dich als Individuum ist,“ sagt Bezos. „Wenn wir 88 Millionen Kunden haben,
sollten wir 88 Millionen Läden haben.“
Besucher von Amazon.com erhalten eine einzigartige Mischung von Vorteilen: eine rie-
sige Auswahl, gute Qualität und Bequemlichkeit. Aber es ist der „Entdeckungs-Faktor“,
der das Einkaufserlebnis so besonders macht. Amazon.com wurde zu einer Form von
Onlinegemeinschaft, in der Kunden nach Produkten und Kaufalternativen suchen, Mei-
nungen und Rezensionen teilen und online mit Autoren und Experten diskutieren. So
gelingt es Amazon, weit mehr als nur Güter über das Internet zu verkaufen. Amazon
schafft direkte, personalisierte Kundenbeziehungen und zufriedenstellende Onlineer-
lebnisse. Jahr für Jahr landet Amazon auf Spitzenplätzen in Umfragen zur Kundenzu-
friedenheit.
Um eine noch größere Auswahl für seine Kunden zu schaffen, erlaubt Amazon.com
konkurrierenden Anbietern, von Privatanbietern bis hin zu großen Unternehmen, ihre
Produkte auf der Seite anzubieten. So wird ein Onlineeinkaufszentrum von gewaltigem
Ausmaß geschaffen. Kunden werden sogar motiviert, gebrauchte Gegenstände weiterzu-
verkaufen. Die breitere Auswahl zieht noch mehr Kunden an und jeder profitiert. „Wir
werden ein immer wichtigerer Bestandteil im Leben unserer Kunden,“ so der Marke-
tingleiter von Amazon.
Wie auch immer sich das Unternehmen weiterentwickelt, Amazon hat das Erschei-
nungsbild des Onlinemarketings für immer verändert. Am wichtigsten ist, dass Amazon
die Messlatte für die Kundenzufriedenheit im Onlinehandel sehr hoch gelegt hat. „Der
Grund, warum ich so besessen bin bezüglich der Kundenzufriedenheit, ist, dass ich
glaube, dass unser Erfolg einzig und alleine von dieser Zufriedenheit kommt“, sagt
Bezos. „Wir machen nicht sehr viel Werbung. Wir starten bei den Kunden, finden her-
aus was sie wollen und finden einen Weg, ihnen genau das zu geben.“
Quelle: https://www.finanzen.net/bilanz_guv/Amazon [12.02.2018].

800
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17.4 Digitales und Social-Media-Marketing

Direktes digitales und Social-Media-Marketing treten in jeder der in Abbildung 17.3 gezeigten
Formen in Erscheinung. Diese beinhalten Onlinemarketing, Social-Media-Marketing und
mobiles Marketing. Wir behandeln sie nacheinander und beginnen mit dem Onlinemarketing.

17.4.2 Onlinemarketing
Onlinemarketing bezeichnet das Marketing im Internet über Firmen-Webseiten, Onlinewer-
bung und Aktionen, E-Mail Marketing, Onlinevideos und Blogs. Im Vereinigten Königreich
werden heute zwei Fünftel des Werbebudgets für Onlineaktivitäten ausgegeben – mehr als in
anderen europäischen Ländern oder den USA. Auch Social-Media-Marketing und mobiles
Marketing finden im Internet statt und müssen eng mit den anderen Formen des Digitalmar-
ketings abgestimmt werden. Aufgrund ihrer besonderen Merkmale behandeln wir die schnell
wachsenden Bereiche des Social-Media-Marketings und des mobilen Marketings in getrenn-
ten Abschnitten.

Webseiten und Markengemeinschaften im Netz


Für die meisten Unternehmen besteht der erste Schritt ins Onlinemarketing in der Gestaltung
einer Webseite. Zweck und Inhalt von Webseiten unterscheiden sich enorm. Einige fungieren
hauptsächlich als Marketing-Webseiten, um Kundenbindung zu erzeugen und einen direkten
Kauf oder ein anderes Marketingergebnis herbeizuführen. Webseiten für Marken-Communi-
tys dagegen dienen nicht dem Verkauf. Ihr Hauptzweck ist vielmehr die Präsentation der
Markenbotschaft, um Kunden zu begeistern und Markengemeinschaften zu bilden. Diese Sei-
ten enthalten in der Regel eine ganze Reihe an Markeninformationen, Videos, Blogs, Aktivitä-
ten und andere Inhalte, die engere Kundenbeziehungen schaffen und eine Bindung zwischen
der Marke und den Kunden schaffen sollen.
Die Gestaltung einer Webseite ist eine Sache, aber natürlich müssen auch Besucher auf die
Seite gelockt werden. Um das zu erreichen, bewerben Unternehmen ihre Webseiten massiv
in Printmedien, Funk und Fernsehen sowie über Anzeigen und Links auf anderen Seiten.
Doch die modernen Internetnutzer verlieren schnell das Interesse an Seiten, die nicht ihren
Erwartungen entsprechen. Der Schlüssel liegt in ausreichend attraktiven und vorteilhaften
Inhalten, damit Verbraucher die Seiten anklicken, sich umsehen und wiederkommen. Im
Mindesten muss eine Webseite leicht zu navigieren und optisch ansprechend, letzten Endes
aber auch nützlich sein. Wenn es um die Suche und den Kauf im Internet geht, ist den meis-
ten Menschen der Inhalt wichtiger als die Form und die Funktion wichtiger als die Optik.
Effektive Seiten beinhalten fundierte und nützliche Informationen, interaktive Tools für die
Suche und Bewertung von interessanten Inhalten, Links zu anderen verwandten Seiten,
wechselnde Angebote und unterhaltsame Funktionen für den Erlebnisfaktor.

Onlinewerbung
Da Verbraucher immer mehr Zeit im Internet verbringen, verlagern sich die Marketingaus-
gaben der Unternehmen verstärkt auf die Onlinewerbung, um so die Markenumsätze zu för-
dern oder Besucher auf die eigene Homepage sowie die Seiten der mobilen und sozialen
Medien zu locken. Onlinewerbung ist zu einem wichtigen Werbemedium geworden. Die
wesentlichen Formen der Onlinewerbung sind Online-Banner und suchverwandte Anzeigen.
Zusammen machen diese beiden Formen den größten Teil der Budgets für digitales Marke-
ting bei den Unternehmen aus. Sie belaufen sich auf 30 Prozent der Gesamtausgaben für digi-
tales Marketing.

801
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

Online-Banner können überall für den Nutzer sichtbar werden und beziehen sich häufig auf
eine gerade angesehene Information. Während man beispielsweise auf Travelocity.com nach
Reisen sucht, kann plötzlich eine Anzeige für ein kostenloses Upgrade für einen Mietwagen
von Enterprise Rent-A-Car auf dem Bildschirm erscheinen. Online-Banner haben in den letz-
ten Jahren eine deutliche Entwicklung durchlaufen, was die Gewinnung und Erhaltung von
Kundenaufmerksamkeit betrifft. „Rich media“ beinhaltet Animationen, Videos, Ton und
Interaktivität. Die spannungsgeladenen „Takeover“-Anzeigen erscheinen nur für wenige
Sekunden, haben jedoch großen Einfluss. Der größte Bereich der Onlinewerbung sind such-
verwandte Anzeigen (oder kontextabhängige Werbung), die im letzten Jahr fast die Hälfte der
Gesamtausgaben für Onlinewerbung ausgemacht haben. Bei der suchverwandten Werbung
erscheinen text- und bildbasierte Anzeigen und Links über oder neben den Ergebnissen der
Suchmaschine wie Google, Yahoo! oder Bing. Gibt man bei Google beispielsweise den Such-
begriff „LCD TVs“ ein, erkennt man oben und seitlich neben der Trefferliste unscheinbare
Anzeigen von zehn oder mehr Unternehmen, von Samsung, LG und Panasonic bis hin zu
Tesco.com und Amazon.com sowie einigen Discountern. Die von Google im letzten Jahr
erzielten Umsatzerlöse in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar stammten zu 96 Prozent aus
dem Verkauf über Anzeigen. Die Internetsuche ist eine Art ständig verfügbares Medium und
die Ergebnisse lassen sich leicht messen.

E-Mail-Marketing
Das E-Mail-Marketing ist ein wichtiges und weiter an Bedeutung gewinnendes Instrument
des Digitalmarketings. „Die sozialen Medien sind der neueste Trend“, so ein Beobachter,
„aber E-Mails beherrschen nach wie vor die Kommunikation.“ So nutzen einer Schätzung
zufolge etwa 91 Prozent aller Verbraucher in den USA täglich E-Mails. Außerdem sind E-
Mail-Programme nicht mehr an fest installierte PCs und Arbeitsplätze gebunden; 65 Prozent
aller E-Mails werden heute von mobilen Geräten aus geöffnet. Das Ergebnis einer Studie,
nach der E-Mails rund 40 Mal effektiver bei der Kundengewinnung sind als Facebook und
Twitter zusammen, überrascht also wenig. Im letzten Jahr haben Marketingverantwortliche
schätzungsweise mehr als 838 Milliarden E-Mails versendet. Trotz überfüllter Postfächer
bringt das E-Mail-Marketing dank seiner niedrigen Kosten noch immer eine der höchsten
Marketing-Renditen. Laut der US Direct Marketing Association erhalten Marketingverant-
wortliche in Amerika eine Rendite von durchschnittlich 44,24 Dollar auf jeden Dollar, den
sie in E-Mails investieren. Richtig eingesetzt können E-Mails ein starkes Medium im Direkt-
marketing sein. Zahlreiche Marketingverantwortliche nutzen es regelmäßig und mit großem
Erfolg. Mit E-Mails können sie äußerst gezielte, maßgeschneiderte und beziehungsfördernde
Botschaften versenden. Und die modernen E-Mails haben nichts mehr mit den konservativen
und nüchternen Textnachrichten von einst zu tun. Heute sind sie bunt, einladend, persön-
lich und interaktiv.
Doch die wachsende Nutzung des E-Mail-Marketings hat auch eine Kehrseite. Die explosi-
onsartige Verbreitung von Spam-Mails – unverlangte und unerwünschte Werbemitteilungen,
die den Posteingang verstopfen – hat bei den Verbrauchern zu Verärgerung und Frust geführt.
Laut einem Marktforschungsinstitut machen Spams heute fast 70 Prozent aller weltweit ver-
sendeten E-Mails aus. Für E-Mail-Marketer ist es daher ein schmaler Grat, Mehrwert für den
Kunden zu schaffen oder als aufdringlich wahrgenommen zu werden. Um diesen Problemen
zu begegnen, wenden die meisten seriösen Marketer heute ein E-Mail-Marketing auf Zustim-
mungsbasis an, d.h., sie senden E-Mail-Inhalte nur an Kunden, die sich zuvor damit einver-
standen erklärt haben. Viele Unternehmen nutzen konfigurierbare E-Mail-Systeme, mit
denen Kunden wählen können, welche Inhalte sie erhalten möchten. Amazon.com spricht

802
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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing

Kunden, die dem zugestimmt haben, gezielt mit der Produktempfehlung „Das könnte Ihnen
auch gefallen“ an, basierend auf den angegebenen Merkmalen und vorherigen Einkäufen.
Nur wenige Kunden lehnen dies ab, viele begrüßen diese Art der Werbung sogar. Ama-
zon.com profitiert davon einerseits durch höhere Rücklaufquoten, andererseits verhindert
man so die Abschreckung von Kunden durch unerwünschte E-Mails.

O nlinevideos
Eine weitere Form des Onlinemarketings ist das Posten digitaler Videoinhalte auf Marken-
webseiten oder in den sozialen Medien, wie z.B. YouTube, Facebook und anderen. Einige
Videos werden speziell für das Internet und die sozialen Medien produziert. Diese reichen
von Tutorials und PR-Beiträgen bis hin zu Markenwerbung und markenbezogener Unterhal-
tung. Andere Videos bestehen aus Werbung, die ein Unternehmen für das Fernsehen und
andere Medien produziert hat, vor oder nach der Kampagne jedoch zur Erweiterung der
Reichweite auch im Internet veröffentlicht. Gute Onlinevideos können Millionen von Kun-
den erreichen. Die Zuschauerzahlen für Onlinevideos schnellen in die Höhe – so streamen
bereits über 60 Prozent der US-Bevölkerung heute Videos aus dem Internet. Marketingverant-
wortliche hoffen, dass einige ihrer Videos sich im Netz verbreiten. Virales Marketing, die
digitale Form der Mundpropaganda, beinhaltet die Verbreitung von Videos, Anzeigen und
anderen Marketinginhalten, die so attraktiv sind, dass Kunden gezielt danach suchen oder
sie an Freunde weiterleiten. Da Kunden die Botschaft oder Werbung selbst finden und wei-
terleiten, kann virales Marketing sehr kostengünstig sein. Und wenn Videos oder andere
Informationen von Freunden kommen, sind die Empfänger viel eher bereit, sie anzusehen
oder zu lesen.
Sämtliche Videoinhalte können im Netz verbreitet werden, Kundenbindung erzeugen und
die Marke positiv darstellen. In einem einfachen, aber ehrlichen Video von McDonald’s zum
Beispiel antwortet der Marketingdirektor von McDonald’s Kanada auf die Frage von Online-
zuschauern, weshalb die Produkte von McDonald’s in der Werbung besser aussehen als in
der Realität, mit einer Führung hinter die Kulissen und zeigt, wie eine McDonald’s-Werbung
entsteht. Das mit Preisen ausgezeichnete dreieinhalb Minuten lange Video wurde fast 15 Mil-
lionen Mal angesehen und 15.000 Mal geteilt, was dem Unternehmen Anerkennung für seine
Ehrlichkeit und Transparenz einbrachte. In einem anderen Beispiel produzierte P&G in
Zusammenarbeit mit den Olympischen Spielen in London 2012 und den Olympischen Win-
terspielen 2014 in Sotchi herzerwärmende zweiminütige Videos unter dem Motto „Proud
sponsors of moms“, in denen die Mütter der Sportler für ihren Beitrag zu deren Spitzenleis-
tungen gewürdigt wurden. Diese Videos wurden zig Millionen Mal angesehen und geteilt.
Sie bildeten auch die Basis für TV-Werbung, die während der Veranstaltungen ausgestrahlt
wurde. Marketer haben in der Regel jedoch wenig Kontrolle darüber, wo ihre viralen Bot-
schaften enden. Sie können die Inhalte online stellen, doch das allein bewirkt gar nichts,
solange die Botschaft nicht den Nerv bei den Kunden trifft. Ein Kreativdirektor meint: „Sie
hoffen, die Kreativen erreichen das Ziel, dass die Saat aufgeht und etwas Großes daraus ent-
steht. Wenn man das Ergebnis nicht mag, bewegt sich nichts. Mag man es, bewegt sich ein
bisschen; aber wenn man es liebt, kann es sich so schnell wie ein Feuer in den Hügeln von
Hollywood ausbreiten.“

Blogs und andere Onlineforen


Marken betreiben Onlinemarketing auch über verschiedene digitale Foren, die bestimmte
Zielgruppen mit besonderen Interessen ansprechen. Blogs (oder Weblogs) sind Onlineplatt-

803
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

formen, auf denen Menschen und Unternehmen ihre Gedanken und andere Inhalte einstel-
len können, in der Regel zu eng definierten Themenfeldern. Blogs gibt es für alle möglichen
Bereiche, von Politik oder Baseball bis hin zu Haikus, Autoreparaturen, Marken oder den
neuesten Fernsehserien. Laut einer Studie gibt es heute über 31 Millionen Blogs allein in den
USA. Viele Blogger nutzen die sozialen Netzwerke wie Twitter, Facebook und Instagram, um
ihre Blogs bekannt zu machen und ihnen eine möglichst große Reichweite zu verschaffen.
Diese Größenordnungen können Blogs – besonders denen mit einer großen und treuen Fan-
gemeinde – einen enormen Einfluss verleihen.
Die meisten Marketer nutzen das Potenzial des Blog-Universums mit markenbezogenen Ein-
trägen, um ihre Kundengruppen zu erreichen. Im Netflix-Blog beispielsweise erzählen Mit-
glieder des Netflix-Teams (allesamt selbst begeisterte Filmfans) über die neuesten Netflix-Pro-
gramme, verraten Tricks, wie man das Beste aus dem Netflix-Erlebnis herausholen kann und
sammeln Reaktionen von Abonnenten. Im Blog der Disney Parks kann man alles über Disney
erfahren und daran teilhaben; dazu gehören der Bereich „Hinter den Kulissen“ mit Einträgen
über Tanzproben, exklusive Vorab-Bilder von neu entstehenden Bauten, Interviews mit Mitar-
beitern und vieles mehr. Der Blog „Wholestory“ des Vollsortimenters Whole Foods beinhaltet
Videos, Bilder und Posts über gesunde Ernährung, Rezepte und Hintergrundinformationen
aus den Filialen. Neben den eigenen Markenblogs nutzen viele Marketer auch fremde Blogs,
um ihre Botschaft in die Welt zu tragen. So richtet sich McDonald’s ganz gezielt an die wich-
tigsten „Mama-Blogger“, deren Einfluss auf Hausfrauen und Mütter besonders groß ist – und
die wiederum bestimmen schließlich, wohin sie mit ihrer Familie zum Essen gehen.
Als Marketing-Instrument bieten Blogs einige Vorteile. Sie können ein neuer, origineller, per-
sönlicher und preiswerter Weg sein, um Teil der Konversation von Verbrauchern im Internet
und in den sozialen Medien zu werden. Die Blogszene ist jedoch chaotisch und schwer zu
kontrollieren. Und obwohl Unternehmen Blogs durchaus zu ihrem Vorteil nutzen können,
um entscheidende Kundenbeziehungen aufzubauen, bleiben sie jedoch ein vorrangig von
Verbrauchern gesteuertes Medium. Ob sie sich nun aktiv in Blogs beteiligen oder nicht,
Unternehmen sollten sie stets aufmerksam beobachten und verfolgen. Marketer können wert-
volle Einblicke aus den Onlinekonversationen der Verbraucher gewinnen und somit ihre
Marketingprogramme optimieren.

Social-Media-Marketing
Wie bereits erörtert wurde, hat die rasante Zunahme der Nutzung des Internets sowie digita-
ler Technologien und Geräte eine unglaubliche Vielfalt von sozialen Medien und digitalen
Gemeinschaften hervorgebracht. Unzählige unabhängige und kommerzielle soziale Netz-
werke sind entstanden; hier können sich Verbraucher online begegnen, vernetzen und Mei-
nungen sowie Informationen austauschen. Heute scheint fast jeder auf Facebook oder Goo-
gle+ Freundschaften zu schließen, bei Twitter aktiv zu sein, sich die brandneuen Videos auf
YouTube anzusehen, Fotos in die virtuellen Sammelalben bei Pinterest zu stellen oder Bilder
auf Instagram und Snapchat zu teilen. Und wo sich Verbraucher versammeln, sind Marketer
natürlich nicht weit. Die meisten Marketer schwimmen heute ganz oben auf der riesigen
Social-Media-Welle mit. Laut einer Studie nutzen heute fast 90 Prozent der US-Unternehmen
die sozialen Netzwerke als Teil ihres Marketingmix. In Großbritannien geht der Anteil der
Erwachsenen, die in sozialen Netzwerken aktiv sind, jedoch zurück; auch in den USA, Japan
und China verzeichnen die sozialen Netzwerke sinkende Zahlen. Dies legt nahe, dass andere
Kommunikationswege vermutlich beliebter werden, wie z.B. die Seiten von Onlinevideos,
Spieleplattformen und Kurznachrichtendienste.

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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing

Die Nutzung sozialer Medien


Marketer können auf zwei Arten in sozialen Medien aktiv werden: Sie können bestehende
soziale Medien nutzen oder ihre eigenen kreieren. Die Nutzung der bestehenden Medien
scheint der einfachste Weg. So haben die meisten Marken – ob groß oder klein – einen Shop
auf einer Drittseite in den sozialen Medien eingerichtet. Sieht man sich Markenwebseiten
von Coca-Cola und Nike bis hin zu Victoria’s Secret oder sogar Manchester United an, findet
man Links zu Facebook, Google+, Twitter, YouTube, Flickr, Instagram und anderen sozialen
Netzwerken, in denen die Marke vertreten ist. Diese sozialen Netzwerke können immense
Markengemeinschaften erzeugen. Coca-Cola verfügt über unglaubliche 80 Millionen Fans.
Einige der wichtigsten sozialen Netzwerke sind riesig. So wird Facebook von über 2 Milliar-
den Menschen monatlich besucht. Auch Twitter hat um die 330 Millionen aktive Nutzer pro
Monat (weltweit) mehr als 1,9 Milliarden Einzelnutzer besuchen YouTube im Monat und
sehen Videos mit einer Gesamtlaufzeit von mehr als 6 Milliarden Stunden. Die Liste geht
noch weiter: LinkedIn über 500 Millionen und Pinterest etwa 200 Millionen aktive Nutzer.
Obwohl die Großen der sozialen Netzwerke den Ton angeben, sind auch zahlreiche Nischen-
Netzwerke entstanden. Diese bedienen die Bedürfnisse kleinerer Gemeinschaften von
Gleichgesinnten und werden so zu idealen Plattformen für Marketer, die ganz bestimmte
Zielgruppen ansprechen wollen. Es gibt mindestens ein soziales Netzwerk für jedes erdenkli-
che Interesse, Hobby oder Gruppe. Mütter suchen Rat und Austausch bei CafeMom.com,
GoFISHn, eine Facebook-Gemeinschaft von 4.000 Anglern, bietet Karten guter Fanggebiete
und eine Fotogalerie, auf der Mitglieder ihren Fang präsentieren können. Auf Birdpost.com
können begeisterte Vogelbeobachter eine Liste der von ihnen gesichteten Spezies führen und
über moderne Satellitenkarten ihre Vogelsichtungen mit anderen Mitgliedern teilen. Und die
Facebook-Gemeinschaft myTransponder.com bietet Jobangebote für Piloten, Unterricht für
Flugschüler sowie branchenkundige Beratung für eine ansonsten schwer zugängliche Ziel-
gruppe von Menschen, die sich für das Flugwesen interessieren. Neben diesen unabhängigen
sozialen Medien haben viele Unternehmen ihre eigenen Markengemeinschaft im Internet
aufgebaut. In der Community Nike+ mit mehr als 20 Millionen laufbegeisterten Mitgliedern,
die es zusammen auf über eine Milliarde gelaufener Meilen bringen, können die Teilnehmer
ihre Leistungen gemeinsam aufzeichnen, nachverfolgen und vergleichen. Aufgrund des
Erfolgs hat Nike das Netzwerk auf Basketball und allgemeines Fitnesstraining erweitert,
wobei jeder Bereich über eine eigene Seite, App und entsprechende Produkte für die Com-
munity verfügt.

Die Vorteile und Herausforderungen des Social-Media-Marketings


In der Nutzung sozialer Medien liegen sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Zum
einen sind soziale Medien zielgerichtet und persönlich – mit ihnen können Marketer maßge-
schneiderte Markeninhalte für einzelne Kunden und Kundengruppen erzeugen und teilen.
Ferner sind die sozialen Medien interaktiv und somit ideal für den Aufbau und die Beteili-
gung an Kundengesprächsthemen sowie die Aufnahme von Kundenfeedbacks. Volvo bei-
spielsweise nutzt seine #SwedespeakTweetchat-Plattform als eine Art digitale Gruppendis-
kussion, um Kunden einzubinden und für jeden Bereich, von den Produkteigenschaften bis
zur Werbegestaltung, direkte Beiträge zu erzeugen. Die regelmäßigen Chats auf Twitter „erge-
ben gute Gespräche“, sagt der Werbechef von Volvo. „Die Leute finden es toll, ein Teil (des
Prozesses) zu sein.“
Darüber hinaus sind die sozialen Medien direkt und spontan. Mit ihnen sind Kunden jeder-
zeit und überall für aktuelle und passende Marketinginhalte in Bezug auf Markenereignisse

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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

und Aktivitäten erreichbar. Wie zuvor in diesem Kapitel erwähnt, hat die rasante Verbreitung
der sozialen Medien eine enorme Zunahme des Echtzeit-Marketings hervorgerufen und es
Marketern ermöglicht, aktuelle Geschehnisse zu Gesprächsthemen unter den Kunden zu
machen und sich selbst daran zu beteiligen. Heute können Marketingverantwortliche die
Trends beobachten und entsprechende Inhalte erzeugen. Soziale Medien können höchst kos-
teneffizient sein. Obwohl die Gestaltung und Steuerung von Inhalten für soziale Medien
einen gewissen Kostenaufwand mit sich bringen kann, ist die Nutzung vieler sozialer Medien
gratis oder sehr preiswert. Daher wird die Rentabilität des Einsatzes sozialer Medien oft mit
der von teureren, traditionellen Medien wie Fernsehen oder Printwerbung verglichen. Auf-
grund der geringen Kosten der sozialen Medien sind diese auch für kleine Betriebe und Mar-
ken nutzbar, die sich den Aufwand groß angelegter Marketingkampagnen nicht leisten kön-
nen. Der größte Vorteil der sozialen Medien aber ist sicherlich die Möglichkeit für Kunden,
sich einzubringen und sozial zu vernetzen. Die sozialen Medien sind besonders gut geeignet,
um Kundenbindung und Kundengemeinschaften zu erzeugen – so entsteht eine Beziehung
zwischen Kunde und Marke sowie innerhalb der Kundengruppen. Weit mehr als andere Mar-
ketingkanäle können soziale Medien die Kunden an der Gestaltung und Verbreitung von
Markenbotschaften und Erlebnissen beteiligen. Indem sie sich die Beziehungen zwischen
den sogenannten Influencern (Meinungsbildnern) und ihren Anhängern in den sozialen
Medien zunutze machen, zielen Unternehmen auf eine „deutliche Ausweitung der Mund-
propaganda“ – die Gefolgschaft einiger Meinungsbildner in den sozialen Netzwerken ist grö-
ßer als die Auflage so mancher Zeitschrift Eine interessante Zielgruppe für Marketer sind
sogenannte Elternblogger – hauptsächlich Mütter, die eine konsumfreudige und damit
begehrte Werbegruppe bilden. Das Netzwerk BritMums in Großbritannien umfasst 6.000
Blogger, während US Mom Bloggers in den USA 20.000 Mitglieder und BloggyMums 15.000
Mitglieder zählen. Das Blogging von Eltern ist in Europa und Asien weiter auf dem Vor-
marsch. Das Social-Media-Marketing bietet einen idealen Weg für die Bildung von Markenge-
meinschaften – virtuelle Orte, an denen treue Fans ihre Erfahrungen, Informationen und
Ideen austauschen können. Die Bio-Supermarktkette Whole Foods Market nutzt zum Bei-
spiel Drittseiten sozialer Netzwerke für seine Lifestyle-Gemeinschaft; diese bietet Kunden
Informationen über Lebensmittel, Rezepte, Austausch mit anderen Kunden, Diskussionen
über wichtige ernährungstechnische Fragen sowie Links zu Veranstaltungen in den Filialen.
Daneben ist das Unternehmen sehr aktiv auf Facebook, Twitter und YouTube. Whole Foods
zählt über 400.000 Marken-Follower mit einer Vielzahl von virtuellen Pinnwänden auf der
Webseite Pinterest. Die Bandbreite der Themen reicht von „Tipps und Tricks bei der Ernäh-
rung“, „Köstliche Kunst“ und „Essbare Festlichkeiten“ bis zu „Super HOT Kitchens“ mit
zahlreichen Fotos außergewöhnlicher Küchen. Denn obwohl Whole Foods nichts mit
Küchendesign zu tun hat, sind Kochen und Küchenausstattung für den Lebensstil seiner
Kunden ein raumgreifendes Thema.
Doch Social-Media-Marketing birgt auch Risiken. Zunächst einmal experimentieren viele
Unternehmen noch mit einer möglichst effektiven Nutzung und die Ergebnisse sind schwer
messbar. Zweitens werden die sozialen Netzwerke größtenteils von den Nutzern kontrolliert.
Mit der Nutzung sozialer Medien verfolgt ein Unternehmen das Ziel, Teil der Gesprächsthe-
men und des Alltags von Kunden zu werden. Marketingverantwortliche können den Zugang
zu den digitalen Interaktionen der Verbraucher aber nicht erzwingen – sie müssen ihn sich
verdienen. Statt sich aufzudrängen, müssen Marketer zu einem wertvollen Teil des Interne-
terlebnisses werden, indem sie beständig attraktive Inhalte erzeugen.

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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing

Da die Verbraucher eine so starke Kontrolle darüber haben, was in den sozialen Netzwerken
verbreitet wird, können selbst die scheinbar harmlosesten Social-Media-Kampagnen aber
auch nach hinten losgehen. So startete Frito-Lay in den USA zum Beispiel einen Wettbewerb
mit dem Titel „Do us a flavour“, in dem die Teilnehmer Ideen für neue Chips-Geschmacks-
richtungen und entsprechende Gestaltungsvorschläge für die Verpackung auf der Internet-
oder Facebookseite einreichen sollten. Viele Kunden nahmen den Wettbewerb (und die eine
Million Dollar Preisgeld) sehr ernst und schickten Ideen für Sorten, die tatsächlich gut
ankommen würden. Andere allerdings machten sich einen Spaß und schlugen witzige, aber
völlig absurde Geschmacksrichtungen wie Knuspriger Frosch, Blauer Käse, Zahnpasta, Oran-
gensaft oder „90 Prozent Luft und ungefähr 4 Chips“ vor. Leider reagierte die Webseite auf
jeden Vorschlag, egal wie abwegig, automatisch mit einer bunten Abbildung der Tüte für die
entsprechende Sorte und einer Botschaft wie der folgenden: „Das hört sich nach leckeren
Chips an! Schickt uns weiter köstliche Ideen und sichert euch die Chance auf eine Million
Dollar!“ Über die sozialen Medien „betreten Sie das Heim der Verbraucher durch die Hinter-
tür – es ist ihre Privatsphäre“, warnt ein Social-Marketing-Experte. Ein anderer meint: „Sozi-
ale Medien funktionieren wie ein Schnellkochtopf: Hunderttausende oder sogar Millionen
von Menschen dort draußen nehmen Ihre Idee auf und zerlegen sie in ihre Einzelteile, um
herauszufinden, was daran schwach oder dumm ist.“

Integriertes Social-Media-Marketing
Die Nutzung sozialer Medien kann sich einfach auf das Posten von Nachrichten und Anzei-
gen auf der Facebook- oder Twitter-Seite der Marke beschränken oder auf die Verbreitung von
Videos und Fotos auf YouTube oder Pinterest als Impulse für die Marke. Die meisten großen
Unternehmen entwickeln heute jedoch umfassende Ansätze im Social-Media-Bereich, die
mit anderen Elementen der Marketingstrategien für die Marke harmonieren und diese unter-
stützen. Statt vereinzelte Maßnahmen zu treffen und nur den „Likes“ und Tweets nachzuja-
gen, besteht die erfolgreiche Nutzung sozialer Medien für Unternehmen in der Integration
einer großen Bandbreite diverser Medien, um eine markenbezogene Vernetzung, Einbindung
und Kundengemeinschaften zu erzeugen.
Die Steuerung von Social-Media-Aktivitäten einer Marke kann eine gewaltige Aufgabe sein.
So verwaltet Starbucks, einer der erfolgreichsten Social-Media-Marketer, insgesamt 51 Face-
book-Seiten (darunter 43 außerhalb der USA), 31 Nutzernamen auf Twitter (19 davon inter-
national), 22 Instagram-Namen (14 davon international) sowie Nutzerkonten bei Google+,
Pinterest, YouTube und Foursquare. All diese Social-Media-Inhalte zu verwalten und zu
integrieren ist enorm aufwendig, doch die Ergebnisse lohnen die Mühe. Kunden können
direkt bei Starbucks aktiv werden, ohne jemals einen Fuß in eine Filiale setzen zu müssen –
und aktiv sind sie. Mit über 36 Millionen Fans allein auf der US-Hauptseite ist Starbucks die
sechstgrößte Marke auf Facebook. Bei Twitter liegt das Unternehmen auf dem fünften Platz
mit 88,5 Millionen Anhängern. Mit der Präsenz in den sozialen Medien erzeugt Starbucks
aber nicht nur Dialoge und Kundengemeinschaften im Netz, sondern bringt auch Kunden in
die Filialen. In der ersten großen Social-Media-Kampagne vor vier Jahren bot Starbucks ein
Gratis-Gebäck mit dem ersten gekauften Getränk am Morgen an. Eine Million Kunden griff
zu. Die „Tweet-a-Coffee“-Kampagne mit einem Gutschein über 5 Dollar, den Kunden über
den Hashtag #tweetacoffee oder einen Tweet auf den Nutzernamen an einen Freund ver-
schenken konnten, bescherte dem Unternehmen in knapp einem Monat bereits 180.000 Dol-
lar an Verkaufserlösen. Bei den sozialen Medien „geht es nicht nur um Kundenbindung und
Geschichten und Vernetzung“, sagt der Leiter für globales Digitalmarketing bei Starbucks.
„Der Einsatz kann einen ganz wesentlichen Einfluss auf das Geschäft haben.“

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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

Mobiles Marketing
Mobiles Marketing zeichnet sich durch Marketingbotschaften, Aktionen und andere Werbe-
inhalte aus, die Kunden unterwegs über ihren mobilen Geräte erreichen sollen. Werbetrei-
bende nutzen das mobile Marketing, um Kunden überall und jederzeit während des Ein-
kaufsprozesses und beim Aufbau der Kundenbeziehungen einbinden zu können. Durch die
breite Vielfalt mobiler Geräte und den sprunghaften Anstieg beim mobilen Datenverkehr ist
mobiles Marketing für die meisten Marken zu einer Notwendigkeit geworden. Die enorme
Verbreitung von Mobiltelefonen, Smartphones und Tablets hat dazu geführt, dass die Markt-
durchdringung mit mobilen Geräten heute in den USA bei über 100 Prozent liegt (viele Men-
schen besitzen mehr als ein mobiles Gerät). Fast 40 Prozent der US-Haushalte verfügen aktu-
ell lediglich über Mobilfunk und besitzen keinen Festnetzanschluss mehr. Mehr als 65
Prozent der Menschen in den USA besitzen ein Smartphone und über 60 Prozent der Smart-
phone-Nutzer verwenden das Gerät für den mobilen Internetzugang. Dabei surfen sie nicht
nur, sondern nutzen auch häufig die mobilen Apps. Der Markt für mobile Apps ist weltweit
geradezu explodiert: Es gibt inzwischen über 2 Millionen verfügbare Apps, dabei sind auf
einem durchschnittlichen Smartphone 25 installiert.
Für die meisten Menschen ist das Handy ein ebenso treuer wie unverzichtbarer Begleiter.
Einer Studie zufolge würden fast 90 Prozent der Verbraucher, die Smartphones, Tablets,
Computer und Fernseher besitzen, alle anderen Bildschirmgeräte aufgeben, ehe sie sich von
ihrem Telefon trennen. Im Schnitt nehmen die Menschen ihr Telefon 150 Mal am Tag in die
Hand – das ist einmal alle sechseinhalb Minuten – und verbringen 58 Minuten mit Telefonie-
ren, dem Senden von Textnachrichten und dem Surfen im Internet über ihr Smartphone.
Obwohl das Fernsehen nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Alltags ist, werden mobile
Geräte zunehmend als „erster Bildschirm“ genutzt – unterwegs ist es immerhin der einzige
Bildschirm. Diese unglaublich rasante Verbreitung von Smartphones und Tablets hat auch
den globalen Markt erfasst und bietet eine wachsende Möglichkeit, die definierten Zielkun-
den in aller Welt direkt zu erreichen. Man nimmt an, dass es weltweit etwa 6,6 Milliarden
Nutzer von mobilen Telefonen und Geräten gibt (das sind ca. 94 Prozent der Weltbevölke-
rung); das stärkste Wachstum verzeichnen dabei Indien und China, die zusammen etwa ein
Drittel aller Mobilfunkteilnehmer ausmachen. Die Zahl der Mobilfunkteilnehmer in China
beträgt 1,3 Milliarden und 0,9 Milliarden in Indien; dagegen wirken die drittplatzierten USA
mit 0,3 Milliarden Teilnehmern geradezu abgeschlagen. Interessanterweise sind Indonesien,
Brasilien und Russland führend bei der Marktdurchdringung mit Breitband, während Groß-
britannien und die USA weit dahinter rangieren.
Mobile Nutzer erreicht man über Text- und Kurznachrichten sowie per E-Mail. Die mobilen
Technologien führen zu schnellen Entwicklungen im Bezahl- und Bankwesen ebenso wie im
Bereich von Tickets und Gutscheinen. Der zunehmende Besitz mobiler Geräte wird wahr-
scheinlich weitere Entwicklungen forcieren. Das Marktforschungsinstitut eMarketer geht
davon aus, dass die Ausgaben für mobiles Internetmarketing im Jahr 2014 rund 42,6 Milliar-
den Dollar betragen haben, dabei entfiel der größte Teil der Investitionen auf die Länder USA
(44 Prozent der weltweiten Ausgaben), China (17 Prozent), Großbritannien (9 Prozent), Japan
(7 Prozent) und Deutschland (3 Prozent). Es wird damit gerechnet, dass Asien in Zukunft bei
den Ausgaben für weltweites mobiles Marketing ganz vorn liegen wird. In den USA hat Goo-
gle die meisten Einnahmen mit der mobilen Werbung. Führende US-Einzelhandelsunterneh-
men wie Walmart, Sears und Gap sowie beispielsweise John Lewis im Vereinigten König-
reich haben mobile Versionen ihrer Webseiten entwickelt, zusammen mit Einkaufs- und
Suchfunktionen für iPhones und Blackberry-Geräte. Andere Händler wie JC Penney und

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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing

Sephora beteiligen sich an einer Facebook-Initiative, mit der Nutzer Produkte, Informatio-
nen, Fotos und Bewertungen auf ihre Facebook-Seiten laden und diese über mobile Geräte
ansteuern können, selbst in den Filialen.
Für viele Verbraucher kann ein Smartphone oder Tablet ein praktischer Einkaufsbegleiter
sein. Das Gerät bietet unterwegs Produktinformationen, Preisvergleiche, Tipps und Bewer-
tungen von anderen Kunden, Zugang zu Sonderangeboten und digitalen Coupons und dient
sogar zur Zahlungsabwicklung. So ist es wenig überraschend, dass mobile Geräte zu einer
vielfältigen Plattform geworden sind, mit der Kunden über verschiedene Funktionen wie
mobilen Anzeige, Gutscheine und Texte bis hin zu Apps und mobilen Webseiten während
des Einkaufsprozesses noch tiefer eingebunden werden können. Fast jedes große Unterneh-
men – von P&G und Tesco über örtliche Banken und Supermärkte bis hin zu gemeinnützigen
Organisationen – integriert heute mobiles Marketing in seine Direktmarketing-Programme.
Die Ergebnisse solcher Maßnahmen können sehr positiv ausfallen. So suchen etwa 49 Pro-
zent der mobilen Internetnutzer aufgrund einer mobilen Anzeige nach näheren Produktinfor-
mationen.
Unternehmen nutzen das mobile Marketing auch, um Spontankäufe anzuregen, den Einkauf
zu erleichtern, das Markenerlebnis zu bereichern, oder alles zusammen. Marketer stellen
dem Verbraucher zu dem Zeitpunkt, da er Interesse zeigt oder eine konkrete Kaufentschei-
dung treffen kann, gezielte Informationen, Anreize und Auswahlmöglichkeiten zur Verfü-
gung. McDonald’s beispielsweise nutzt das mobile Marketing zur Bewerbung neuer Menüs,
Ankündigung von Sonderaktionen und Erhöhung der Frequenz in seinen Restaurants. Eine
interaktive Werbung auf einer mobilen App lautete: „Jetzt probieren: Jeder Softdrink oder
süße Tee für nur einen Dollar. Hier aufdrehen.“ Das Symbol eines Zapfhahns auf der mobilen
Anzeige führte die Kunden dann auf eine mobile Seite, auf der McDonald’s die laufende
Sommeraktion bewarb. In einer anderen mobilen Kampagne setzte McDonald’s ein Kreuz-
worträtsel ein, über das die Kunden die aktuellen Ein-Dollar-Angebote finden sollten. Solche
Maßnahmen erzeugen sowohl Kundenbindung als auch Frequenz. Spiele „innerhalb einer
mobilen Kampagne dienen allein der Schaffung und Erhaltung von Kundenbindung“, so ein
Marketingverantwortlicher bei McDonald’s.
Mit den heutigen mobilen Reach-Media-Werbeformaten erreicht man eine enorme Kunden-
bindung und Wirkung. Die amerikanische Billig-Airline JetBlue beispielsweise entwickelte
eine stimmaktivierte mobile Anzeige, die mit den Kunden interagiert und antwortet. Sie star-
tet mit einem sprechenden JetBlue-Banner und der Aufforderung: „Klicken Sie hier und ler-
nen Sie die Sprache der Tauben.“ Mit einem Klick vergrößert sich die Anzeige und weist den
Kunden an, die Wörter auf dem Bildschirm laut zu wiederholen – zum Beispiel „Gurr Gurr
Gurr“. Hat man zwei volle Sätze in der Sprache der Tauben geschafft, erhalten die Nutzer
eine virtuelle Medaille und die Chance auf ein erneutes Spiel. Tippt man auf „Learn more“,
gelangt der Nutzer auf den JetBlue-„Lande-Ast“, von wo aus er über virtuelle Brieftauben
Nachrichten von Freunden empfangen und versenden kann. Die mobile Anzeige ist Teil der
JetBlue-Kampagne „Air on the side of humanity“ mit Tauben als Symbolfiguren – den ulti-
mativen Vielfliegern. Statt direkte Angebote zu bewerben, dient die sprechende Anzeige
schlicht zur Bereicherung des JetBlue-Erlebnisses für Kunden. Die Airline hofft, dass Kunden
sich „die Anzeigen ansehen, mit den Tauben spielen und an uns denken, wenn sie das
nächste Mal einen Flug buchen wollen“, so der Werbeverantwortliche bei JetBlue.
Einzelhändler können durch mobiles Marketing das Einkaufserlebnis ihrer Kunden schon
mit der Anregung zum Kauf verstärken. Viele Werbetreibende haben eigene mobile Websei-
ten gestaltet, die für bestimmte Telefon- und Mobildienstanbieter optimiert wurden. Für die

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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

App des Autovermieters Zipcar braucht man lediglich ein Smartphone oder anderes mobiles
Gerät. Über die App kann man ein Zipcar suchen und reservieren, die Hupe betätigen (um
den Wagen auf einem vollen Parkplatz zu finden) und sogar die Zentralverriegelung bedie-
nen – alles vom Telefon aus. Auch die mobile App von Starbucks können Kunden über ihr
Mobiltelefon als Zahlungsmittel für schnelle und einfache Einkäufe benutzen. Wie bei allen
Formen des Direktmarketings müssen Unternehmen natürlich verantwortungsvoll vorgehen,
sonst riskieren sie den Ärger ihrer ohnehin schon werbesensiblen Kunden. Die meisten Men-
schen wünschen keine regelmäßigen Unterbrechungen durch Anzeigen, daher müssen Mar-
keter einen cleveren Weg finden, die Kunden über ihre Mobilgeräte zu erreichen. Der Schlüs-
sel liegt in wirklich wertvollen Informationen und Angeboten, welche die Kunden
tatsächlich nutzen möchten. Und viele Marketer setzen mobile Anzeigen ein, die dem Kun-
den die Wahl lässt, sie zu öffnen. Alles in allem liegen im digitalen Direktmarketing –
Online-, Social-Media- und mobilem Marketing – sowohl große Chancen als auch Herausfor-
derungen für die Zukunft. Besonders überzeugte Anhänger sehen noch immer eine Zukunft,
in der Internet und digitales Marketing die Zeitschriften, Zeitungen und sogar Ladenge-
schäfte als Quellen für Information, Kundenbindung und Einkauf ersetzt haben werden. Die
meisten Marketer haben jedoch eine realistischere Auffassung. Für eine Vielzahl von Unter-
nehmen bleiben digitales und Social-Media-Marketing nur ein wichtiger Ansatz für den
Markt, der zusammen mit anderen Strategien in einen ganzheitlichen Marketingmix integ-
riert wird. Obwohl die schnell wachsenden Bereiche des digitalen Marketings in letzter Zeit
das beherrschende Thema waren, sind die traditionellen Marketinginstrumente noch immer
gefragt und vielfältig im Einsatz. Wir werfen nun einen Blick auf die traditionellen Strategien
des Direktmarketings, die rechts in der Abbildung 17.3 dargestellt sind.

17.4.3 Traditionelle Formen des Direktmarketings


Die traditionellen Formen des Direktmarketings gemäß Abbildung 17.3 sind der persönliche
Verkauf, Direct-Mail-Marketing, Katalogmarketing, Telefonmarketing sowie das seltener
anzutreffende Direct-Response-Television-Marketing und Kioskmarketing. Den persönlichen
Verkauf haben wir bereits in Kapitel 16 erläutert. Hier widmen wir uns nun den anderen For-
men des traditionellen Direktmarketings.

Direct-Mail-Marketing
Das Direct-Mail-Marketing umfasst den Versand von Angeboten, Ankündigungen, Erinnerun-
gen oder anderer Postsendungen an bestimmte Personen. Auf Basis ausgewählter Adresslisten
versenden die Direktvermarkter jährlich Millionen an Postwurfsendungen – Briefe, Kataloge,
Anzeigen, Broschüren, Muster, Videos und andere „geflügelte Verkäufer“. Marketingexperten
in den USA gaben im letzten Jahr schätzungsweise über 45 Milliarden US-Dollar für das Direct-
Mail-Marketing aus (mit und ohne Katalogsendungen), welches damit 30 Prozent der Gesamt-
ausgaben für Direktmarketing ausmachte und 31 Prozent zu den gesamten Umsatzerlösen des
Direktmarketings beitrug. Laut der DMA rentiert sich jeder Dollar, der in das Direktmarketing
investiert wird, mit einem Umsatz von 12,57 US-Dollar. In Großbritannien belaufen sich die
Ausgaben für Direct-Mail-Marketing auf rund 1,7 Milliarden Pfund – Deutschland, Frankreich
und das Vereinigte Königreich sind die größten Märkte für Direct-Mail-Marketing in Europa.
Direct-Mail-Marketing ist sehr gut für eine direkte und persönliche Kommunikation geeignet.
Es ermöglicht eine hohe Trennschärfe bei den Zielmärkten, kann personalisiert werden, ist
flexibel und macht die Ergebnisse leicht messbar. Obwohl die Kosten je tausend Empfänger
beim Direct-Mail-Marketing höher liegen als bei Massenmedien wie Fernsehen oder Zeit-

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17.4 Digitales und Social-Media-Marketing

schriften, bieten die erreichten Kunden ein deutlich höheres Potenzial. Direct-Mail-Marke-
ting hat sich bei der Bewerbung sämtlicher Produkte als erfolgreich erwiesen, von Büchern,
Versicherungen, Reisen, Geschenkartikeln, Feinkost, Bekleidung und anderen Konsumgütern
bis hin zu allen erdenklichen Industrieprodukten. Auch gemeinnützige Organisationen nut-
zen Direct-Mail-Marketing in hohem Maß für Spendenaufrufe. Einige Analysten prognosti-
zieren für die kommenden Jahre einen Rückgang bei den traditionellen Formen des Direct-
Mail-Marketings, da Marketer sich auf neuere digitale Formen wie E-Mails und Onlinemarke-
ting, Social-Media-Marketing und mobiles Marketing verlegen. Mit den moderneren Ansät-
zen des digitalen Direktmarketings können Nachrichten in unglaublicher Geschwindigkeit
übertragen werden und sind im Vergleich zum langsamen Postversand deutlich günstiger.
Doch trotz der immensen Verbreitung moderner digitaler Formen des Direktmarketings
erfreut sich das Direct-Mail-Marketing noch immer großer Beliebtheit bei den meisten Mar-
ketern, auch wenn mittlerweile E-Mails die Printwerbung als wichtigstes Medium für die
Zustellung von Marketingangeboten in einigen Ländern abgelöst haben. Dennoch bietet Post-
werbung einige entscheidende Vorteile gegenüber den digitalen Versandarten. Es bietet den
Kunden etwas Greifbares und ferner auch die Möglichkeit, Produktmuster zu versenden.
„Postversand ist etwas Reales“, so ein Analyst. „Es schafft eine emotionale Bindung zum
Kunden, was digital nicht gelingt. Kunden können die Sendung anfassen, ansehen und sich
in einer Weise damit beschäftigen, wie das bei digitalen Erlebnissen nicht möglich ist.“ Dem-
gegenüber können E-Mails und andere digitale Nachrichten leichter gefiltert oder entsorgt
werden. „Spamfilter und Spamordner sorgen dafür, dass unsere Zusendungen gar nicht erst
in den Posteingang der Kunden gelangen“, sagt ein Direktvermarkter. „Manchmal muss man
eben ein paar Briefmarken aufkleben.“
Das traditionelle Direct-Mail-Marketing kann ein wirksamer Teil einer breiter angelegten
integrierten Marketingkampagne sein. So setzen die meisten Versicherungsunternehmen sehr
stark auf Fernsehwerbung, um eine hohe Kundenwahrnehmung und Positionierung zu errei-
chen. Doch Versicherungen nutzen nach wie vor auch die guten alten Postwurfsendungen,
um sich aus der Masse der TV-Spots ihrer Branche abzusetzen. Während Fernsehwerbung
ein breites Publikum anspricht, stellt Direct-Mail-Marketing eine direkte und persönliche Art
der Kommunikation dar. „Über die Post können wir die Kunden mit einer sehr zielgerichte-
ten und konkreten Botschaft erreichen, die sich nicht über das Fernsehen übertragen lässt“,
sagt John Ingersoll, stellvertretender Leiter für Marketingkommunikation bei Farmers
Insurance in den USA. Und „die meisten Menschen freuen sich immer noch über Werbebot-
schaften in ihrem Briefkasten, deshalb glaube ich, dass das Direct-Mail-Marketing weiter
wachsen wird“.
Man könnte Direct-Mail-Marketing auch als unerwünschte Reklame bezeichnen, wenn sie an
Menschen gesendet wird, die kein Interesse daran haben. Umsichtige Marketingverantwortli-
che gestalten ihre Postwurfsendungen daher sehr zielgenau, um weder ihr eigenes Geld noch
die Zeit der Empfänger zu verschwenden. Sie entwickeln zustimmungsbasierte Systeme, mit
denen die Postsendungen direkt an Empfänger gelangen, die sie auch erhalten möchten und
dies klar geäußert haben.

Katalogmarketing
Technologische Fortschritte sowie der Trend hin zu persönlichem, individuellem Marketing
führten zu spannenden Veränderungen im Katalogmarketing. In den USA, der traditionellen
Heimat des Kataloghandels, definierte das Magazin „Catalog Age“ einen Katalog früher als
„gedrucktes, gebundenes Werk von mindestens acht Seiten, in dem zahlreiche Produkte

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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

angeboten werden und eine direkte Bestellmöglichkeit vorhanden ist“. Heute ist diese Defi-
nition längst überholt – alles unterliegt einem raschen Wandel.
Mit der massenhaften Bewegung zum Internet und zum digitalen Marketing werden auch
immer mehr Kataloge digital. Es gibt inzwischen eine Vielzahl reiner Internetkataloge und
die meisten Herausgeber von Printkatalogen haben ihren Marketingmix um webbasierte
Kataloge und Smartphone-Apps mit Katalogfunktion ergänzt. So können Kunden zum Bei-
spiel bereits einige Tage vor dem Posterhalt des neuesten Katalogs von Land’s End das Ange-
bot auf der Webseite landsend.com, über die sozialen Medien wie Facebook oder die mobile
App von Land’s End ansehen. „Mit Land’s End Mobile“, so das Unternehmen, „tragen Sie
unser ganzes Sortiment.“ Durch digitale Kataloge entfallen die Kosten für Druck und Ver-
sand. Und wo der Platz in der Printausgabe knapp ist, bieten Onlinekataloge eine fast unbe-
grenzte Warenvielfalt. Außerdem gibt es eine größere Vielzahl von Präsentationsmöglichkei-
ten, darunter Suchfunktionen und Videos. Schließlich ermöglicht der Onlinekatalog auch
eine Echtzeit-Verkaufsförderung; Produkte und Dienste können je nach Bedarf hinzugefügt
oder entfernt werden und die Preise können unmittelbar an die Nachfrage angepasst werden.
Kunden können den digitalen Katalog stets dabei haben, selbst bei einem Einkauf im Laden-
geschäft.
Doch trotz aller Vorteile der digitalen Kataloge – Ihr überfüllter Briefkasten lässt es bereits
vermuten – sind gedruckte Kataloge in vielen Bereichen noch immer weit verbreitet. In den
USA verschickten Direktvermarkter im letzten Jahr rund 12,5 Milliarden Kataloge – mehr als
100 für jeden amerikanischen Haushalt. Warum geben Unternehmen die altmodischen
Papierkataloge im modernen digitalen Zeitalter nicht ganz auf? Zum einen erzeugen die
gedruckten Kataloge eine emotionale Bindung mit den Kunden. Das Umblättern der Seiten
hat offenbar eine ganz bestimmte Wirkung auf die Verbraucher, die von digitalen Bildern ein-
fach nicht erreicht werden kann. Daneben sind Druck-Kataloge eines der besten Mittel, die
Umsätze im Online- und mobilen Handel zu steigern – damit sind sie im digitalen Zeitalter
wichtiger denn je. Laut einer Studie suchen etwa 58 Prozent der Internetkäufer in gedruckten
Katalogen nach Anregungen und 31 Prozent haben den Katalog eines Händlers dabei, wenn
sie online einkaufen. Die Nutzer von Katalogen sehen sich bei einem Klick auf die Homepage
des Händlers mehr als doppelt so viele Onlineseiten an wie durchschnittliche Besucher und
verbringen dort zweimal mehr Zeit.
Auch im Vereinigten Königreich fördern Kataloge nach wie vor den Erfolg des Onlinehan-
dels, indem sie die Kunden zum Kauf im Internet anregen; dies ergab eine Studie der Market-
Reach-Initiative der Royal Mail. Die Studie befasste sich mit der Rolle von Printkatalogen im
digitalen Zeitalter und stellte fest, dass der Versand von Katalogen einen „sofortigen“ Vorteil
bringen kann, da 60 Prozent der Empfänger innerhalb einer Woche nach Erhalt eine Bestel-
lung im Internet tätigten. Ferner kam die Studie zu dem Ergebnis, dass über die Hälfte der
Katalognutzer bei ihrem ersten Einkauf mehr als 40 Pfund ausgaben; dieser Umsatz könnte
Unternehmen verloren gehen, die Printkataloge außer Acht lassen. Gemäß der MarketReach-
Studie sind Kataloge für mehr als 50 Prozent der Kunden eine bequeme Möglichkeit, Pro-
dukte zu bewerten. Mehr als ein Drittel der Befragten (36 Prozent) gaben an, auf diese Weise
Produkte vor dem Kauf vergleichen zu können. Gehen sie dann online, sehen sich Katalog-
kunden beim Besuch der Händler-Homepage mehr als doppelt so viele Seiten an wie durch-
schnittliche Besucher (121 Prozent). Auch verbringen sie 109 Prozent mehr Zeit auf jeder
Webseite als der Durchschnittsbesucher.

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Telefonmarketing
Beim Telefonmarketing werden Produkte direkt über das Telefon an Privat- und Geschäfts-
kunden verkauft. Marketer in den USA gaben im letzten Jahr schätzungsweise 42 Milliarden
US-Dollar für Telemarketing aus, fast so viel wie für Direct-Mail-Marketing. Wir alle kennen
Telefonmarketing, das sich direkt an Verbraucher wendet, doch auch die sogenannten Busi-
ness-to-Business-(B2B-)Vermarkter nutzen das Telemarketing in größerem Umfang. Marketer
rufen einerseits private und geschäftliche Kunden an, um Produkte direkt zu verkaufen.
Andererseits führen sie kostenlose Rufnummern, über welche die Kunden Angebote aus dem
Fernsehen und den Printmedien, Postwurfsendungen oder Katalogen bestellen können.
Gut gestaltetes und zielgerichtetes Telefonmarketing bietet viele Vorteile, darunter bequemes
Einkaufen sowie ausführlichere Informationen über Produkte und Dienstleistungen. Der
explosionsartige Anstieg unerwünschter Werbeanrufe hat in den letzten Jahren jedoch viele
Kunden verärgert, die sich fast täglich mit „Spam-Anrufen“ oder Kaltakquise am Telefon
konfrontiert sahen. Nutzer von Mobiltelefonen können die Auswirkungen unaufgeforderter
Anrufe bei ihrem Akkuverbrauch zu spüren bekommen. Daher haben immer mehr Länder
Gesetze und freiwillige Abkommen eingeführt, die es Kunden ermöglichen, telefonische
Werbemitteilungen abzulehnen. Automatische Wahlwiederholungen zum erneuten Anruf
sind in den meisten europäischen Ländern allgemein nicht zulässig. Bei Verstößen gegen
diese gesetzlichen und freiwilligen Auflagen gelten je nach Land unterschiedlich hohe Stra-
fen. Die Anrufverbote haben die Telefonmarketing-Branche im Privatkundenbereich teil-
weise geschwächt. Zwei wichtige Formen des Telefonmarketings – eingehende telefonische
Bestellungen sowie Anrufe im B2B-Telemarketing – legen jedoch nach wie vor weiter zu. Das
Telefonmarketing ist auch wichtiges Instrument für Spendenaufrufe von gemeinnützigen
und politischen Organisationen. Interessanterweise scheinen die Anrufverbote einigen
Direktvermarktern sogar eher zu nutzen als zu schaden. Statt unaufgefordert anzurufen, ent-
wickeln sie optionsbasierte Anrufsysteme; sie unterbreiten nützliche Informationen und
Angebote an Kunden, die das Unternehmen zuvor telefonisch oder per E-Mail um Kontakt-
aufnahme gebeten haben. Das optionsbasierte Modell bringt Marketern einen deutlich besse-
ren Rücklauf als das frühere Vorgehen der unaufgeforderten Anrufe.

Direct-Response-Television-Marketing
Beim Direct-Response-Television-Marketing (DRTV) gibt es zwei grundsätzliche Arten: spezi-
ell auf eine Kaufreaktion abgestelltes Fernsehmarketing und interaktive TV-(iTV-)Werbung.
Bei dem auf Kaufreaktion zielenden Fernsehmarketing senden die Direktvermarkter zwi-
schen 60 und 120 Sekunden lange Werbespots, in denen das Produkt angepriesen und eine
kostenlose Rufnummer oder Webseite für die Bestellung eingeblendet wird. Es gibt auch
volle Werbeprogramme von 30 Minuten oder mehr für einzelne Produkte, sogenannte Info-
mercials. Am weitesten verbreitet sind Infomercials in den USA. In anderen Ländern wie
Großbritannien hat es dieser Ansatz aufgrund strenger Auflagen eher schwer und war bislang
relativ unüblich. High Street TV ist jedoch ein Vorreiter für die Entwicklung von Infomerci-
als im Vereinigten Königreich, z.B. für das Zumba-Fitnessprogramm, an dem es die Rechte
für Großbritannien hält; es ist also etwas in Bewegung. In den USA hat man die Erfahrung
gemacht, dass erfolgreiche DRTV-Kampagnen zu hohen Abverkaufszahlen führen. So konnte
der bis dahin wenig bekannte Infomercial-Betreiber Guthy-Renker sein Akne-Produkt Proac-
tiv Solution sowie andere Produkte, die „das Leben verändern“, in Power-Marken verwan-
deln, die mit 5 Millionen aktiven Kunden einen Jahresumsatz von 1,8 Milliarden US-Dollar
erzielen (im Vergleich zu gerade einmal 150 Millionen US-Dollar Jahresumsatz im Bereich

813
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

der frei verkäuflichen Aknemittel auf dem US-Markt). Heute kombiniert Guthy-Renker DRTV
mit Kampagnen in den sozialen Medien und nutzt Facebook, Pinterest, Google+, Twitter und
YouTube zum Aufbau starker integrierter Direktmarketingkanäle, die Kundenfrequenz und
Umsatz generieren.
DRTV-Werbung wird oft mit diesem lauten, fragwürdigen Anpreisen von Reinigern, Flecke-
nentfernern, Küchengeräten und schicken Sportgeräten für Fitness ohne Qual in Verbindung
gebracht. Seit einigen Jahren allerdings nutzen immer mehr große Unternehmen – von P&G,
Disney, Revlon und Apple bis hin zu Toyota, Coca-Cola, Anheuser-Busch und sogar die US
Navy – Infomercials zum Verkauf ihrer Waren, zur Frequenzsteigerung im Handel, zur Rekru-
tierung von Mitgliedern oder zur Lenkung von Kundenströmen auf die Webseiten, mobilen
Seiten oder sozialen Netzwerke. Eine neuere Form des DRTV-Marketings ist das interaktive
TV (iTV), bei dem der Zuschauer mit dem Fernsehprogramm und der Werbung interagieren
kann. Dank Technologien wie den interaktiven Kabelsystemen, internetfähigen Smart TVs
sowie Smartphones und Tablets können die Kunden ihre Fernbedienungen, Telefone oder
anderen Geräte nutzen, um weitere Informationen zu erhalten oder Bestellungen direkt von
der Fernsehwerbung aus zu tätigen. Der Modehändler H&M beispielsweise sendete Spots, bei
denen Zuschauer mit bestimmten Samsung Smart TVs über ihre Fernbedienung direkt mit
der Werbung interagieren konnten. Über ein kleines, während der Werbung angezeigtes
Menü wurden Produktinformationen, die Möglichkeit zur Weiterleitung auf ein anderes
Gerät sowie zur direkten Bestellung eingeblendet. Interessanterweise nutzen Briten mehr
internetvernetztes Fernsehen als der Rest Europas. Fast ein Viertel der britischen Verbrau-
cher besitzt ein Smart TV, von denen etwa vier Fünftel mit dem Internet verbunden sind.
Während das traditionelle Fernsehen in Großbritannien zurückgeht, sehen sich britische Ver-
braucher zunehmend Sendungen und Filme sowie Programme auf Abruf im Internet an – es
tun sich offenbar immer neue Möglichkeiten auf.
Wegen der fließenden Grenzen zwischen Fernseh- und anderen Bildschirmen werden inter-
aktive Werbung und Infomercials nicht mehr nur im Fernsehen ausgestrahlt, sondern
erscheinen auch auf mobilen Geräten, im Internet und in den sozialen Medien, wodurch
immer mehr TV-ähnliche interaktive Direktmarketing-Kanäle entstehen. Der US-Händler Tar-
get platzierte beispielsweise Dutzende seiner Produkte aus der neuen Heim-Kollektion in der
Episode einer beliebten Comedy-Serie, die gleichzeitig auch im Netz ausgestrahlt wurde.
Zuschauer, die die Produkte auf dem Bildschirm sahen, konnten diese über ihr Telefon oder
andere Geräte bestellen. Entdeckte man in der Sendung zum Beispiel eine Lampe, die einem
gefiel, klickte man in der Onlineversion einfach auf ein rot blinkendes Pluszeichen auf dem
Produkt und gelangte so auf die Seite Target.com, um den Artikel zu kaufen. „Das ist eine
Mischung aus Produktintegration, bei der die Artikel wirklich in die Handlung des Dreh-
buchs und damit einem großen Netzwerk integriert sind, und einem einmaligen Einkaufser-
lebnis“, so der stellvertretende Marketingchef bei Target.

Kioskmarketing
Da Verbraucher immer vertrauter mit digitalen Technologien und Touchscreens werden, stel-
len viele Unternehmen Informationsterminals und Automaten zur Bestellung von Waren –
sogenannte Kiosksysteme – in Geschäften, an Flughäfen, in Hotels, auf Universitätsgeländen
und an anderen Orten auf. Solche Kiosksysteme sieht man heutzutage überall, von Check-in-
Geräten in Hotels und Flughäfen bis zu automatisierten Produkt- und Informationsständen in
Einkaufszentren und Automaten in den Filialen, mit denen man nicht vorrätige Ware direkt
im Geschäft bestellen kann. „Noch bis vor Kurzem hatten Verkaufsautomaten Hebel und

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17.5 Öffentliche Verantwortung und Ethik im digitalen und Direktmarketing

Schlitze für den Geldeinwurf, heute haben sie Gehirne“, so ein Analyst. Viele moderne
„intelligente“ Kioske funktionieren heute drahtlos. Und einige Geräte besitzen sogar eine
Gesichtserkennungssoftware, mit der Geschlecht und Alter des Kunden ermittelt und pas-
sende Produktempfehlungen unterbreitet werden können. An Terminals von Kodak, Fuji und
HP in den Geschäften können Kunden Fotos von Speicherkarten, Mobiltelefonen und ande-
ren digitalen Speichern laden, bearbeiten und in erstklassiger Qualität ausdrucken. Um zu
gewährleisten, dass amerikanische Verbraucher immer eine Kaufgelegenheit in der Nähe
haben, hat ZoomSystems in den USA einen kleinen, freistehenden Kiosk namens Zoom-
Shops für verschiedene Anbieter, von Apple, Sephora und The Body Shop bis hin zu Best
Buy, entwickelt. So kann man an 100 „Best Buy Express ZoomShop“-Terminals im ganzen
Land – immer an gut zugänglichen Standorten wie Flughäfen, belebten Einkaufszentren und
Urlaubsunterkünften – eine ganze Bandbreite von tragbaren Abspielgeräten, Digitalkameras,
Spielekonsolen, Kopfhörern, Handy-Ladekabeln und anderen beliebten Produkten erwerben.
Wie ZoomSystems meint, „bietet der moderne automatisierte Handel [den Verbrauchern] die
Bequemlichkeit des Onlineshoppings mit der unmittelbaren Befriedigung des traditionellen
Einkaufs“.

17.5 Öffentliche Verantwortung und Ethik im digitalen


und Direktmarketing
In der Regel profitieren Direktvermarkter und ihre Kunden gleichermaßen von einer wech-
selseitig vorteilhaften Geschäftsbeziehung. Es gibt jedoch auch schwarze Schafe. Die aggres-
siven und bisweilen undurchsichtigen Taktiken einiger weniger Direktvermarkter können für
Verbraucher lästig oder sogar schädlich sein, was die ganze Branche in Mitleidenschaft zieht.
Die Missstände reichen von Aufdringlichkeit, über die sich Kunden schlicht ärgern, bis hin
zu unfairen Praktiken und sogar dem Tatbestand der Täuschung und des Betrugs. Die Bran-
che des Direktmarketings sieht sich außerdem mit Problemen beim Schutz der Privatsphäre
konfrontiert, während Onlinemarketer sich mit Sicherheitsfragen im Internet und mobilen
Medien auseinandersetzen müssen.

17.5.1 Ärgernisse, unfaire Praktiken, Täuschung und Betrug


Übertriebenes Direktmarketing ist für viele Kunden ein Ärgernis. So stören sich die meisten
von uns an zu lauter, zu langer, schriller und aufdringlicher Fernsehwerbung. Unsere Brief-
kästen werden von Reklame und sonstiger unerwünschter Post verstopft, auf den Bildschir-
men unserer Computer, Telefone und Tablets tauchen unablässig Anzeigen, Dialog- und Wer-
befenster im Vorder- oder Hintergrund auf. Neben der Verärgerung von Kunden waren einige
Direktvermarkter auch mit dem Vorwurf konfrontiert, impulsive oder schlechter informierte
Kunden zu übervorteilen. Besonders in den USA gelten Teleshopping-Sender und ganze
Infomercial-Programme, die auf fernsehsüchtige Käufer zielen, als die größten Übeltäter. Ihre
Lockmittel sind redegewandte Moderatoren, raffiniert aufgebaute Präsentationen, angeblich
drastische Preisnachlässe, begrenzte Mengen (solange der Vorrat reicht) und eine beispiellose
Bequemlichkeit beim Kauf, denen anfällige Käufer wenig entgegenzusetzen haben. Schlim-
mer noch: Sogenannte „Heat Merchants“ verfassen Serienbriefe und Werbetexte, um Käufer
in die Irre zu führen. Betrügerische Machenschaften wie erfundene Geldanlagen oder falsche
Spendenaufrufe haben in den letzten Jahren ebenfalls um ein Vielfaches zugenommen. Inter-
netbetrug, inklusive Identitätsdiebstahl und Scheingeschäften, ist zu einem ernsten Problem
geworden. Laut des „Internet Crime Complaint Center“, einer Beschwerdestelle des FBI,

815
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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

haben sich die Meldungen über Internetbetrügereien allein in den USA seit 2005 auf fast
300.000 Fälle pro Jahr verdreifacht. Der wirtschaftliche Schaden beläuft sich auf über 500
Millionen US-Dollar jährlich. Für Europa gibt es keine vergleichbaren Zahlen, obwohl das
neue European Cybercrime Centre im Jahr 2015 seinen Betrieb aufgenommen hat.
Eine gängige Form des Internetbetrugs ist das sogenannte Phishing, eine Art Identitätsdieb-
stahl, bei der arglose Nutzer durch täuschende E-Mails und falsche Webseiten zur Angabe
ihrer persönlichen Daten aufgefordert werden. Verbraucher erhalten zum Beispiel eine E-
Mail, scheinbar von ihrer Bank oder Kreditkartenfirma, mit der Information, dass die Sicher-
heit ihres Kontos in Gefahr ist. Der Absender verweist dann auf eine bestimmte Internetad-
resse, auf welcher der Kunde seine Kontonummer, das Passwort und möglicherweise andere
persönliche Daten eingeben soll. Folgt man den Anweisungen, macht man diese sensiblen
Daten Kriminellen zugänglich. Obwohl viele Verbraucher inzwischen über diese betrügeri-
schen Machenschaften aufgeklärt sind, verursacht Phishing denen, die ins Netz gegangen
sind, zum Teil erhebliche Kosten. Es schadet auch der Markenidentität seriöser Onlinemar-
keter, die sich eine Vertrauensbasis bei Internet-, E-Mail- und anderen digitalen Geschäften
aufgebaut haben. Viele Verbraucher sind besorgt über die digitale Sicherheit. Sie befürchten,
dass skrupellose Spione ihre Onlineaktivitäten und Posts in den sozialen Medien verfolgen
und sich Zugang zu ihren persönlichen Daten oder Kredit- und EC-Karten verschaffen könn-
ten. Trotz des rasanten Wachstums beim Onlineshopping zeigt eine Studie, dass 75 Prozent
der Internetkäufer Identitätsdiebstahl fürchten.
Ein weiteres Thema im Marketing ist die Ansprache sensibler oder nicht befugter Gruppen.
Die Anbieter von Produkten und Seiten für Erwachsene haben Probleme, den Zugang von
Minderjährigen zu den Seiten zu beschränken. Obwohl Facebook-Profile für Kinder unter 13
Jahren untersagt sind, schätzt man, dass 40 Prozent der unter 18-jährigen Facebook-Nutzer
tatsächlich jünger als 13 sind. Facebook löscht täglich 200.000 Nutzerkonten von Minderjäh-
rigen. Und nicht nur Facebook. Junge Nutzer loggen sich in soziale Netzwerke wie Form-
spring ein, geben ihren Aufenthaltsort im Netz bekannt und befreunden sich mit Fremden
auf den Spieleseiten von Disney und anderen. Besorgte Regierungen diskutieren derzeit über
Gesetze, die einen besseren Schutz von Kindern im Internet ermöglichen sollen. Leider erfor-
dert dies die Entwicklung technischer Lösungen, und das ist, wie Facebook es ausdrückt,
„nicht ganz so einfach“.

17.5.2 Datenschutz
Das Eindringen in die Privatsphäre steht heute beim Direktmarketing vielleicht am stärksten
im öffentlichen Fokus. Verbraucher profitieren häufig vom datenbezogenen Marketing; sie
erhalten mehr auf ihre Interessen zugeschnittene Angebote. Viele Kritiker befürchten jedoch,
dass Werbetreibende zu viel über das Leben ihrer Kunden wissen und diese Informationen
für unlautere Übervorteilung nutzen könnten. Ab einem bestimmten Punkt, so meinen sie,
verletzt die übermäßige Datennutzung die Privatsphäre der Verbraucher. Auch diese machen
sich Gedanken. Obwohl die Menschen heute viel bereitwilliger persönliche Informationen
und Vorlieben mit Werbetreibenden in den digitalen und sozialen Medien teilen, ist ihnen
dabei nicht ganz wohl. Einer Studie zufolge stimmten drei Viertel der Befragten der Aussage
zu: „Niemand sollte auf meine persönlichen Daten oder mein Internetverhalten zugreifen
dürfen.“ Eine andere zeigt, dass 92 Prozent der Internetnutzer in den USA über den Schutz
ihrer Privatsphäre besorgt sind.

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17.5 Öffentliche Verantwortung und Ethik im digitalen und Direktmarketing

Heute scheint es, dass fast jedes Mal, wenn Verbraucher etwas in den sozialen Medien pos-
ten, einen Tweet versenden, eine Webseite besuchen, an einem Preisausschreiben teilneh-
men, eine Kreditkarte beantragen oder telefonisch bzw. im Internet etwas bestellen, ihre
Namen in der übervollen Datenbank eines Unternehmens landen. Durch raffinierte Compu-
tertechnologien können Direktvermarkter diese Datenbanken nutzen, um ihre Verkaufsstrate-
gien sehr genau auf die Zielgruppen abzustimmen. Die meisten Marketer sind äußerst ver-
siert im Sammeln und Analysieren detaillierter Kundeninformationen, im Internet und
außerhalb. Einige Verbraucher und politische Entscheidungsträger fürchten, dass die stän-
dige Verfügbarkeit von Informationen die Verbraucher anfällig für Datenmissbrauch macht.
So fragen sie sich: Dürfen Onlinehändler die Browser von Kunden, die ihre Seiten besuchen,
mit Cookies versehen und Aktivitäten nachverfolgen, um ihre Anzeigen und ihr Marketing
zielgenauer zu machen? Dürfen Kreditkartenfirmen die Daten von Millionen Kunden welt-
weit an die Einzelhändler weitergeben, die diese Karten akzeptieren? Oder dürfen Regie-
rungsbehörden die Namen und Adressen von Führerscheininhabern weiterverkaufen?

17.5.3 Handlungsbedarf
Um übermäßiges Marketing einzudämmen, haben Regierungsbehörden in verschiedenen
Ländern nicht nur Anrufverbots-Listen, sondern auch E-Mail-Verbotslisten, Tracking-Ver-
botslisten und „Can Spam“-Gesetze eingeführt. Als Reaktion auf Datenschutz- und Sicher-
heitsbedenken im Netz erwägen viele nationale Regierungen und europäische Behörden eine
Reihe gesetzlicher Maßnahmen, um den Zugang und die Anwendung von Nutzerdaten durch
Betreiber im Internet sowie den sozialen und mobilen Medien zu regeln. Neue Gesetze ver-
sprechen den Verbrauchern mehr Kontrolle über die Verwendung ihrer Daten im Internet
und geben den Behörden mehr Raum für aktive Maßnahmen bei der Steuerung des Daten-
schutzes im Netz. Europäische Behörden haben schon mehrfach versucht, das als unzumut-
bar geltende Eindringen in die Privatsphäre der Verbraucher einzudämmen. So erhielten
europäische Verbraucher 2014 gemäß einer Anordnung des obersten Europäischen Gerichts-
hofes das „Recht, vergessen zu werden“. Dabei können Einzelpersonen von Google verlan-
gen, dass Suchergebnisse nach Eingabe ihres Namens im Internet gelöscht werden. In der
Folge musste Google Tausende solcher Anfragen bearbeiten. Neben den Richtlinien für
Datenschutz und Elektronische Kommunikation, die seit 2003 EU-weit gelten, trat 2012 die
neue EU-Verordnung für Datenschutz und Elektronische Kommunikation in Kraft und läu-
tete offenbar ein neues Zeitalter für die Regelung digitaler Geschäftsmodelle ein. Die neue
Verordnung soll die Privatsphäre von Nutzern schützen, falls diese ein Verfolgen ihrer Akti-
vitäten im Internet ablehnen. Die Regelungen kamen nach Beschwerden privater Organisatio-
nen zustande, die sich über den Einsatz von Cookies zur Verfolgung von Webaktivitäten und
auf dem Internetverhalten von Kunden basierender Werbeansprachen besorgt zeigten. Die
Verordnung sieht ein optionales System vor, in dem Nutzer der Verwendung von Cookies
zustimmen müssen. Klar ist aber, dass verschiedene europäische Länder auch verschiedene
Ansätze für die Auslegung und Anwendung der neuen Regelungen haben und der EU-Daten-
schutzbeauftragte bei deren Durchsetzung vor großen Herausforderungen steht. Außerdem ist
es für Behörden schwierig, die Aktivitäten starker globaler Organisationen wie Facebook und
Google zu kontrollieren. Anfang 2012 brachte Google eine neue Datenschutzpolitik heraus,
nach der das Unternehmen die Nutzerinformationen aus einem seiner Dienste wie der Such-
funktion oder Gmail anwenden und zur Verbesserung der Inhalte auf anderen Funktionen
nutzen darf. Inhalte der über Gmail versendeten E-Mails können so z.B. verwendet werden,
um zu steuern, welche Werbung dem Nutzer auf YouTube angezeigt wird. Google realisierte

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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

diese Änderungen trotz behördlicher Aufforderungen zur Unterlassung und Warnungen,


dass dieses Vorgehen gegen EU-Gesetze verstoßen könnte. All diese Bedenken erfordern
wirksame Maßnahmen von Marketern, um Datenmissbrauch zu verhüten, ehe der Gesetzge-
ber entsprechend einschreiten muss. Um erweiterten staatlichen Regulierungen vorzugrei-
fen, haben sechs Werbeverbände in den USA – die American Association of Advertising
Agencies, die American Advertising Federation, die Association of National Advertisers, die
Direct Marketing Association, das Interactive Advertising Bureau und die Network Adverti-
sing Initiative – unter dem Dach der Digital Advertising Alliance eine Reihe von Grundsätzen
für Onlinewerbung auf den Weg gebracht. Unter anderem sehen die freiwilligen Auflagen
eine Transparenzpflicht für Marketer vor sowie die Wahlmöglichkeit für Kunden, ob im
Internet angesehene Daten gesammelt bzw. für interessenbezogene Werbung genutzt werden
darf. Die Werbebranche hat sich auf ein Symbol für Anzeigen geeinigt, das „advertising
option icon“ – ein kleines „i“ in einem Dreieck –, das neben zielgerichteter Onlinewerbung
(inklusive Webseiten, mobilen Webseiten und Apps) auftaucht und Kunden darauf hinweist,
warum sie eine bestimmte Anzeige sehen und dass sie ihre Zustimmung dazu verweigern
können.
Der Datenschutz von Kindern ist von besonderer Bedeutung. Mit dem Aufkommen sozialer
Netzwerke, Mobiltelefone und anderer Geräte sowie der verbreiteten Aktivität besonders jun-
ger Menschen gilt die Hauptsorge der Datenmenge, die von Dritten aus den sozialen Medien
abgefangen wird, sowie den eigenen obskuren Datenschutzrichtlinien der Netzwerke. In den
USA wurde im Jahr 2000 das Children’s Online Privacy Protection Act (COPPA, Gesetz zum
Schutz der Privatsphäre von Kindern im Internet) eingeführt, das vorsieht, dass die Betreiber
von Internetinhalten für Kinder ihre Datenschutzgrundsätze auf der Seite veröffentlichen
müssen. Ferner müssen sie die Eltern über sämtliche gesammelten Daten informieren und
deren Zustimmung einholen, ehe sie persönliche Daten von Kindern unter 13 Jahren spei-
chern. Das COPPA wurde 2013 erweitert und erfasst nun auch Identifizierungssoftware wie
Cookies, die Onlineaktivitäten von Kindern verfolgen können, sowie Ortungsinformationen,
Fotos, Videos und Audiodateien. Datenschutzorganisationen drängen die US-Regierung, das
COPPA auch um neue Technologien und die Rechte von Teenagern zu ergänzen.
Doch trotz eines vergleichbaren europäischen Rahmenwerks rund um Datenschutzfragen gibt
es deutliche Unterschiede zwischen den Datenschutzgesetzen in der EU und den USA. Kriti-
ker auf beiden Seiten des Atlantiks halten den Schutz von Einzelpersonen für unzureichend.
Viele Unternehmen haben auf Datenschutz- und Sicherheitsbedenken mit eigenen Maßnah-
men reagiert. Wieder andere wenden branchenweite Ansätze an. So arbeitet die selbstregulie-
rende gemeinnützige Organisation TRUSTe mit vielen großen wirtschaftlichen Sponsoren
wie Microsoft, Yahoo!, AT&T, Facebook, Disney und Apple zusammen, um Datenschutz-
sowie Sicherheitsmaßnahmen zu kontrollieren und Verbraucher beim sicheren Surfen im
Internet zu unterstützen. Laut Firmenwebseite „glaubt TRUSTe, dass ein Umfeld gegenseiti-
gen Vertrauens und Offenheit dazu beitragen kann, das Internet zu einer freien, angenehmen
und äußerst spannenden Gemeinschaft für alle zu machen“. Das firmeneigene TRUSTe-
Datenschutz-Logo auf Webseiten, bei mobilen Apps, beim E-Mail-Marketing und anderen
Online- sowie Social-Media-Kanälen soll Kunden garantieren, dass Datenschutz- und Sicher-
heitsstandards eingehalten werden. Das TRUSTe-Siegel ist jedoch kein Garant dafür, dass
eine Webseite gesetzlichen Datenschutzanforderungen wie z.B. der Europäischen Daten-
schutz-Verordnung entspricht, sondern verweist lediglich auf die firmeneigenen Daten-
schutz-Bestimmungen.

818
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
Zusammenfassung

Die Branche des Direktmarketings insgesamt reagiert ebenfalls auf die öffentliche Verantwor-
tung. Branchenorganisationen wie die DMA in den USA ergreifen mit konkreten Datenschut-
zerklärungen wichtige Maßnahmen zur Stärkung des Verbrauchervertrauens bei Internetge-
schäften. Vergleichbare Initiativen in Europa haben ähnliche, wenn auch weniger
weitreichende Ansätze (z.B. die britische Direct Marketing Association). Direktvermarkter
wissen, dass eine Vernachlässigung von Problemen durch Datenmissbrauch negative Kun-
denreaktionen, weniger Rückmeldungen und weniger Kundenbindung sowie verstärkte Rufe
nach mehr staatlicher Kontrolle nach sich ziehen. Die meisten Direktvermarkter haben das
gleiche Ziel wie ihre Kunden: ehrliche und gut gestaltete Marketingangebote, die rein auf die
Wünsche der Kunden zielen und ihren Bedürfnissen entsprechen. Direktmarketing ist ein-
fach zu kostspielig, um es bei Kunden einzusetzen, die es nicht wollen.

Z US A M M EN FA SSU N G

Direktmarketing und digitales Marketing umfassen eine direkte Einbindung der Kunden
durch gezielte Ansprache einzelner Kunden und Gemeinschaften, um sowohl kurzfris-
tige Reaktionen zu erzeugen als auch langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen.
Unternehmen nutzen das Direktmarketing für maßgeschneiderte Angebote, die den
Bedürfnissen und Interessen eines eng begrenzten Kundensegments oder einzelner Käu-
fer entsprechen, um so eine direkte Kundenbindung, Markengemeinschaften und
Umsätze zu erzeugen. Mit der immensen Verbreitung des Internets und des Onlinehan-
dels sowie der rasanten Entwicklung bei den digitalen Technologien – von Smartpho-
nes, Tablets und anderen digitalen Geräten bis zu den zahlreichen sozialen und mobilen
Medien – hat sich das Direktmarketing grundlegend verändert. Für Käufer sind Direkt-
marketing und digitales Marketing bequem, unkompliziert und diskret. Sie haben über-
all und jederzeit Zugriff auf eine fast unbegrenzte Menge von Produkten und Informatio-
nen. Außerdem ermöglicht das Direktmarketing durch seinen unmittelbaren und
interaktiven Charakter die Zusammenstellung genau der Informationen, Produkte oder
Dienste, die der Kunde wünscht, sowie die sofortige Gelegenheit zur Bestellung. Und
schließlich bietet das Direktmarketing über das Internet sowie die mobilen und sozialen
Medien den dafür aufgeschlossenen Kunden die Bildung von Gemeinschaften rund um
die Marke – hier können sie Informationen und Erfahrungen mit anderen Anhängern
der Marke austauschen. Für Verkäufer sind Direktmarketing und digitales Marketing
starke Instrumente zum Aufbau von Kundenbindung sowie enger, persönlicher und
interaktiver Kundenbeziehungen. Ferner bieten sie eine hohe Flexibilität und ermögli-
chen den Marketingverantwortlichen laufende Anpassungen bei den Preisen und Sorti-
menten oder das Unterbreiten persönlicher und aktueller Angebote.
Die wichtigsten Formen des Direktmarketings und des digitalen Marketings beinhalten
traditionelle Ansätze des Direktmarketings wie auch neue digitale Marketingstrategien.
Die traditionellen Ansätze umfassen persönlichen Verkauf, Direct-Mail-Marketing, Kata-
logmarketing, Telefonmarketing, Direct-Response-Television-Marketing (DRTV) und
Kioskmarketing. Diese sind nach wie vor weit verbreitet und für das Direktmarketing
der meisten Firmen noch immer von Bedeutung. In den letzten Jahren wurde die Marke-
tinglandschaft allerdings regelrecht überflutet von neuen digitalen Instrumenten im
Direktmarketing, darunter Onlinemarketing (Webseiten, Onlineanzeigen und Aktionen,
E-Mails, Onlinevideos und Blogs), Social-Media-Marketing und mobiles Marketing.

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17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

Das digitale Zeitalter hat die Auffassung der Kunden von Annehmlichkeit, Geschwin-
digkeit, Preis, Produktinformation, Service und Markenkommunikation von Grund auf
verändert. Somit verfügen Marketingverantwortliche über einen ganz neuen Ansatz für
die Erzeugung von Kundennutzen, die Einbindung von Kunden und den Aufbau von
Kundenbeziehungen. Heute beeinflusst das Internet unglaubliche 50 Prozent der
Gesamtumsätze – sowohl durch den Onlinehandel direkt als auch durch Einkäufe in
den Filialen, denen eine Onlinesuche vorausging. Um diesen aufstrebenden Markt zu
erreichen, sind viele Unternehmen heute im Internet aktiv.
Onlinemarketing umfasst mehrere Formen, darunter Unternehmenswebseiten, Werbung
und Aktionen im Internet, E-Mail-Marketing, Onlinevideos und Blogs. Auch Social-
Media-Marketing und mobiles Marketing finden im Internet statt. Aufgrund ihrer beson-
deren Merkmale werden diese stark an Bedeutung gewinnenden digitalen Marketings-
trategien in getrennten Abschnitten erörtert. Für die meisten Unternehmen besteht der
erste Schritt ins Onlinemarketing in der Gestaltung einer Webseite. Eine erfolgreiche
Webseite muss dem Kunden ausreichend Nutzen und Anreiz bieten, damit er sie
anklickt, sich umsieht und darauf zurückkommt. Onlinewerbung hat sich zu einem
bedeutenden Medium entwickelt. Die wichtigsten Formen der Onlinewerbung sind
Online-Banner sowie suchverwandte Anzeigen. Auch das E-Mail-Marketing gehört zu
den bedeutenden Formen des Digitalmarketings. Richtig eingesetzt können E-Mails
äußerst zielgerichtete, personalisierte und beziehungsfördernde Botschaften transportie-
ren. Eine weitere wichtige Form des Onlinemarketings ist das Posten digitaler Videoin-
halte auf den Markenwebseiten oder in den sozialen Medien. Marketer hoffen, dass sich
ihre Videos verbreiten und Millionen Kunden erreichen. Schließlich können Unterneh-
men auch Blogs als effektives Mittel zur Erreichung bestimmter Kundengruppen einset-
zen. Sie können eigene Blogs gestalten, in bestehenden Blogs werben oder die dortigen
Inhalte beeinflussen.
Im modernen digitalen Zeitalter sind zahllose unabhängige und kommerzielle soziale
Medien entstanden, die Verbrauchern die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen und
Meinungen sowie Informationen auszutauschen. Die meisten Marketer schwimmen
heute auf dieser riesigen Welle der sozialen Netzwerke mit. Marken können entweder
bestehende soziale Medien nutzen oder ihre eigenen schaffen. Die Nutzung bestehender
sozialer Medien scheint der einfachste Ansatz. Daher haben die meisten Marken, ob
groß oder klein, einen Onlineshop auf Drittseiten in den sozialen Netzwerken geschal-
tet. Einige soziale Netzwerke sind riesig; andere sind Nischenmedien für einen kleinen
Kreis von Gleichgesinnten. Neben diesen unabhängigen sozialen Medien haben viele
Unternehmen eigene Markengemeinschaften im Internet aufgebaut. Statt vereinzelte
Maßnahmen zu treffen und nur den „Likes“ und Tweets nachzujagen, besteht die erfolg-
reiche Nutzung sozialer Medien für Unternehmen in der Integration einer großen Band-
breite diverser Medien, um eine markenbezogene Vernetzung, Einbindung und Kunden-
gemeinschaft zu erzeugen. In der Nutzung sozialer Medien liegen sowohl Chancen als
auch Risiken. Zum einen sind soziale Medien zielgerichtet und persönlich, interaktiv,
direkt und spontan sowie kostengünstig. Der größte Vorteil liegt sicher in den gebotenen
Möglichkeiten der Aktivität und sozialen Vernetzung, was sie ideal für die Bildung von
Kundengemeinschaften macht. Andererseits sind die kundengesteuerten Inhalte der
sozialen Medien schwer zu kontrollieren.

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Zusammenfassung

Mobiles Marketing zeichnet sich durch Marketingbotschaften, Werbung und andere


Inhalte aus, die den Kunden über ihre mobilen Geräte überall zugänglich sind. Marketer
nutzen das mobile Marketing, um Kunden überall und jederzeit während des Kauf- und
Kundenbindungsprozesses zu erreichen. Die weitverbreitete Nutzung mobiler Geräte
und die rasante Zunahme des mobilen Internetverkehrs haben das mobile Marketing für
die meisten Marken unverzichtbar gemacht und fast alle großen Marketer setzen das
mobile Marketing heute innerhalb ihrer Marketingstrategie ein. Viele Marketer haben
eigene mobile Internetseiten gestaltet. Andere haben nützliche oder unterhaltsame
mobile Apps entwickelt, um Kunden an ihre Marke zu binden und sie beim Einkauf zu
unterstützen.
Obwohl die schnell wachsenden Bereiche des digitalen Marketings in letzter Zeit das
beherrschende Thema waren, sind die traditionellen Marketinginstrumente noch immer
gefragt und werden vielfach eingesetzt. Die wichtigsten Formen sind der persönliche
Verkauf, das Direct-Mail-Marketing, das Katalogmarketing, das Telefonmarketing, das
Direct-Response-Television-Marketing und das Kioskmarketing. Das Direct-Mail-Marke-
ting umfasst den Versand von Angeboten, Ankündigungen, Erinnerungen oder anderen
Postsendungen an bestimmte Personen. Einige Marketer setzen auf das Katalogmarke-
ting – den Verkauf über Kataloge, die per Post an Kunden gesendet werden, in Geschäf-
ten ausliegen oder im Internet angesehen werden können. Beim Telefonmarketing
erfolgt der Verkauf telefonisch direkt an den Kunden. Das Direct-Response-Television-
Marketing besteht aus zwei Formen: speziell auf eine Kaufreaktion abgestelltes Fernseh-
marketing und interaktive TV-(iTV-)Werbung. Kiosksysteme sind Geräte zu Informa-
tions- oder Buchungszwecken, die in Geschäften, an Flughäfen, in Hotels und an ande-
ren Orten aufgestellt werden können.
In der Regel profitieren Direktvermarkter und ihre Kunden beide von der Geschäftsbe-
ziehung. Es gibt jedoch auch schwarze Schafe. Die aggressiven und bisweilen undurch-
sichtigen Taktiken einiger weniger Direktvermarkter können für Verbraucher lästig oder
sogar schädlich sein, was die ganze Branche in Mitleidenschaft zieht. Die Missstände
reichen von Aufdringlichkeit, über die sich Kunden schlicht ärgern, bis hin zu unfairen
Praktiken und sogar dem Tatbestand der Täuschung und des Betrugs. Die Branche des
Direktmarketings sieht sich außerdem mit Problemen beim Schutz der Privatsphäre kon-
frontiert. Diese Themen erfordern effektive Maßnahmen von Marketern sowie öffentli-
chen Entscheidungsträgern, um Datenmissbrauch im Direktmarketing einzudämmen.
Schließlich haben die meisten Direktvermarkter das gleiche Ziel wie ihre Kunden: ehrli-
che und gut gestaltete Marketingangebote, die sich gezielt an die Kunden wenden, die
sie schätzen und positiv darauf reagieren.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
17 Direktmarketing, Onlinemarketing, mobiles und Social-Media-Marketing

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825
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TEIL IV
Die erweiterte Perspektive des
Marketing

18 Wettbewerbsvorteile schaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829

19 Internationales Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865

20 Marketing und Gesellschaft: Gesellschaftliche


Verantwortung und Ethik im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . 911

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Wettbewerbsvorteile
schaffen

18.1 Wettbewerbsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 834 18


18.2 Wettbewerbsstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 842
18.3 Gleichgewicht zwischen Kunden- und

ÜBERBLICK
Wettbewerbsorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862

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zeugen und Zugang über viele Endgeräte
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gen und Wiederholen von Definitionen

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... erklären, wie wichtig es ist, nutzenorientierte Marketingstrategien zu entwickeln,
die das Unternehmen gegenüber seinen Konkurrenten positionieren und ihm den
stärksten möglichen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
 ... die wichtigsten Schritte einer Konkurrenzanalyse erläutern.
 ... die Wettbewerbsstrategien der Marktführer, mit denen sie den Markt vergrößern
und ihre Marktanteile erweitern bzw. schützen, beschreiben.
 ... die Strategien der Herausforderer und der Verfolger erkennen und erläutern.
 ... erläutern, warum ein wirklich marktorientiertes Unternehmen sowohl seine Kun-
den als auch seine Wettbewerber kennen und in seiner Strategie berücksichtigen
sollte.

In den vorherigen Kapiteln haben Sie die Grundlagen des Marketings kennengelernt. Sie
haben erfahren, dass Marketing das Ziel hat, Kunden zu binden und Werte für Kunden zu
schaffen, um im Gegenzug Werte von ihnen zurückzuerhalten. Unternehmen, die erfolgrei-
ches Marketing betreiben, gewinnen und halten Kunden und entwickeln ihre Kundenbasis
weiter, indem sie die Bedürfnisse der Kunden verstehen, kundenorientierte Marketingstrate-
gien entwickeln, werteschaffende Marketingprogramme gestalten, Kunden einbinden und
Beziehungen zu Kunden und Marketingpartnern aufbauen. In den letzten drei Kapiteln
erweitern wir dieses Konzept auf drei spezielle Bereiche: die Schaffung von Wettbewerbsvor-
teilen, globales Marketing sowie soziale und ökologische Nachhaltigkeit im Marketing.
Zu Beginn beleuchten wir die Wettbewerbsstrategie von SodaStream. SodaStream positio-
niert sich als clevere Alternative zu den in Flaschen und Dosen abgefüllten Getränken.

Einführende Fallstudie: SodaStream – bringt es eine neue Spritzigkeit


in die USA?

Der Markt für Erfrischungsgetränke wird von riesigen Wettbewerbern beherrscht.


Zusammen halten Coca-Cola und PepsiCo beachtliche 67 Prozent des 25 Milliarden
Euro schweren US-Markts. Die Nummer drei, die Dr. Pepper Snapple Group mit Eigen-
marken wie Dr. Pepper, 7-Up, Schweppes, Canada Dry und Crush, hält weitere 21 Pro-
zent. Diese Softdrink-Giganten investieren gewaltige Summen in die Entwicklung neuer
Produkte und in das Marketing, um ihre Marktpositionen noch weiter auszubauen – so
bleibt für kleinere Marken oder Marktneulinge ziemlich wenig übrig.
Ein kleines Start-up jedoch, nämlich SodaStream, brachte durch eine kluge Wettbe-
werbsstrategie eine neue Spritzigkeit in den Markt für Erfrischungsgetränke. Soda-
Stream konkurriert nicht direkt mit den Größen des Markts auf breiter Front – stattdes-
sen hat es sich eine besondere Marktnische erobert. Denn SodaStream verkauft
eigentlich keine Erfrischungsgetränke oder Mineralwasser, sondern eine Reihe von
Heimgeräten, mit denen die Verbraucher ihr Sodawasser selbst herstellen können. Soda-
Stream überlebt nicht nur, es gedeiht.

830
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Obwohl das Unternehmen noch vergleichsweise klein ist – mit Jahresumsätzen von rund
534 Millionen US-Dollar im Vergleich zu 43 Milliarden US-Dollar bei Coca-Cola und 58
Milliarden US-Dollar bei PepsiCo – wächst SodaStream schnell und profitabel. Die Umsätze
haben sich in den letzten vier Jahren vervierfacht, und das, obwohl der Markt für abgefüllte
kohlensäurehaltige Getränke um 1 bis 2 Prozent im letzten Jahr zurückgegangen ist. In sei-
ner Nische als Weltmarktführer für Soda-Heimgeräte liegt SodaStream vorn – nicht etwa
Coca-Cola oder Pepsi. Statt Coca-Cola und Pepsi direkt anzugehen, platzierte sich Soda-
Stream als sensible, verantwortungsvolle Alternative zu den Flaschen- und Dosengetränken
seiner übergroßen Konkurrenten. Der Slogan: „SodaStream: Clever. Einfach. Prickelnd.“
Die Wassersprudler von SodaStream sind einfach und praktisch in der Anwendung.
Durch einen Kohlensäure-Zylinder verwandelt SodaStream einfaches Leitungswasser in
frisches Sprudelwasser, und das in wenigen Sekunden. Es müssen keine schweren Fla-
schen geschleppt, gelagert oder recycelt werden. Die leeren Zylinder können im Laden
gegen volle umgetauscht werden. Verglichen mit den Softdrinks und Tafelwasser in Fla-
schen und Dosen ist das SodaStream-System auch wirtschaftlich. Mit SodaStream kann
man die gleiche Menge eines handelsüblichen Gebindes mit acht Flaschen à ca. 350
Milliliter um 50 Prozent günstiger herstellen. Die Benutzung von SodaStream macht
unabhängig, und sogar Spaß. SodaStream lädt seine Kunden ein, kreativ zu sein und
„das Prickeln zu entfachen“. Mit dem Heim-Sprudelsystem können die Kunden ihre
eigenen Getränke mit verschiedenen Geschmacksrichtungen und Kohlensäuregehalt
herstellen. SodaStream bietet mehr als 100 verschiedene Sirup-Sorten. Die SodaStream-
Geräte und -Flaschen selbst sind unverwechselbar. Es gibt acht verschiedene moderne
Ausführungen, die sich in jeder Küche gut machen – sogar ein Modell in Pinguin-Form
und zwei Modelle, die das Wasser in Glaskaraffen sprudeln. Die Flaschen kommen
ebenfalls in unterschiedlichen Designs daher, darunter auch Flaschen für den Urlaub
und besondere Anlässe (bald sogar personalisierte SodaStream-Flaschen).
Aber Augenblick, es gibt noch mehr. Die Heim-Sprudelgeräte von SodaStream sind gene-
rell besser für Sie. Die Geschmacksmischungen enthalten keinen hohen Fruchtzucker-
Anteil und nur etwa ein Drittel der Kohlenhydrate und Kalorien handelsüblicher Marken.
Viele SodaStream-Nutzer mixen auch Fruchtsäfte in das Sprudelwasser oder einfach
einen Spritzer Zitronen- oder Limettensaft. So entstehen Mixgetränke, die gesünder sind
als Sodagetränke aus dem Handel. Und letztlich ist SodaStream auch umweltfreundlicher
als Flaschen- oder Dosengetränke. Es reduziert den Energieverbrauch und schädliche
Emissionen beträchtlich im Vergleich zu der Herstellung, Abfüllung, dem Transport und
dem Recycling von Plastikflaschen und Aluminiumdosen. Der CO2-Fußabdruck für
Getränke, die mit dem SodaStream-System hergestellt werden, ist um 80 Prozent niedri-
ger als bei abgefüllten Getränken im Handel. Nach Angaben des Unternehmens ersetzt die
wiederverwendbare SodaStream-Flasche mehr als 10.000 herkömmliche Flaschen. All
diese Vorteile für den Verbraucher erzeugen enorme Möglichkeiten für SodaStream und
den Nischenmarkt für Erfrischungsgetränke, den es beherrscht. Und die Marke ist fest ent-
schlossen, der Nische durch Innovation, Produktentwicklung und Marketing zu entwach-
sen. In Anlehnung an die aktuellen Trendgetränke hat SodaStream zum Beispiel Xstream-
Energy-Mischungen entwickelt (die „Ihren Geist und Körper revitalisieren“ sollen), Soda-
Stream Isotonic (ein Sportgetränke-Mix zum „Ausgleich von Flüssigkeitsverlust und zur
Leistungssteigerung“) und SodaStream Sparkling Natural (100 Prozent frei von künstli-
chen Aromen, Farbstoffen, Süßungs- und Konservierungsmitteln).

831
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

Abbildung 18.1: Soda Stream-Set bestehend aus Wassersprudler, PET-Flasche und Kohlensäurezylinder
(Quelle: Santeri Viinamäki (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:SodaStream_set.jpg), https://creativecommons.org/
licenses/by-sa/4.0/legalcode)

SodaStream hat sich auch mit Kraft, Campbell und Ocean Spray zusammengetan, um
neue Sirup-Sorten für einige der beliebtesten Geschmacksrichtungen in den USA zu
entwickeln – von Country Time, Crystal Light und Kool-Aid bis hin zu V8-Saft und
Ocean Spray Cranberry. Neben der Markteinführung neuer Geschmacksrichtungen und
Geräte-Designs ging SodaStream kürzlich auch eine Partnerschaft mit Samsung zur Ent-
wicklung eines neuen Samsung-Getränkekühlschranks ein. Die Tür ist hier mit einem
SodaStream-Getränkespender für stilles oder sprudelndes Wasser ausgestattet.
Ein weiterer wichtiger Teil der Wettbewerbsstrategie ist das rasche Vordringen in neue
Märkte und Vertriebskanäle. Vor fünf Jahren wurden SodaStream-Produkte beispiels-
weise in mehr als 300 Geschäften in den USA verkauft. Mittlerweile ist die Anzahl der
Filialen auf 15.000 gestiegen (mehr als 60.000 weltweit), darunter die ganz großen
Namen wie Walmart, Target, Macy’s, Kohl’s, Costco, Williams-Sonoma, Amazon und
Bed Bath & Beyond.
Da SodaStream Geräte und keine abgefüllten Getränke verkauft, vermeidet es auch die
harte Konkurrenz um Regalfläche in den dicht bestückten Getränkeabteilungen. Tat-
sächlich liegt eine der größten Herausforderungen von SodaStream in neuen Märkten
darin, die belegten Regalflächen zu behalten. Die Produkte verkaufen sich schnell und
Ausverkäufe sind an der Tagesordnung. Wo SodaStream einer direkten Konkurrenz mit
den großen Marken in den Getränkeabteilungen aus dem Weg geht, sucht es sie in hoch-
karätiger Vergleichswerbung.

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In einem Spot für den Super Bowl XLVII zeigte SodaStream explodierende Coke- und
Pepsi-Flaschen und unterstrich damit das Umweltargument, dass SodaStream „allein
am Tag der Austragung 500 Millionen Flaschen einsparen könnte, wenn man einfach
nur lossprudelt“. Unter Druck von Coca-Cola und PepsiCo (zwei der größten Sponsoren
des Super Bowl) lehnte CBS den Werbespot ab – SodaStream brachte eine überarbeitete
Version ohne den Direktvergleich. Die ursprüngliche Vergleichswerbung wurde jedoch
im Internet 5 Millionen Mal angesehen. Auch bei SodaStreams Werbespot für den Super
Bowl XLVIII forderte der Fernsehsender Fox, den letzten Satz „Sorry, Coke und Pepsi“
zu entfernen. Also setzte SodaStream zur Weihnachtszeit auf eine anspruchsvolle Ver-
gleichswerbung mit Gesundheits- und Umweltbotschaft in den sozialen Medien. Ein
Seitenhieb auf Coke war zum Beispiel ein Post auf Pinterest, der einen schlankeren,
gesünderen Santa Claus in grüner Kleidung zeigt. Tweets mit dem Hashtag #GreenSanta
zeigen auch die Verwandlung des fröhlichen Weihnachtselfs durch SodaStream, wäh-
rend in der Rückblende die abgefüllten Markengetränke gezeigt werden.
Obwohl SodaStream von der Vorreiterrolle in diesem Nischenmarkt profitierte, blieb es
von den größten Konkurrenten nicht unentdeckt. Im Sommer 2018 wurde SodaStream
zum Kaufpreis von 3,2 Milliarden US-Dollar von PepsiCo übernommen, das damit
Schritte in Richtung eines gesünderen Portfolios setzt. Auch Coca-Cola investiert in
diese zukunftsträchtige Nische. Davon zeugt der Erwerb eines 10%igen Anteils an dem
Getränkehersteller Keurig Green Mountain’s. Die Zusammenarbeit zwischen dem ameri-
kanischen Kaffeemaschinen-Hersteller Keurig, der die Technologie der Spendersysteme
für kohlensäurehaltige Getränke liefert, und Coca-Cola, das die Produkte einbringt (wie
Coca-Cola und Dr. Pepper) sowie Keurigs Hausmarken für Soda und andere für das Sys-
tem passende Kaltgetränke könnte die künftigen Ergebnisse und den Erfolg von Soda-
Stream gefährden.
Die Zukunft von SodaStream ist ungewiss. Einerseits müssen neue Kunden gewonnen
und andererseits die bestehenden gleichzeitig gehalten werden. Indem es sich auf die
Positionierung als Lieferant natürlich aromatisierter Getränke und kalorienarmer Mixge-
tränke statt als reiner Sodahersteller konzentriert, kann SodaStream auch in die weniger
reifen Märkte wie Gesundheitsgetränke eintreten. Die Entwicklung innovativer Digital-
und Außenwerbung gehört zu SodaStreams künftigen Plänen, Aufmerksamkeit zu erre-
gen und das Bewusstsein, die Reichweite und Frequenz in der wichtigsten demografi-
schen Zielgruppe des Unternehmens zu erhöhen: Kunden über 25, meist Eltern und ver-
heiratete Paare.

Fragen
1. Welche Wettbewerbsstrategie verfolgt SodaStream?
2. Wie schafft es SodaStream trotz des Größenunterschieds zu Coke/Pepsi dennoch
von den Konsumenten „gehört“ zu werden?
3. Welchen Nutzen stiftet das Produkt SodaStream?
Quelle: Dr. Navdeep Athwal, Sheffield Business School

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

Seit den 90er-Jahren hat sich der Wettbewerb in vielen Branchen und Ländern deutlich ver-
schärft. In zahlreichen Staaten wurden Deregulierungen und Privatisierungen durchgeführt
und die Kräfte des Markts kommen stärker zum Zug. Weltweit werden in immer mehr Regio-
nen Handelsschranken aufgehoben und zahlreiche vorher geschützte Märkte geöffnet. Inter-
national tätige Unternehmen treten aggressiver in den rapide wachsenden chinesischen und
den südostasiatischen Markt ein und konkurrieren weltweit gegeneinander. Daraus resultiert,
dass Unternehmen heute gar keine andere Wahl haben, als „wettbewerbsfähig“ zu bleiben.
Sie müssen ihre Konkurrenten genau beobachten und die Bedürfnisse ihrer potenziellen
Kunden verstehen.
Dieses Kapitel beschäftigt sich nochmals im Detail mit der Art und Weise, wie Unternehmen
ihre Konkurrenten übertreffen können, um Kunden zu gewinnen, zu halten und gemeinsam
mit ihnen zu wachsen. In wettbewerbsintensiven Märkten bestehen nur die Unternehmen,
die nicht nur die Produktion von Gütern oder die Optimierung ihrer Wertschöpfungskette,
sondern insbesondere auch das Management ihrer Kundenbeziehungen beherrschen.
Dem Grundgedanken des Marketings folgend erreichen Unternehmen dann einen Wettbe-
werbsvorteil, wenn ihre Problemlösungen die Bedürfnisse der Zielgruppe besser befriedigen
als die Angebote der Konkurrenten. Sie können dem Käufer auf zwei Arten einen Mehrwert
bieten. Entweder erhält der Kunde für einen geringeren Preis als beim Wettbewerber das glei-
che Produkt oder es wird ihm ein höherer Nutzen geboten, der dann auch höhere Preise
rechtfertigt. Die Marketingstrategien eines Unternehmens müssen die Strategien der Wettbe-
werber ebenso berücksichtigen wie die Bedürfnisse der anvisierten Zielgruppe. Der erste
Schritt ist die Wettbewerbsanalyse, das heißt, die wichtigsten Konkurrenten sind zu identifi-
zieren und ihre Ziele, Stärken und Schwächen, Strategien und Reaktionsmuster sind genau
abzuschätzen. Der zweite Schritt ist die Entwicklung von wettbewerbsorientierten Marktstra-
tegien, die dem Unternehmen eine eindeutige und starke Positionierung gegenüber den Kon-
kurrenten verschaffen.

18.1 Wettbewerbsanalyse
Um wirkungsvolle Marketingstrategien entwickeln zu können, sollte man zunächst so viel
wie möglich über seine Konkurrenten in Erfahrung bringen. Hierzu gilt es, laufend seine
eigenen Produkte, Preise, Vertriebskanäle und Marketingmaßnahmen mit denen der unmit-
telbaren Konkurrenten zu vergleichen. Nur auf diese Weise kann sich ein Unternehmen
einen Überblick über potenzielle Wettbewerbsvorteile und -nachteile verschaffen, um darauf
aufbauend Marketingkampagnen wirkungsvoller gestalten und Angriffe der Konkurrenz
gezielter abwehren zu können.
Unternehmen müssen sich folgende Fragen bezüglich ihrer Konkurrenten stellen:
 Wer sind die Konkurrenten?
 Was sind ihre Ziele?
 Was ist ihre Strategie?
 Was sind ihre Stärken und Schwächen?
 Welche sind ihre üblichen Reaktionsmuster?
Abbildung 18.2 zeigt die wichtigsten Schritte bei der Analyse der Konkurrenten.

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18.1 Wettbewerbsanalyse

Strategien der
Wettbewerber Ziele der Wettbewerber
Wettbewerber
identifizieren erkennen
durchschauen

Wettbewerber festlegen,
Sich ein Urteil Mögliche Konkurrenz-
deren Position angegriffen
über Stärken und reaktionen auf unser
werden sollte bzw. welchen
Schwächen bilden Handeln abschätzen
besser auszuweichen wäre

Abbildung 18.2: Schritte der Wettbewerbsanalyse

18.1.1 Wettbewerber identifizieren


Eigentlich sollte es eine einfache Aufgabe für ein Unternehmen sein, seine Konkurrenten zu
identifizieren. Im engsten Sinne würde ein Unternehmen seine Wettbewerber als andere
Unternehmen identifizieren, die vergleichbare Produkte und Dienstleistungen beim selben
Kundenkreis zu ähnlichen Preisen anbieten. So könnte die Kette El Corte Inglés in Spanien
die französischen Discounter Carrefour und Auchan durchaus als Konkurrenten betrachten,
Debenhams oder Marks & Spencer dagegen nicht. Für das Luxushotel Ritz-Carlton könnte
das Four Seasons ein großer Konkurrent sein, während die Ketten Holiday Inn, Ibis oder die
tausenden, im ganzen Land verstreuten Bed & Breakfast-Unterkünfte nicht zu den direkten
Konkurrenten zählen.
Tatsächlich gilt für Unternehmen jedoch ein weitaus breiteres Wettbewerbsumfeld. So ist
jedes andere Unternehmen mit den gleichen Produkten oder Angeboten ein Konkurrent.
Bezogen auf das Ritz-Carlton wären damit sämtliche anderen Hotels eine direkte Konkur-
renz. Noch weiter gefasst könnte man sagen, dass Konkurrenten all die Unternehmen sind,
die Produkte mit dem gleichen Zweck anbieten. In diesem Fall würde das Ritz-Carlton nicht
nur gegen andere Hotels konkurrieren, sondern gegen jeden Anbieter von Unterkünften für
Vielreisende. Im allerweitesten Sinne sind Konkurrenten dann schließlich sämtliche Unter-
nehmen, die um das Geld der gleichen Kunden werben. In dieser Perspektive würde das
Ritz-Carlton in direktem Wettbewerb mit Reise- und Freizeitveranstaltern stehen, die von
Kreuzfahrten und Sommerhäusern bis hin zu Auslandsreisen alles im Programm haben.
Unternehmen sollten achtgeben, im Hinblick auf den Wettbewerb nicht zu „kurzsichtig“ zu
sein. Latente Konkurrenz kann für ein Unternehmen gefährlicher sein als die derzeit beste-
hende. So waren es zum Beispiel keine direkten Wettbewerber, die das Telegrammgeschäft
der British Telecom nach 153 Jahren zum Erliegen brachten; es waren Mobiltelefone und das
Internet. Die großen Plattenläden wie Our Price und Tower Records mussten nicht wegen
anderer traditioneller Musikhandlungen Insolvenz anmelden, sondern fielen der unerwarte-
ten Konkurrenz durch Supermärkte, Onlinehändler sowie iTunes und andere digitale Down-
load-Dienste zum Opfer.
Unternehmen können ihre Wettbewerber aus Branchensicht identifizieren. Sich selbst ord-
nen sie zum Beispiel in die Mineralöl-, Pharma- oder Getränkeindustrie ein. Ein Unterneh-
men muss das Wettbewerbsmuster in seiner Branche verstehen, wenn es darin erfolgreich
bestehen will. Unternehmen können aber auch Wettbewerber identifizieren, indem sie die
Sicht des Markts einnehmen. In diesem Sinne sind Konkurrenten all die Unternehmen, die
das gleiche Kundenbedürfnis befriedigen oder Beziehungen zur selben Kundengruppe auf-
bauen wollen.

835
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

Aus Branchensicht könnte Pepsi also Coca-Cola, Orangina, Fanta, 7UP und die Hersteller
anderer Softdrink-Marken als Konkurrenten betrachten. Aus Marktsicht jedoch will der
Kunde einfach einen „Durstlöscher“ – dieses Bedürfnis kann auch mit Mineralwasser,
Energy-Drinks, Fruchtsaft, Eistee und vielen anderen Getränken gestillt werden. So bestand
für Google die Konkurrenz einst nur aus anderen Suchmaschinenanbietern wie Yahoo! oder
Bing von Microsoft. Heute beobachtet Google ein breiteres Feld an Anbietern für Online- und
Mobilfunkdienste in der digitalen Welt. Aus Sicht des Markts rivalisiert Google gegen ehe-
mals unwahrscheinliche Konkurrenten wie Apple, Samsung, Microsoft und sogar Amazon
und Facebook. Der Hersteller der Crayola-Buntstifte definiert Konkurrenten vielleicht als
andere Hersteller von Stiften und Zeichenbedarf für Kinder. Aus Marktsicht jedoch wären
das auch alle anderen Firmen, die Spiel- und Lernprodukte für Kinder produzieren. Das
Marktkonzept des Wettbewerbs führt bei Unternehmen allgemein zu einer umfassenderen
Sicht auf tatsächliche und potenzielle Konkurrenten.

18.1.2 Wettbewerber analysieren


Sobald die Hauptkonkurrenten identifiziert sind, muss sich ein Unternehmen folgende Fra-
gen stellen:
 Welche Ziele verfolgen die Wettbewerber?
 Welche Strategien haben die Wettbewerber?
 Was sind ihre unterschiedlichen Stärken und Schwächen und wie reagieren sie auf die
Handlungen anderer Unternehmen?

Ziele der Wettbewerber erkennen


Unternehmen können unterschiedliche Schwerpunkte bezüglich kurz- und langfristiger
Gewinnerzielung haben. Einige begnügen sich mit „zufriedenstellenden“ statt mit „maxima-
len“ Gewinnen und sind mit den erzielten Gewinnen zufrieden, auch wenn geeignete Strate-
gien weit höhere Gewinne einbringen könnten.
Die Verantwortlichen im Marketing müssen deshalb hinter die oberflächlich erkennbaren
Ziele schauen. Jeder Konkurrent hat verschiedene Ziele, die er mit unterschiedlichen Priori-
täten erreichen möchte. Als Grundlage eines erfolgreichen Marketings sollte man versuchen,
etwas über die Bedeutung zu erfahren, die der Konkurrent dem Gewinn, dem Marktanteil,
dem Cashflow, dem technologischen Standard, dem Kundendienst usw. beimisst. Wenn ein
Unternehmen die Zielvorstellungen der Wettbewerber kennt, kann es besser einschätzen, ob
diese mit der gegenwärtigen Situation zufrieden sind und wie sie möglicherweise auf eigene
Aktivitäten reagieren. Ein Unternehmen, das beispielsweise die Preisführerschaft erlangen
möchte, wird intensiver auf einen Durchbruch bei den Produktionskosten eines Wettbewer-
bers reagieren müssen als auf eine Erhöhung von dessen Werbeausgaben. Man sollte außer-
dem die Pläne der Konkurrenten bezüglich zukünftiger Angriffe in bestimmten Produkt- bzw.
Marktsegmenten in Erfahrung bringen. Wenn man erkennt, dass ein Konkurrent ein neues
Segment entdeckt hat, könnte dies auch eine Chance für das eigene Unternehmen darstellen.
Findet man heraus, dass ein Wettbewerber in eigene Zielsegmente eindringen will, ist man
vorgewarnt und kann sich darauf vorbereiten.

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18.1 Wettbewerbsanalyse

Strategien der Wettbewerber identifizieren


Je ähnlicher die Strategien von Unternehmen sind, desto unmittelbarer stehen sie im Wettbe-
werb zueinander. In vielen Branchen lassen sich sogenannte strategische Gruppen identifi-
zieren. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von Unternehmen innerhalb einer Branche,
die auf einem gegebenen Zielmarkt gleiche oder ähnliche Strategien verfolgen. Auf dem
Markt der elektrischen Haushaltsgeräte gehören Elektrolux (Schweden), Hotpoint (England)
und Zanussi (Italien) derselben strategischen Gruppe an. Alle diese Unternehmen bieten in
der mittleren Preisklasse das gesamte Spektrum elektrischer Haushaltsgeräte an, unterstützt
durch einen leistungsfähigen Kundendienst. Die Marken Bosch, Siemens und Miele wären
einer anderen strategischen Gruppe zuzurechnen, da sie versuchen, über höherwertige Aus-
stattung und Qualität bei höheren Preisen ein anderes Segment anzusprechen.
Wichtige Erkenntnisse für das Marketing eines Unternehmens ergeben sich aus der Identifi-
kation solcher strategischen Gruppen. Wenn ein Unternehmen in eine dieser Gruppen ein-
dringen will, werden die bisherigen Mitglieder dieser Gruppe zu seinen Hauptkonkurrenten.
Wenn zum Beispiel ein Unternehmen ähnliche Haushaltsgeräte wie Elektrolux, Hotpoint
und Zanussi anbieten will, wird es nur Erfolg haben, wenn es strategische Vorteile über das
Angebot dieser mächtigen Konkurrenten hinaus anbieten kann.
Obwohl der Wettbewerb innerhalb einer strategischen Gruppe am stärksten ist, existieren
auch Konkurrenzbeziehungen zwischen den Gruppen. Zum einen können sich Marktseg-
mente überschneiden. Ungeachtet ihrer jeweiligen Strategien werden zum Beispiel alle wich-
tigen Anbieter von Haushaltsgeräten versuchen, Architekten und Anbieter von Eigenheimen
anzusprechen. Darüber hinaus sehen die Kunden die Qualitätsunterschiede vielleicht nicht
als so wichtig an wie die Anbieter selbst. Für einen Käufer mag der Unterschied in der Funk-
tionalität zwischen einer Waschmaschine von Elektrolux und einer von Miele nicht sehr groß
sein. Des Weiteren können durch Produktdifferenzierung die Mitglieder einer strategischen
Gruppe versuchen, Kunden der benachbarten strategischen Gruppe anzusprechen. Dies
geschieht, wenn Mittelklasseanbieter „Premium“-Produktlinien anbieten oder wenn Anbie-
ter der Spitzenklasse eine Linie von Basismodellen vorstellen, um so in die benachbarten
Segmente einzudringen.
Ein Unternehmen muss alle Dimensionen betrachten, die strategische Gruppen innerhalb der
Branche definieren können. Es sollte über die Produktqualität, Ausstattungsmerkmale, den
Kundendienst, die Preise, die Präsenz im Handel, Struktur und Führung des Außendienstes
und über die Kommunikationsaktivitäten eines jeden Konkurrenten Bescheid wissen. Außer-
dem sollte es über Forschung und Entwicklung, Produktion, Einkauf, Finanzen und alle übri-
gen betrieblichen Funktionen jedes Wettbewerbers unterrichtet sein, soweit das möglich ist.

Stärken und Schwächen der Wettbewerber beurteilen


Ob die Konkurrenten eines Unternehmens ihre Strategien umsetzen und ihre Zielvorstellun-
gen verwirklichen können, hängt von deren Fähigkeiten und den eingesetzten Ressourcen
ab. Für die Zwecke des Marketings müssen die Stärken und Schwächen jedes Wettbewerbers
so genau wie möglich identifiziert werden. Dazu sollte ein Unternehmen in einem ersten
Schritt die Schlüsseldaten der Geschäftstätigkeit eines jeden einzelnen Konkurrenten wäh-
rend der letzten Jahre zusammentragen. Es geht darum, deren Ziele, Strategien und Potenzi-
ale zu identifizieren. In der Regel ist es jedoch nicht einfach, alle benötigten Daten zu
beschaffen.

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

In der Regel erfahren Unternehmen über die Stärken und Schwächen ihrer Konkurrenten
etwas durch Sekundärdaten, durch persönliche Erfahrungen und vom Hörensagen innerhalb
der Branche. Darüber hinaus kann man weitere Informationen erhalten, wenn man bei Kun-
den, Lieferanten und Händlern eine Primärdatenerhebung durchführt. Außerdem können die
Internet- und Social-Media-Seiten des Unternehmens geprüft werden. Seit einigen Jahren
nutzen viele Unternehmen die Methode des Benchmarkings. Hier vergleicht man eigene Pro-
dukte oder Prozesse mit denen der Konkurrenten oder des führenden Unternehmens der
jeweiligen Branche, um Möglichkeiten zu finden, die eigene Qualität und Leistungsfähigkeit
zu verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Reaktionen der Wettbewerber abschätzen


Wenn ein Unternehmen die Ziele, Strategien, Stärken und Schwächen eines Wettbewerbers
kennt, lassen sich in begrenztem Umfang seine Reaktionen auf eigene Marketingmaßnahmen
wie Preissenkungen, Intensivierung von Werbeaktionen oder Einführung eines neuen Pro-
dukts voraussagen. Jeder einzelne Konkurrent hat eine bestimmte Philosophie, wie er seine
Geschäfte macht, eine bestimmte Unternehmenskultur und Leitlinien, die sich wie ein roter
Faden durch die Organisation und ihr Handeln ziehen. Die Verantwortlichen im Marketing
müssen sich genaue Kenntnisse über diese Geschäftsmentalität eines Konkurrenten erarbei-
ten, wenn sie seine Aktionen oder Reaktionen richtig vorhersagen wollen.
Jeder Wettbewerber reagiert anders:
 Bei einigen Wettbewerbern gibt es keine schnellen oder starken Reaktionen: Sie denken,
ihre Kunden seien loyal, bemerken neue Maßnahmen erst spät oder ihnen fehlen die Mit-
tel für Gegenmaßnahmen.
 Einige Konkurrenten reagieren nur auf bestimmte Maßnahmen. Sie ziehen beispielsweise
stets unmittelbar bei Preissenkungen mit, um zu signalisieren, dass diese nicht erfolgreich
sein werden. Aber sie reagieren nicht auf verstärkte Werbung, weil sie diese für nicht so
bedrohlich halten.
 Andere Konkurrenten reagieren wiederum schnell auf jede neue Marketingmaßnahme.
Bestimmte Waschmittelhersteller zum Beispiel lassen nicht zu, dass ein Wettbewerber ein
neues Produkt auf den Markt bringt, ohne sofort mit einem vergleichbaren Produkt für das
entsprechende Segment zu antworten.
 Schließlich existiert eine Gruppe von Wettbewerbern, deren Reaktionen aus ihrer Unter-
nehmensgeschichte, aus ihren wirtschaftlichen Daten oder aus ihren erkennbaren Strate-
gien nicht vorherzusagen sind.
In einigen Branchen gehen alle Konkurrenten relativ harmonisch miteinander um, in ande-
ren Branchen findet ein ständiger Kampf statt. Wenn man weiß, wie die wichtigsten Wettbe-
werber reagieren werden, weiß man auch, wie man diese am besten angreifen oder die eigene
Position verteidigen kann.

18.1.3 Wettbewerber auswählen und beurteilen


Durch bereits getroffene Entscheidungen, zum Beispiel welche Kundengruppen das Unter-
nehmen ansprechen will, sowie durch die Ausgestaltung des Marketing-Mix sind die Haupt-
konkurrenten eines Anbieters festgelegt. Diese Kriterien definieren die strategische Gruppe,
der ein Unternehmen angehört. Die Unternehmensleitung muss nun entscheiden, welche
Konkurrenten bzw. strategische Gruppen im Mittelpunkt der Wettbewerbsstrategien stehen.

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18.1 Wettbewerbsanalyse

Starke oder schwache Wettbewerber


Die meisten Unternehmen bevorzugen es, schwache Konkurrenten anzugreifen. Grund dafür
ist die Annahme, dass dazu weniger Ressourcen erforderlich sind. Allerdings gewinnt ein
Unternehmen dabei oftmals auch nicht viel. Alternativ sollte man in Betracht ziehen, stär-
kere Konkurrenten anzugreifen, soweit dadurch eigene Fähigkeiten ausgebaut werden kön-
nen. Auch mächtigere Konkurrenten haben ihre Schwachstellen und Erfolge auf deren
Gebieten können mit größeren Gewinnen verbunden sein.
Ein nützliches Instrument, Stärken und Schwächen eines Konkurrenten zu ermitteln, ist die
Kundennutzen-Analysee (Customer Value Analysis). Dabei werden Käufer gefragt, welche
Eigenschaften ihnen besonders wichtig sind bzw. ihnen einen hohen Nutzen stiften und wie
sie einen Anbieter gegenüber anderen bezüglich der Erfüllung dieser Eigenschaften bewer-
ten. Diese Analyse zeigt auch auf, wo ein Unternehmen durch Aktionen der Konkurrenz
besonders verwundbar wäre.
Der Schlüssel zur Erlangung eines Wettbewerbsvorteils liegt darin, sich jedes einzelne Kun-
densegment anzusehen und das Angebot des Unternehmens mit dem des Hauptkonkurren-
ten zu vergleichen. Wenn das eigene Unternehmen bei relevanten Leistungskriterien einen
größeren Nutzen bietet als die Konkurrenz, so kann es entweder das Preisniveau erhöhen
und mehr Gewinn erzielen oder die Preise unverändert lassen und einen größeren Marktan-
teil erlangen. Stellt man jedoch fest, dass man bei einigen wichtigen Attributen schlechter ist
als die Konkurrenz, so muss man entweder investieren, um hier besser zu werden, oder ein
anderes Merkmal finden und herausstellen, mit dem man seinen Konkurrenten übertrifft. Ein
Unternehmen sucht stets nach dem idealen Punkt, an dem die Kundenwünsche mit den
Fähigkeiten des Unternehmens erfüllt werden können und die Konkurrenz kein Angebot hat,
welches diese Wünsche decken könnte.

Nahe oder entfernte Wettbewerber


Die meisten Unternehmen konkurrieren gegen diejenigen Unternehmen, die ihnen am ähn-
lichsten sind. Die Peugeot-Citroën-Gruppe konkurriert eher gegen Renault als gegen Porsche,
Nike eher gegen Adidas als gegen Timberland. Trotz des Wettbewerbs dürften sich manche
Unternehmen ein Gleichgewicht dahingehend wünschen, dass ihre Hauptkonkurrenten eine
berechenbare Konstante darstellen und nicht untergehen. In den 1970er-Jahren zum Beispiel
ging der damalige Marktführer Bausch & Lomb aggressiv gegen andere Hersteller von wei-
chen Kontaktlinsen vor und war dabei sehr erfolgreich. Dieses Vorgehen jedoch zwang klei-
nere Konkurrenten, ihre Firmen an größere Unternehmen wie Johnson & Johnson (J&J) zu
verkaufen. So sah sich Bausch & Lomb folglich mit deutlich größeren Wettbewerbern kon-
frontiert – und musste die Konsequenzen tragen. J&J übernahm Vistakon, eine Nischenmarke
mit einem Jahresumsatz von gerade einmal 17,5 Millionen Euro. Unter der Finanzkraft des
großen Unternehmens J&J entwickelte sich das kleine, aber agile Vistakon weiter und brachte
die innovativen Acuvue Eintages-Linsen auf den Markt. Mit Vistakon als Vorreiter auf dem
Gebiet ist J&J heute der führende Kontaktlinsen-Hersteller mit einem Marktanteil von 42 Pro-
zent, während Bausch & Lomb mit gerade einmal 10 Prozent Marktanteil auf dem vierten
Platz rangiert. In diesem Fall hat die zunächst erfolgreiche Schwächung eines nahen Wettbe-
werbers am Ende eine stärkere Konkurrenz hervorgebracht.1

1 Siehe dazu „Contact lenses 2013“, Contact Lens Spectrum, 1. Januar 2014, www.clspectrum.com/ar-
ticleviewer.aspx?articleID=107853 sowie „Bausch & Lomb“, www.wikinvest.com/wiki/Bausch_&_
Lomb, Zugriff Oktober 2015.

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

Aggressive Wettbewerber
Ein Unternehmen braucht Wettbewerb und es profitiert auch aus ihm. Die Existenz von Wett-
bewerbern hat mehrere strategische Vorteile. Durch die Konkurrenten wird die Gesamtnach-
frage erhöht. Sie beteiligen sich an den Kosten der Marktentwicklung und tragen durch ihre
Technik zum Technologiestand und zur Technologieakzeptanz für die Branche bei. Mögli-
cherweise übernehmen es die Wettbewerber, weniger attraktive Marktsegmente zu bedienen,
oder sie sorgen für insgesamt mehr Produktdifferenzierung. Schließlich verbessern sie die
Verhandlungsposition gegenüber Tarifparteien oder dem Gesetzgeber oder sie sorgen für eine
Erhöhung der Gesamtnachfrage.
So könnte man annehmen, dass die Markteinführung des schicken, modischen iPads von
Apple den kleineren und etwas plumpen E-Book-Reader „Kindle“ von Amazon unter Druck
setzen würde, der drei Jahre vor dem iPad auf den Markt gekommen war. Viele Analysten
glaubten, Apple habe den „Kindle-Killer“ erschaffen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die
Konkurrenz des iPad einen enormen Anstieg bei der Nachfrage nach Tablets erzeugte, von
dem schließlich beide Unternehmen profitierten. Die Umsätze des E-Book-Readers „Kindle“
stiegen mit der Einführung des iPad sprunghaft an und die neue Nachfrage nach Tablets ins-
pirierte Amazon zur Entwicklung einer eigenen vollständigen Reihe von Kindle-Geräten.
Zudem wuchsen durch die zunehmende Nutzung des iPads auch Amazons Umsätze bei E-
Books und anderen digitalen Inhalten, die über eine kostenlose Kindle-App für iPads gelesen
werden können. Die wachsende Nachfrage nach Tablets infolge der iPad-Markteinführung
öffnete auch die Märkte für Heerscharen neuer Wettbewerber wie Samsung, Google und
Microsoft.2
Nicht alle Konkurrenten werden jedoch aus Sicht der Unternehmensleitung als angenehm
empfunden. Häufig hat man es mit Wettbewerbern zu tun, die sich unfair verhalten. Faire
Konkurrenten halten sich an die Spielregeln der Branche. Sie setzen sich für eine stabile und
gesunde Branche ein, legen ihre Preise in vernünftigen Relationen zu den Kosten fest, moti-
vieren andere, die Kosten zu senken oder die Differenzierung zu verbessern und akzeptieren
einen angemessenen Marktanteil bei vernünftigen Gewinnen.
Aggressive Wettbewerber brechen diese Regeln. Häufig versuchen sie, Marktanteile durch
Unternehmenskäufe und nicht durch eigene Leistung zu erringen. Sie gehen große Risiken
ein, investieren in Überkapazitäten und bringen oft ganze Branchen durcheinander. British
Airways empfindet beispielsweise private Fluggesellschaften als faire Konkurrenten, da
diese ihre Leistungen zu ehrlichen Preisen anbieten. Staatlich subventionierte Fluggesell-
schaften stellen für British Airways hingegen unfaire Konkurrenten dar, da diese einerseits
von staatlichen Geldern leben und andererseits sehr große Streckennetze aufbauen, die sie
nicht kostendeckend betreiben können.
Die Folgerung daraus ist, dass die ehrlich konkurrierenden Unternehmen ihre Branche so for-
men sollten, dass dort nur Platz für faire Konkurrenten bleibt. Unfaire Praktiken einzelner
Wettbewerber sollten gemeinsam von den fairen Partnern bekämpft werden. Durch eine trans-
parente Lizenzpolitik sowie durch Koalitionen und sonstige geeignete Maßnahmen kann eine
Branche derart gestaltet werden, dass ein rationales und harmonisches Umfeld entsteht, in dem
die Spielregeln befolgt und Marktanteile durch Leistungen erworben werden.

2 Siehe Casey Johnston, „Kindle Fire nabs 33% of Android tablet market, Nexus 7 just 8%“, ars technica,
8. Januar 2013, http://arstechnica.com/gadgets/2013/01/kindle-fire-nabs-33-of-android-tabletmarket-
nexus-7-just-8/ und Jim Edwards, „Samsung is stealing Apple’s iPad share“, Business Insider, 21. Ok-
tober 2013, www.businessinsider.com/samsung-is-stealing-apples-ipad-market-share-2013–10.

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18.1 Wettbewerbsanalyse

Unbesetzte Marktfelder aufspüren – Blue Ocean Strategy


In den meisten Märkten befinden sich Unternehmen in direktem Wettstreit miteinander. Sie
suchen nach Vorteilen, kämpfen um Marktanteile und versuchen sich von ihren Wettbewer-
bern zu differenzieren. Dieses Verhalten resultiert oftmals in einem „blutigen (roten) Ozean“
aus Rivalen, die um sinkende Gewinne ringen. Eine Strategie, die in der Regel keine profita-
ble Zukunft hat.
Mehr Erfolg verspricht es, sich neue Marktfelder zu suchen, sogenannte „blaue Ozeane“.
Anstatt mit etablierten Wettbewerbern in direkten Konkurrenzkampf zu treten, suchen
Unternehmen nach unbesetzten Positionen auf unangefochtenen Marktfeldern. Sie versu-
chen Produkte und Leistungen zu entwickeln, für die es keine direkte Konkurrenz gibt. Eine
solche sogenannte Blue Ocean Strategy zielt darauf ab, erst gar keinen Wettbewerb entstehen
zu lassen. Man schafft hingegen neue Nutzendimensionen für die Kunden, dadurch werden
Wettbewerber weitgehend bedeutungslos.
Ein Beispiel hierfür ist der Cirque du Soleil. Dieser erfand den Zirkus neu als hochklassige,
moderne Unterhaltung. Während die Zirkusindustrie schrumpfte, entwickelte sich Cirque du
Soleil weiter, nahm kritisierte und kostspielige Elemente wie Tiernummern aus dem Pro-
gramm und legte den Fokus auf die schauspielerische Darbietung und Show. Damit unter-
schied man sich von allem, was bisher auf dem Markt war und schuf ein bislang unbesetztes
Marktfeld, das die Konkurrenz irrelevant machte.

18.1.4 System der Wettbewerbsbeobachtung entwickeln


Bisher wurden die wesentlichen Informationen, welche die Entscheidungsträger im Unter-
nehmen kennen müssen, beschrieben. Diese Informationen müssen gesammelt, bearbeitet
und interpretiert, an die einzelnen Instanzen verteilt und schließlich sinnvoll genutzt wer-
den. Obwohl für diese Tätigkeiten ein hoher Aufwand an Zeit und Geld notwendig ist, wäre
es in den meisten Fällen letztlich noch viel teurer, hierauf zu verzichten. Man sollte deshalb
ein möglichst kosteneffizientes Wettbewerbsinformationssystem einrichten.
Für ein solches System muss zunächst ermittelt werden, welche Informationen wirklich
wichtig sind und wo die besten Informationsquellen liegen. Dann werden alle relevanten
Daten, die beispielsweise von sozialen Medien, Außendienst, aus den Handels- und Ver-
triebskanälen, von Lieferanten, Marktforschungsinstituten und Unternehmensverbänden ein-
gehen, gesammelt. Hinzu kommen ergänzende Daten aus Regierungsveröffentlichungen,
Reden, Geschäftsberichten oder Artikeln in der Wirtschaftspresse oder den überregionalen
Zeitungen. Diese Informationen werden im Wettbewerbsinformationssystem auf Gültigkeit
und Zuverlässigkeit geprüft, interpretiert und aufbereitet. Es werden Schlüsselinformationen
zusammengestellt, den verantwortlichen Entscheidungsträgern zugeleitet und bei Bedarf
Anfragen beantwortet. Wenn ein solches System eingerichtet ist, besitzen die Verantwortli-
chen im Unternehmen stets rechtzeitig Informationen über alle wesentlichen Aktivitäten der
Konkurrenten, deren Stärken und Schwächen oder deren zu erwartende Reaktionen auf
geplante eigene Aktionen.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18 Wettbewerbsvorteile schaffen

18.2 Wettbewerbsstrategien
Nachdem die Hauptkonkurrenten identifiziert und eingestuft sind, muss das Unternehmen
Vorgehensweisen entwerfen, die einen Wettbewerbsvorteil begründen bzw. aufrechterhalten
oder ausbauen. Welche Marketingstrategien kann das Unternehmen nutzen? Welche Strate-
gien sind für ein bestimmtes Unternehmen oder für seine unterschiedlichen Unternehmens-
bereiche und Produktlinien die besten?

18.2.1 Marketingstrategien
Es wird nie eine einzig richtige Strategie für alle Unternehmen existieren. Jeder Marktteil-
nehmer muss festlegen, welche Strategie vor dem Hintergrund seiner Position, seiner Ziel-
vorstellungen und seiner Ressourcen erfolgversprechend ist. Selbst innerhalb eines Unter-
nehmens verlangen unterschiedliche Geschäftsbereiche und Produkte unterschiedliche
Strategien:
 Beispiel Mercedes-Benz – Produktgruppen: Pkws, Vans und Reisemobile, Transporter,
Lkw, Busse, Sonderfahrzeuge, Unimog (= Einsatzfahrzeug, Geräteträger)
 Beispiel BASF – Geschäftssegmente: Chemikalien, Kunststoffe, Veredelungsprodukte,
Pflanzenschutz und Ernährung, Öl und Gas
Unternehmen unterscheiden sich auch in ihren Ansätzen, wie sie den strategischen Pla-
nungsprozess angehen. Während insbesondere größere Unternehmen sehr formal bei der Ent-
wicklung und Umsetzung von Wettbewerbsstrategien vorgehen, agieren andere weitaus
weniger strukturiert. Manche Unternehmen wie zum Beispiel Virgin Atlantic Airways, Har-
ley-Davidson, Red Bull oder die zu BMW gehörende Marke Mini sind gerade dadurch erfolg-
reich, dass sie mit vielen „Regeln“ des strategischen Marketings brechen. Solche Unterneh-
men haben oftmals keine großen Marketingabteilungen, betreiben nur wenig
Marktforschung, überlegen sich keine komplizierten Wettbewerbsstrategien und geben auch
keine großen Summen für Werbung aus. Stattdessen entwickeln sie nur eine grobe strategi-
sche Vorgehensweise, pflegen jedoch engen Kundenkontakt und finden dadurch an den
Bedürfnissen ihrer Kunden orientierte Lösungen und Produkte. Sie bilden Clubs für Einkäu-
fer, setzen auf Mundpropaganda und konzentrieren sich darauf, eine hohe Kundenbindung
zu schaffen. Nicht alle Marketingstrategien müssen also dem Vorbild der etablierten Marke-
tinggiganten folgen. Manche sind auch sehr erfolgreich, weil sie anders sind.
In der Praxis durchlaufen Unternehmen bezüglich der Ausrichtung ihrer Marketingstrategien
oftmals drei Phasen: Entrepreneurial Marketing, institutionalisiertes Marketing und „Intre-
preneurial“ Marketing.
Entrepreneurial Marketing Die meisten Unternehmen werden von einzelnen Personen
gegründet, die eine bestimmte Idee verfolgen. Sie haben ein Konzept im Kopf, für das sie sich
eine vage Strategie überlegen und dann gehen sie von Tür zu Tür, um auf ihre Idee aufmerk-
sam zu machen. Simon Topman, Besitzer und Geschäftsführer von Acme, ein Hersteller von
Pfeifen, nennt sich selbst „Simon, die Trillerpfeife“, da es ihm „die Möglichkeit gibt, mit den
Pförtnern zu scherzen und so zu den relevanten Leuten zu gelangen“. Eine von Simons
Geschichten ist ein praktisches Beispiel für unternehmerisches Marketing:
Nachdem er sich nach langem Zögern den Film Titanic ansah, konnte er sich am Ende vor
Begeisterung kaum zurückhalten. Doch war er nicht von Leonardo DiCaprio beeindruckt, wie
er darum kämpfte, seine Geliebte zu retten, und auch nicht von dem eng anliegenden Kleid
von Kate Winslet. Was er bemerkte, war zwischen ihren Lippen: eine Acme Thunderer-Tril-

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18.2 Wettbewerbsstrategien

lerpfeife. Was für eine Produktplatzierung – obwohl er nichts dafür getan hatte. Innerhalb
weniger Tage brachte er die „Titanic-Trillerpfeife“ auf den Markt und verkaufte bereits in der
ersten Woche 15.000 Stück und weitere 4.000 in jeder Folgewoche. „Das Gewicht der ver-
kauften Trillerpfeifen ist bald größer als das der Titanic“, stellte er kurz darauf stolz fest.
Institutionalisiertes Marketing Sobald kleine Unternehmen erfolgreicher werden, gehen sie
fast automatisch dazu über, ihr Marketing zu institutionalisieren. Sie entwickeln formale
Marketingstrategien, die sie dann auch strikt verfolgen. Im Fall von Glasses Direct, einem
englischen Anbieter von Sehhilfen, wurden zum Beispiel die Markenpolitik verbessert, PR-
Unternehmen beauftragt, die Verkaufsförderung eingeführt und viele andere Maßnahmen
wie Social-Media-Aktivitäten umgesetzt. Auch wenn Glasses Direct ohne Zweifel über kein
so stark institutionalisiertes Marketing verfügt wie die Specsavers der Marketingwelt, wird es
im Zuge des Wachstums doch viele Methoden und Konzepte nutzen, die in weiter entwickel-
ten Unternehmen Verwendung finden.
„Intrepreneurial“ Marketing Viele große und erfahrene Unternehmen verharren auf der Stra-
tegie des institutionalisierten Marketings und verlieren dabei häufig ihre Kreativität und
Wettbewerbsfähigkeit. Dass es jedoch auch anders geht und sich ein Unternehmen weiterent-
wickeln kann, zeigt das Beispiel Audi. Ganz in der Nähe der Audi-Zentrale in Ingolstadt ist
die Audi Electronics Venture GmbH angesiedelt. Das Tochterunternehmen wurde gegründet,
um die Lebenszyklen der Automobilindustrie mit denen der Elektronikindustrie zu verzah-
nen und innovative Technologien der Elektronik früh zu identifizieren und schnell zur Mark-
treife zu entwickeln. Es gilt, über die Kooperation mit kleinen Technologieunternehmen aus
dem Bereich Elektronik nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu realisieren, indem man Schlüs-
seltechnologien für den Fahrzeugbau der Zukunft fördert.
Es gibt also eine Vielzahl von Ansätzen zur Entwicklung wettbewerbsfähiger Marketingstra-
tegien. Dabei wird es immer eine Spannung zwischen formalen Vorgehensweisen und der
kreativen Seite des Marketings geben. Sicherlich ist es zunächst einfacher, sich die formale
Entwicklung von Strategien anzueignen, auf die sich auch das Hauptaugenmerk unseres
Buchs richtet. Wir haben jedoch auch gesehen, wie Kreativität und Leidenschaft vielen der
vorgestellten Unternehmen – seien es kleine oder große, neue oder erfahrene – geholfen
haben, auf dem Markt erfolgreich zu werden und zu bleiben. Wir behalten dies im Hinterkopf
und wollen nun grundlegende Wettbewerbsstrategien, die von vielen Unternehmen genutzt
werden, näher betrachten.

18.2.2 Grundlegende Wettbewerbsstrategien


Vor etwa drei Jahrzehnten hat der Managementautor Michael Porter vier grundlegende Wett-
bewerbsstrategien entwickelt. Drei davon sind Gewinnerstrategien:
 Kostenführerschaft Das Unternehmen führt konsequent Kostensenkungen in allen Berei-
chen wie Produktion, Distribution usw. durch, kann damit zu niedrigen Preisen anbieten
und erreicht einen hohen Marktanteil (Beispiele: ALDI bei Discountern, IKEA bei Möbeln,
Ryanair als Fluggesellschaft).
 Differenzierung Hier konzentriert sich ein Unternehmen darauf, ein klar differenziertes
Angebot in Verbindung mit einem entsprechenden Marketing-Mix anzubieten. Man zielt
darauf ab, eine Präferenz bei den Konsumenten für das eigene Produkt oder die eigene
Dienstleistung aufzubauen (Beispiele: Bose bei Lautsprechern, Alessi bei Küchenutensi-
lien).

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
18 Wettbewerbsvorteile schaffen

 Fokussierung Das Unternehmen bemüht sich, ein Segment oder wenige Segmente heraus-
zugreifen, um sie besonders gut zu bedienen. Den restlichen Markt (z.B. die Niedrigpreis-
segmente) überlässt es anderen Unternehmen (Beispiel: Porsche bei Automobilen).
Unternehmen, die eine der oben angeführten Strategien klar verfolgen, werden voraussicht-
lich Erfolg haben, während solche, die keine klare Strategie verfolgen, „zwischen den Stüh-
len sitzen“ und aller Voraussicht nach schlecht abschneiden.
Beispiele hierfür waren für bestimmte Zeit Unternehmen wie Fiat, Holiday Inn oder Philips,
weil sie weder als Kostenführer noch als Führer, was die Qualität und den Gegenwert für den
Kunden betrifft, noch dafür, dass sie ein spezielles Marktsegment am besten bedienten, etab-
liert waren. Manche Unternehmen wollen es allen recht machen und versuchen, bei allen
strategischen Vorgaben mithalten zu können, um schließlich auf allen Gebieten nur mittel-
mäßig abzuschneiden.
Die beiden Marketingberater Michael Treacy und Fred Wiersema haben neue Klassifikatio-
nen für Wettbewerbsstrategien vorgeschlagen. Sie sind der Meinung, dass Unternehmen
genau dann eine führende Position einnehmen, wenn sie ihren Kunden einen höheren Nut-
zen bieten. Um dies zu erreichen, können Unternehmen einer der drei folgenden Strategien,
den sogenannten Nutzendisziplinen, nachgehen. Dies sind:
Operational excellence Ein Unternehmen bietet höheren Nutzen, indem es den Markt aus
Kundensicht in Bezug auf Preis und Komfort anführt. Es senkt die Kosten und schafft ein
schlankes und effizientes System, um den Kundennutzen bereitzustellen. Damit bedient es
vor allem jene Kunden, welche zuverlässige und qualitativ hochwertige Produkte und
Dienstleistungen nachfragen, diese aber preisgünstig und einfach erwerben möchten. Bei-
spiele hierfür sind Amazon.com, IKEA und Zara.
Customer intimacy Das Unternehmen bietet höheren Wert, indem es seine Märkte exakt seg-
mentiert und seine Produkte und Dienstleistungen genau auf die jeweiligen Zielkunden
zuschneidet. Es ist darauf spezialisiert, auf besondere Kundenwünsche einzugehen, indem
es den Kunden genau kennenlernt und den Kontakt zu ihm pflegt. Man bedient sich detail-
lierter Datenbanken zur Marktsegmentierung und Positionierung und befähigt so die Marke-
tingabteilung, umgehend auf Kundenbedürfnisse einzugehen. Dabei stehen solche Kunden
im Fokus, die bereit sind, einen Aufpreis zu zahlen, um genau das zu erhalten, was sie möch-
ten. Diese Unternehmen tun fast alles, um lang anhaltende Kundenbeziehungen aufzubauen
und den customer lifetime value ihrer Kunden einzunehmen. Beispiele sind Lufthansa,
Lexus und viele Kreditkarten-Unternehmen.
Product leadership Das Unternehmen bietet höheren Wert, indem es fortwährend Spitzen-
produkte und besten Service anbietet. Es zielt darauf, die besten Produkte oder Dienstleis-
tungen anzubieten und konkurrierende Angebote veraltet erscheinen zu lassen. Produktfüh-
rer sind immer offen für neue Ideen, gehen unermüdlich neuen Lösungen nach und arbeiten
daran, neue Produkte schnell auf den Markt zu bringen. Sie bedienen Kunden, die immer auf
dem neuesten Stand der Technik sein möchten, ohne Kosten und Mühen zu scheuen. Bei-
spiele hierfür sind Apple, Dyson und Rolls-Royce.
Einige Unternehmen schaffen es, sich erfolgreich in mehr als einer der Nutzendisziplinen zu
etablieren. FedEx meistert beispielsweise hervorragend die Kombination von operational
excellence und customer intimacy. Solche Unternehmen sind allerdings sehr selten – wenige
Firmen können bei mehr als einer dieser Disziplinen führend sein. Wenn ein Unternehmen
versucht, in allen Nutzendisziplinen einen Spitzenplatz einzunehmen, ist es am Ende häufig
in keiner wirklich gut.

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18.2 Wettbewerbsstrategien

Treacy und Wiersema fanden heraus, dass sich führende Unternehmen ausschließlich auf
eine Nutzendisziplin konzentrieren und in dieser auch erfolgreich sind, während sie in den
beiden anderen gerade dem Branchenstandard entsprechen. Solche Unternehmen gestalten
ihr ganzes Geschäftsmodell so, dass es einzig und allein die gewählte Disziplin unterstützt.
easyJet weiß zum Beispiel, dass sowohl customer intimacy als auch product leadership sehr
wichtig sind. Verglichen mit anderen Billiganbietern, bietet das Unternehmen auch sehr
guten Kundenservice und eine exzellente Produktpalette. Im Vergleich zu „normalen“ Air-
lines, die der customer intimacy nachgehen, macht es jedoch bewusst Abstriche bei Kunden-
service und Produktauswahl. easyJet konzentriert sich stattdessen ganz klar auf operational
excellence, das heißt auf die Senkung von Kosten und auf die Modernisierung seines Distri-
butionssystems, sodass Kunden möglichst komfortabel die richtigen Produkte zu niedrigsten
Preisen kaufen können.
Die Luxus-Hotel-Kette Ritz-Carlton verwöhnt ihre Gäste mit Leistungen, die exakt auf die
Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind. Ohne auch nur zu fragen, scheinen sie zu wissen,
dass der Gast ein Nichtraucher-Zimmer mit einem King-Size-Bett, ein antiallergisches Kopf-
kissen sowie Frühstück mit entkoffeiniertem Kaffee aufs Zimmer möchte. Wie schafft Ritz-
Carlton dies? Hinter dem System steckt eine riesige Kundendatei, in der sämtliche Kunden-
informationen gesammelt werden, die die Hotelangestellten beobachten. Jeden Tag hält das
Hotelpersonal – seien es Mitarbeiter an der Rezeption, aus der Küche oder die Zimmermäd-
chen – diskret besondere Gewohnheiten, Vorlieben und Abneigungen all ihrer Gäste auf klei-
nen „Gast-Präferenz-Kärtchen“ fest. Diese Beobachtungen werden dann in eine firmenweite
„Gäste-Präferenzen-Datenbank“ übertragen. Jeden Morgen schaut dann ein Mitarbeiter im
Hotel in die Dateien aller neu angekommenen Gäste, die schon einmal in einem Ritz-Carlton
übernachtet haben, und bereitet eine Liste vor, auf der alle Besonderheiten stehen, die jeden
einzelnen Gast erfreuen könnten. Die Gäste haben auf diesen persönlichen Service sehr posi-
tiv reagiert. Seit der Einführung des Systems hat Ritz-Carlton die Kundenbindung um 23 Pro-
zent erhöht. Unglaubliche 95 Prozent der abreisenden Gäste berichten, dass ihr Aufenthalt
ein wahrhaft unvergessliches Erlebnis war.
Es ist also sinnvoll, Wettbewerbsstrategien in Nutzendisziplinen zu klassifizieren. Die Mar-
ketingstrategie wird hier im Sinne des zielgerichteten Strebens definiert, dem Kunden einen
möglichst hohen Nutzen zu bieten. Dabei beschreibt jede Nutzendisziplin einen speziellen
Weg, dauerhafte Kundenbeziehungen zu etablieren.
Sehen wir uns am Beispiel von Bose an, wie das Unternehmen seinen Kunden einen hohen
Nutzen durch die Strategie der Differenzierung bietet.

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

Marketing-Highlight: Bose – Völlig anders und doch erfolgreich

Bose zählt zu den Herstellern, die ein sehr großes Vertrauen der Konsumenten genießen.
Der Grund dafür liegt in den Unternehmensgrundsätzen, die Bose seit über 50 Jahren
befolgt. Während Mitbewerber zunehmend den Fokus auf harte Finanzkennzahlen
legen, versucht Bose, sich eine Alleinstellung durch Differenzierung aufzubauen und
den Kunden so einen höheren Nutzen zu bieten. Das Unternehmen erweitert systema-
tisch bestehende Produktlinien um neue Features und Eigenschaften, die Mitbewerber
so nicht bieten. Obwohl auch Bose Finanzkennzahlen selbstverständlich nicht außer
Acht lässt, ist die eigentliche Differenzierung auf seine einzigartige Unternehmensphi-
losophie zurückzuführen.

Abbildung 18.3: Bose Hifi-Anlage in einem Auto

Man kann das Unternehmen Bose nicht verstehen, ohne den Menschen Bose zu betrach-
ten: Amar Bose, den Gründer und bis zu seinem Tod 2013 Vorstandsvorsitzenden des
Unternehmens. In den 1950er-Jahren, während seiner Promotion in Elektrotechnik,
kombinierte er die Wissenschaft mit seinem großen Interesse an Musik. Als er sich seine
erste Stereoanlage kaufte – ein Modell, das seiner Meinung nach die besten technischen
Daten besaß – war die Enttäuschung groß, denn die Anlage konnte seinem Anspruch
nach naturgetreuer Klangwiedergabe nicht gerecht werden. Also machte er sich daran,
eine eigene Lösung zu finden, und begann eine intensive Forschungsarbeit, die schließ-
lich zur Gründung seines Unternehmens im Jahr 1964 führte. Von diesen Anfängen an
arbeitete Amar Bose gemäß einiger Prinzipien, welche immer noch die Philosophie des
Unternehmens ausmachen. Amar Bose glaubte daran, dass seine Produkte für sich spre-
chen werden und so führte er ein erstes Forschungsprojekt zu Lautsprechern und Klang
durch. Dabei ignorierte Amar Bose bisher existierende Technologien und fing bei null
an. Bob Maresca, Präsident von Bose, gibt Einblick in das Unternehmen und in Amar
Boses ursprüngliche Philosophie: „Wir sind nicht im Geschäft, um ausschließlich Geld
zu machen. Dr. Bose war sehr wählerisch, was seine Forschungsinteressen angeht. Das
Geschäft war fast schon Nebensache.“

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18.2 Wettbewerbsstrategien

Aus diesem Grund investierte Amar Bose sämtliche aus seinen Anteilen resultierenden
Unternehmensgewinne in die Forschung und Entwicklung. Diese Praxis reflektierte
seine Begeisterung und Hingabe für die Forschung sowie seine Überzeugung, dadurch
die qualitativ hochwertigsten Produkte herstellen zu können. Aber er tat dies auch, weil
er es eben konnte. Eine vielfach zitierte Aussage von Bose, die er einmal im Zusammen-
hang mit der Entwicklung und Einführung der Bose Noise Cancelling Headphones
gemacht hat, lautet: „Wenn ich für ein anderes Unternehmen arbeiten würde, wäre ich
schon längst gefeuert worden.“ Damit deutete er auf die Tatsache hin, dass börsenno-
tierte Unternehmen einer langen Liste von Beschränkungen unterliegen – im Gegensatz
zu seinem vollständig in Privatbesitz befindlichen Unternehmen. Aus diesem Grund
hatte Bose immer wieder versichert, dass er niemals an die Börse gehen werde: „Wäre
ich an die Börse gegangen, hätte das für mich den Verlust des Unternehmens bedeutet.
Mein wahres Interesse gilt der Forschung, das macht den Reiz aus. Mit Aktionären, die
einem im Nacken sitzen, hätte ich sicher keine langfristigen Forschungsprojekte durch-
führen können.“ Diese Verpflichtung zu Forschung und Entwicklung hat zu dem hohen
Grad an Vertrauen geführt, welches Bose-Kunden dem Unternehmen entgegenbringen.
Es erklärt auch ihre beinahe schon kultartige Treue.
Die Verbraucher wissen, dass dem Unternehmen ihre Interessen, also die bestmöglichen
Produkte zu haben, wichtiger sind als Gewinnmaximierung. Aber für ein Unternehmen,
welches nicht in erster Linie vom Profit angetrieben wird, geht es Bose wirklich gut.
Obwohl die wirtschaftlichen Kennzahlen streng geheim gehalten werden, bescheinigen
Analysten Bose eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung.
Das Unternehmen, das einst so bescheiden anfing, hat heutzutage eine breite Produktpa-
lette auch außerhalb seines Kerngeschäfts der Heim-Audioprodukte vorzuweisen. Amar
Boses kreative Aufmerksamkeit richtete sich über die Jahre hinweg auf zusätzliche Pro-
duktlinien für vielerlei unterschiedliche Anwendungen, unter anderem für das Militär,
die Fahrzeugindustrie, im Bereich Hausbau und Renovierung, Luftfahrt, von Prüf- und
Messmaschinen bis hin zu professionellen Tonanlagen.

18.2.3 Wettbewerbspositionen
Unternehmen unterscheiden sich in ihren Zielvorstellungen und in ihren Ressourcen. Wäh-
rend einige über ausreichende Finanzmittel verfügen, sind diese bei anderen recht knapp
bemessen. Manche haben eine lange Tradition, andere sind neu auf dem Markt. Es gibt Unter-
nehmen, die ein rasantes Wachstum der Marktanteile anstreben, anderen sind wiederum
langfristige Gewinnziele wichtiger. Jedes dieser Unternehmen wird eine andere Position im
Wettbewerb um den Käufer einnehmen.
Wir diskutieren Wettbewerbsstrategien im Folgenden basierend auf der Rolle, die das jewei-
lige Unternehmen auf dem Zielmarkt einnimmt. Nehmen wir an, dass in einer Branche die in
Abbildung 18.4 aufgeführten Marktteilnehmer zu finden sind:
 Die Position des Marktführers, das Unternehmen mit dem größten Marktanteil in der
Branche. 40 Prozent des Markts sind in der Hand des Marktführers.
 Die Position des Herausforderers, ein Unternehmen, das hart darum kämpft, einen höhe-
ren Marktanteil zu erlangen. 30 Prozent des Markts werden durch Herausforderer
beherrscht.

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

 Die Position eines Marktfolgers, ein Unternehmen, das die Geschäftschancen ohne beson-
dere Bemühungen mitnimmt. Weitere 20 Prozent entfallen auf die Marktfolger.
 Die Position eines Nischenanbieters, ein Unternehmen, das sich auf kleine Marktseg-
mente, die von anderen Anbietern nicht bedient werden, spezialisiert. Die letzten 10 Pro-
zent entfallen auf die Nischenanbieter.

Nischen-
Marktführer Herausforderer Marktfolger
anbieter

40% 30% 20% 10%

Abbildung 18.4: Wettbewerbspositionen und -rollen

Wie Tabelle 18.1 zeigt, bieten sich für Marktteilnehmer, die diese Positionen halten, jeweils
besonders geeignete Strategien an. Es ist dabei zu bedenken, dass diese Positionen häufig
nicht für das Gesamtunternehmen gelten, sondern nur für einen Bereich oder eine Produktli-
nie. Große Unternehmen nehmen in unterschiedlichen Sparten in der Regel verschiedene
Positionen ein und verfolgen in diesen logischerweise auch unterschiedliche Strategien.
Anbieter wie Procter & Gamble, Unilever oder Nestlé können mit ihren Marken in einem
Bereich Marktführer sein und in einem anderen Nischenanbieter. Die Positionen können
auch regional oder über Ländergrenzen unterschiedlich sein.

Marktführer Gesamtmarkt ausweiten, Marktanteil sichern, Marktanteil erhöhen

Herausforderer direkter Frontalangriff, indirekter Angriff

Marktfolger dicht folgen, mit Abstand folgen

ausgewählte Kunden und Märkte über Preis-Leistung oder Service erobern;


Nischenanbieter mehrere Nischen bedienen
Tabelle 18.1: Strategien für Marktführer, Herausforderer, Marktfolger und Nischenanbieter

18.2.4 Strategien für Marktführer


In den meisten Branchen gibt es einen Marktführer. Dieser hat den größten Marktanteil und
führt die anderen Unternehmen der Branche normalerweise bei Preisänderungen, Produkt-
einführungen, Strukturierung des Handels- und Vertriebsnetzes und Werbekampagnen an.
Andere Unternehmen orientieren sich am Marktführer, er stellt für sie einen Fokuspunkt dar,
den man umgehen, vermeiden oder übertreffen kann.
Einige Beispiele für Marktführer in ihren jeweiligen Branchen sind:
 Facebook (Soziale Netzwerke)
 Nestlé (Lebensmittel)
 Microsoft (Software)
 Amazon (Bücher)
 L’Oréal (Kosmetik und Haarpflege)
 McDonald’s (Systemgastronomie)
 Google (Internetsuchmaschinen)

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18.2 Wettbewerbsstrategien

Ein Unternehmen sollte sich auf der Position des Marktführers nicht ausruhen. Der Markt-
führer muss stets wachsam sein, da andere Unternehmen versuchen werden, seine Schwä-
chen auszunutzen und ihn anzugreifen. Leicht kann der Marktführer eine Trendwende auf
dem Markt versäumen und so auf dem zweiten oder dritten Platz landen. Eine Produktinno-
vation, die eingeführt wird, kann dem Marktführer erhebliche Marktanteile nehmen (z.B.
verdrängte der iPod von Apple Sonys Walkman und Handys werden im Jahresabstand von
der nächsten Generation ersetzt). Gelegentlich werden Unternehmen als Marktführer zu
unflexibel und verlieren Marktanteile an die wache Konkurrenz. So erging es beispielsweise
Xerox, dessen Marktanteil bei Kopierern innerhalb von nur fünf Jahren von 80 auf 35 Prozent
fiel, als Canon und Fuji auf den Markt drängten. Auch kann der Marktführer altmodisch und
langweilig werden im Vergleich zu jüngeren, scheinbar moderneren Rivalen.
Um die Stellung als Marktführer zu halten, kann ein Unternehmen:
 versuchen, die Gesamtnachfrage zu steigern,
 den gegenwärtigen Marktanteil durch defensive und offensive Methoden absichern,
 versuchen, seinen Marktanteil noch weiter zu vergrößern, auch dann, wenn der Gesamt-
markt konstant bleibt.

Wettbewerbsstrategie

Steigerung der Ausweitung des


Gesamtnachfrage Marktanteils

Übernahme von
Neue Kunden Neue Intensivierung Gewinnung Konkurrenten Schaffung von
Anwendungen der Nutzung neuer Kunden mit ihren Kundenbindung
Kunden

Verbesserung der Verteidigung des


Produktivität eigenen Marktanteils

Verbesserung Veränderung Wertsteigerung


statische proaktive reaktive
der Kosten- des und Wert-
Verteidigung Verteidigung Verteidigung
situation Produkt-Mix erweiterung

Abbildung 18.5: Strategien für Marktführer

Die Gesamtnachfrage steigern


Das führende Unternehmen profitiert in der Regel am stärksten davon, wenn sich die
Gesamtnachfrage erhöht. McDonald’s beispielsweise würde als führendes Unternehmen im
Bereich Fast Food den größten Nutzen ziehen, wenn Europäer mehr Fast Food essen würden.
Wenn McDonald’s also mehr Leute davon überzeugen kann, dass Fast Food die beste Mög-
lichkeit ist, außer Haus zu essen, dann wird McDonald’s mehr dadurch gewinnen als seine
nächsten Konkurrenten Burger King und Subway. Toyota wird als Marktführer bei Fahrzeu-
gen mit Hybridantrieb voraussichtlich den größten Nutzen aus einer Steigerung der Gesamt-
nachfrage nach Hybridfahrzeugen ziehen. Steigt hingegen die Nachfrage nach Dieselfahrzeu-
gen, so gehören Volkswagen, Mercedes und Renault zu den Gewinnern.

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

Generell sollte der Marktführer werben um:


 neue Kunden,
 neue Anwendungen,
 Intensivierung der Nutzung.
Neue Kunden Für jedes Produkt können weitere Käufer gefunden werden, die das Produkt
bisher noch nicht kannten oder es wegen des Preises oder Fehlens bestimmter Eigenschaften
noch nicht gekauft haben. Mit etwas Fantasie kann jeder Anbieter neue Kunden ausfindig
machen. L’Oréal zum Beispiel könnte neue Nutzer für Parfums finden, indem gezielt Frauen
angesprochen werden, die bislang kein Parfum verwenden. Eine demografische Erweiterung
käme ebenfalls infrage, denn Männerdüfte bilden immer noch ein sehr kleines, aber wach-
sendes Segment. Eine geografische Erweiterung wäre mit dem Wohlstandszuwachs in den
Staaten Osteuropas oder auch in Südostasien denkbar.
Ein klassisches Beispiel, wie neue Anwender gefunden werden können, ist Johnsons Babys-
hampoo. Als der Babyboom der 60er-Jahre abflaute, sah das Unternehmen zunächst kein
Wachstum mit diesem Produkt. Einige einfallsreiche Marketingfachleute entdeckten, dass in
vielen Familien auch andere Familienmitglieder das Babyshampoo gerne mal zwischen-
durch anwenden. Das Unternehmen entschloss sich zu einer Werbekampagne, die gezielt die
Erwachsenen ansprach. Innerhalb kürzester Zeit wurde Johnsons Babyshampoo daraufhin zu
einer führenden Marke auf dem gesamten Shampoomarkt.
Neue Anwendungen Der Markt für ein neues Produkt kann auch durch die Entdeckung
neuer Anwendungen erweitert werden. Seit seiner Gründung entdeckt Velcro Industries
(Hersteller von Klettverschlüssen) beispielsweise alle möglichen „kreativen Wege, dieses mit
jenem zu verbinden“. Eine Werbung unter dem Titel „A million uses“ mit Anzeigen, Videos
und einer Kampagne in den sozialen Medien zielt jedoch auf eine Erweiterung des Produkt-
nutzens und demonstriert den Kunden erstaunliche Möglichkeiten, die Velcro-Klettver-
schlüsse in ihren Alltag einzubinden – zu Hause, im Büro, im Garten oder für handwerkliche
Projekte. In einem Spot ist zu sehen, wie ein Technikfreak das Kabelgewirr hinter seinem
Schreibtisch mit „Velcro One-Wrap“-Klettbindern in Ordnung bringt, während ein Gärtner
damit seine Orchideen an einem Stab befestigt und ein Naturbursche seine Angelruten
zusammenbindet. Die Werbung endet mit der Erkenntnis: „It’s one wrap with a million
uses“. Die von Velcro betriebenen Seiten auf Facebook, YouTube und Pinterest enthalten
ebenfalls eine Fülle an Ideen; auf Pinterest findet man beispielsweise eine Anleitung zur Her-
stellung von Velcro-Schmuck.3
Intensivierung der Nutzung Eine weitere Marketingstrategie sieht vor, eine Mehrfachnutzung
des Produkts anzuregen. Der US-Suppenhersteller Campbell publiziert in seiner Werbung
Rezepte, bei denen auch Campbells Suppenextrakte als Zutat zu verwenden sind. Procter &
Gamble rät seinen Kunden, dass sein Shampoo Head & Shoulders effektiver ist, wenn der
Kunde es zweimal anstatt einmal pro Haarwäsche anwendet.
Bei dem französischen Reifenhersteller Michelin entstand schon vor vielen Jahren die Idee,
dass die jährliche Fahrleistung privater Pkws erhöht werden sollte, um Reifen für die Ersatz-
bestückung liefern zu können. Michelin entwickelte daher eine umfangreiche Serie von Res-

3 Siehe dazu „Velcro Industries launches integrated marketing campaign to promote VELCRO brand
One-Wrap ties“, BusinessWire, 28. Mai 2013, www.businesswire.com/news/home/20130528005147/
en/; Rupal Parekh, „Can marketing push make Velcro stick?“, Advertising Age, 3. Juni 2013, S. 8 so-
wie www.velcro.com und www.pinterest.com/velcrobrand/, Zugriff Oktober 2015.

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18.2 Wettbewerbsstrategien

taurant- und Reiseführern, die insbesondere auch Wochenend- und Sonntagstouren von
Paris in den Süden des Landes anregten. Diese „Guides Michelin“ gelten heute noch als fach-
kundige Institution, wenn es um Restaurants und Tourismus in Frankreich und anderen Län-
dern Europas geht.

Den eigenen Marktanteil verteidigen


Ein Ziel eines Marktführers ist es, das Volumen des Gesamtmarkts auszuweiten. Gleichzeitig
muss er sich gegen Angriffe der Konkurrenz schützen. Shell muss sich beispielsweise gegen
BP, Exxon, Aral, Elf und andere behaupten, Gillette gegen Bic, Kodak gegen Fuji, Airbus
gegen Boeing und Nestlé gegen Unilever usw.
Was kann der Marktführer tun, um seine Position zu halten? Schwächen müssen vermieden
oder behoben werden, bevor sie eine Angriffsmöglichkeit für die Konkurrenz bieten. Kosten
müssen im Auge behalten werden. Die beste Verteidigung ist zumeist ein offensives Agieren
am Markt, gestützt durch kontinuierliche Innovation. Der Marktführer sollte niemals mit
dem Erreichten zufrieden sein, sondern versuchen, die Führerschaft mit neuen Produkten,
perfekter Kundenbetreuung, Effizienz des Vertriebs und Kosteneinsparungen auf Dauer zu
halten, sodass der Konkurrenz nur übrigbleibt, den gesetzten Maßstäben nachzueilen. Konti-
nuierliche Innovation bedeutet, dass ein Unternehmen die Initiative ergreift, das Tempo
bestimmt und die Schwächen der Konkurrenten nutzt.

Den Marktanteil ausweiten


Marktführer können Wachstum auch erreichen, wenn sie ihren eigenen Marktanteil weiter
vergrößern. Auf vielen großen Märkten bedeuten kleine prozentuale Zuwächse in absoluten
Zahlen große Summen. Auf dem europäischen Biermarkt bedeutet ein Prozent mehr Markt-
anteil fast 2 Milliarden Euro, bei Spirituosen 1 Milliarde Euro Mehrumsatz. Bei diesen Zah-
len verwundert es nicht, dass das Konkurrenzverhalten in solchen Märkten manchmal als
„Kriegsführung“ bezeichnet wird.
Viele Studien haben gezeigt, dass der Gewinn in der Regel mit zunehmendem Marktanteil
steigt. Aufgrund dieser Erkenntnis streben viele Unternehmen eine Ausweitung ihrer Markt-
anteile an, um die Rentabilität zu verbessern. General Electric will in jeder Branche, in der
das Unternehmen tätig ist, Nummer eins oder mindestens Nummer zwei sein. Konsequenter-
weise gab General Electric die Bereiche Computer, Klimaanlagen, Elektrokleingeräte und
Fernsehgeräte auf, als es dort die angestrebte Position nicht erreichte. Das schweizerische
Unternehmen Nestlé setzt alles daran, weltweit Lebensmittelanbieter Nummer eins zu blei-
ben, wenn ihm auch Konkurrenten wie die französische Danone-Gruppe oder Unilever dicht
auf den Fersen sind.
Gelingt es einem Unternehmen, den Marktanteil zu erhöhen, kann es in der Regel auch mit
höheren Gewinnen rechnen. Die Strategie, mit der die Zunahme des Marktanteils angestrebt
wird, spielt eine entscheidende Rolle. Es gibt viele Unternehmen mit niedrigen Gewinnen
bei hohem Marktanteil, aber auch viele Unternehmen mit hohen Gewinnen bei niedrigem
Marktanteil. Die Kosten, die bei der Erhöhung des Marktanteils entstehen, können die
Gewinne bei Weitem übersteigen. Ein höherer Marktanteil bringt in der Regel dann höhere
Gewinne, wenn die Stückkosten sinken oder für das Produkt ein Premiumpreis bezahlt wird.

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

18.2.5 Strategien für Herausforderer


Auch Anbieter, die den zweiten, dritten oder die folgenden Plätze in einer Branche einneh-
men wie Colgate, Fiat, Roche, Sandoz, Carlsberg oder Pepsi-Cola, können sehr bedeutende
und große Unternehmen sein. Für sie stehen zwei grundsätzliche Strategien zur Auswahl:
Sie können mit dem Marktführer und ihren weiteren Konkurrenten aggressiv um Marktan-
teile streiten (Marktherausforderer) oder sie können Strategien verfolgen, die ihren Konkur-
renten die Position nicht streitig machen (Marktfolger). Zunächst betrachten wir die mögli-
chen Wettbewerbsstrategien für Herausforderer.
Ein Herausforderer muss zunächst festlegen, welche Wettbewerber herausgefordert werden
sollen, und welche Zielsetzung damit verbunden ist. Die meisten Herausforderer streben an,
ihren Marktanteil zu erhöhen, um dadurch ihre Rendite zu verbessern. Die strategische Ziel-
vorgabe hängt auch davon ab, wer die Konkurrenten sind. Es gilt also zunächst festzulegen,
welche Wettbewerber man angreifen will.
Den Marktführer anzugreifen, ist eine riskante Strategie, die aber dann hohe Gewinnaussich-
ten hat, wenn der Marktführer den Markt nicht sehr gut bedient. Um mit einem solchen
Angriff Erfolg zu haben, muss man jedoch einen soliden Wettbewerbsvorteil gegenüber dem
Marktführer vorweisen, entweder einen Vorteil, den man in niedrigen Preisen weitergeben
kann, oder die Fähigkeit, besseren Gegenwert zu einem entsprechend höheren Preis liefern
zu können. Bei schweren Baumaschinen gelang es Komatsu, mit gleicher Qualität zu erheb-
lich niedrigeren Preisen das US-Unternehmen Caterpillar aus der Marktführerschaft zu ver-
drängen.
Es mag oft so aussehen, als sei der Marktführer unschlagbar, doch hat der Herausforderer
häufig das, was Strategen als „Second-Mover-Advantage“ bezeichnen. Der Herausforderer
kann beobachten, was den Marktführer erfolgreich gemacht hat und kann genau das noch
verbessern. Man denke zum Beispiel an Ryanair, einen wahren Herausforderer in der europä-
ischen Airline-Industrie.
Ryanair betreibt sein Geschäft ohne die hohen Kosten, die andere nationale Fluglinien
haben, indem man nicht die teuren Flughäfen bedient und auf ein großes Vertriebsnetzwerk
verzichtet. Das Unternehmen bietet seinen Kunden nur Direktvertrieb und kaum Service,
dafür aber sehr niedrige Ticketpreise. Durch die einfache Versorgung können die Flugzeuge
schneller wieder startklar gemacht werden, was eine häufigere Nutzung auf Kurzstreckenflü-
gen ermöglicht. Weiterhin liegt die Stärke von Ryanair in einer Kombination von Preiskont-
rolle und Preisflexibilität, da wenig ausgelastete regionale Flughäfen angeflogen werden, die
den Preis klein halten, da man die Fluggäste gewinnen möchte, die nur Ryanair bedienen
kann. Ryanair ist seinen Konkurrenten schon vor dem Abflug preislich überlegen. Flughafen-
und Bodenpersonalkosten liegen bei Ryanair aufgrund der angeflogenen Flughäfen unter
dem Durchschnitt.
Tatsächlich werden die Herausforderer häufig zu Marktführern, indem sie die Ideen der Vor-
reiter nachahmen und verbessern. So wurde das einst von White Castle erfundene Fast-Food-
System von McDonald’s zunächst imitiert und schließlich beherrscht. Und Walmart-Gründer
Sam Walton räumte ein, die meisten Strategien von den wegbereitenden Discounter-Ketten
Sol Price’s Fed Mart und Price Club übernommen und später perfektioniert zu haben.
Der Herausforderer kann sich aber auch dafür entscheiden, den Marktführer zu umgehen und
kleinere oder regionale Unternehmen anzugreifen. Viele dieser Unternehmen sind unterfi-
nanziert und bedienen manchmal ihre Kunden nicht sehr gut. Einige Großbrauereien haben
ihre heutige Bedeutung nicht dadurch erreicht, dass sie große Konkurrenten angegriffen hät-

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18.2 Wettbewerbsstrategien

ten, sondern weil sie lokale und regionale Konkurrenten und deren Märkte übernommen
haben.
Die richtige strategische Entscheidung kann dann gefällt werden, wenn feststeht, welchem
Wettbewerber der Angriff in erster Linie gelten soll. Auch wenn ein Unternehmen den
Marktführer angreift, kann es sein, dass es nur um eine Verschiebung der Marktanteile gehen
soll. Das französische Unternehmen BIC weiß, dass es auf dem Markt der Einmalrasierer Gil-
lette nicht überholen kann, und kämpft nur um einen etwas höheren Marktanteil. Ein ande-
res Ziel des Herausforderers könnte die Übernahme der Marktführerschaft sein. Dell ging erst
spät als Herausforderer auf den Markt für Personalcomputer, um schließlich recht schnell
dort Marktführer zu werden. Sucht ein Angreifer die Konfrontation mit einem kleinen loka-
len Anbieter, könnte es auch ein Ziel sein, jenen zu zwingen, sein Geschäft aufzugeben.
Wenn ein Unternehmen die Konfrontation mit einem anderen Unternehmen sucht, ist es ent-
scheidend, dass man über eine klare Angriffsstrategie verfügt. Diese wählt man entsprechend
seiner eigenen Fähigkeiten und denen der Konkurrenz. Grundsätzlich kann man zwischen
zwei Angriffsstrategien wählen: dem Frontalangriff und dem indirekten Angriff.
Frontalangriff Bei einem Frontalangriff versucht der Herausforderer, den Konkurrenten
bezüglich Produkt, Werbung, Preis und Vertriebssystem zu treffen. Er wird den Angriff auf
die Stärken des Konkurrenten ausrichten, weniger auf die Schwächen. PepsiCo fordert Coca-
Cola auf diese Weise heraus und Ford seinen Konkurrenten Toyota. Das Ergebnis hängt
davon ab, wer stärker und ausdauernder ist. Selbst Größe und relative Stärke stellen jedoch
keine Garantie dafür dar, einen etablierten Marktführer aus seiner Position vertreiben zu kön-
nen. Wenn der Herausforderer geringere Ressourcen hat als der Anzugreifende, sollte er es
mit einem Frontalangriff lieber gar nicht erst versuchen.
Indirekter Angriff Falls der Herausforderer über weniger Ressourcen verfügt, kann er sich für
den indirekten Angriff entscheiden. Bei dieser Taktik vermeidet der Herausforderer die
direkte Konfrontation auf breiter Fläche, da er weiß, dass er dann mit Preis-, Rabattkriegen
und anderen Kontermaßnahmen rechnen muss und dabei schlechter abschneiden wird.
Stattdessen sucht der Herausforderer nach Schwächen und Lücken im Angebot des Konkur-
renten und greift genau diese an. Eine solche Schwäche können beispielsweise eine zu wenig
beachtete Kundengruppe, Lücken im Vertriebsnetz oder eine vernachlässigte oder erst gar
nicht vorhandene Produkteigenschaft sein, über die man sich differenzieren könnte. Durch
den Angriff auf diese Lücke kann der Herausforderer den Konkurrenten in Bedrängnis brin-
gen. Der Herausforderer kann dann oft nur schwer vertrieben werden, die etablierten Unter-
nehmen sind nämlich zumeist nicht darauf vorbereitet und ignorieren solche Angriffe. Sehen
wir uns beispielsweise an, wie Red Bull Ende der 1990er-Jahre auf dem US-Softdrinkmarkt
gegen die Marktführer Coca-Cola und PepsiCo antrat.4 Red Bull forderte die Platzhirsche
indirekt heraus, indem es ein hochpreisiges Nischenprodukt in ungewöhnlichen Verkaufs-
stätten anbot. Red Bull startete mit dem Verkauf an unkonventionellen Orten, wie Clubs oder
Bars, in denen sich die Nachtschwärmer mit der nötigen Dosis Koffein zum Wachbleiben ver-
sorgten, und das unbemerkt von den Marktführern. Nachdem man sich eine Kern-Kundenba-

4 Dieses Beispiel basiert auf Informationen von David J. Bryce und Jeffrey H. Dyer, „Strategies to crack
well-guarded markets“, Harvard Business Review, Mai 2007, S. 84–91 sowie weiteren Informationen
von Teressa Iezzi, „For showing what it really means to transform yourself into a media brand“, Fast
Company, www.fastcompany.com/most-innovative-companies/2012/redbull-media-house, Zugriff
Oktober 2015 und „The top 15 energy drink brands“, caffeineinformer, www.caffeineinformer.com/
the-15-topenergydrink-brands, Zugriff Oktober 2015.

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

sis aufgebaut hatte, dehnte sich die Marke in die traditionelleren Geschäfte aus. „Red Bull
nutzte den Sog hoher Margen, um sich den Weg in den stationären Handel zu bahnen, wo
man die gekühlten Dosen heute gleich neben Coke und Pepsi findet“, erklärt ein Analyst.
Schließlich nutzte Red Bull eine ganze Reihe aggressiver Marketingstrategien, statt auf die
kostspieligen traditionellen Medien zu setzen, die von den Marktführern bevorzugt werden.
Der indirekte Ansatz zahlte sich aus. Trotz des sich rasant verschärfenden Wettbewerbs in
den USA konnte Red Bull einen Marktanteil von 43 Prozent in der Sparte der Energy-Drinks
erobern.

18.2.6 Strategien für Marktfolger


Nicht alle Unternehmen haben vor, den Marktführer anzugreifen. Jene, die versuchen, Letzte-
rem die Kunden zu nehmen, werden niemals leichtes Spiel haben und in der Regel mit
Widerstand rechnen müssen. Auf einen Herausforderer, der mit niedrigen Preisen, besseren
Produkten oder zusätzlichen Dienstleistungen in die Offensive geht, wird der Marktführer
reagieren und eventuelle Defizite ausgleichen, um seine Position zu halten. Oftmals hat der
Marktführer mehr Reserven und eine größere Ausdauer als der Angreifer. Ein harter Kampf
kann beide Unternehmen gleichermaßen schwächen. Ein Herausforderer muss sich deshalb
sehr gut überlegen, ob er einen Angriff wagen soll. In vielen Fällen bevorzugen es Wettbewer-
ber daher, sich einfach an den Erfolg des Marktführers zu hängen.
Ein Unternehmen, das sich an den Marktführer hängt, kann in vielerlei Hinsicht profitieren.
Der Marktführer trägt häufig die ganze Last und die Kosten der Produkt- und Marktentwick-
lung, der Einrichtung von Vertriebs- und Distributionssystemen und der Information und
Schulung der Konsumenten bei der Einführung neuer Produkte. Ein Marktfolger kann aus den
Erfahrungen des Marktführers lernen und sich an den Erfolg hängen, indem er Produkt und
Marketingprogramme in weiten Bereichen imitiert und vielleicht noch verbessert. Obwohl der
Marktfolger den Marktführer nicht überholen wird, kann er ebenfalls erfolgreich sein.
Marktfolger müssen jedoch nicht auf eine aktive Strategie verzichten. Ein Unternehmen, das
sich einem Marktführer anschließt, muss wissen, wie es seine gegenwärtigen Kunden hält und
wie es einige neue Kunden gewinnen kann. Jeder Mitläufer versucht, den Kunden auch unver-
kennbare Vorteile zu bieten, wie z.B. bessere Erreichbarkeit, bessere Betreuung oder vorteilhaf-
tere Finanzierung. Da Marktfolger das bevorzugte Ziel bei Angriffen durch einen Herausforde-
rer darstellen, müssen sie in besonderem Maße darauf achten, dass die Kosten niedrig und
Produkt- und Servicequalität hoch bleiben. Sobald sich neue Märkte ergeben, sollte man versu-
chen, diese Chance wahrzunehmen. Marktfolger zu sein, bedeutet also nicht, passiv zu bleiben
oder lediglich eine Kopie des Marktführers darzustellen. Vielmehr gilt es, Wachstumsstrategien
zu entwickeln, deren Umsetzung den Wettbewerb nicht unnötig verschärft.

18.2.7 Strategien für Nischenanbieter


In fast jeder Branche gibt es Unternehmen, die sich auf die Bedienung besonderer Marktni-
schen spezialisieren. Diese Anbieter verzichten darauf, den ganzen Markt oder große Seg-
mente anzusprechen, sie konzentrieren sich auf Untersegmente beziehungsweise auf Markt-
nischen. Diese Strategie verfolgen oft kleinere Unternehmen mit beschränkten Ressourcen.
Häufig sind auch kleine Unternehmensbereiche großer Konzerne erfolgreich in Marktnischen
tätig.

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18.2 Wettbewerbsstrategien

Ein erfolgreiches Beispiel dieser Art ist das Reise- und Freizeitunternehmen TUI Deutsch-
land GmbH, das über Tochtergesellschaften verfügt, die auf bestimmte Nischen des Reise-
markts spezialisiert sind: Airtours steht für qualitativ hochwertige Urlaubsreisen, Gebeco
veranstaltet Studien- und Erlebnisreisen, 1-2-FLY wendet sich mit Angeboten zu günstigen
Preisen vor allem an eine junge Zielgruppe, Discount Travel bietet kurz- und mittelfristig
buchbare Flugpauschalreisen für preisbewusste Kunden an, OFT REISEN ist auf Reisen in
den Nahen und Mittleren Osten und nach Nordafrika spezialisiert, Wolters Reisen agiert im
Marktsegment Ferienhäuser und Ferienwohnungen in ganz Europa und vermittelt Erlebnis-
reisen in den hohen Norden, L’TUR ist Europas größter Anbieter von Last-Minute-Reisen und
mit „Voyages TV“ besitzt TUI sogar einen TV-Reise-Sender. Das Beispiel von TUI zeigt, dass
ein Anbieter durch die Spezialisierung auf Nischenmärkte erfolgreicher sein kann als durch
die Bedienung des Gesamtmarkts mittels Massenmarketing.
In seinem Buch „Hidden Champions“ dokumentiert Hermann Simon eine überraschend
große Anzahl deutscher Unternehmen, die zwar kaum bekannt sind, dafür aber überzeu-
gende Gewinne verzeichnen und deren globale Marktanteile in ihren jeweiligen Nischen 50
Prozent überschreiten. Tetra hat einen Anteil von 80 Prozent am Weltmarkt für Tropenfisch-
haltung; Hohner besitzt 85 Prozent am Markt für Mundharmonikas; Bechner stellt 50 Prozent
der Regenschirme weltweit her und Steiner Optics fertigt 80 Prozent der militärischen Fern-
gläser weltweit.
Laut einer Studie über erfolgreiche Unternehmen mittlerer Größe besetzen gerade diese Mit-
telständler häufig eine Nische in einem größeren Markt und streben weniger die Bedienung
des Gesamtmarkts an. Die zwei Unternehmen De La Rue und Reuters, die laut der „Financial
Times“ mit zu den erfolgreichsten Unternehmen Europas gehören, fallen in diese Kategorie.
De La Rue bedient mit der Herstellung von Banknoten und Wertpapieren im Staatsauftrag
sowie mit Geldautomaten und Geräten für den Geldverkehr eine Marktnische. Die Marktni-
sche von Reuters ist die Lieferung von Nachrichten und Finanzinformationen, dies geschieht
inzwischen online und über modernste Telekommunikationssysteme.
Warum ist das Bedienen von Marktnischen so gewinnbringend? Einer der Hauptgründe ist,
dass der Anbieter seine kleine Abnehmergruppe so gut kennt, dass er ihre Bedürfnisse
genauer treffen kann als jemand, der nur gelegentlich an diese Gruppe verkauft. Häufig kann
der Nischenanbieter einen Premiumpreis erzielen, weil sein Angebot dem Kunden einen
hohen Nutzen bietet. Während im Massenmarketing hohe Stückzahlen erreicht werden, wer-
den beim Bedienen von Marktnischen hohe Gewinnmargen erzielt.
Nischenanbieter versuchen, eine oder mehrere Marktnischen zu finden, die sicher und profi-
tabel sind. Als ideale Marktnische wird jene bezeichnet, die ausreichend groß ist, um
Gewinne zu erzielen, und die ein Wachstumspotenzial besitzt. Sie stellt Anforderungen, die
das Unternehmen optimal bedienen kann. Die Marktnische sollte von nicht allzu großem
Interesse für die großen und finanzstarken Konkurrenten sein. Wenn sie erst einmal erfolg-
reich bedient wird, kann das Unternehmen die erforderlichen Fähigkeiten und die Kunden-
treue aufbauen, die dann einen gewissen Schutz gegen große Konkurrenten bieten, sobald die
Nische auch für diese attraktiv wird.
Die zentrale Idee des Bedienens von Marktnischen ist die Spezialisierung. Nischenanbieter
sind erfolgreich, weil sie die besonderen Bedürfnisse einer genau umrissenen Zielgruppe
erfüllen. Schauen wir uns in diesem Zusammenhang das Handwerksunternehmen GLAS-
BAU HAHN an.

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

Marketing-Highlight: Konzentriertes Marketing für Nischenmärkte

Ob man ins Metropolitan Museum in New York, ins British Museum in London oder in
das Nationalmuseum in Tokio geht, mit hoher Wahrscheinlichkeit trifft man auf Vitri-
nen eines kleinen deutschen Unternehmens, welche die wertvollen Kulturschätze
sicher bewahren.
Das mittelständische Handwerksunternehmen GLASBAU HAHN hat sich auf die Her-
stellung von hochwertigen Museumsvitrinen spezialisiert und vertreibt diese weltweit.
Die Besonderheiten einer HAHN-Vitrine sind deren Langlebigkeit, das maßgeschnei-
derte Design, eine sehr leichte Bedienbarkeit und der hohe konservatorische Schutz.
Dieses positive Image der Marke HAHN führt dazu, dass Museen ihre Objekte in der
Regel problemlos an andere Institutionen verleihen, wenn diese in „sicheren“ HAHN-
Vitrinen ausgestellt werden, während bei anderen Vitrinenmarken weitere Auflagen
erfüllt werden müssen.
Die Firma GLASBAU HAHN wurde im Jahre 1829 als Glaserei und Glashandlung in
Frankfurt gegründet. 1935 erstellte Otto Hahn die erste Ganzglas-Konstruktion, d.h. eine
rahmenlose Vitrine ganz aus Glas. Dies setzte neue Maßstäbe und eröffnete weitere Mög-
lichkeiten in der Ausstellungstechnik. Seit ca. 1960 vermarktet GLASBAU HAHN die
Vitrinen weltweit und besitzt in diesem Nischenmarkt die Marktführerrolle. Als einzi-
ges Unternehmen der Branche erhielt GLASBAU HAHN das Zertifikat „emissionsarm“,
also „schadstoffarm“, für seine Vitrinen von der Bundesanstalt für Materialforschung,
was einen erheblichen Wettbewerbsvorteil darstellt.
Das Unternehmen legt großen Wert auf kontinuierliche Forschung und Innovation
sowie Präzision durch hochwertige Handwerksarbeit.
GLASBAU HAHN hat sich auf Museen als Kundengruppe spezialisiert, da deren vorran-
giges Ziel die Bewahrung der Kulturgüter ist und man daher einen hohen Wert auf die
Qualität der Vitrinen legt. Außerdem ist die Kundengruppe relativ klein. Das Unterneh-
men benötigt somit keine große Vertriebsmannschaft. Lediglich lokal ansässige Partner-
firmen sammeln Informationen über neue Kundenbedürfnisse, geplante Museumsreno-
vierungen etc.
Durch den kleinen Kundenkreis ist das Handwerksunternehmen auf Kundenempfeh-
lungen angewiesen. Häufig bittet ein Museum, welches neue Vitrinen benötigt, ein
anderes Museum um Rat. Auch der Kreis der Architekten und Designer, welche sich auf
Museumsvitrinen spezialisiert haben, ist überschaubar und somit gut ansprechbar. Der
persönliche Kontakt, Vertrauen und Service beim Kunden spielen daher eine sehr wich-
tige Rolle. GLASBAU HAHN setzt sich mit den Bedürfnissen seiner Klienten intensiv
auseinander und schneidet die Produkte auf Maß zu.
In den letzten Jahren musste sich das Unternehmen auf eine noch engere Kundengruppe
spezialisieren. Die besonders in Europa verbreiteten öffentlichen Ausschreibungen, bei
denen häufig nur der preislich günstigste Anbieter gewinnt, können nur sehr selten
Angebote für qualitativ sehr hochwertige Vitrinen berücksichtigen. Somit verlor GLAS-
BAU HAHN als Spezialist für Qualität und Individualität hier Marktanteile.

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18.2 Wettbewerbsstrategien

Dafür entwickelte sich in den letzten Jahren ein neuer Kundenkreis: Privat- oder stif-
tungsfinanzierte Museen wie z.B. das Getty-Museum in den USA oder das SAMSUNG-
Museum in Korea legen allergrößten Wert auf ein langlebiges Produkt und auf ein ausge-
fallenes Design von einem berühmten Architekten. Schließlich soll das Museum nicht
nur die Kunstobjekte bewahren, sondern auch selbst zu einem Denkmal werden und
den Namen des Stifters auf ewig tragen. Bei dieser Kundengruppe kann der Nischenan-
bieter seine Stärken voll einbringen. Dank des Leitspruchs „To make the impossible pos-
sible“ stellen die Kunden die GLASBAU HAHN Ingenieure immer wieder vor neue und
außergewöhnliche Herausforderungen wie z.B. den Bau einer neun Meter hohen Vitrine
für das Nagasaki Memorial Center, die aufwendig geschwungenen und gerundeten
Hightech-Vitrinen für das Museum „Victoria & Albert“, wobei jede Scheibe einzeln in
Form gebogen wurde, oder die Begasung von Vitrinen mit Stickstoff, der Schädlinge
abtötet und Korrosion verhindert, oder sogar eine Glashaube, die durch Elektromotoren
angehoben wird.
Teil der Strategie von GLASBAU HAHN ist es ebenfalls, neue Märkte zu gewinnen. Häu-
fig ist das Unternehmen als erster spezialisierter Vitrinenbauer in einem Markt vertre-
ten. Die Konkurrenz folgt oft wesentlich später. Dadurch ist die Handwerksfirma aus
Frankfurt mittlerweile in 28 Ländern vertreten und die Vitrinen von GLASBAU HAHN
befinden sich heutzutage in fast allen großen Museen weltweit.
Quelle: GLASBAU HAHN GmbH, Webseite unter: www.glasbau-hahn.de [12.02.2018]

Beim Nischenmarketing spezialisiert sich das Unternehmen z.B. auf einen Markt, auf
bestimmte Kunden, auf Produkte oder auf Marketing-Mix-Komponenten. Im Folgenden wer-
den einige mögliche Spezialisierungen genauer beleuchtet:
1. Spezialisierung auf bestimmte Endanwendungen Das Unternehmen spezialisiert sich
auf einen Typ Kunden, der durch die Verwendung des Produkts definiert ist. Reuters
spezialisiert sich auf Politik- und Wirtschaftsnachrichten, Bardusch auf die Vermietung
von Berufskleidung usw.
2. Spezialisierung auf eine Handelsstufe Die Unternehmen spezialisieren sich auf eine be-
stimmte Stufe des Produktions- und Distributionssystems. Zum Beispiel liefert ein Un-
ternehmen Rohstoffe und ein anderes liefert „den Bedarf des Bäckers“.
3. Spezialisierung auf eine Kundengröße Das Unternehmen spezialisiert sich auf große,
mittlere oder kleine Kunden. Viele Nischenanbieter konzentrieren sich auf Kleinunter-
nehmen als Kunden, weil diese von den großen Organisationen vernachlässigt werden.
Fuji war in den USA mit Kopierern bei kleinen Firmen erfolgreich, die von Xerox als
Marktführer keine intensive Betreuung erhielten. Viele regionale Werbeagenturen spezi-
alisieren sich auf mittlere Unternehmen der Region.
4. Spezialisierung auf bestimmte Kunden Es gibt Unternehmen, die ihr Angebot an weni-
gen Kunden oder an einem eingegrenzten Kundenkreis ausrichten. Beispielsweise ist
der Reiseveranstalter RUF auf Jugendreisen spezialisiert und Swing Tours bietet spezi-
elle Reisen für Liebhaber des Golfsports an.
5. Geografische Spezialisierung Viele Unternehmen beschränken ihre Tätigkeit auf ein be-
stimmtes Gebiet, eine Stadt, eine Region oder mehrere Staaten. Auch hier können erneut
Reiseveranstalter als Beispiel genannt werden. Einige der auf ein bestimmtes Land spe-

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

zialisierten Anbieter sind Olimar für Portugal, Öger Tours für die Türkei oder Canusa
Touristik für Nordamerika, Australien und Neuseeland.
6. Spezialisierung auf ein Produkt Ein Anbieter spezialisiert sich auf die Produktion eines
Produkts, einer Produktpalette oder auf ein bestimmtes Produktmerkmal. So hat sich die
Mast-Jägermeister AG erfolgreich auf eine einzige Kräuterspirituose, Jägermeister, spezi-
alisiert oder Koziol auf Designprodukte aus Kunststoff.
7. Spezialisierung in einem bestimmtem Qualitäts-/Preissegment Das Unternehmen wird
hauptsächlich am oberen oder unteren Ende der Qualitäts- und Preisskala tätig. Hewlett-
Packard liefert beispielsweise wissenschaftliche Taschenrechner am oberen Ende der
Qualitäts- und Preisskala, während NAXOS sich auf preisgünstige Klassik-CDs von un-
bekannteren Orchestern konzentriert.
8. Spezialisierung auf bestimmte Dienstleistungen Ein Unternehmen bietet Dienstleistun-
gen an, die andere nicht bieten können, beispielsweise bietet die NASA das Einholen
und die Reparatur von Satelliten an.
Wie erfolgreich die Besetzung von Marktnischen in manchen Bereichen sein kann, zeigt der
folgende Exkurs.

Exkurs: Beispiele erfolgreicher Marktnischenbesetzung

 1976 hat Erno Rubik in Ungarn „Rubik‘s Cube“ [auch Zauberwürfel] zum Patent
angemeldet. 1977 kam er nach England, 1979 in die USA und erst 1980 nach
Deutschland. Den „Löwenanteil“ verdiente die US-amerikanische Firma „Ideal-Toy-
Corporation“ durch die erworbenen Lizenzen mit denen die Marktnische erschlossen
werden konnte.
 Wer 2010 den Verkauf von E-Zigaretten aufgenommen hätte, hätte an dem nicht vor-
hersehbaren Wachstum der Branche (von 300.000 Nutzern auf heute mehr als 3 Milli-
onen in Deutschland) teilgenommen. Bei nur 1 Prozent Marktanteil hätte derjenige
heute einen Jahresgewinn von deutlich über einer Million Euro.
 Die Aufwendungen für Haustierhaltung steigen noch immer. Wer z.B. 2013 eine Hun-
desitting-Agentur eröffnet hätte, wäre heute erfolgreicher Unternehmer mit mehreren
Niederlassungen. Lt. Haustierstudie der Uni Göttingen werden jährlich 9 Milliarden
Euro für Haustiere ausgegeben, davon nur 20 Millionen Euro für Tierpensionen.
 Wer beispielsweise 2014 in die Fertigung oder den Verkauf von Quadrokoptern ein-
gestiegen ist, könnte von jährlichen Umsatzzuwächsen zwischen 100 und 300 Pro-
zent profitieren. Alleine der private Markt verbucht mehr als 1,2 Milliarden Euro
Umsatz mit aktuell steigender Tendenz.
 Wer 2015 die Idee zu einer Sicherheitsuhr mit Totmannfunktion hatte, sitzt heute im
Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. Eine typische Marktnische im „health-care and
prevention“-Bereich. Durch GPS und mobile Empfangsgeräte bleiben auch ältere
Menschen länger mobil. Hier gibt es ausbaufähige Innovationen.
Quelle: http://enp-personalmanagement.de/Marktnischen/Marktnischen-Beispiele/ [04.04.2018]

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18.3 Gleichgewicht zwischen Kunden- und Wettbewerbsorientierung

Das Bedienen von Marktnischen birgt jedoch zwei Risiken in sich: das Verschwinden des
bedienten Nischenbedarfs und der Angriff größerer Konkurrenten auf die Nische. Der Gefahr,
dass sich das Wettbewerbsfeld in einer Nische wesentlich verändert, begegnen Unterneh-
men, indem sie mehrere Nischen bedienen. Durch die Ausdehnung des Geschäfts auf zwei
oder mehr Marktnischen wächst die Überlebenschance eines Unternehmens.

18.3 Gleichgewicht zwischen Kunden- und


Wettbewerbsorientierung
In diesem Kapitel wurde auf die Bedeutung der Konkurrenzbeobachtung für Unternehmen
hingewiesen. Ungeachtet dessen, ob ein Unternehmen Marktführer, Herausforderer, Markt-
folger oder Nischenanbieter ist, muss es eine geeignete Wettbewerbsstrategie finden, um sich
wirkungsvoll gegenüber seinen Konkurrenten zu positionieren. Zudem muss es seine Strate-
gien kontinuierlich an das sich ändernde Wettbewerbsumfeld anpassen.
Die Frage ist nun: „Kann ein Unternehmen zu viel Zeit und Energie auf die Beobachtung der
Konkurrenz verwenden und damit die Kundenorientierung aus dem Auge verlieren?“ Die
Antwort lautet: Ja! Ein Unternehmen kann sich so stark an den Wettbewerbern orientieren,
dass es die viel wichtigere Käuferorientierung verliert. Die Maßnahmen eines wettbewerbso-
rientierten Unternehmens basieren hauptsächlich auf den Handlungen und Reaktionen des
Konkurrenten. Alle Kräfte des Unternehmens sind darauf konzentriert, Informationen über
die Konkurrenten, ihre Marktanteile und ihre Aktionen zu generieren und Strategien zu ent-
wickeln, die den Handlungen der Wettbewerber etwas entgegensetzen sollen.
Eine solche rein konkurrenzorientierte Vorgehensweise weist positive sowie negative
Aspekte auf. Zum einen wird der Kampfgeist im Unternehmen geweckt. Die Verantwortli-
chen im Marketing werden darauf geschult, sowohl die eigenen Schwächen als auch die
Schwächen der Konkurrenten zu erkennen. Eine negative Folge hingegen ist, dass man unter
Umständen zu sehr in die Passivität und in ein reagierendes Verhalten gezwungen wird.
Anstatt eine eigene konsistente, kundenorientierte Strategie zu entwickeln und umzusetzen,
basieren die Handlungen des Unternehmens zu sehr auf den Aktionen des Wettbewerbers.
Das Unternehmen bewegt sich nicht in eine geplante Richtung, um sein Ziel zu erreichen,
vielmehr hängen alle Aktivitäten vom Verhalten der Wettbewerber ab. Im Ergebnis werden
bestehende Branchenpraktiken einfach übernommen oder erweitert, statt nach innovativen
Wegen zur Schaffung eines höheren Kundennutzens zu suchen.
Ein kundenzentriertes Unternehmen orientiert sich dagegen bei der Festlegung seiner Pla-
nungen und Aktionen an den Kunden. Ein Vorteil hierbei ist es, neue Gelegenheiten aufgrei-
fen und langfristige Planungen zielgerichtet gestalten zu können. Nur wenn ein Unterneh-
men das Entstehen von Kundenwünschen beobachtet, kann es entscheiden, welche
Kundengruppen und welche neuen Bedürfnisse es mittels seiner Ressourcen und Zielvor-
stellungen bedienen sollte.
In der Praxis wird von den heutigen Unternehmen Marktorientierung verlangt. Marktorien-
tierte Unternehmen müssen sowohl ihre Kunden als auch ihre Konkurrenten stets genau
beobachten. Die Unternehmen dürfen nicht der Gefahr erliegen, zu sehr auf die Konkurren-
ten fixiert zu sein und dadurch ihre Kunden aus den Augen zu verlieren.
Abbildung 18.6 zeigt, wie sich die Orientierung der Unternehmen im Laufe der Jahre gewan-
delt hat. Die Tätigkeiten eines Unternehmens gingen meist von einem Produkt aus, Käufern
und Konkurrenten wurde noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In der zweiten Phase

859
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

begannen die Unternehmen, sich um die Käufer und ihre Bedürfnisse zu kümmern und zeig-
ten sich kundenorientiert. In der dritten Phase wurden die Konkurrenten beobachtet, sie
kann als die konkurrenz- oder wettbewerbsorientierte Phase bezeichnet werden. Heute müs-
sen sich Unternehmen marktorientiert verhalten und sowohl Sensibilität für die Bedürfnisse
der Käufer entwickeln als auch gegenüber den Aktivitäten der Konkurrenten. Alle Anzeichen
deuten darauf hin, dass sich ein durchdachtes Konzept konsequenter Marktorientierung
lohnt. Verschiedene Studien der letzten Jahre zeigen, dass ein positiver Zusammenhang zwi-
schen der Marktorientierung eines Unternehmens und dessen Rentabilität existiert – unab-
hängig von der Branche oder dem Marktumfeld.

Kunde im Mittelpunkt
Nein Ja
Konkurrent im Mittelpunkt

Produkt- Kunden-
Nein
orientierung orientierung

Konkurrenz- Markt-
Ja
orientierung orientierung

Abbildung 18.6: Die Entwicklung von Unternehmensorientierungen

ZUSAMMENFASSUNG

Ein Unternehmen, das eine wirkungsvolle Marketingstrategie entwickeln will, muss


sowohl seine Wettbewerber als auch seine gegenwärtigen und potenziellen Kunden ken-
nen. Es sollte kontinuierlich seine Konkurrenten analysieren und Wettbewerbsstrategien
entwickeln, die ihm diesen gegenüber eine starke Position einräumen und einen Wettbe-
werbsvorteil verschaffen.
Bei der Konkurrenzanalyse müssen zunächst die Hauptkonkurrenten des Unternehmens
identifiziert werden, zum einen auf der Grundlage der Branche und zum anderen als
marktbezogene Analyse. Es sind Informationen über die Ziele der Konkurrenten, über ihre
Strategien, ihre Stärken und Schwächen und über die zu erwartenden Reaktionen zusam-
menzutragen. Auf Basis dieser Informationen lassen sich Entscheidungen darüber treffen,
welche Konkurrenten angegriffen werden können und welchen man besser ausweichen
sollte.

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Zusammenfassung

Informationen über die Wettbewerber müssen regelmäßig zusammengetragen, interpre-


tiert und intern an die richtigen Empfänger verteilt werden. Die Verantwortlichen im Mar-
keting sollten jederzeit auf vollständige und verlässliche Informationen über jeden Kon-
kurrenten, dessen Aktivitäten das eigene Unternehmen berühren, zurückgreifen können.
Um das Unternehmen im Wettbewerb zu positionieren, kann es zwischen drei alternati-
ven Strategien entscheiden, der Kostenführerschaft, der Differenzierung und der Konzent-
ration. Viele Unternehmen scheitern, weil sie sich nicht auf eine klare Strategie festlegen
und schließlich auf allen Gebieten nur mittelmäßig abschneiden.
Welche Wettbewerbsstrategie die geeignetste ist, ergibt sich aus der Position des Unter-
nehmens in seiner Branche sowie seinen Zielen, Möglichkeiten und Ressourcen. Das
Unternehmen wird unterschiedliche Strategien verfolgen, je nachdem, ob es als Marktfüh-
rer, Herausforderer, Marktfolger oder Nischenanbieter auftritt.
Ein Marktführer kann seine Position mittels dreier Strategien stärken: Ausweitung des
Gesamtmarkts, Verteidigung und Vergrößerung des eigenen Marktanteils. In der Regel pro-
fitiert das führende Unternehmen am stärksten von der Ausweitung des Gesamtmarkts.
Um eine solche zu erreichen, sollte der Marktführer um neue Nutzer werben und nach
neuen Anwendungen und zusätzlichen Verwendungen für das Produkt suchen.
Marktführer mit gut ausgearbeiteten Strategien lassen keine Möglichkeiten für einen
Angriff der Konkurrenz zu. Sie können über die Verteidigung des Marktanteils hinaus-
gehen und versuchen, denselben auszubauen. Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn
die Gewinnrelationen sich mit höheren Marktanteilen verbessern.
Ein Herausforderer ist ein Unternehmen, das aggressiv versucht, seinen Marktanteil zu
vergrößern und dazu den Marktführer, andere vergleichbare Unternehmen oder kleinere
Unternehmen in der Branche angreift.
Ein Marktfolger geht einer direkten Konfrontation mit dem Marktführer aus dem Weg.
Das Unternehmen befürchtet, dass es mehr verlieren als gewinnen würde. Stattdessen
versucht man, die Pionierrolle des Marktführers auszunutzen, indem man Produkte
oder Dienstleistungen anbietet, die in weiten Bereichen dem Angebot des Marktführers
entsprechen, und ihn in einigen Punkten zu übertreffen versucht. Einige Marktfolger
erzielen höhere Renditen als der Marktführer selbst.
Nischenanbieter sind zumeist kleinere Unternehmen, die auf die Bedienung besonderer
Marktnischen spezialisiert sind, die aller Voraussicht nach nicht die größeren Anbieter
anziehen. Nischenanbieter entwickeln sich oft zu sehr kompetenten Spezialisten in
ihren Teilgebieten, sei es bei der Verwendung (zum Beispiel Buchhaltungssoftware als
Branchenlösung) oder durch besonders geeignete Komplettangebote aus Produkten und
Betreuung (zum Beispiel Automobile und besondere Betreuung für Sportfahrer, Tuning
usw.).
Ein Blick auf die Konkurrenz ist sicher sehr wichtig, sie sollte jedoch nicht allein im
Mittelpunkt des Interesses stehen. In der Regel sind Veränderungen der Käuferpräferen-
zen oder das Auftreten neuer Wettbewerber gefährlicher als das Verhalten bereits exis-
tierender. Unternehmen, die gleichermaßen Kunden und Wettbewerber im Blick behal-
ten, praktizieren eine echte Marktorientierung und haben die besten Voraussetzungen
für eine erfolgreiche Tätigkeit.

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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

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863
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18 Wettbewerbsvorteile schaffen

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864
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Internationales Marketing

19.1 Globales Marketing im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . 871 19


19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds . . . . . . . . 873
19.3 Entscheidung über ein internationales
Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 884
19.4 Die Auswahl der Zielländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885
19.5 Bestimmung der Form des Markteintritts . . . . . . . . 889

ÜBERBLICK
19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms . . 894
19.7 Bestimmung der internationalen
Marketingorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 904
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 907

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gen und Wiederholen von Definitionen

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19 Internationales Marketing

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... erklären, wie das Außenhandelssystem und die wirtschaftlichen, politischen,
gesetzlichen und kulturellen Rahmenbedingungen die Internationalisierungsent-
scheidungen eines Unternehmens beeinflussen.
 ... drei Ansätze beschreiben, internationale Märkte zu erschließen.
 ... erklären, wie Unternehmen ihren jeweiligen Marketing-Mix für internationale
Märkte anpassen können.
 ... die drei zentralen Formen der Marketingorganisation für internationale Tätigkeiten
erläutern.

Sie haben nun die Grundlagen kennengelernt, wie Unternehmen wettbewerbsorientierte


Marketingstrategien entwickeln, um Kunden einzubinden, Kundennutzen zu schaffen und
langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen. In diesem Kapitel erweitern wir diese Grundla-
gen um das internationale bzw. globale Marketing. Wenngleich wir globale Themen bereits in
jedem der vorherigen Kapitel erörtert haben – man findet kaum einen Bereich des Marke-
tings, der nicht zumindest einige internationale Aspekte enthält –, konzentrieren wir uns
hier auf die besonderen Umstände, die Unternehmen bei der internationalen Vermarktung
ihrer Marken berücksichtigen müssen. Entwicklungen in der Kommunikation, beim Trans-
port und bei den digitalen Technologien haben die Welt kleiner werden lassen. Heute ist fast
jedes Unternehmen, ob groß oder klein, mit internationalen Marketingfragen konfrontiert. In
diesem Kapitel ergründen wir sechs wesentliche Entscheidungen, die Marketingverantwort-
liche im Zuge der globalen Vermarktung treffen müssen.
Wir beginnen unsere Betrachtung des globalen Marketings, indem wir uns IKEA genauer
anschauen, ein wahrhaft internationales Unternehmen. Bereits in 40 Ländern kann man in
über 300 Einrichtungshäusern auf Möbelsuche gehen. Den größten Teil der Häuser besitzt der
Konzern selbst, der Rest wird von Franchisenehmern betrieben.

Einführende Fallstudie: IKEA – ein besseres Leben für die große


Weltbevölkerung

Walmart mag der größte Einzelhändler der Welt sein, aber IKEA ist das größte Möbel-
haus. Letztes Jahr strömten mehr als 684 Millionen Kunden in die riesigen Geschäfte
des skandinavischen Händlers und bescherten ihm einen Umsatz von über 29 Milliar-
den Euro. Das entspricht einem Jahresdurchschnitt von mehr als 95 Millionen Euro pro
Filiale, zweieinhalb Mal mehr als der Durchschnitt eines Walmart-Markts. Von Peking
über Cardiff bis Barcelona lieben die Kunden IKEA für die einfachen, praktischen
Möbel zu bezahlbaren Preisen. IKEA ist groß und wächst weiter – die Umsätze haben
sich im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt. Doch dabei geht das Unternehmen praktisch
und methodisch vor; die Zahl neu eröffneter Megahäuser liegt bei ungefähr 20 pro Jahr.

866
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Selbst diese großen Zahlen spiegeln den Einfluss nicht wider, den IKEA auf Verbraucher
weltweit hat. IKEA ist weit mehr als nur eine große Möbelhandelskette und hat das
weltweite Wachstum und den Erfolg durch die Einbindung von Kunden aller Nationali-
täten und Kulturen erreicht. IKEA pflegt verschiedene Lebensstile und Wohnwelten.
Kunden in aller Welt kaufen bei IKEA, um zu signalisieren, dass sie angekommen sind
und sowohl guten Geschmack besitzen als auch Werte zu schätzen wissen. Ohne IKEA
hätten viele Menschen in der Welt vermutlich kaum Zugang zu bezahlbaren, modernen
Produkten für ihr Zuhause. IKEAs Mission ist es, „einen besseren Alltag für die vielen
Menschen“ zu schaffen. Diese scheinbar unmögliche Mission erfüllt es, indem es genau
die richtige Balance zwischen der Standardisierung einer Weltmarke und dem Angebot
für die regionalen kulturellen Unterschiede in den internationalen Märkten trifft.
In den 1940er-Jahren entwickelte Ingvar Kamprad das, was heute als „IKEA-Konzept“
bekannt ist. Geboren wurde er im schwedischen Småland; hier war der Boden karg und
die Bewohner galten als hart arbeitende Menschen, die bescheiden lebten und das
meiste aus den begrenzten Ressourcen herausholten. Das IKEA-Konzept spiegelt diese
Merkmale wider – es „bietet eine große Anzahl gut gestalteter, funktionaler Möbel zu so
niedrigen Preisen, dass möglichst viele Menschen sie sich leisten können“.
Einige Aspekte der IKEA-Produkte sind in allen Ländern gleich. Zunächst sind die Pro-
dukte alle im modernen schwedischen Design gehalten. Die klassischen, einfachen
Linien des IKEA-Designs bringen zeitlose Produkte hervor, die nur wenige andere
Unternehmen in der Branche bieten können. POÄNG zum Beispiel, ein gepolsterter
Stuhl mit laminiertem Holzrahmen und nur zwei Stuhlbeinen vorne, wurde schon 1976
entwickelt, gehört aber noch immer zu den bestverkauften Produkten. Das gleiche gilt
für das BILLY-Regal. Tatsächlich gibt es die erfolgreichsten IKEA-Produkte schon seit
Jahren. Und genauso wollen IKEA-Kunden sie auch genießen – jahrelang. Niedrige
Preise sind ein weiteres Merkmal der IKEA-Produkte. Die Preismarke jedes IKEA-Pro-
dukts liegt bei der Hälfte des Preises ähnlicher Produkte von Wettbewerbern. Und mit
dem konsequenten Fokus auf Kosteneinsparung kann IKEA den Preis eines Produkts
konstant halten oder im Laufe der Zeit sogar senken. Das Angebot gleicher Produkte in
jeder Filiale schafft eine Ausgewogenheit, die ebenfalls zur kostengünstigen Preisstruk-
tur beiträgt. Genau wie der Ansatz der „flachen Pakete” – die Möbel werden so gestaltet,
dass sie in Einzelteilen verpackt und verkauft werden können. Die Kunden bauen sie
dann zu Hause zusammen.
Auch das Design der IKEA-Filialen ist weltweit einheitlich. Zunächst einmal sind die
Läden riesig. Mit einer Durchschnittsgröße von 300.000 Quadratmetern übertrifft eine
normale IKEA-Filiale die Größe eines gewöhnlichen Carrefour-Markts oder eines Wal-
mart-Supercenters um 50 Prozent. Mit diesen großflächigen Filialen kann IKEA einen
weiteren Aspekt des globalen Markenkonzepts umsetzen – mit einem einzigen Einkauf
kann der Kunde Möbel, Geräte und Haushaltswaren für jeden Raum mit nach Hause
nehmen. Obwohl die gigantische Größe einige Kunden vielleicht überwältigt, ist jeder
IKEA-Markt in drei wesentliche Bereiche unterteilt. Die Showrooms sind als eingerich-
tete Zimmer entlang der Laufrichtung ausgestellt und präsentieren die relevanten Pro-
dukte, aber auch Artikel aus anderen Bereichen, die den Kunden Anregungen zur Ein-
richtung ihres Heims geben können. Der Marktplatz beherbergt die kleinen Artikel –
hier findet man alles von Schreibtischlampen bis zu Küchenutensilien. Auch diese sind
je nach Bereich eines Hauses arrangiert.

867
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19 Internationales Marketing

Das Lager ermöglicht den Kunden die direkte Entnahme und den Transport ihrer Möbel
in flachen Paketen. Die Kunden werden über einen Hauptweg im Uhrzeigersinn durch
das Haus geführt, von einer Abteilung in die nächste. Dies soll zu einem Rundgang
durch das ganze Haus anregen. Eltern können ihre Kinder im Småland betreuen lassen,
die ganze Familie kann im Restaurant mit drei täglichen Mahlzeiten oder in der Snack-
bar etwas essen. So kann man sich bei IKEA stundenlang aufhalten und einkaufen.
Obwohl IKEAs Standardformel in nahezu jedem Markt funktioniert, hat das Unterneh-
men verstanden, dass die Einheitsgröße nicht jedem Kunden auf der Welt gleicherma-
ßen passt. So ändert IKEA den Marketing-Mix in verschiedenen Märkten, um die regio-
nalen Ansprüche besser befriedigen zu können. Der Händler sucht permanent das
Feedback seiner Kunden in den Filialen und besucht jedes Jahr tausende in ihren Hei-
men, um ihre Wohnsituation zu betrachten und sie nach ihren Träumen und Problemen
zu befragen. Als der erste US-amerikanische IKEA-Markt 1985 in Philadelphia eröffnete,
wurden die gleichen Betten angeboten wie in anderen Filialen weltweit. Doch die Ame-
rikaner kauften sie nicht und die Umsätze gingen zurück. Im Zuge weiterer Eröffnungen
in den USA beschäftigte sich IKEA mit den Schlafgewohnheiten der Amerikaner und
stellte fest, dass Höhe, Festigkeit und Größe die Hauptkriterien für den Bettenkauf
waren. So änderte IKEA die Zusammenstellung seiner Matratzen und brachte King-Size-
Betten ins Angebot. Dann passte man die Präsentation und Bewerbung dieser Produkte
so an, dass das Konzept deutlich wurde. Wenig überraschend verkauften sich die
Schlafmöbel-Linien anschließend enorm. Kürzlich entsprach IKEA dem Wunsch euro-
päischer Verbraucher nach mehr Dienstleistungen. Während die Auswahl im Lager, der
eigene Transport und der Zusammenbau für die meisten Kunden kein Problem darstellt,
ist der Aufwand für manche andere zu groß. Zu einem günstigen Preis kann man heute
die Ware bei IKEA dem Lager entnehmen und sich nach Hause liefern lassen. Jeder
IKEA-Markt arbeitet sogar mit Subunternehmen zusammen, die die Möbel beim Kunden
montieren.
In einigen Märkten besteht größerer Änderungsbedarf. Im Zuge der Asien-Expansion
beispielsweise hat IKEA gelernt, dass sich die Verbraucher dort deutlich von denen in
Europa und Nordamerika unterscheiden. Nehmen wir China. Das Land mit einigen der
größten Städte der Welt kann sich kaum über einen Mangel an Kunden beklagen. Die
meisten der 1,3 Milliarden Chinesen kaufen jedoch keine Möbel. So konzentrierte sich
IKEA stattdessen auf die chinesische Mittelschicht – der große Bevölkerungsteil in den
wachsenden Städten, der gut ausgebildet und zwischen 25 und 35 Jahre alt ist. Aus die-
sem Grund liegen die IKEA-Märkte in China eher in Innenstadtnähe als in den Randge-
bieten und befinden sich nahe am Netz der öffentlichen Verkehrsmittel.
Einige der für den chinesischen Markt durchgeführten Änderungen basieren auf dem
Grundsatz, die Produkte zu lagern, die von Menschen in bestimmten Regionen gekauft
werden. Die Kunden in China lieben beispielsweise gute, harte Matratzen – also ver-
kauft IKEA hier die festeren Modelle. Obwohl die IKEA-Märkte in China dieselbe Pro-
duktanzahl haben wie in anderen Teilen der Welt – meistens im IKEA-Standardsorti-
ment – bietet das Unternehmen in China auch Reiskocher und Essstäbchen an. Und
wenn IKEA 250.000 Platzsets mit Motiven zum Jahr des Hahns anbietet, sind diese in
nur wenigen Wochen ausverkauft.

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Abbildung 19.1: US-amerikanischer IKEA Markt in Portland, Oregon
(Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:IKEA_-_Portland,_Oregon.jpg, gemeinfrei)

In Megastädten wie Peking und Shanghai ist Immobilien-Eigentum in den letzten fünf-
zehn Jahren von null auf rund 70 Prozent gestiegen. Da praktisch alle neuen Hausbesit-
zer wenig Ahnung von Inneneinrichtung und Dekoration haben, schauen sie sich hier
viel von der westlichen Kultur ab. Aber nicht alles, was in den Industrieländern funkti-
oniert, funktioniert auch in Schwellenländern wie China. Zum einen ist der durch-
schnittliche Wohnraum in Chinas überfüllten Städten deutlich kleiner als in Europa
und Nordamerika. Die chinesische Durchschnittsfamilie lebt in einem kleinen Hoch-
haus-Apartment, oft wohnen mehrere Generationen zusammen. So konzentriert sich
IKEA in China auf Produkte, die platzsparend sind und mit denen sich der Haushalt
organisieren lässt. Und es hilft Kunden dabei, auch kleine Flächen clever und sinnvoll
zu nutzen.
Die Preisgestaltung in China ist ein wenig paradox. Chinesische Kunden schätzen das
Design und das umfassende Angebot bei IKEA, also setzt IKEA hier seine Schwerpunkte
in der Marktpositionierung. Gleichzeitig aber sind niedrige Preise in Schwellenländern
wie China schon die Regel und IKEA musste die Preise drastisch reduzieren, um wett-
bewerbsfähig zu bleiben. Als das Unternehmen vor mehr als zehn Jahren den ersten
Markt in China eröffnete, war IKEA teurer als die ortsansässige günstige Konkurrenz.
Wettbewerber verkauften Kopien der IKEA-Modelle zu einem Bruchteil der Preise. Als
Experte bei der Senkung von Kosten konnte IKEA in den letzten zehn Jahren die Preise
in China jedoch um 50 Prozent reduzieren. Das klassische Klippan-Sofa zum Beispiel
kostet heute nur noch 129 Euro, ist also nur noch ein Drittel so teuer wie vor zehn Jah-
ren (das gleiche Sofa kostet in Schweden 378 Euro).

869
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19 Internationales Marketing

Ein anderes Problem beim Verkauf von Möbeln in dem bevölkerungsreichsten Land der
Welt liegt darin, dass es regional sehr große Unterschiede gibt. In einigen Gebieten
haben die Apartments beispielsweise kleinere Zimmer. Daher entwickelt IKEA dort
Showrooms, die an die geringe Raumgröße angepasst sind. In ganz China haben die
Apartments einen Balkon. Dieser dient in Nordchina weitgehend zur Lagerung von
Lebensmitteln, während er in Südchina auch für die Wäsche genutzt wird. Auch diese
regionalen Unterschiede und Bedürfnisse werden von IKEA berücksichtigt.
Und noch ein ungewöhnliches Phänomen gibt es in China – Bummler. Die IKEA-Märkte
in China haben eine höhere Kundenfrequenz als anderswo in der Welt (die Filiale in
Peking zieht an einem typischen Samstag 28.000 Besucher an – so viele wie ein europä-
ischer IKEA-Markt in einer starken Woche).
Doch die Mehrheit der Besucher sieht sich einfach nur um. Tatsächlich genießen viele
Kunden einfach die klimatisierte Luft, ein preiswertes Essen und einen Platz zum Ent-
spannen. Viele Menschen halten sich einfach für längere Zeit in den Showrooms auf,
wie in ihrem eigenen Wohnzimmer. Einige schlagen die Decken auf den IKEA-Betten
zurück, ziehen die Schuhe aus und machen ein Nickerchen. So ein Verhalten würden
IKEA-Märkte anderswo nicht dulden, doch die Verantwortlichen haben erkannt, dass
die Tolerierung solcher Angewohnheiten bei der schnell wachsenden chinesischen Mit-
telschicht eine Investition in die Zukunft ist.
IKEA plant eine Ausweitung der chinesischen Filialen von 15 auf 40 in den nächsten
sechs Jahren. Doch das Geschäft in China ist nur ein Beispiel für die IKEA-Strategie
weltweit. Im selben Zeitraum will das Unternehmen auch seine Filialen in Nordamerika
verdoppeln. Und während IKEA sein Wachstum in den bestehenden Märkten fortsetzt,
hat es auch neue Märkte mit großem ungenutzten Potenzial wie z.B. Indien im Blick, wo
man 25 Filialen eröffnen will. Die Verdoppelung des Umsatzes der letzten zehn Jahren
will IKEA bis 2020 wiederholen. Und dieser Plan basiert auf demselben methodischen
Wachstum von 20 bis 25 neuen Märkten pro Jahr. Mit der starken Fähigkeit, die kultu-
rellen Unterschiede in jedem Markt zu verstehen und das Marketing entsprechend
anzupassen, scheint IKEA bei seinem Ziel wenig im Weg zu stehen.

Fragen
1. Setzt IKEA tatsächlich eine globale oder nicht doch eher eine Reihe regionaler Stra-
tegien ein? Erläutern Sie.
2. Wenn IKEA in China ein Sofa für 129 Euro verkaufen kann, warum verkauft es das
Produkt nicht überall so günstig?
3. Können Wettbewerber die Preisstrategie von IKEA einfach kopieren? Warum bzw.
warum nicht?
4. Sollte IKEA schneller wachsen als um 20 bis 25 Filialen pro Jahr? Erläutern Sie.

870
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19.1 Globales Marketing im 21. Jahrhundert

19.1 Globales Marketing im 21. Jahrhundert


Durch schnellere Kommunikation, optimierte Logistik und vereinfachte Finanztransaktionen
rückt die Welt immer näher zusammen. Marken oder Produkte mit nationaler Prägung wie
zum Beispiel Handtaschen von Gucci (Italien), Autos von BMW (Deutschland), Hamburger
von McDonald’s (USA) finden schnell eine Liebhabergemeinde jenseits der Grenzen ihres
Herkunftslandes. In den letzten drei Jahrzehnten florierte der internationale Handel. Die Zahl
der multinationalen Unternehmen ist seit 1990 von 30.000 auf über 63.000 gestiegen. Einige
von ihnen sind wahre Giganten. Tatsächlich sind nur 77 der 150 größten Volkswirtschaften
der Welt Länder. Die anderen 73 sind multinationale Konzerne. Walmart, das weltgrößte
Unternehmen (basierend auf dem gewichteten Mittelwert von Umsätzen, Gewinnen, dem
Vermögens- und dem Marktwert) verzeichnet jährliche Umsätze, die höher sind als das Brut-
toinlandsprodukt jedes Landes mit Ausnahme der 25 größten Länder.
Viele europäische Unternehmen wie BMW, Nestlé, IKEA, Siemens und Rolls-Royce sowie
Dutzende andere sind schon lange im internationalen Markt erfolgreich. Aber auch nicht
europäische Unternehmen wie McDonald’s, Coca-Cola, Starbucks, GE, IBM, Colgate, Cater-
pillar und Boeing sind international etabliert.
Da die Globalisierung ständig fortschreitet, sind auch Unternehmen, die selbst nie an Inter-
nationalisierung dachten, relativ schnell der internationalen Konkurrenz im Heimatmarkt
ausgesetzt. Ein Unternehmen, das sich bewusst auf den Inlandsmarkt beschränkt, versäumt
nicht nur die Gelegenheit zur Expansion, sondern riskiert auch, im heimischen Markt von
starken ausländischen Wettbewerbern angegriffen zu werden.
Einige Länder und Anbieter würden die Flut der Importe gerne durch Protektionismus ein-
dämmen, dies führt langfristig jedoch lediglich zu einer Steigerung der Lebenshaltungskos-
ten und zum Schutz unwirtschaftlich arbeitender heimischer Unternehmen. Eine bessere
Strategie ist es, die eigenen Produkte kontinuierlich zu verbessern und in fremde Märkte zu
expandieren. Unternehmen, die den Schritt Richtung Internationalisierung verpassen, riskie-
ren, von wachsenden Märkten auf der ganzen Welt ausgeschlossen zu werden.
Die Notwendigkeit der Internationalisierung ist heute größer denn je, dies gilt jedoch auch
für die damit einhergehenden Risiken. Entscheidet man sich für ein internationales Engage-
ment, sieht man sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert: Staatsverschul-
dung, Inflation und Arbeitslosigkeit haben in vielen Ländern zu instabilen Regierungen und
Währungen geführt. Dies schränkt den Handel ein und setzt ausländische Unternehmen vie-
len Risiken aus. Regierungen verhängen speziell für ausländische Unternehmen Vorschriften
wie beispielsweise die erforderliche Bildung von Zusammenschlüssen mit lokalen Unterneh-
men in Form von „joint ownerships“ und die Limitierung von Gewinnen, um den Devisenab-
fluss zu verhindern. Oftmals verhängen Regierungen hohe Zölle und Handelsbarrieren, um
die heimische Industrie zu schützen. Ein weiteres Problem stellt in vielen Ländern die Kor-
ruption dar.
Unternehmen, die in globalen Industrien tätig sind, haben in der Regel keine andere Wahl,
als ihre Geschäftstätigkeit zu internationalisieren und danach zu streben, ein globales Unter-
nehmen zu werden. Unter einer global orientierten Branche versteht man einen Wirtschafts-
zweig, in dem die strategische Position der einzelnen Unternehmen in gegebenen geografi-
schen oder nationalen Märkten durch ihre globale Position insgesamt bestimmt wird. Ein
globales Unternehmen erzielt durch seine internationale Tätigkeit Vorteile in allen funktio-
nalen Bereichen (Forschung und Entwicklung, Produktion, Marketing und Finanzen), indem
es alle Planungen, alle Maßnahmen und alle Koordinationsfunktionen auf weltweiter Basis

871
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19 Internationales Marketing

durchführt. Ein solches Unternehmen sieht die Welt als einen Markt. Es minimiert die Wich-
tigkeit nationaler Grenzen und entwickelt globale Marken.
Globales Marketing versucht, die Marketingaktivitäten verschiedener geografischer Märkte
zu integrieren und zu standardisieren. Dies schließt eine Anpassung an die Besonderheiten
einzelner Länder jedoch nicht aus. Ein globales Unternehmen ist allerdings grundsätzlich
bestrebt, die Ähnlichkeiten verschiedener Märkte zu nutzen, um dadurch einen Wettbe-
werbsvorteil zu erlangen.
Es versucht, die Bedeutung zwischenstaatlicher Grenzen zu minimieren, es besorgt sich
Kapital, Rohstoffe und Komponenten und produziert und verkauft, wo immer es zielführend
ist. Rein national tätigen Unternehmen bleiben diese Möglichkeiten verschlossen. Ford bietet
zum Beispiel ein Freizeitfahrzeug an, für das die Karosserieteile aus Europa und das Chassis
aus Nordamerika bezogen werden, das in Brasilien montiert und schließlich in den USA ver-
kauft wird. Der Aufzughersteller Otis bezieht seine Türsysteme aus Frankreich, kleinere
Getriebeteile aus Spanien, die Elektronik aus Deutschland und spezielle Motorantriebe aus
Japan. Die Systemintegration findet in den USA statt.
Dies bedeutet nicht, dass Unternehmen in dutzende Länder expandieren müssen. Insbeson-
dere für kleinere Unternehmen kann der Weg des „globalen Nischenanbieters“ sinnvoll sein.
Wichtig ist jedoch, dass jedes Unternehmen, das in einer global orientierten Branche tätig ist,
sei es groß oder klein, seinen Platz auf dem Weltmarkt findet und behauptet.
Auf diese Weise erlangen globale Unternehmen durch weltweite Planung, Durchführung und
Abstimmung ihrer Marketingaktivitäten einen großen Vorteil. Dies bringt auch viele füh-
rende deutsche Unternehmen dazu, weltweite Restrukturierungsprogramme anzustoßen, um
von den Möglichkeiten zu profitieren, die eine global vernetzte Wirtschaft bietet. In Deutsch-
land hat in den letzten Jahren insbesondere der Mittelstand von der Globalisierung profitiert.
Unter den erfolgreichsten Unternehmen befinden sich hoch spezialisierte und oftmals in
ihrem Segment weltweit führende Anbieter. Die weltweit größte Tunnelbohrmaschine zum
Beispiel, die man nutzte, um zwei gigantische Straßentunnel unter dem Jangtse-Fluss zu boh-
ren, wurde in Shanghai unter der Leitung des im Schwarzwald beheimateten Unternehmens
Herrenknecht gebaut.
Festo, ein Hersteller von Motoren für die Automatisierungstechnik, fertigt die meisten seiner
Maschinenteile in Deutschland, lässt sie aber in seinen 55 ausländischen Niederlassungen
montieren. „Das Wachstum liegt im Ausland ... Unser Unternehmen lebt von der Globalisie-
rung“, sagt der Konzernchef, Eberhard Veit. Der zu Siemens gehörende Motorenhersteller
Flender hat Produktionsanlagen weltweit verteilt und macht 80 Prozent seiner Umsätze im
Ausland. Deutsche Unternehmen, ob Automobilhersteller, Hersteller von Automatisierungs-
technologie, Baumaschinen oder Maschinenteilen, reagieren auf die erhöhte Nachfrage nach
Investitionsgütern, die schnell wachsende Wirtschaftssysteme brauchen, um ihre Fabriken,
Gebäude und Infrastruktur zu errichten.
Auch das globale Internetgeschäft wächst rapide. Betreiben Unternehmen Internetmarketing,
werden sie – ob geplant oder nicht – zu globalen Unternehmen. Für viele Anbieter bietet das
Internet eine günstige Möglichkeit, sich global zu engagieren.
Die zunehmende Globalisierung führt dazu, dass sich die Unternehmensleitung einige
grundlegende strategische Fragen stellen muss:
 Welche Marktposition wollen wir in unserem Land, in unserer geografischen Region
(Europa, Nordamerika, Asien, Australien) oder weltweit erreichen?

872
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19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds

 Wer sind im globalen Maßstab unsere Konkurrenten und was sind ihre Strategien und Res-
sourcen?
 Wo sollen wir unsere Erzeugnisse produzieren oder beschaffen?
 Welche strategischen Allianzen sollten wir auf dem Weltmarkt oder auf Teilmärkten ein-
gehen?
Wenn ein Unternehmen selbst international tätig werden will, muss es die aus Abbildung
19.2 ersichtlichen zentralen Entscheidungen treffen. Mit diesen werden wir uns im Folgen-
den auseinandersetzen.

Analyse des Entscheidung Die Auswahl Festlegung Bestimmung


Bestimmung
globalen für oder gegen von des globalen der
der Form des
Marketing- internationales Zielmärkten Marketing- Organisations-
Markteintritts
Umfeldes Engagement Programms form

Abbildung 19.2: Zentrale Entscheidungen im internationalen Marketing

19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds


Internationale Unternehmenstätigkeit verlangt zunächst eine weit und umfassend angelegte
Betrachtung des Marketingumfelds. Bevor die Entscheidung fallen kann, ob Absatz und
Geschäftstätigkeit auch in globalen Märkten stattfinden sollen, muss die Unternehmenslei-
tung das internationale Marketingumfeld in seiner Komplexität verstanden haben.

19.2.1 Das internationale Handelssystem


Ein Unternehmen, das den Schritt auf die Auslandsmärkte wagen will, muss ein umfassendes
Wissen über die Reglementierungen des internationalen Handels mitbringen. Sobald man in
ein anderes Land verkauft, sieht man sich unterschiedlichen Handelsbeschränkungen gegen-
über. Am meisten verbreitet sind Zölle, steuerähnliche Abgaben, die von ausländischen Regie-
rungen bei der Einfuhr bestimmter Importwaren erhoben werden. Die Zölle haben zwei Ziele:
Sie sollen der Regierung Einnahmen verschaffen und einheimische Firmen schützen. Zölle
werden oft genutzt, um den Handel anderer Länder zum eigenen Vorteil zu beeinflussen.
So hat die Europäische Union (EU) Importzölle auf chinesische Solarpanels erhoben, nach-
dem festgestellt wurde, dass chinesische Unternehmen die Panels in EU-Ländern unter
Marktpreis verkaufen. Im Gegenzug verhängte die chinesische Regierung schon am nächsten
Tag Zölle gegen EU-Weinexporte nach China. Die Zölle betrafen Weine aus Spanien, Frank-
reich und Italien; Deutschland war ausgenommen, da es sich im Streit um die Solarpanels
auf die Seite Chinas gestellt hatte. Die Konflikte wurden beigelegt, als die chinesischen Her-
steller von Solarpanels einen Mindestpreis in Europa akzeptierten und Europa sich im
Gegenzug bereit erklärte, China bei der Entwicklung eines eigenen Weinsektors zu unterstüt-
zen, sofern auch europäische Weine im Land beworben würden.1
Außerdem kann man auf mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen für eine bestimmte Waren-
kategorie, die sogenannten Quoten, treffen. Zweck der Quoten ist es, Devisenreserven
zurückzuhalten und die heimische Wirtschaft und die Beschäftigung im eigenen Land zu
schützen. Ein Embargo ist die strikteste Form der Quote, nämlich eine Quote null. Zu diesem
Instrumentarium gehören auch Devisenbeschränkungen, die Währungstransaktionen ins
Ausland eindämmen, oder aber Bestimmungen, dass ungünstige Wechselkurse zugrunde

873
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
19 Internationales Marketing

gelegt werden müssen. Darüber hinaus existieren auf manchen Märkten nichttarifäre Han-
delshemmnisse. Beispiele dafür sind die unfaire Behandlung von Angeboten ausländischer
Unternehmen oder Produktstandards, die bestimmte Produkteigenschaften fordern oder ver-
bieten.
Walmart beispielsweise gab vor einiger Zeit seine einst so ehrgeizigen Expansionspläne für
Indiens riesigen, aber zersplitterten Einzelhandelsmarkt und die Eröffnung hunderter Wal-
mart-Filialen auf. Neben schwierigen Marktbedingungen wie einem instabilen Stromnetz
und schlechten Straßen ist Indien berüchtigt für immer neue zollfremde Handelshemmnisse
zum Schutz der eigenen vorrangig kleinen Geschäftsbetriebe, die 96 Prozent des gesamten
Handelsumsatzes von etwa 400 Milliarden Euro ausmachen. Ein solches Hemmnis ist z.B.
die Forderung seitens der indischen Regierung, dass ausländische Einzelhändler 30 Prozent
der Ware, die sie verkaufen, von inländischen Kleinbetrieben beziehen müssen. Eine solche
Auflage ist für Walmart nahezu unmöglich zu erfüllen, da kleine Lieferanten die für den Han-
delsriesen benötigten Mengen einfach nicht realisieren können. Ferner sind die wenigen gro-
ßen Einzelhändler in Indien nicht an diese Auflage gebunden, was einen profitablen Wettbe-
werb für Walmart erschwert. So sucht Walmart heute nach inländischen Partnern, um den
gigantischen indischen Markt zu knacken.2
Auf der anderen Seite gibt es bestimmte Kräfte, die den Handel zwischen Nationen begünsti-
gen, z.B. die World Trade Organisation (WTO) oder verschiedene regionale Freihandelsab-
kommen.

Die World Trade Organisation (WTO)


Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), das 1947 geschlossen und 1994 über-
arbeitet wurde, sollte den Welthandel durch die Verringerung von Zöllen und anderen inter-
nationalen Handelsbarrieren fördern. Hieraus ging die Welthandelsorganisation (WTO) her-
vor, die das GATT 1995 ersetzte und heute die ursprünglichen GATT-Auflagen kontrolliert.
Die Mitgliedsstaaten von GATT und WTO (WTO: 164 Länder) kamen in acht Verhandlungs-
runden zusammen, um Handelsbarrieren neu zu bewerten und neue Regeln für den internati-
onalen Handel aufzustellen. Auch verhängt die WTO internationale Handelssanktionen und
vermittelt in globalen Handelsstreitigkeiten. Ihre Maßnahmen waren bislang sehr zielfüh-
rend. Der durchschnittliche Zollsatz auf den Austausch von Gütern wurde in den ersten sie-
ben Verhandlungsrunden von damals 45 Prozent auf heute 5 Prozent reduziert.3
Eine bedeutende Verhandlungsrunde stellte die sogenannte Uruguay-Runde dar, die sieben
Jahre andauerte, bevor sie 1994 durch die Unterschrift von den Abgeordneten der 123 teil-
nehmenden Staaten abgeschlossen wurde. Die Verdienste dieser Runde werden noch lange

1 Rob Schmitz, „Trade spat between China and EU threatens exports of solar panels, wine“, Marketpla-
ce, 6. Juni 2013, www.marketplace.org/topics/world/trade-spat-between-china-andeu-threatens-ex-
ports-solarpanels-wine; Jonathan Stearns, „EU Nations approve pact with China on solar-panel
imports“, Bloomberg, 2. Dezember 2013, www.bloomberg.com/news/2013–12–02/u-nations-approve-
pact-with-china-onsolar-panel-trade.html sowie Ben Blanchard und Francesco Guarascio, „EU, Chi-
na end wine dispute ahead of Xi’s European tour“, Reuters, 21. März 2014, www.reuters.com/article/
idUSBREA2K0QE20140321.
2 Gardiner Harris, „Wal-Mart drops ambitious expansion plan for India“, New York Times, 10. Oktober
2013, S. B3 sowie Paul Ausick, „Walmart still struggles in India“, 247wallst, 8. April 2014, http://
247wallst.com/retail/2014/04/08/walmart-still-struggles-in-india/.
3 „What is the WTO?“, www.wto.org/english/thewto_e/whatis_e/what_we_do_e.htm, Zugriff Oktober
2015.

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19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds

Jahre zu spüren sein, da sie das langfristige globale Handelswachstum unterstützen sollen.
Hierdurch wurden die verbleibenden weltweiten Warenzölle um 30 Prozent reduziert. Die
Runde ergänzte GATT insbesondere um Regelungen im Bereich der Landwirtschaft und der
Dienstleistungen und verbesserte den internationalen Schutz für Urheberrechte, Patente,
Markenzeichen und anderes geistiges Eigentum. Obwohl der finanzielle Einfluss eines sol-
chen Abkommens schwierig zu messen ist, zeigen Untersuchungen, dass um ein Drittel redu-
zierte Handelsbarrieren in den Bereichen Landwirtschaft, verarbeitende Industrie und
Dienstleistungen die Leistung der Weltwirtschaft um 433 Milliarden Euro steigert. Das ent-
spricht ungefähr der volkswirtschaftlichen Größe von Polen.
Im Rahmen der Uruguay-Runde wurde die WTO (World Trade Organization beziehungsweise
Welthandelsorganisation) gegründet, die das Ziel hat, die Bestimmungen des GATT durchzu-
setzen, um Handelshemmnisse abzubauen. Im Allgemeinen fungiert die WTO als eine
Dachorganisation, die das GATT, das Handelsabkommen zu Dienstleistungen und ähnliche
Vereinbarungen, die das geistige Eigentum betreffen, beaufsichtigt. Zusätzlich vermittelt die
WTO bei globalen Auseinandersetzungen, hilft Entwicklungsländern und verhängt Handels-
sanktionen, Befugnisse, die das GATT nie hatte. Das höchste Organ der WTO ist die Minister-
konferenz der Wirtschafts- und Handelsminister, die mindestens alle zwei Jahre zusammen-
trifft. Eine neue Verhandlungsrunde, die Doha-Runde, begann in Doha, Qatar, Ende 2001 und
sollte 2005 abgeschlossen werden, sie dauert allerdings bis heute an.

Regionale Freihandelsabkommen
Einige Länder bilden Freihandelszonen oder Wirtschaftsgemeinschaften – Staatengruppen,
die so organisiert sind, dass sie in der Regulierung des internationalen Handels gemeinsame
Ziele verfolgen. Eine solche Gemeinschaft ist die 1957 gegründete Europäische Union (ehe-
mals Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), die einen großen europäischen Markt anstrebt,
wobei alle Schranken, die den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und
Arbeit unter den Mitgliedsländern beschränken, abgebaut und Handelsvereinbarungen mit
Nichtmitgliedern abgeschlossen werden sollen. Die EU heute einen der weltweit größten Bin-
nenmärkte dar. Der heute aus 28 Staaten bestehende Verbund umfasst rund eine halbe Milli-
arde Einwohner und ihm sind fast 20 Prozent aller weltweiten Exporte zuzuschreiben.4
Der europäische Einigungsprozess bietet auch für nichteuropäische Unternehmen enorme
Chancen, denen allerdings gewisse Risiken gegenüberstehen. Als Folge der zunehmenden
Integration werden europäische Unternehmen wachsen und wettbewerbsfähiger werden.
Möglicherweise noch schwerer wiegt allerdings die Sorge, dass reduzierte Handelsbarrieren
innerhalb Europas möglicherweise zu einer verstärkten Abschottung nach außen führen wer-
den. Einige Beobachter sprechen schon von der „Festung Europa“, die eigene Unternehmen
bevorzugt und Außenstehende durch die Errichtung von Hindernissen wie etwa striktere
Importquoten, lokale Sondervorschriften und andere Handelsbarrieren ausschließt.
Fortschritte in der europäischen Einigung werden nur langsam erzielt. Trotzdem gingen am
1. Januar 1999 elf der damals 15 Mitgliedsstaaten (ausgenommen Großbritannien, Griechen-
land, Dänemark und Schweden) einen bedeutenden Schritt zur Einigung, indem sie den Euro
als gemeinsame Währung für 290 Millionen Verbraucher einführten. Die Einführung des
Euro nimmt einen Großteil des Währungsrisikos aus dem innereuropäischen Geschäft,
sodass Länder mit zuvor schwacher Eigenwährung plötzlich als Märkte attraktiv werden.

4 „The EU at a glance“, http://europa.eu/about-eu/index_en.htm sowie „EU statistics and opinion


polls“, http://europa.eu/documentation/statistics-polls/index_en.htm, Zugriff Oktober 2015.

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19 Internationales Marketing

Durch den Abbau der Wechselkursschranken stärkt die neue gemeinsame Währung auch den
grenzüberschreitenden Handel und Preis- und Marktunterschiede zwischen den einzelnen
Ländern werden deutlicher sichtbar.
Aber selbst die Einführung des Euro als Standardwährung schafft aus Marketingperspektive
keinen homogenen Markt. Wie ein internationaler Analyst so treffend sagte: „Was ist schon
die steuerliche Harmonisierung gegen 2.000 Jahre bestehende Traditionen?“ Angesichts zwei
Dutzend verschiedener Sprachen und unterschiedlicher nationaler Bräuche wird die EU
wohl nie zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ heranwachsen. Denn selbst wenn wirt-
schaftliche und politische Grenzen fallen, bleiben doch soziale und kulturelle Unterschiede
bestehen, und das Marketing muss nach wie vor eine Vielzahl lokaler Vorschriften und
Eigenheiten beachten. Die unterschiedlichen Ansichten und Motivlagen innerhalb der EU
werden besonders deutlich durch die Verhandlungen zur Schaffung eines Vertrags über eine
Verfassung für Europa, die durch Volksabstimmungen in Frankreich, den Niederlanden und
Irland starke Rückschläge erlitten. Ungeachtet dessen hat die europäische Einigung den Kon-
tinent zu einer effizienteren und wettbewerbsfähigeren globalen Kraft gemacht.
Im Januar 1994 trat mit dem NAFTA, dem North American Free Trade Agreement, eine
Freihandelszone zwischen den USA, Mexiko und Kanada in Kraft. Dieses Abkommen schuf
einen gemeinsamen Markt mit 470 Millionen Einwohnern, die jährlich Waren und Dienst-
leistungen im Wert von mehr als 15 Billionen Euro produzieren und konsumieren. Wird
NAFTA über einen Zeitraum von 20 Jahren implementiert, sind damit alle Handelsbarrieren
und Investitionsbeschränkungen zwischen den drei Ländern beseitigt. Nach Aussagen des
Internationalen Währungsfonds (IWF) hat sich der Handel zwischen diesen drei Ländern von
225 Milliarden Euro im Jahr 1993 auf 0,8 Billionen Euro mehr als verdreifacht. In Zukunft
soll NAFTA abgelöst werden durch ein neues, USMCA genanntes Abkommen.5
In Anlehnung an NAFTA wurde 2005 CAFTA-DR, das Dominican Republic-Central Ameri-
can Free Trade Agreement, eine Freihandelszone zwischen den USA, Costa Rica, der Domini-
kanischen Republik, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua, gegründet.
Andere Freihandelszonen wurden in Latein- und Südamerika gegründet. So verbindet UNA-
SUR, gegründet 2004 und durch einen Verfassungsvertrag formalisiert im Jahr 2008, heute
zwölf Mitgliedsstaaten. Mit einer Gesamtbevölkerung von mehr als 387 Millionen Menschen,
einer Wirtschaftsleistung von mehr als 3,6 Billionen Euro ist UNASUR der größte Handels-
block nach der NAFTA und der EU.

5 Siehe zu den Statistiken und weiteren Informationen CIA, The World Factbook und Harold Meyer-
son, „Free trade and the loss of US jobs“, Washington Post, 14. Januar 2014, www.washington-
post.com/opinions/haroldmeyerson-free-trade-and-the-loss-of-us-jobs/2014/01/14/894f5750–7d59–
11e3–93c1–0e888170b723_story.html.

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19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds

Exkurs: Regionale Handelsgruppen

Die hier genannten und weitere Freihandelsgemeinschaften sind aus Abbildung 19.3
ersichtlich. Tatsächlich ist fast jedes WTO-Mitglied zugleich auch Mitglied in einer oder
in mehreren dieser Gemeinschaften. Von den etwa 100 bei der WTO gelisteten Freihan-
delsabkommen entstanden mehr als die Hälfte in den 1990er-Jahren.

EU
Europäische Union
ANDENGEMEINSCHAFT
Belgien, Bulgarien, Dänemark,
Bolivien, Ecuador,
Deutschland, Estland, Finnland, ASEAN Kolumbien, Peru
Frankreich, Griechenland,
Großbritannien, Irland, Italien, Association of Southeast
Kroatien, Lettland, Litauen, Asian Nations
EWR
Luxemburg, Malta, Niederlande, Brunei, Kambodscha, NAFTA
Europäischer Österreich, Polen, Portugal, Indonesien, Laos, Malaysia,
Wirtschaftsraum Rumänien, Schweden, Slowakei, Myanmar, Philippinen, North American Free
Mitglieder der EU, Island, Slowenien, Spanien, Tschechien, Singapur, Thailand, Trade Agreement
Liechtenstein, Norwegen Ungarn, Zypern Vietnam Kanada, Mexiko, USA

SADC
Southern African
Development Community
Angola, Botswana, Kongo, SAARC APEC MERCOSUR
Lesotho, Madagaskar,
Malawi, Mauritius, South Asian Association for Asia-Pacific Economic Cooperation Argentinien, Brasilien,
Mosambik, Namibia, Sambia, Regional Cooperation Australien, Brunei, Chile, Paraguay, Uruguay,
Seychellen, Simbabwe, Afghanistan, Bangladesch, China, Hongkong, Indonesien, Venezuela
Südafrika, Swasiland, Tansania Bhutan, Indien, Malediven, Japan, Kanada, Malaysia,
Nepal, Pakistan, Sri Lanka Mexiko, Neuseeland, Papua-
Neuguinea, Peru, Philippinen, CAFTA-DR
UEMOA Russland, Singapur, Südkorea, Central America Free Trade
Republik China auf Taiwan, Agreement-Dominican Republic
West African Economic
Thailand, USA, Vietnam
and Monetary Union Costa Rica, Dominikanische
Benin, Burkina Faso, Republik, El Salvador, Guatemala,
Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Honduras, Nicaragua, USA
Mali, Niger, Senegal, Togo

Abbildung 19.3: Die wichtigsten regionalen Handelsgruppen mit ihren Mitgliedern

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19 Internationales Marketing

Fläche Einwohner BIP in Mrd. PKE (PPP)


Region
in Mio km² in Mio. US-$ (PPP) in US-$
EU 4,381 512 20.008 39.900
ASEAN 4,480 611 2.412 3.974
NAFTA 21,588 465 19.876 42.744
Andengemeinschaft 4,700 97 260 3.700
Mercosur 11,900 261 2.900 9.300
CAFTA-DR 10,271 50 317 6.340
APEC 62,880 2.868 45.108 15.767
SAARC 5,133 1.642 2.900 1.770
SADC 10,250 349 648 1.865
UEMOA 3,510 117 563 4,800

Quellen: https://de.wikipedia.org [12.02.2018]


http://de.reingex.com/Andengemeinschaft.shtml [12.02.2018]
http://www.lexas.org/M/mercosur/index.aspx [12.02.2018]
https://www.laenderdaten.info/ [12.02.2018]
https://www.grains.org/news/20150924/cafta-dr-10-year-anniversary-shows-value-trade-agree-
ments [12.02.2018]
http://statistics.apec.org [12.02.2018]
http://cbs.gov.np/image/data/2016/SAARC%20in%20Figures%202016.pdf [12.02.2018]

Jeder Staat zeichnet sich durch Besonderheiten aus, die es zu verstehen gilt. Die Bereitschaft
eines Landes, verschiedene Produkte und Dienstleistungen anzunehmen, und seine Attrakti-
vität als Markt für ausländische Unternehmen hängen vom jeweiligen wirtschaftlichen, poli-
tisch-rechtlichen und kulturellen Umfeld ab. Wir befassen uns als Nächstes mit der Bedeu-
tung dieses Umfelds.

19.2.2 Das ökonomische Umfeld


Wer Marketing auf Auslandsmärkten betreiben will, sollte die wirtschaftlichen Bedingungen
des Ziellandes genau studieren. Schlüsselgrößen für die Attraktivität als Markt sind die Wirt-
schaftsstruktur des Landes und die Einkommensverteilung.

Die Wirtschaftsstruktur
Die Wirtschaftsstruktur eines Landes ist verantwortlich für den Bedarf an Produkten und
Dienstleistungen, sie bestimmt das Einkommensniveau und die Beschäftigung. Man kann
vier Grundtypen beobachten:
1. Subsistenzwirtschaften In einer Subsistenzwirtschaft ist die Mehrheit der Bevölkerung an
die einfache Landwirtschaft gebunden. Deren Output wird größtenteils konsumiert und
ein verbleibender Rest wird für einfache Güter und Leistungen getauscht. Es bestehen hier
nur wenige Marktmöglichkeiten. Viele afrikanische Länder fallen in diese Kategorie.

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19.2 Analyse des globalen Marketingumfelds

2. Rohstoff exportierende Länder Diese Länder sind reich an einem oder mehreren Roh-
stoffen, in Bezug auf alle anderen Aspekte jedoch arm. Das Einkommen stützt sich
hauptsächlich auf den Export dieser Rohstoffe. Beispiele für derartige Volkswirtschaften
sind Chile (Zinn und Kupfer), Kongo (Kupfer, Kobalt, Kaffee) oder Saudi-Arabien
(Erdöl). Diese Länder sind gute Abnehmer für Großausrüstungen, Werkzeuge und Ver-
brauchsstoffe, Baumaschinen und Lastwagen. Leben dazu im Land noch viele Auslän-
der und gibt es eine wohlhabende Oberschicht, dann existiert ein beschränkter Markt
für Luxusgüter.
3. Schwellenländer In einem Schwellenland ist die verarbeitende Industrie für das
schnelle gesamtwirtschaftliche Wachstum verantwortlich. Hierzu zählen die BRIC-Staa-
ten – Brasilien, Russland, Indien und China. Mit dem Wachstum der produzierenden
Wirtschaft benötigen solche Länder große Mengen an Textilrohstoffen, Stahl und schwe-
ren Maschinen. Die Industrialisierung erzeugt typischerweise eine neue reiche Ober-
schicht und eine wachsende Mittelschicht. Beide Schichten verlangen nach neuen Im-
portgütern aus den Bereichen Mode, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik.
Da viele entwickelte Märkte stagnieren und die Wettbewerbsintensität steigt, versuchen
viele Marketer nun, sich auf Wachstumschancen in Schwellenländern zu fokussieren.
4. Industriestaaten Industriestaaten sind Exporteure von Fertigwaren, Dienstleistungen
und Kapital. Große Anteile des Außenhandels finden zwischen den Industriestaaten
selbst statt, sie liefern jedoch ihre Produkte auch gegen Rohstoffe und halbfertige Pro-
dukte an die anderen Gruppen. Die vielfältigen Produktionsaktivitäten der Industrie-
staaten und ihre große Mittelschicht machen sie zu attraktiven Märkten für alle Arten
von Gütern und Dienstleistungen. Zu dieser Kategorie werden beispielsweise die USA,
der Großteil von Europa und Japan gezählt.

Die Einkommensverteilung
Die zweite relevante wirtschaftliche Kenngröße ist die Einkommensverteilung innerhalb
eines Landes. Länder mit einer Subsistenzwirtschaft bestehen meist aus Haushalten mit
einem geringen Haushaltseinkommen. In vielen Fällen besitzen jedoch auch ärmere Länder
wenige, aber sehr wohlhabende Bevölkerungssegmente. Im Gegensatz dazu können Indust-
riestaaten Haushalte mit geringem, mittlerem und hohem Einkommen aufweisen. In man-
chen Ländern fehlt eine Mittelschicht und es dominieren Haushalte, die entweder über sehr
geringe oder sehr hohe Einkünfte verfügen.
Insbesondere Konsumenten aus höheren Einkommensklassen in Entwicklungsländern stellen
in Zukunft attraktive Märkte für verschiedenste Waren dar, Luxusgüter mit eingeschlossen.
Daher befinden sich auch viele Hersteller von Luxusmarken auf dem chinesischen Markt.
Mehr als die Hälfte von Chinas 1,37 Milliarden Einwohnern kann sich kaum Reis leisten,
geschweige denn irgendwelche Luxusgüter. Der World Bank zufolge leben mehr als 250 Mil-
lionen Chinesen von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Trotzdem etablieren sich in China
immer häufiger hochpreisige Marken wie Gucci, Cartier, BMW oder Bentley. Wie können
Anbieter von Handtaschen für 2.000 Euro, Uhren für 20.000 Euro und Luxuslimousinen für
mehr als 500.000 Euro in einem Entwicklungsland bestehen? Sehr einfach, meint der
Geschäftsführer von Cartier. „Denken Sie daran, dass selbst mittelgroße Städte in China ...
mehr Einwohner haben als die Schweiz. Es macht also nichts, wenn der Anteil derjenigen,
die sich unsere Produkte leisten können, sehr klein ist.“ Das heißt, obwohl China nur 1,7
Millionärshaushalte pro 1000 Haushalte hat, liegt es mit seiner Gesamtzahl an Millio-
närshaushalten nach den Vereinigten Staaten an zweiter Stelle.

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19 Internationales Marketing

19.2.3 Das politisch-rechtliche Umfeld


Zwischen den einzelnen Nationen gibt es große Unterschiede im politisch-rechtlichen
Umfeld. Mehrere Sachverhalte sind zu berücksichtigen, wenn es um die Entscheidung geht,
ob ein Unternehmen auf einem bestimmten Auslandsmarkt tätig werden soll:
Einstellung gegenüber ausländischen Unternehmen Einige Länder sind offener für ausländi-
sche Unternehmen, als andere. Ausländische Geschäfte in Indien werden durch Einfuhrquo-
ten, Devisenbestimmungen und Vorschriften erschwert. Im Gegensatz dazu umwerben asiati-
sche Nachbarländer wie beispielsweise Singapur und Thailand ausländische Investoren und
überhäufen sie mit Anreizen und vorteilhaften Geschäftsbedingungen.
Politische Stabilität Politische Stabilität ist ein wichtiges Kriterium im internationalen Mar-
keting. Beispielsweise herrschen in Russland Korruption und staatliche Bürokratie, die von
der Regierung kaum kontrolliert werden können und die das Risiko einer Geschäftstätigkeit
dort erhöhen. Obwohl die meisten internationalen Marketingexperten den russischen Markt
nach wie vor für attraktiv halten, hat das Klima der Korruption einen nachteiligen Einfluss
auf geschäftliche und finanzielle Aktivitäten.6
Devisenregulierungen Internationale Anbieter möchten Zahlungen in einer Währung erhal-
ten, die für sie einen Wert hat. Idealerweise ist dies ihre eigene Währung oder eine der soge-
nannten Weltwährungen. Wenn diese nicht vorhanden sind, entschließt sich ein internatio-
naler Verkäufer vielleicht dazu, Zahlungen in einer nicht freien Währung (zum Beispiel eine
Währung, die nicht frei ausgeführt werden darf) anzunehmen. Dies wird dann der Fall sein,
wenn er in diesem Wirtschaftsraum Güter einkaufen kann, die im eigenen Wirtschaftsraum
gebraucht werden oder die er in anderen Ländern weiterverkaufen kann. Ein Wechselkurs,
der starken Schwankungen unterliegt, stellt ein großes Risiko für den Verkäufer dar.
Der überwiegende Teil des internationalen Handels wird mit Geldzahlungen abgewickelt.
Trotzdem haben einige Länder nicht genug Devisenbestände, um ihre Importe aus anderen
Ländern zu bezahlen. Aus diesem Grunde sind Unternehmen bereit, Güter anstelle von Zah-
lungen im Rahmen des Kompensationshandels anzunehmen.
Eine Variante des Kompensationshandels ist der Barter-Handel, der den direkten Tauschhan-
del von Gütern und Dienstleistungen bezeichnet. Venezuela zum Beispiel betreibt regelmäßig
einen Tauschhandel mit Öl, das es im Überfluss produziert, gegen Lebensmittel auf dem
internationalen Markt: Reis aus Guyana; Kaffee aus El Salvador; Zucker, Kaffee, Fleisch und
mehr aus Nicaragua; Bohnen und Nudeln aus der Dominikanischen Republik. Venezuela hat
sogar ein Abkommen mit Kuba getroffen, das die Lieferung von Öl im Austausch gegen kuba-
nische Ärzte und Medikamente für die venezolanische Bevölkerung vorsieht.7

6 Siehe dazu „2013 investment climate statement-Russia“, US Bureau of Economic and Business Af-
fairs, February 2013, www.state.gov/e/eb/rls/othr/ics/2013/204720.htm; „Welcome to the US Com-
mercial Service in Russia“, http://export.gov/russia/, Zugriff Oktober 2015.
7 Laurent Belsie, „What will Venezuela do with its oil?“, Christian Science Monitor, 6. März 2013,
www.csmonitor.com/Environment/2013/0307/What-will-Venezuela-do-with-its-oil-Top-five-energy-
challengesafter-Chavez/Oil-bartering; John Paul Rathbone, „Venezuela: in search of a solution“, Fi-
nancial Times, 2. März 2014, www.ft.com/intl/cms/s/2/45c3cae4-a049–11e3–8557–00144feab7de.ht-
ml#axzz2xgjEix7Y; International Reciprocal Trade Association, www.irta.com/index.php/about/
modern-trade-barter, Zugriff Oktober 2015.

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19.2.4 Das kulturelle Umfeld


Jedes Land hat seine eigenen Gebräuche, Normen und Tabus. Ein international tätiger Anbie-
ter sollte genau untersuchen, wie die Kultur des jeweiligen Landes die Konsumgewohnhei-
ten beeinflusst. Ebenfalls muss er verstehen, welche Wirkung seine Strategien auf die jewei-
lige lokale Kultur hat.

Einfluss der Kultur auf die Marketingstrategie


Die kulturelle Herkunft und Orientierung bestimmen Lebensstil und Verhalten der angestreb-
ten Käufergruppen. Lebensstil und Verhalten beeinflussen schließlich das Verhalten des Ein-
zelnen in einer Kaufsituation, die wiederum ein bestimmtes Marketingverhalten des Anbie-
ters voraussetzt. Häufig gibt es Überraschungen, hier einige Beispiele:8
 Wussten Sie, dass ein französischer Mann im Durchschnitt doppelt so viele Kosmetika
verwendet wie seine Frau?
 Haben Sie erwartet, dass Franzosen und Deutsche durchschnittlich mehr abgepackte Mar-
kenspaghetti essen als die Italiener?
 Wussten Sie, dass 49 Prozent der Chinesen ihr Essen auf dem Weg zur Arbeit zu sich neh-
men?
 Die meisten amerikanischen Frauen kämmen kurz ihre Haare und schminken sich ab, bevor
sie ins Bett gehen. Hätten Sie gedacht, dass etwa 15 Prozent der chinesischen Frauen hinge-
gen vor dem Schlafengehen ihre Haare stylen und 11 Prozent sich davor schminken?
Unternehmen, die kulturelle Normen und Unterschiede ignorieren, können sehr teure und
peinliche Fehler begehen. Hier sind zwei Beispiele:9
 Nike hat irrtümlicherweise chinesische Beamte verärgert, als das Unternehmen eine Wer-
bung mit LeBron James zeigte, der kulturell verehrte chinesische Figuren in einer Fernseh-
werbung überwältigte. Die chinesische Regierung fand, dass diese Werbung Vorschriften
zur Aufrechterhaltung der nationalen Würde und des Respekts der mutterländischen Kul-
tur verletze und zerriss die millionenschwere Werbekampagne. Nike veröffentlichte eine
förmliche Entschuldigung.
 Burger King machte einen ähnlichen Fehler mit den Werbeanzeigen in seinen spanischen
Filialen. Diese zeigten die Hindu-Göttin Lakshmi auf einem Schinkensandwich mit der
Überschrift „ein Snack, der heilig ist“. Kulturelle und religiöse Gruppen weltweit erhoben
Einspruch, weil Hindus Vegetarier sind. Burger King entschuldigte sich und zog die Wer-
beanzeigen zurück.
Auch die Normen und Verhaltensweisen für die Abwicklung von Geschäften unterscheiden
sich stark. So kommen amerikanische Manager gern gleich zum Punkt und beginnen im per-
sönlichen Gespräch schnell damit, hart zu verhandeln. Japanische und andere asiatische

8 Zu diesen und anderen Beispielen siehe Emma Hall, „Do you know your rites? BBDO does“, Adver-
tising Age, 21. Mai 2007, S. 22.
9 Jamie Bryan, „The Mintz Dynasty“, Fast Company, April 2006, S. 5661; Viji Sundaram, „Offensive
durga display dropped“, India-West, Februar 2006, S. A1 und Emily Bryson York und Rupal Parekh,
„Burger King’s MO: offend, earn media, apologize, repeat“, Advertising Age, 8. Juli 2009, http://ada-
ge.com/print?article_id=137801, zu anderen Beispielen siehe Ruth Manuel-Logan, „Dunkin’ Donuts
apologizes for ,racist‘ blackface ad“, New One, 3. September 2013, http://newsone.com/2709598/
dunkindonuts-charcoal/ und Chris Isidore, „Chevy pulls ad offensive to Chinese“, CNNMoney, 1.
Mai 2013, money.cnn.com/2013/05/01/news/companies/offensive-chevy-ad/.

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Geschäftsleute empfinden dieses Verhalten jedoch häufig als anstößig. Sie bevorzugen für den
Einstieg eine höfliche Unterhaltung und antworten ihrem Gegenüber äußerst selten mit Nein.
Auch ein fester Händedruck ist in den meisten westlichen Ländern eine gängige und
geschätzte Begrüßung; in manchen Ländern des Nahen Ostens jedoch kann dieser verweigert
werden. Microsoft-Gründer Bill Gates geriet einst in eine heftige internationale Kontroverse,
als er dem südkoreanischen Präsidenten die rechte Hand gab und die linke in seiner Tasche
behielt – eine solche Geste empfinden die Koreaner als höchst respektlos. In bestimmten
Ländern gilt es als Zeichen der Unzufriedenheit, wenn der Gast nach dem Essen etwas auf
seinem Teller übriglässt. Anderswo dagegen kann es als Beleidigung aufgefasst werden, bis
auf den letzten Bissen alles zu verschlingen, da es dem Gastgeber suggeriert, nicht genug ser-
viert zu haben.10 Verantwortliche in den Unternehmen müssen diese feinen kulturellen
Unterschiede verstehen, ehe sie den Geschäftsbetrieb in einem fremden Land aufnehmen.
Im Umkehrschluss gilt, dass Unternehmen, denen diese Unterschiede bekannt sind, ihr Wis-
sen zum eigenen Vorteil auf den globalen Märkten nutzen können. Das Möbelhaus IKEA bei-
spielsweise ist ein Magnet für die aufstrebenden chinesischen Verbraucher. Doch IKEA hat
auch begriffen, dass Kunden in China weitaus mehr erwarten als nur bezahlbare Möbel im
skandinavischen Design.11
„Yi Jia“ heißt IKEA auf Chinesisch. Übersetzt bedeutet dies „gemütliches Zuhause“ – ein
Konzept, das die Millionen Kunden, die jedes Jahr eine der 15 riesigen IKEA-Filialen besu-
chen, wörtlich nehmen. „Die Kunden machen einen Familienausflug, legen sich für ein
Nickerchen in die Ausstellungsbetten und lassen sich inmitten der Dekoration fotografieren.
Sie genießen stundenlang die klimatisierten Räume und kostenlosen Wasserspender“, so ein
Beobachter. An einem typischen Samstagnachmittag sind beispielsweise alle Betten und
anderen Ausstellungsmöbel in der gewaltigen chinesischen IKEA-Filiale belegt, Kunden aller
Altersklassen ruhen sich dort aus oder schlafen. In einem chinesischen IKEA fanden sogar
schon Hochzeiten statt. IKEA-Manager fördern dieses Verhalten ganz bewusst, da nach ihrer
Erfahrung die familiäre Atmosphäre später zu realen Umsätzen führt – wenn das Einkommen
der Kunden für die Erfüllung ihrer Einrichtungsträume reicht. „Wenn Sie vielleicht zehn
Jahre lang IKEA besucht, dort Fleischbällchen, Hot Dogs oder Eiscreme verzehrt haben, dann
ist das womöglich Ihre erste Anlaufstelle für ein neues Sofa“, sagt der Vorsitzende für den
Asien-Pazifik-Raum des Unternehmens. Dank dieses kulturellen Verständnisses konnte IKEA
bereits 7 Prozent des aufstrebenden chinesischen Möbelmarkts abschöpfen und die Umsätze
in China im letzten Jahr um 17 Prozent steigern. Und was halten die Chinesen von schwedi-
schen Fleischbällchen? „Sie lieben sie“, meint der Marketingdirektor für IKEA China.

10 Zu diesem und weiteren Beispielen siehe Bill Chappell, „Bill Gates’ handshake with South Korea’s
Park sparks debate“, NPR, 23. April 2013, www.npr.org/blogs/thetwo-way/2013/04/23/178650537/
bill-gates-handshake-withsouth-koreas-park-sparks-debate; „Managing quality across the (global) or-
ganization, its stakeholders, suppliers, and customers“, Chartered Quality Institute, www.thecqi.org/
Knowledge-Hub/Knowledge-portal/Corporate-strategy/Managing-quality-globally, Zugriff Oktober
2015.
11 Die Zitate und das Beispiel sind den folgenden Quellen entnommen: David Pierson, „Beijing loves
IKEA – but not for shopping“, Los Angeles Times, 25. August 2009, http://articles.latimes.com/2009/
aug/25/business/fi-china-ikea25; Michael Wei, „In IKEA’s China stores, loitering is encouraged“,
Bloomberg Businessweek, 1. November 2010, S. 22–23 sowie Pan Kwan Yuk, „IKEA in China: tur-
ning gawkers into customers“, BeyondBrics, 4. April 2013, http://blogs.ft.com/beyond-brics/2013/
04/04/ikea-in-china-turning-gawkers-intoconsumers/?#axzz2SobYFh98 und „A wedding in Aisle 3?
Why IKEA encourages Chinese to make its stores their own“, Advertising Age, 10. Dezember 2013,
http://adage.com/print/245573/.

882
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Demzufolge hilft das Verständnis von kulturellen Traditionen, Vorlieben und Verhaltenswei-
sen nicht nur, peinliche Fehler zu vermeiden, sondern auch Unterschiede zwischen Kultu-
ren vorteilhaft zu nutzen.

Einfluss des Marketings auf die Kultur


Während Marketingfachleute unterschiedliche Kulturen bei der Gestaltung ihrer Strategien
und Maßnahmen ins Kalkül ziehen, fragen sich besorgte Bürger, welche Wirkung eben diese
Aktivitäten des Marketings auf einzelne Kulturen zu entfalten vermögen. In den letzten Jah-
ren argumentierten einige Kritiker der Globalisierung, diese sei nichts weiter als eine bloße
„Amerikanisierung“. Sie befürchten, dass, je mehr Menschen auf der Welt mit der amerikani-
schen Kultur und dem amerikanischen Lebensstil etwa über die Essgewohnheiten oder die
Geschäfte, in denen sie einkaufen, über die Fernsehprogramme und Kinofilme in Kontakt
kommen, mehr und mehr von ihrer individuellen kulturellen Identität verloren geht. Diese
Kritiker erheben den Einwand, der Kontakt mit amerikanischen Werten und Produkten
würde die anderen Kulturen unterhöhlen und die gesamte Welt verwestlichen. Sie weisen
darauf hin, dass die Teenager weltweit den Fernsehsender MTV sehen und von ihren Eltern
westliche Kleidung und andere Symbole der amerikanischen Pop-Kultur und Werte fordern.
Die Großmütter in den kleinen Orten Norditaliens verbringen ihre Vormittage heute nicht
mehr mit dem Besuch der lokalen Bäckereien, Fleischereien und Märkte, um die Zutaten für
das Abendessen der Familie einzukaufen, sondern gönnen sich ihr Shopping-Erlebnis lieber
in Supermärkten von Walmart. Die Frauen in Saudi-Arabien sehen amerikanische Filme und
stellen plötzlich ihre Rolle innerhalb der Gesellschaft infrage. In China hatten die meisten
Menschen noch nie Kaffee getrunken, bevor Starbucks auch diesen Markt eroberte. Heute
besuchen chinesische Konsumenten die Starbucks-Läden, weil sie „Symbol eines neuen
Lebensstils“ sind. McDonald’s betreibt in Peking so viele Filialen, dass knapp die Hälfte aller
Kinder die Fast-Food-Kette für eine chinesische Marke hält.
Diese Entwicklungen lösen Ängste und Widerstände gegen die Globalisierung und insbeson-
dere gegen amerikanische Unternehmen aus. So werden beispielsweise viele bekannte US-
Marken wie Coca-Cola, McDonald’s, Nike und KFC als Symbole des amerikanischen Kapita-
lismus von Globalisierungsgegnern boykottiert und weltweit an den Pranger gestellt. Trotz
dieser Probleme halten Verfechter der Globalisierung die Bedenken bezüglich einer „Ameri-
kanisierung“ für überzogen. Wenngleich US-Marken international sehr erfolgreich sind. In
der letzten Markenwert-Umfrage BrandZ von Millward Brown zu den erfolgreichsten globa-
len Marken sind 20 der besten 25 globalen Marken aus den Vereinigten Staaten, darunter
Google, Apple, IBM, Microsoft, Amazon.com und Coca-Cola.
Viele ikonische US-amerikanische Marken prosperieren global, auch an eher ungewöhnli-
chen Orten: So scheinen chinesische Verbraucher ein schier unstillbares Verlangen nach den
iPhones und iPads von Apple zu haben. Als das neueste iPhone-Modell in China auf den
Markt kam, war die Nachfrage so gewaltig, dass Apple den Verkauf in einigen Pekinger Filia-
len einstellen musste, um die Gefahr von Tumulten unter den Massen begieriger Kunden
abzuwenden. Auch amerikanisches Fast Food ist in vielen internationalen Märkten begehrt.
An dem Tag, als KFC beispielsweise sein außergewöhnliches Double Down Sandwich prä-
sentierte – Speck, geschmolzener Käse und eine „geheime Soße“ zwischen zwei Lagen frit-
tiertem Hähnchen –, bildeten sich in einem japanischen Restaurant lange Schlangen und die
Fans schliefen sogar auf der Straße, um das Sandwich zu probieren. „Es war wie beim

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19 Internationales Marketing

iPhone“, meint der Geschäftsführer von KFC International. „Die Menschen drehten durch.“
Das nur für kurze Zeit erhältliche US-Produkt erzeugte einen Aufruhr im Internet und wurde
seitdem zu einem weltweiten Erfolg, von Kanada bis Australien, den Philippinen bis Malay-
sia.12
Als weiteres Beispiel stammen 90 Prozent der gezeigten Kinofilme in Europa aus der welt-
weit größten Filmindustrie Hollywood. Gleichzeitig setzt das britische Fernsehen alles
daran, mit bekannten US-Shows in Konkurrenz zu treten und bringt Hits wie „Who Wants to
Be a Millionaire“ und „American Idol“ hervor, deren Sendeformat inzwischen in 107 Län-
dern übernommen wurde. Während die chinesische und russische Jugend NBA-Jerseys
anzieht, tragen amerikanische Kinder auch die Fußballtrikots von Barcelona, Liverpool und
Inter Mailand. Umgekehrt werden amerikanische Kinder auch zunehmend von kulturellen
Elementen aus Asien und Europa geprägt. Die meisten Kinder wissen alles über Hello Kitty,
die Bakugan-Spieler des Schicksals und Nintendo- oder Sega-Videospielcharaktere. Auch
J.K. Rowlings Harry-Potter-Bücher haben die Fantasie einer ganzen Jugendgeneration rund
um den Globus belebt, von all den Erwachsenen ganz abgesehen, die dem Harry-Potter-Hype
ebenfalls verfallen sind. Obwohl die Globalisierung viele kulturelle Gräben überbrückt, ver-
mag sie diese jedoch nicht zu beseitigen. Vielmehr findet ein Kulturaustausch in zahlreichen
Richtungen statt. So hat die Globalisierung nicht nur Mickey-Maus-Ohren, sondern trägt
auch eine Burberry-Jacke, telefoniert mit einem Apple-Smartphone, kauft Möbel bei IKEA,
fährt einen Toyota Camry und schaut mit einem Fernseher von Samsung fern.
Da Englisch im Internet auch weiterhin die vorherrschende Sprache ist, haben viele Jugendli-
che überall auf der Welt, sobald sie Zugang zum Internet haben, zugleich Kontakt zur westli-
chen (häufig amerikanischen) Pop-Kultur. Dieselben Technologien ermöglichen es aber bei-
spielsweise auch Studenten aus den Balkanländern, die im Ausland studieren, Nachrichten
und Musik aus ihrem eigenen Land zu hören.

19.3 Entscheidung über ein internationales Engagement


Nicht alle Unternehmen müssen in internationale Märkte vorstoßen, um überleben zu kön-
nen. Zahlreiche lokale Anbieter benötigen nichts weiter als ein gutes Marketing, zugeschnit-
ten auf die einheimischen Märkte. Das Agieren im eigenen Land ist zudem einfacher und
sicherer. Verantwortliche müssen keine anderen Sprachen und Gesetze lernen, sich mit
instabilen Währungskursen befassen, politischen und gesetzlichen Unsicherheiten begegnen
oder ihre Produkte und Dienstleistungen umgestalten, um anderen Kundenerwartungen
gerecht zu werden. Allerdings treten Unternehmen, die in globalen Industrien tätig sind, in
denen strategische Positionen auf spezifischen Märkten massiv durch die globale Gesamtpo-
sition beeinflusst werden, automatisch in einen weltweiten Wettbewerb ein.
Mehrere Faktoren könnten ein Unternehmen auf das internationale Parkett führen. Globale
Mitbewerber, die bessere Produkte und günstigere Preise bieten, könnten ihnen den heimi-
schen Markt streitig machen. Das Unternehmen selbst könnte den Wunsch hegen, diese Mit-
bewerber auf deren Heimmärkten anzugreifen, um deren Ressourcen zu binden. Manche

12 Siehe Kim-Mai Cutler, „Apple’s Chinese iPhone sales mind-boggling, bring China revenues to $7.9
billion“, Tech Crunch, 24. April 2012, http://techcrunch.com/2012/04/24/apples-iphone-sales-in-
chinaare-up-by-fivefold-from-a-year-ago/; Rachael Tepper, „Yum! Brands’ international product stra-
tegy: how the Double Down went global“, Huffington Post, 11. März 2013, www.huffingtonpost.com/
2013/03/11/yum-brands-internationalproduct-strategy_n_2814360.html.

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19.4 Die Auswahl der Zielländer

Anbieter stellen fest, dass ausländische Märkte bessere Gewinnchancen bieten als das eigene
Land. Der heimische Markt stagniert vielleicht, schrumpft sogar oder man benötigt eine brei-
tere Kundenbasis, um Vorteile gezielter nutzen zu können. Manche möchten vielleicht ihre
Abhängigkeit von einem bestimmten Markt und zugleich die damit verbundenen Risiken
verringern. Schließlich könnten die Kunden eines Unternehmens ins Ausland expandieren
und dort dieselben Dienste wie zu Hause in Anspruch nehmen wollen. Doch bevor ein
Unternehmen ins Ausland geht, muss es verschiedene Risiken abwägen und viele Fragen
über seine Fähigkeit, global aufzutreten, beantworten. Kann das betreffende Unternehmen
lernen, die Präferenzen und das Käuferverhalten in anderen Ländern zu verstehen? Kann es
wettbewerbsfähige und attraktive Produkte anbieten? Wird es in der Lage sein, sich an die
Kulturen anderer Länder anzupassen und den korrekten Umgang mit der Bevölkerung zu
gewährleisten? Verfügt die Geschäftsleitung des Unternehmens über die erforderliche inter-
nationale Erfahrung? Hat das Management die Auswirkungen der jeweils geltenden Vor-
schriften und des politischen Umfelds in den betreffenden Ländern berücksichtigt?

19.4 Die Auswahl der Zielländer


Ein Unternehmen sollte zunächst seine Ziele und Vorgehensweise für das internationale
Marketing klar definieren. So bedarf es einer Entscheidung, welches Volumen der Auslands-
absatz erreichen soll. Die meisten Unternehmen beginnen in kleinem Maßstab, wenn sie zum
ersten Mal auf Auslandsmärkte gehen. Manche haben große Pläne, sie sehen den Auslands-
absatz als gleichwertig oder sogar wichtiger an als ihr Inlandsgeschäft. Zweitens muss die
Grundsatzentscheidung fallen, wie viele Länder beliefert werden und wie schnell expandiert
werden soll. Drittens sollte eine Entscheidung getroffen werden, welcher Typ von Land
bedient werden soll.
Die Attraktivität eines Landes als Markt hängt ab vom jeweiligen Produkt, von geografischen
Faktoren, von Bevölkerung und Einkommen, vom politischen Klima und weiteren Faktoren.
Aus diesen Gründen mag ein Anbieter von vornherein bestimmte Länder, Ländergruppen
oder Regionen der Welt ins Auge gefasst haben.
In den vergangenen Jahren sind bedeutende Märkte in Schwellenländern entstanden, die bei-
des bieten: beträchtliche Möglichkeiten und große Herausforderungen. Schauen wir uns
diese Entwicklung im folgenden Marketing-Highlight genauer an.

Marketing-Highlight: Emerging Markets – Unternehmen auf dem Weg


nach Osten

In China und Indien leben jeweils mehr als eine Milliarde Konsumenten, das sind viel-
versprechende Aussichten für internationale Konzerne. Doch die Erfahrung zeigt, dass
trotz der Attraktivität der Emerging Markets ihre Konsumenten ein unsicheres Ziel dar-
stellen. Viele bekannte Marken – von Unilever über Sony und Mercedes bis hin zu
Levi’s, Kellogg’s und Ford – hatten Schwierigkeiten, die Chancen der „Milliarden-
märkte“ tatsächlich zu nutzen.

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19 Internationales Marketing

Ein verbreiteter Fehler liegt in der Vorstellung, dass sich enorme Gewinnspannen aus
den drei oder vielleicht fünf Prozent wohlhabender Konsumenten der Emerging Mar-
kets erzielen lassen, die ganz allgemein Präferenzen für „Luxusgüter“ und auch die
nötige Kaufkraft haben. In Indien versuchte es Coca-Cola zunächst im obersten, reichs-
ten Segment und wollte dann nach unten in die ärmeren Bevölkerungsschichten vor-
dringen. Dazu führte man teure 350-Milliliter-Flaschen ein, anstatt es mit kleineren,
kostengünstigen Flaschen zu versuchen. Anstatt sich auf die Hauptstädte zu konzentrie-
ren, wurde von Anfang an der gesamte Subkontinent mit einer Gebindegröße und einem
einheitlichen Preis bearbeitet, wozu eine große Vertriebsorganisation und viel Werbung
erforderlich waren. Ford und andere Autohersteller verschätzten sich ebenfalls. Sie
begannen mit Mittelklassewagen auf einem Markt, der von Kleinwagen dominiert wird,
und hofften, trotz knapp 70 Prozent Überkapazitäten in der Produktion von Mittelklas-
seautos konkurrieren zu können. Kellogg’s bot Cerealien zum Vorzugspreis an, unter-
stützt durch kostspielige Marketingmaßnahmen. Doch schon bald musste das Unterneh-
men feststellen, dass trotz der vorliegenden Marktforschungsdaten, wonach Indien den
weltweit höchsten Cerealienkonsum aufweist, die Konsumenten doch lieber Produkte
von Champion’s kaufen, die für ein Fünftel der Preise von Kellogg’s angeboten werden.
Dagegen übertraf Akai, ein japanischer Produzent von Unterhaltungselektronik, spie-
lend den riesigen Konkurrenten Sony, einfach indem man billigere Fernsehgeräte anbot
und die alten Geräte der Kunden übernahm.
Obwohl Indien mit seiner 300 Millionen Menschen starken Mittelklasse durchaus einen
attraktiven Markt bildet, bleibt das Marktsegment, das sein Einkommen für teure Louis-
Vuitton-Handtaschen und Hermès-Halstücher ausgibt, doch vergleichsweise klein.
Sicher, die Zahl der relativ Wohlhabenden steigt schnell, aber sie bilden nach wie vor
eine Minderheit.
Analysten meinen, es sei wichtig, den indischen Markt nicht nur nach den Einkommen
zu beurteilen, sondern auch auf die tatsächlichen Konsumgewohnheiten zu achten.
Eine Unterteilung zeigt hier eine demografische Pyramide, bestehend aus fünf Ebenen:
die ganz Armen, die Aufstiegswilligen, die Hoffnungsträger, die Konsumierenden und
die Reichen, die im Jahr mehr als 25.000 Euro verdienen. Die 30 Millionen Menschen,
die normalerweise als potenzielle Konsumenten betrachtet werden, haben jedoch oft-
mals weniger verfügbares Einkommen als die Gruppen unter ihnen, weil sie mehr in die
Bildung ihrer Kinder investieren. Der untere Teil der Pyramide, vor allem die Aufstei-
genden mit stetig wachsendem Einkommen, ist dagegen schon attraktiver. Hindustan
Unilever Limited bot Produkte für jede dieser fünf Ebenen an. Man begann den Güter-
transport auf der Straße statt auf der Schiene zu organisieren und errichtete ein Netz-
werk von 40.000 Großhändlern und 500.000 Einzelhändlern, denen man Kredite
gewährte. Zudem machte man sich bewusst, dass zwei Drittel der Inder in ländlichen
Gebieten leben und die Hälfte in der Landwirtschaft tätig sind. Levi’s wandte sich zu
Beginn seines Indien-Engagements bewusst an die 156 Millionen Inder im Alter zwi-
schen 12 und 19, von denen 111 Millionen in ländlichen Gebieten leben. Spricht man
nur die privilegierte Schicht an, verbleiben gerade magere 500.000 kaufstarke urbane
Konsumenten.

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19.4 Die Auswahl der Zielländer

Nachdem Hindustan Unilever das Potenzial eines Markts, in dem nur 15 Prozent der
Menschen Shampoos benutzen, realisiert hatte, schlug das Unternehmen neue Wege ein
und begann mit Projekten, die Arme in ländlichen Gebieten erreichen sollten. Das
„Shakti-Projekt“ zum Beispiel erweitert die Marketingaktivitäten des Unternehmens,
indem es Frauen zu Selbsthilfe-Gruppen zusammenschließt, die kleine (Mikro-)Kredite
erhalten, um so ein Netzwerk zu schaffen, das eine Distribution der Produkte direkt zu
den Konsumenten unterstützt.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt daher in der Entwicklung von Produkten für jedes oder
zumindest den Großteil der fünf Konsumsegmente, statt sich ausschließlich auf den
„globalen Konsumenten mit hoher Kaufkraft“ zu fokussieren. Eine Segmentierung die-
ser Art ist jedoch kostspielig und nur dann gerechtfertigt, wenn die Konsumenten bereit
und in der Lage sind, für spezielle Produkte zu bezahlen. Die Erfahrungen von GlaxoS-
mithKline (GSK) in Indien zeigen uns, was man mit der gezielten Bearbeitung lokaler
Konsumenten erreichen kann und dass eine intelligente Segmentierung auch mit gerin-
gem Aufwand möglich ist. Horlicks, das Hauptprodukt von GlaxoSmithKline in Indien,
wurde über einen langen Zeitraum als „hervorragendes Familiennahrungsmittel“ positi-
oniert. Das Konzept entwickelte sich aufgrund der Milchknappheit und des schlechten
Gesundheitszustands der Bevölkerung gut, und die Menschen hatten offensichtlich
Bedarf an einem Ernährungszusatz. GSK baute eine eigene Lieferantenkette auf, arbei-
tete hart an der Senkung seiner Kosten sowie der Bestimmung marktgerechter Preise
und vermarktet sein Getränk heute als Nahrungsmittel für alle Jahreszeiten und Bevöl-
kerungsgruppen. Die Lieferantenkette erreicht mittlerweile 375.000 Verkaufsstellen in
allen Regionen Indiens. Die Marke Horlicks wurde nach und nach breiter diversifiziert
und heute wird „Junior Horlicks“ für Jugendliche und „Mother Horlicks“ für schwan-
gere oder stillende Frauen, Horlicks für Sport, Gesundheit, ältere Menschen oder Kinder
während der Fieberzeit im Monsun angeboten.
Die ersten, schwierigen eineinhalb Jahrzehnte von Unilever im Land der Mitte gipfelten
in der jüngsten durchgreifenden Restrukturierung des Chinageschäfts des Konzerns und
in einer sorgfältigen Anpassung an die Risiken bei einem Einstieg in diesen bevölke-
rungsreichen Weltmarkt. Die 14 Joint Ventures des Unternehmens mit lokalen Partnern
in den Bereichen Waschmittel, Nahrung und Wein bis hin zu Eiscreme, Zahnpasta und
Chemie werden nun in drei Gesellschaften gebündelt: Haus- und Körperpflege,
Eiscreme sowie Nahrung und Getränke. Eine entscheidende Veränderung war es, lokal
stärker Wurzeln zu schlagen. Die F&E-Aktivitäten wurden an den chinesischen
Geschmack und lokale Heilmittel angepasst. Indem man auf die reiche Erfahrung von
Hindustan Unilever Limited zurückgreift, was den Verkauf im ländlichen Indien
betrifft, zielt Unilever nun auch auf Konsumenten weit außerhalb der großen Städte
Chinas und erweitert die Preisbandbreite seiner verschiedenen Marken, wobei vor allem
das untere Ende des Markts angesprochen wird. So verkauft Unilever etwa Omo-Wasch-
mittel an wohlhabende, urbane Konsumenten, die eine Waschmaschine zur Verfügung
haben und bereit sind, für die Pflege ihrer Wäsche eine höhere Summe zu investieren.
Um aber mit den Angeboten lokaler Anbieter für den preissensiblen Massenmarkt kon-
kurrieren zu können, hat Unilever auch die billigere Sunlicht-Seife für weniger
anspruchsvolle Konsumenten im Programm.

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19 Internationales Marketing

Immer mehr multinationale Konzerne wie Unilever, Procter & Gamble, Nestlé und Coca-
Cola stellen fest, dass die Konsumenten in Emerging Markets wie Indien und China
nicht einfach anzusprechen sind, wenn nicht etwas angeboten wird, was für den Mas-
senmarkt attraktiv ist. Produkte, die lediglich aus den reichen Industriestaaten über-
nommen werden, sprechen offenbar nur eine ziemlich kleine privilegierte Gruppe an.
Internationale Konzerne müssen sich gründlicher mit der lokalen Konsumentenbasis
auseinandersetzen, um das Potenzial der Milliardenmärkte ausschöpfen zu können.

Nach der Auswahl grundsätzlich infrage kommender Länder muss das Unternehmen jedes
einzelne bewerten und dabei zahlreiche Faktoren miteinbeziehen. Die Entscheidung von
Netflix zur Expansion in europäische Länder wie Deutschland, Frankreich, Italien und Spa-
nien schien beispielsweise zunächst ein Kinderspiel. Netflix muss seine Abonnentenbasis
erhöhen, um die rasant steigenden Programmkosten zu decken, und Europa bietet enorme
Chancen. Westeuropa kann 134 Millionen Haushalte mit Breitband-Anschluss vorweisen,
die USA nur 88 Millionen. Netflix ist bereits in Europa aktiv; in Schweden ist es nach nur
zwei Jahren bereits Marktführer bei den Videodiensten.13
Bei der weiteren Expansion in europäische Märkte musste sich Netflix allerdings wichtige
Fragen stellen. Kann man auf Landesebene effektiv mit den ansässigen Anbietern konkurrie-
ren? Können die zahlreichen Unterschiede im kulturellen und Kaufverhalten gemeistert wer-
den? Ist man in der Lage, Umweltauflagen und regulatorische Hürden in jedem Land zu
bewältigen? Die Expansion auf dem schwierigen lateinamerikanischen Markt war zum Bei-
spiel eher problematisch, da das E-Commerce hier noch wenig ausgeprägt ist. Mit dem
Markteintritt in Europa stand Netflix vor vielen Herausforderungen. So wimmelt es in
Europa nur so von großen Wettbewerbern. Mehr als ein Dutzend regionaler Konkurrenten mit
ähnlichen Diensten tummeln sich seit einigen Jahren auf den Markt.
Auch das Angebot ist enorm wichtig. Obwohl Netflix sein eigenes Portfolio an internationa-
len Filmrechten aufgebaut hat, besitzen europäische Konkurrenten bereits exklusive natio-
nale Rechte an vielen beliebten Sendungen aus den USA und anderen Ländern. Auch mit
regulativen Hürden könnte Netflix konfrontiert werden. In Frankreich beispielsweise dürfen
Dienste wie Netflix Filme erst drei Jahre nach der Kinopremiere ausstrahlen und Video-
dienste müssen in der Regel in die landeseigene Filmproduktion investieren. Doch all diese
Herausforderungen lassen Netflix-Vorstand Reed Hastings unbeeindruckt. „Wir können [in
diesen neuen Märkten] immer noch sehr erfolgreich werden“, sagt er. Wohin es für Netflix in
Zukunft auch geht, „ich denke, am wichtigsten ist ein einzigartiges Programm, ein hervorra-
gender Ruf und ein gutes Leistungsversprechen“. Genau in diesen Bereichen ragt Netflix her-
aus.
Potenzielle globale Märkte sollten nach verschiedenen Faktoren bewertet werden, darunter
Marktgröße, Marktwachstum, die Kosten für den Geschäftsbetrieb, Wettbewerbsvorteile und
Risikohöhe. Ziel ist die Bestimmung des Marktpotenzials für jedes Land durch Indikatoren
wie die in Tabelle 19.1 aufgelisteten. Anschließend müssen die Marketingverantwortlichen
entscheiden, welche Märkte die größten Erfolgsaussichten versprechen.

13 Das Netflix-Beispiel basiert auf Informationen aus der folgenden Quelle: Sam Schechner „Europe’s
media giants prep for Netflix landing“, Wall Street Journal, 29. Januar 2014, http://online.wsj.com/
news/articles/SB20001424052702303277704579348774128548520.

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19.5 Bestimmung der Form des Markteintritts

1. Demografische Kenngrößen
Einwohnerzahl und Bevölkerungswachstum
Alters- und Bevölkerungsstruktur
Bildung
2. Geografische Kenngrößen
Physische Größe eines Landes
Bevölkerungsdichte (ländlich/städtisch)
Verkehrsinfrastruktur und Marktzugang
Klimatische Bedingungen
3. Wirtschaftliche Kenngrößen
Größe und Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts
Einkommensverteilung
Industrielle Infrastruktur
Natürliche Rohstoffe
Finanzielle und personelle Ressourcen
4. Soziokulturelle Faktoren
Lebensstil, Ansichten und Wertvorstellungen der Konsumenten
Geschäftsgebaren und -gepflogenheiten
Kulturelle und soziale Normen
Unterschiedliche Sprachregionen
5. Politische und gesetzliche Faktoren
Nationale Prioritäten
Politische Stabilität
Einstellung der Regierung gegenüber globalem Handel
Regierungsbürokratie
Währungs- und Handelsbestimmungen
Tabelle 19.1: Indikatoren des Marktpotenzials

19.5 Bestimmung der Form des Markteintritts


Sobald die Entscheidung gefallen ist, auf einem bestimmten Auslandsmarkt tätig zu werden,
geht es darum, die beste Organisationsform des Markteintritts festzulegen. In Abbildung 19.4
sind die Formen des Markteintritts dargestellt: Export, Joint Venture und Direktinvestition.
In dieser Abfolge verlangt jeder Organisationstyp einerseits mehr Kapital, mehr Engagement
und mehr Risikobereitschaft als der vorhergenannte, bietet andererseits aber auch mehr Kon-
trolle, Einflussmöglichkeiten und Gewinnchancen.

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19 Internationales Marketing

Export Joint Venture Direktinvestitionen

Direkter/ Lizenzvergaben Montage-/


Indirekter Auftragsfertigung Fertigungsbetrieb
Export Betriebsführungsverträge
Echte Gemeinschafts-
unternehmen

Zunahme an Einfluss, Risiko und Verantwortung, aber auch höhere Gewinnchancen

Abbildung 19.4: Markteintrittsstrategien für Auslandsmärkte

19.5.1 Export
Der einfachste Weg, einen Auslandsmarkt zu bedienen, ist der Export. Ein Unternehmen
kann von Zeit zu Zeit Überproduktionen auf dem Exportmarkt anbieten oder aktiv danach
streben, einen oder mehrere Auslandsmärkte mit Exporten zu bedienen. In beiden Fällen fin-
det die gesamte Produktion im Herkunftsland des Anbieters statt. Gelegentlich wird die Pro-
duktion von Varianten für Exportmärkte nötig sein, in vielen Fällen aber können Inlandspro-
dukte unverändert ins Ausland geliefert werden. Von allen Auslandstätigkeiten verlangt der
Export am wenigsten Veränderungen bei den Produkten, in der Organisation, bei den Investi-
tionen und bei der Mission des Unternehmens.

Exporte
Viele Unternehmen beginnen ihre Auslandstätigkeit mit indirektem Export, das heißt sie
suchen die Zusammenarbeit mit unabhängigen Exporteuren oder die Exporteure treten an sie
heran. Indirekte Exporte erfordern niedrige Investitionen und bergen ein geringeres Risiko,
denn das Unternehmen braucht keine Verkaufsorganisation im Ausland. Die Export-Interme-
diäre (Exportunternehmen, Exportagenten, Genossenschaften, staatliche Exportförderungsge-
sellschaften usw.) bringen ihr Know-how sowie bestimmte Dienstleistungen in die Geschäfts-
beziehung ein, sodass der Exporteur durch die Zusammenarbeit Fehler vermeiden kann. In
einem weiteren Schritt können Anbieter in den direkten Export einsteigen, bei dem sie die
Exporttätigkeit in eigener Regie durchführen. Investitionen und Risiko sind etwas höher,
aber dafür auch die möglichen Gewinne.

19.5.2 Joint Venture


Eine weitere Möglichkeit des Eintritts auf einen ausländischen Markt bietet die Gründung
eines Joint Ventures mit einem Partner aus dem Zielland. Vom Export unterscheidet sich das
Joint Venture dadurch, dass eine Partnerschaft mit einem ausländischen Unternehmen einge-
gangen wird. Die Abgrenzung zur Direktinvestition ist darin zu sehen, dass die Investitionen
im Ausland im Rahmen einer Partnerschaft und nicht im Alleingang getätigt werden. Es las-
sen sich vier Grundtypen des Joint Ventures unterscheiden.

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19.5 Bestimmung der Form des Markteintritts

L izenzvergaben
Die Lizenzvergabe ist eine vergleichsweise einfache Methode, auf Auslandsmärkten tätig zu
werden. Das Unternehmen bietet einem ausländischen Lizenznehmer einen Vertrag zur
Bedienung dessen Heimatmarkts an. Für eine pauschalierte oder volumenabhängige Lizenz-
gebühr erhält der Lizenznehmer das Recht, den Herstellungsprozess, die Marke, die Patente
oder anderes wichtiges Know-how zu nutzen. In der Regel ist dies mit Vorteilen für beide
Partner verbunden: Der Lizenzgeber bedient einen Markt bei geringem Risiko, der Lizenzneh-
mer erhält das Produktions-Know-how bzw. ein eingeführtes Produkt oder einen bekannten
Markennamen, ohne dies selbst aufbauen zu müssen. Coca-Cola vermarktet seine Produkte
international durch lizenzierte Abfüller auf der ganzen Welt, die die benötigten Grundstoffe
erhalten, um das Endprodukt zu produzieren. Seine globalen Abfüllpartner reichen von der
Coca-Cola Bottling Company in Saudi-Arabien bis hin zur europäischen Coca-Cola Hellenic,
die Coca-Cola-Produkte für 28 Länder, von Italien und Griechenland bis hin zu Nigeria und
Russland abfüllt und an rund 560 Millionen Menschen vermarktet.
Die Lizenzvergabe bringt jedoch auch Nachteile mit sich. Der Lizenzgeber hat weniger Ein-
fluss auf den Lizenznehmer, als er auf eigene Geschäftsvorgänge hätte, und verzichtet viel-
leicht auf Gewinne, wenn der Absatz hoch ist. Wenn der Lizenzvertrag endet, hat er unter
Umständen einen leistungsfähigen Konkurrenten herangezogen.

Auftragsfertigung (Contract manufacturing)


Eine andere Möglichkeit besteht in der Fremdvergabe der Produktion für den Absatz auf dem
Auslandsmarkt. Das Unternehmen schließt hierfür einen Vertrag mit einem Hersteller des
Ziellandes, der die Produkte produziert oder die Dienstleistungen anbietet. Für einige westli-
che Anbieter war die Auftragsfertigung der Weg auf die Märkte Taiwan und Südkorea. Ein
Nachteil ist, dass das Unternehmen den Einfluss auf den Produktionsprozess verliert. Der
Vorteil liegt darin, ohne großes Risiko und Engagement schnell starten und eines Tages viel-
leicht eine Partnerschaft mit dem lokalen Produzenten eingehen oder diesen aufkaufen zu
können.

Management- bzw. Betriebsführungsverträge (Management contracting)


Bei dieser Art des Joint Ventures stellt das inländische Unternehmen sein erprobtes Manage-
ment-Know-how dem ausländischen Partner zur Verfügung, der seinerseits das erforderliche
Kapital bereitstellt. Der Schwerpunkt liegt bei Management- bzw. Vertriebsführungsverträgen
im Transfer von Know-how und weniger von Produkten. Die amerikanische Hilton-Gruppe
bietet ausländischen Kapitalgebern Fachwissen und Managementerfahrung für Hotels an.
Zum Beispiel kündigte die Hotelkette die Eröffnung eines Doubletree By Hilton in Oradea,
Rumänien, an. Die Immobilie und das Grundstück befinden sich in lokalem Eigentum, aller-
dings verwaltet Hilton das Hotel mit seiner Expertise. Betriebsführungsverträge bergen
geringe Risiken und bringen unmittelbar Umsätze. Die Vereinbarung lässt sich noch attrakti-
ver gestalten, wenn man Anteile an dem ausländischen Unternehmen erwerben kann. Nach-
teil ist, dass möglicherweise knappe Management-Kapazitäten gebunden werden bzw. dass
Gewinne mit einem Partner geteilt werden müssen, statt diese selbst in vollem Umfang zu
erzielen. In der Regel schließen Betriebsführungsverträge eigene Aktivitäten auf demselben
Auslandsmarkt für längere Zeit aus.

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19 Internationales Marketing

J oint ownerships
In einem Joint ownership als „echtem Gemeinschaftsunternehmen“ führen das inländische
Unternehmen und der ausländischer Partner Teile ihrer Ressourcen zusammen. Zwei Varian-
ten sind denkbar: Entweder kauft das ins Ausland expandierende Unternehmen einen Anteil
an einem lokalen Partner oder es gründet gemeinsam mit diesem ein neues Unternehmen.
Eine Beteiligung kann aus ökonomischen oder politischen Gründen sinnvoll sein, z.B. wenn
eine Firma über nicht genügend finanzielle, personelle oder betriebliche Mittel verfügt, das
Geschäft allein zu organisieren. Auch kann eine ausländische Regierung ein Beteiligungsun-
ternehmen als Voraussetzung für einen Markteintritt fordern.
Unternehmen bilden häufig Gemeinschaftsunternehmen mit gleicher Beteiligung zur Bünde-
lung ihrer gemeinsamen Stärken bei der Entwicklung globaler Marketingchancen. So hat Fiat
Chrysler Automobiles ein 50:50-Joint-Venture mit dem chinesischen Staatsbetrieb Guangz-
hou Automobile Group (GAC) gegründet, um Jeep-Geländefahrzeuge in China zu bauen. Jeep
war eine der ersten westlichen Automarken, die in China verkauft wurden, und ist dort
äußerst beliebt. Allerdings wurden sämtliche Fahrzeuge für den chinesischen Markt aus den
USA importiert und unterliegen 25%igen Importzöllen, was die Preise für den Jeep in uner-
messliche Höhen trieb. Vor dem Joint Venture kostete beispielsweise ein Jeep Grand Chero-
kee mit Top-Ausstattung in China satte 180.000 Euro, mehr als das Dreifache des US-Preises.
Nach der formalen Zustimmung können Fiat Chrysler und GAC unter dem Joint Venture
gemeinsam Jeeps in China bauen und so die Zölle vermeiden, Produktionskosten senken und
wettbewerbsfähige Preise für Jeep auf dem größten Fahrzeugmarkt der Welt ermöglichen.14
Solche Gemeinschaftsunternehmen haben jedoch auch Nachteile. Die Partner können über
Investitionen, Marketing oder andere Strategien uneins sein. Während viele EU-Unterneh-
men ihre Gewinne gern für weiteres Wachstum reinvestieren, bevorzugen inländische Fir-
men häufig eine Gewinnentnahme; während EU-Unternehmen die Bedeutung des Marke-
tings hervorheben, setzen inländische Investoren auf den Verkauf.

19.5.3 Direktinvestitionen
Das intensivste Engagement auf einem Auslandsmarkt stellt die Direktinvestition dar – die
Einrichtung einer ausländischen Basis für Montage oder Produktion.
So hat Ford mehr als 3,13 Milliarden Euro als Direktinvestition in mehrere asiatische Länder
getätigt, darunter Indien, China und Thailand. In Indien baute man ein zweites Werk, eine
900 Millionen Euro teure und hochmoderne Produktions- und Entwicklungsanlage, die mit
jährlich 240.000 neuen Autos die wachsende Nachfrage in Indien und anderen asiatischen
und afrikanischen Ländern befriedigen soll. Auch Honda und Toyota haben ähnlich hohe
Direktinvestitionen zur Produktion in Nordamerika getätigt.
So werden 90 Prozent der in den USA verkauften Honda- und Acura-Modelle in Nordame-
rika produziert. „Unsere grundlegende Philosophie ist, da zu produzieren, wo wir verkau-
fen“, sagt ein Verantwortlicher von Honda.15

14 Mike Ramsey und Christina Rogers, „Chrysler’s Jeep faces uphill climb in China“, Wall Street Jour-
nal, 10. Mai 2013, S. B4 sowie „Fiat said near deal to start Jeep SUV production in China“, Bloom-
berg, 4. Dezember 2013, www.bloomberg.com/news/2013–12–03/fiat-said-near-deal-to-makejeeps-
in-china-with-plant-compromise.html.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
19.5 Bestimmung der Form des Markteintritts

Wenn das Unternehmen schon Exporterfahrung hat und der Auslandsmarkt groß genug ist,
bieten Produktionskapazitäten vor Ort viele Vorteile:
1. Das Unternehmen dürfte in vielen Fällen niedrigere Kosten haben durch niedrigere
Löhne, preisgünstigere Rohmaterialien, Wirtschaftsförderung des ausländischen Stand-
orts und kürzere Transportwege.
2. Das Ansehen des Unternehmens wird gesteigert, weil es im Gastland Arbeitsplätze
schafft.
3. Man vertieft seine Beziehungen zu Regierung und Verwaltung im Gastland, zu den Kun-
den, zum Groß- und Einzelhandel, und kann seine Produkte besser auf die Erfordernisse
des regionalen Markts abstimmen.
4. Man behält die volle Kontrolle über die Investitionen und kann daher Produktions- und
Marketingstrategien entwickeln, die sich in die langfristigen internationalen Ziele einfü-
gen.
Der größte Nachteil der Direktinvestition sind die zahlreichen Risiken, wie zum Beispiel
Beschränkungen des Kapitalverkehrs, Währungsabwertungen, ein schrumpfender Markt
oder ein Machtwechsel in der Politik. In manchen Fällen muss ein Unternehmen diese Risi-
ken akzeptieren, wenn es im entsprechenden Gastland operativ tätig sein möchte.
Es gibt also viele direkte und indirekte Methoden, auf einem Auslandsmarkt tätig zu werden.
Unternehmen, die Güter und Dienstleistungen auf ausländischen Märkten verkaufen wollen,
sollten die Vor- und Nachteile der verschiedenen Zutrittsalternativen abwägen und sich für
den Weg entscheiden, der ihnen langfristig Erfolg versprechend erscheint.
Auf dem Weg zur Internationalisierung durchlaufen Unternehmen typischerweise vier Pha-
sen: unregelmäßige Exportaktivität, Export über unabhängige Agenturen, Errichtung einer
oder mehrerer Verkaufstöchter und von Produktionsstätten im Ausland. Die erste Herausfor-
derung besteht im gelungenen Übergang von Phase 1 zu Phase 2. Wenn man bereits über
Exporterfahrungen mit unabhängigen Agenturen in einem benachbarten oder zumindest
bekannten Land verfügt, engagiert man weitere Agenturen, um auch in anderen Ländern tätig
zu werden. Anschließend gründet man eine Exportabteilung für die Organisation und
Abwicklung der Geschäfte über diese Agenturen. Im Anschluss daran kann man diese durch
eine oder mehrere eigene Verkaufstöchter in den größten Exportmärkten ersetzen. Schlus-
sendlich richtet man eine internationale Abteilung für die Geschäfte mit ausländischen
Tochtergesellschaften ein. Erweist sich das Auslandsgeschäft als stabil und lohnend oder for-
dert das Gastland eine einheimische Produktion, geht man den nächsten Schritt und richtet
Produktionsanlagen in diesen Märkten ein. Hat ein Unternehmen einmal diese Phase
erreicht, kann man es als international bezeichnen, koordiniert es doch Beschaffung, Finan-
zierung, Produktion und Marketing im globalen Maßstab.

15 Aradhana Aravindan, „Ford looks to ride emerging market mini-SUV boom in India“, Reuters, 17.
Juni 2013, www.reuters.com/article/idUSBRE95G0RJ20130617; Alan Ohnsman, „Major auto produc-
tion at Toyota, Honda boosts US economy“, 17. Juli 2012, www.autonews.com; www.india.ford.com/
about, Zugriff Oktober 2015 sowie www.hondainamerica.com/manufacturing, Zugriff Oktober 2015.

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19 Internationales Marketing

19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms


Auch die Entscheidungen zu Produktpolitik, Preisfindung, Kommunikation und Distribution
müssen auf einer gründlichen Marktanalyse basieren. Unternehmen haben wenig Einfluss
auf die externen Rahmenbedingungen in ihren Zielmärkten, umso mehr sollten sie daher
bemüht sein, ihr Marketingprogramm für jeden einzelnen Auslandsmarkt sehr sorgfältig zu
planen. Zunächst sind die Zielgruppen festzulegen. Dann muss eine Entscheidung fallen, ob
der Marketing-Mix weltweit standardisiert oder an lokale Bedingungen angepasst werden
soll. Auf den folgenden Seiten werden wir Standardisierung und Adaptierung für einzelne
Auslandsmärkte gegenüberstellen und dann einige spezifische internationale Marketing-
Mix-Entscheidungen beleuchten.
Unternehmen, die in einem oder mehreren Auslandsmärkten tätig sind, müssen eine Ent-
scheidung treffen, ob sie ihre Marketingstrategien und -programme den lokalen Gegebenhei-
ten anpassen und in welchem Ausmaß sie dies tun.
Am einen Ende des Spektrums finden wir Unternehmen, die weltweit einen standardisierten
Marketing-Mix anwenden, weitgehend dieselben Produkte verkaufen und dazu überall die-
selben Marketingansätze verwenden. Am anderen Ende sehen wir einen adaptierten Marke-
ting-Mix. In diesem Fall passt der Produzent die Marketingelemente an jedes einzelne Ziel-
land an, was ihm zwar höhere Kosten, aber auch die Hoffnung beschert, einen größeren
Marktanteil und höhere Renditen zu erzielen.
Die Frage, ob man den Marketing-Mix adaptieren oder standardisieren sollte, wird seit eini-
gen Jahren heftig diskutiert. Auf der einen Seite glauben einige Marketingfachleute, dass
durch die technologischen Entwicklungen z.B. im Bereich Digitalisierung und Telekommu-
nikation die Welt „kleiner“ geworden ist. Diese Homogenisierung kann zu geringeren Kosten
in Produktion, Vertrieb, Marketing und Management führen.
Auf der anderen Seite gibt es überzeugende Argumente dafür, das Marketing auf die besonde-
ren Bedürfnisse der Zielgruppe des Auslandsmarkts abzustimmen. Konsumenten in ver-
schiedenen Ländern verfügen über unterschiedliche kulturelle Hintergründe, Wünsche,
Kaufkraft, Produktpräferenzen und Einkaufsmuster. Deshalb kann es erfolgversprechender
sein, das Produkt, die Preise, Vertriebskanäle und/oder die Kommunikation an diese beson-
deren Bedürfnisse anzupassen.
Die Forderung nach globaler Standardisierung ist keine Alles-oder-nichts-Frage, sondern
eine Frage des Grads der Standardisierung bzw. Adaption (Differenzierung). Einige internati-
onale Marketingexperten gehen davon aus, Unternehmen sollten „global denken, aber lokal
handeln“ (think globally, but act locally). Demzufolge sollten bestimmte Kernelemente des
Marketings standardisiert, andere lokalisiert werden.
Zusammengenommen stehen lokale Marken immer noch für den überwiegenden Anteil der
Einkäufe von Konsumenten. „Die große Mehrheit der Menschen führt immer noch ein sehr
lokales Leben“, sagt ein globaler Analyst. „Man sollte mit allen Mitteln global agieren, aller-
dings muss man als Erstes vor Ort gewinnen. Man muss lokal handeln.“ Ein anderer Analyst
stimmt dem zu: „Man muss die lokale Kultur respektieren und Teil davon werden.“ Eine glo-
bale Marke muss „mit einem Konsumenten interagieren, sodass sie sich für ihn lokal
anfühlt“.
Globale Unternehmen wie McDonald’s verwenden in allen Ländern zwar das gleiche
Geschäftsmodell, passen aber ihre Restaurantausstattung und die Speisekarte dem jeweiligen
lokalen Geschmack an. McDonald’s sieht sich als „ein dezentrales Unternehmensnetz lokal

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19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms

betriebener Restaurants, das überaus flexibel ist und sich ausgezeichnet an die Bedingungen
vor Ort anpassen lässt. Wir bieten Unternehmern die Chance, ein lokales Geschäft mit loka-
len Beschäftigten zu führen, das von einer lokalen Infrastruktur beliefert wird.“
In Frankreich werden McDonald’s-Kunden von Servicepersonal mit Krawatte und Jacke
bedient und bekommen zu ihrem Kaffee noch ein Stück Schokolade gereicht. Auch gibt es in
den französischen McDonald’s-Filialen iPods, sodass die Besucher sich hinsetzen und Musik
hören können. In Deutschland wurden viele Filialen rundum erneuert und im Rahmen des
McCafé-Konzepts sehr modern gestaltet. In England wurden außerdem limettengrüne „Egg“-
Stühle (benannt nach der eierförmigen Umhüllung des Stuhls) des berühmten dänischen
Architekten Arne Jacobsen aufgestellt.
Das Unternehmen hat seine Anpassungsstrategie sogar noch weiter getrieben und für Mitar-
beiter den „McPassport“ mit Angaben über Ausbildung und Sprachkenntnisse eingeführt.
Mit diesem Ausweis können Angestellte in sämtlichen Filialen in ganz Europa übernommen
werden. Der Ausweis soll den Wünschen der mobilen Jugend Europas entgegenkommen.
„Eine der größten Motivationen für Jugendliche ist es, herumreisen zu können“, meint Denis
Hennequin, der für die europäischen Filialen von McDonald’s verantwortlich ist. Er hofft,
dass die Ausweise in den Sommermonaten vor allem für Länder wie Griechenland und Ita-
lien genutzt werden.
Auch wenn sich Hennequin darüber freut, dass seine Angestellten international die Filialen
wechseln, sollen in seinen Restaurants lokale Bräuche erhalten bleiben und Menüs angebo-
ten werden, die den Vorlieben vor Ort entsprechen. „Wir sind nicht die Vereinigten Staaten
von Europa“, sagt er. „Wir haben 41 Länder, die sich zum Teil in völlig verschiedenen Ent-
wicklungsstadien befinden. Und darauf müssen wir Rücksicht nehmen.“
In Frankreich bietet McDonald’s eine Vielzahl von Salaten und frisches Obst sowie den Cro-
que McDo, das klassische französische Grill-Sandwich an. In Portugal gibt es auch Suppe auf
der Speisekarte, und wenn Herr Hennequin in London ist, isst er zum Frühstück Haferbrei
zusammen mit einem McBacon-Baguette und einem Egg McMuffin.
In Korea gibt es bei McDonald’s dagegen Bulgogi Burger, gegrillte Schweinepastetchen in
einem Brötchen mit Knoblauch-Soja-Sauce; in Indien, wo die Kühe als heilig gelten, isst man
McChicken, Filet-O-Fish, McVeggie (ein Gemüseburger), Pizza McPuffs, McAloo Tikki (ein
scharfer Kartoffelburger) oder den Maharaja Mac (Hühnchen mit einer speziellen Sauce,
Salat, Käse, Gewürzgurken und Zwiebeln in einem Sesambrötchen). In Japan erhält man den
Tatsuta Burger, in Thailand den McPork Burger mit Thai Basilikum und in Indonesien den
McTempeh Burger (aus fermentierten Sojabohnen).
Im Folgenden untersuchen wir, welche Optionen für die Gestaltung des internationalen Mar-
keting-Mix zur Verfügung stehen.

19.6.1 Das Produkt


In Abbildung 19.5 ist dargestellt, mit welchen Vorgehensweisen ein Produkt und die zugehö-
rige Marketingkommunikation auf die ausländischen Märkte übertragen werden können. Wir
wenden uns zunächst den drei Strategien zu, die sich mit dem Produkt selbst befassen, und
betrachten dann die beiden Strategien, die die Marketingkommunikation betreffen.

895
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19 Internationales Marketing

Produkt
unverändert angepasst neu

1. Einführung des 2. Produkt-


unverändert
Kommunikation

unveränderten anpassung
Produkts
3. Produktneu-
entwicklung
4. Kommunikations- 5. Duale
angepasst anpassung Anpassung

Abbildung 19.5: Fünf Produkt- und Kommunikationsstrategien für internationale Märkte

Einführung des unveränderten Produkts


Bei dieser Strategie führt man ein bestehendes Produkt ohne jede Änderung auf einem Aus-
landsmarkt ein. Der erste Schritt ist es nun herauszufinden, ob ausländische Konsumenten die-
ses Produkt benutzen und in welcher Form sie es bevorzugen. Eine solche unveränderte Pro-
dukteinführung war schon in vielen Fällen erfolgreich, so z.B. bei Apples iPhone, Gillette-
Rasierern und Bosch-Heimwerkergeräten. Diese Unternehmen konnten ihre Produkte unverän-
dert auf dem Weltmarkt verkaufen. Als allerdings General Foods seinen JELL-O, eine gelatinear-
tige Nachspeise, in unveränderter Form in den britischen Markt einführte, fand das Unterneh-
men heraus, dass britische Konsumenten eher eine feste Variante bevorzugten. Gleichermaßen
begann Philips erst dann Gewinne in Japan zu erzielen, als es die Größe seiner Geräte redu-
zierte, damit seine Kaffeemaschinen in kleinere japanische Küchen passen und seine Rasierap-
parate in kleinere japanische Hände. Aus Kostengründen ist die unveränderte Übertragung auf
den Auslandsmarkt sehr verlockend. Die Gefahr liegt jedoch darin, dass diese Produkte die
Bedürfnisse der ausländischen Kunden auf längere Sicht nur suboptimal befriedigen.

Produktadaption
Bei der Produktadaption werden Veränderungen am Produkt vorgenommen, um den lokalen
Präferenzen oder Bedingungen bestmöglich zu entsprechen.
McDonald’s ist zum Beispiel in über 100 Ländern vertreten, die sich zum Teil stark in den
lokalen Präferenzen bei Nahrungsmitteln unterscheiden. Man findet zwar die klassischen
Burger und Pommes Frites fast überall auf der Welt, aber die Restaurantkette hat auch spezi-
elle Menüs in ihr Angebot aufgenommen, um den individuellen Geschmacksvorlieben von
Kunden in lokalen Märkten Rechnung zu tragen. So gibt es beispielsweise Lachs-Burger in
Norwegen, Burger mit Kartoffelbrei in China oder den Samurai Pork Burger mit Schweine-
fleisch und Teriyaki-Sauce in Thailand.
Komatsu, ein japanischer Hersteller von Baumaschinen, musste für Finnland die Türgriffe
seiner Bagger verändern. Für die Fahrer, die im Winter dicke Handschuhe trugen, war es
unmöglich, die kleinen Türgriffe zu benutzen. Diese waren offensichtlich für die Finger des
durchschnittlichen Japaners konzipiert, aber nicht für die größeren und zudem mit Hand-
schuhen bekleideten Hände eines europäischen Benutzers.

Neuprodukt
Bei Entwicklung eines neuen Produkts wird ein Angebot von Grund auf neu entwickelt, um
auf dem jeweiligen Auslandsmarkt erfolgreich zu sein. So unterscheiden sich weltweit die

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19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms

Gewohnheiten von Frauen sehr stark. Japanerinnen waschen sich zum Beispiel nicht nur
einmal das Gesicht, sondern zweimal. Brasilianerinnen verbrauchen weltweit den meisten
Nagellack, da er bei ihnen zum normalen Schönheitsprogramm dazugehört.
„Die japanischen Frauen bevorzugen kompakte Pudercremes statt flüssiger Grundierungen“,
sagt Eric Bone, der Geschäftsführer von L’Oréals Forschungszentrum in Tokio. „Die Luftfeuch-
tigkeit ist [in Japan] sehr viel höher, und das Wichtigste ist eine lang anhaltende Abdeckung.“
Daher entwickelt L’Oréal speziell für Japan vor allem Pudercremes statt flüssige Make-ups. Da
die japanische Frau ihren Maskara sehr häufig benutzt, hat L’Oréal außerdem eine leichtere
Mischung entwickelt, als die, welche in Europa und Amerika verkauft wird. Laut Harvey
Gedeon, dem stellvertretenden Vorsitzenden des globalen Forschungs- und Entwicklungszent-
rums des Kosmetikgiganten Estée Lauder, sind in Asien besonders Make-ups gefragt, die für
einen ebenmäßigen Teint sorgen und kleine braune Flecken abdecken. In Ländern wie den
USA oder England sind diese Produkte weniger gefragt. Estée Lauder stellt daher für den asiati-
schen Markt spezielle Hautpflegeprodukte her, die die Gesichtsfarbe heller und strahlender
erscheinen lassen. Hierzu arbeitet das Unternehmen mit einem Innovationszentrum in Shang-
hai zusammen, das die Wirkung traditioneller chinesischer Kräuter und Pflanzen untersucht,
die in den Produkten verwendet werden könnten. Eine Produktneuentwicklung kann somit
sehr teuer sein, doch findet sie auf lokalen Märkten große Beachtung und zahlt sich häufig aus.

19.6.2 Die Kommunikation


Unternehmen können entweder dieselbe Kommunikationsstrategie in verschiedenen Län-
dern anwenden oder sie an die jeweiligen lokalen Märkte anpassen. Denken wir etwa an
Werbebotschaften. Einige globale Unternehmen verwenden eine standardisierte Werbekam-
pagne überall auf der Welt.
Häufig ist es bei solchen standardisierten Kampagnen jedoch erforderlich, kleinere Anpas-
sungen vorzunehmen, um sprachlichen und kulturellen Unterschieden Rechnung zu tragen.
Die „Live for now“-Kampagne von Pepsi hat beispielsweise weltweit den gleichen Auftritt,
wird jedoch an verschiedene globale Marktgegebenheiten angepasst, um den dortigen Ver-
brauchern, Sprachen und Ereignissen gerecht zu werden. Auch der schwedische Modekon-
zern H&M betreibt in den westlichen Märkten Anzeigen mit Models, die ziemlich viel Haut
zeigen. Im Nahen Osten jedoch, wo Nacktheit in der Öffentlichkeit konservativeren Regeln
unterliegt, wird die Anzeige des Einzelhändlers digital bearbeitet und die Körper der Models
sind mehr bedeckt.
Viele globale Unternehmen hatten Schwierigkeiten, Sprachbarrieren zu überwinden, wobei
die Folgen von leicht peinlich bis zum absoluten Fehlschlag reichen. Scheinbar völlig unver-
fängliche Markennamen und Werbebotschaften können eine ganz unbeabsichtigte oder ver-
borgene Bedeutung annehmen, übersetzt man sie in andere Sprachen. Eine achtlose Überset-
zung lässt ernsthafte Marketingbestrebungen in den Augen ausländischer Konsumenten oft
lächerlich erscheinen. Außerdem verlieren – oder gewinnen – Werbebotschaften häufig
durch die Übersetzung. Auf Chinesisch wird so der KFC-Slogan „finger-lickin‘ good“ (sich
die Finger lecken) zu „Iss deine Finger auf“. Und der „Hellomoto“-Klingelton des Herstellers
Motorola hört sich in Indien an wie „Hello, Fatty“ (Hallo Dickerchen). Werbetreibende müs-
sen also aufpassen, derartige Fehler zu vermeiden und bei der Auswahl ihrer Markennamen
und Botschaften in bestimmten ausländischen Märkten sehr sorgfältig vorgehen. In wichti-
gen, kulturell jedoch sehr unterschiedlichen Märkten wie China kann der Name über Erfolg
oder Misserfolg einer Marke entscheiden.

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19 Internationales Marketing

Kommunikationsanpassung
Bei einer Strategie der Kommunikationsanpassung passt man z.B. seine Werbebotschaften
oder -techniken umfassend an die lokalen Märkte an. In den Vereinigten Staaten und den
meisten westlichen Ländern gilt Joggen zum Beispiel als eine positive und gesunde sportli-
che Betätigung, weshalb bei den Anzeigen von Nike hier die Laufprodukte und körperliche
Leistung im Vordergrund stehen. In China dagegen gilt Laufen als langweiliger Sport, oder
sogar als Strafe – anstrengend und schmerzhaft. Die wenigsten Menschen in den asiatischen
Großstädten mit ihrer hohen Luftverschmutzung würden es freiwillig tun, schon gar nicht in
den verstopften Straßen voller Fußgänger, Fahrräder, Autos und sogar Rikschas. „Es ist wit-
zig: Wenn jemand durch die Straßen rennt, meist ein westlicher Tourist, drehen die Men-
schen sich um und wollen sehen, wer hinter ihm her ist“, scherzt ein Beobachter.
Doch China ist auch der größte Schuhmarkt weltweit und bietet enormes, bislang ungenutz-
tes Potenzial für Nike. Statt dort also Produkte und Leistung in den Vordergrund zu stellen,
verlagert sich die Werbung von Nike auf das Ziel, dass einfach mehr Chinesen Sportschuhe
tragen. In den Anzeigen und sozialen Medien sieht man ganz normale Menschen, die durch
die Straßen der Stadt laufen. Ein gestresster Büroangestellter, der in Shanghai lebt und läuft,
berichtet: „Diese Stadt ist ständig laut und hektisch. Das belastet meinen Tag nur noch mehr.
Ich denke, Laufen bedeutet für mich einfach diesen Lärm ausblenden zu können.“ Um das
Laufen zu einer sozialeren Aktivität zu machen, sponsert Nike auch die nächtlichen „Lunar
Runs“ in großen Städten wie Peking und Marathons in Shanghai, bei denen chinesische Stu-
denten und junge Berufstätige inspiriert von Fitnesstrainern, Livemusik und Prominenten
das Laufen als Vergnügen und Belohnung nach dem Unterricht oder dem Job erleben sollen.
Ziel ist es, dass zumindest so viele Menschen wie möglich das Laufen ausprobieren. Doch
die grundlegende Wahrnehmung des Sports zu verändern, dürfte nicht einfach sein. „Es liegt
ein langer Weg vor uns“, sagt ein Nike-Werbeverantwortlicher für China.16
Aber auch die Medien müssen international angepasst werden, weil ihre Verfügbarkeit, ihr
Gebrauch und gesetzliche Regulierungen von Land zu Land variieren. Die Werbezeit im
Fernsehen variiert in den verschiedenen europäischen Ländern von vier Stunden täglich in
Frankreich bis null in skandinavischen Ländern, weil dort Druckmedien der Fernsehwer-
bung vorgezogen werden. Die Werbetreibenden müssen die Zeit schon Monate im Voraus
buchen und haben nur wenig Kontrolle über die Ausstrahlungszeiten. Werbung auf Mobilte-
lefonen ist in Europa und Asien eher akzeptiert als in den USA. Verschiedene Printmedien
sind unterschiedlich wirksam. So gelten Magazine in Italien etwa als populäres Medium, in
Österreich hingegen weniger. Zeitungen sprechen in Großbritannien Kunden auf nationaler,
in Spanien aber nur auf lokaler Ebene an.

Duale Anpassung
Unternehmen verfolgen dann eine duale Anpassungsstrategie, wenn sowohl das Produkt als
auch die zu kommunizierende Botschaft an die Bedürfnisse und Erwartungen der Zielkun-
den in den verschiedenen Ländermärkten adaptiert werden.

16 „Nike faces ultimate marketing challenge in China: make running cool“, Advertising Age, 31. Okto-
ber 2011, S. 1+; „Firms help spur a running craze in China“, China Sports News, 30. Dezember 2013,
www.chinasportsbeat.com/2013/12/firmshelp-spur-running-craze-in-china.html sowie „Nike faces
tough competition in Europe and China“, Forbes, 4. März 2014, www.forbes.com/sites/greatspecula-
tions/2014/03/04/nike-facestough-competition-in-europe-and-china/.

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19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms

19.6.3 Der Preis


Auch bei der internationalen Preisfindung treffen Unternehmen auf viele Herausforderungen.
Wie sollte zum Beispiel Bosch weltweit die Preise für seine Elektrowerkzeuge festlegen? Das
Unternehmen könnte entweder einen einheitlichen Preis für alle Länder der Welt bestim-
men, doch wäre dieser Preis in armen Ländern zu hoch und in reicheren Ländern zu niedrig.
Würde es die Preise an die Länder anpassen, je nachdem wie viel sich dort der durchschnitt-
liche Käufer leisten könnte, käme es zu großen Differenzen im Vergleich zu den tatsächlichen
Kosten. Zu guter Letzt könnte das Unternehmen überall eine Standard-Marge auf seine tat-
sächlichen lokalen Kosten aufschlagen, doch würde es dann auf einigen Märkten, wo die
Kosten vergleichsweise hoch sind, nicht gegen seine Wettbewerber bestehen können.
Unternehmen sehen sich bei der Vermarktung ihrer Produkte im Ausland oft dem Problem
der Preiseskalation gegenüber, da sich die Herstellungskosten noch um die Kosten für den
Transport, den Zoll und die Margen des Groß- und Einzelhandels erhöhen. So kann zum Bei-
spiel das gleiche Apple iPad in den USA 350 Euro kosten, im Vereinigten Königreich jedoch
480 Euro. Abhängig von den Zusatzkosten muss das Produkt in einem anderen Land zwei-
bis fünfmal häufiger verkauft werden, um den gleichen Gewinn zu erzielen.
Um dieses Problem beim Verkauf an weniger wohlhabende Konsumenten in Entwicklungs-
ländern zu bewältigen, stellen viele Unternehmen einfachere und kleinere Versionen ihrer
Produkte her, die zu einem geringeren Preis angeboten werden können. Zum Beispiel wurde
von Googles damaliger Motorola-Sparte das günstige Smartphone Moto G entwickelt. Auch
wenn es kein auffälliges Hightech-Gerät war, wurde das mit allen Funktionen ausgestattete
Mobiltelefon in den USA für nur 140 Euro ohne Vertragsbindung verkauft. Google brachte
das Modell zunächst in Brasilien, einem der größten und am schnellsten wachsenden
Schwellenmärkte heraus. Anschließend folgten weitere Länder in Südamerika, dem Nahen
Osten, Indien und weiteren Teilen Asiens. Das Modell von Google setzt jedenfalls Apple
unter Druck, das seine älteren Geräte zu reduzierten Preisen anbietet, statt neue preiswerte
Modelle zu entwickeln. „In den letzten paar Jahren ging es um den Verkauf hochmoderner
Smartphones“, sagt ein Analyst. „In den kommenden Jahren wird es darum gehen, preis-
günstige Modelle zu verkaufen und damit massenweise neue Vertragskunden zu gewin-
nen.“17
Ein anderes Problem bezieht sich auf die Festlegung der Transferpreise. Darunter wird der
Preis verstanden, den ein Unternehmen für die Lieferung von Gütern an seine Auslandsnie-
derlassungen berechnet. Liefert ein Unternehmen zu hohen Verrechnungspreisen, müssen
auch hohe Zölle bezahlt werden. Die im Ausland entstehenden Gewinne und die darauf
basierende Einkommensteuer sind dagegen niedrig. Bestimmt das Unternehmen niedrige
Verrechnungspreise, setzt es sich dem Vorwurf des Dumpings aus. Dies ist der Fall, wenn
Exportpreise geringer sind als die entsprechenden Kosten oder der Preis, der im Heimatland
verlangt wird. Wenn Konsumenten Preisunterschiede zwischen einzelnen Ländern wahrneh-
men, sind Anbieter gezwungen, Preisharmonisierungen vorzunehmen, da sonst ein grauer
Markt entstehen könnte.

17 Informationen und Zitat entnommen aus Alistar Barr und Edward C. Baig, „Google targets low-end
smartphone market with Moto G“, USA Today, 13. November 2013, www.usatoday.com/story/tech/
2013/11/13/google-motorola-moto-g/3516039/; Brian X. Chen, „Motorola to offer Moto G smartpho-
ne aimed at emerging markets“, New York Times, 14. November 2013, S. B5.

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19 Internationales Marketing

In den letzten Jahren hatten technologische und wirtschaftliche Veränderungen einen großen
Einfluss auf die globale Preissetzung. Auch das Internet erhöht die Transparenz der internati-
onalen Preissetzung. Wenn Unternehmen ihre Produkte über das Internet verkaufen, können
die Kunden die Preise in unterschiedlichen Ländern sehen. Sie könnten sogar ein bestimm-
tes Produkt direkt vom Unternehmensstandort oder Händler beziehen, der den günstigsten
Preis anbietet. Dadurch werden Unternehmen zukünftig zu einer stärkeren Standardisierung
der internationalen Preisstellung gedrängt.

19.6.4 Die Vertriebskanäle


Ein internationales Unternehmen muss bei der Herausforderung, seine Produkte an den End-
kunden zu bringen, sämtliche Kanäle berücksichtigen. Abbildung 19.6 zeigt die beiden wich-
tigsten Verbindungen zwischen Verkäufer und Endverbraucher. Bei der ersten Verbindung,
Vertriebskanäle zwischen Staaten, werden die Produkte eines Unternehmens vom Produkti-
onsstandort zu den Grenzen der Länder transportiert, in denen sie verkauft werden. Bei der
zweiten Verbindung, Vertriebskanäle innerhalb eines Landes, werden die Produkte von ihren
Orten des Markteintritts bis zum Endverbraucher transportiert. Der ganzheitliche Blickwin-
kel berücksichtigt die gesamte globale Lieferkette und alle Marketingkanäle. Er trägt der
Erkenntnis Rechnung, dass ein erfolgreicher internationaler Wettbewerb die effektive Gestal-
tung und Steuerung eines umfassenden globalen Wertschöpfungsnetzwerks des Unterneh-
mens voraussetzt.

Vertriebskanäle Vertriebskanäle
Internationale
zwischen innerhalb Endverbraucher
Verkäufer
Ländern der Länder

Globales Wertschöpfungsnetzwerk

Abbildung 19.6: Grenzüberschreitender Vertrieb vom Hersteller bis zum Endverbraucher im Ausland

Die Vertriebskanäle können sich von Land zu Land stark unterscheiden. Es gibt sehr große
Unterschiede bei der Anzahl und beim Typ der Zwischenhandelsstufen sowie in der jeweili-
gen Verkehrsinfrastruktur. Weitere Unterschiede liegen in der Struktur der Handelsland-
schaft im Ausland. Während in Großbritannien, Deutschland und den USA große Handels-
ketten dominieren, teilen sich im übrigen Europa und in den meisten anderen Ländern der
Welt viele kleine unabhängige Einzelhändler den Markt. In Indien gibt es zum Beispiel Milli-
onen von Einzelhändlern, die ihren eigenen kleinen Laden haben oder auf dem Markt ver-
kaufen. Sie haben eine hohe Handelsspanne, doch wird der tatsächliche Preis noch vom
Kunden heruntergehandelt. Supermärkte könnten zwar niedrigere Preise anbieten, doch ist
es in Indien aus wirtschaftlichen und kulturellen Gründen schwierig, Supermärkte zu eröff-
nen. Inder haben niedrige Einkommen und bevorzugen es außerdem, jeden Tag kleinere
Mengen einzukaufen, statt wöchentlich einen Großeinkauf zu tätigen. Außerdem fehlt es
ihnen an Platz und Kühlschränken, um die Nahrung für mehrere Tage aufzubewahren. Auf
aufwendige Verpackungen wird hier auch weitgehend verzichtet, da es die Preise nur unnö-
tig erhöhen würde. Aus diesen Gründen haben Großhändler und Handelsketten häufig
Schwierigkeiten, sich in Entwicklungsländern zu etablieren.

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19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms

Selbst in Weltmärkten mit ähnlichen Anbietern können sich die Handelspraktiken erheblich
unterscheiden. So gibt es in chinesischen Großstädten zahlreiche Filialen von Walmart, Car-
refour, Tesco und anderen großen Einzelhandelsketten. Doch während die hier vertretenen
Konsummarken in westlichen Ländern hauptsächlich auf Selbstbedienung vertrauen, wer-
den in China ganze Scharen uniformierter weiblicher Animateure in den Filialen eingesetzt,
die Kostproben an die Kunden verteilen und die Produkte persönlich anpreisen. In einem
Pekinger Walmart trifft man an jedem Wochenende auf 100 oder mehr solcher sogenannter
Promoter, die den Kunden Produkte von Kraft, Unilever, P&G, Johnson & Johnson sowie eini-
gen heimischen Konkurrenten präsentieren. „Chinesische Verbraucher kennen die Marken-
namen aus den Medien“, sagt der Leiter eines chinesischen Dienstleisters für Handelsmarke-
ting. „Doch sie wollen das Produkt erleben und es ganz genau verstehen, ehe sie eine
Kaufentscheidung treffen.“18
An dieser Stelle sollte deutlich geworden sein, dass ein Unternehmen für die Entscheidungs-
findung bezüglich Vertriebskanälen in ausländischen Märkten eine Vielzahl von Informatio-
nen beschaffen muss und dass es teilweise sehr schwierig sein kann, sich mit seinen Produk-
ten in komplexen und etablierten Distributionssystemen des Auslands einen Platz zu
verschaffen. Beim Markteintritt im Ausland gilt es zunächst die passenden Lieferanten aus-
zuwählen und sich mit ihnen auf gemeinsame Distributions- und Leistungsziele zu einigen,
die für beide Seiten erstrebenswert sind.
Das nachfolgende Highlight zeigt auf, wie Coca-Cola sein Marketing und somit auch seine
Vertriebs- und Auslieferungssysteme in Afrika anpassen musste, um den lokalen Gegeben-
heiten zu entsprechen.

Marketing-Highlight: Coca-Cola in Afrika – wir haben alles, um es


möglich zu machen

Coca-Cola ist weltweit eine echte Kultmarke – ein 38 Milliarden Euro schweres interna-
tionales Kraftpaket. Die Produkte von Coke sind für 98 Prozent der Weltbevölkerung
verfügbar. Schon jetzt die weltweite Nummer eins der Softdrink-Hersteller, hat Coca-
Cola drei Viertel seines 12-Jahres-Plans zur Verdopplung der globalen Umsätze bis 2020
erfüllt. Doch ein solches Wachstum ist nicht leicht zu erreichen. Hauptproblem: Die
Einnahmen der Softdrink-Branche in Nordamerika und Europa, zwei der größten und
profitabelsten Märkte von Coca-Cola, sprudeln nicht mehr so wie einst. Stattdessen ist
der US-Markt für Softdrinks fünf Jahre in Folge zurückgegangen. Da die Umsätze in den
ausgereiften Märkten stagnieren, muss sich Coca-Cola anderswo umsehen, um das ehr-
geizige Wachstumsziel zu erreichen. In den letzten Jahren versuchte es Coca-Cola
hauptsächlich in den globalen Schwellenländern wie China und Indien, die zwar eine
aufstrebende Mittelschicht, jedoch einen relativ schwachen Pro-Kopf-Verbrauch von
Coke-Produkten aufweisen. Doch sowohl in China als auch in Indien gibt es heute mas-
senhaft Konkurrenten und die Märkte sind für ausländische Unternehmen schwierig zu
steuern. Da sich Coca-Cola in diesen Ländern also einer starken Konkurrenz gegenüber-
sieht, nimmt es ein vielversprechenderes Ziel für das langfristige Wachstum ins Visier –
Afrika.

18 Anita Chang Beattie, „Catching the eye of a Chinese shopper“, Advertising Age, 10. Dezember 2013,
S. 20–21.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
19 Internationales Marketing

Abbildung 19.7: Coca-Cola-Shop in Nairobi


(Quelle: Mauryndinar (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Coca_Cola_Shop.jpg), https://creativecommons.org/
licenses/by-sa/4.0/legalcode)

Viele westliche Unternehmen betrachten Afrika als letzte natürliche Grenze – eine Art
Niemandsland, geplagt von Armut, politischer Korruption und Instabilität, einem unzu-
verlässigen Transportsystem, Knappheit bei Wasser und anderen wichtigen Rohstoffen.
Doch Coca-Cola sieht auch genug Potenzial, um die Risiken zu rechtfertigen. Einer
Quelle zufolge befinden sich sechs der zehn am schnellsten wachsenden Märkte in
Afrika. Auf dem Kontinent leben mehr als eine Milliarde Menschen und es gibt eine
sich gerade entwickelnde Mittelschicht. Die Zahl der afrikanischen Haushalte mit
einem Mindesteinkommen von 4.000 Euro – das Niveau, ab dem Familien mindestens
die Hälfte ihres Einkommens für Non-Food-Produkte ausgeben – hat sich in den letzten
30 Jahren auf ein Drittel der Bevölkerung verdreifacht. „Die Bevölkerung ist unglaublich
jung und dynamisch“, sagt der frühere Coca-Cola-Vorstand Muhtar Kent, „[und] hat ein
enormes verfügbares Einkommen. Ich spreche von einem Bruttoinlandsprodukt von 1,3
Billiarden Euro. Das ist mehr als in Russland, mehr als in China.“
Coca-Cola ist kein Neuling in Afrika. Es ist dort seit 1929 aktiv und das einzige multina-
tionale Unternehmen, das in jedem Teil Afrikas seine Produkte verkauft. Der Marktan-
teil in Afrika und dem Nahen Osten beträgt beachtliche 29 Prozent; Pepsi erzielt dort
einen Marktanteil von 15 Prozent. Die Umsätze der Erfrischungsgetränke von Coca-Cola
in Afrika und dem Nahen Osten steigen jährlich um 6 Prozent, wohingegen sie in Nord-
amerika um 2 Prozent und in Europa um 1 Prozent zurückgehen.

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19.6 Festlegung des globalen Marketingprogramms

Doch Afrika bietet für Coca-Cola noch reichlich Wachstumspotenzial. Der jährliche Pro-
Kopf-Verbrauch von Coke liegt in Kenia beispielsweise bei gerade einmal 40 Einheiten;
in weiter entwickelten Ländern wie Mexiko beträgt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch
dagegen unglaubliche 728 Einheiten. Es ist also alles bereit für die Eroberung Afrikas,
nicht nur im Hauptsortiment der Erfrischungsgetränke, sondern auch in den anderen
Segmenten an Softdrinks, Wässern und Säften der Marke. Hat der Getränkeriese in den
letzten zehn Jahren schon rund 4,8 Milliarden Euro in den afrikanischen Markt inves-
tiert, will er diesen Betrag in den nächsten zehn Jahren verdoppeln – diese Maßnahme
umfasst Abfüllanlagen, Vertriebsnetzwerke, Dienste für Einzelhändler und eine Afrika-
weite Werbekampagne mit dem Titel: „Eine Milliarde Gründe, an Afrika zu glauben.“
Marketing in Afrika funktioniert völlig anders als in den weiter entwickelten Märkten
der Welt. „Afrika ist eben nicht … Atlanta“, bemerkt ein Analyst, „und Coke greift sozu-
sagen in einen Bienenstock, um an den Honig zu kommen.“ Neben dem reinen Marke-
ting über herkömmliche Kanäle in den größeren afrikanischen Städten setzt Coca-Cola
daher nun auch in kleineren Städten eine eher grundlegende Taktik an, um die Einnah-
men zu steigern. „[Nur] in einem Land präsent zu sein, ist leicht; man eröffnet einfach
in jeder Hauptstadt ein Depot“, so Vorstand Kent. „Doch darum geht es uns nicht in
Afrika. Hier können wir überall aktiv sein. Wir können in jede Stadt, jedes Dorf, jede
Gemeinde, jedes Township gehen.“ Durch eine Werbemaßnahme, die ein weiterer Ana-
lyst als „Straßenkampagne für Kunden, die noch keine Coke aus Kanistern trinken“
bezeichnet, haben die kleinen Läden in den Seitenstraßen an Bedeutung gewonnen.
Nehmen wir den Mamakamau Shop in Uthiru, einer ärmlichen Gemeinde außerhalb
von Nairobi, Kenia. Draußen brennen Müllhaufen und das Abwasser fließt durch eine
offene Rinne die Straße entlang.
Neben Coca-Cola-Produkten führt der Laden – ein sogenannter Duka – auch sämtliche
anderen Waren, von Matratzen bis Plastikeimern, auf einer Verkaufsfläche so groß wie
ein kleines Schlafzimmer. Doch Inhaberin Mamakamau Kingori hat den Coca-Cola-
„Goldstatus“ für Verkäufer erreicht, indem sie etwa 72 Coke-Produkte am Tag für je 30
Kenia-Schilling (0,27 Euro) pro Halbliter-Flasche verkaufte. Die meisten Kunden trin-
ken ihr Soda im Laden und sitzen auf umgedrehten roten Getränkekisten – sie können
sich den Flaschenpfand nicht leisten. Der Abfüller von Coca-Cola in Kenia verwendet
eine Glasflasche bis zu 70 Mal wieder.
Für den „Goldstatus“ befolgt Kingori peinlich genau die vorgegebenen Verkaufstaktiken.
Im Eingangsbereich ihres Ladens steht ein roter Kühlschrank mit Coca-Cola-Logo, der
von einem blauen Metallgitter geschützt wird. Wie die anderen Tante-Emma-Läden in
der Gegend bestückt sie den Kühlschrank mit Coke oben, Fanta in der Mitte und großen
Flaschen unten. Im Ladeninnern legt sie rote Angebotskarten aus, mit denen Coca-Cola
Menükombinationen bewirbt; zum Beispiel eine 300-Milliliter-Coke mit Ndazi, einer
Art Donut, für 25 Kenia-Schilling. In Kabira, einer weiteren ärmlichen Gegend nahe
Nairobi, reihen sich Coke-rot gestrichene Läden in den überfüllten Straßen aneinander.
Der örtliche Abfüller beauftragt Künstler damit, die Läden mit Logos und Slogans in
Suaheli zu verzieren. „Burudika na Coke Baridi“ bedeutet zum Beispiel: „Coke eiskalt
genießen.“ In zahllosen Gemeinden in ganz Afrika spielen die kleinen Läden, seien es
die Dukas von Nairobi oder die kleinen Eckläden im südafrikanischen Johannesburg,
eine wichtige Rolle für das Wachstum von Coca-Cola. Sie werden von einem rudimentä-
ren, aber sehr effektiven Vertriebsnetzwerk beliefert.

903
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19 Internationales Marketing

In der Innenstadt von Nairobi nehmen Männer in roten Arbeitskitteln mit ihren Hubwa-
gen 22 bis 40 Kisten Coke und andere Softdrinks von Rosinje Distributors entgegen,
einem von 3.200 sogenannten Micro Distribution Center (MDCs), die Coca-Cola in
Afrika betreibt. Diese Zentren sind die Lebensader des afrikanischen Vertriebsnetzwerks
von Coca-Cola. Das Werk in Nairobi beispielsweise liefert Coke, Fanta, Stoney Ginger
Beer und andere Marken an fast 400 MDCs in der Gegend. Von dort aus werden die Pro-
dukte schnell – manchmal kopfüber – an die örtlichen Geschäfte und Getränkekioske
ausgeliefert. Aufgrund der schlechten und stark befahrenen Straßen ist die Auslieferung
von Hand oft der beste Weg. Mit den MDCs bringt Coca-Cola seine Produkte in die entle-
gensten Winkel und macht sie so für Menschen verfügbar, die auf den Geschmack von
Softdrinks gekommen sind und sie sich leisten können.
Trotz ihrer Einfachheit zeigen Coca-Colas Marketingansätze in Afrika Wirkung. Erste
Regel des Unternehmens ist, dass die Produkte „heil und kalt“ ankommen. „Gibt es
keine Straßen, um die Produkte über lange Strecken zu transportieren, nehmen wir eben
Boote, Kanus oder Handwagen“, sagt der Präsident von Coca-Cola Südafrika. In Nigerias
Makako-Viertel – einer Ansammlung von Pfahlhäusern in der Lagune von Lagos – sind
Frauen entlang der Wasserwege unterwegs, um Coca-Cola von Kanus aus an die Ein-
wohner zu verkaufen. Ohne Zweifel ist das verstärkte Geschäft in Afrika wesentlich für
das Erreichen der globalen Ziele. Ex-Vorstand Muhtar Kent meint: „Afrika ist eine noch
unerzählte Geschichte und könnte zum Märchen des nächsten Jahrzehnts werden, wie
Indien und China im Jahrzehnt zuvor. Wir haben alles, um es möglich zu machen.“

19.7 Bestimmung der internationalen Marketingorganisation


Es lassen sich drei Grundtypen unterscheiden, um internationale Marketingstrategien zu
managen: die Exportabteilung, die internationale Abteilung und die globale Organisation.
Historisch haben die meisten Unternehmen mit einer Exportabteilung begonnen. Einige wan-
delten diese dann in eine internationale Abteilung um. Bei Großunternehmen finden wir
dann noch den Typ der global orientierten Organisation, in der alle Märkte gleichberechtigt
sind und keine Priorität für den Inlandsmarkt mehr existiert.

19.7.1 Die Exportabteilung


Die internationale Tätigkeit eines Unternehmens beginnt in der Regel, indem Waren einfach
ins Ausland verkauft und versandt werden. Sobald dies einen gewissen Umfang annimmt,
wird eine Exportabteilung mit einem Exportleiter und einigen Mitarbeitern eingerichtet.
Nimmt der Auslandsabsatz weiter zu, können zusätzlich Marketingdienstleistungen angebo-
ten werden, die es ermöglichen, den Markt aktiver zu bearbeiten. Sobald das Unternehmen
Direktinvestitionen vornimmt oder mit ausländischen Partnern Gemeinschaftsunternehmen
gründet, ist eine Exportabteilung endgültig nicht mehr ausreichend.

904
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19.7 Bestimmung der internationalen Marketingorganisation

19.7.2 Die internationale Abteilung


In der Regel werden Unternehmen, die sich zur Aufnahme internationaler Aktivitäten ent-
schlossen haben, auf mehreren Auslandsmärkten aktiv. Dies kann mit unterschiedlichen For-
men der Auslandstätigkeit einhergehen: Das Unternehmen exportiert in ein Land A, vergibt
Lizenzen in ein Land B, betreibt im Land C ein Gemeinschaftsunternehmen mit einem loka-
len Partner und hat im Land D eine bedeutende Tochtergesellschaft. In den meisten Unter-
nehmen entsteht aus diesen Strukturen der Auslandstätigkeit eine internationale Abteilung.
Für die Organisation einer internationalen Abteilung bestehen viele Freiheitsgrade. Je nach
Aufgabenschwerpunkten arbeiten dort Fachleute für Marketing, Produktion, Forschung,
Finanzen, Planung und Personal. Sie leisten die Planung und Zuarbeiten für die verschiede-
nen im Ausland operierenden Einheiten, die z.B. organisiert sein können nach:
a Ländern oder Regionen – zum Beispiel Vertriebsregion Westeuropa, Vertriebsregion Ost-
europa, Vertriebsregion Nordamerika usw.
b Produkten oder Produktgruppen – Vertriebseinheiten mit einer weltweiten Verkaufsver-
antwortung.
c Auslandsniederlassungen, die als eigene Einheit ihre gesamte Geschäftstätigkeit im Aus-
land verantworten.

19.7.3 Die globale Organisation


Einige Unternehmen sind über das Stadium von Unternehmen mit einer internationalen
Abteilung zu wirklich global orientierten Organisationen gewachsen. Sie haben das Denken,
ein nationaler Anbieter zu sein, der ins Ausland verkauft, hinter sich gelassen und verstehen
sich als weltweit tätiger Anbieter. Die Planungen der Unternehmensleitung beziehen sich auf
ein weltweites Zusammenspiel aller Produktionseinrichtungen, Marketingaktivitäten,
Finanzströme und Logistiksysteme in diesem Unternehmensverbund. Die globale Organisa-
tion berichtet direkt an den Hauptverantwortlichen oder das verantwortliche Komitee der
Organisation und nicht an den Leiter der internationalen Abteilung. Die Tätigkeit des Unter-
nehmens wird weltweit definiert und nicht mehr in „Inlandsmarkt“ und „Auslandsmarkt“
aufgeteilt. Führungskräfte werden international angeworben, Rohstoffe und Baugruppen dort
eingekauft, wo sie am wenigsten kosten, und Investitionen finden dort statt, wo sie die
höchste Rendite versprechen.
Großunternehmen müssen angesichts der Wirtschaftssituation im 21. Jahrhundert zwangs-
läufig zu globalen Unternehmen werden, wenn sie konkurrenzfähig bleiben wollen. Auf
allen Inlandsmärkten findet eine wahre Invasion durch ausländische Wettbewerber statt,
dementsprechend treten die heimischen Unternehmen aggressiver auf und erobern ihrerseits
ausländische Märkte. Es findet ein Umdenken dahin gehend statt, dass die Bedienung aus-
ländischer Märkte nicht mehr nur eine zweitrangige Aufgabe ist, sondern dass die ganze Welt
zu einem einzigen Markt ohne Grenzen geworden ist.

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19 Internationales Marketing

ZUSAMMENFASSUNG

Unternehmen können es sich nicht mehr länger leisten, auf ihren jeweiligen Inlands-
markt fixiert zu bleiben. Viele Branchen sind zu globalen Branchen geworden und
Unternehmen, die auf vielen Märkten tätig sind, konnten ihre Kosten senken und
höhere Markenbekanntheit erreichen. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass glo-
bales Marketing viele Risiken birgt, so z.B. schwankende Wechselkurse, instabile Regie-
rungen, protektionistische Zölle, Handelsschranken und viele andere Faktoren. Vor dem
Hintergrund der Chancen und Risiken, die sich aus einer internationalen Tätigkeit erge-
ben, sollten Unternehmen systematisch vorgehen, wenn sie Entscheidungen zur Inter-
nationalisierung vorbereiten und treffen. Hier fassen wir noch einmal die sechs zentra-
len Bereiche zusammen, die innerhalb des Kapitels besprochen wurden.
 Als Erstes sollte man das globale Marketingumfeld seiner Branche und das internati-
onale Handelssystem analysieren. Dafür muss das Management weltweit das wirt-
schaftliche und politische Umfeld und die bestehende Ordnung des internationalen
Handels verstehen. Für jeden einzelnen Auslandsmarkt muss man sich mit den öko-
nomischen, politisch-gesetzgeberischen und kulturellen Rahmenbedingungen
beschäftigen.
 Aus einer Gegenüberstellung der Chancen und Risiken wird dann die Entscheidung
für oder gegen einen Markteintritt getroffen.
 Als Drittes legt man fest, welche Länder man bedienen will. Es gilt dann zu entschei-
den, welcher Anteil der Produktion auf Auslandsmärkten abgesetzt werden und wie
sich dieser Anteil auf die einzelnen Auslandsmärkte verteilen soll. Das Risikopoten-
zial ist gegen den voraussichtlich erzielbaren Gewinn abzuwägen.
 Danach steht die Entscheidung an, mit welcher Methode man den internationalen
Markteintritt durchführt: mit Exporten, mit Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventu-
res) oder mit Direktinvestitionen. Viele Unternehmen starten als Exporteure, entwi-
ckeln sich über Joint Ventures weiter und tätigen schließlich Direktinvestitionen in
fremde Märkte. Beim Export betritt das Unternehmen den fremden Markt durch den
Versand und Verkauf von Produkten über internationale Zwischenhändler (indirekter
Export) oder eine unternehmenseigene Abteilung, Filiale, Vertriebsmitarbeiter oder
Agenten (direkter Export). Bei der Etablierung eines Joint Ventures betritt ein Unter-
nehmen fremde Märkte im Zusammenschluss mit fremden Unternehmen, um Pro-
dukte oder Dienstleistungen herzustellen oder zu vermarkten. Durch Lizenzvergabe
betritt das Unternehmen einen fremden Markt durch Vertragsschließung mit einem
Lizenznehmer im fremden Markt und gewährt diesem das Recht, einen Herstellungs-
prozess, ein Markenzeichen, Patent oder einen anderen Wertgegenstand gegen eine
Lizenzgebühr zu nutzen.

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Literatur und Quellen

 Als Nächstes gilt es, ein schlüssiges Gesamtkonzept für das globale Marketingpro-
gramm zu erarbeiten. Hierzu gehören die Entscheidungen, wie weit die Produkte stan-
dardisiert werden können und wie weit lokale und regionale Anpassungen bei Pro-
dukt, Kommunikation, Preis und Vertriebskanälen vorgenommen werden müssen. Als
das eine Extrem haben wir Unternehmen mit einem weltweit strikt standardisierten
Marketing-Mix. Andere führen ein für jeden einzelnen Markt angepasstes Marketing
durch, ihnen entstehen dabei höhere Kosten, sie können aber auch auf höhere Marktan-
teile hoffen. Jedoch ist die weltweite Standardisierung keine Alles-oder-nichts-Ent-
scheidung. Es kommt vielmehr auf den Grad der Standardisierung an. Die meisten
internationalen Marketingfachleute schlagen vor, dass Unternehmen „global denken,
aber lokal handeln“ sollten. Sie sollten demnach ein Gleichgewicht zwischen globalen
Standardisierungsstrategien und lokal adaptierten Marketing-Mix-Taktiken anstreben.
 Schließlich muss man eine effiziente Organisationsform für seine internationalen
Aktivitäten entwickeln. Häufig beginnt man mit einer Exportabteilung, die man nach
einiger Zeit zu einer internationalen Abteilung ausbaut. Einige wenige Unternehmen
entwickeln sich zu echten globalen Organisationen, für die weltweit alle Aktivitäten
den gleichen Stellenwert besitzen und deren Unternehmensleitung die Welt als einen
einzigen grenzenlosen Markt ansieht.

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909
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Marketing und Gesellschaft:
gesellschaftliche Verantwor-
tung und Ethik im Marketing

20.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912 20


20.2 Nachhaltiges Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 916
20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht . 918

ÜBERBLICK
20.4 Bewegungen zur Förderung von
nachhaltigem Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929
20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing . . . . . . 937
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 948
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 949

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie ...
 ... nachhaltiges Marketing definieren und seine Bedeutung verstehen.
 ... die Argumente der gesellschaftlichen Kritik am Marketing diskutieren.
 ... beschreiben, welchen Einfluss die Verbraucherbewegung und die Umweltbewe-
gung auf das Marketing ausüben.
 ... die Anforderungen an gesellschaftlich verantwortliches Marketing charakterisie-
ren.
 ... die Rolle von Ethik und Moral im Zusammenhang mit Marketing erläutern.

20.1 Einführung
In diesem letzten Kapitel erörtern wir die Konzepte des nachhaltigen Marketings: wie die
Bedürfnisse von Verbrauchern, Wirtschaft und Gesellschaft – heute und in Zukunft – durch
sozial- und umweltverantwortliche Marketingaktivitäten befriedigt werden. Wir beginnen
mit dem Begriff des nachhaltigen Marketings; anschließend gehen wir auf einige Kritik-
punkte ein, die die Auswirkungen des Marketings auf einzelne Verbraucher betreffen, sowie
auf Maßnahmen zur Förderung des nachhaltigen Marketings. Schließlich sehen wir uns an,
wie Unternehmen selbst von einem proaktiven Ansatz für nachhaltige Marketingstrategien
profitieren können, die nicht nur Nutzen für den einzelnen Kunden schaffen, sondern der
Gesellschaft insgesamt zugutekommen. Nachhaltige Marketingstrategien sind mehr als gute
Taten – sie sind auch gut fürs Geschäft.
Schauen wir uns zum Konzept sozialer Verantwortung von Unternehmen das Fallbeispiel
Nestlé genauer an.

Einführende Fallstudie: Nestlé – immer wieder am Pranger

Die Abteilung Corporate Affairs der britischen Nestlé-Zentrale musste sich wieder ein-
mal gegen unerwünschte Publicity wappnen, als bekannt wurde, dass in der bevorste-
henden Generalsynode der Church of England ein Antrag auf Beibehaltung des Nescafé-
Boykotts gestellt werden sollte. Eine weitere Forderung der Kirchenvertreter lautete, die
Synodenmitglieder mögen ihre Nestlé-Aktien im Wert von 1,1 Millionen Britischen
Pfund (1,8 Millionen Euro) abstoßen.
Bereits 1991 hatte die Kirche – unter Hinnahme von Verspottungen – Nescafé als Pro-
testmaßnahme gegen den Verkauf künstlicher Babynahrung in der Dritten Welt boykot-
tiert. Nach dem damaligen Votum gegen ihren löslichen Bohnenkaffee hatte Nestlé
erklärt, der Produktumsatz sei in der Folge sogar gestiegen, obwohl viele Kirchgänger
angaben, die weltweit führende Marke nicht mehr gekauft zu haben. Eine neuerliche
Kampagne von Mitgliedern der Aktionsgemeinschaft BFA (Baby Food Action) wäre
damit nur eine unter vielen, mit denen sich das Unternehmen seit Jahrzehnten herum-
schlagen muss, obwohl die Kritik der BFA nach Aussage von Nestlé jeder Grundlage
entbehrt.

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20.1 Einführung

Die Nestlé SA mit Sitz in Vevey, Schweiz, ist mit 328.000 Mitarbeitern der weltweit
größte Lebensmittelkonzern und wies im Geschäftsjahr 2016 einen Jahresumsatz von
CHF 89,5 Milliarden aus. Henri Nestlé hatte einst die künstliche Babynahrung entwi-
ckelt, um „Kinderleben zu retten“, und das Unternehmen erzeugt dieses Produkt seit
seiner Gründung. Gegen Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre geriet Nestlé in die
Schusslinie der Aktivisten, die behaupteten, das Unternehmen würde Mütter in Dritt-
weltstaaten dazu auffordern, ihre Babys statt mit Muttermilch mit Nestlé-Babynahrung
zu füttern. Im Zuge des britischen Armutsbekämpfungsprogramms „War on Want“
wurde 1974 eine Schmähschrift unter dem Titel „The Baby Killer“ veröffentlicht, in der
die Firmen Unigate und Nestlé wegen ihrer schädlichen Marketingaktivitäten in Afrika
kritisiert wurden. Während „War on Want“ die gesamte Babynahrungsindustrie an den
Pranger stellte, gab die in Deutschland beheimatete Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt
(AgDW) eine „Übersetzung“ der ursprünglichen Broschüre unter dem neuen Titel
„Nestlé tötet Babys“ heraus, die sich konkret auf Nestlé und deren „unethisches und
unmoralisches Verhalten“ einschoss. Die beiden Broschüren erregten viel Aufmerksam-
keit und Nestlé, erbost über die als ungerecht empfundene Kritik, verklagte die Aktivis-
ten wegen Rufschädigung. Das Verfahren, das sich über zwei Jahre hinzog, erregte große
Aufmerksamkeit bei den Medien und wurde regelmäßig kommentiert. „Letztlich gewan-
nen wir zwar den Prozess, aber aus PR-Perspektive war es trotzdem ein Fiasko“, kom-
mentierte ein Mitglied der Nestlé-Geschäftsleitung.

Abbildung 20.1: Boykottkampagne gegen Babymilchprodukte der Nestle Food Company beim Hay Festival Hay-on-
Wye, Wales UK 2002
(Quelle: Kathy deWitt / Alamy Stock Photo)

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Zwei gemeinnützige US-Vereine, das Interfaith Center on Corporate Responsibility und


INFACT (Infant Formula Action Coalition), stellten sich 1977 an die Spitze eines internatio-
nalen Boykotts der Nestlé-Produkte. Die Kampagne dauerte selbst dann noch an, als sich
bereits viele Mitgliedsorganisationen dagegen ausgesprochen hatten. So kam etwa die ame-
rikanische United Methodist Church zu dem Schluss, die Aktivisten hätten sich „erhebliche
und bisweilen absurde Fehlinterpretationen“, „Brandreden-Rhetorik“ und die Verwendung
„massiv übertriebener Zahlen“ zuschulden kommen lassen. Der Boykott wurde erst 1984
eingestellt, als die Aktivisten akzeptieren mussten, dass Nestlé den von der Weltgesund-
heitsorganisation WHO herausgegebenen Marketing-Ethik-Kodex für Babynahrung in allen
Punkten befolgte. Trotzdem graben seit damals eine Reihe von Kirchen, Universitäten, loka-
len Behörden und anderen Aktionsgruppen das Kriegsbeil in regelmäßigen Abständen wie-
der aus und sorgen durch ihre Boykottaufrufe für negative Publicity.
Mittlerweile lautet der Hauptkritikpunkt, die Werbung von Nestlé habe Hunderttau-
sende in wirtschaftlicher Armut lebende, ungebildete Mütter davon überzeugt, dass
künstliche Babynahrung für ihre Kinder besser sei als Muttermilch. „Jeden Tag sterben
4.000 Babys durch das ungezielte und unhygienische Füttern mit der Flasche“, erklärt
BMA (Baby Milk Action). Die Organisation kommentiert weiter: „Gratis-Babynahrung
schadet mehr, als sie nützt.“ Der gravierendste Einwand bezieht sich auf die kostenlose
oder verbilligte Lieferung von Babynahrung an Säuglingsstationen und Krankenhäuser
in Entwicklungsländern. Fläschchennahrung erscheint in diesen Ländern schon allein
deshalb zumeist schädlich, weil die Lebensbedingungen und Hygienestandards in die-
sen Regionen zu wünschen übrig lassen; die Menschen können oder wollen die Baby-
fläschchen nicht richtig reinigen und rühren die Produkte häufig mit verunreinigtem
Wasser an. Weil sie zu arm sind, können viele Familien nicht genügend Babynahrung
kaufen. Die Kritiker wenden sich zwar gegen die Praktiken der gesamten Industrie, doch
nach wie vor ist Nestlé das Hauptziel ihrer Angriffe:
 Werbebroschüren verschweigen die Möglichkeit des Stillens oder weisen jedenfalls
nicht ausdrücklich darauf hin.
 Irreführende Werbung ermutigt die Mütter, ihre Babys mit dem Fläschchen zu füt-
tern, während das Stillen als altmodisch und unbequem dargestellt wird.
 Geschenke und Warenmuster verleiten die Mütter zum Umstieg auf das Fläschchen.
 Es werden Plakate und Broschüren in den Krankenhäusern platziert.
 Spezielle Ernährungsberaterinnen geben Anleitungen zur Verabreichung von Baby-
nahrung.
 Babynahrung ist so teuer, dass die einkommensschwachen Kundinnen das Pulver oder
Granulat zu sehr verdünnen, sodass es zu einer Mangelernährung der Säuglinge kommt.
Ein WHO-Kodex verbietet sämtliche verkaufsfördernden Aktivitäten und fordert die
Unternehmen auf, primär als passive „Auftragnehmer“ zu fungieren. Er erklärt auch
Werbung, Warenmuster und den direkten Kontakt mit den Konsumentinnen für unzu-
lässig. Kontakte mit Fachleuten (wie Ärzten) sollen nur durch Initiativen dieser Fach-
leute zustande kommen. Die Hersteller dürfen auf den Packungen zwar eine gewisse
Form von Corporate Identity zeigen, aber keine Babys abbilden. Eigentlich lässt der
WHO-Kodex fast kein Marketing zu, aber er enthält nur Empfehlungen. Diese werden
erst dann verpflichtend, wenn einzelne Regierungen über ihre Nahrungs- und Arznei-
mittelbehörden spezielle nationale Vorschriften erlassen.

914
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20.1 Einführung

Die WHO gestattet in ihrem Kodex die Spende kostenloser oder verbilligter Babynah-
rung für Säuglinge, die nicht gestillt werden können. Doch dagegen wendet sich die
International Association of Infant Food Manufacturers (IFM), die gemeinsam mit WHO
und UNICEF in jedem Land Vorschriften erwirken möchte, um die kostenlose und ver-
billigte Lieferung von Babynahrung einzustellen. Nestlé selbst verfolgt eine Firmenpoli-
tik im Zusammenhang mit kostengünstiger Babynahrung für die Entwicklungsländer,
die Folgendes vorsieht:
 In Ländern mit spezifischen Vorschriften wird Nestlé diese genauestens einhalten.
 Gibt es keine einschlägigen Vorschriften, wird Nestlé gemeinsam mit anderen darauf
hinwirken, dass der Staat solche Vorschriften erlässt.
 Verletzen andere Unternehmen die erlassenen Vereinbarungen, wird Nestlé gemein-
sam mit IFM und staatlichen Stellen auf die Einstellung dieser Praktiken hinwirken.
 Nestlé wird Disziplinarmaßnahmen gegen alle Mitarbeiter oder Vertriebshändler
ergreifen, die bewusst gegen diese Firmenrichtlinie verstoßen.
Warum aber ergreift Nestlé angesichts dieser häufigen PR-Probleme keine einseitigen
Maßnahmen, um die Gratislieferungen von Babynahrung in Drittweltstaaten einzustel-
len? Warum muss sich das Unternehmen, dessen Babynahrungsmarkt in den Entwick-
lungsländern gemessen am weltweiten Gesamtgeschäft so unbedeutend ist, ständig mit
diesen Problemen herumschlagen? Nun, die Antwort liegt teilweise im Wunsch Henri
Nestlés, „Kinderleben zu retten“. Schließlich gelangt auch die Babynahrungsrichtlinie
der EU-Kommission zu dem Schluss, dass Babynahrung das „einzige synthetisch herge-
stellte Produkt ist, das den Ernährungsanforderungen von Säuglingen in den ersten vier
bis sechs Lebensmonaten vollständig entspricht“.
Nur wenige Mütter in Ländern mit hoher Säuglingssterblichkeit stillen ihre Kinder
nicht und wahrscheinlich ist Kenia ein typisches Beispiel dafür, was Mütter in Entwick-
lungsländern tun, wenn sie ergänzend zum Stillen andere Nahrung zufüttern müssen:
 33 Prozent füttern Uji, ein lokales Produkt aus Mais;
 33 Prozent füttern Kuhmilch;
 28 Prozent füttern Wasser;
 14 Prozent füttern Glukose;
 11 Prozent füttern Milchpulver, davon nur teilweise Babynahrung;
 3 Prozent füttern Tee.
Eine Studie aus dem westafrikanischen Land Elfenbeinküste zeigt, welche Probleme
entstehen, wenn sich Nestlé einseitig aus einem Land zurückzieht. Die anderen Unter-
nehmen belieferten nur noch die finanziell gut ausgestatteten privaten Säuglingsstatio-
nen, während die Lieferungen an bedürftige Mütter ganz eingestellt wurden. Kurze Zeit
später war das Zentralkrankenhaus des Landes nicht mehr in der Lage, „den Ankauf
von genügend Babynahrung für verlassene Babys oder die Kinder kranker Mütter zu
finanzieren“.

915
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Quellen:
John Sparks, „The Nestlé controversy - anatomy of a boycott“, Public Policy Education Fund, Inc.
(Juni 1981); European Commission, Commission Directive on Infant Formula and Followon For-
mula, 91/321/EEC; UNICEF, The State of the World's Children (1992); RBL, Survey of Baby Feeding
in Kenya (1992); Nestlé, Nestlé and Baby Milk (1994); Andrew Brown, „Synod votes to end Nestlé
boycott after passionate debate“, The Times (12. Juli 1994); World Health Assembly Resolution 54.2
„Infant and young child nutrition“ (2001); Jonathan Wheatley und Jenny Wiggins, „The Americas:
Little by little Nestlé aims to woo Brazil's poor“, Financial Times (20. Februar 2007); Joanna Moor-
head, „Milking it: It was in 1977 that campaigners first called for a boycott of Nestlé because of its
aggressive marketing of formula milk in the developing world. Thirty years on, have Nestlé and the
other baby-milk firms cleaned up their act?“, The Guardian (15. Mai 2007); Hilary Parsons, „Res-
ponse: We’re not trying to undermine the baby-milk code: Nestlé is committed to the health of
mothers and infants in the developing world“, The Guardian (22. Mai 2007); Nestle.com (Juni
2007), competing websites babymilk.nestle.com (Juni 2007) and babymilkaction.org (Juni 2007);
Nestlé [12.02.2018]

Die Herausforderung für das Marketing besteht darin, die Bedürfnisse der Konsumenten zu
erkennen, diese mit den richtigen Produkten zu fairen Preisen zu befriedigen und dabei
einen angemessenen Gewinn für das Unternehmen zu erzielen. Die Philosophie des Marke-
tings basiert auf Kundenwert und beiderseitigem Nutzen. Die Anwendung der Instrumente
des Marketings führt dazu, dass die Wirtschaft insgesamt wie von einer unsichtbaren Hand
gesteuert wird, um dadurch viele ständig wechselnde Bedürfnisse und Wünsche von Millio-
nen von Verbrauchern erfüllen zu können.
Aber nicht alle Manager folgen diesem Konzept, immer wieder werden fragwürdige Prakti-
ken sowohl in der Unternehmensführung als auch im Marketing angewendet. Diese können
negative Auswirkungen auf die Umwelt, auf einzelne Käufer oder auf die Gesellschaft als
Ganzes entfalten. Es stellt sich deshalb die Frage, inwieweit gesellschaftliche Verantwortung
und ethisch-moralische Fragen in der Wirtschaft heute noch eine Rolle spielen. Ist gesell-
schaftlich verantwortliches Verhalten vereinbar mit dem wirtschaftlichen Überleben in einer
globalen Wettbewerbsgesellschaft?
Wir leben heute in einer Zeit, in der die Menschen sensibilisiert sind für Themen wie
Umwelt, Tierversuche und Menschenrechte. Gesellschaftliche Verantwortung und die
Berücksichtigung ethisch-moralischer Aspekte im Marketing werden durch die Bevölkerung
heute als unerlässlich betrachtet. Wie sich ein Unternehmen in diesem Bereich verhält, hat
einen großen Einfluss darauf, wie Interessenten und Käufer seine Produkte und Dienstleis-
tungen beurteilen. Verantwortungsvolle Marketingmanager müssen daher bei ihren Aktivitä-
ten immer auch den Nachhaltigkeitsgedanken berücksichtigen.

20.2 Nachhaltiges Marketing


Nachhaltiges Marketing erfordert sozial- und umweltverantwortliche Maßnahmen, die
sowohl den aktuellen Bedürfnissen von Verbrauchern und Wirtschaft gerecht werden als
auch die Fähigkeit künftiger Generationen zu bewahren oder zu verbessern, ihre Bedürfnisse
zu decken. Abbildung 20.1 vergleicht das Konzept des nachhaltigen Marketings mit den Kon-
zepten, die wir in den vorherigen Kapiteln behandelt haben. Das „Marketingkonzept“ geht
davon aus, dass der Erfolg von Unternehmen darin liegt, die aktuellen Bedürfnisse und Wün-
sche der Zielgruppen zu erkennen und diese Bedürfnisse und Wünsche wirksamer und effi-

916
Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20.2 Nachhaltiges Marketing

zienter zu erfüllen als der Wettbewerb. Es zielt auf die kurzfristigen Umsatz-, Wachstums-
und Gewinnanforderungen des Unternehmens, indem die derzeit bestehenden Wünsche der
Kunden erfüllt werden. Doch immer nur auf die unmittelbaren Bedürfnisse und Ansprüche
der Verbraucher zu reagieren, ist im Hinblick auf die Zukunft weder im Interesse der Kunden
noch der Unternehmen. So entsprach der Fast-Food-Riese McDonald’s mit seinem damaligen
Angebot an schmackhaften, aber äußerst fett- und salzhaltigen Speisen zwar den unmittelba-
ren Wünschen der Kunden sowie den Umsatz- und Gewinnzielen für das Unternehmen. Auf
lange Sicht jedoch, so Kritiker, trugen McDonald’s und andere Fast-Food-Ketten zum welt-
weiten Anstieg von Fettleibigkeit bei, was der Gesundheit der Verbraucher schadete und eine
Belastung der nationalen Gesundheitssysteme verursachte.
Im Gegenzug suchten viele Verbraucher nun nach gesünderen Ernährungsalternativen, was
der Fast-Food-Branche einen Einbruch bei Umsatz und Gewinnen bescherte. Neben Fragen
der Ethik und des Allgemeinwohls wurde McDonald’s auch mit Kritik an dem gewaltigen
ökologischen Fußabdruck seiner globalen Tätigkeit konfrontiert, mit allen Aspekten von
immensem Verpackungsmüll und Reststoffen bis hin zum ineffizienten Energieverbrauch in
den Filialen. Daher war die Strategie von McDonald’s weder im Sinne des Kunden- noch des
Unternehmenswohls nachhaltig.

Strategisches
Bedürfnisse der

Heute Marketingkonzept
Konsumenten

Planungskonzept

Gesellschaftliches Nachhaltiges
Zukünftig
Marketingkonzept Marketingkonzept

Heute Zukünftig
Bedürfnisse der Wirtschaft
Abbildung 20.2: Nachhaltiges Marketing

Während das „gesellschaftliche Marketingkonzept“ gemäß Abbildung 20.2 das künftige Wohl
der Verbraucher und das „strategische Planungskonzept“ die zukünftigen Bedürfnisse des
Unternehmens berücksichtigt, geht es beim „nachhaltigen Marketingkonzept“ um beides.
Nachhaltiges Marketing erfordert sozial- und umweltverantwortliche Maßnahmen, die
sowohl den aktuellen als auch den künftigen Bedürfnissen der Verbraucher und des Unter-
nehmens gerecht werden. So hat McDonald’s auf diese Herausforderungen in den letzten Jah-
ren mit seiner nachhaltigeren „Plan to Win“-Strategie reagiert, mit der man das Angebot um
Salate, Obst, gegrilltes Geflügel, fettarme Milch und andere gesündere Lebensmittel erweitert
hat. Zudem hat das Unternehmen eine groß angelegte und vielfältige Aufklärungskampagne
gestartet, mit dem Titel: „It’s what I eat and what I do … I’m lovin‘ it“ (Was ich esse, was ich
tue … ich liebe es). Diese soll Verbrauchern helfen, die Grundlagen eines ausgewogenen und
aktiven Lebensstils zu verstehen. Außerdem veröffentlichte es eine Liste seiner „Schritte für
ein besseres Ernährungsangebot“, darunter die dauerhafte Verpflichtung zum Wohl der Kin-
der durch ein größeres und besseres Angebot ausgewogener Menüs sowie transparentere
Ernährungsinformationen für Verbraucher und Mitarbeiter. McDonald’s weist darauf hin,
dass 80 Prozent der Speisen auf der Karte in die Kategorie „Lieblingsessen unter 400 Kalo-
rien“ fallen. Die „Plan to Win“-Strategie umfasst auch umweltrelevante Themen. So werden
Nachhaltigkeit in der Lebensmittelversorgung, reduzierte und umweltschonendere Verpa-
ckung, Wiederverwendung und Recycling sowie verantwortungsvollere Filialgestaltungen
gefordert. McDonald’s hat sogar eine ökologische Punkteliste entwickelt, mit der die Leistung

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

der Lieferanten in Bereichen wie Wasserverbrauch, Energieverbrauch und Umgang mit Rest-
stoffen bewertet wird. Seit Veröffentlichung der „Plan to Win“-Strategie konnte McDonald’s
seine Umsätze um mehr als 60 Prozent steigern und die Gewinne haben sich fast verdrei-
facht. So ist McDonald’s für eine nachhaltig profitable Zukunft bestens aufgestellt.1
Wahrhaft nachhaltiges Marketing erfordert ein reibungslos funktionierendes Marketingsys-
tem, in dem Verbraucher, Unternehmen, öffentliche Entscheidungsträger und andere Par-
teien gemeinsam an sozial- und umweltverantwortlichen Marketingaktivitäten arbeiten. Lei-
der funktioniert ein Marketingsystem in der Praxis aber nicht immer so perfekt. In den
folgenden Abschnitten betrachten wir verschiedene Fragen zum Thema Nachhaltigkeit: Wel-
ches sind die häufigsten gesellschaftlichen Kritikpunkte am Marketing? Welche Schritte
haben Verbraucher unternommen, um schädigendes Marketing einzudämmen? Welche Maß-
nahmen haben Gesetzgeber und Regierungsbehörden ergriffen, um nachhaltiges Marketing
zu fördern? Welche Aktivitäten haben fortschrittliche Unternehmen für ein sozialverantwort-
liches und ethisches Marketing auf den Weg gebracht, das sowohl für den einzelnen Kunden
als auch für die Gesellschaft insgesamt nachhaltige Werte schafft?2

20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht


Das Marketing ist vielerlei Kritik ausgesetzt. Einiges an dieser Kritik ist gerechtfertigt, vieles
ist es nicht. Aus gesellschaftlicher Sicht wird häufig kritisiert, dass bestimmte Marketing-
praktiken individuelle Verbraucher, die Gesellschaft als Ganzes oder andere Unternehmen
schädigen.

20.3.1 Der Einfluss des Marketings auf den einzelnen Verbraucher


Viele Verbraucher äußern Zweifel daran, ob und inwieweit Marketing und Unternehmen an
sich ihren Interessen dienen. Meinungsumfragen ergeben immer wieder, dass die Bürger dem
Marketing skeptisch gegenüberstehen. Zu den am meisten genannten Kritikpunkten aus Ver-
brauchersicht gehören zu hohe Preise, schlechte Qualität, gefährliche Produkte und irrefüh-
rende Werbung. Professionelle Kritiker wie Verbraucheranwälte oder staatliche Institutionen
nennen außerdem aggressive Verkaufspraktiken, unsichere oder minderwertige Produkte,
geplante vorzeitige Alterung und schlechte Leistungen für benachteiligte Käufergruppen.
Solch fragwürdige Marketing-Praktiken sind nicht nachhaltig im Hinblick auf das langfristige
Wohlergehen von Verbrauchern oder Unternehmen.

Kritikpunkt: höhere Preise durch Marketing


Viele Kritiker behaupten, dass das Marketing Produkte oder Angebote verteuert und diese
ohne die durch das Marketing entstehenden Kosten zu niedrigeren Preisen angeboten wer-
den könnten. Sie weisen dabei auf drei Problemkreise hin: zu hohe Vertriebskosten, hohe
Kosten für Werbung und Verkaufsförderung und überhöhte Gewinnmargen.

1 Zu finanziellen Informationen und anderen Fakten über McDonald’s www.aboutmcdonalds.com/


mcd/investors.html und www.aboutmcdonalds.com/mcd, Zugriff im September 2014.
2 Siehe zum Beispiel Nigel F. Piercy und Nikala Lane, „Corporate social responsibility: impacts on
marketing and customer value“, The Marketing Review , Vol. 9, No. 4, 2009, S. 335–360; Nigel F.
Piercy und Nikala Lane, „Corporate social responsibility initiatives and strategic marketing impera-
tives“, Social Business , Vol. 1, Winter, 2011, S. 325–345.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht

Z u hohe Vertriebskosten Ein sehr alter Vorwurf gegenüber dem Marketing ist, dass viele
beteiligte Vertriebsstufen den Preis um Spannen erhöhen, die weit über dem Anteil für die
geleisteten Dienste liegen. Die Kritiker führen an, dass es entweder zu viele Zwischenhändler
gibt oder dass diese schlecht organisiert sind und ineffizient arbeiten, dass manche Verrich-
tungen doppelt ausgeführt oder unnötige Dienste geleistet werden. Als Ergebnis würde die
gesamte Distribution zu hohe Kosten verursachen, für die letztlich die Verbraucher aufzu-
kommen haben.
Der Handel argumentiert gegenüber diesen Vorwürfen wie folgt: Die Zwischenhändler über-
nehmen Dienste, die sonst vom Produzenten oder vom Verbraucher selbst zu erbringen wären.
Durch die erhöhten Preise würden lediglich von den Verbrauchern gewünschte Leistungen wie
ein verbesserter Zugang zum Angebot, ein bequemer Einkauf, Frei-Haus-Lieferung, große
Geschäfte mit großer Auswahl, längere Öffnungszeiten der Geschäfte, Umtauschrechte und
Ähnliches abgeglichen. Zudem muss der Wettbewerb im Handel als so scharf angesehen wer-
den, dass gar keine überzogenen Handelsspannen durchgesetzt werden könnten. Falls einige
Wiederverkäufer versuchen sollten, im Verhältnis zum Wert, den sie schaffen, zu hohe Preise
zu verlangen, werden andere Wiederverkäufer niedrigere Preise umsetzen. Niedrigpreisige
Geschäfte wie ALDI, Lidl, Penny und andere Discounter drängen ihre Konkurrenz dazu, effizi-
ent zu handeln und die Preise niedrig zu halten. Tatsächlich haben nur die effizientesten Ein-
zelhändler Rezessionen und wirtschaftliche Abschwünge profitabel überlebt. Entsprechend
niedrig seien die Renditen im Handel.
Hohe Kosten für Werbung und Verkaufsförderung Dem Marketing wird auch vorgewor-
fen, die Preise durch intensive Werbung und aufwendige Verkaufsaktionen nach oben zu trei-
ben. Zum Beispiel verkaufen sich wenige Tabletten einer stark beworbenen Marke von
schmerzlindernden Medikamenten für den gleichen Preis wie 100 Tabletten von weniger
stark beworbenen Marken. Bestimmte Kosmetika, Reinigungs- und Toilettenartikel können
Werbungs- und Verpackungskosten von bis zu 40 Prozent und mehr des Verkaufspreises vom
Hersteller an den Einzelhändler aufweisen. Kritiker verurteilen, dass ein Großteil der Verpa-
ckung und Werbung lediglich einen psychologischen und keinen funktionalen Wert zum
Produkt beiträgt.
Marketingverantwortliche entgegnen, dass Werbung zwar die Kosten erhöht, gleichzeitig
aber auch einen Mehrwert schafft, indem potenzielle Käufer über die Verfügbarkeit und Vor-
teile einer Marke informiert werden. Markenprodukte sind vielleicht teurer, doch sie vermit-
teln den Kunden auch die Sicherheit beständiger Qualität. Außerdem haben Kunden in der
Regel die Wahl, funktional ähnliche Produkte zu günstigeren Preisen zu kaufen. Doch es ist
auch der psychologische Nutzen, für den sie gern und bereitwillig mehr zahlen – das Gefühl
von Wohlstand, Attraktivität und Einzigartigkeit. Massive Werbung und Verkaufsförderung
können allerdings auch erforderlich sein, um mit dem Wettbewerb gleichzuziehen; das
Unternehmen würde an „Share of Mind“ verlieren, die spontane Erinnerung der Kunden an
das Produkt, wenn es bei den Werbeausgaben nicht konkurrenzfähig ist.
Gleichzeitig sind Unternehmen bei der Werbung äußerst preisbewusst und möchten ihr Bud-
get in sinnvoller Art und Weise investieren. Die zunehmend sparsamen Verbraucher wollen
in der heutigen Zeit einen echten Wert für ihr Geld bekommen. Die anhaltende Tendenz zum
Kauf von Eigenmarken und Ersatzprodukten legt nahe, dass Kunden in Bezug auf das Preis-
Leistungs-Verhältnis Taten statt Worte erwarten.

919
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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Übertriebene Gewinnmargen Kritiker bemängeln auch, dass einige Unternehmen übertrie-


bene Gewinnspannen ansetzen. Sie verweisen zum Beispiel auf die Pharmaindustrie; hier
werden Tabletten, die in der Herstellung wenige Cent kosten, für mehr als einen Euro an den
Kunden verkauft. Auch prangern sie die Preispolitik von Bestattungsunternehmen an, die
den emotionalen Ausnahmezustand trauernder Angehöriger ausnutzen, sowie die hohen
Kosten für Autoreparaturen und andere Dienstleistungen.
Marketer entgegnen, dass die meisten Unternehmen auf einen fairen Umgang mit Verbrau-
chern bedacht sind, da sie Kundenbeziehungen aufbauen und Wiederholungskäufe generie-
ren wollen; Übervorteilungen seien meist unbeabsichtigt. Außerdem seien den Verbrauchern
die Gründe für hohe Gewinnspannen oft nicht klar. So müssten die Spannen in der Phar-
maindustrie die Kosten für Einkauf, Werbung und Vertrieb bestehender Medikamente sowie
die unglaublich hohen Forschungs- und Entwicklungskosten für die Zusammenstellung und
klinische Prüfung neuer Präparate decken. So verkündet das Pharmaunternehmen GlaxoS-
mithKline in seiner Werbung: „Die Medikamente von heute finanzieren die Wunder von
morgen.“

Kritikpunkt: Irreführung durch das Marketing


Dem Marketing werden gelegentlich irreführende Praktiken vorgeworfen, die die Verbrau-
cher glauben lassen, eine bessere Gegenleistung zu erhalten, als dies tatsächlich der Fall ist.
Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen: irreführende Preissetzung, irreführende Werbeaus-
sagen, irreführende Verpackungen.
Irreführende Preissetzung Hierzu gehört die Praxis, einen Preis als „Fabrikpreis“ oder
„Großhandelspreis“ zu bezeichnen oder hohe „Rabatte“ in eigens dafür aufgesetzten Preislis-
ten mit überzogen hohen Preisen zu gewähren.
Irreführende Werbung Hierbei geht es beispielsweise um Werbeaussagen, die die Eigenschaf-
ten oder die Leistungsfähigkeit eines Produkts übertrieben darstellen. Ebenso ist es irrefüh-
rende Werbung, die Käufer mit nicht lieferbaren Angeboten in ein Geschäft zu locken.
Irreführende Verkaufsverpackungen Zu irreführenden Verpackungen, den sogenannten
Mogelpackungen, gehören Behälter, die viel größer als der tatsächliche Inhalt sind, große
Leerräume in Verkaufsverpackungen, irreführende Etikettierung und Bezeichnungen. Diese
Praktiken haben in nahezu allen Staaten, darunter auch in den Ländern der Europäischen
Union, zu vielfältigen Aktivitäten in der Gesetzgebung geführt. Am schwierigsten dabei ist
zu entscheiden, was „irreführend“ ist. So kann das Werbeversprechen eines Herstellers, dass
sein Kaugummi „deine Welt auf den Kopf stellt“, wohl kaum wörtlich genommen werden.
Stattdessen könnten die Werbeverantwortlichen den Slogan als „Marktschreierei“ bezeich-
nen – eine unschuldige Übertreibung, um einen entsprechenden Effekt zu erzielen. Demge-
genüber könnten andere behaupten, dass eine übertriebene und ködernde Symbolik Verbrau-
cher in subtiler Weise schädigt. Denken Sie an die beliebte und langjährige „Unbezahlbar“-
Kampagne von Mastercard, mit der das Bild von Konsumenten vermittelt wurde, die sich
ihre unbezahlbaren Wünsche ohne Rücksicht auf die Kosten erfüllen können. Mit der Wer-
bung wurde suggeriert, dass Träume Wirklichkeit werden können. Kritiker halten jedoch
dagegen, dass eine solche Symbolik viele Kunden zu einer „Kauf heute, zahl später“-Mentali-
tät und damit zur Überziehung ihrer Kreditkarten veranlasst hat. Sie verweisen auf Statisti-
ken, nach denen die Kreditkartenschulden von Verbrauchern in den entwickelten Ländern
Rekordsummen erreicht haben – häufig mehr, als sie je zurückzahlen können. Dies habe ganz
erheblich zu der weltweiten Finanzkrise Anfang der 2010er-Jahre beigetragen.

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20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht

Marketingverantwortliche argumentieren, dass die meisten Unternehmen irreführende Prak-


tiken vermeiden. Da sie dem Unternehmen langfristig schaden können, sind solche Maßnah-
men schlichtweg nicht nachhaltig. Profitable Kundenbeziehungen beruhen auf Werten und
Vertrauen. Bekommen die Kunden nicht das, was sie erwarten, wechseln sie zu Produkten,
die ihnen zuverlässiger scheinen. Viele Verbraucher würden sich zudem dadurch schützen,
indem sie Werbeaussagen ohnehin kritisch gegenüberstünden.

Kritikpunkt: aggressive Verkaufspraktiken


Verkäufern wird gelegentlich unterstellt, Kunden durch aggressives Vorgehen zu Käufen zu
drängen, die sie eigentlich gar nicht tätigen wollten. Häufig hört man, dass Versicherungen,
Immobilien und Gebrauchtwagen „verkauft“ und nicht „gekauft“ werden. Die Mitarbeiter
werden für eloquente und druckreife Verkaufsgespräche geschult. Ihre Methoden sind
aggressiv, da den erfolgreichsten von ihnen durch Verkaufswettbewerbe und Prämien hohe
Belohnungen winken. Auch in der Fernsehwerbung kommen „marktschreierische“ Präsenta-
tionen zum Einsatz. Sie vermitteln dem Kunden ein Gefühl der Dringlichkeit, dem nur die
Willensstärksten widerstehen können.
In den meisten Fällen jedoch bringt aggressives Vorgehen den Werbetreibenden wenig. Sol-
che Maßnahmen können in einmaligen Verkaufssituationen zu kurzfristigem Erfolg führen;
langfristig geht es beim Verkauf jedoch um den Aufbau stabiler Kundenbeziehungen. Drän-
gende oder irreführende Verkaufsmethoden können diese Beziehungen nachhaltig schädi-
gen. Stellen Sie sich beispielsweise einen P&G-Kundenbetreuer vor, der einen ALDI- oder
Lidl-Kunden zum Kauf drängt, oder einen IBM-Verkäufer, der einen IT-Manager bei Siemens
unter Druck setzt. Es würde schlichtweg nicht funktionieren.

Kritikpunkt: minderwertige, gefährliche oder unsichere Produkte


Oft wird kritisiert, dass Produkte nicht die versprochene oder benötigte Qualität hätten oder
nicht sorgfältig hergestellt würden oder gar unsicher sind. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass
einige Produkte nur geringen Nutzen bieten oder sogar schädlich sind.
Denken Sie zum Beispiel an die Softdrink-Branche – Coke, Pepsi und all die anderen. Viele
Kritiker machen das Überangebot an zuckerhaltigen, hochkalorischen Erfrischungsgetränken
verantwortlich für die weltweite Epidemie der Fettleibigkeit. So zeigen US-Studien, dass
mehr als zwei Drittel der amerikanischen Erwachsenen entweder fettleibig oder übergewich-
tig sind und ein Drittel der amerikanischen Kinder unter Fettleibigkeit leidet.3 Dieses Phäno-
men setzt sich trotz wiederholter medizinischer Studien fort, die zeigen, dass ein zu hohes
Gewicht ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen, Diabetes und andere Krankheiten, sogar
Krebs, mit sich bringt. Kritiker sind rasch zur Stelle, um den profitgierigen Vermarktern von
Softdrinks die Ausbeutung wehrloser Verbraucher und die Erschaffung einer Welt von über-
gewichtigen Konsumenten vorzuwerfen. Überall versuchen politische Entscheidungsträger,
den Zuckerkonsum in Form von Softdrinks und Snacks durch die Einführung von Steuern
und Verboten zu reduzieren.
Doch ist die Softdrink-Branche wirklich sozial verantwortungslos, weil sie bei schlecht infor-
mierten oder unaufmerksamen Verbrauchern einen übermäßigen Konsum fördert? Oder
bedient sie nur die Wünsche der Kunden, weil sie Produkte anbietet, die genau deren

3 Siehe „Overweight and obesity in the US“, FRAC, http://frac.org/initiatives/hunger-and-obesity/obe-


sity-in-the-us/, Zugriff Juli 2014 und „Overweight and obesity“, Centers for Disease Control and Pre-
vention, www.cdc.gov/obesity/data/index.html, Zugriff September 2014.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Geschmack treffen und sie die Entscheidung letztlich den Kunden überlässt? Schließlich gibt
es dort, wo es Coke gibt, auch Wasser zu kaufen, wenn die Verbraucher das wünschen. Seit
wann ist es die Aufgabe der Industrie, die Vorlieben der Menschen zu regeln? Wie bei vielen
Aspekten sozialer Verantwortung ist es eine Frage der Meinung, was richtig und was falsch
ist. Während einige Analysten die Branche kritisieren, finden andere, dass die Verantwor-
tung beim Verbraucher liegt. „Softdrinks sind leider zum Sündenbock der meisten Kampag-
nen gegen Übergewicht geworden“, meint ein Wirtschaftsjournalist. „Vielleicht sollte man
Freunden keinen „Big Gulp“ (Getränkebecher mit 1,2 Litern Inhalt) anbieten, aber soweit ich
weiß, wurde noch niemand dazu gezwungen, diesen zu kaufen und zu trinken. Dies gehört in
die persönliche Verantwortung und Kontrolle (an die man appellieren muss]“.4
Übergewicht ist eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen des einundzwan-
zigsten Jahrhunderts und seine Verbreitungsrate hat sich in vielen europäischen Ländern seit
den 1980er-Jahren verdreifacht. Die Zahl fettleibiger Menschen steigt in beunruhigender
Geschwindigkeit, besonders unter Kindern. Übergewicht ist schon heute für 2 bis 8 Prozent
der Gesundheitsausgaben sowie 10 bis 13 Prozent der Todesfälle in verschiedenen Teilen
Europas verantwortlich. Innerhalb Europas verzeichnet das Vereinigte Königreich die
höchste Quote an Fettleibigkeit. Die meisten Hersteller wollen allerdings qualitativ gute Pro-
dukte anbieten, die niemandem schaden. Der Getränkeriese Heineken zum Beispiel stellte
den Verkauf zweier führender Cidermarken ein – White Lightening and Strongbow Black –,
obwohl sich die Produkte sehr gut verkauften. Forschungsergebnisse zeigten, dass beide
Getränke gern von Problemtrinkern konsumiert wurden, besonders auf der Straße. Heineken
bewirbt nun weniger starkes und alkoholfreies Cider. Das Unternehmen war bereit, Gewinne
zu opfern, denn es ist der Meinung: „Uns war einfach nicht wohl dabei, wie diese Produkte
aus unserem Haus konsumiert worden sind.“5
Eine weitere Gruppe von Beschwerden betrifft die Produktsicherheit. Dieser Aspekt war
lange vernachlässigt worden, sei es durch Gleichgültigkeit der Hersteller, sei es durch Prob-
leme, die sich aufgrund der zunehmenden Komplexität in der Produktion ergaben. Schlecht
ausgebildete Arbeitskräfte in der Produktion oder ungenügende Qualitätskontrollen taten ein
Übriges. Seit vielen Jahren bemühen sich deshalb Verbraucherverbände und ähnliche Grup-
pen in zahlreichen Ländern darum, Produkte auch auf Sicherheit zu testen. Sie informieren
zum Beispiel über die Gefahr von Stromschlägen aus elektrischen Haushaltsgeräten, Verlet-
zungsrisiken bei Rasenmähern oder sonstige fehlerhaft und gefährlich konstruierte Produkte.
Die Aktivitäten dieser Organisationen helfen den Endverbrauchern sehr, bessere Kaufent-
scheidungen zu treffen, und setzen letztlich die Unternehmen unter Druck, schlechte Pro-
dukte vom Markt zu nehmen.
Grundsätzlich kann man natürlich davon ausgehen, dass die Hersteller schon im eigenen
Interesse Qualitätsgüter anbieten wollen. Verbraucher, die mit einem Produkt eines Herstel-
lers Schwierigkeiten haben, werden auch Produkte dieses Herstellers aus anderen Produktli-
nien meiden und Freunde, Nachbarn und Verwandte über ihre negativen Erfahrungen infor-
mieren. Die Art, mit der ein Unternehmen Qualitäts- und Sicherheitsprobleme behandelt,

4 Elena Ferretti, „Soft drinks are the whipping boy of anti-obesity campaigns“, Fox News, 1. Juni 2012,
www.foxnews.com/leisure/2012/06/01/soda-ban/; siehe auch Stephanie Strom, „In ads, Coke con-
fronts soda’s link to obesity“, New York Times, 14. Januar 2013 sowie Natalie Zmuda u.a., „Coca-Cola
would like to teach the world to move“, Advertising Age, 11. September 2013, http://adage.com/
print/244077.
5 Sarah Bridge, „We were making money out of misery – so we dropped two leading brands“, Mail on
Sunday , 11. Mai 2014, S. 84.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht

kann seinen Ruf schädigen oder ihm zu einem guten Image verhelfen. Unternehmen, die
schlechte Produkte verkaufen, riskieren Aufsehen erregende Auseinandersetzungen mit Ver-
braucherschutzorganisationen und regulierenden Behörden. Darüber hinaus könnten unsi-
chere Produkte zu hohen Schadensersatzforderungen führen. In der modernen Welt von
Social Media und Onlinebewertungen können sich negative Qualitätsbeurteilungen zudem
ausbreiten wie ein Lauffeuer. Dementsprechend sind Fehlschläge in der Qualität nicht ver-
einbar mit nachhaltigem Marketing. Heutige Marketingverantwortliche wissen, dass gute
Qualitätsergebnisse in Kundennutzen und -zufriedenheit resultieren, die wiederum nachhal-
tige Kundenbeziehungen sicherstellen.
In Deutschland ist die Stiftung Warentest die mit Abstand bekannteste Verbraucherorganisa-
tion. Der nachfolgende Exkurs gibt einen Einblick in die zentralen Aufgaben der Stiftung.

Exkurs: Stiftung Warentest – ein bewährtes Instrument der


Verbraucherschutzpolitik

Gegründet wurde die STIFTUNG WARENTEST 1964 von der Bundesregierung als Insti-
tut zur Durchführung vergleichender Waren- und Dienstleistungsuntersuchungen. Sie
ist – als Stiftung bürgerlichen Rechts – eine unabhängige Einrichtung. Deshalb kann ihr
niemand vorschreiben, was und wie getestet wird. Ihr Ziel ist es, durch vergleichende
Tests von Produkten und Dienstleistungen den Markt überschaubarer zu machen. In 54
Jahren hat die Stiftung mehr als 5.750 vergleichende Warentests durchgeführt und dabei
über 100.000 Produkte geprüft. Außerdem hat sie fast 3.000 Dienstleistungstests durch-
geführt, im Wesentlichen im Bereich der Finanzdienstleistungen.
Die Stiftung sieht es als ihre Hauptaufgabe, Markttransparenz herzustellen, indem sie
„die Öffentlichkeit über objektivierbare Merkmale des Nutz- und Gebrauchswertes
sowie der Umweltverträglichkeit“ von Produkten und Dienstleistungen unterrichtet.
Außerdem gehört es zu ihren Aufgaben, die Verbraucher über die Möglichkeiten einer
optimalen Haushaltsführung, über eine rationale Einkommensverwendung und über
gesundheits- und umweltbewusstes Verhalten aufzuklären.
Das Testprogramm umfasst nahezu alle Konsumgüter, vor allem aus den Bereichen
Unterhaltungselektronik, Informationstechnik, Körperpflege, Arzneimittel, Fahrzeuge,
Lebensmittel, Haushaltsgeräte, Foto und Optik, Heimwerken und Garten. Ein weiterer
Arbeitsschwerpunkt sind die Dienstleistungstests, hauptsächlich aus den Bereichen Pri-
vatfinanzen, Versicherungen, Öffentliche Dienstleistungen, Gesundheit, Freizeit und
Reisen und seit 2002 auch Weiterbildung.
Wegen des vielfältigen Produktangebots müssen die Tester für nahezu jeden Warentest
eine Auswahl treffen. Sie suchen die Prüfprodukte nach objektiven Gesichtspunkten
wie Marktbedeutung, technische Merkmale und Preisklasse aus. Sobald die Auswahl
feststeht, kaufen Mitarbeiter der Stiftung die Prüfmuster wie gewöhnliche Verbraucher
ein, als anonyme Kunden in ganz normalen Geschäften. Eine Ausnahme von diesem
Verfahren wird beispielsweise bei Saisonartikeln gemacht, die bei Prüfbeginn noch
nicht im Handel sind. Die Einkäufer der Stiftung wählen sie dann im Lager des Herstel-
lers aus einer großen Anzahl von Produkten aus.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Ein Testbericht fasst die Ergebnisse der Waren- und Dienstleistungsuntersuchungen


zusammen. Er enthält bei Warentests in der Regel und bei Dienstleistungsprüfungen
immer dann, wenn es sinnvoll und möglich ist, Qualitätsurteile, also eine bewertende
Benotung des geprüften Angebots. Die Ergebnisse ihrer Tests veröffentlicht die STIF-
TUNG WARENTEST in ihren monatlich erscheinenden Zeitschriften „test“ und
„FINANZtest“. Jährlich werden über acht Millionen Hefte verkauft. Über welche Pro-
dukte und Dienstleistungen deren Leser informiert werden möchten, ermittelt die Stif-
tung laufend, indem sie einem Teil der Zeitschriften Fragebögen beilegt. Außerdem lei-
ten der Leserservice der Stiftung und die Beratungsstellen der Verbraucherzentralen die
Wünsche der Konsumenten weiter. Mitarbeiter der STIFTUNG WARENTEST informie-
ren sich darüber hinaus über neueste Entwicklungen und schlagen Untersuchungsthe-
men vor.
Neben diesen Magazinen gibt die Stiftung eine ganze Reihe weiterer Publikationen (Rat-
geber, Sonderhefte, Bücher) heraus. In kompakter und aktualisierter Form werden die
Untersuchungen eines Jahres im test- und FINANZtest-Jahrbuch veröffentlicht. Eine
weitere wichtige Informationsquelle für Verbraucher ist das Onlineportal der Stiftung
Warentest. Alle seit Januar 2000 in test und FINANZtest veröffentlichten Artikel sind im
Internet vorhanden und interaktiv aufbereitet. Eine komfortable Suchfunktion ermög-
licht den schnellen Zugriff auf sämtliche Informationen zu einem Thema. Die User kön-
nen Daten ein- und ausblenden und ihren persönlichen Testsieger ermitteln. Teilweise
sind diese aktuellen Inhalte kostenpflichtig.
Aufgrund des Verzichts auf Werbeeinnahmen erhält die Stiftung Warentest Mittel vom
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Zum größten Teil finanziert
sie sich jedoch aus dem Verkauf ihrer Zeitschriften „test“ und „FINANZtest“. Einen
weiteren Beitrag leisten Einnahmen aus dem Verkauf von Büchern sowie digitaler
Inhalte auf der Webseite www.test.de.
Quelle: Stiftung Warentest, Webseite unter: www.stiftung-warentest.de [12.02.2018]

Kritikpunkt: geplante vorzeitige Alterung


Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass einige Anbieter gezielt eine vorzeitige Alterung ihrer Pro-
dukte anstreben. Den Produzenten wird vorgeworfen, dass sie kontinuierlich in kurzen Zeit-
abständen das Aussehen ihrer Produkte verändern, um häufiges Kaufen und vorzeitige
Ersatzbeschaffungen anzuregen.
Ein Beispiel hierfür ist die Bekleidungsmode, die einem häufigen Wandel unterliegt. Viele
Kritiker sind der Ansicht, dass diese Praktiken auch in der Unterhaltungselektronik oder bei
Hausgeräten angewendet werden. Kameras, Smartphones, Küchengeräte oder Unterhaltungs-
elektronik weisen so schnelle und regelmäßige Modellwechsel auf, dass es oftmals schon
kurze Zeit nach dem Kauf Schwierigkeiten gibt, Ersatzteile zu bekommen. Die Händler sind
dann nicht in der Lage, ältere Modelle zu reparieren. Diese Produktpolitik verursacht zudem
einen schnellen Wertverlust. Außerdem wird den Anbietern vorgeworfen, attraktive Pro-
dukteigenschaften und -ausstattungen zurückzuhalten, mit dem Ziel, zu einem späteren Zeit-
punkt die früher gekauften Geräte als veraltet erscheinen zu lassen und die Neuheiten dann
umso besser verkaufen zu können. Schließlich wird einigen Produzenten vorgeworfen, dass
sie Material verwenden, das sich schneller abnutzt, verschleißt, verrostet oder verrottet.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht

Wieder anderen wirft man vor, ganz geplant immer neue Produkte auf den Markt zu bringen,
so dass alte Modelle rasch technisch überholt sind und Kunden zu „Serienkäufern“ werden.
Kritiker behaupten, dass dies in der Unterhaltungselektronik- und Computerbranche ständig
vorkommt. Teilen Sie die Gewohnheit der meisten, haben Sie vermutlich eine ganze Schub-
lade voller technischer Geräte, die gestern noch angesagt waren – von Mobiltelefonen und
Kameras bis hin zu iPods und USB-Sticks –, heute aber veraltet sind. Was gerade ein oder
zwei Jahre alt ist, scheint hoffnungslos aus der Mode. So hatten die frühen iPods fest ver-
baute Akkus, die nach 18 Monaten versagten, und somit das ganze Gerät ersetzt werden
musste. Erst als unzufriedene Kunden eine Sammelklage einreichten, führte Apple aus-
tauschbare Akkus ein. Auch rasche aufeinanderfolgende neue Markteinführungen – ganze
drei in nur 18 Monaten – machten die älteren iPods zu Auslaufmodellen.6
Marketingfachleute antworten auf diese Vorwürfe, dass die Käufer es begrüßen, wenn sich
das Aussehen von Waren mit der Mode ändert. Sie wollen von Zeit zu Zeit einfach neue Klei-
dung oder ein neues Auto. Niemand ist verpflichtet, die neue Mode oder das neue Auto zu
kaufen, und wenn die Konsumenten es nicht wertschätzen würden, wäre dieses Konzept
ohnehin zum Scheitern verurteilt. Aus Kostengründen würde jedes Unternehmen ein
bewährtes Produkt möglichst lang anbieten, es riskiert jedoch dabei, dass die Konkurrenz mit
neueren Produkten Marktanteile gewinnt. Der Vorwurf, die Unternehmen würden absicht-
lich Produkte so konstruieren, dass sie nur eine begrenzte Lebensdauer haben, sei unsinnig,
denn niemand wolle seine Kunden dadurch an die Konkurrenz verlieren.
Trotzdem bleibt festzuhalten, dass die sogenannte geplante Alterung Ausprägung des freien
Spiels der Kräfte aus Markt und Technologie ist. Die geplante Alterung ist innerhalb einer
freien Wirtschaftsordnung dafür mitverantwortlich, dass immer die jeweils neuesten und
fortschrittlichsten Produkte am Markt angeboten werden. Unternehmen werden so zu einer
stetigen Verbesserung ihrer Produkte und Dienstleistungen motiviert.

Kritikpunkt: unzureichende Bedienung benachteiligter Käuferschichten


Das Marketing sieht sich auch dem Vorwurf ausgesetzt, benachteiligte Käuferschichten
schlecht zu bedienen. Kritiker behaupten, dass sich die armen Schichten in Großstädten in
kleineren Geschäften mit minderwertigem Güterangebot und zu höheren Preisen versorgen
müssten. Das Marketingziel, Gewinne zu erzielen, beinhaltet auch, dass benachteiligte Käu-
ferschichten keine attraktiven Zielgruppen darstellen. Insbesondere Verbraucher mit hohem
Einkommen gelten als bevorzugte Zielgruppe des Marketings.
Es trifft zu, dass bessere Vertriebsstrukturen auch in Gebieten mit Haushalten niedrigeren
Einkommens wünschenswert wären. Ebenso benötigen diese Haushalte einen verstärkten
Verbraucherschutz. Dessen Schwerpunkte sollten beispielsweise dort liegen, wo irreführend
geworben wird, wo alte Waren als neu verkauft oder wo für Kredite zu hohe Zinsen verlangt
werden.

6 Siehe „Law targets obsolete products“, 22. April 2013, The Connexion, www.connexionfrance.com/
Planned-obsolescence-obsoleteproductsiPod-washing-machine-printers-14655-view-article.html.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

20.3.2 Der Einfluss des Marketings auf die Gesellschaft


Das Marketing sieht sich mitunter den Vorwürfen ausgesetzt, zu starken Materialismus zu
erzeugen, zu wenige soziale Güter zu schaffen sowie kulturelle Verarmung zu begründen.

Das Schaffen unechter Bedürfnisse und materialistischer Motive


Die Kritiker führen an, dass das Marketing die Interessen der Verbraucher auf materielle
Dinge lenkt. Menschen werden häufig nach dem beurteilt, was sie haben, und nicht nach
dem, was sie sind. Um als erfolgreich angesehen zu werden, strebt man nach materiellem
Besitz wie einem eleganten Haus in einem ruhigen Stadtteil, nach einem exklusiven Auto,
nach der neuesten Mode und den letzten Errungenschaften der Unterhaltungselektronik.
Andererseits glauben Soziologen, eine Verschiebung der Wertvorstellungen in der Gesell-
schaft zu beobachten. Als wichtige und erstrebenswerte Ziele werden genannt: ein guter
Arbeitsplatz, Harmonie und Glück in der Familie und eine gewisse Rolle in der Gesellschaft.
Trotzdem antwortete die gleiche Zielgruppe auf die Frage, was am meisten den Erfolg symbo-
lisiere, dies seien das Geld und die Dinge, die man damit kaufen könne.
Die Kritiker betrachten dieses Interesse an materiellen Dingen nicht als naturgegeben. Sie
sehen es als unechte Begierde, hervorgerufen durch das Marketing. Die Unternehmen wür-
den die Wünsche der Menschen nach Gütern über die Kraft der Werbung entfachen und die
Werbefachleute würden über die Massenmedien eine Vorstellung vom „guten Leben“ ver-
breiten, die nicht der Wirklichkeit entspräche. In der Folge würden die Menschen härter und
mehr arbeiten, um diesen vorgeführten Wohlstand zu erlangen. Die Wirtschaft kann darauf-
hin mehr produzieren und verkaufen und wird noch mehr Werbung einsetzen, um die Nach-
frage weiter anzukurbeln.
Ein Soziologe schreibt die übermäßigen Ausgaben der Verbraucher einer wachsenden Lücke
zwischen dem, was wir haben, und dem, was wir wollen, zu. Diese Lücke rühre zumindest
teilweise vom Marketing her, das Menschen dazu ermuntere, sich auf den Kauf und Konsum
von Gütern zu fokussieren. Werbung animiert Verbraucher dazu, Lebensweisen von
Berühmtheiten anzustreben und durch den Kauf von immer mehr Dingen materiell mitzu-
halten. Einige vom Marketing angetriebene Verbraucher werden nichts und niemanden zwi-
schen sich und ihre Einkaufswünsche kommen lassen.
Marketingfachleuten zufolge überschätzt diese Kritik die Fähigkeit der Werbung, Wünsche
und Bedürfnisse hervorzurufen. Die Menschen haben starke Schutzmechanismen gegen Wer-
bung und das gesamte Marketinginstrumentarium. Marketing ist in der Regel nur dann
erfolgreich, wenn es sich in bestehende Bedürfnisse einklinkt. Ungleich schwerer ist es, neue
Bedürfnisse zu schaffen, die noch nicht vorhanden sind. Wenn größere Anschaffungen getä-
tigt werden, suchen die Käufer ohnehin Informationen bei mehreren Anbietern. Bei relativ
geringwertigen Käufen spielen Wiederholungskäufe eine größere Rolle. Diese finden nur
dann statt, wenn der Käufer mit dem Erst- bzw. Vorkauf zufrieden war. Eine hohe Floprate
bei der Einführung neuer Produkte verdeutlicht überdies, dass es den Unternehmen nicht
grundsätzlich gelingt, die Bedürfnisse der Verbraucher zu beeinflussen.
Zudem gilt es zu bedenken, dass unsere Wünsche und Werte auch durch Herkunft und Fami-
lie, Leitbilder und Gruppenideale, Ausbildung und Beruf, Religionszugehörigkeit sowie den
kulturellen Hintergrund oder Bildung bestimmt werden. Wenn jetzt beklagt wird, dass der
Materialismus ein weitverbreitetes Ideal in unseren Gesellschaften sei, so wurde dies sicher-
lich nicht allein durch Werbung und Medien hervorgerufen, sondern wurzelt tiefer in unse-
rer grundlegenden Sozialisation.

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20.3 Kritik am Marketing aus gesellschaftlicher Sicht

Außerdem unterliegen Konsummuster und Gewohnheiten auch größeren Kräften, wie z.B.
der Wirtschaft. Wie in Kapitel 1 dargestellt, haben der wirtschaftliche Abschwung und die
Rezession sowohl den Materialismus als auch Ausgaben für Luxusgüter gedämpft. Statt also
die modernen sparsamen Verbraucher zu überreden, über ihre Verhältnisse zu leben, versu-
chen Marketingexperten folglich, den Kunden mehr Wert für ihr Geld zu verschaffen.7
Ein Beispiel ist die „Shwopping“-Bewegung des britischen Handelsriesen Marks & Spencer,
bei der das Unternehmen Kunden bittet, bei jedem Einkauf alte Kleidungsstücke zu spenden,
selbst wenn diese nicht von M&S stammen. Die über das Shwopping gespendeten Sachen
gehen an Oxfam, eine gemeinnützige Organisation, die die Stücke recycelt oder weitergibt,
um Geld zu sammeln und damit Menschen in aller Welt beim Kampf gegen Armut hilft. „Wir
hoffen, ebenso viele Kleidungsstücke zurückzubekommen, wie wir verkaufen und so die Art,
wie wir alle einkaufen, für immer zu verändern“, so Marks & Spencer.8

Zu wenige soziale Güter


Der Wirtschaft wird der Vorwurf gemacht, sie verkaufe zu viele private Güter zulasten der
öffentlichen Güter. Soweit Güter in Privathand zunehmen, erfordern sie häufig eine parallele
Zunahme öffentlicher Güter: Mehr Autos benötigen mehr Straßen, Parkplätze, Regelungs-
dienste und vieles andere mehr.
Der Absatz privater Güter zieht sogenannte soziale Kosten nach sich. Autos verursachen Ver-
kehrsstaus, Luftverschmutzung, Straßenschäden und Heilungskosten für Unfallopfer. Ver-
kehrsstaus kosten die EU mehr als ein Prozent des gesamten Bruttosozialprodukts – oder
über 100 Milliarden Euro pro Jahr. Es ist deshalb wichtig, ein Gleichgewicht zwischen priva-
ten und öffentlichen Gütern zu finden. Eine Lösungsmöglichkeit besteht darin, die Anbieter
auch uneingeschränkt für die sozialen Kosten ihrer Aktivitäten einstehen zu lassen. Zum
Beispiel könnte der Gesetzgeber vorschreiben, Autos mit verbesserter Sicherheitsausstattung
und besserer Abgasreinigung auszustatten, wie es zum Teil ja schon geschieht. Die Hersteller
müssten die gestiegenen Produktionskosten dann an die Verbraucher weitergeben. Dadurch
würden die Hersteller vom Markt verschwinden, die aktuell umweltschädigende und unsi-
chere Autos verkaufen. Der Bedarf würde zu den Herstellern übergehen, die die privaten und
sozialen Kosten tragen können.
Eine zweite Option ist es, Verbraucher die sozialen Kosten zahlen zu lassen. Weltweit erhe-
ben mittlerweile viele Städte Mautgebühren, um Verkehrsbehinderungen zu reduzieren.
Damit die Straßen Londons entlastet werden, wird eine Maut in Höhe von zehn Pfund pro
Tag und pro Auto von den Fahrern eingezogen, die in einem Gebiet von acht Quadratmeilen
um den Stadtkern fahren. Diese Gebühr hat nicht nur Verkehrsbehinderungen in dieser Zone
reduziert und die Rate der Fahrradfahrer erhöht, sondern auch Geld gebracht, um Londons
öffentliches Verkehrssystem auszubauen.9

„Kulturelle Umweltverschmutzung“ durch das Marketing


Kritiker beschuldigen das Marketing, es sei für eine „kulturelle Umweltverschmutzung“ ver-
antwortlich. Unser Aufnahmevermögen wird ständig durch Werbebotschaften in Anspruch
genommen und damit auch blockiert. Werbespots unterbrechen Fernsehsendungen, unzäh-

7 Conor Dougherty und Elizabeth Holmes, „Consumer spending perks up economy“, Wall Street Jour-
nal, 13. März 2010, S. A1.
8 Siehe www.marksandspencer.com/s/plan-a-shwopping, Zugriff September 2014.
9 Siehe https://tfl.gov.uk/modes/driving/congestion-charge?cid=pp020 , Zugriff 13. Juli 2015.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

lige Anzeigen entwerten Zeitschriften, Werbetafeln verstellen die Aussicht auf eine schöne
Landschaft.
Diese Fülle an Werbung erreicht die Menschen permanent mit Botschaften über Materialis-
mus, Sex, Macht oder Status. Obwohl sich die meisten Menschen nicht allzu sehr über Wer-
bung ärgern (einige bemerken sogar im Spaß, beim Fernsehen sei dies der beste Teil), fordern
einige Kritiker grundlegende Änderungen.10
Marketingverantwortliche treten diesen Vorwürfen mit dem Hinweis entgegen, dass man
seine Werbung schon aus eigenem Interesse möglichst zielgruppengerecht gestaltet und zu
verhindern versucht, solche Konsumenten anzusprechen, die offensichtlich kein Interesse an
einem Produkt haben. Dennoch ist dieses Vorhaben mit Massenkommunikationskanälen
nicht immer reibungslos umsetzbar, da hier oft auch solche Menschen angesprochen werden,
die kein Interesse am beworbenen Produkt haben und dadurch gelangweilt oder verärgert
sind. Menschen, die sich Zeitschriften wie Vogue, Cosmopolitan, Gala oder Maxim kaufen,
beklagen sich in der Regel nicht über zu viel Werbung, da zumeist Produkte gezeigt werden,
die für die Leser von großem Interesse sind. Nicht zuletzt können viele Medien aufgrund
ihrer Werbeeinnahmen kostenlos oder zu einem niedrigeren Preis angeboten werden und
sind dadurch überhaupt erst erschwinglich für die breite Masse der Konsumenten.
Des Weiteren sind viele private Fernseh- und Radiosender sowie zahlreiche Webseiten und
soziale Medien aufgrund der Werbung für die Nutzer kostenfrei. Auch die Kosten von Maga-
zinen und Zeitungen bleiben durch die Anzeigen niedrig. Viele Menschen sind der Meinung,
dass die Toleranz von Werbung für diese Annehmlichkeit ein vergleichsweise geringer Preis
ist. Viele TV-Werbespots sind für die Verbraucher unterhaltsam und anregend; so kann man
sie sich auf YouTube ansehen und mit Freunden teilen. Und letztlich haben die modernen
Verbraucher Alternativen. Sie können die Fernsehwerbung während der Sendung oder bei
Aufzeichnungen einfach wegschalten oder sie auf den gebührenpflichtigen Kabel-, Satelli-
ten- oder Onlinekanälen ganz vermeiden. Um also die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu
gewinnen, gestalten Werbetreibende ihre Spots deutlich unterhaltsamer und informativer.

20.3.3 Der Einfluss des Marketing auf andere Unternehmen


Außerdem wird kritisiert, dass die Marketingaktivitäten eines Unternehmens anderen Unter-
nehmen Schaden zufügen und den Wettbewerb einschränken können. Drei Problembereiche
stehen im Zentrum der Kritik:
 Aufkauf von Konkurrenten,
 Errichtung von Marktzugangsbeschränkungen und
 unlautere Werbung.
Unternehmenskäufe sind schwierig zu beurteilen. Kritiker monieren, dass der Kauf von
Unternehmen, statt eigene Forschung und Entwicklung zu betreiben, andere Firmen schädigt
und den Wettbewerb reduziert. Andererseits haben Unternehmenskäufe oftmals gesamtwirt-
schaftlich positive Auswirkungen. Das kaufende Unternehmen kann Skalenerträge erreichen,
die zu Kosten- und Preissenkungen führen. Manchmal wird ein schlecht geführtes Unterneh-

10 Siehe „Advertising in the U.S.: synovate global survey shows Internet, innovation and online privacy
a must“, 3. Dezember 2009, www.synovate.com/news/article/2009/12/advertising-in-the-us-synova-
te-globalsurvey-shows-internet- innovation-and-online-privacy-a-must.html und Katy Bachman,
„Survey: clutter causing TV ads to lack effectiveness“, MediaWeek , 8. Februar 2010, www.media-
week.com/mw/content_display/esearch/e3ief7f94880dc0982ebfa130c698f8d2e8?src=bchallenge .

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20.4 Bewegungen zur Förderung von nachhaltigem Marketing

men aufgekauft, das dann die Chance hat, seine Leistungsfähigkeit wieder zu steigern. Aber
Unternehmenskäufe können ebenso gesamtwirtschaftlich schädigend sein. Sie unterliegen
daher einer strengen kartellrechtlichen Kontrolle.
Kritiker weisen auch darauf hin, dass die in vielen Branchen übliche Marketingpraxis für
neue Wettbewerber eine Eintrittsbarriere darstellen kann. Großunternehmen können Patente
kaufen und aufwendige Marketingaktionen finanzieren. Sie sind in der Lage, Lieferanten und
Vertriebsnetze an sich zu binden und dazu zu bewegen, Konkurrenten nicht zu berücksichti-
gen oder hinauszudrängen. Fachleute des Wettbewerbsrechts räumen ein, dass einige
Zugangsbeschränkungen das ganz natürliche Ergebnis wirtschaftlichen Handelns sind.
Andere Beschränkungen lassen sich durch bestehende oder neue Gesetze mildern. Natürlich
gibt es auch Fälle, wo unfaire Wettbewerbspraktiken angewandt werden, um andere Firmen
zu schädigen. Zu diesen Praktiken gehört es, eine Zeitlang unter den eigenen Kosten zu ver-
kaufen, die Lieferbeziehungen zu stören oder Maßnahmen zu ergreifen, die den Einkauf der
betroffenen Waren verhindern sollen. Durch mehrere Gesetze werden diese Praktiken unter-
sagt. Sie sind jedoch schwer nachzuweisen.
Softwareunternehmen zum Beispiel werden immer wieder beschuldigt, unlautere Bünde-
lungspraktiken anzuwenden. Das bedeutet, dass ein solches Softwareunternehmen die Tatsa-
che, dass die Kunden an dieses gebunden sind, ausnutzt, um z.B. bei Betriebssystemen stän-
dig neue Software und Funktionen hinzuzufügen. Diese werden dann von den Kunden
genutzt, obwohl es auf dem Markt bessere Produkte gibt. Dies behindert einen fairen Wettbe-
werb, reduziert die Vielfalt der angebotenen Produkte und verzögert Innovationen.
Man kann sich fragen, wie diese Vorgänge zu beurteilen sind: als unlauterer oder als gesun-
der Wettbewerb, bei dem die leistungsfähigsten Unternehmen bestehen und wenig effiziente
Wettbewerber auf der Strecke bleiben?

20.4 Bewegungen zur Förderung von nachhaltigem Marketing


Nachhaltiges Marketing ruft zu verantwortungsvollen Handlungen von Unternehmen wie
auch Verbrauchern auf. Als Gegenkraft zu den Großunternehmen haben sich eine Vielzahl
von Bewegungen und Gruppierungen unterschiedlicher Art formiert, die Unternehmen als
Quelle vieler ökonomischer und sozialer Übel sehen. Die bedeutendsten sind die Verbrau-
cherbewegung und die Umweltschutzbewegung.

20.4.1 Die Verbraucherbewegung


Die Verbraucherbewegung hat ihren Ursprung in den USA. Sie hat sich im Wesentlichen in
drei Schüben entwickelt. Der erste Schub fand kurz nach der Jahrhundertwende vom 19.
zum 20. Jahrhundert angesichts steigender Preise und Missständen in der Fleisch- und in der
Pharmaindustrie statt. Diese Bewegung fand einen literarischen Niederschlag in den Werken
des Schriftstellers Upton Sinclair.
Die zweite Welle der Verbraucherbewegung entstand Mitte der 1930er-Jahre, ausgelöst durch
Preissteigerungen nach der Großen Depression und einem weiteren Medikamentenskandal.
Die dritte Welle hat in den 1960er-Jahren in einer Periode allgemeiner politischer Unzufrie-
denheit ihren Ursprung. Die Technik war komplizierter und auch gefährlicher geworden und
die Menschen verfügten inzwischen über eine bessere Ausbildung und ließen sich nicht
mehr alles gefallen. Der bekannteste Vertreter dieser neuen Verbraucherbewegung ist Ralph

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Nader, der zusammen mit anderen Autoren den US-Großunternehmen Verschwendung und
unmoralische Praktiken vorwarf. Präsident John F. Kennedy bekannte sich dazu, dass die
Verbraucher ein Recht auf Sicherheit, Informationen und eine breite Auswahl sowie einen
Anspruch darauf haben, gehört zu werden.
Der amerikanische Kongress veranlasste Untersuchungen in einigen Branchen und brachte
weitere Verbraucherschutzgesetze auf den Weg. Seit jenen Jahren haben sich zahlreiche Ver-
brauchergruppen organisiert und viele neue Verbraucherschutzgesetze sind verabschiedet
worden.
Auch in Europa hat die Verbraucherbewegung verschiedene Wurzeln wie zum Beispiel das
Genossenschaftswesen oder die Arbeitervereine, die schon frühzeitig ähnliche Zielsetzungen
verfolgten, ohne die Bezeichnung Verbraucherschutzbewegung zu tragen. Die Verbraucher-
schutzbewegung hat inzwischen auch in den Ländern Europas einen großen Einfluss erlangt.

Ziele der Verbraucherbewegung


Der Verbraucherschutz ist eine von Bürgern und Regierungsstellen getragene Bewegung, mit
dem Ziel, die Rechte und die Macht der Käufer in ihren Beziehungen zu den Anbietern zu
stärken.
Als traditionelle Rechte der Anbieter gelten:
 das Recht, jedes Produkt in jeder Größe oder Aufmachung anzubieten, sofern es nicht
Gesundheit oder Sicherheit der Käufer gefährdet, es sei denn, es wird auf diese Gefähr-
dung ausreichend und deutlich hingewiesen;
 das Recht, jeden möglichen Preis für seine Produkte zu berechnen, sofern damit keine Dis-
kriminierung innerhalb vergleichbarer Käufergruppen stattfindet;
 das Recht, jeden Betrag für die Vermarktung seiner Produkte auszugeben, soweit das nicht
als unlauterer Wettbewerb bezeichnet werden muss;
 das Recht, jede Aussage zu Produkten treffen zu können, soweit sie nicht irreführend oder
unehrlich ist;
 das Recht, jeden denkbaren Kaufanreiz einzusetzen, vorausgesetzt, er ist nicht unfair oder
irreführend.
Als traditionelle Rechte der Käufer gelten:
 das Recht, den Kauf eines angebotenen Produkts abzulehnen;
 das Recht darauf, dass ein Produkt sicher ist;
 das Recht darauf, dass ein Produkt so funktioniert, wie es in der Werbung versprochen
wird.
Vergleicht man diese beiden Aufstellungen, könnte man annehmen, dass die Macht eher auf-
seiten der Verkäufer liegt. Sicher, die Käufer können es ablehnen, zu kaufen. Aber hat nicht
doch der Käufer zu wenige Informationen, zu wenig Bildung und zu wenig Schutz, um rich-
tig zu handeln, wenn er professionellen Verkäufern gegenübersteht? Engagierte Verbraucher-
schützer verlangen daher folgende weitergehende Käuferrechte:
 das Recht, über jeden wichtigen Aspekt des Produkts gründlich informiert zu werden;
 das Recht, gegen fragwürdige Produkte und Marketingpraktiken geschützt zu werden;
 das Recht, auf Produkt- und Marketingentscheidungen derart einwirken zu können, dass
sich die „Lebensqualität“ insgesamt verbessert.

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20.4 Bewegungen zur Förderung von nachhaltigem Marketing

 das Recht, in einer Art und Weise zu konsumieren, die die Erde auch für zukünftige Gene-
rationen von Konsumenten erhält.
Jeder dieser Vorschläge hat zu weiteren Detailvorschlägen geführt. Das Recht, informiert zu
werden, beinhaltet zum Beispiel auch das Recht, genauer über Zinsen und über den Preis pro
Einheit informiert zu werden, genau über alle Inhaltsstoffe eines Produkts Bescheid zu wis-
sen, genaue Informationen über die Nährwerte und über die Produktfrische zu erhalten und
überdies über den wirklichen Nutzen eines Produkts informiert zu werden. Weitere Vor-
schläge sollen die Verbraucherrechte in Fällen von Betrug stärken, andere verlangen größere
Produktsicherheit sowie die Sicherstellung des Datenschutzes und wollen den Aufsichtsbe-
hörden mehr Macht geben.
Vorschläge in Bezug auf die Lebensqualität beinhalten die Kontrolle von Rohstoffen, die in
bestimmten Produkten und Verpackungen verarbeitet werden, sowie die Reduzierung der
„Werbelautstärke“. Vorschläge für die Erhaltung der Umwelt beinhalten die Bewerbung von
nachhaltigen Rohstoffen, Recycling, die Reduzierung von festen Abfällen und die Senkung
des Energieverbrauchs.
Nachhaltiges Marketing bezieht sich nicht nur auf Verbraucher, sondern auch auf Unterneh-
men und Regierungen. Verbraucher haben jedoch nicht nur das Recht, sondern auch die
Pflicht und die Verantwortung, sich zu schützen. Sie sollten dies nicht aus der Hand geben,
indem sie es anderen überlassen. Inzwischen haben in fast allen Ländern Konsumenten, die
einen schlechten Kauf getätigt haben, verschiedene Möglichkeiten zur Verteidigung ihrer
Rechte. Sie können an die Geschäftsleitung der betroffenen Unternehmen schreiben, sich an
die Medien wenden, staatliche oder öffentlich-rechtliche Verbraucherschutzstellen in
Anspruch nehmen oder sich an Schlichtungsstellen und Gerichte wenden. Verbraucher soll-
ten nachhaltige Kaufentscheidungen treffen und dadurch diejenigen Unternehmen belohnen,
die verantwortungsvoll handeln, und solche Unternehmen bestrafen, die es nicht tun. Letzt-
lich liegt der Schritt von verantwortungslosem hin zu nachhaltigem Konsum in der Entschei-
dung der Verbraucher.

20.4.2 Die Umweltbewegung


Während die Verbraucherschützer überlegen, ob die bestehende Marktwirtschaft die Wün-
sche der Verbraucher zufriedenstellend erfüllt, fragen sich die Umweltschützer, welche
schwerwiegenden Auswirkungen Marketing, Produktion, Distribution usw. auf die Umwelt
haben. Sie beschäftigen sich damit, welche Schäden am Ökosystem die großen Tagebauge-
biete, verwüstete Wälder, saurer Regen, das Ozonloch und giftige Abfälle hinterlassen haben.
Sie machen sich Sorgen über den Verlust an Erholungsgebieten und über die Zunahme von
Gesundheitsproblemen, die durch Verunreinigung der Luft, durch verschmutztes Wasser und
chemisch oder gentechnisch behandelte Nahrung entstehen. Diese Besorgnis ist die gemein-
same Basis für die Umweltbewegung – eine organisierte Bewegung von Bürgern und staatli-
chen Stellen, die das Lebensumfeld der Bevölkerung schützen und verbessern will.
Umweltschützer sind nicht notwendigerweise Gegner von Marketing oder Konsum, sie wol-
len nur alle dazu bewegen, sorgfältiger und rücksichtsvoller mit der Lebensumwelt umzuge-
hen. „Zu oft wird die Umwelt als ein kleiner Teil der Wirtschaft gesehen“, sagt ein Aktivist.
„Sie ist allerdings nicht bloß eine kleine Sache, sondern das, wovon alles in unserem Leben
abhängt.“11
Das Ziel einer Marktwirtschaft heutiger Prägung kann es nicht mehr sein, lediglich den Kon-
sum zu maximieren oder die Auswahl an Gütern und Dienstleistungen stetig auszuweiten.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Die zentrale Herausforderung besteht heute in einer verantwortungsvollen Maximierung ech-


ter Lebensqualität unter Wahrung der natürlichen Ressourcen. Politisch verlangen die
Umweltschützer, dass Kosten für Schäden an der Umwelt in alle Produktions- und Kaufent-
scheidungen eingehen müssen und zwar beim Produzenten ebenso wie bei den Verbrau-
chern.
Die Forderungen der Umweltbewegung haben manche Branchen hart getroffen. Die Schwe-
rindustrie, die chemische Industrie, die Stahlproduzenten, die Kommunen im Bereich der
Abwasserreinigung beispielsweise müssen viel für Reinigungstechnologien, Abfallmanage-
ment und andere Maßnahmen ausgeben. Die Autoindustrie wurde verpflichtet, Katalysato-
ren in jedes Auto einzubauen und sieht sich seit 2008 mit neuen Grenzwerten für den CO2-
Ausstoß konfrontiert. In einigen Ländern erließen Regierungen und Parlamente strikte
Gesetze, um die Umweltprobleme in den Griff zu bekommen. Ein Beispiel hierfür sind die
Bestimmungen für das Recycling von Altfahrzeugen in Deutschland. Seit dem 1. April 1998
kann ein Fahrzeug nur noch dann endgültig abgemeldet werden, wenn es einem zertifizier-
ten Verwertungsbetrieb zur fachgerechten Entsorgung überlassen wird.
Auch andere Branchen trifft die Umweltgesetzgebung. Die Verpackungsindustrie zum Bei-
spiel musste Wege finden, um Abfall und Energieverbrauch zu senken. Die Mineralölindus-
trie musste zunächst bleiarme und schließlich bleifreie Kraftstoffe entwickeln. Diese Bran-
chen widersetzen sich oft der Umweltgesetzgebung, besonders dann, wenn sie ihrer Meinung
nach zu schnell kommt und den Unternehmen keine Gelegenheit einräumt, die nötigen
Anpassungen und Neuentwicklungen durchzuführen.
Für das Gebiet der Europäischen Union, deren Vorschriften auch in der Bundesrepublik
Deutschland die nationale Gesetzgebung ablösen oder zumindest in hohem Maße beeinflus-
sen, sind viele neue Umweltregelungen in Bearbeitung. Das erklärt, warum das Leben von
Marketingverantwortlichen immer komplizierter werden wird. In Zukunft bedeutet Pro-
duktentwicklung mehr denn je auch Überprüfung der ökologischen Verträglichkeit des Pro-
dukts, des Produktionsprozesses, der Verpackung usw. Die dadurch gestiegenen Kosten müs-
sen über höhere Preise an die Verbraucher weitergegeben werden.
Während sich viele Manager während der ersten beiden Wellen der Umweltbewegung in den
1960er- und den 1980er-Jahren häufig gegen deren Anliegen zur Wehr gesetzt haben oder
lediglich gesetzlichen Mindestanforderungen nachgekommen sind, akzeptieren heute immer
mehr Unternehmen ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt. Sie verfolgen eine Strategie
der Nachhaltigkeit, die Umweltschutz und berechtigte Gewinnziele zu vereinbaren versucht.
Heute ist die Beachtung von Umweltbelangen so wichtig und unverzichtbar, dass kein Weg
zurückführt in jene Zeiten, als nur sehr wenige Unternehmer sich Gedanken machten, ob
ihre Produkte oder die Auswirkungen ihrer Marketingentscheidungen die Umweltqualität
beeinträchtigen würden.
Die Umweltbewegung stellt einige spezielle Herausforderungen für global tätige Unterneh-
men dar. Mit der Reduzierung internationaler Handelsschranken und der Expansion globaler
Märkte haben Umweltprobleme eine immer größere Auswirkung auf den internationalen
Handel. Länder in Nordamerika, der Europäischen Union und anderen entwickelten Regio-
nen haben in der Regel strenge Umweltstandards. Zum Beispiel hat die EU über die letzten

11 „Overconsumption is costing us the earth and human happiness“, The Guardian , 21. Juni 2010, Zu-
griff auf www.guardian.co.uk/environment/2010/jun/21/overconsumption-environment-relations-
hips-annie-leonard.

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Persönliche Einzellizenz, Weitergabe an Dritte nicht gestattet.
20.4 Bewegungen zur Förderung von nachhaltigem Marketing

30 Jahre eine substanzielle und vielfältige Bandbreite an Umweltmaßnahmen eingeführt, die


die Qualität der Umwelt für EU-Bürger verbessern soll.
Umweltrichtlinien variieren allerdings noch immer stark von Land zu Land. Länder wie
Dänemark, Deutschland, Japan und die Vereinigten Staaten haben vollständig entwickelte
Umweltrichtlinien und hohe Erwartungen der Öffentlichkeit. Länder wie die BRIC-Staaten
hingegen befinden sich in der frühen Entwicklungsphase solcher Richtlinien. Dementspre-
chend gestaltet es sich für internationale Unternehmen schwierig, standardisierte Umwelt-
praktiken zu entwickeln, die global funktionieren. Stattdessen erstellen sie allgemeine Richt-
linien und übertragen diese dann in maßgeschneiderte Programme, die die lokalen
Regulierungen und Erwartungen erfüllen.
Das folgende Schaubild zeigt ein Schema, das Unternehmen benutzen können, um den Ent-
wicklungsstand bezüglich der Umweltverträglichkeit zu beurteilen. Es enthält sowohl
interne als auch externe Aktivitäten, die für das Unternehmen und die Umwelt kurzfristig
einen positiven Effekt erzielen, und zusätzliche Maßnahmen, die langfristig Wirkung zeigen.

Neue Umwelttechnologien Vision der Nachhaltigkeit

Ist die umweltbezogene Leistungs- Ist die Vision des Unternehmens auf
fähigkeit unserer Produkte durch den die Lösung sozialer und umwelt-
aktuellen technischen Stand begrenzt? bezogener Probleme ausgerichtet?
Morgen
Besteht Potenzial, bedeutende Ver- Fördert die Vision die Entwicklung
besserungen durch neue Technologien neuer Technologien, Märkte, Produkte
herbeizuführen? und Prozesse?

Vermeidung von Produktverantwortung


Umweltverschmutzung
Was sind die Anforderungen an das
Wo entstehen in unseren aktuellen Produktdesign und die Produktent-
Prozessen Müll und Emissionen? wicklung, wenn das Unternehmen die
Verantwortung für den gesamten
Heute Produktlebenszyklus übernimmt?

Können Kosten und Risiken gesenkt Können zusätzliche Werte geschaffen


werden, indem Müll von vornherein oder Kosten verringert und gleichzeitig
vermieden oder als Inputfaktor die negativen Auswirkungen unserer
genutzt wird? Produkte reduziert werden?

Intern Extern
Abbildung 20.3: Ein Raster zur Beurteilung der Umweltverträglichkeit eines Unternehmens

Vermeidung von Umweltverschmutzung Auf dieser ersten Stufe versuchen Unternehmen,


Müll und Schadstoffe zu vermeiden oder zu minimieren, bevor sie überhaupt entstehen. Dies
tun sie, indem sie ökologisch unbedenkliche Produkte oder wiederverwertbare Verpackun-
gen entwickeln. Die Unternehmen beabsichtigen, sowohl konkurrenzfähig als auch umwelt-
bewusst zu sein.
Zum Beispiel hat Burger King wegen Anschuldigungen von Greenpeace bezüglich der Zer-
störung des Regenwalds aufgehört, Palmöl von indonesischen Lieferanten zu kaufen. Unile-

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

ver, Nestlé und Kraft haben aus denselben Gründen das Geschäftsverhältnis mit eben jenen
Lieferanten beendet. Das schwedische Möbelunternehmen IKEA hat deutsche Windfarmen
gekauft, um den CO2-Fußabdruck seiner weltweiten Kette an Mitnahmemöbelgeschäften zu
reduzieren.
Die Gründlichkeit, mit der Medien und Verbraucher die Versprechen der Unternehmen prü-
fen, ist heute intensiver als je zuvor. Wenn Sie Informationen über Ihre Produkte und Ihr
Warenangebot nicht veröffentlichen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Verbraucher das
übernehmen. GoodGuide beispielsweise ist eine Onlinedatenbank mit Informationen über
die gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen von 65.000 Alltagsproduk-
ten, über welche die Kunden die Herkunft ihrer Artikel nachverfolgen können.12
Produktverantwortung Auf einer nächsten Stufe machen es sich Unternehmen zur Aufgabe,
alle negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die sich im gesamten Produktlebenszyklus
ergeben können, zu minimieren. Man macht sich schon im frühen Stadium der Produktent-
wicklung Gedanken über recycelbare oder wiederbenutzbare Materialien. Dies kann sich
nicht nur positiv auf die Umwelt auswirken, sondern auch auf den Gewinn. Viele Unterneh-
men haben hierzu umweltfreundliches Design (design for environment) und Cradle-to-
Cradle-Praktiken entwickelt. Das beinhaltet auch eine vorausschauende Planung von Pro-
dukten, die nach ihrem Gebrauch leichter zurückgewonnen, wiederverwendet, recycelt oder
der Natur sicher wieder zugeführt werden können und so Teil des ökologischen Kreislaufs
werden. Produktgestaltungen für die Umwelt und Kreislauf-Ansätze unterstützen nicht nur
die ökologische Nachhaltigkeit, sondern können für das Unternehmen auch hoch profitabel
sein.
Neue Umwelttechnologien Wenn Unternehmen bei der Vermeidung von Umweltverschmut-
zung und bei der Produktpolitik bereits gute Fortschritte gemacht haben, zukünftig aller-
dings noch umweltbewusster agieren möchten, ist es nötig, die Umweltverträglichkeit von
Herstellungsprozessen und Produkten mithilfe neuer Technologien zu erhöhen.
Vision der Nachhaltigkeit Schließlich kann ein Unternehmen eine Vision zur Nachhaltigkeit
entwickeln, die als Richtlinie für die Zukunft dient. Diese Vision legt die Richtung fest, wie
sich Produkte, Dienstleistungen, Prozesse und Unternehmenspolitik im Hinblick auf ihre
Umweltverträglichkeit entwickeln sollten. Die meisten Unternehmen konzentrieren sich
heute auf den oberen linken Bereich des Rasters in der Abbildung 20.3 und investieren sehr
stark in die Reinhaltung der Luft. Einige vorausschauende Unternehmen übernehmen Pro-
duktverantwortung und entwickeln neue Umwelttechnologien. Die Fokussierung auf nur
einen oder zwei Bereiche im Nachhaltigkeitsraster kann jedoch zu kurzsichtig sein. Mit
Investitionen nur in die linke Hälfte des Rasters kann sich ein Unternehmen heute vielleicht
gut positionieren, es macht sich aber in der Zukunft anfällig. Dagegen legt ein starker Fokus
auf die rechte Hälfte nahe, dass das Unternehmen eine gute ökologische Vision hat, es jedoch
an den Fähigkeiten zur Umsetzung mangelt. Daher sollten Unternehmen an der Entwicklung
aller vier Dimensionen der ökologischen Nachhaltigkeit arbeiten.
Der Umweltschutz stellt globale Marketingexperten vor besondere Herausforderungen. Da
internationale Handelsbarrieren wegfallen und sich die globalen Märkte ausdehnen, haben
ökologische Themen umso größeren Einfluss auf den internationalen Handel. Länder in
Nordamerika, der Europäischen Union und anderen entwickelten Regionen schaffen strenge
Umweltauflagen. So hat die EU in den vergangenen 30 Jahren eine Reihe bedeutender und

12 Paul Tyrrel, „Technology lets buyers unravel the ethics behind the label“, Financial Times, 16. Sep-
tember 2010, S. 16.

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20.4 Bewegungen zur Förderung von nachhaltigem Marketing

verschiedener Umweltmaßnahmen ergriffen, die eine Verbesserung der Umweltbedingungen


sowie der Lebensqualität für die europäischen Bürger zum Ziel haben. Das EU-Gremium
„Forum of Judges for the Environment“ fördert die Verstärkung der nationalen, europäischen
und internationalen Umweltgesetze. Um die Anwendung und Durchsetzung der Umweltge-
setzgebung in der Staatengemeinschaft zu unterstützen, wurde die Vereinbarung zur
Umwelthaftung, die Empfehlung zur Festlegung von Mindestkriterien bei Umweltuntersu-
chungen sowie die Vereinbarung zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht verabschie-
det. Daneben hat das Eco-Management and Audit Scheme der EU (EMAS, Gemeinschaftssys-
tem für das freiwillige Umweltmanagement) Richtlinien für die Selbstregulierung beim
Umweltschutz eingeführt.13
Nach wie vor jedoch unterscheiden sich die Umweltauflagen von Land zu Land erheblich.
Länder wie Dänemark, Deutschland, Japan und die USA verfügen über hoch entwickelte
Umweltprogramme, die Erwartungen der Öffentlichkeit sind enorm. Wichtige Schwellenlän-
der allerdings, wie die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), stehen
bei der Entwicklung solcher Programme noch am Anfang. Darüber hinaus haben Umweltfak-
toren, die Verbraucher in einem bestimmten Land motivieren, keinen Einfluss auf die Ver-
braucher in einem anderen Land. So dürfen Trinkflaschen aus PVC in der Schweiz oder
Deutschland nicht verwendet werden. In Frankreich sind sie aber beliebt, was zu einem
gewaltigen Recyclingprozess dort führt. Daher fanden es internationale Unternehmen
schwierig, einheitliche Umweltstandards zu entwickeln, die global funktionieren. Stattdes-
sen schufen sie allgemeine Grundsätze und übertrugen diese dann in konkrete maßgeschnei-
derte Programme, die den örtlichen Bestimmungen und Erwartungshaltungen entsprachen.
Aus Sicht des nachhaltigen Marketings stimuliert ein vorhandenes Umweltbewusstsein
Innovationen und schafft neue Ansätze für die Wirtschaft. Ein Apotheker in Indien beispiels-
weise erfand eine Möglichkeit, aus Müll Straßen zu bauen. Einkaufstüten und anderer min-
derwertiger Plastikmüll werden geschreddert, mit Schotter und Teer gemischt und anschlie-
ßend als Straßenoberfläche aufgebracht. Der Chemieprofessor und Erfinder des Verfahrens,
Rajagopalan Vasudevan, meint dazu: „Worin liegt der Sinn, Tausende von Rupien auszuge-
ben, wenn man es viel billiger machen kann?“ Billigere Straßen, mit denen Abfall recycelt
wird, zeigen, dass die Wirtschaft die Herausforderungen des Umweltschutzes annehmen
kann.14 Der Recycling-Spezialist Knowaste ist ein Unternehmen, das sich auf „saugfähige
Hygieneartikel“ spezialisiert hat (hauptsächlich Wegwerf-Windeln) und aus diesen neue Pro-
dukte wie Dachziegeln aus Plastik produziert. Unternehmerische Maßnahmen bieten viele
Beispiele für nachhaltige Strategien am Arbeitsplatz.15

20.4.3 Die öffentliche Meinung und ihr Einfluss auf die Marketingpraxis
Kritisieren Bürger oder Medien bestimmte Marketingpraktiken von Unternehmen, führt dies
heute schnell zu weitreichender Beachtung. In der öffentlichen Diskussion werden dann
häufig Forderungen nach gesetzlicher Regelung laut.

13 Siehe http://ec.europa.eu/environment/legal/implementation_en.htm und „What is EMAS?“, http:/


/ec.europa.eu/environment/emas/index_en.htm, Zugriff Juli 2015.
14 Akash Kapur, „It’s a future highway“, Bloomberg BusinessWeek, 10. Juli 2914, S. 55–57.
15 Kiki Loizou, „I won’t let babies mess up world“, The Sunday Times, 19. September 2011, S3, S. 13.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Die Politik reagiert mit dem Entwurf von Vorschlägen zur Gesetzgebung. Vieles wird abge-
lehnt, anderes wird geändert und aus einigen Vorschlägen entstehen Gesetze. Tabelle 20.1
zeigt Bereiche gesetzlicher Regelungen, die für das Marketing relevant sind.

Keine Bestechung!
Keinen Geheimnisverrat fördern!
Kunden nicht herabsetzen!
Verkaufspraxis und Verkaufspolitik Nur richtige Daten und Fakten verwenden!
Käuferrechte nicht verschweigen!
Nicht diskriminieren!
Keine unwahre Werbung!
Werbeentscheidungen Keine täuschende Werbung!
Keine Werbung mit Lockvogelangeboten!
Exklusivhändler möglich?
Gebietsschutz für die Händler?
Vertriebswegentscheidungen Lose oder feste Bindungen?
Welche Rechte für die Partner?
Marktbeherrschung durch Unternehmenskauf?
Wettbewerbsrelevantes Verhalten Werden Marktzutrittsschranken errichtet?
Kein Konkurrenzkampf bis aufs Messer!
Aufnahme neuer Produkte
Aufgabe alter Produkte
Produktentscheidungen Patentschutz und Lizenzverkehr
Umfang und Dauer der Gewährleistung
Produktqualität und -sicherheit
Ehrliche Verpackung und Beschriftung!
Faire Berechnung Versand/Verpackung!
Verpackung Lizenznehmer Recycling/Grüner Punkt?
Respektierung der Umweltanforderungen!
Sind Preisempfehlungen erlaubt?
Ist Preisbindung zulässig?
Wer empfindet Preisdiskriminierung?
Preisfestlegungen Sind Mindestpreise anwendbar?
Sind Preissteigerungen durchsetzbar?
Preisauszeichnungspflicht beachtet?
Tabelle 20.1: Marketing und Rechtsordnung

Sowohl auf europäischer als auch auf einzelstaatlicher Ebene existieren Gesetze und Vor-
schriften, die teilweise einschneidende Wirkung auf das Marketing haben. Diese gesetzlichen
Regelungen sind nun aus der Sprache der Juristen in eine Sprache, die die Marketingleitung
im Unternehmen versteht, zu übersetzen und bei Entscheidungen in Bezug auf Wettbewerbs-
beziehungen, auf die Produkte, die Preise, die Verkaufsförderung und auf die Vertriebskanäle
zu berücksichtigen.

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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing

20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing


Viele Unternehmen haben sich zunächst der Verbraucherbewegung und der Umweltbewe-
gung verweigert. Sie hielten Kritik aus diesen Gruppierungen entweder für ungerecht oder
einfach für unbedeutend. Heute sind die meisten Unternehmen bereit, die neuen Verbrau-
cherrechte zumindest zu akzeptieren. Möglicherweise halten sie noch die eine oder andere
Bestimmung zugunsten der Verbraucher für unangemessen, aber im Großen und Ganzen
akzeptieren sie deren grundsätzliche Rechte auf Verbraucherschutz und Information und
berücksichtigen diese, um die Bedürfnisse der Konsumenten bestmöglich zu befriedigen,
ihnen hohen Nutzen zu bieten und langfristige Beziehungen zu ihnen aufzubauen.

20.5.1 Prinzipien des nachhaltigen Marketings


Der Grundgedanke des nachhaltigen Marketings ist, dass das zentrale Erfolgskriterium für
das Marketing eines Unternehmens seine langfristig erbrachte Leistung ist. Das Konzept des
nachhaltigen Marketings bedeutet, dass ein Unternehmen die Bedürfnisse seiner derzeitigen
Kunden befriedigen sollte, ohne die Möglichkeit zukünftiger Generationen zu schmälern,
ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Das nachhaltige Marketing folgt fünf Leitlinien:
Kundenorientierung, dauerhafte Wertsteigerung als Ziel des Marketings, Innovation als
Angebotsprinzip, Marketing mittels einer Unternehmensmission und wohlfahrtsbedachtes
Marketing.

Kundenorientierung
Kundenorientiertes Marketing bedeutet, dass das Unternehmen seine Marketingaktivitäten
aus der Perspektive des Kunden entwickelt. Alle Anstrengungen sind darauf gerichtet, die
Bedürfnisse einer definierten Kundengruppe zu ermitteln und in der Folge zu bedienen und
zu befriedigen. Erfolgreiche Unternehmen haben eines gemeinsam – sie haben das Ziel, ihren
sorgfältig ausgewählten Kunden den höchstmöglichen Wert zu liefern. Nur wenn das Unter-
nehmen es schafft, sich in die Kunden hineinzuversetzen, kann es andauernde und profita-
ble Beziehungen mit ihnen aufbauen.

Dauerhafte Wertsteigerung als Ziel des Marketings


Der Ansatz des aufgeklärten Marketings verlangt den Aufbau langfristiger Kundentreue,
indem kontinuierlich der Nutzen verbessert wird, den die Kunden aus den Produkten des
Unternehmens ziehen können. Mit ausgefallenen Verkaufsförderungsaktionen, kaum wahr-
nehmbaren Verpackungsänderungen oder schnell verpuffender Werbung lässt sich der
Absatz eines Produkts immer nur über kurze Zeit steigern. Verbesserungen bei der Produkt-
qualität, Erweiterungen der Nutzungsmöglichkeiten oder mehr Komfort sind hingegen Inves-
titionen in die Zukunft, die langfristiger und nachhaltiger wirken.

Innovation als Angebotsprinzip


Innovation als Angebotsprinzip im Marketing erfordert, dass das Unternehmen kontinuier-
lich echte Verbesserungen am Produkt und im Marketing anstrebt. Ein Unternehmen, das
diese Aufgabe vernachlässigt, riskiert es, Kunden an Konkurrenzunternehmen zu verlieren,
die bessere Produkte und bessere Lösungen entwickelt haben.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Nehmen wir zum Beispiel die Geschichte von Nike.16


In fast 50 Jahren innovativen Marketings hat Nike aus dem allgegenwärtigen Flügel der Sie-
gesgöttin Nike eines der weltweit bekanntesten Markenzeichen gemacht. Als die Umsätze
Ende der 1990er-Jahre stagnierten und neue Wettbewerber Gewinne erzielten, wusste Nike,
dass es sich über Produkt- und Marketinginnovation neu erfinden musste. „Eine meiner
größten Ängste war, dass wir zu einem dieser großen, behäbigen, trägen, bürokratischen
Unternehmen werden, das einfach mit dem Erreichten zufrieden ist“, sagt Nike-Vorstand
Mark Parker. Stattdessen brachte ein erfolgshungriges Nike in den letzten Jahren eine Reihe
höchst erfolgreicher neuer Produkte auf den Markt. So hat Nike mit dem neuen Flyknit Racer
nicht weniger als die Herstellungsweise von Schuhen neu erfunden. Der superleichte Flyknit
fühlt sich eher wie Socken an den Füßen an. Das Material ist gewoben, nicht genäht, was den
Flyknit besonders bequem und haltbar, kostengünstiger in der Herstellung und umwelt-
freundlicher macht als herkömmliche Sneaker. Zu den neuen Spitzenprodukten kommen
massive Investitionen in Social-Media-Inhalte; damit bleibt Nike der größte Sportbeklei-
dungshersteller der Welt – und übertrifft den schärfsten Konkurrenten Adidas um eindrucks-
volle 25 Prozent.

Marketing mittels einer Unternehmensmission


Dieser Ansatz bedeutet, dass man eine Unternehmensmission definiert und präsentiert.
Diese bezieht sich auf das gesamte gesellschaftliche Umfeld und nicht nur auf einige wenige
Produktlinien. Die Definition einer derartigen Mission erhöht die Identifikation der Mitarbei-
ter mit „ihrem“ Unternehmen und verschafft ihnen eine klarere Vorstellung über geltende
Ziele und Strategien. Marken, die mit einer breiter definierten Unternehmensmission ver-
knüpft sind, können die langfristigen Interessen der Marke und der Konsumenten besser
bedienen.
In vielen deutschen oder europäischen Unternehmen finden wir eine derartige Mission, die
das Unternehmen als Ganzes betrifft. Ein Beispiel ist das Unternehmen Hipp aus Pfaffenho-
fen/Bayern.

16 Siehe Austin Carr, „Nike: The no. 1 most innovative company of 2013“, Fast Company, März 2013,
www.fastcompany.com/most-innovative-companies/2013/nike und Haydn Shaughnessy, „The wor-
ld’s most innovative companies, a new view“, Forbes, 13. Januar 2014, www.forbes.com/sites/
haydnshaughnessy/2014/01/13/anew-way-of-looking-at-the-worlds-most-innovative-companies/.

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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing

Marketing-Highlight: „HiPP – das Beste aus der Natur, das Beste


für die Natur“

HiPP auf einen Blick


Gründung 1932, ca. 3.500 Mitarbeiter, ca. 950 Millionen Euro weltweiter Umsatz (2016),
Geschäftssitz Pfaffenhofen/Ilm. Im Pfaffenhofener Werk werden täglich eine Million
Gläschen mit Babybrei gefüllt. Über 330 Artikel sind im Sortiment.
Die Familie Hipp war schon seit etwa 400 Jahren in Pfaffenhofen in Landwirtschaft und
Handwerk tätig. Hipp-Zwiebackmehl war schon um die Wende zum 20. Jahrhundert ein
Begriff in Bayern. Im Jahre 1956 begann Georg Hipp mit dem Anbau von Obst und
Gemüse auf naturbelassenen Böden ohne Chemikalien. Die Söhne Claus, Georg und
Paulus leisteten Überzeugungsarbeit und bauten ein Netz von 6.000 Bio-Landwirten auf.
„Gesunde Lebensmittel im Einklang mit der Natur herzustellen – diese Unternehmens-
philosophie ist uns Verpflichtung gegenüber den Babys und Kleinkindern. Danach han-
deln wir bereits seit Jahrzehnten und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“
Dafür steht auch die nächste Generation des Familienunternehmens unverändert.
Das Unternehmen ist heute weltweit größter Verarbeiter organisch-biologisch angebauter
Rohstoffe. Die Lieferanten erhalten Verträge mit umfangreichen ökologischen Auflagen,
wie zum Beispiel: Kontrolle von der Aussaat bis zur Ernte, kein Einsatz von chemisch-
synthetischen Spritzmitteln, natürliche Methoden der Schädlingsbekämpfung, artge-
rechte Tierhaltung und kein Einsatz von Masthilfsmitteln – um nur einige zu nennen.

Unternehmensphilosophie und Ethik-Management des Hauses HiPP


Die Diskussionen über den allgemeinen Werteverfall in der Gesellschaft, die Auswir-
kungen kurzfristiger Kapitalorientiertheit in der weltweiten Wirtschaft, fehlende Verant-
wortung gegenüber Mitarbeitern und Gesellschaft und fehlende ethische Werte nahm
man bei HiPP im Jahr 1999 zum Anlass, ein internes Ethik-Management einzuführen. Es
bildet die Philosophie, die das Unternehmen und seine Mitarbeiter als Basis ihres Han-
delns verinnerlicht haben, und soll den Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten helfen,
ihr gemeinsames unternehmerisches Handeln reflektieren und bejahen zu können.
Um die allgemeinen Gedanken zur Unternehmensethik in der Praxis mit Leben zu fül-
len, hat HiPP eine Ethik-Management-Konzeption entwickelt, die sich aus einer Ethik-
Erklärung, dem Ethik-Management-Programm und einer Ethik-Charta zusammensetzt.
In der Ethik-Erklärung verpflichtet sich das Unternehmen unter anderem dazu, in
Zukunft bewusst als ethisches Unternehmen aufzutreten. Das Ethik-Management-Pro-
gramm schreibt die Verfahrensweisen vor, in denen HiPP Ethik-Management betreiben
will, und regelt seine organisatorische Verankerung im Unternehmen sowie die Kom-
munikationsformen nach innen und außen. Die Ethik-Charta schließlich ist die Samm-
lung aller Regeln, die zur Orientierung des Handelns bei HiPP dienen sollen. Eine aktu-
elle Fassung der sich stetig weiterentwickelnden Charta ist allen Mitarbeitern in der
Nähe ihres Arbeitsplatzes als Handbuch sowie digital zugänglich. Sie befasst sich mit
dem Verhalten am Markt, dem Verhalten gegenüber Mitarbeitern und jenem der Mitar-
beiter, dem Verhalten gegenüber Staat und Gesellschaft und dem Verhalten in der
Umwelt.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Hier ein Auszug aus der Ethik-Charta zum Verhalten gegenüber Kunden:
Regel: Kunden von HiPP als Partner am Markt können sich darauf verlassen, dass HiPP
sich an die Spielregeln des jeweiligen Marktes hält und unlautere Methoden zur Vorteil-
serlangung nicht Stil des Hauses sind. HiPP achtet darauf, dass Vertrauen mit Vertrauen
und Entgegenkommen mit entsprechender Anerkennung honoriert wird. Ist aber eine
vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich oder erwünscht, müssen die Marktpart-
ner mit angepasstem Verhalten von HiPPs Seite rechnen.
Grund: HiPP ist ein Unternehmen, das nicht kurzsichtig auf die Erzielung von kurzfris-
tigen Gewinnen aus ist, sondern langfristig so erfolgreich wie möglich sein will. Dazu
aber ist eine langfristig vertrauensvolle, auf beiderseitigen Vorteil achtende Zusammen-
arbeit mit den Kunden eine notwendige Voraussetzung.
Folge: Von HiPP-Mitarbeitern, die mit Kunden in Kontakt stehen, wird erwartet, dass sie
mit Ausrichtung auf den langfristigen Erfolg ihres Unternehmens alles Mögliche zum
Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen HiPP und den Kunden tun. Ihr
diesbezüglicher Erfolg ist in der Mitarbeiterbeurteilung präzise zu erfassen.
Zudem publiziert das Unternehmen HiPP einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht
mit Umwelterklärung, die wiederum entsprechend der EU-Umwelt-Audit-Verordnung
zertifiziert ist. HiPP ist dafür mehrfach, teils an erster Stelle, mit Preisen für das konse-
quente Umwelt-Management und für diese Berichterstattung ausgezeichnet worden. So
wurde beispielsweise der Standort Pfaffenhofen konsequent auf regenerative Energien
umgestellt: Die Energie für die Heizungen und die Produktion wird von einem Bio-
masse-Heizkraftwerk geliefert und die beiden Kesselhäuser, die mit Heizöl und Erdgas
befeuert wurden, wurden stillgelegt.
Der elektrische Strom ist zu 100 % CO2-neutral, denn er wird in Wasserkraftwerken am
Hochrhein hergestellt. Zusätzlich erzeugen die HiPP-Photovoltaikanlagen ca. 45.000
kW/h Strom/Jahr. Ältere Gebäude wurden mit einem effizienten Wärmeschutz verse-
hen. Die organischen Abfälle werden in landwirtschaftliche Biogasanlagen geliefert, die
ca. 2 Millionen kW Strom/Jahr erzeugen.
Quelle: HiPP GmbH & Co. Vertrieb KG, Webseite unter: www.hipp.de [12.02.2018]

Wohlfahrtsbedachtes Marketing
Wenn ein Unternehmen den Grundsätzen des wohlfahrtsbedachten Marketing folgt, so wer-
den die Marketingentscheidungen entsprechend den Wünschen und langfristigen Interessen
der Konsumenten, den Zielen des Unternehmens und den langfristigen Interessen der Gesell-
schaft insgesamt getroffen.
Das Unternehmen ist sich dessen bewusst, dass sowohl den Kunden als auch der Gesell-
schaft ein schlechter Dienst erwiesen wird, wenn langfristige Bedürfnisse nicht berücksich-
tigt werden.
Ein verantwortungsvoll arbeitendes Unternehmen entwickelt und verkauft Produkte, die
nicht nur einen kurzfristigen Anreiz bieten, sondern auch auf lange Sicht einen Nutzen für
den Käufer aufweisen. Wie sich Produkte anhand dieser beiden Dimensionen klassifizieren
lassen, wird aus Abbildung 20.4 ersichtlich.

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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing

Sofortige Bedürfnisbefriedigung
gering hoch

hoch Nützliche Produkte Idealprodukte


Kundennutzen
Langfristiger

gering Unzulängliche Produkte Genussprodukte

Abbildung 20.4: Gesellschaftsorientierte Klassifikation von Produkten

Genussprodukte Genussprodukte verschaffen schnelle Befriedigung, können jedoch dem


Käufer auf lange Sicht schaden. Beispiele sind Pralinen, Alkohol oder Zigaretten.
Nützliche Produkte Zu der Gruppe der nützlichen Produkte gehören Sicherheitsgurte oder
Airbags im Auto. Diese Produkte strahlen einen geringen sofortigen Anreiz aus, haben jedoch
auf Dauer großen Nutzen für den Käufer.
Unzulängliche Produkte Dazu müsste man eine schlecht schmeckende Medizin rechnen, die
keine Wirkung zeigt. Unzulängliche Produkte beinhalten weder einen Anreiz noch langfristi-
gen Nutzen.
Idealprodukte Produkte mit sofort wirksamen Anreizen und langfristigem Nutzen. Ein Bei-
spiel für Idealprodukte sind gesunde Cerealien, die gut schmecken.
Unternehmen sollten versuchen, all ihre Produkte begehrenswert zu machen. Die Herausfor-
derung bei ansprechenden Produkten liegt darin, dass sie sich gut verkaufen, dem Verbrau-
cher letztlich aber schaden könnten. Die Chance dieser Produkte besteht daher darin, zusätz-
liche langfristige Vorteile zu schaffen, ohne die attraktive Produktqualität zu schmälern. Bei
gesundheitsfördernden Produkten ist es wichtig, ansprechende Eigenschaften hinzuzufügen,
sodass sie in der Wahrnehmung der Kunden begehrenswerter werden.
Ein Beispiel für eine besondere Art von Produkt, das vor allem einen großen gesellschaftli-
chen Nutzen bringen soll, stellt der Computer Rasperry Pi dar.

Marketing-Highlight: Der Rasperry Pi – ein besonderer Computer

Das Programm „One Laptop Per Child“ (OLPC, ein Laptop pro Kind) startete an der US-
amerikanischen technischen Hochschule MIT (Massachusetts Institute of Technology) und
führte zu einem revolutionären Wandel im weltweiten Geschäft mit Laptops – sowohl
direkt durch die OLPC-Innovation, aber wichtiger noch indirekt durch den Einfluss dieser
Innovation auf die Computerbranche. Das Ziel, sehr preiswerte Laptops für Kinder in den
Schwellenländern zu produzieren, sorgte für ein enormes Umdenken bei den etablierten
Herstellern; die Produktion günstiger Laptops sollte die Verfügbarkeit von Computern und
den Internetzugang für Kinder in aller Welt verbessern. Die Initiative brachte Neuerungen
wie die Markteinführung des Aakash-Tablets („Sky“ in Hindi) zum Preis von 35 US-Dollar
hervor, das in Indien als Schulrechner genutzt wird – und damit um 200 US-Dollar günsti-
ger ist als das vergleichbare OLPC-Modell. Die OLPC-Initiative sorgte für einen sozialen
Mehrwert – preiswerte Laptops für Schulen in den Schwellenländern – sowohl durch
eigene Maßnahmen als auch durch neue Geschäftsgelegenheiten für andere Unternehmen.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

In einer ganz eigenen Entwicklung brachte ein Team von Computer-Spezialisten im Feb-
ruar 2012 an der Cambridge-Universität in Großbritannien den Raspberry Pi auf den
Markt. In den ersten sechs Monaten verkaufte sich der Pi etwa 500.000 Mal. Es handelt
sich dabei um einen Computer in Kreditkartengröße für junge Menschen, die sich für
das Programmieren von Computern interessieren. Der Pi wurde nach dem BBC Micro
entwickelt – ein einfaches Gerät mit roten und weißen Tasten, das in den 1980er-Jahren
einer ganzen Generation von Softwareunternehmern das Programmieren beibrachte. Der
Raspberry Pi kostet je nach Modell gerade einmal zwischen 15 und 22 Pfund.
Der 34-jährige Eben Upton ist einer der Köpfe hinter dem Raspberry Pi. Das Geschäft
wurde 2009 als gemeinnützige Organisation gegründet – sämtliche Gewinne flossen in
Bildungsprojekte und das Projekt startete mit nur einem Vollzeit-Mitarbeiter – Uptons
Ehefrau Liz, die sich um soziale Medien und Marketing kümmerte. Der Pi sieht nicht
schön aus. Er hat keine schlanke Hülle, sondern ein offenes grünes Schaltbrett mit Sili-
konchips – Prozessor, Video-Einheit, Verbindungen und einen angelöteten Ethernet-
Port. Man schließt es an den Fernseher an und bedient es über Tastatur und Maus. Die
Grafik allerdings ist besser als bei einigen Spielekonsolen und es kann Filme in Blu-
Ray-Qualität wiedergeben. Der Pi nutzt ein offenes Linux-Betriebssystem.
Der abgespeckte Computer ist Teil einer Maßnahme, um die Programmierfähigkeiten
britischer Kinder zu fördern und lässt die 1980er-Jahre wieder aufleben, als Hunderttau-
sende von Schülern an Rechnern wie dem ZX Spectrum und dem Commodore 64 das
Programmieren lernten. Ein großer Teil der Computerspiele-Branche im Vereinigten
Königreich stammt von Gründern, die als Jungs mit diesen Geräten in ihren Kinderzim-
mern experimentierten.
Doch der Pi ist nicht nur billig, er ist auch flexibel. Er kann von Anfängern bedient wer-
den und löst viele praktische Probleme. Der Kenya Wildlife Service nutzt eine Reihe
von Raspberry Pis als preiswerte Methode zur Steuerung versteckter Kameras, mit
denen gefährdete Tierarten beobachtet werden. In Süd-Wales, wo die Geräte hergestellt
werden, programmierte man ein Raspberry Pi zum Betrieb der Testabteilung der Fabrik,
da er billiger und schneller funktioniert als ein PC. An der Spitze aber stehen Tausende
von „Hobby-Programmierern“, die mit den Geräten experimentieren und sie weiterent-
wickeln. Ein Nutzer beispielsweise baute mit dem Raspberry Pi eine selbst entworfene,
zwitschernde Katzenklappe – diese macht Fotos von der Katze und zwitschert jedes Mal
Beifall, wenn die Klappe benutzt wird. Hauptsächlich ging es den Gründern der Initia-
tive darum, Kinder zur Entwicklung ihrer eigenen Anwendungen zu animieren – indem
man ihnen einen preiswerten Computer für eigene Zwecke zur Verfügung stellte, mit
dem das Programmieren zu einer Selbstverständlichkeit wurde. Das Ziel ist, den Com-
puterunterricht an Schulen kindgerechter zu machen. Die Gründer hoffen, dass ihr Pro-
jekt letztlich jedes Jahr 1.000 neue Computer-Ingenieure im Vereinigten Königreich her-
vorbringt. Nun, da das Projekt aktiv ist, können Upton und seine Kollegen sich wieder
dem Unterrichten im Programmieren widmen.
Da die Universitäten vor Raspberry Pi sinkendes Interesse und Studentenzahlen ver-
zeichneten, sahen sich Upton und seine Kollegen veranlasst, etwas dagegen zu tun. Aus
diesem Team entstand die Raspberry Pi Foundation. Mithilfe örtlicher Investoren sam-
melten sie 126.000 Pfund für die Entwicklung eines Prototyps als Nachfolger für das
BBC Micro.

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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing

Es gab vier Kriterien für das neue Gerät: Es musste auch für andere Aufgaben als das
Programmieren interessant, robust, so preiswert wie ein Lehrbuch und mit einer Soft-
ware ausgestattet sein. Als eine frühe Version dann einem Technik-Redakteur von BBC
vorgestellt wurde, verbreitete sich das Video versehentlich 800.000 Mal. Unbeabsichtigt
hatte man 800.000 Menschen einen Computer versprochen!
Die Organisation nutzte das Gründungskapital, um die Herstellung der ersten 10.000 Pis
zu finanzieren. Die Nachfrage ging zum Verkaufsstart im Februar 2012 durch die Decke
– die Bestellungen übertrafen den Bestand um das Zehnfache, die Webseiten der Liefe-
ranten brachen zusammen, Bestellungen wurden auf ein Gerät pro Person begrenzt und
Tausende Pis wurden über eBay verkauft. Die erste Produktionsauflage war innerhalb
weniger Stunden ausverkauft. Schnell entschieden sich die Gründer, die Lizenz für die
Herstellung an die Firma Premier Farnell and RS Components zu vergeben, die Compu-
ter in China produzierte. Egoman stellt eine Version nur für den Verkauf in China und
Taiwan her. Ein Teil der Produktion wurde seitdem nach Wales verlagert. Die Geschäfts-
partner zahlen für jedes verkaufte Gerät eine Provision an die Gründer. Dieses
Geschäftsmodell ist eine Partnerschaft zwischen einer gemeinnützigen Organisation mit
Bildungszweck und gewinnorientierten Herstellern und Lieferanten. Zugegebenerma-
ßen wurde die Organisation zum Teil für die Geheimhaltung des Designs kritisiert – die
Software ist bekannt, über die Hardware weiß man nichts. Die Hersteller können so ihre
Investitionen wieder hereinholen, indem sie Imitationen unmöglich machen.

Abbildung 20.5: Raspberry Pi 2 Modell B


(Quelle: Multicherry (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Raspberry_Pi_2_Model_B_v1.1_top_new_(bg_cut_out).jpg),
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode)

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

Zwei Drittel der Umsätze wurden in Amerika und Europa erzielt, ein Drittel in Afrika
und Asien; hier benötigen die Haushalte preiswerte Computer, die einfach an den Fern-
seher angeschlossen werden können. Eine noch preiswertere Version des Pi kam Ende
2012 auf den Markt. Ende 2013 hatte sich der Pi 1,8 Millionen Mal verkauft. Raspberry
Pi startete als gemeinnützige Organisation, da es nur eine geringe Zahl von Chips für die
Geräte benötigte und diese über geschäftliche Transaktionen erhielt. Als gewinnorien-
tiertes Unternehmen hätte Raspberry Pi wesentlich kleiner anfangen oder Eigenkapital
aufbringen müssen – in beiden Fällen hätte der Verkaufspreis eines Gerätes bei 60 – 120
Pfund gelegen. Die Innovation ist nicht der Computer an sich, sondern auch das
Geschäftsmodell. Angestrebt wird der Verkauf von einer Million Pis pro Jahr an Bil-
dungseinrichtungen und eine Million „Hobbyprogrammierer“.
Quellen: Oliver Shah, „Geeks go mad for a bit of Pi – Raspberry Pi, the £15 computer“, The Sunday
Times, 2. September 2012, S. 1 & S. 9; Sean Poulter, „£22 App factoryW“, Daily Mail, 1. März 2012,
S. 31; Maija Palmer, „Raspberry Pi minicomputer sells out“, Financial Times, 1. März 2012, S. 2;
Jonathan Moules, „An unexpected slice of success“, Financial Times, 2. Oktober 2013, S. 14; Kate
Bevan, „how smart homes put a price on data“, Financial Times, 17. Mai 2015; Mark Odell, „BBC
to give 1M computers to children“, Financial Times, 12. März 2015, Sally Davies, „Raspberry Pi
launches its smallest, cheapest device yet“, Financial Times, 10. November 2014.

20.5.2 Ethik in Wirtschaft und Marketing


Jedes Unternehmen muss für sich eine Philosophie gesellschaftlich verantwortbaren und
moralisch einwandfreien Verhaltens festlegen. Auf lange Sicht schadet unethisches Marke-
ting den Kunden von Unternehmen und der Gesellschaft als Ganzes. Weiterhin beeinträchtigt
es letztlich den Ruf eines Unternehmens und dessen Effektivität, wodurch sein Überleben
gefährdet ist. Die nachhaltigen Marketingziele bezüglich des langfristigen Wohlergehens von
Verbrauchern und Unternehmen können nur durch ethische Handlungsweisen im Marketing
erreicht werden. Entsprechend dem Konzept des nachhaltigen Marketings sollte jeder Ver-
antwortliche über das hinausblicken, was legal und zugelassen ist, und Normen festlegen,
die auf persönlicher Integrität, einem „Gewissen“ des Unternehmens und dem beabsichtig-
ten Wohlergehen des Käufers beruhen. Klar und verantwortungsvoll formulierte Grundwerte
erleichtern es den Entscheidungsträgern, die vielen ethisch-moralisch relevanten Fragen, die
an sie im Tagesgeschäft herangetragen werden, zu beantworten. Solche Richtlinien beziehen
sich in der Regel auf die Beziehungen zu den Händlern, auf Werbestandards, Kundendienst,
Preissetzung, Produktentwicklung und allgemeine ethische Standards.
Auch die besten Richtlinien können nicht alle ethischen Probleme lösen, die Marketingexper-
ten bewältigen müssen. Die nachfolgende Tabelle 20.2 zeigt einige schwierige ethische The-
menbereiche, mit denen sich Marketingverantwortliche im Laufe ihrer Tätigkeit auseinander-
setzen müssen. Entscheiden sich die Marketingexperten, in all diesen Fällen Maßnahmen zur
Umsatzsteigerung zu treffen, könnte ihr Vorgehen als unsittlich oder gar unmoralisch betrach-
tet werden. Verweigern sie sich dagegen sämtlichen dieser Maßnahmen, gelten sie möglicher-
weise als ineffektive Marketing-Manager und leiden unter dem anhaltenden moralischen
Druck. Manager benötigen feste Vorgaben, die ihnen helfen, die moralische Bedeutung jeder
Situation zu erfassen und zu entscheiden, wie weit sie mit gutem Gewissen gehen können.
Die folgende Auswahl stellt einige nicht einfach zu lösende Situationen als Beispiele für
„moralische Verantwortung im Marketing“ vor. Überlegen Sie sorgfältig, skizzieren Sie Ihre
Lösungsvorschläge und bringen Sie diese in die Diskussion ein.

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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing

Stellen Sie sich vor, Sie würden für eine Zigarettenfirma arbeiten. Bisher waren Sie noch nicht davon überzeugt, dass
Zigarettenrauchen Lungenkrebs verursachen kann. Auf Ihren Schreibtisch kommt eine neue wissenschaftliche Stu-
die, die genau diesen Zusammenhang belegt und nun auch Sie überzeugt.
Wie verhalten Sie sich?
Ihre Entwicklungsabteilung hat eines der Produkte geändert. Es ist zwar nicht wirklich „neu und besser“, aber wenn
Sie das auf die Verpackung schreiben und damit Werbung machen, wird der Absatz zunehmen.
Was werden Sie tun?
Als Produktmanager sollen Sie ein Einfachgerät zu Ihrer Produktlinie hinzufügen, das als Lockvogelangebot Kunden
in die Läden ziehen soll. Obwohl dieses Produkt nicht sehr gut sein soll, erwartet man von Ihnen, dass Sie dieses
Vorgehen unterstützen.
Was werden Sie tun?
Einer Ihrer besten Verkäufer in einem wichtigen Vertriebsgebiet hat Ehe- und Familienprobleme. Dadurch ist sein
Absatz zurückgegangen. Es sieht so aus, als ob er noch eine ganze Weile brauchen würde, um wieder Tritt zu fassen.
Inzwischen würden Sie Marktanteile verlieren. Entsprechend der Rechtslage wären Sie vermutlich berechtigt, den
Vertrag mit ihm zu kündigen und ihn zu ersetzen.
Wie verhalten Sie sich?
Sie stehen in Verhandlungen über einen Großauftrag, der für Ihr Unternehmen und für Sie selbst viel bedeutet. Der
Einkäufer der Gegenseite gibt einen Wink, dass eine „Aufmerksamkeit“ für ihn die Entscheidung günstig beeinflus-
sen würde. Ihre Sekretärin schlägt vor, dem Mann ein wertvolles Fernsehgerät nach Hause zu schicken.
Was werden Sie tun?
Ihre Werbeagentur hat für die kommende Kampagne drei Konzepte entworfen:
 Konzept A ist eine ehrliche, sanfte und auf fairer Information basierende Kampagne.
 Kampagne B setzt sexgeladene emotionale Appelle ein und übertreibt die Vorteile des Produkts maßlos.
 Kampagne C ist laut und schrill und erregt sicher die Aufmerksamkeit des Publikums.
Tests haben ergeben, dass die Kampagnen in folgender Reihenfolge erfolgversprechend sind: C, B, dann A.
Wie werden Sie sich entscheiden?
Tabelle 20.2: Schwierige Situationen zum Thema „moralische Verantwortung im Marketing“

Wo liegt die Grenze zwischen Gut und Böse?


 Ist das erlaubt, was nicht verboten ist, oder ist das verboten, was nicht ausdrücklich
erlaubt ist?
 Welche Grundsätze sollten Unternehmen und Marketingverantwortliche in Bezug auf
Ethik und gesellschaftliche Verantwortung beachten?
Eine Antwort auf diese Fragen wäre, dass die Wirtschaftsordnung und der gesetzliche Rah-
men die Grenzen festlegen. Danach wären Unternehmen und ihre leitenden Mitarbeiter nicht
für moralische Bewertungen zuständig. Mit gutem Gewissen könnten Unternehmen das tun,
was das Gesetz erlaubt.
Eine andere Meinung spricht die Verantwortung nicht dem System zu, sondern den einzel-
nen Unternehmen und ihren Verantwortlichen. Dieser Standpunkt verlangt, dass ein Unter-
nehmen ein „soziales Gewissen“ hat. Unternehmen und ihre Repräsentanten sollten hohe
Maßstäbe von Ethik und Moral anlegen, ungeachtet dessen, was das System noch erlaubt.
Leider liefert die Wirtschaftsgeschichte eine lange Aufzählung von Unternehmensaktivitäten,
die zwar erlaubt, aber in höchstem Maße unverantwortlich waren.
Wie beim Umweltschutz liegen auch in der Ethik besondere Herausforderungen für internatio-
nale Marketingexperten. Die Branchenstandards und Regelungen unterscheiden sich enorm

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

von Land zu Land. Staaten wie das Vereinigte Königreich und die USA haben konsequente
Anti-Korruptionsgesetze eingeführt und durchgesetzt. So ist im britischen Anti-Korruptionsge-
setz von 2011 der neue Tatbestand der versäumten Verhütung von Bestechung durch Personen,
die im Auftrag eines Unternehmen tätig sind, enthalten, neben dem bereits bestehenden Straf-
tatbestand der Zahlung, des Versprechens oder des Angebots eines Bestechungsgelds im In-
und Ausland. Die Strafen für Bestechung wurden auf zehn Jahre Haft und Geldstrafen in unbe-
grenzter Höhe verschärft. Das britische Anti-Korruptionsgesetz ist heute umfassender als das in
den USA.17 Auch Bestechungsgelder und geheime Lohnrückzahlungen sind für US-Firmen
illegal. Daneben wurden eine Reihe von Abkommen gegen Bestechung und Korruption von
mehr als 60 Staaten vereinbart und ratifiziert. Und doch ist Korruption in vielen Staaten noch
immer gängige Praxis.
Die Weltbank schätzt, dass insgesamt mehr als eine Billion Dollar an Bestechungsgeldern
jährlich weltweit gezahlt werden. Eine Studie belegt, dass Bestechungsgelder am skrupello-
sesten von Firmen aus Indonesien, Mexiko, China und Russland fließen. Weitere Länder, in
denen Korruption an der Tagesordnung ist, sind Sierra Leone, Kenia und der Jemen. Am
wenigsten korrupt sind Unternehmen in Australien, Dänemark, Finnland und Japan.18 Es
stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen seine ethischen Standards senken muss, um in
Ländern mit niedrigeren Ansprüchen wettbewerbsfähig zu sein. Die Antwort ist nein. Unter-
nehmen sollten sich zu gemeinsamen Leitlinien weltweit verpflichten. Das langfristige
Risiko, dies nicht zu tun, ist schlicht zu hoch. Die globale Pharmaindustrie steht vor dem rie-
sigen Problem, sich aus den Marketing-Strategien ihres Geschäftsmodells zurückzuziehen,
die ehemals gang und gäbe waren, heute aber als völlig inakzeptabel gelten und von Regie-
rungen sanktioniert werden – Anreize für Mediziner, bestimmte Arzneimittel zu verordnen,
galten einmal als legitime Absatzförderung, werden heute jedoch als Bestechungsversuche
und Korruption angesehen. Den beschuldigten Unternehmen drohen enorme Geldstrafen
und rechtliche Schritte.
Mittlerweile haben auch viele Branchen- und Berufsverbände ihren Mitgliedern Regeln für
unternehmerisches Wohlverhalten im Sinne einer „Ethik der wirtschaftlichen Betätigung“
vorgeschlagen und weltweit verpflichten sich viele Unternehmen zu ethisch einwandfreiem
Verhalten. Bei den meisten Großunternehmen gibt es heute Verhaltensrichtlinien, an die sich
alle Mitarbeiter zu halten haben. Darüber hinaus existieren seit einigen Jahren auf internatio-
naler Ebene Bemühungen, einen verbindlichen Verhaltenskodex festzuschreiben.
Lippenbekenntnisse allein helfen jedoch nicht im Bereich des ethisch korrekten Verhaltens
von Unternehmen. Diese Angelegenheiten müssen insbesondere den verantwortlichen Mitar-
beitern in Fleisch und Blut übergehen. Moralisch einwandfreies Verhalten im Wirtschaftsle-
ben muss ein integraler Bestandteil der Organisation sein, ein Stil, Geschäfte zu machen, der
tief im Unternehmen verwurzelt ist. In jedem Wirtschaftsunternehmen sollte moralisch ein-
wandfreies Verhalten eine Tradition darstellen, die von Generation zu Generation vorgelebt
und an Mitarbeiter auf allen Ebenen weitergegeben wird.

17 Elliot Wilson, „Britain goes to war on bribery“, Daily Mail, 1. April 2011, S. 91; Dionne Searcey, „U.K.
bribes law has firms in a wweat“, Wall Street Journal, 29. Dezember 2010, S. 6.
18 Siehe Transparency International, „Bribe Payers Index 2011“, http://bpi.transparency.org/bpi2011
und „Global Corruption Barometer 2013“, www.transparency.org/gcb2013; siehe auch Michael Mont-
gomery, „The cost of corruption“, American RadioWorks, http://americanradioworks.publicra-
dio.org/features/corruption/, Zugriff September 2014.

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20.5 Unternehmen und nachhaltiges Marketing

Doch schriftliche Kodizes und Ethikprogramme sichern noch kein ethisches Verhalten. Ethik
und soziale Verantwortung erfordern eine vollständige unternehmerische Verpflichtung. So
besagt der „Verhaltenskodex“ von Google: „Wir können unmöglich jedes denkbare ethische
Szenario ausformulieren. Stattdessen verlassen wir uns auf das Urteilsvermögen jedes einzel-
nen, ein hohes Maß an Integrität für uns und unser Unternehmen zu bewahren. Denken Sie
daran … seien Sie nicht bösartig. Falls Sie etwas beobachten, das nicht richtig ist, sprechen
Sie es an!“

Das nachhaltige Unternehmen


Im Marketing herrscht die grundlegende Überzeugung vor, dass ein Unternehmen, das die
Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden erfüllt, am Markt erfolgreich ist. Unternehmen, die
es nicht schaffen, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu befriedigen, oder die ihren Kunden, ande-
ren Mitgliedern der Gesellschaft oder nachfolgenden Generationen bewusst oder unbewusst
Schaden zufügen, werden am Markt nicht bestehen. Mit dem Internet breitet sich immer
schneller auch ein globales Bewusstsein aus – die sogenannte Bewusstseinskultur – und
soziale Verantwortung ist nicht länger nur ein Zusatz, sondern liegt allen Funktionen des
Geschäftslebens zugrunde. Ferner kann Fachwissen im Thema sozialer Verantwortung eine
besondere Anforderung für die Marketingabteilung sein.19
Initiativen wie das Global Institute for Tomorrow bieten wichtige erfahrungsbasierte Trai-
nings für leitende Angestellte und verändern so die Art und Weise, wie Menschen über
Nachhaltigkeit denken. Damit wird selbstgefälliges Verhalten überwunden und Führungs-
kräfte gewinnen neue Einblicke in die Rolle der Unternehmen weltweit.20 Tatsächlich gibt es
schon eine Weile den Ansatz, die Gehälter von Führungskräften an Nachhaltigkeitsziele zu
binden. Vorreiter sind dabei Firmen wie TNT, DSM und Azco Nobel in den Niederlanden.21
Ein Beobachter bemerkt zu diesem Thema: „Nachhaltigkeit ist ein aufstrebender geschäftli-
cher Megatrend wie die Elektrifizierung und Massenproduktion, die die Wettbewerbsfähig-
keit und sogar das Überleben von Unternehmen fundamental beeinflussen werden.“22 Ein
anderer stellt fest, dass „Unternehmen und Führungskräfte zunehmend nicht nur an den
unmittelbaren Ergebnissen gemessen werden, sondern auch … an den langfristigen Auswir-
kungen, die ihr Handeln auf das gesellschaftliche Allgemeinwohl hat. Dieser Trend begann
langsam, ist nun aber auf dem Vormarsch. Nehmen Sie also Ihren fair gehandelten Kaffee im
umweltfreundlichen Pappbecher und machen Sie sich an die Arbeit.“23
Durch die Übernahme von sozialer, umweltbezogener und ethischer Verantwortung in ihren
Handlungen schaffen nachhaltige Unternehmen Werte für ihre Kunden. Nachhaltiges Marke-
ting geht weit über die Bedürfnisse und Wünsche der heutigen Kunden hinaus. Es geht
darum, sich für die Kunden von morgen zu interessieren und das Überleben sowie den Erfolg
des Unternehmens, der Anteilseigner, der Mitarbeiter und des weiteren Umfelds, in dem sich

19 Steve Overman, The Conscience Economy: How A mass Movement for Good Is Great for Business,
Bibiomotion, 2014.
20 Ben Bland, „Executives shown a fresh perspective on sustainability“, Financial Times, 13. Januar
2014, S. 10.
21 Richard Milne, „Drive to link pay to sustainability begins“, Financial Times, 24. Februar 2010, S. 22.
22 David A. Lubin und Daniel C. Esty, „The sustainability imperative“, Harvard Business Review, Mai
2010, S. 41–50.
23 David A. Lubin und Daniel C. Esty, „The sustainability imperative“, Harvard Business Review, Mai
2010, S. 41–50 und Roasbeth Moss Kanter, „It’s time to take full responsibility“, Harvard Business
Review, Oktober 2010, S. 42.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

diese befinden, sicherzustellen. Nachhaltiges Marketing bietet den Kontext, in dem Unter-
nehmen jetzt und in Zukunft Nutzen für Kunden schaffen und im Gegenzug von Kunden
profitieren, wodurch langfristig lukrative Kundenbeziehungen entstehen.

ZUSAMMENFASSUNG

Nachhaltiges Marketing erfordert sozial- und umweltverantwortliche Maßnahmen, die


sowohl den aktuellen Bedürfnissen von Verbrauchern und Wirtschaft gerecht werden
als auch die Fähigkeit künftiger Generationen bewahren oder verbessern, ihre Bedürf-
nisse zu decken. Während das „Marketingkonzept“ davon ausgeht, dass der Erfolg von
Unternehmen darin liegt, die aktuellen Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppen zu
erkennen und diese Bedürfnisse und Wünsche wirksamer und effizienter zu erfüllen als
der Wettbewerb, erfordert nachhaltiges Marketing sozial- und umweltverantwortliche
Maßnahmen, die sowohl den aktuellen als auch den künftigen Bedürfnissen der Ver-
braucher und des Unternehmens gerecht werden. Wahrhaft nachhaltiges Marketing
erfordert ein reibungslos funktionierendes Marketingsystem, in dem Verbraucher,
Unternehmen, öffentliche Entscheidungsträger und andere Parteien gemeinsam an
sozial- und umweltverantwortlichen Marketingaktivitäten arbeiten.
Ein marktwirtschaftliches System sollte in der Lage sein, die Bedürfnisse der Verbrau-
cher zu erkennen, zu bedienen und zu befriedigen. In ihrem Bemühen, die Wünsche der
Kunden aufzuspüren und zu bedienen, haben Marketingfachleute möglicherweise
manchmal Methoden angewendet, die nicht auf uneingeschränkte Begeisterung stießen.
Sie sollten sich daher stets der wichtigsten Inhalte der Kritik am Marketing bewusst
sein.
Bezüglich der Wirkung des Marketings auf einzelne Verbraucher geht es insbesondere
um folgende Punkte: hohe Kosten und Preise, Irreführung von Verbrauchern, aggressive
Verkaufspraktiken, unsichere Produkte und solche mit schlechter Qualität, geplante vor-
zeitige Alterung sowie unzureichende Bedienung sozial schwacher Käufergruppen.
Zu den nachteiligen Wirkungen des Marketings auf die Gesellschaft gehören: das
Wecken von Wünschen und Begierden, das Herausstellen materialistischer Einstellun-
gen, ein nicht ausreichendes Angebot an gesellschaftsverträglichen Gütern, Aufwei-
chung und Störung kultureller Wertvorstellungen.
Als negative Einflüsse des Marketings auf andere Unternehmen und auf die Wirtschaft
werden genannt: Verzerrung des Wettbewerbs durch Unternehmensaufkäufe, Errichtung
von Zugangsbeschränkungen zu den Märkten, unlautere Wettbewerbspraktiken.
Eine allgemeine Besorgnis bezüglich des Marketings hat zur Gründung von Verbrauch-
erorganisationen geführt. Diese haben es sich zur Aufgabe gemacht, Rechte und Macht-
positionen der Kunden gegenüber den Anbietern zu stärken. Geschickte Marketingstra-
tegen nutzen diese Tendenz und gehen aktiv auf solche Organisationen zu, indem sie
von sich aus beispielsweise mehr Informationen, Verbraucherschulungen und besseren
Verbraucherschutz anbieten. Die Umweltbewegung besteht aus Organisationen inner-
halb der Gesellschaft, die allgemein ein Bewusstsein dafür wecken wollen, dass die
Schäden an der Umwelt und die Beeinträchtigungen unserer Lebensqualität zu mini-
mieren sind, und die auch Forderungen an das Marketing stellen.

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Literatur und Quellen

Die Aktionen der Bürger in den Bereichen Verbraucher- und Umweltschutz haben zu
zahlreichen gesetzlichen Initiativen bei Produktsicherheit, bei Verpackungen und deren
Entsorgung, bei Kreditvergaben und in der Werbung geführt. Zahlreiche Unternehmen
standen diesen Organisationen und ihren Zielen und Initiativen anfangs sehr reserviert
gegenüber. Heute erkennt die Wirtschaft jedoch weitgehend die Notwendigkeit deren
Engagements an.
Einige Unternehmen folgen deshalb heute einer Strategie des nachhaltigen Marketings,
die auf folgenden Eckpfeilern basiert:
 Kundenorientierung
 Dauerhafte Wertsteigerung als Ziel des Marketings
 Innovation als Angebotsprinzip
 Marketing mittels einer Unternehmensmission
 Wohlfahrtsbedachtes Marketing
Das langfristige Wohlergehen der Gesellschaft ist das Ziel des nachhaltigen Marketings.
Es geht darum, bei der Befriedigung aktueller Verbraucherwünsche sicherzustellen, dass
die nachfolgenden Generationen in ihrer Bedürfnisbefriedigung nicht eingeschränkt
sind.
Jedes Unternehmen sollte für sich eine Philosophie gesellschaftlich verantwortbaren
und moralischen Handelns festlegen und daraus klar definierte Grundwerte ableiten.
Diese helfen den Entscheidungsträgern, die ethisch-moralischen Fragestellungen des
Tagesgeschäfts zu beantworten. Viele Branchen- und Berufsverbände schlagen ihren
Mitarbeitern Regeln im Sinne einer „Ethik der wirtschaftlichen Betätigung“ vor und die
meisten Großunternehmen haben Verhaltensrichtlinien für ihre Belegschaft. Lippenbe-
kenntnisse helfen im Bereich ethisch korrekten Verhaltens jedoch nicht, wenn die
Geschäftsleitung nicht als Vorbild fungiert und den definierten Verhaltenskodex durch
ihr tägliches Agieren vorlebt.
Das 21. Jahrhundert hält eine Vielzahl von Aufgaben und Herausforderungen für das
Marketing bereit. Insbesondere Unternehmen, die sich an die vorgegebenen Spielregeln
halten, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, ethisch-moralische Fra-
gestellungen in ihrem Handeln berücksichtigen und ihren Kunden zugleich Produkte
mit hohem Nutzen anbieten, werden langfristig erfolgreich im Wettbewerb bestehen.

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20 Marketing und Gesellschaft: gesellschaftliche Verantwortung und Ethik im Marketing

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950
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Glossar
Abgeleitete Nachfrage Nachfrage nach Indust- essen und Forderungen bei der Planung berück-
riegütern, die letztendlich von der Nachfrage nach sichtigt werden müssen. Zu diesen Gruppen gehö-
Konsumgütern abhängt (bzw. sich daraus ableitet). ren unter anderem Anbieter, Nachfrager, Vertreter
Absatzkanal siehe Distributionskanal der Öffentlichkeit und der Politik.

Absatzmittler Unternehmen in der Distributions- Antrieb: siehe Motiv


kette, die den Hersteller bei der Suche nach Kun- Adoptionsprozess Der mentale Vorgang, den ein
den unterstützen oder sich um den Verkauf der Individuum vom ersten Kontakt mit einem neuen
Waren oder Dienstleistungen kümmern. Zu ihnen Produkt bis hin zu dessen endgültiger Akzeptanz
gehören Groß- und Einzelhändler, die Waren des durchläuft.
Produzenten kaufen, eventuell bearbeiten und Aufgeklärtes Marketing Der Grundgedanke des
dann weiterverkaufen. aufgeklärten Marketing liegt darin, die Langzeit-
Absatzprognose Die Abschätzung der zukünfti- leistung eines Unternehmens als sein zentrales Er-
gen Nachfrage durch Antizipation des künftigen folgskriterium zu sehen. Die Strategie basiert auf
Verhaltens der Konsumenten unter gegebenen Be- den Grundsätzen der Verbraucherorientierung,
dingungen. der Innovation, der Wertschöpfung, des gesamtge-
Absatzvorgaben Eine Vorgabe für die Absatz- sellschaftlichen Auftrags und der gesellschaftli-
menge eines Verkäufers und für die Verteilung chen Orientierung.
dieser Menge auf das Produktsortiment des Unter- Auftragsfertigung Ein Joint Venture, in dem ein
nehmens. Unternehmen den Auftrag für ein Produkt oder
Absatzziele Werden vom Unternehmen festge- eine Dienstleistung an einen Hersteller auf einem
setzt, um die Vertriebsmitarbeiter zu motivieren. Auslandsmarkt erteilt.
Sie enthalten Angaben zu Mengen oder Stückzah- Außendienst Vertriebsmitarbeiter, die Kundenbe-
len, die abgesetzt werden sollen, sowie zur ange- suche tätigen. Der Außendienst soll die Probleme
strebten Verteilung des Gesamtumsatzes auf die und Bedürfnisse eines Kunden identifizieren, das
einzelnen Produktgruppen. Angebot an dessen spezielle Anforderungen an-
Adaptierter Marketing-Mix Internationale Mar- passen und die Verkaufsbedingungen aushandeln.
keting-Strategie, bei der die Elemente des Marke- Außendienst, Festlegung der Größe Unterneh-
ting-Mix an die Besonderheiten der einzelnen men legen oftmals die Größe des Außendienstes
Auslandsmärkte angepasst werden. fest, indem sie die Arbeitsbelastung der Außen-
Adoptionsprozess Der mentale Vorgang, den ein dienstmitarbeiter als Grundlage heranziehen. Die
Individuum vom ersten Kontakt mit einem neuen Kunden werden nach Größe und nach Status bzw.
Produkt bis hin zu dessen endgültiger Akzeptanz nach dem Aufwand, der für ihre Betreuung erfor-
durchläuft. derlich ist, gruppiert. Dann wird die notwendige
Anzahl der Mitarbeiter bestimmt, um die ge-
Affordable method siehe Werbe-Budget, Festle- wünschte Zahl von Kundenbesuchen durchzufüh-
gung anhand verfügbarer Mittel
ren.
AIDA-Modell Das Akronym steht für die engli- Außendienst, Mehrdimensionale Strukturie-
schen Begriffe Attention (Aufmerksamkeit), Inte-
rung Kombination aus unterschiedlichen Ver-
rest (Interesse), Desire (Wunsch) und Action (Ak-
triebsstrukturen. Hierzu gehören die Einteilungen
tion). Diese Phasen durchläuft ein Kaufinteressent nach Gebieten, Produkten und Kunden.
und sie sollten durch passende Botschaften im
Rahmen der Kommunikation eines Unternehmens Außendienst, Strukturierung nach Gebieten
begleitet werden Vertriebsstruktur, bei der jedem Außendienstmit-
arbeiter ein eigenes Verkaufsgebiet zugeordnet
Analyse der Marktfähigkeit Aufstellung der wird, in welchem er allen Kunden die ganze
Umsätze, Kosten und Gewinnerwartungen für ein
Bandbreite an Produkten und Dienstleistungen
neues Produkt, um die Erreichung der Zielvorga- anbietet. Die Tätigkeiten und der Verantwortungs-
ben des Unternehmens darzustellen.
bereich des Mitarbeiters sind ganz klar definiert.
Anspruchsgruppen eines Marketingsystems Außendienst, Strukturierung nach Kunden
Alle Akteure eines Marketingsystems, deren Inter- Vertriebsstruktur, in der voneinander getrennte

951
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Glossar

Vertriebsmannschaften unterschiedliche Bran- Handlungen beobachtet. Dies geschieht häufig


chen oder Kundengruppen betreuen. z.B. küm- mithilfe technischer Geräte oder Testumgebungen
mert sich ein Team um bereits bestehende Kun- und liefert oftmals Informationen, welche mittels
den und ein anderes ist für die Gewinnung neuer anderer Erhebungsmethoden nicht zu generieren
Kunden zuständig. wären.
Außendienst, Strukturierung nach Produkten Beschreibung des Bedarfs Phase im Beschaf-
Vertriebsstruktur nach Produkten, bei welcher der fungsprozess, in dem der industrieller Einkäufer
Außendienst den Produktlinien entsprechend or- die allgemeinen Merkmale und die Menge des be-
ganisiert ist. nötigten Artikels angibt.
Ausstellungsbonus Bonus, den der Hersteller Betriebsführungsverträge Ein Joint Venture, bei
eines Produktes zahlt, damit dieses im Verkaufs- dem ein inländisches Unternehmen betriebswirt-
raum, im Schaufenster oder als sogenanntes „Vor- schaftliches Fachwissen an eine ausländische
führprodukt“ den Kaufinteressenten präsentiert Firma weitergibt, die im Gegenzug Kapitel zur
wird. Verfügung stellt; somit exportiert das inländische
Babyboomer Die ca. 78 Millionen Menschen, die Unternehmen Management-Dienstleistungen statt
zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und Produkte.
1964 geboren wurden. Bewertung von Alternativen Phase im Kaufent-
Barzahlungsrabatt oder Skonto Preisreduzie- scheidungsprozess, in welcher der Verbraucher
rung für Kunden, die ihre Rechnung in bar oder die gesammelten Informationen nutzt, um alterna-
innerhalb eines bestimmten Zeitraums bezahlen. tive Marken für seine Auswahl zu bewerten.

Basing-point-pricing (dt.: Preissetzung anhand Beziehungsmarketing (engl.: Relationship Mar-


von Basisorten) Form der geografisch differenzier- keting) Der Prozess des Aufbaus, der Erhaltung
ten Preissetzung; das Unternehmen wählt eine und der Intensivierung eines stabilen, nutzenori-
Stadt als Basisort, von dem aus die Preise für die entierten Beziehungsnetzwerkes, welches die
Transportkosten festgelegt werden. Es spielt dabei Kunden und alle anderen relevanten Anspruchs-
keine Rolle, ob die Waren tatsächlich von diesem gruppen des Unternehmens (Stakeholder) einbin-
Ort aus verschickt werden. det.

Bedürfnis Menschlicher Zustand, in dem ein Big Data Die gewaltigen, komplexen Datenmen-
Mangel empfunden wird, welcher aufgelöst wer- gen, die mithilfe der modernen Technologien zur
den will. Datenbeschaffung, -sammlung, -speicherung und -
analyse erzeugt werden.
Beeinflusser (Influencer) Mitarbeiter des Buying
Centers in einem Unternehmens, welche die Kauf- Blickregistrierung siehe Eye-Tracking
entscheidung beeinflussen; oft unterstützen sie Blogs Online-Tagebücher, in denen Menschen
die Definition von Spezifizierungen und stellen ihre Gedanken zu einem üblicherweise eng defi-
Informationen für die Bewertung geeigneter Alter- nierten Thema äußern
nativen zur Verfügung. Blue Ocean Strategy Bei der Positionierung wer-
Befragung Methode der Marktforschung zur Er- den neue, bislang unbesetzte Marktfelder gesucht
mittlung von deskriptiven Informationen. Die Be- und stark umkämpfte Marktfelder gemieden.
fragung ist die am häufigsten angewandte und oft- Durch die Schaffung einer neuen Nutzendimensi-
mals einzige Methode zur Primärdatenerhebung. on werden Wettbewerber weitgehend bedeutungs-
Behavioral Targeting Der Einsatz von Daten zum los.
Nutzungsverhalten von Konsumenten im Internet, Branche Unternehmen einer Branche bieten Pro-
um zielgenaue Werbung und Angebote für spezi- dukte oder Produktklassen an, die einander subs-
elle Konsumenten zu erstellen. tituieren. Eine Branche umfasst die Gruppe aller
Benchmarking Methode, bei der ein Unterneh- Anbieter eines Produkts oder einer Dienstleistung.
men die eigenen Produkte oder Prozesse mit Break-even-Analyse Methode zur Bestimmung
denen der Wettbewerber oder führender Unter- der Verkaufsmenge, die erreicht werden muss,
nehmen anderer Branchen vergleicht, um Mög- damit der Umsatz gleich den Gesamtkosten ist.
lichkeiten zu finden, die eigene Qualität und Leis- B-to-B (Business-to-Business)-E-Commerce On-
tungsfähigkeit zu optimieren. lineverkauf von Waren und Dienstleistungen an
Beobachtung Bei der Datenerhebung durch Be- Unternehmen oder andere Organisationen; häufig
obachtung werden Personen, Situationen und Nutzung von B-to-B-Handelsnetzwerken, Aukti-

952
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Glossar

onsseiten, Onlineproduktkatalogen, Tauschhan- Corporate Citizenship (ähnlich Corporate Social


delsseiten und anderen Onlineressourcen, um Responsibility, teilweise auch synonym verwen-
neue Kunden zu erreichen, bestehende Kunden det) Bezeichnet das Selbstverständnis eines Un-
effektiver zu bedienen und um bessere Preise zu ternehmens als „guter Bürger“.
erzielen. Corporate Identity Beschreibt ein Unternehmen
B -to-C (Business-to-Consumer)-E-Commerce als Persönlichkeit und umfasst sowohl seine
Onlineverkauf von Waren und Dienstleistungen Selbstdarstellung als auch sein Verhalten nach
an den Endverbraucher. innen und nach außen. Die Corporate Identity
Business-to-Business-Marketing Vermarktung setzt sich aus dem Corporate Design (Erschei-
von Gütern und Dienstleistungen an Unterneh- nungsbild), der Corporate Communication (Sum-
men und andere Institutionen, welche sie in der me der kommunikativen Maßnahmen) sowie dem
eigenen Produktion von anderen Erzeugnissen Corporate Behavior (Verhalten der Mitarbeiter) zu-
und Dienstleistungen verwenden, sie weiterver- sammen.
kaufen oder vermieten, verleasen oder auf andere Corporate Social Responsibility Konzept, das
Weise gewerblich verwenden. besagt, dass ein Unternehmen freiwillig bereit ist,
Buying Center Organisationseinheit, die aus In- gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen,
dividuen und Teileinheiten der Organisation zu- d. h. dass es Leistungen im Umwelt- und Sozial-
sammengesetzt ist und die Kaufprozesse durch- bereich erbringt, die zu einer Verbesserung der Le-
führt. Die Mitglieder des Buying Centers können bensqualität und damit zu einer nachhaltigen Ent-
eine der folgenden fünf Rollen übernehmen: Nut- wicklung der Gesellschaft beitragen
zer, Beeinflusser, Einkäufer, Entscheider, Informa- Cross-Market-Segmentation Bildung von Kun-
tionsselektierer. densegmenten mit ähnlichen Bedürfnissen und
Buzz Marketing Eine Technik zur Erzeugung von Kaufverhalten, selbst wenn sie in unterschiedli-
Mundpropaganda, die das Anwerben oder Erfin- chen Ländern leben.
den neuer Meinungsführer bedeutet, damit diese Crowdsourcing Werkzeug des Ideenfindungs-
als Markenbotschafter die Bekanntheit und Be- und Innovationsprozesses mithilfe dessen man,
liebtheit von Produkten erhöhen. Die Meinungs- oftmals in Form von Wettbewerben, auf das Wis-
führer werden in ihrer Meinung nicht beeinflusst, sen und die Ideen großer Gruppen (Kunden, Mit-
sondern lediglich gebeten, ihre Meinung zum Pro- arbeiter, unabhängige Wissenschaftler und die all-
dukt preiszugeben. Sie erhalten dafür jedoch oft- gemeine Öffentlichkeit) zurückgreifen kann. Kann
mals ein Honorar oder Freiprodukte. eine Vielzahl an Vorschlägen und Ideen generie-
Click-and-mortar-Unternehmen Brick-and- ren, deren Auswertung Aufgabe des Unterneh-
mortar-Unternehmen (traditionelle Anbieter) mit mens ist.
E-Marketing-Aktivitäten als Zusatzgeschäft. C-to-C (Consumer-to-Consumer) E-Commerce
Click-only-Unternehmen Die sogenannten „Dot- Online-Austausch oder -Kauf von Waren und In-
com“-Unternehmen, die ausschließlich online formationen zwischen Endverbrauchern.
agieren. Customer Equity Summe der Customer Lifetime
Co-Branding Eine Markenpartnerschaft, bei der Values aller Kunden eines Unternehmens.
zwei etablierte Markennamen unterschiedlicher Customer Insights Einsichten in das Kundenver-
Unternehmen für ein und dasselbe Produkt ge- halten sowie in Erwartungen und Bedürfnisse der
nutzt werden. Kunden. Das Generieren und Verwenden solcher
Competitive-parity method siehe Werbe-Bud- Insights unterstützt Unternehmen dabei, ein tiefe-
get, Festlegung im Vergleich zur Konkurrenz res Verständnis über Kunden und Märkte zu erlan-
gen und darauf Wettbewerbsvorteile aufzubauen.
Content-Marketing Die Schaffung, Anregung
und Verbreitung von Markenbotschaften sowie Customer Lifetime Value Der Kapitalwert, den
Gesprächsthemen mit und unter den Verbrau- ein Unternehmen mit einem Kunden über dessen
chern über einen gut aufeinander abgestimmten gesamten Lebenszyklus realisiert.
Mix aus Paid, Owned, Earned und Shared Medi- Customer-Relationship-Management, CRM
enkanälen. (dt.: Kundenbeziehungsmanagement) Beschreibt
Copy Test siehe Entwurfstest einer Werbemaß- eine kundenorientierte Unternehmensphilosophie
nahme und umfasst alle Aktivitäten, die der Planung,
Konzeption, Durchführung, Kontrolle und Analy-
se von Geschäftsbeziehungen zu Kunden dienen.

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Ziel ist es, den Nutzen für beide Seiten zu steigern Dienstleistungen, Charakteristika Im Gegensatz
und eine langfristige und profitable Beziehung zu zu Produkten zeichnen Dienstleistungen sich
den Kunden aufzubauen. CRM basiert auf der durch folgende Eigenschaften aus: Immaterialität,
Speicherung sämtlicher Daten und Transaktionen Integration eines externen Faktors, Schwankun-
mit Kunden in einem elektronischen Informati- gen in der Dienstleistungsqualität, Nichtlagerfä-
onssystem. higkeit, Nichttransportfähigkeit sowie beschränk-
Customer Value (dt.: Kundennutzen) Nutzen, ter Zugang und Besitzanspruch.
den ein Kunde aus den Eigenschaften eines Pro- Dienstleistungsqualität, Schwankungen Eines
duktes in Relation zu seinen damit verbundenen der wesentlichen Charakteristika einer Dienstleis-
Aufwendungen zieht. tung; durch die Beteiligung von Personen im
Customer Value Analysis Es werden Käufer ge- Dienstleistungserstellungsprozess ist ein großes
fragt, welche Eigenschaften ihnen besonders Potenzial für Qualitätsunterschiede gegeben.
wichtig sind, ihnen einen hohen Nutzen stiften Differenzierte Werbung Anpassung einer inter-
und wie sie einen Anbieter gegenüber anderen be- nationalen Werbekampagne an die Gegebenheiten
züglich der Erfüllung dieser Eigenschaften bewer- der jeweiligen Länder, unter Berücksichtigung
ten. vorhandener kultureller, sozioökonomischer, poli-
Dauerniedrigpreiskonzept (engl.: Everyday Low tischer und rechtlicher Unterschiede.
Pricing, EDLP) Form der wertorientierten Preisset- Differenziertes Marketing Marktabdeckungs-
zung, bei der ein Handelsunternehmen dauerhaft strategie, bei der ein Unternehmen unterschiedli-
einen niedrigen Verkaufspreis ansetzt und dafür che Zielsegmente mit jeweils gezielten Angeboten
auf kurzfristige Preisaktionen oder Sonderangebo- bedient.
te für diesen Artikel verzichtet. Differenzierung Bezeichnet eine Strategie, mit
Degenerationsphase Phase am Ende des Pro- der man sich von der Konkurrenz abhebt, indem
duktlebenszyklus mit sinkendem Absatz. für die Zielgruppe wünschenswerte und wert-
Demarketing Marketing mit dem Ziel, die Markt- schaffende Merkmale besonders hervorgehoben
nachfrage vorübergehend oder permanent zu sen- werden.
ken. Ziel ist es nicht, Nachfrage zu zerstören, son- Digitales und Social-Media-Marketing Nutzung
dern sie selektiv zu reduzieren oder umzulenken. digitaler Marketinginstrumente wie Webseiten,
Demografie: Unter Demografie versteht man die soziale Medien, mobile Apps und Anzeigen, On-
Untersuchung der Bevölkerung anhand der statis- linevideos, E-Mail und Blogs, um Kunden überall
tischen Dimensionen Größe, Bevölkerungsdichte, und jederzeit über ihre digitalen Geräte zu errei-
Verteilung im Raum, Alter, Geschlecht, Zugehörig- chen.
keit zu einer ethnischen Gruppe, berufliche Tätig- Digital Natives Generation von Internetnutzern,
keit und weiterer geeigneter Merkmale. die mit dem Internet aufgewachsen sind. Im Ge-
Demografische Segmentierung Segmentierung gensatz dazu steht der „Digital Immigrant“, der
von Konsumgütermärkten anhand demografischer erst als Erwachsener mit den digitalen Technolo-
Kriterien wie Alter, Geschlecht, Familiengröße, gien vertraut wurde.
Position im Familienlebenszyklus, Einkommen, Direct-Mail-Marketing (dt.: Werbeversand per
Beruf, Bildung, Religion und Nationalität. Post) Direktmarketing durch Versand von Ange-
Deskriptive Studie Marktforschungsprojekt, wel- boten, Ankündigungen, Erinnerungen oder ande-
ches darauf abzielt, bestimmte Fragestellungen ren Poststücken an bestimmte Haus- oder Interne-
des Marketing genauer zu beschreiben. Beispiele tadressen
sind das Marktpotenzial eines Produktes sowie Direct-Response-Television-Marketing Direkt-
die Demografie und Einstellungen von Käufern. marketing über das Fernsehen mit direkter Be-
Devisenbeschränkung Beschränkungen seitens stellmöglichkeit (Infomercials) und Werbung über
einer Regierung bezüglich Währungstransaktio- interaktives Fernsehen (ITV).
nen mit dem Ausland und des Wechselkurses ge- Direkte Produkteinführung Vermarktung eines
genüber anderen Währungen. Produktes auf dem Auslandsmarkt ohne jegliche
Dienstleistung Jede Leistung, die an einem Men- Veränderung am Produkt.
schen oder einer Sache, dem sogenannten exter- Direktinvestition Das Engagement auf einem
nen Faktor, erbracht werden kann und so eine ge- Auslandsmarkt durch die Einrichtung einer aus-
wollte Änderung bewirkt. ländischen Basis für Montage oder Produktion.

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Direkt- und Digitalmarketing Direkte Anspra- elektronisch basierten Informationsaustauschpro-


che sorgsam ausgewählter Zielkunden und Kun- zesse innerhalb eines Unternehmens oder mit des-
dengemeinschaften, um sowohl spontane Reaktio- sen Kunden beinhaltet, umfasst E-Commerce nur
nen zu erzeugen als auch langfristige Kundenbe- Kauf- und Verkaufsprozesse, die durch elektroni-
ziehungen aufzubauen sche Mittel unterstützt werden.
Direktverkaufsweg Vertriebsweg eines Produ- E-Procurement Kaufvorgang durch elektronische
zenten zum Endverbraucher ohne Absatzmittler. Vernetzung zwischen Käufer und Verkäufer, in der
Disintermediation Bezeichnet das Übergehen Regel über das Internet.
oder das bewusste Eliminieren einer bisher vor- Echte Gemeinschaftsunternehmen Ein Joint
handenen Stufe im Distributionskanal, um die Venture mit Investoren in ausländischen Märkten
Kunden direkt anzusprechen und zu bedienen. zum Zweck einer dortigen Geschäftstätigkeit,
Dabei werden u. U. auch langfristig etablierte und wobei die kooperierenden Unternehmen zu glei-
gut eingespielte Beziehungen geopfert und durch chen Teilen beteiligt sind.
radikal neue Formen von Intermediären ersetzt. Eigenmarke des Handels (= Handelsmarke)
Diskriminierende Preissetzung Preissetzung, bei Eine Marke für ein Produkt oder eine Dienstleis-
der ein Produkt oder eine Dienstleistung zu min- tung, die von einem Handelsbetrieb geschaffen
destens zwei unterschiedlichen Preisen angeboten und (rechtlich) besessen wird.
wird, wobei der Preisunterschied nicht aus einem Einführungsphase Erste Phase im Lebenszyklus
Kostenunterschied resultiert. Mögliche Formen eines neuen Produktes, in der das Produkt erstma-
sind die Preissetzung nach Kundensegmenten, lig vertrieben und zum Kauf angeboten wird.
Produkten, Orten oder Zeit.
Einheitliche Frachtkosten (Preissetzung) Geo-
Dissonanz reduzierendes Kaufverhalten Tritt grafische Preissetzungsstrategie, bei der das Un-
bei teuren, riskanten oder seltenen Käufen mit ternehmen für alle Kunden einen Gesamtpreis zu-
hohem Involvement und geringen Unterschieden züglich Fracht berechnet, ungeachtet ihres tat-
zwischen den Marken auf. Über einen allgemei- sächlichen Standortes.
nen Angebotsüberblick recherchieren Käufer oft
nicht weiter.
Einholung von Angeboten Phase des Kaufpro-
zesses, in welcher ein industrieller Einkäufer ge-
Distributionskanal Besteht aus unternehmensei- eignete Lieferanten zur Abgabe von Angeboten
genen und -fremden Organisationseinheiten, die auffordert.
an der Bereitstellung von Produkten oder Dienst-
leistungen für den Kunden beteiligt sind. Einkaufszentren Ansiedlung von Einzelhandels-
geschäften auf einem Gelände, das als Gesamtpro-
Distributionsstufe siehe Handelsstufe jekt entwickelt, erworben und betrieben wird.
Distributionszentren Große, hoch automatisier- Einkäufer Mitarbeiter in einem Buying Center
te Lagerzentren; sie dienen als Umschlagplatz für eines Unternehmens, die den tatsächlichen Kauf
Ware von verschiedenen Werken und Lieferanten, tätigen.
zur Auftragsannahme, effizienten Ausführung
und schnellstmöglichen Zustellung der Ware an
Einstellung Einstellungen sind die relativ kons-
den Kunden. tanten Bewertungen, Gefühle und Neigungen, die
eine Person im Hinblick auf eine Sache oder Idee
Diversifikation Wachstum des Unternehmens hat.
durch die Aufnahme neuer Produkte in das Pro-
gramm als auch die Erweiterung des Geschäfts auf Einteilung in Preiszonen (Preissetzung) Unter-
schiedliche Preissetzung für Kunden in verschie-
bisher nicht bediente Märkte.
denen Teilen eines Landes oder der Welt.
Dynamische Preise Berechnung unterschiedli-
cher Preise in Abhängigkeit von individuellen Einzelhandel Handelsunternehmen, dessen Um-
sätze hauptsächlich durch den Weiterverkauf von
Kunden und weiteren situativen Faktoren wie z.B.
Produkten oder Dienstleistungen an den Endver-
der Nachfrage.
braucher entstehen. Der Einzelhandel stellt letzt-
E-Business Nutzung elektronischer Plattformen, lich die Verbindung zwischen dem Anbieter und
also des Intranets, Extranets und Internets, um die dem Konsumenten her.
Geschäftsaktivitäten eines Unternehmens abzuwi-
ckeln. Einzelhändler Geschäft, dessen Einnahmen vor-
rangig aus dem Einzelhandel stammen.
E-Commerce (dt.: elektronischer Handel) Teilbe-
reich des E-Business. Während E-Business alle
Electronic Data Interchange (EDI) Elektronische
Verfahren, die die Anwendungssysteme von grö-

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ßeren Kunden und ihren Lieferanten verbinden fentlichkeit und andere Kräfte in ihrem Umfeld in
und so eine bessere Abstimmung ihrer Aktivitäten ihrem Sinne zu beeinflussen.
ermöglichen. E-Purchasing (dt.: elektronische Beschaffung)
E-Mail-Marketing Der Versand möglichst zielge- Kaufseite des E-Commerce. Erwerb von Waren,
richteter, personalisierter und beziehungsfördern- Dienstleistungen und Informationen bei Unter-
der Botschaften per E-Mail nehmen, die ihre Vertriebs- und Verkaufsaktivitä-
E-Marketing Ist die Marketing-Seite des E-Com- ten online betreiben.
merce. Hierunter wird die Kommunikation der Erfahrungskurve Beschreibt den Zusammenhang
Anbieter über das Internet verstanden, z.B. Wer- von Produktionsmenge und Durchschnittskosten
bung und Informationen zu bestimmten Produk- und besagt, dass mit jeder Verdopplung der kumu-
ten und Dienstleistungen. lierten Produktionsmenge ein Kostensenkungspo-
E-Marktplätze (offene Handelsnetzwerke) tenzial von 20 bis 30 % einhergeht.
Große elektronische „Marktplätze“, auf denen Erinnernde Werbung Werbung, die darauf ab-
sich Käufer und Verkäufer online treffen, Informa- zielt, den Verbraucher wieder an ein Produkt zu
tionen austauschen und Transaktionen abschlie- erinnern, das bereits seit längerer Zeit auf dem
ßen können. Markt ist. Gelegentlich verfolgt erinnernde Wer-
Embargo Verbot der Einfuhr eines bestimmten bung auch das Ziel, Kunden, die das Produkt ge-
Produkts. kauft haben, darin zu bestärken, dass sie die rich-
tige Wahl getroffen haben.
Emotional Selling Proposition (ESP) Alleinstel-
lungsmerkmal einer Marke aufgrund einer nicht Erstkauf Eine Situation, in der ein industrieller
funktionellen Produkteigenschaft, die beim Ver- Einkäufer ein Produkt oder eine Dienstleistung
braucher eine ganz besondere Assoziation hervor- zum ersten Mal beschafft.
ruft. Ethnografische Forschung besteht darin, gut
Emotionale Appelle Versuche, positive oder ne- ausgebildete Beobachter zu nutzen, die das „na-
gative Emotionen beim potenziellen Kunden her- türliche Lebensumfeld“ von Verbrauchern beob-
vorzurufen, um eine Kaufmotivation entstehen zu achten und dort mit ihnen interagieren.
lassen. Beispiele sind Liebe, Sympathie, Humor, Events (Groß-)Veranstaltungen, die durchgeführt
Stolz, Erfolg oder Freude. werden, um einem Zielpublikum bestimmte Bot-
Engel’sches Gesetz Unterschiede im Ausgabever- schaften zu kommunizieren. Hierzu gehören bei-
halten, die vor mehr als einem Jahrhundert von spielsweise Pressekonferenzen, feierliche Eröff-
Ernst Engel beschrieben wurden. Er fand heraus, nungen, Ausstellungen, Shows oder öffentliche
dass bei steigendem Einkommen der Anteil des Führungen.
Einkommens, der für Lebensmittel ausgegeben Exklusive Distribution Eine begrenzte Anzahl
wird, sinkt, jener für das Wohnen gleich bleibt von Händlern erhält das exklusive Recht, die Pro-
und der für alle anderen Ausgabenkategorien und dukte eines Herstellers in einem bestimmten Ver-
für das Sparen steigt. kaufsgebiet zu vertreiben.
Entscheider Mitarbeiter im Buying Center eines Experiment Versuchsanordnung in der Marktfor-
Unternehmens, die die offizielle oder inoffizielle schung zur empirischen Gewinnung von Informa-
Befugnis haben, die eingesetzten Lieferanten aus- tion. Durch die unterschiedliche Behandlung von
zuwählen oder zu akzeptieren. Testgruppe und Kontrollgruppe können aus deren
Entwurfstest einer Werbemaßnahme (engl.: unterschiedlichen Reaktionen Schlüsse über Ur-
copy test) Gibt Auskunft darüber, ob die Werbe- sache-Wirkungs-Zusammenhänge getroffen wer-
maßnahme die Botschaft in geeigneter Weise über- den.
mitteln kann. Der Test kann auf der Basis des Ent- Explorative Studie Marktforschungsprojekt mit
wurfs der Werbemaßnahme durchgeführt werden, dem Ziel, erste vorbereitende Informationen zu-
also bevor sie geschaltet oder umgesetzt wird, sammenzutragen, die der Problemdefinition und
oder um eine bereits im Markt etablierte Werbe- Hypothesenbildung dienen.
maßnahme zu testen. Export Verkauf von im Herkunftsland hergestell-
Environmental management perspective ten Gütern ans Ausland, wobei in den meisten
Sichtweise oder Vorgehensweise, mit der Unter- Fällen keine Produktänderungen nötig sind. Es
nehmen versuchen, gezielt auf das Marketing-Um- kann direkt exportiert werden oder indirekt über
feld einzuwirken. Sie beobachten und reagieren die Partnerschaft mit Export-Intermediären (Ex-
nicht nur, sie ergreifen die Initiative, um die Öf-

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port-Unternehmen, -Agenten etc.). Einfachster Genussprodukte Produkte, die eine unmittelbare


Weg, einen Auslandsmarkt zu bedienen. Befriedigung verschaffen, den Verbrauchern lang-
Eye-Tracking Durch spezielle Blickregistrierungs- fristig jedoch schaden können.
systeme, wie Eye-Tracking-Brillen, können Pupil- Geografisch differenzierte Preissetzung Preis-
lenbewegungen registriert werden. Auf dieser setzung, die darauf basiert, in welchen Teilen des
Basis lässt sich ermitteln, welchen Dingen der Landes oder der Welt sich die Käufer befinden.
Proband Aufmerksamkeit schenkt. Erkenntnisse Geografische Segmentierung Segmentierung
aus solchen Experimenten dienen z.B. der Verbes- von Konsumgütermärkten anhand geografischer
serung der Werbemaßnahmen eines Unterneh- Kriterien. Je nach Aufgabenstellung handelt es
mens. sich dabei um Staaten, Bundesländer oder ver-
Familienlebenszyklus Abfolge der unterschiedli- gleichbare Einheiten, Landkreise, Städte oder
chen Phasen, die eine Familie im Laufe der Zeit Stadtteile.
durchläuft und die durch verschiedene Entwick- Geplante vorzeitige Alterung Vorwurf, dass
lungs- und Altersstufen beschrieben werden. Produkte oft von neuen Produkten in kurzen Ab-
Fixe Kosten Kosten, die unabhängig von der Pro- ständen abgelöst werden, um häufiges Kaufen und
duktions- oder Verkaufsmenge anfallen. Hierzu vorzeitige Ersatzbeschaffungen anzuregen, und
gehören beispielsweise der Aufwand für Miete, dass in Produkten zu diesem Zweck absichtlich
Heizung oder die Gehälter des Managements. technische Schwachstellen integriert werden.
Fokusgruppen-Interview Form der moderierten Gesamtkosten Summe aller fixen und variable
Gruppendiskussion mit sechs bis zehn Teilneh- Kosten für jede einzelne Produktionsstufe.
mern. Über einen Zeitraum von mehreren Stun- Gesamtnachfrage Das gesamte Volumen, das
den sprechen die Teilnehmer über ein Produkt, von einer genau definierten Zielgruppe in einem
eine Dienstleistung oder eine Organisation. Der bestimmten Gebiet in einem festgelegten Zeitab-
Moderator lenkt dabei den „Fokus“ der Diskussi- schnitt in einer gegebenen Marketingumgebung
on auf wichtige Themen. bei einem bestimmten Niveau und einer bestimm-
Franchising Eine vertraglich geregelte Vereinba- ten Zusammensetzung des Marketing-Aufwandes
rung, die darauf beruht, dass ein oder mehrere der Branche nachgefragt wird.
Unternehmen (Franchise-Nehmer) das Recht er- Geschäftsstellen und Niederlassungen der
werben, ein Geschäftsmodell eines anderen Unter- Hersteller Übernahme der Großhandelstätigkeit
nehmens (Franchise-Geber) zu übernehmen oder von den Verkäufern und Käufern selbst und nicht
dessen Produkte und Dienstleistungen zu vertrei- über unabhängige Großhändler.
ben. Im Gegenzug ist der Franchise-Nehmer dazu
verpflichtet, dem Franchise-Geber für dieses Nut-
Geschlossene Frage Frageform in der Marktfor-
schung, die dem Befragten die Möglichkeit gibt,
zungsrecht Gebühren zu zahlen.
zwischen vorgegebenen Antwortoptionen zu wäh-
GAP-Modell Umfassendes Konzept zur Identifi- len.
kation von fünf Diskrepanzen (gaps), die Proble-
me in der Dienstleistungserstellung verursachen
Gewinnzielorientierte Preissetzung (engl.: tar-
und die subjektiv empfundene Dienstleistungs- get profit pricing) Form der kostenorientierten
Preissetzung; ausgehend von der Break-Even-Ana-
qualität beeinflussen können.
lyse, die bei einem gegebenen Preis die erforderli-
Gebrauchsgut Ein Konsumgut, das über längere che Absatzmenge zur Deckung aller Kosten bzw.
Zeit genutzt wird und normalerweise viele Nut- zur Erreichung der Gewinnschwelle ermittelt,
zungen überlebt. wird der Punkt gesucht, bei dem ein bestimmtes
Generation X Die ca. 45 Millionen Menschen der Gewinnziel realisiert wird.
geburtenschwachen Jahrgänge zwischen 1965 und Globale Branche Industriezweig, in dem die stra-
1976, die dem sogenannten „Babyboom“ folgten. tegische Position der einzelnen Unternehmen in
Generation Y Die 83 Millionen Kinder der Baby- gegebenen geografischen oder nationalen Märkten
boomer, die zwischen 1977 und 2000 geboren durch ihre globale Position insgesamt bestimmt
wurden. wird.
Generation Z Die nach dem Jahr 2000 geborene Globale Organisationsform Organisationsform
Generation (viele Analysten zählen auch nach im internationalen Umfeld, bei der sich die Pla-
1995 Geborene dazu), die heute den Markt der nung der Unternehmensleitung auf ein weltweites
Kinder, Tweens und Teens bildet. Zusammenspiel aller Produktionseinrichtungen,
Marketing-Aktivitäten, Finanzströme und Logis-

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tiksysteme in diesem Unternehmensverbund be- Herausforderer Ein neues Unternehmen auf


zieht. einem bestehenden Markt, das entschlossen um
Globales Marketing Ein standardisiertes und in- höhere Marktanteile in der Branche kämpft.
tegriertes Marketingprogramm, das auf die Bear- High-Low-Pricing-Konzept (HILO) Form der
beitung verschiedener geografischer Märkte auf wertorientierten Preissetzung, bei der ein Handel-
der ganzen Welt ausgerichtet ist. sunternehmen grundsätzlich höhere Preise ver-
Globales Unternehmen Weltweit operierendes langt, dafür aber häufig zeitlich begrenzte Preisak-
Unternehmen, das durch seine internationale Tä- tionen wie Sonderangebote oder Rabatte durch-
tigkeit Vorteile in allen funktionalen Bereichen führt.
(Forschung und Entwicklung, Produktion, Marke- Hochpreis-Strategie Bei dieser Strategie setzt ein
ting und Finanzen etc.) erzielt. Unternehmen für Produkte überhöhte Preise an,
Good-Value-Preisstrategie Preissetzung, die das die nicht der Produktqualität entsprechen.
richtige Verhältnis von Qualität und gutem Ser- Horizontale Marketingsysteme Ein Distributi-
vice zu einem fairen Preis berücksichtigt. onssystem, in dem zwei oder mehr Unternehmen
Großhandel Ein Unternehmen, das sich in erster der gleichen Handelsstufe kooperieren, um ge-
Linie mit dem Verkauf von Waren oder Dienstleis- meinsam neue Marktchancen zu nutzen.
tungen an Wiederverkäufer oder gewerbliche Ver- Hybrid-Marketingsysteme/Multikanal-Marke-
wender befasst. tingsysteme Entstehen, wenn ein Unternehmen
Großhändler Ein Unternehmen, dessen Ge- zwei oder mehr Distributionskanäle aufbaut, um
schäftstätigkeit vorrangig im Großhandel angesie- ein oder mehrere Kundensegmente zu erreichen.
delt ist. Direkte und indirekte Methoden kommen zum
Einsatz, um die Ware des Unternehmens zu den
Gruppe Zwei oder mehr Personen, die für einzel- Konsumenten zu liefern.
ne oder gemeinsame Ziele miteinander interagie-
ren. Idealprodukte Produkte, die sowohl kurzfristige
Befriedigung verschaffen als auch langfristigen
Güter des täglichen Bedarfs Konsumprodukte, Nutzen bringen.
die der Kunde in der Regel häufig, unmittelbar
und mit minimalem Aufwand bei Preisvergleich Ideen-Screening Die Selektion von Neuproduk-
und Einkauf erwerben kann. tideen, durch die zukunftsträchtige Ideen heraus-
gefiltert und unbrauchbare Vorschläge eliminiert
Habitualisiertes Kaufverhalten Anzutreffen in werden sollen.
Low-Involvement-Situationen ohne sichtbaren
Unterschied zwischen Marken. Kauf wird von Ge- Ideensuche Die systematische Suche nach neuen
wohnheit bestimmt. Produktideen.

Handelsmakler Ein Großhändler, der keinen An- Identifizierung potenzieller Käufer (Verkaufs-
spruch an den Produkten erwirbt und der einge- prozess) Ein Verkäufer oder ein Unternehmen er-
schaltet wird, um Käufer und Verkäufer zusam- mittelt geeignete potenzielle Käufer.
menzubringen und diese bei den Verhandlungen Identischer Wiederkauf Eine Situation, in der
zu unterstützen. ein industrieller Einkäufer routinemäßig etwas
Handelsmarke siehe Eigenmarke des Handels nachbestellt, ohne dabei Veränderungen vorzu-
nehmen.
Handelsstufe Umfasst alle Marketing-Intermediä-
re einer Ebene, die mit ihrer Arbeit dazu beitra- Immaterialität Eines der wesentlichen Charakte-
gen, das Produkt und die Eigentumsverhältnisse ristika einer Dienstleistung – welche nicht gese-
daran näher an den Verbraucher beziehungsweise hen, gefühlt, gehört, gerochen und geschmeckt
Anwender zu bringen. Die Anzahl der Handels- werden kann, bevor sie erbracht wird.
stufen beschreibt die Länge eines Distributionska- Implementierung Die Implementierung setzt
nals. strategische Pläne und Marketingpläne in konkre-
Handelsvertreter Ein Großhändler, der den Käu- tes Handeln um, das die Zielvorgaben des Unter-
fer oder Verkäufer mehr oder minder dauerhaft nehmens erfüllen soll.
vertritt, nur wenige Aufgaben ausführt und die INCOTERMS (International Commercial Terms)
Ware nicht übernimmt. Vertragsformulierungen im internationalen Han-
Herstellermarke Eine Marke, die vom Hersteller del, die Lieferbedingungen wie Lieferort, Kosten
eines Produkts oder einer Dienstleistung aufge- oder Gefahrenübergang bestimmen. Gängige IN-
baut und geführt wird. COTERMS sind ex works (ab Werk), free alongside

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ship FAS (frei Längsseite Schiff), free on board geschaffen, der auf dem entsprechenden Teil-
FOB (frei an Bord) oder cost, insurance, freight markt bisher nicht angeboten wurde.
CIF (Kosten, Versicherung, Fracht). Integration des externen Faktors Eine der we-
Indirekte Vertriebskanäle Vertriebskanäle mit sentlichen Besonderheiten einer Dienstleistung ist
einem oder mehreren Absatzmittlern auf verschie- die Tatsache, dass in der Regel ein Gut des Kun-
denen Ebenen. den oder der Kunde selbst in den Dienstleistungs-
Individuelles Marketing Das zielgenaue Abstim- erstellungsprozess eingebunden ist. Der Kunde
men von Produkten und Marketingprogrammen bzw. das Gut wird hierbei als externer Faktor be-
auf die Bedürfnisse und Wünsche einzelner Kun- zeichnet, da der Leistungserbringer hierauf keinen
den – dieses Vorgehen wird auch als One-to-One Einfluss hat.
Marketing, kundenspezifisches Marketing oder Integrierte Marketingkommunikation Hierbei
Markets-of-one-Marketing bezeichnet. werden alle Botschaften über das Unternehmen
Industriegüter Ein Produkt, das von Einzelperso- und seine Produkte über die vorhandenen Kom-
nen und Unternehmen zur weiteren Bearbeitung munikationskanäle koordiniert und integriert, um
oder zur Nutzung für einem Geschäftsbetrieb er- eine klare und konsistente Aussage über das Un-
worben wird. ternehmen und seine Produkte liefern zu können.

Industriegütermarketing siehe Business-to-Bu- Integriertes Direktmarketing Direktmarketing-


siness-Marketing Kampagnen, bei denen unterschiedliche Instru-
mente in verschiedenen Phasen und aufeinander
Inelastische Nachfrage Nachfrage, die – zumin- abgestimmt zum Einsatz kommen.
dest kurzfristig – nicht oder nur sehr schwach auf
Preisänderungen reagiert, häufig anzutreffen bei Integriertes Logistikmanagement Ein Distri-
Industriegütern. butionskonzept, bei dem alle Mitarbeiter des
Unternehmens und alle externen Partner im Dis-
Informationsselektierer (Gatekeeper) Mitarbei- tributionskanal kooperieren, um eine optimale Be-
ter im Buying Center eines Unternehmens, die treuung der Kunden zu minimalen Distributions-
den Informationsfluss zu anderen Stellen kontrol-
kosten sicherzustellen.
lieren.
Intensive Distribution Um eine hohe Verfügbar-
Informationssuche Phase im Entscheidungspro- keit des Produkts zu gewährleisten, werden mög-
zess, in welchem der Kunde relevante Informatio-
lichst viele unterschiedliche Verkaufsstellen und
nen über das betreffende Produkt einholt; hierbei
Absatzmittler eingesetzt.
kann einfach eine gesteigerte Aufmerksamkeit des
Kunden vorhanden sein oder er sucht ganz aktiv Interaktives Marketing Servicemitarbeiter wer-
nach bestimmten Informationen. den für die qualifizierte Interaktion mit Kunden
geschult, um deren Bedürfnisse zu befriedigen.
Informierende Werbung Werbung, die schwer-
punktmäßig eingesetzt wird, um Kunden über Intermediäre siehe Absatzmittler
neue Produkte zu informieren und um eine grund- Internationale Preissetzung Eine Preisanpas-
legende Nachfrage nach einer neuen Produktkate- sungsstrategie, bei der Unternehmen Preisanpas-
gorie zu erzeugen. sungen für unterschiedliche Auslandsmärkte
Innendienst Vertriebsmitarbeiter, die ihre Ge- vornehmen. Diese basieren z.B. auf unterschied-
schäfte vom Büro aus, sei es telefonisch oder lichen Kostenstrukturen, Zielsetzungen oder
durch den Empfang potenzieller neuer Kunden, Marktgegebenheiten.
durchführen. Internes Marketing Zielt auf die bewusste Ge-
Innovation als Angebotsprinzip im Marketing staltung von Austauschbeziehungen innerhalb
Ein Grundsatz des „aufgeklärten Marketing“, wel- eines Unternehmens ab. Umfasst die Wahrneh-
cher erfordert, dass das Unternehmen kontinuier- mung von Mitarbeitern als interne Kunden, die
lich tatsächliche Verbesserungen am Produkt und Berücksichtigung ihrer Wünsche und Bedürfnisse
im Marketing anstrebt. und das Vermitteln von Informationen über das
Unternehmen, seine Philosophie und Politik.
Innovation Eine Idee, ein Produkt, eine Dienst-
leistung oder Technologie, die neu ist oder von Invention (= Erfindung) Die Erforschung einer
Konsumenten als neu oder neuartig empfunden gänzlich neuen Technologie oder eines neuen Pro-
wird. Bei einer Innovation wird ein neuer Pro- dukts, ungeachtet dessen, ob es kommerzialisiert
dukt- oder Dienstleistungsnutzen identifiziert und wird und ob es Vorteile für den Verwender bein-
haltet oder nicht.

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Jahresplanung Ein kurzfristiger Plan, der die ge- fangreichen Auswahl- und Abstimmungsvorgän-
genwärtige Situation des Unternehmens sowie gen.
dessen Ziele und Strategien beschreibt, und der Key-Account-Management Im Marketing wird
die geplanten Aktionen, die Budgets und die Steu- verstärkt darauf geachtet, gute und vertrauensvol-
erungsinstrumente für das laufende Jahr enthält. le Beziehungen zu besonders wichtigen Kunden
Joint Venture Im weiteren Sinne versteht man zu halten. Dies sind häufig große Einzelhändler
unter Joint Venture eine vertragliche Kooperation oder im Industriegütermarkt Hauptabnehmer
zwischen zwei Partnern, um gemeinsam Produkte eines Produktes. Hierfür werden eigens Kunden-
und Dienstleistungen zu produzieren bzw. zu ver- betreuer, sogenannte Account Manager, einge-
markten. Es lassen sich je nach Intensität der Zu- setzt, welche für die Geschäftsbeziehung zu einem
sammenarbeit vier Grundtypen des Joint Venture bestimmten Großkunden zuständig sind. Die Auf-
unterscheiden: Lizenzvergabe, Auftragsfertigung gabe des Key Account Managers besteht darin,
(Contract manufacturing), Betriebsführungsverträ- eine gute und dauerhafte Geschäftsbeziehung zwi-
ge (Management contracting) und echte Gemein- schen besonders wichtigen Kunden und der eige-
schaftsunternehmen (Joint ownerships), wobei nen Organisation zu etablieren und zu pflegen.
Letztere als Joint Venture im engeren Sinne be- Kognitive Dissonanz Zweifel oder Unsicherheit
zeichnet werden. bezüglich einer getroffenen Entscheidung; kann in
Kapitalwert einer Marke Der gesamte strategi- allen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses
sche und finanzielle Wert einer Marke für den auftreten.
Hersteller. Kommunikationsanpassung Eine globale Kom-
Katalogmarketing Direktmarketing durch Print-, munikationsstrategie, bei der die Werbebotschaf-
Video- oder digitale Kataloge, die an ausgewählte ten vollständig an lokale Marktgegebenheiten an-
Kunden versandt werden, in Geschäften ausliegen gepasst werden.
oder online verfügbar sind. Kommunikations-Mix Eine spezifische Mi-
Kaufabschluss (Verkaufsprozess) Der Verkäufer schung aus Werbung, persönlichem Verkauf, Ver-
bittet den Kunden um Auftragserteilung. kaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit und Direkt-
Kaufentscheidung Die Entscheidung des Käufers marketing, die das Erreichen der Kommunika-
für eine bestimmte Marke. tions- und Marketing-Ziele sicherstellen soll.

Kaufentscheidungen (Arten) Bei Konsumgütern Kommunikationsstrategien (für internationa-


lassen sich vier Arten von Kaufentscheidungen le Märkte) Unternehmen können entweder die-
unterscheiden: Komplexes Kaufverhalten, Disso- selbe Kommunikationsstrategie in verschiedenen
nanz reduzierendes Kaufverhalten, Habitualisier- Ländern anwenden oder sie an die jeweiligen lo-
tes Kaufverhalten, Variety Seeking. kalen Märkte anpassen. Bei der Strategie der Kom-
munikationsanpassung werden z.B. Werbebot-
Kaufentscheidungsprozess Mehrstufiger Pro- schaften oder -techniken umfassend an die loka-
zess, den ein Konsument oder ein institutioneller
len Märkte angepasst.
Käufer bei seiner Kaufentscheidung durchläuft.
Der Ablauf setzt sich in der Regel aus fünf Stufen Kompensationshandel Internationaler Handel,
zusammen: Wahrnehmung des Bedarfs, Informati- der den direkten oder indirekten Tauschhandel
onssuche, Bewertung von Alternativen, eigentli- von Waren gegen andere Waren anstelle von Geld-
che Kaufentscheidung und Verhalten in der Nach- zahlungen umfasst. Varianten des Kompensations-
kaufphase. handels sind der Barter-Handel, das Kompensa-
tions- oder Buyback-Geschäft und das Gegenge-
Kaufentscheidungsprozesse in Unternehmen schäft.
und anderen Institutionen Entscheidungspro-
zess, in dem industrielle Käufer festlegen, welche Komplexes Kaufverhalten Tritt in High-Invol-
Produkte und Dienstleistungen ihr Unternehmen vement-Situationen mit deutlichen Markenunter-
benötigt, sowie anschließend das Identifizieren, schieden, bei kostspieligen und risikoreichen Pro-
Bewerten und Auswählen verschiedener geeigne- dukten und bei seltenen Käufen auf. Vor dem Kauf
ter Lieferanten und Marken. findet intensive Recherche statt.

Kaufsituation (Kauftypen) Es lassen sich drei Konflikte innerhalb eines Distributionskanals


Kauftypen unterscheiden: identischer Wieder- Unstimmigkeiten zwischen den Teilnehmern
kauf als Routineentscheidung, modifizierter Wie- eines Distributionskanals hinsichtlich der Ziele,
derkauf mit einer geringfügigen Abwandlung des Zuständigkeiten und Einnahmen – wer ist für was
Entscheidungsprozesses und Erstkauf mit um- und zu welchen Kosten zuständig?

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Konkurrenzanalyse Verfahren zur Identifizie- dieser Wert um einen vorher festgelegten Gewinn-
rung der wichtigsten Konkurrenten, genauen Ab- zuschlag erhöht.
schätzung ihrer Ziele, Stärken und Schwächen, Kreatives Konzept Die unwiderstehliche „große
Strategien und Reaktionsmuster und zur anschlie- Idee“, mit der die Strategie der Werbebotschaft in
ßenden Entscheidung, welche Wettbewerber an- einzigartiger Weise lebendig wird und im Ge-
zugreifen oder zu meiden sind. dächtnis bleibt.
Konkurrenzorientiertes Unternehmen Das Un- Kultur System von Wertvorstellungen, Wahrneh-
ternehmen orientiert sich bei seiner Strategie mungen, Bedürfnissen, Verhaltensweisen und Le-
hauptsächlich an den Aktionen und Reaktionen bensformen, das einer Gruppe von Menschen ge-
der Wettbewerber. mein ist.
Konsumentenmarkt Die Gesamtheit aller Einzel- Kulturelles Umfeld Institutionen und andere
personen und Haushalte, die Güter und Dienst- Stellen, welche die Grundwerte, Wahrnehmun-
leistungen für den persönlichen Bedarf kaufen gen, Präferenzen und das Verhalten einer Gesell-
oder erwerben. schaft beeinflussen.
Konsumentenverhalten Das Kaufverhalten der Kundenbindung Positive Einstellung eines Kun-
Endverbraucher – Einzelpersonen und Haushalte den zu getätigten und die Bereitschaft zu zukünf-
–, die Güter und Dienstleistungen zum persönli- tigen Transaktionen mit einem Unternehmen.
chen Gebrauch kaufen.
Kundendatenbanken Eine systematische Samm-
Konsumgut Ein Gut, das Endverbraucher für lung umfassender Daten von bestehenden oder
ihren persönlichen Ge- oder Verbrauch kaufen. potenziellen Kunden. Erfasst werden geografi-
Kontaktaufnahme (Verkaufsprozess) Ein Ver- sche, demografische und psychografische Merk-
käufer begegnet dem Kunden zum ersten Mal. male der Kunden sowie Informationen zu deren
Kontinuierliche Werbung Werbung, die in glei- Kaufverhalten.
chen Zeitabständen, zum Beispiel regelmäßig an Kundenengagement-Marketing Marketing mit
einem bestimmten Wochentag, kontinuierlich dem Ziel, dass eine Marke zu einem bedeutenden
über einen längeren Zeitraum geschaltet wird. Gesprächsthema von Konsumenten wird, indem
Konzentriertes Marketing Bei Anwendung eine direkte und beständige Einbindung der Kun-
einer konzentrierten Marketing-Strategie versucht den in die Gestaltung der Markenbotschaft, der
ein Unternehmen, auf einem oder zwei Teilmärk- Markenerfahrungen und der Markengemeinschaft
ten große Marktanteile zu erringen, anstatt mit erfolgt.
kleinen Marktanteilen auf großen Märkten zu Kundennutzen siehe Customer Value
agieren. Kundennutzen-Analyse siehe Customer Value
Konzeption eines Distributionssystems Der Analysis
Aufbau effektiver Distributionskanäle durch Ana- Kundenorientiertes Marketing Ein Grundsatz
lyse der Kundenbedürfnisse, Zielsetzungen für des „aufgeklärten Marketing“, der besagt, dass das
die Kanäle, Ermittlung relevanter Vertriebsalterna- Unternehmen seine Marketingaktivitäten aus der
tiven und Bewertung derselben. Perspektive des Kunden entwickeln soll.
Konzepttest Authentischer Test im Rahmen der Kundenorientiertes Unternehmen Ein Unter-
Neuproduktentwicklung, welcher unter Einbezug nehmen, das sich bei der Gestaltung der Marke-
von Interessentengruppen des Zielmarkts analy- tingstrategien ganz auf den Kundennutzen kon-
siert, welches Produktkonzept den größten Anreiz zentriert und einen Mehrwert für seine Zielkun-
auf potenzielle Käufer ausübt. den generiert.
Kostenorientierte Preissetzung Preissetzung, Kundenwert siehe Customer Equity
die sich an den Kosten eines Unternehmens orien-
tiert. Unterschieden werden die Kostenzuschlags-
Kundenzentrierte Entwicklung neuer Produkte
Entwicklung neuer Produkte, mit denen neue Lö-
kalkulation und die gewinnzielorientierte Preis-
setzung mit vorausgegangener Break-even-Analy- sungsansätze für die Probleme der Kunden ge-
schaffen werden und die eine höhere Kundenzu-
se.
friedenheit erzeugen.
Kostenzuschlagskalkulation Form der kosten-
orientierten Preissetzung; hierbei werden die Kos- Kundenzufriedenheit Das Ausmaß, in dem die
empfundene Leistung des Produkts mit der vom
ten der Herstellung des Produktes ermittelt und
Kunden erwarteten Leistung übereinstimmt. Er-
füllt ein Produkt die Erwartungen des Käufers

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nicht, entsteht Unzufriedenheit. Erfüllt oder über- Makro-Umfeld Besteht aus den Kräften, die in
steigt ein Produkt konkrete Erwartungen, führt einem größeren gesellschaftlichen Zusammen-
dies zu Zufriedenheit oder Begeisterung. hang stehen, wie die demografische Entwicklung,
Langfristige Planung Ein Plan, der die wesentli- Wirtschaft und Wirtschaftspolitik, technologische
chen Faktoren und Kräfte, welche das Unterneh- Entwicklung, Natur und Umwelt sowie Politik
men in den nächsten Jahren beeinflussen werden, und Kultur.
sowie die langfristigen Zielvorstellungen, die Marke Ein Name, ein Begriff, ein Zeichen, ein
wichtigsten Marketing-Strategien und die benötig- Symbol, ein spezielles Design oder eine denkbare
ten Ressourcen enthält. Kombination aus diesen, die dazu verwendet
Lebensstil Lebensschema und Verhaltensmuster, wird, Produkte oder Dienstleistungen eines An-
die in Aktivitäten, Interessen und Meinungen bieters zu kennzeichnen und von denen der Wett-
einer Person zum Ausdruck kommen. bewerber abzugrenzen.

Leistungsbeurteilung Phase des industriellen Markenausweitung Eine etablierte Marke wird


Kaufprozesses, in welcher der Käufer die Leistung auf weitere Geschäftsfelder oder Produktkategori-
des Lieferanten bewertet und über die Fortfüh- en ausgedehnt.
rung, Änderung oder Beendigung der Geschäftsbe- Markenimage Die Summe aller Überzeugungen,
ziehung entscheidet. die Konsumenten zu einer bestimmten Marke ent-
Leitbild Ein Leitbild ist die Darlegung des Unter- wickeln.
nehmenszwecks – dessen, was es letztlich im grö- Markenwert Der Wert einer Marke besteht nicht
ßeren Umfeld erreichen möchte. nur aus dem materiellen Wert (Umsatz, Patente,
Lernen Verhaltensänderung aufgrund von Erfah- eingetragene Warenzeichen), sondern auch aus
rung oder Übung. dem nicht materiellen Wert, der auf Markentreue,
Markenbekanntheit, wahrgenommener Qualität
Lieferantenentwicklung Systematischer Aufbau und anderen mit der Marke assoziierten Vorstel-
von Lieferantennetzwerken, die eine angemessene lungen beruht.
und zuverlässige Lieferung von Produkten und
Materialien für die Herstellung der Produkte oder Marketing für Dienstleistungen, 7Ps Die „vier
den Weiterverkauf gewährleisten. Ps“ des Konsumgüter-Marketing: Produkt, Preis,
Distribution (engl.: Place) und Kommunikation
Lieferantensuche Phase des industriellen Kauf- (engl.: Promotion) werden beim Marketing für
prozesses, in welcher der Käufer die am besten ge-
Dienstleistungen durch drei weiteres Ps: Person
eigneten Verkäufer ermittelt. (Person, welche die Leistung erbringt), Physical
Lieferung ab Werk (EXW) (Preissetzung) Eine environment (Umfeld, Ambiente) und Process
geografische Preissetzung, bei der die Ware auf (Vorgang der Leistungserstellung) ergänzt.
Kosten des Verkäufers an den Frachtführer über-
Marketing Gesellschaftlicher und betriebswirt-
stellt wird; der Kunde trägt die Kosten und das Ri- schaftlicher Prozess zur Befriedigung der Bedürf-
siko ab Werk bis zum Bestimmungsort.
nisse von Individuen und Gruppen, indem Pro-
Lieferung frei Haus (Preissetzung) Eine geogra- dukte oder Werte geschaffen und untereinander
fische Preissetzung, bei welcher der Verkäufer alle ausgetauscht werden. Ausgangspunkt ist die Ent-
oder einen Teil der Frachtkosten übernimmt, um wicklung von Marketing-Strategien, welche dann
den gewünschten Geschäftsabschluss zu tätigen. mit den Instrumenten des Marketing-Mix (Pro-
Lizenzvergabe Ein Produkt oder eine Dienstleis- dukt-, Preis-, Distributions- und Kommunikati-
tung trägt den Namen einer Marke, welche vom onspolitik) umgesetzt werden.
Markeneigner gegen eine vereinbarte Gebühr zur Marketing-Audit Eine umfassende, systemati-
Verfügung gestellt wird. sche und regelmäßige Untersuchung des Unter-
Lösungsverkauf Kauf eines Lösungspaketes für nehmensumfelds, der Ziele, Strategien und Akti-
ein Problem von einem Einzelanbieter, um die vitäten. Darauf aufbauend können Chancen und
vielen Einzeleintscheidungen einer komplexen Risiken identifiziert und Pläne zur Verbesserung
Kaufsituation zu vermeiden. der Marketing-Leistung erarbeitet werden.
Lokales Marketing Zielgenaue Ausrichtung von Marketingbudget Die für Marketingmaßnahmen
Marken und Werbemaßnahmen auf die Bedürfnis- zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel. Die
se und Wünsche lokaler Kundensegmente – Städ- Kapitalrendite der Maßnahmen wird mithilfe des
te, Nachbarschaften und sogar individuelle Ge- Marketing-ROI bewertet.
schäfte.

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Marketing-Implementierung Ein Prozess der Marketing-Mix Die Gesamtheit aller steuerbaren,


Umsetzung von Marketing-Strategien und -Plänen taktischen Werkzeuge aus den Bereichen Produkt,
in konkrete Maßnahmen, die der Erreichung stra- Preis, Distribution und Kommunikation (engl.:
tegischer Marketing-Ziele dienen. product, price, place, promotion), die das Unter-
Marketing-Informationssystem Unternehmen- nehmen einsetzt, um bei den Zielkunden be-
sinterne Struktur aus Mitarbeitern, informations- stimmte erwünschte Reaktionen hervorzurufen.
technischer Ausrüstung und von Prozessen, die Marketingorganisation Sobald die Marketing-
Informationen sammelt, sortiert, zuordnet, analy- maßnahmen eines Unternehmens nicht von einer
siert, aufbereitet und auswertet und für die Ent- einzelnen Stelle getragen werden können, werden
scheidungsträger des Marketing zur Verfügung diese auf unterschiedliche Stellen anhand ausge-
stellt. wählter Kriterien verteilt. Die Strukturierung der
Marketing Intelligence beschreibt die systemati- Marketingabteilung kann anhand von Funktionen
sche Sammlung und Auswertung öffentlich zu- und Aufgaben, von geografischen Kriterien, von
gänglicher Informationen über Kunden, Wettbe- Produkten und Marken, von Markt- und Kunden-
werber und Marktentwicklungen. Ziel ist es, die segmenten oder durch Kombinationen daraus er-
strategische Entscheidungsfindung durch ein um- folgen.
fassenderes Kundenverständnis zu verbessern, Marketing-Plan Ein detaillierter, schriftlicher
Handlungen von Wettbewerbern zu verfolgen und Plan, der als Leitlinie für alle Entscheidungen im
zu bewerten und frühzeitig Hinweise auf Chancen Marketing dient. Seine Bestandteile sind ein Exe-
und Risiken zu erhalten. cutive Summary, ein Marketing-Audit, eine
Marketingkontrolle Der Prozess der Messung SWOT-Analyse, die Bestimmung von Zielen und
und Bewertung der Ergebnisse eingesetzter Mar- Einflussfaktoren, eine Marketing-Strategie, eine
keting-Strategien und -Maßnahmen und die Er- Beschreibung des anzuwendenden Marketing-
greifung von Korrekturmaßnahmen, um die Errei- Mix, die Prognose von erwarteten Gewinnen und
chung der Marketingziele sicherzustellen. Verlusten und Kontrollmaßnahmen.

Marketingkonzept Die Auffassung, dass die so- Marketingprozess Prozess, in dem profitable
ziale und wirtschaftliche Rechtfertigung einer Or- Kundenbeziehungen durch die Erschaffung von
ganisation darin liegt, die Wünsche und Bedürf- Kundennutzen und die Erlangung eines Gegen-
nisse der Kunden zu befriedigen und gleichzeitig werts für das Unternehmen aufgebaut werden.
die Unternehmensziele zu erreichen. Marketing-ROI Kapitalrendite von Marketing-
Marketinglogistik Zur physischen Distribution maßnahmen; ergibt sich aus dem Gewinn, der aus
(Marketing-Logistik) gehören die Aufgaben der einer Marketinginvestition resultiert, dividiert
Planung, die Schaffung notwendiger Strukturen durch die Kosten für die entsprechende Maßnah-
(Gebäude, Fahrzeuge, Personal) und die Steue- me. Die Schwierigkeit liegt jedoch in der Messung
rung und Dokumentation des Warenflusses bezüg- des Gewinns, also z.B. in der Messung der Wir-
lich der Materialien, der Endprodukte und der kung von Werbemaßnahmen. Es gibt daher noch
dazugehörigen Informationen vom jeweiligen keine einheitliche Definition für den Marketing-
Ausgangspunkt bis zum Übergabe- oder Ver- ROI und kein allgemein akzeptiertes Verfahren für
brauchspunkt, um die Bedürfnisse der Kunden seine Messung.
unter Erzielung von Gewinn zu befriedigen. Marketingstrategie Langfristig orientierte
Marketing-Management Bezeichnet die Kunst Grundsatzentscheidungen zur Erreichung der fest-
und die Wissenschaft der Auswahl von Zielmärk- gelegten Marketing- und Unternehmensziele.
ten und den Aufbau profitabler Beziehungen mit Dabei muss das Unternehmen Entscheidungen
diesen. Dies beinhaltet die Analyse, Planung, Ein- hinsichtlich der Entwicklung und des Einsatzes
führung und Durchführung sowie die Überwa- der Marketing-Mix-Instrumente und der Auswahl
chung von Marketing-Programmen. der Zielmärkte und -gruppen treffen.

Marketingmittler Unterstützen das Unterneh- Marketing-Umfeld Besteht aus den Kräften und
men bei Werbung, Vertrieb und Auslieferung an Akteuren außerhalb der Marketing-Funktion, die
die Kunden sowie bei der Finanzierung und Zah- die Fähigkeit des Managements beeinflussen, er-
lungsabwicklung. Hierzu gehören Werbeagentu- folgreiche und dauerhafte Geschäftsbeziehungen
ren, Paketdienste, Speditionen und ähnliche Un- mit den Kunden der Zielgruppen aufzubauen und
ternehmen sowie Finanzinstitutionen. aufrechtzuerhalten.

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Marketing-Webseite Eine Webseite zur Einbin- Marktführer Das Unternehmen, das auf einem re-
dung der Kunden in alle Interaktionen, die sie levanten Markt den größten Marktanteil im Wett-
näher an einen direkten Kauf oder ein anderes bewerb für sich beansprucht.
Marketingergebnis heranführen. Markt für Industriegüter Der Markt für Indust-
Markt Die Gesamtheit aller gegenwärtigen und riegüter umfasst alle Organisationen, die Güter
potenziellen Käufer eines Produktes oder einer und Dienstleistungen nachfragen, um sie in der ei-
Dienstleistung. genen Produktion von anderen Erzeugnissen und
Marktabschöpfungsstrategie (engl.: skimming- Dienstleistungen zu verwenden, sie weiterzuver-
pricing) Bei der Marktabschöpfungsstrategie wird kaufen oder zu vermieten, zu verleasen oder auf
beim Markteintritt ein hoher Preis festgesetzt, um andere Weise gewerblich zu verwenden.
so den höchstmöglichen Gewinn im Markt abzu- Marktorientiertes Unternehmen Ein Unterneh-
schöpfen. Diese Strategie wird insbesondere von men, das bei der Gestaltung seiner Marketingstra-
Unternehmen eingesetzt, die mit Produktinnovati- tegien die Kunden und den Wettbewerb gleicher-
onen in den Markt eintreten. maßen berücksichtigt.
Marktauswahl Der Prozess, jedes Marktsegment Marktsegment Ein Marktsegment besteht aus
auf seine Attraktivität hin zu bewerten und eines Verbrauchern, die auf ähnliche Weise auf Marke-
oder mehrere Zielsegmente auszuwählen. tingbemühungen reagieren.
Marktdurchdringungsstrategie (engl.: penetra- Marktsegmentierung (Voraussetzungen) Für
tion-pricing) Strategie, bei der zu Beginn niedrige eine sinnvolle Segmentierung sollten die Markt-
Preise angesetzt werden, um eine schnelle und segmente folgende Eigenschaften aufweisen:
tiefe Marktdurchdringung zu erreichen. Dies er- Messbarkeit (Größe der Segmente, Kaufkraft und
folgt vor allem, um in kurzer Zeit eine große An- Profile von deren Mitgliedern), Zugänglichkeit
zahl von Käufern anzuziehen und einen großen des Segments (sowohl physische als auch kom-
Marktanteil zu erlangen. munikative Erreichbarkeit), Bedeutung des Seg-
Markteinführung Einführung eines neuen Pro- ments (Aufweisen einer Mindestgröße und Aus-
duktes auf dem Markt. sicht auf Mindestgewinne), Durchführbarkeit und
Umsetzbarkeit (in Bezug auf die individuelle An-
Markteintrittsformen Man unterscheidet beim sprache der identifizierten Marktsegmente).
Eintritt in einen ausländischen Markt zwischen
Export, Joint Venture und Direktinvestition. Das Marktsegmentierung Aufteilung eines heteroge-
benötige Kapital, Engagement und die erforderli- nen Gesamtmarktes in homogene Teilmärkte. Eine
che Risikobereitschaft nehmen in dieser Reihen- Segmentierung kann z.B. anhand geografisch-regi-
folge zu. onaler, demografischer und psychografischer
Merkmale erfolgen oder auf Verhaltensmerkmalen
Marktentwicklungsstrategie Die Marktentwick- der Käufer beruhen.
lungsstrategie zielt darauf ab, mit bestehenden
Produkten in neue Märkte einzutreten, um zusätz- Marktwachstums-Marktanteils-Matrix nach
liches Absatzpotenzial zu erschließen. BCG Strategische Analysemethode, mit der man
die Geschäftsfelder eines Unternehmens anhand
Marktfolger Zweitplatziertes Unternehmen, das der Dimensionen Marktwachstum und Marktan-
seinen Marktanteil halten will, ohne die Markt-
teil in einer Vier-Felder-Matrix positioniert und
führerschaft anzustreben.
visualisiert. Mittels dieser Einteilung lassen sich
Marktformen Es werden vier Grundtypen von die strategischen Geschäftsfelder den vier Grund-
Märkten unterschieden: die vollkommene Kon- typen Question Marks, Cash Cows, Poor Dogs und
kurrenz, das Polypol, das Oligopol und das Mono- Stars zuordnen und Handlungsempfehlungen für
pol. die Ressourcenzuteilung ableiten.
Marktforschung Aufgabe der Marktforschung ist Mass Customization Fertigung von individuell
es, marktrelevante Daten und Informationen syste- konfigurierten Produkten entsprechend der Wün-
matisch zu erheben, aufzubereiten und zu analy- sche einzelner Kunden im Rahmen einer Massen-
sieren. Die so gewonnenen Erkenntnisse dienen produktion.
der Unterstützung von Marketing-Verantwortli-
Massenmarketing Jeder erreichbare Käufer wird
chen beim Treffen marketingrelevanter Entschei- mit dem gleichen Marketing-Mix angesprochen
dungen.
und mit dem gleichen Produkt bedient.
Massenmedien Nicht persönliche Kommunikati-
onskanäle wie Zeitungen und Zeitschriften, Hör-

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funk und Fernsehen, Online- und elektronische Motiv (Antrieb) Antriebskraft, die eine Person
Medien sowie Plakatwerbung. dazu veranlasst, Aktivitäten zu entwickeln, um
Meinungsführer Personen innerhalb einer Refe- bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen
renzgruppe, die aufgrund besonderer Fähigkeiten, Multikanal-Marketingsystem Marketing findet
ihres Wissens, ihrer Persönlichkeit oder anderer sowohl über Filialnetze und andere traditionelle
Eigenschaften einen besonders starken Einfluss stationäre Kanäle statt als auch digital, online, in
auf andere ausüben. den sozialen Medien und über mobile Geräte.
Mengenrabatt Preisermäßigung für Kunden, die Multimodale Transportmittel Der Einsatz von
große Mengen kaufen. zwei oder mehreren Transportmitteln.
Menschliches Bedürfnis Ein Zustand, in dem ein Mundpropaganda Persönliche Kommunikation
Mangel empfunden wird. über ein bestimmtes Produkt zwischen Kaufinter-
Mikromarketing Eine Form des Zielgruppen- essenten und Nachbarn, Freunden, Familienmit-
Marketing, bei der Unternehmen ihr Angebot und gliedern oder Geschäftspartnern.
ihr Marketing-Programm genau auf die Bedürfnis- Nachfrage Wünsche, die von entsprechender
se eng abgegrenzter Segmente (geografisch, demo- Kaufkraft begleitet werden bzw. die Menge eines
grafisch, psychografisch und verhaltensorientiert) Produkts, das in einer bestimmten Zeit im Markt
ausrichten. verkauft wird.
Mikroumfeld Das engere Umfeld des Unterneh- Nachfragekurve Eine Kurve, die darstellt, wie
mens, das aus den Kräften innerhalb des Unter- viele Einheiten der Markt in einem bestimmten
nehmens und aus den Partnern des Unterneh- Zeitraum und zu ggfs. unterschiedlichen Preisen
mens besteht. Im Mikro-Umfeld entstehen die Vo- erwerben wird.
raussetzungen dafür, wie die Käufer bedient Nachhaltiges Marketing Das Konzept des nach-
werden können. Zum engeren Umfeld gehören haltigen Marketing bedeutet, dass ein Unterneh-
das Unternehmen selbst mit allen Teilbereichen, men die Bedürfnisse seiner derzeitigen Kunden
seine Lieferanten und seine Partner in den Ver- befriedigen sollte, ohne die Möglichkeit zukünfti-
triebswegen, die Kunden, die Wettbewerber und ger Generationen zu schmälern, ihre eigenen Be-
die am Unternehmen oder an der Branche gezielt dürfnisse zu befriedigen. Nachhaltiges Marketing
interessierte Öffentlichkeit. zielt somit auf das langfristige Wohlergehen der
Millenials Die 83 Millionen Kinder der Babyboo- Gesellschaft ab.
mer, die zwischen 1977 und 2000 geboren wur- Nachkaufbetreuung (Verkaufsprozess) Phase
den. im Verkaufsprozess, in der eine Nachbetreuung
Mobiles Marketing Markenbotschaften, Ver- durch den Verkäufer stattfindet, um die Kunden-
kaufsförderung und andere Inhalte, die den Kun- zufriedenheit sicherzustellen und einen Wieder-
den unterwegs auf ihre Mobiltelefone, Smartpho- holungskauf anzuregen.
nes, Tablets und andere mobile Geräte übermittelt Natürliches Umfeld Natürliche Ressourcen, die
werden. Marketingexperten als Input benötigen oder die
Mode Aktuell gängiger oder beliebter Stil in durch Marketingaktivitäten beeinflusst werden.
einem bestimmten Bereich. Neues Produkt Eine Ware, Dienstleistung oder
Modifizierter Wiederkauf Kaufsituation, in der Idee, die von potenziellen Kunden als neu wahr-
die beschaffende Organisation Veränderungen bei genommen wird.
Produktspezifikationen, Preisen, Konditionen Neuproduktentwicklung Die Entwicklung origi-
oder Lieferanten vornehmen möchte. närer Produkte, fundamental verbesserter Produk-
Monopol Marktform, bei der es auf dem Markt te, von Abwandlungen vorhandener Produkte
nur einen einzigen Anbieter gibt. Dieser kann ein oder neuer Marken mittels eigener Forschungs-
staatliches Monopol sein, ein reguliertes Monopol und Entwicklungsanstrengungen.
unter öffentlicher Kontrolle oder ein Privatunter- Neuromarketing
nehmen, das ein „De-facto-Monopol“ innehat.
Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen
Moral Regeln, die Menschen aufgrund ihrer kul- Eines der wesentlichen Charakteristika einer
turellen Werte und Normen entwickeln. Dienstleistung, die nicht für einen späteren Ver-
Moralische Appelle Appelle, die auf das Empfin- kauf gelagert werden kann.
den der Zielgruppe darüber, was „gut“ und „rich- Nichtpersönliche Kommunikationskanäle Kom-
tig“ ist, gerichtet sind. munikationskanäle, die Botschaften ohne persön-

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lichen Kontakt und ohne Feedback übertragen, nahmenprogramm durchzuführen, das bei der Öf-
wie z.B. Massenmedien oder Events. fentlichkeit zu mehr Verständnis und höherer Ak-
Nichttarifäres Handelshemmnis Nicht monetäre zeptanz gegenüber dem Unternehmen beitragen
Handelseinschränkung für ausländische Produk- soll.
te, zum Beispiel die unfaire Behandlung von An- Ökonomisches Umfeld Wirtschaftliche Fakto-
geboten ausländischer Unternehmen oder Pro- ren, die die Kaufkraft und das Kaufverhalten von
duktstandards, die bestimmte Produkteigenschaf- Kunden beeinflussen.
ten fordern oder verbieten. Oligopol Marktform, bei der wenige Anbieter auf-
Nischenanbieter Ein Unternehmen, das ein klei- treten, die aber sehr empfindlich auf die Marke-
nes Marktsegment bedient, das von anderen Un- ting-Strategien und die Preissetzungen ihrer weni-
ternehmen der Branche übersehen oder ignoriert gen Konkurrenten reagieren.
wird. One-to-One-Marketing Produkt und Marketing-
Nischenmarketing Produkt- und Marketing-Pro- Programm werden auf die Bedürfnisse und Vorlie-
gramm eines Unternehmens werden auf eine eng ben jedes einzelnen Kunden abgestimmt.
abgegrenzte Zielgruppe in einem oder mehreren Onlinefokusgruppen Moderierte Veranstaltung
Teilmärkten abgestimmt, in denen es oft nur weni- mit kleiner Teilnehmergruppe im Internet, bei der
ge Wettbewerber gibt. über ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Un-
Non-Profit-Marketing Marketingbemühungen ternehmen gesprochen wird und die relevante
von Non-Profit-Organisationen. Ziel der Bemü- Einblicke in die Standpunkte und Gewohnheiten
hungen ist es, neue Mitglieder zu finden und Un- der Kunden ermöglicht.
terstützung in jedweder Form zu generieren. Onlinemarketing Marketing im Internet durch
Non-Profit-Organisation Eine Organisation, Einsatz von Unternehmenswebseiten, Onlinean-
deren Zielvorgaben nicht monetärer Art sind, also zeigen und Werbung, E-Mails, Onlinevideos und
nicht auf Gewinn, Marktanteil oder Kapitalrendite Blogs.
abzielen. Dazu zählen beispielsweise staatliche Onlinemarktforschung Erhebung von Primärda-
Universitäten, Kirchen, Wohltätigkeitsorganisatio- ten im Internet. Gängige Arten sind: Umfragen im
nen oder soziale Einrichtungen. Internet, Onlinepanels, Online-Experimente und
Nutzer Diejenigen Mitglieder der Organisation, Onlinefokusgruppen. Wesentliche Vorteile sind
die das Produkt oder die Dienstleistung nutzen die hohe Kosteneffizienz, die hohe Geschwindig-
oder verwenden werden. keit und die Erreichbarkeit von evtl. weit entfern-
Nutzenversprechen Das Nutzenversprechen ten Probanden.
eines Unternehmens beschreibt das Bündel von Onlinewerbung Werbung, die während einer
Nutzenbestandteilen oder Werten, die man Kon- Onlinesuche des Kunden eingeblendet wird, ein-
sumenten verspricht, um deren Bedürfnisse zu be- schließlich Bildschirmanzeigen, suchverwandten
friedigen Anzeigen, Online-Kleinanzeigen und anderen
Objective-and-task method siehe Werbebudget, Formen.
Festlegung anhand der zu bewältigenden Marke- Organisationsstruktur im internationalen Um-
ting-Aufgaben feld Für die Umsetzung einer Internationalisie-
Offene Frage Frageform der Marktforschung, die rungsstrategie benötigt ein Unternehmen eine Or-
dem Befragten die Möglichkeit gibt, in eigenen ganisationsstruktur, die sich für ein internationa-
Worten zu antworten. les Umfeld eignet. Es lassen sich drei Grundtypen
unterscheiden: Exportabteilung, internationale
Offene Handelsnetzwerke siehe E-Marktplätze Abteilung und globale Organisation.
Öffentliche Institutionen Schulen, Krankenhäu- Partner Relationship Management (PRM) Die
ser, Pflegeheime, Gefängnisse und andere Institu-
Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen im Un-
tionen, die den Menschen in ihrer Obhut Produk-
ternehmen und mit Partnern außerhalb des Unter-
te und Dienstleistungen zur Verfügung stellen. nehmens, um gemeinsam Kundenwert zu generie-
Öffentlichkeitsarbeit (engl.: Public Relations, ren.
PR) Teil der Marketing-Kommunikation, dessen
Percentage-of-sales method siehe Werbebudget,
Aufgabe es ist, öffentliche Meinungen und Ein- Festlegung als Prozentsatz des Umsatzes
stellungen zum Unternehmen zu bewerten, mögli-
che Bereiche von öffentlichem Interesse innerhalb Persönliche Kommunikationskanäle Kanäle,
der Organisation zu identifizieren und ein Maß- durch welche zwei oder mehrere Personen direkt

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miteinander in Beziehung treten. Sie können sich oder eine Dienstleistung ihm liefern, aufwenden
miteinander unterhalten, eine Person kann zu muss.
einer größeren Gruppe sprechen, sie kann ein Te- Preiselastizität Eine Größe, die ausdrückt, wie
lefongespräch führen oder per Brief oder E-Mail stark die Nachfrage auf eine Preisänderung reagie-
kommunizieren. ren wird.
Persönlicher Verkauf Die mündlich vorgetragene Preisnachlass bei Inzahlungnahme Preisnach-
Präsentation gegenüber einem oder mehreren lass beim Kauf eines neuen Produkts, sofern
Kaufinteressenten oder das persönliche Verkaufs- gleichzeitig ein altes Produkt in Zahlung gegeben
gespräch, mit dem Zweck, das vorgestellte Pro- wird.
dukt oder die präsentierte Dienstleistung zu ver-
kaufen und eine persönliche Kundenbeziehung
Preisnachlass für Werbeaktionen Bonuszahlun-
gen oder Preisnachlässe, um Händler für die Teil-
aufzubauen.
nahme an Werbe- und Verkaufsförderungspro-
Persönlichkeit Individuelle psychologische grammen zu belohnen.
Merkmale eines Menschen, die zu relativ stabilen
und vorhersehbaren Reaktionen auf das Umfeld
Preisnachlässe siehe Rabatte
führen. Preispolitik Teil des Marketing-Mix, der sich mit
der Preissetzung für Produkte oder Dienstleistun-
Physische Distribution siehe Marketinglogistik
gen beschäftigt.
Politisches Umfeld Gesetze, Regierungsbehör-
den und Interessensverbände, die verschiedene Preissetzung anhand von Basisorten Geografi-
sche Preissetzungsstrategie, in welcher der Ver-
Organisationen und Einzelpersonen einer be-
käufer eine bestimmte Stadt als Basispunkt fest-
stimmten Gesellschaft beeinflussen und in ihren
Aktivitäten einschränken. legt und für alle Kunden eine einheitliche Fracht
von diesem Basispunkt aus berechnet.
Polypol Marktform, bei der sich viele Nachfrager
und viele Anbieter gegenüberstehen. Es gibt für
Preissetzung für das Zubehör Preissetzung für
ein Produkt keinen Marktpreis, sondern es kann optionale oder zusätzliche Produkte, die mit dem
Basisprodukt geliefert werden.
eine weite Spanne von Preisen beobachtet wer-
den. Das Verhalten eines einzelnen Anbieters ver- Preissetzung für Komplementärprodukte
ändert aufgrund seines geringen Marktanteils Preissetzung für Produkte, die nur in Verbindung
nicht die Marktverhältnisse. mit dem Hauptprodukt genutzt werden können.
Komplementärprodukte sind beispielsweise Ra-
Portfolio-Analyse Verfahren der strategischen Si-
tuationsanalyse, mit dessen Hilfe das Manage- sierklingen, Videospiele und Tintenpatronen für
Drucker.
ment verschiedene Geschäftsfelder des Unterneh-
mens untersuchen und bewerten kann, um darauf Preissetzung für Koppelprodukte Preissetzung
aufbauend Ressourcen zu verteilen. für bei der Herstellung anfallende Produkte von
Positionierung Der Aufbau einer im Vergleich zu meist geringem Wert. Jeder Preis, der zumindest
die Lagerungs- und Lieferkosten des Koppelpro-
Konkurrenzprodukten klaren, wünschenswerten
dukts deckt, ist akzeptabel. Manche Produkte las-
und trennscharfen Position für ein Produkt in der
Vorstellung der Zielkunden. sen sich gewinnbringend verkaufen.

Positionierungsaussage Eine Erklärung, die die Preissetzung für Produktbündel Preissetzung,


bei der verschiedene Produkte miteinander kom-
Positionierung des Unternehmens bzw. der Marke
zusammenfasst. Der Aufbau ist wie folgt: Für biniert und zusammen zu einem günstigeren Preis
angeboten werden.
(Zielsegment und Zielbedürfnis) Wir (Marke) sind
(Konzept) dies (Unterscheidungsmerkmale). Preissetzung in öffentlichen Ausschreibungen
Präsentation des Produktes (Verkaufsprozess) Form der wettbewerbsorientierten Preissetzung;
ist bei öffentlichen Ausschreibungen relevant. Bei
Schritt im Verkaufsprozess, in dem der Verkäufer
der Abgabe verschlossener Angebote wird ein Un-
dem Kunden den Nutzen des Produktes veran-
schaulicht und darlegt, wie das Unternehmen die ternehmen Preise kalkulieren, die sich an den ver-
muteten Preisen der Konkurrenten orientieren.
Probleme des Kunden lösen kann.
Die eigene Kostenrechnung oder die Nachfrage
Preis Der Betrag, der für ein Produkt oder eine treten bei dieser Art der Preisbestimmung in den
Dienstleistung verlangt wird. Etwas weiter be- Hintergrund. Wenn der Anbieter den Auftrag be-
trachtet, ist der Preis die Summe aller Werte, die kommen möchte, muss er zu einem Preis anbie-
ein Verbraucher für den Nutzen, den ein Produkt ten, der unter dem der Konkurrenten liegt.

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P reissetzung innerhalb einer Produktlinie Stra- Produktentwicklung Weiterentwicklung des


tegie, bei der Preisstufen zwischen den einzelnen Produktkonzeptes zu einem realen Produkt, um
Produkten festgelegt werden. Dabei sollten die zu gewährleisten, dass die Produktidee in ein
Kostenunterschiede der einzelnen Produkte in- praktikables Angebot für den Markt umgesetzt
nerhalb der Linie, die Beurteilung der Produkt- werden kann.
merkmale durch die Kunden sowie die Preise der Produktentwicklungsstrategie Mit der Pro-
Wettbewerber berücksichtigt werden. duktentwicklungsstrategie verfolgt man das Ziel,
Preissetzung nach Kundensegmenten Diskri- den Umsatz auf bestehenden Märkten mit neuen
minierende Preissetzung, bei der unterschiedliche Produkten zu sichern bzw. auszuweiten.
Kunden für dasselbe Produkt oder dieselbe Produktimitation Ein Produkt ahmt Produkte
Dienstleistung unterschiedliche Preise bezahlen. nach, die bereits auf dem Markt eingeführt sind.
Preissetzung nach Orten Diskriminierende Produktinnovation siehe Innovation
Preissetzung, bei der das gleiche Produkt an un-
terschiedlichen Orten zu verschiedenen Preisen
Produktinnovationscharta Beinhaltet eine Stra-
tegie zur Entwicklung neuer Produkte und die
angeboten wird.
Motive einer unternehmensweiten Innovations-
Preissetzung nach Produkten Diskriminierende förderung, die Produkte, Märkte und Technologi-
Preissetzung, bei der unterschiedliche Varianten en, auf die sich Innovationen beziehen sollen, und
eines Produkts zu unterschiedlichen Preisen ange- die mit Innovationen angestrebten Ziele.
boten werden, jedoch nicht aufgrund unterschied-
licher Herstellungskosten.
Produktkonzept (Neuproduktentwicklung) Die
Auffassung, dass Konsumenten Produkte bevorzu-
Preissetzung nach Zeit Diskriminierende Preis- gen, die die höchste Qualität, die beste Leistung
setzung, bei der das gleiche Produkt zu unter- oder die innovativsten Merkmale aufweisen, und
schiedlichen Zeiten zu verschiedenen Preisen an- dass sich ein Unternehmen folglich darauf kon-
geboten wird. Der Preis kann saisonal, monatlich, zentrieren sollte, kontinuierlich Produktverbesse-
täglich oder sogar stündlich variieren. rungen vorzunehmen.
Premium-Strategie Ein Produkt höchster Quali- Produktlebenszyklus Der Verlauf des Absatzes
tät wird zu einem hohen Preis angeboten. und des Gewinnes eines Produkts über seine Le-
Primärdaten Daten, die zum ersten Mal und spe- benszeit. Er umfasst die fünf Phasen Entwicklung,
ziell für eine bestimmte Fragestellung im Rahmen Markteinführung, Wachstum, Reife und Degenera-
der Marktforschung erhoben werden. tion.
Problemerkennung Erste Phase im industriellen Produktlinie Eine Gruppe von Produkten, die
Beschaffungsprozess, in der ein Mitarbeiter des durch ähnliche Funktion, ähnliche Käufer, ähnli-
Unternehmens ein Problem oder Bedürfnis er- che Vertriebswege oder ein ähnliches Preisniveau
kennt, das durch den Erwerb einer Ware oder eng miteinander verbunden sind.
Dienstleistung gelöst werden kann. Produktlinienausweitung Ausweitung des be-
Produkt Jedes Objekt, das auf einem Markt zur stehenden Markennamens auf neue Formen, Far-
Beachtung oder Wahl, zum Kauf, zur Benutzung ben, Größen, Zutaten oder Geschmacksrichtungen
oder zum Verbrauch oder Verzehr angeboten wer- in einer bestehenden Produktkategorie.
den kann. Dies beinhaltet gegenständliche Objek- Produkt-Markt-Matrix Ein Schema zur Entwick-
te, Personen, Orte, Organisationen und Ideen lung von Wachstumsstrategien, das auf einem pro-
sowie Dienstleistungen. dukt- und marktbezogenen Handlungsrahmen ba-
Produktanpassung Ein Produkt wird an die lo- siert. Grundlegende Optionen, mit denen ein Un-
kalen Bedingungen und Vorlieben in einem aus- ternehmen Wachstum erzielen kann, sind
ländischen Markt angepasst. Marktdurchdringung, Marktentwicklung, Pro-
Produktdimensionen Dimensionen eines Pro- duktentwicklung und Diversifikation.
dukts sind das Kernprodukt, das reale Produkt Produktmix siehe Produktportfolio Anzahl der
und das erweiterte Produkt. Produkte innerhalb einer Produktlinie sowie die
Produkteigenschaften Phase im industriellen Anzahl der Produktlinien, die ein Unternehmen
Beschaffungsprozess, in der das Unternehmen die anbietet.
optimalen technischen Produkteigenschaften für Produktneuentwicklung Entwicklung neuer
einen benötigten Artikel definiert und festlegt. Produkte oder Dienstleistungen für ausländische
Märkte.

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Produktportfolio Anzahl der Produkte innerhalb nals nach, die ihren Bedarf wiederum beim Her-
einer Produktlinie sowie die Anzahl der Produkt- steller decken.
linien, die ein Unternehmen anbietet. Pulsierende Werbung Werbung, die in ungleich-
Produktpositionierung Definierung des Produk- mäßigen, pulsierenden Zeitabständen geschaltet
tes aus Sicht der Verbraucher hinsichtlich der re- wird.
levanten Eigenschaften – Position, die das Pro- Push-Strategie Eine Kommunikationsstrategie,
dukt in der Wahrnehmung der Verbraucher im bei der das Produkt durch die Vertriebskanäle hin
Vergleich zu konkurrierenden Produkten innehat. zum Endverbraucher gewissermaßen „gescho-
Produktqualität Die Fähigkeit eines Produktes ben“ wird. Der Hersteller richtet seine Marketing-
oder einer Dienstleistung, die von ihm erwarteten Aktivitäten auf den Handel, um ihn dazu zu brin-
Funktionen aus Sicht des Käufers zu erfüllen. gen, das Produkt zu listen und an den Endver-
Produktstrategien für internationale Märkte braucher zu verkaufen.
Ein Produkt kann mit unterschiedlichen Strategi- Qualitätsschwankungen (bei Dienstleistun-
en auf ausländische Märkte übertragen werden: gen) Die Qualität von Dienstleistungen kann sich
Einführung eines bestehenden Produkts ohne jede je nach Anbieter, Zeitpunkt, Ort sowie Art und
Änderung; Produktanpassung, bei der Verände- Weise erheblich unterscheiden.
rungen am Produkt vorgenommen werden, um re- Quote Einfuhrbeschränkungen für eine bestimm-
gionale Bedürfnisse zu befriedigen; Produktent- te Warenkategorie; der Zweck von Quoten ist es,
wicklung, bei der etwas vollständig Neues, ange- Devisenreserven zurückzuhalten und die heimi-
passt an die Bedürfnisse des Auslandsmarkts, sche Wirtschaft und die Beschäftigung im Lande
entwickelt wird. zu schützen.
Produktunterstützende Dienstleistung Eine Rabatte und Preisnachlässe Preissetzung durch
Dienstleistung, die als Ergänzung zu einem Pro- Anpassung des Grundpreises, um den Kunden für
dukt angeboten wird. ein bestimmtes Verhalten zu belohnen, z.B. für be-
Prozess der Lieferantenauswahl Phase im Kauf- sonders schnelle Zahlung von Rechnungen, für
prozess, in der ein industrieller Käufer die Ange- den Kauf großer Mengen oder den Erwerb von
bote prüft und einen oder mehrere Lieferanten Produkten außerhalb der Saison.
auswählt. Rationale Appelle Richten sich an das Eigeninte-
Psychografische Eigenschaften Psychografi- resse der Mitglieder der Zielgruppe. Es soll gezeigt
sche Eigenschaften der Konsumenten werden ana- werden, dass das Produkt den erwünschten Nut-
lysiert, um verschiedene Lebensstile zu bestim- zen erbringen wird. Dabei kann auf Qualität, Leis-
men, zum Beispiel durch die so genannten AIO- tungsfähigkeit, Zuverlässigkeit oder verbesserte
Dimensionen (activities, interests, opinions), also Produktivität verwiesen werden.
Aktivitäten, Interessen und Meinungen. Referenzgruppen Gruppen, die als direkter oder
Psychografische Segmentierung Die psychogra- indirekter Bezugs- oder Vergleichspunkt bei der
fische Segmentierung teilt die Käufer gemäß ihrer Verhaltens- und Einstellungsbildung einer Person
Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse, ihrem Le- dienen.
bensstil oder ihren Persönlichkeitsmerkmalen in Referenzpreise In den Vorstellungen der Kaufin-
verschiedene Gruppen ein. teressenten vorhandene Ansichten, was ein be-
Psychologische Preissetzung Preissetzung, bei stimmtes Produkt kosten sollte oder könnte. Un-
der der Preis dazu genutzt wird, etwas über die ternehmen können diese Referenzpreise beein-
Produktqualität auszusagen. Ein Unternehmen flussen oder sie für ihre Preissetzung nutzen.
geht hierbei mehr auf die psychologische Wirkung Regelmäßig wiederkehrende Bestellprozedur
des Preises ein als auf Kosten oder sonstige be- Phase im Kaufprozess, in der ein industrieller
triebswirtschaftliche Kennzahlen. Käufer den endgültigen Auftrag an den/die Liefe-
Pull-Strategie Eine Kommunikationsstrategie, bei ranten erteilt und dabei die technischen Spezifi-
der der Anbieter den überwiegenden Teil seiner kationen, benötigten Mengen, erwarteten Liefer-
Marketing-Aktivitäten auf die Käufer oder Endver- termin, Rücksendebedingungen und Gewährleis-
braucher ausrichtet, um diese zu veranlassen, sein tungen festlegt.
Produkt zu kaufen. Bei einer funktionierenden Reichweite Beschreibt in der Mediaplanung den
Pull-Strategie fragen die Kaufinteressenten das an- Anteil der Personen, die in einem gegebenen Zeit-
gebotene Produkt bei Mitgliedern des Absatzka- raum mit einem oder mehreren Werbeträgern in
Kontakt kommen. Unterschieden wird die räumli-

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che, qualitative, quantitative, kumulierte und Selektive Distribution Nutzung von mehr als ei-
kombinierte Reichweite. nem, aber weniger als der Gesamtheit an Absatz-
Reifephase Phase im Produktlebenszyklus, in der mittlern, die bereit sind, das Produkt des Unter-
das Umsatzwachstum des Produkts sich verlang- nehmens in ihrem Sortiment zu führen.
samt oder abschwächt. Shopper Marketing Aktionen und Werbemaß-
Relationship-Marketing siehe Beziehungs-Mar- nahmen in den Filialen, um den Markenwert auf
keting der „letzten Meile“ weiter zu steigern und vorteil-
hafte Kaufentscheidungen in den Einkaufsstätten
Retromarketing Neuauflage von Altbewährtem. zu fördern.
Moderne Produkte mit Retrodesign fungieren als
Nostalgieträger und wecken positive Assoziatio- Showrooming Ein Kaufverhalten, bei dem der
nen mit Vergangenem. Kunde in den Verkaufsräumen einer Filiale die
Ware und das Preisangebote prüft, letztlich aber in
Rolle Eine Rolle besteht aus denjenigen Aktivitä- einem konkurrierenden reinen Onlinestore ein-
ten, von denen das Umfeld erwartet, dass eine
kauft – gelegentlich sogar vor Ort über sein mobi-
Person sie ausführt.
les Gerät.
Saisonrabatt Preisnachlass für Käufer, die Pro- Simultane Produktentwicklung Ansatz zur Ent-
dukte oder Dienstleistungen außerhalb der Saison
wicklung neuer Produkte, bei dem verschiedene
erwerben.
Abteilungen eines Unternehmens eng zusammen-
Sales Force Management (Vertriebsmanage- arbeiten und sich Aufgaben im Produktentwick-
ment) Bezeichnet die Analyse, Planung, Durch- lungsprozess überschneiden, sodass Zeitaufwand
führung und Kontrolle der Aktivitäten der Ver- reduziert und die Effektivität gesteigert wird.
triebsmitarbeiter. Dazu gehört es, diesen Ziele zu Sinus-Milieus Auf empirischen Daten basieren-
setzen, die Strategie und Struktur zu bestimmen,
des Modell, welches verschiedene Gruppen der
geeignete Mitarbeiter anzuwerben, auszuwählen,
deutschen Gesellschaft nach sozialer Lage und
auszubilden, zu vergüten, zu steuern und zu be- Wertebewusstsein anordnet und vielfältig nutzbar
werten.
ist. Es hilft Zielgruppen zu definieren, Kunden-
Schwankende Nachfrage Industrielle Nachfra- gruppen zu beschreiben, Marktnischen aufzuspü-
ge, die letztlich von der Nachfrage nach Konsum- ren, Käuferpotenziale anzusprechen und neue
gütern herrührt (abhängt). Motivationen und Bedürfnisse frühzeitig zu er-
Segmentierung nach Alter und Position im Le- kennen und zu lokalisieren.
benszyklus Einteilung der Zielgruppen eines Social Media siehe Soziale Medien
Marktes nach Generationen sowie der aktuellen
Social Selling Die Nutzung von Online-, mobilen
Lebensphase.
und sozialen Medien zur Einbindung von Kun-
Segmentierung nach Einkommen Einteilung den, Entwicklung stärkerer Kundenbeziehungen
eines Marktes in Segmente nach verfügbarem Ein- und Steigerung der Verkaufstätigkeit.
kommen.
Social Marketing Der Anspruch an Organisatio-
Segmentierung nach Geschlecht Einteilung nen, die Bedürfnisse, Wünsche und Interessen der
eines Marktes in Segmente nach Geschlecht. Zielmärkte zu ermitteln und in einer effektiven
Segmentierung nach Kaufanlässen: Einteilung und effizienten Weise zu befriedigen, welche so-
eines Marktes in Segmente nach Kaufanlässen, d. wohl dem individuellen Konsumenten als auch
h., wann Verbraucher ein Produkt planen zu kau- der Gesellschaft zugutekommt.
fen, tatsächlich kaufen oder benutzen Sortiment Bezeichnet die Gesamtheit aller Pro-
Segmentierung nach Nutzen Einteilung eines dukte, die ein Unternehmen anbietet. Es lässt sich
Marktes in Segmente nach den unterschiedlichen beschreiben durch die Breite (Anzahl verschiede-
Nutzen, die Verbraucher mit einem Produkt ver- ner Produktlinien) und die Tiefe (Vielfalt der Arti-
binden. kel innerhalb einer Produktlinie).
Sekundärdaten Der Marktforschung bereits zur Soziale Klassen Relativ beständige und geordnete
Verfügung stehende Daten, die zunächst zu ande- Einteilung von Gruppen innerhalb einer Gesell-
ren Zwecken erhoben wurden. schaft, deren Mitglieder ähnliche Werte, Interes-
sen und Verhaltensweisen zeigen.
Selbstkonzept Beschreibt das Bild und das Wis-
sen, das eine Person von bzw. über sich selbst hat. Soziale Medien Unabhängige und kommerzielle
Online-Gemeinschaften, in denen sich Mitglieder

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vernetzen, Kontakte knüpfen sowie Meinungen kampagnen, Preisen und weiteren Elementen des
und Informationen austauschen. Marketing-Mix.
Soziale Netzwerke (Social Network) Unter so- Status Wertschätzung, die einer Person aufgrund
zialen Netzwerken versteht man eine Gruppe von ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft entge-
Menschen, die über das Internet miteinander gengebracht wird.
kommunizieren und selbst geschaffene Inhalte Stichprobe Bestimmte Teilmenge einer Grundge-
(wie Beiträge, Fotos oder Videos) austauschen. samtheit, die untersucht wird, um Aussagen über
Beispiele sind Facebook, Snapchat oder Xing. Die die Grundgesamtheit treffen zu können.
Mitglieder solcher Netzwerke legen für sich selbst
ein Profil an, vernetzen sich durch das Sammeln Stil Eine grundlegende und charakteristische Aus-
drucksweise.
von „Freunden“ (im Sinne von Kontakten) und
sind durch das Verfolgen gemeinsamer Interessen Strategische Allianz Kooperation zwischen Un-
miteinander verbunden. ternehmen, Kunden, Lieferanten und anderen
Partnern zur gemeinsamen Nutzung von Potenzia-
Soziale Schicht Relativ stabile und homogene
len, um einen höheren Mehrwert für alle Beteilig-
Teile einer Gesellschaft, deren jeweilige Mitglie-
der ähnliche Werte, Interessen und Verhaltenswei- ten zu schaffen.
sen haben. Strategische Gruppen Eine Gruppe von Unter-
nehmen innerhalb einer Branche, die auf einem
Spam-Mails Unverlangte, unerwünschte Werbe-
zusendungen per E-Mail gegebenen Zielmarkt gleiche oder ähnliche Strate-
gien verfolgen.
?Speciality?-Güter Konsumgüter mit einzigarti-
gen Charakteristika oder um herausgehobene Mar-
Strategische Planung Prozess, der die strategi-
kenprodukte, für die eine größere Käufergruppe sche Ausrichtung des Unternehmens bestimmt.
Die strategische Planung umfasst eine Unterneh-
bereit ist, besondere Bemühungen für den Kauf
mens- und Umweltanalyse, woraus sich Stärken
auf sich zu nehmen.
und Schwächen des Unternehmens und Chancen
Sponsoring Bezeichnet Maßnahmen, mit denen und Risiken des Marktes erkennen lassen. Auf
Unternehmen bestimmte Personen oder Organisa- Basis dieser Informationen erfolgen die Festle-
tionen durch Geld, Sachmittel oder Dienstleistun- gung der Unternehmensziele und die Formulie-
gen fördern. Sie erhalten dafür von den geförder- rung einer geeigneten Strategie mit konkreten
ten Institutionen eine Gegenleistung. Diese kann Handlungsanweisungen. Nach der Implementie-
z.B. in der Erwähnung in Publikationen, Presse- rung der Strategie ist eine ständige Kontrolle und
mitteilungen oder Anzeigen bestehen. Wesentli- Messung der Ergebnisse nötig, um strategische
che Bereiche des Sponsorings sind Sport, Kultur, Maßnahmen ggf. zu korrigieren bzw. an veränder-
Bildung und Wissenschaft. te Umweltbedingungen anzupassen.
Staatliche Stellen (als Käufer) Staatliche Dienst- Strategisches Marketing Die langfristig und ge-
stellen – auf nationaler beziehungsweise Bundese- samthaft orientierte Perspektive des Marketing.
bene, auf der Ebene der Länder und bei den Kom-
munen – kaufen oder mieten Produkte und
Strukturierung des Außendienstes nach Ge-
Dienstleistungen für die Verteidigung, für die bieten Eine Verkaufsorganisation, in der jedem
Verkäufer ein exklusives geografisches Gebiet zu-
Ausbildung, für soziale Aufgaben und andere Be-
gewiesen wird und der dort das gesamte Sorti-
dürfnisse der Öffentlichkeit.
ment des Unternehmens vertreibt.
Stadien zunehmender Kaufbereitschaft Pro-
zesse, die der Kunde bis zu seiner endgültigen
Strukturierung des Außendienstes nach Kun-
Kaufentscheidung durchläuft: Bewusstsein, Wis-
den Eine Verkaufsorganisation, in der sich jeder
sen, Vorliebe, Überzeugung und schließlich der Verkäufer auf ganz bestimmte Kunden oder Bran-
chen spezialisiert.
Kaufentschluss.
Standardisierte Werbung Eine einheitliche in- Strukturierung des Außendienstes nach Pro-
ternationale Werbekampagne für alle Länder, ohne dukten Eine Verkaufsorganisation, in der sich
jeder Verkäufer nur auf einen bestimmten Teil des
Anpassung an die Charakteristika der verschiede-
Produktsortiments des Unternehmens speziali-
nen nationalen Märkte.
siert.
Standardisierter Marketing-Mix Umsetzung
einer internationalen Marketing-Strategie in den
Subkultur Gruppen von Menschen innerhalb
einer Kultur, die ein auf gemeinsamen Lebenser-
Zielmärkten mit einheitlichen Produkten, Werbe-

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fahrungen und -situationen basierendes Wertesys- Testmarkterprobung Die Phase im Prozess der
tem teilen. Neuproduktentwicklung, in der das Produkt und
Suchgüter Ein Konsumgut, das der Kunde in der das Marketing-Programm in einer annähernd rea-
Regel während des Auswahl- und Kaufvorgangs listischen Umgebung getestet werden.
im Hinblick auf Kriterien wie Nachhaltigkeit, Tiefpreis-Strategie Produkte von geringer Quali-
Qualität, Preis und Stil vergleicht. tät werden zu einem konsequent niedrigen Preis
Supply Chain Management Steuerung eines angeboten.
Netzwerks von Unternehmen, das sich mit der Be- Total Quality Management (TQM) Programme,
schaffung, dem Verarbeitungsprozess und dem die darauf abzielen, die Qualität von Produkten,
Fluss von Materialien, fertigen Produkten oder In- Dienstleistungen und Prozessen systematisch und
formationen zwischen Lieferanten, dem Unter- kontinuierlich zu erhöhen.
nehmen, Wiederverkäufern und Endkunden be- Trend Ein vorübergehender Zeitraum mit unge-
schäftigt. Es zielt auf die Effektivität und Effizienz wöhnlich hohen Umsätzen, die von großer Begeis-
der gesamten industriellen Wertschöpfungskette terung der Kunden sowie sofort einsetzender Be-
ab. liebtheit eines Produkts oder einer Marke ange-
SWOT-Analyse Strategische Analysemethode zur trieben werden.
Ermittlung der erfolgskritischen Stärken und Überzeugende Werbung Baut selektive Nach-
Schwächen sowie der Chancen und Risiken, frage auf. Sofern eine grundsätzliche Nachfrage
denen ein Unternehmen gegenübersteht. nach einer Produktkategorie gegeben ist, kann
Systemverkauf Angebot eines kompletten Sys- überzeugende Werbung das Augenmerk auf das
tems, das neben dem eigentlichen Hauptprodukt eigene Produkt lenken. Eine Sonderform ist ver-
eine Reihe zusätzlicher Komponenten, wie Ergän- gleichende Werbung (siehe vergleichende Wer-
zungsprodukte oder Zubehör, umfasst. Typische bung).
Beispiele sind der Kauf einer Telefonanlage für Überzeugung Denkmuster in Bezug auf eine be-
ein Unternehmen, von PC-Hardware mit vorins- stimmte Sache.
tallierter Software oder der Kauf einer HiFi-Anla-
ge mit Receiver, Verstärker, DVD-Player, Lautspre-
Umweltbewegung Eine organisierte Bewegung
chern etc. von engagierten Bürgern und Regierungsorganisa-
tionen für den Schutz der Umwelt sowie für die
Team Selling Verkaufsteams, insbesondere für die Verbesserung aktueller und künftiger Lebensbe-
Betreuung großer und bedeutender Kunden. Der- dingungen.
artige Teams vereinen Mitarbeiter unterschiedli-
cher Unternehmensbereiche und -ebenen, z.B.
Unberücksichtigte Güter Konsumgüter, von
denen die Verbraucher entweder nicht wissen,
Vertrieb, Marketing, technische und andere unter-
dass es sie gibt, oder die sie kennen, deren Kauf
stützende Servicebereiche, Forschung und Ent-
wicklung, Organisation, Finanzen etc. sie jedoch normalerweise nicht in Erwägung zie-
hen würden.
Technologisches Umfeld Einflüsse, aus denen
neue Technologien hervorgehen, die zu neuen
Undifferenziertes Marketing Bei Anwendung
Produkten und Marktgelegenheiten führen. einer undifferenzierten Marketing-Strategie igno-
riert ein Unternehmen die Unterschiede zwischen
Telefonmarketing Hierbei wird das Telefon ein- den einzelnen Segmenten und bedient den Markt
gesetzt, um direkt an den Kunden zu verkaufen. mit einem Einheitsangebot.
Man unterscheidet zwischen dem aktiven Telefon-
Marketing (Outbound) und dem passiven Telefon-
Uniform delivered pricing (dt.: einheitliche
Frachtkosten) Form der geografisch differenzier-
Marketing (Inbound). Aktives Telefon-Marketing
wird genutzt, um direkt an Privat- oder Geschäfts- ten Preissetzung; allen Kunden wird derselbe Ein-
heitspreis für Fracht und Transport berechnet, un-
kunden zu verkaufen. Beim passiven Telefon-Mar-
abhängig von der Lieferadresse. Der Preis wird auf
keting lassen sich die Unternehmen anrufen, um
Bestellungen der Kunden entgegenzunehmen. Basis der durchschnittlichen Frachtkosten festge-
legt.
Testimonial-Technik Werbetechnik, die auf eine
besonders glaubwürdige oder sympathische Per-
Unique Selling Proposition (USP) (dt.: Allein-
son zurückgreift, die erläutert, warum sie das Pro- stellungsmerkmal) Einzigartiges, unverwechselba-
res, wünschenswertes und glaubwürdiges Leis-
dukt besonders schätzt. Dies können sowohl ganz
tungsmerkmal eines Produktes bzw. einer Dienst-
normale Verbraucher als auch Prominente sein.
leistung, das das eigene Angebot deutlich von

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dem der Wettbewerber abgrenzt und als Argument mit einem oder mehreren Wettbewerbern ver-
in der Kommunikation genutzt wird. gleicht.
Unklare Positionierung Positionierungsfehler; Verhalten in der Nachkaufphase Phase im
ein Positionierungskonzept, das nicht konsistent Kaufprozess, in der der Kunde je nachdem, ob er
durchgehalten wird und dadurch den Käufern ein zufrieden oder unzufrieden mit dem Kauf ist,
unklares Bild des Unternehmens bzw. des Pro- nachträgliche Maßnahmen unternimmt.
dukts vermittelt. Verhaltensorientierte Segmentierung Die ver-
Unternehmensinterne Quellen Daten, die be- haltensorientierte Segmentierung teilt die Kaufin-
reits im Unternehmen vorhanden sind und zuvor teressenten in Gruppen ein, basierend auf Wis-
für andere Zwecke erhoben wurden. sensstand, Einstellungen, Nutzung und Reaktio-
Unternehmensmission Darstellung des Unter- nen auf ein Produkt.
nehmenszwecks, die den Mitarbeitern als Leitli- Verkäufer Eine Einzelperson, die ein Unterneh-
nie und Handlungsrahmen dienen soll. men gegenüber den Kunden vertritt und dabei
Unternehmenswebseite (engl.: corporate websi- eine oder mehrere der folgenden Aufgaben erfüllt:
te) Eine Seite im Web, die von einem Unterneh- Neukundenwerbung, Kommunikation, Verkauf,
men erstellt wird, um eine große Bandbreite an In- Betreuung, Datensammlung und Aufbau von Kun-
formationen bereitzustellen, in dem Bemühen, denbeziehungen.
Kundenfragen zu beantworten, eine engere Kun- Verkaufsförderung Kurzfristige Anreize, um den
denbindung aufzubauen und Interesse am Unter- Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung
nehmen und seinen Produkten zu wecken. Die zu unterstützen. Die Maßnahmen können sich an
Webseite soll eine interaktive Kommunikation er- den Außendienst, den Handel oder die Kunden
möglichen, die vom Konsumenten ausgeht. richten.
Untrennbarkeit der Dienstleistung Dienstleis- Verkaufskonzept Die Annahme, dass Konsu-
tungen werden zum Zeitpunkt ihrer Erbringung menten Produkte nur in unzureichendem Maße
auch genutzt und können nicht von den jeweili- kaufen, solange diese nicht intensiv beworben
gen Anbietern getrennt werden. und aktiv verkauft werden.
Unzulängliche Produkte Produkte, die weder Verkaufsvorgang Bestimmte Schritte, die der
einen kurzfristigen Anreiz noch langfristigen Nut- Verkäufer während des Verkaufsprozesses abarbei-
zen bieten. tet. Dazu gehören die Identifizierung potenzieller
Ursachenforschung Der Test von Hypothesen be- Käufer, die Vorbereitung des Erstkontakts, die
züglich bestimmter Ursache-Wirkungs-Zusam- Kontaktaufnahme, die Präsentation und Vorfüh-
menhänge im Rahmen der Marktforschung. rung des Produkts, der Umgang mit Einwänden,
der Kaufabschluss und die Nachkaufbetreuung.
Value-added-Preisstrategie Aufwertende Eigen-
schaften und Dienstleistungen, durch die sich das Verkaufsvorgang, Identifizierung potenzieller
Angebot eines Unternehmens abhebt und für die Käufer Ein Schritt im Verkaufsvorgang, in dem
höhere Preise veranschlagt werden. der Verkäufer qualifizierte potenzielle Käufer
identifiziert.
Variable Kosten Kosten, die direkt von der pro-
duzierten Stückzahl abhängen. Verkaufsvorgang, Kaufabschluss Ein Schritt im
Verkaufsvorgang, in dem der Verkäufer den Kun-
Variety Seeking Kaufverhalten in Low-Invol- den auf eine Bestellung anspricht und den Kauf-
vement-Situationen mit deutlichem Unterschied vorgang zum Abschluss bringt.
zwischen Marken. Wechselnde Kaufentscheidun-
gen aufgrund des Wunsches, etwas Neues auszu- Verkaufsvorgang, Kontaktaufnahme Ein
probieren. Schritt im Verkaufsvorgang, in dem der Verkäufer
auf den potenziellen Kunden trifft. Wichtig sind
Verbraucherbewegung Eine organisierte Bewe- hierbei das Erscheinungsbild des Verkäufers,
gung von Bürgern und Regierungsstellen, mit dem
seine Gesprächseröffnung und die anschließende
Ziel, die Rechte und die Macht der Käufer in ihren Gesprächsentwicklung.
Beziehungen zu den Anbietern zu stärken.
Verkaufsvorgang, Nachkaufbetreuung Letzter
Verbrauchsgut Ein Konsumgut, das in der Regel Schritt im Verkaufsvorgang, in dem der Verkäufer
während einer oder weniger Nutzungen ver- nach dem Verkauf weitere Schritte unternimmt,
braucht wird.
um die Kundenzufriedenheit sowie Folgeaufträge
Vergleichende Werbung Werbung, bei der das sicherzustellen.
Unternehmen seine Marke direkt oder indirekt

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Verkaufsvorgang, Präsentation und Vorfüh- umfassend wie möglich über einen potenziellen
rung des Produkts Ein Schritt im Verkaufsvor- Kunden informiert, bevor der Anruf zum Ver-
gang, in dem der Verkäufer dem Kunden die „Ge- kaufsgespräch erfolgt.
schichte“ des Produkts erzählt. Dabei wird der Wachstumsphase Phase im Produktlebenszyk-
Kundennutzen hervorgehoben und gezeigt, auf lus, in der die Umsätze des Produktes rasch an-
welche Weise das Produkt die Probleme des Kun- steigen.
den lösen kann.
Wahrnehmung Vorgang, der die Auswahl, Auf-
Verkaufsvorgang, Umgang mit Einwänden Ein nahme, Verarbeitung und Interpretation von Rei-
Schritt im Verkaufsvorgang, in dem der Verkäufer zen umfasst.
versucht, Einwände des Kunden zu entkräften
und dies als Gelegenheit nutzt, ihn mit noch mehr
Wahrnehmung eines Bedarfs Erste Phase im
Kaufentscheidungsprozess, in welcher der Kunde
Informationen zu versorgen und die Einwände in
Kaufargumente zu verwandeln. ein Problem oder Bedürfnis erkennt.

Verkaufsvorgang, Vorbereitung des Erstkon- Webcasting Auf den Kunden zugeschnittene In-
formationen werden automatisch auf dessen PC
takts Ein Schritt im Verkaufsvorgang, in dem der
Verkäufer so viel wie möglich über das Unterneh- heruntergeladen. Für den Anbieter stellt es ein at-
traktives Marketing-Instrument dar, welches die
men und dessen Kunden in Erfahrung bringt,
persönliche Ansprache des Kunden erlaubt und
bevor er den Kunden das erste Mal aufsucht.
eine hohe Kundenbindung schafft.
Verkaufswettbewerb Wettbewerb für Verkäufer
oder Händlerbetriebe, um sie zu motivieren, ihre
Webseiten für Marken-Communitys Eine Web-
seite zur Präsentation der Markeninhalte, die
Verkaufsanstrengungen zu steigern. Hierfür wer-
den meist leistungsfähige Verkäufer öffentlich ge- Kunden einbezieht und eine Gemeinschaft rund
um die Marke erzeugt.
lobt und die Besten unter ihnen belohnt.
Verpackung Gestaltung und Produktion der Be- Werbeagentur Dienstleister für Werbemaßnah-
hälter oder Umverpackungen für ein Produkt. men, der das Unternehmen bei der Planung, Vor-
bereitung, Umsetzung und Bewertung des gesam-
Verschlankung Verkleinerung des Portfolios, ten oder eines Teils des Marketingprogramms un-
indem Produkte oder Betriebseinheiten herausge- terstützt.
nommen werden, die nicht gewinnbringend sind
oder nicht mehr zur Gesamtstrategie des Unter-
Werbebudget Finanzielle oder andere Mittel, die
einem Produkt oder einem Werbeprogramm des
nehmens passen.
Unternehmens zugewiesen werden.
Vertikale Marketingsysteme Unternehmen un-
terschiedlicher Distributionsstufen agieren ge-
Werbebudget, Festlegung als Prozentsatz des
meinsam in einem System. Dies bedeutet, dass
Umsatzes (engl.: percentage-of-sales method) Das
Werbe-Budget wird als Prozentsatz des erzielten
eine gemeinsame Planung, Durchführung und
Kontrolle der Marketing-Aktivitäten über alle Stu- oder geplanten Umsatzes festgelegt.
fen hinweg stattfindet, um die Nachfrage besser Werbebudget, Festlegung anhand der zu be-
auszuschöpfen und das Distributionssystem wirt- wältigenden Marketing-Aufgaben (engl.: ob-
schaftlicher zu gestalten. Ein typisches Beispiel jective-and-task method) Die Festlegung des
sind Franchising-Modelle. Werbe-Budgets erfolgt durch die Definition der
spezifischen Kommunikationsziele, die Ablei-
Vertriebsmanagement siehe Sales Force Ma-
nagement tung und Bestimmung der einzelnen Teilaufga-
ben, mittels derer die Ziele erreicht werden sol-
Virales Marketing Die Internetvariante der len, und das Abschätzen der Kosten für die beab-
Mundpropaganda: Webseiten, Videos, E-Mail-Bot- sichtigten Maßnahmen. Das geplante Werbe-
schaften oder andere Marketingaktivitäten mit so Budget ergibt sich aus der Summe dieser Kosten.
begeisternder Wirkung, dass Kunden sie mit
Freunden und Bekannten teilen wollen
Werbebudget, Festlegung anhand verfügba-
rer Mittel (engl.: affordable method) Bestimmung
Vollkommene Konkurrenz Marktform; Sonder- der Höhe des Werbe-Budgets durch die Entschei-
form des Polypols, bei der zusätzlich die Annah- dungsträger im Unternehmen anhand der zur Ver-
me homogener Güter zugrunde liegt. Ein einzelner fügung stehenden Mittel. Dazu werden ausgehend
Käufer oder Verkäufer hat keinen Einfluss auf den vom Gesamtumsatz bestimmte Kosten abgezogen,
aktuellen Marktpreis. um dann einen Teil des verbleibenden Rests als
Vorbereitungsphase (Verkaufsprozess) Stufe Werbe-Budget festzulegen.
der Verkaufstätigkeit, in der sich der Verkäufer so

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Werbebudget, Festlegung im Vergleich zur lungen von Ideen, Gütern oder Dienstleistungen
Konkurrenz (engl.: competitive-parity method) in Medien, die vom Auftraggeber bezahlt werden
Das Werbe-Budget orientiert sich an dem der Mit- und auf eine gewünschte Verhaltensänderung
bewerber und nimmt deren Aufwendungen als beim Konsumenten abzielen.
Richtgröße für die eigenen Aktivitäten. Wertorientierte Preissetzung Hierbei werden
Werbebudget, Methoden zur Festlegung Das den Preisen nicht die Kosten des Anbieters, son-
Werbe-Budget kann auf unterschiedliche Arten dern die Wertwahrnehmung der Kunden zugrun-
festgelegt werden: als Prozentsatz des Umsatzes, de gelegt. Der Preis wird gemeinsam mit anderen
anhand der zu bewältigenden Marketing-Aufga- Variablen des Marketing-Mix festgelegt, bevor das
ben, anhand verfügbarer Mittel oder im Vergleich Marketing-Programm entwickelt wird. Varianten
zur Konkurrenz. sind das Dauerniedrigpreis- oder das High-Low-
Werbekontakthäufigkeit Anzahl der Kontakte, Pricing-Konzept.
die eine Person in der Zielgruppe mit dem Werbe- Wertorientiertes Marketing Ein Grundsatz des
träger hat. „aufgeklärten Marketing“, der besagt, dass ein Un-
Werbekostenzuschüsse Finanzielle Unterstüt- ternehmen seine Ressourcen auf eine Erhöhung
zung, die ein Hersteller zur Finanzierung von des Gebrauchswerts des Angebots fokussieren
Werbemaßnahmen oder Verkaufsförderungsaktivi- soll.
täten für seine Produkte an den Handel zahlt. Bei- Wertschöpfungskette Die Lieferkette eines Un-
spiele sind die Bewerbung von Produkten in Pros- ternehmens, die sich von den Rohmaterialien bis
pekten des Handelsunternehmens, am Regal oder hin zum fertigen Produkt zieht, und die Zusam-
die Gewährung von Sonderangeboten für den menarbeit mit Lieferanten und Händlern.
Endverbraucher. Wertschöpfungskette für Dienstleistungen
Werbemedien Kanäle, über die eine Werbebot- Eine Verbindung, die den Gewinn eines Dienst-
schaft an die definierten Zielgruppen transportiert leistungsanbieters an die Zufriedenheit von Mitar-
wird. beitern und Kunden knüpft.
Werberendite Netto-Rendite der Werbeaufwen- Wettbewerbsorientierte Preissetzung Die Prei-
dungen, geteilt durch die Kosten der Marketingin- se des Unternehmens orientieren sich bei dieser
vestitionen. Methode an denen des Wettbewerbs. Den eigenen
Werbestrategie Strategie, mit der das Unterneh- Kosten und der Nachfrage wird wenig Aufmerk-
men seine Werbeziele umsetzt. Sie besteht aus samkeit geschenkt.
zwei hauptsächlichen Komponenten: Erzeugung Wettbewerbsposition Ein Unternehmen kann
einer Werbebotschaft und Auswahl der geeigneten im Wettbewerb unterschiedliche Rollen auf einem
Werbemedien. Zielmarkt einnehmen: die Position des Marktfüh-
Werbeträger Medien, durch die Werbebotschaf- rers, des Herausforderers, eines Marktfolgers oder
ten vom Sender zum Empfänger transportiert wer- eines Nischenanbieters.
den, beispielsweise Zeitungen, Zeitschriften, Wettbewerbsstrategien Strategien, die dem Un-
Fernsehsendungen oder Radioprogramme. ternehmen eine eindeutige und starke Positionie-
Werbewirkung Veränderungen im Bewusstsein rung gegenüber den Konkurrenten einräumen und
von Personen, die Kontakt mit einer Werbemaß- den größtmöglichen Wettbewerbsvorteil verschaf-
nahme hatten. Verschiedene Methoden dienen der fen.
Messung der Werbewirkung, wie z.B. apparative Wettbewerbsvorteil Vorteil, den Unternehmen
Verfahren, Recall- oder Recognition-Tests (mes- gegenüber ihren Wettbewerbern erlangen, indem
sen die Erinnerung bzw. Wiedererkennung von In- ihre Produkte die Bedürfnisse der Ziel-Konsu-
halten einer Werbebotschaft) oder Einstellungs- menten besser befriedigen als die Angebote der
messungen. Konkurrenten.
Werbeziel Eine genau beschriebene Kommunika- Wirtschaftsgemeinschaft Eine Gruppe einzelner
tionsaufgabe, die gegenüber einer festgelegten Nationen, die mit gemeinsamen Zielen zur Regu-
Zielgruppe in einem bestimmten Zeitraum durch- lierung des internationalen Handels zusammenar-
geführt werden soll. Abhängig vom Zweck der beitet.
Werbung unterscheidet man drei Ziele: informie- Word-of-mouth Auch Mundpropaganda. Be-
ren, überzeugen oder erinnern. zeichnet die Verbreitung von Wissen und Meinun-
Werbung Alle Varianten von nicht durch Perso- gen durch zwischenmenschliche Kommunikation.
nen durchgeführten Präsentationen oder Darstel-

975
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Glossar

Zeitreihenanalyse Methode der Absatzprognose, Zielmarkt Eine Gruppe von Käufern, die gemein-
die vergangene Verkaufszahlen in die vier Kompo- same Bedürfnisse oder gemeinsame Charakteristi-
nenten Trends, Zyklen, saisonale Schwankungen ka teilen und von einem Unternehmen bedient
und irreguläre Abweichungen aufspaltet und zur werden.
Prognose des zukünftigen Absatzes neu kombi- Zoll Steuerähnliche Abgaben, die bei der Einfuhr
niert. bestimmter Importwaren erhoben werden. Sie sol-
Zielgruppenmarketing Konzentration der Mar- len dem Staat Einnahmen verschaffen und einhei-
keting-Bemühungen auf genau definierte Kaufin- mische Anbieter schützen. Je größer die Entfer-
teressenten mit speziellen Kaufabsichten und An- nung der Zone vom Unternehmensstandort, desto
passung des Angebots an die Bedürfnisse eines höher ist der Preis.
oder mehrerer Zielsegmente. Zone pricing (dt.: Einteilung in Preiszonen) Form
Zielkostenmethode (engl.: target costing) Tech- der geografisch differenzierten Preissetzung; das
nik zur Unterstützung von Preissetzungsentschei- Unternehmen definiert zwei oder mehr Zonen mit
dungen. Ausgangspunkt sind die Zielkosten für entsprechenden Preisen. Innerhalb einer Zone
ein neues Produkt. Der gesamte Entwicklungspro- zahlen alle Kunden denselben Preis. Je größer die
zess muss sich an dieser Vorgabe orientieren. Entfernung der Zone vom Unternehmensstandort,
desto höher ist der Preis.

976
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Organisationen
3M 454 E
A easyJet 845
eBay 221
Absolut Vodka 648
Accenture 316 F
Acme 842
Airbus 746 Facebook 786
Aktion Mensch 664
ALDI 502, 608 G
Amazon 799, 840
Apple 195, 453, 733, 840, 883 Gap 403
iMac 398 GATT 874
Asos 332 GEA 57
Audi 705 General Electric 320
GLASBAU HAHN 856
Glasses Direct 843
B Google 448
Bausch & Lomb 839 Grüner Punkt 664
Benadryl 64 Gulfstream 303
BfA – Bundesanstalt für Arbeit
als Käufer 323 H
Black&Decker 581
Bloomingdale 620 H&M 814
BMW 668 Heineken 922
Bose 846 Hilton 891
Boston Consulting Group 107 Hipp Pfaffenhofen 939
British Gas 64 Honda 276
Brompton 479
Brot für die Welt 664 I
Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung
IBM
als Käufer 323
Burger King 881
Lösungen für das E-Business 395
IKEA 113, 398, 531, 578, 599, 866, 882
Ikea 505
C Innocent 63
Canon 283 IVW – Informationsgemeinschaft zur Feststellung
Carrefour 587 der Verbreitung von Werbeträgern e.V. 698
Cirque du Soleil 841
Cisco Systems 460 J
Coca-Cola 63, 435, 694, 901
JetBlue 809
als Franchisesystem 577
Costa Coffee 72
K
D Keine Macht den Drogen! 664
Kellogg’s 253, 656
Dassault (frz. Flugzeughersteller) 302
Dell Computer Corporation 791
dm-drogerie markt 56 L
LEGO 89, 339
LinkedIn 457
Lufthansa Service Gesellschaft (LSG) 411

977
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Organisationen

M SINUS-Institut 262
Sixt 305
Mars Portugal 248 Škoda 305
McAfee 63 Sky Chefs siehe Lufthansa Service Gesellschaft
McDonald’s 809, 883, 894, 917 Smirnoff 547
als Franchisesystem 577 SodaStream 830
Unternehmensdaten 53 Sony 283, 406
Mountain Dew 793 Staples 321, 630
MTV 883 Starbucks 97, 883
Stiftung Warentest 923
N
T
Nestlé 912
strategische Planung 93 Tchibo 626
Netflix 560, 888 Tesco 679
Nike 37, 881, 898, 938 Tetra Pak 402
Nikon 283 TRUMPF-Gruppe 359
Nissan 376 TUI Deutschland GmbH 855
Novo Nordisk 505
U
P Uber 385
P&G 740, 803 Umweltbundesamt 631
PepsiCo 64 Unilever 72, 546
Porsche 242 UPS 296

R V
Reckitt Benckiser 460 V&S 648
Red Bull 714 Vatikan
REWE Group 364 Marketing und Website 74
Ricoh 283
Ritz-Carlton 845 W
Ryanair 494, 852
Walmart 502, 874
S Waterstones 621
World Trade Organization (WTO) 875
Sage 532
Samsung 459 Z
SAS – Scandinavian Airlines System (Fragebogen
zur Marktforschung) 216 Zara 101
SCHOTT AG 361 Zipcar 810

978
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Register
A Außendienstmitarbeiter
Anwerbe- und Auswahlverfahren 760
Abschöpfungsstrategie (Preis) 530 Aus- und Weiterbildung 760
Adopter Eigenschaften 759
frühe 289 Vergütung und Anreizsysteme 761
Adoption von neuen Produkten 288 Außenhandel 866
AIDA-Formel 664
Akashi-Kaikyo-Brücke 505 B
Anbieter
Rechte 930 B-2-B-Marketing siehe B-to-B-Marketing
Anlagegüter 394 Barter-Handel 880
Apple Barzahlungsrabatt 534, 541
iMac 398 Basing-point pricing 542
aufgeklärtes Marketing 937 Bausteine
Aufwärts-Mobilität 255 einer Theorie des Marketings 41
Ausländer Bedarfswahrnehmung
als Zielgruppe des Marketing 251 im Rahmen der Kaufentscheidung 280
Auslandsmärkte Bedürfnisse 42, 273
Auswahl 885 Beeinflusser
Kommunikation 897 bei der Kaufentscheidung 259
kulturelles Umfeld 881 im Buying Center 312
Preise 899 Befragung zur Primärdatenerhebung 205
Vertriebsstrukturen 900 Beiträge 498
Ausstattung des Produkts 398 Benachteiligte Käuferschichten 925
Austausch 44 Beruf
als Vorbedingung für Markt 45 Auswirkung auf das Kaufverhalten 261
Auswahlprozesse Beschaffungsprozess
vor dem Kauf 282 in Organisationen 307
Außendienst Rahmenvertrag 318
Absatzvorgaben 764 über das Internet 319
Arbeitsklima 764 Betriebsführungsverträge 891
Auswahl der Mitarbeiter 758 Betriebsstoffe 394
Führung und Kontrolle 762 Beziehungsmarketing 45
Größe 755 Bezos, Jeff 385
Leistungsbeurteilung 764 Bilanz 103
mehrdimensionale Strukturierung 752 Blogs 803
Mitarbeiterauswahl 760 Boeing BBJ 303
Mitarbeitereigenschaften 759 Boston Consulting Group
Mitarbeitermotivation 763 Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix 107
Mitarbeiterschulung 760 Botschaft (Kommunikation) 665
Mitarbeitervergütung 761 Botschaft auf dem Produkt 665
positive Anreize 764 Brand Equity 427
Strategie 750 Break-even-Analyse (kostenbasierte Preissetzung)
Struktur 751 510
Strukturierung nach Gebieten 751 Breite des Produktportfolios 407
Strukturierung nach Kunden 751 Brin, Sergey 450
Strukturierung nach Produkten 751 B-to-B-Marketing
Team Selling 757 Ersatzgeschäft 301
Unterstützung durch den Innendienst 756 Erstausstattung 301
Zeitmanagement 762 Öffentlicher Sektor 322
Zielvorgaben 749 Business-to-Business-Marketing 295

979
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Buying Center Dienstleistungsanbieter


Beeinflusser 259, 312 Marketingstrategien 412
Einkäufer 312 Dienstleistungssektor
Entscheider 259, 312 Bedeutung in modernen Volkswirtschaften
Gatekeeper 312 408
Initiator 259 Differenzierende Preissetzung 536
Nutzer 259, 312 Voraussetzungen 539
Online Bidding Event 312 Differenzierung
D. über Dienstleistungen 366
C D. über Image 368
D. über Mitarbeiter 367
Camp, Garret 385 D. über Preis-Leistungs-Verhältnis 373
CATI (Computer Assisted Telephone Interviewing) Werbung international 724
208 Differenzierungen
CERAN®-Kochflächen bei Dienstleistungsangeboten 415
SCHOTT AG 361 digitales Marketing 655, 679
Charakteristik des Preises 498 Direkt- und digitales Marketing 790
Charakteristika von Dienstleistungen 408 Direktinvestitionen 892
Co-Branding 433 Direktmarketing 655, 785
Conference Selling 750 Datenschutz 816
Corporate Citizenship 55 Ethik 815
Corporate Identity traditionelle Formen 810
Öffentlichkeitsarbeit 735 Vor- und Nachteile 679
Customer Value 44 Vorteile 796
Direktvertrieb
D Effizienz 792
Disintermediation 580
Dassault Falcon 302 Disneyland
Datenerhebung 222 Strategie-Audit 100
Datenerhebungsinstrumente 215 Distribution
Dauerniedrigpreis 502 exklusiv 585
Dell intensiv 585
Fallstudie Direktmarketing 791 selektiv 585
Dell, Michael 791 und Logistik 559
Design des Produkts 398 Distributionskanal
Deskriptive Studie 199 Alternativen identifizieren 584
Devisenregulierung 880 Anzahl der Stufen 569
Die soziale Orientierung im Marketing Aufgaben und Ziele der Mitglieder 581
Einführung des Begriffs 55 Bedeutung und Eigenschaften 566
Dienstleistungen 394 Disintermediation 580
als Produktergänzung 403 Funktionen 568
Bewertung der Qualität 420 international 586
Catering (Lufthansa Service Gesellschaft) 411 Ziele und Einflussfaktoren 583
Charakteristika 408 Distributionskanäle
Differenzierung bei Dienstleistungsangeboten bewerten 586
415 Distributionssystem
externer Faktor 410 Organisation 571
immaterielle Güter 409 steuern 589
interaktives Marketing 415 Distributionssysteme
internes Marketing 414 Abstimmung des Angebots 568
Leistungserbringer und Nutzen 410 Auswahl der Partner 589
Nichtlagerfähigkeit 410 Bewertung der Partner 590
Nichttransportfähigkeit 410 Design 582
Qualitätsdiskrepanz 419 Finanzierung 569
Qualitätsmanagement 418 horizontale Konflikte 582
Qualitätsschwankungen 410 Konfliktpotenziale 581

980
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Motivation der Partner 590 Erfahrungskurve 508


physische Verteilung 569 Erhebungsinstrumente (Marktforschung) 215
Risikoübernahme 569 Erinnern
Verhandlung von Konditionen 568 selektives 275
vertikale Konflikte 582 Ersatzgeschäft 301
Drucker, Peter 40 Erstausstattung 301
Dynamische Preissetzung 543 Erstkauf 308
Vorteile 543 Erwartungserfüllung
Dynamischer Preis 543 nach erfolgtem Kauf 286
Erweitertes Produkt 390
E Ethik der Marktforschung 230
Ethik im Marketing 911
E-Business Ethik-Management
Marketing für E-Business-Lösungen 395 Fallstudie HiPP 939
E-Commerce Etikettierung 402
bei Dell 793 Eurotunnel 504
Economies of Scale 508 Events 668
Eigenmarke des Handels 431 Ex works 541
Eigenschaften von Produkten 396 Expansionsstrategien und Sortiment 408
Einflussgrößen Experiment zur Primärdatenerhebung 206
innerorganisationale Faktoren 314 Experten
interpersonelle Faktoren 314 Meinungen und Irrtümer 223
intrapersonelle Faktoren 315 Explorative Studie 199
organisationsbezogene 313 Exporte 890
umfeldbezogene Faktoren 314 EXW
Einflussgrößen der Preisentscheidung extern Ex works 541
Markt- und Nachfragesituation 516 Eye-Tracking (Marktforschung) 219
Sonstige Einflüsse 520
Einflussgrößen der Preisentscheidung intern F
Kostenstruktur 506
Marketing-Mix-Strategie 514 Fabrikorganisation
Marketingziele 513 Škoda 305
Organisationsstruktur 516 Fachzeitschriften
Einheitliche Frachtkosten 542 international 728
Einkäufer Fahrpreis 498
im Buying Center 312 Familie
Einkommensverteilung 879 Elternhaus-Familie 258
Einstellungen Lebenspartner-Familie 258
und Überzeugungen 276 Rollenverteilung 259
Eintritt 498 Familienlebenszyklus 260
Einzelhandel 612 Feedback (Werbewirkung) 671
globale Expansion 633 Fehleinschätzungen
Kreislauf des Einzelhandels 625 berühmte F. 223
Trends 624 Fernsehen (Botschaft) 665
E-Mail-Marketing 802 Festlegung als Prozentsatz des Umsatzes 674
Emerging Markets siehe Schwellenmärkte Festlegung anhand der zu bewältigenden Marke-
Entscheider tingaufgaben 675
bei der Kaufentscheidung 259 Festlegung des Budgets anhand verfügbarer Mittel
im Buying Center 312 674
Käufer 259 Festlegung im Vergleich zur Konkurrenz 675
Entscheidungsträger Finanzielle Situation
im Buying Center 312 und Kaufverhalten 261
Entscheidungsvorgang Finanzierungsmodelle 541
beim Käufer 277 Fixe Kosten 506
Entwicklung von Marken 434 Fragebogen (Marktforschung) 207, 215, 216
E-Procurement 319

981
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Franchising unberücksichtigte 392


Begriffserläuterung 574 Güter und Dienstleistungen
Grundtypen 575 als Produkt 43
Frau
Entscheidungsanteil in der Familie 259 H
neue Rolle 259
Freight-absorption pricing 543 Handelsbeziehungen 44
Freud, Sigmund 273 Handelsmarke 431
Theorie über menschliche Motivation 273 Händlerrabatt 536
Herausforderer
G als Wettbewerbsposition 847
Herstellermarke 431
Garantieverlängerung 541 Hierarchie der Bedürfnisse
Gatekeeper Maslow-Pyramide 273
im Buying Center 312 High-Involvement-Produkte 278
Gates, Bill 882 High-Low-Pricing 502
Gebrauchsgut 391 Hilfsstoffe 394
Gebühr 499 Hofstede
Gegenseitigkeit Kulturdimensionen 771
im Industriegütermarketing 305 Hofstede, Geert 772
Gemeinschaftsunternehmen Homogenitätsgrad des Produktportfolios 407
echtes 892 Honorar 498
Generalunternehmer 308 Hörfunkwerbung 729
Generation Y (Konsumverhalten) 186 Horizontale Marketingsysteme 578
Generation Z (Konsumverhalten) 186 Hyper-Targeting 358
Gesamtkosten 507
Geschlossene Fragen 215 I
Gesellschaft
Rolle und Status 260 Ideengewinnung 456
Gewinn- und Verlustrechnung 103 Ideenmarketing 395
Gewohnheit Image als Differenzierungskriterium 368
gegenüber Markentreue 279 Immaterielle Güter
Gewohnheitskäufe Dienstleistungen 409
Kaufverhalten 279 Incentives 764
Großhandel 634 Individualismus vs. Kollektivismus
Trends 640 als Kulturdimension 772
Typologie 635 Industriegüter 393
Großhandelsunternehmen Anlagegüter 394
mit eingeschränktem Serviceangebot 636 Beschaffung über das Internet 319
mit umfassendem Serviceangebot 635 Ersatzgeschäft 301
Gruppe Erstausstattung 301
Referenzgruppe 256 Rohmaterial und Zulieferteile 393
Sekundärgruppe 256 Industriegütermarketing
Vorbildgruppe 256 Gegenseitigkeit 305
Gruppe und Individuum Messen und Fachkongresse 778
Primärgruppen 256 Systemangebot als Instrument 309
Referenzgruppe 256 Verkaufsförderung 778
Sekundärgruppe 256 Industriegütermärkte 299
Gruppendruck beim Kauf 257 Direktkäufe 305
Güter 391 Leasing 305
Anlagegüter 394 Industriegüternachfrage
des täglichen Bedarfs 391 als abgeleitete Nachfrage 301
Gebrauchsgüter 390 als stark schwankende Nachfrage 301
Industriegüter 393 als unelastische Nachfrage 301
Konsumgüter 391 Industrielles Internet 320
Suchgüter 391 Industriestaaten 879

982
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Informationen J
aus der Wettbewerberanalyse 196
aus öffentlichen Quellen 196 Joint ownership 892
von Bewerbern und Mitarbeitern der Konkur- Joint Ventures 890
renz 197 Just-in-time
von Geschäftspartnern der Wettbewerber 197 Konzepte 305
Informationsbedarf (Marktforschung) 199
Informationsmanagement K
intern 224
Informationsquellen K: vier Ks beim Käufer, vier Ps beim Anbieter 118
vor Kaufentscheidung 282 Kalanick, Travis 385
Informationssuche Kamprad, Ingvar 867
im Rahmen der Kaufentscheidung 281 Käufe
Initiator Gruppendruck 257
beim Kaufverhalten 259 Motivation 273
Initiierung von Preisänderungen 546 Yacht 257
Innendienst Käufe ohne Einschaltung des Handels 305
Unterstützung des Außendienstes 756 Kaufentscheidung 285
Innovation Beeinflussung 284
umgekehrte 439 bei neuen Produkten 287
Innovationsmanagementsystem 475 Persönliche Faktoren 260
Innovatoren 289 psychologische Faktoren 272
Interaktives Marketing Vorgang der Entscheidungsfindung 280
Dienstleistungen 415 Wahrnehmung des Bedarfs 280
Internationale Märkte Kaufentscheidungsprozess 277, 301
Auswirkung auf Produktentscheidungen 438 Phasen 280, 315
Internationale Marktforschung 229 Käufer
Internationale Organisation Ausführung einer gemeinsam getroffenen Kau-
Exportabteilung 904 fentscheidung 259
Globale Organisation 905 Rechte 930
Internationale Abteilung 905 unzufriedener 287
Internationale Preissetzung 545 Käufermärkte
Internationale Presse 728 Vorstellung des Begriffs 48
Internationales Handelssystem 873 Kaufkraft 162
Internes Marketing 414 Kaufsituation
Dienstleistungen 414 Erstkauf 308
Internet Typen 307
als Führungstechnologie 71 Wiederkauf
Beschaffung 319 identisch 307
und Werbung 729 modifiziert 307
Internet der Dinge 320 Kaufverarbeitungsverhalten 286
Internetbefragung (Marktforschung) 210 Kaufverhalten
Interpretation der Ergebnisse (Marktforschung) Arten 277
222 der Entscheidungsträger in Organisationen
Interviews (Marktforschung) 208 307
Inzahlungnahme 536 der Konsumenten 241
Irland Dissonanz reduzierendes 278
im Ortemarketing 395 habitualisiertes 279
Irreführung komplexes 278
durch Marketing 920 und Beruf 261
Irrtümer und finanzielle Situation 261
I. und Fehleinschätzungen bekannter Experten und Lebensstil 262
223 und Persönlichkeit 272
IT und Logistik 594 Veränderungen 162
Kenntnis über das Produkt (Kommunikation) 662
Kennzeichnung 402

983
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Kernprodukt 389 Kulturelle Umweltverschmutzung 927


Key-Account-Management 758 Kulturzugehörigkeit
Kirchen und Vatikan und Konsumentenverhalten 250
Marketing 74 Kunde
Klassenstruktur unzufriedener 287
relative Größe der Klassen 254 Kunden- vs. Wettbewerbsorientierung 859
soziale Klasenstruktur 253 Kundenbeziehungsmanagement
Klassenzugehörigkeit 253 im persönlichen Verkauf 773
und Konsumverhalten 253 Kundennutzen
Kleingruppe Kundennutzen und Zufriedenheit 44
Familie als Kleingruppe 259 Kundennutzen (Preisgestaltung) 500
Kommunikation Kundenorientierung 421
bei internationaler Tätigkeit 897 Kundensegmentierung 336
Kommunikationsformen Kundenzufriedenheit 287
Marktforschung 207
Kommunikationsmittler L
Kommunikation mit/ohne K. 666
Kommunikations-Mix Länge des Produktportfolios 407
Festlegung 676 Langzeitorientierung
Kommunikationsvorgänge, Ablauf 660 als Kulturdimension 772
Komplementärprodukt 532 Leasing 305
Komplementärprodukte Leasingrate 499
Preissetzung 532 Lebensalter
Konferenzverkauf 750 und Position im Familienlebenszyklus 260
Konkurrenten Lebenspartnerschaft als Primärgruppe 258
Beobachtung der K. 196 Lebensstil
Konkurrenz, vollkommene 517 und Kaufverhalten 262
konsumentengeneriertes Marketing 63 Leistungsbeurteilung
Konsumentenverhalten 241 beim Außendienst 764
Black Box 249, 250 Leitbild 94
Einflussfaktoren 250 Lernen 275
kulturelle Faktoren 250 Lernkurve 508
Modelle 247 Lieferantenauswahl 317
soziale Faktoren 255 Lieferung ab Werk 541
Stimulus-Response-Modell 248 Lieferung frei Haus 543
Konsumgut 391 Lizenzgebühr 498
Konzentriertes Marketing 354 Lizenzierung 433
Koppelprodukte Lizenzmarke 431
Preissetzung 533 Lizenzvergaben 891
Kosten Lockpreis 540
fix 506 Logistik 559, 592
gesamt 507 Auslagerung an Drittunternehmen 602
variabel 507 Bestandsmanagement 595
Kostenkategorien 506 Funktionen 594
Kostenstruktur des Unternehmens 506 Informationsmanagement 598
Kostenzuschlagskalkulation (Kostenbasierte Preis- integriertes Logistikmanagement 598
setzung) 509 Lagerhaltung 594
Kritik Transportwesen 596
gesellschaftliche 918 Ziele 594
Kultur einer Marke 428 Lovemarks 428
Kulturdimensionen Low-Involvement-Produkte 279
nach Hofstede 772
Kulturelle Faktoren
Einfluss auf das Konsumentenverhalten 250

984
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M kundenorientiertes 937
lokales Marketing 354
Machtdistanz Lösungen für das E-Business 395
als Kulturdimension 772 M. als Philosophie 112
Management Marketingorientierung des Markts 51
der Dienstleistungsqualität 418 Massenmarketing 352
Management von Marken 424, 437 Mikromarketing 354
Mann mobiles 808
Entscheidungsanteil in der Familie 259 Nachhaltigkeit 77
Marke Nischenmarketing 353
Handelsmarke 431 Produktionsorientierung 49
Herstellermarke 431 Produktorientierung 50
Nutzen für den Anbieter 400 Social Marketing 396
Nutzen für den Käufer 399 soziale Orientierung 55
Wert 424 Stellenwert innerhalb betrieblicher Funktions-
Wertvollste Marken der Welt 426 bereiche 112
Marke im unteren Preissegment einführen Strategievorgaben durch M. 112
als Reaktion auf Preissenkung eines Wettbe- Verkaufsorientierung 50
werbers 552 Marketing mit sozialer Orientierung 55
Marken-„Stämme“ 342 Marketing-Informationssystem 191
Markenausweitung 435 Marketingkommunikation
Markenentwicklung 434 M. und gesellschaftliche Verantwortung 686
Markenführung 437 Marketing-Management 49
Markenkannibalismus 406 Einführung des Begriffs 49
Markenkultur 428 Vorstellung des Begriffs 49
Markenmanagement 399, 424 Marketing-Mix
Markenname 430 Anpassung für Auslandsmärkte 894
Co-Brand 431 für Dienstleistungen 417
Eigenmarke des Handels 431 Platzierung 118
Herstellermarke 431 Preis 118
Lizenzmarke 431 Produkt 117
Markenpersönlichkeit 428 Promotion 118
Markenpositionierung 427 Marketingorganisation
Markenwert 424 Funktionale Organisation 126
Marketing Geografische Organisation 126
Anreize 306 Kundenorientierte Organisation 126
Auswirkungen auf die Gesellschaft 926 Produktorientierte Organisation 126
Beziehungsmarketing 45 Marketingorientierung
Das 55+ Segment 252 eigentliche Marketingorientierung 51
Definition des Begriffs 40 Marketingplan 120
der Kirchen 74 Marketingstrategie
des Vatikans 74 Bestandteile einer Marketingstrategie 114
Entscheidungsfindung mittels M. 112 Einfluss der Kultur 881
Ethik 911 für Dienstleistungsanbieter 412
für Ideen 395 Marketingsysteme
für Minderheiten 251 horizontal 578
für Nischenanbieter 856 Multikanal 579
für Organisationen 395 vertikal 571
für Orte 395 Marketingumfeld 138
für Personen 395 globales 873
gesellschaftliche Kritik 918 Marketingvermittler 566
globales Marketing im 21. Jahrhundert 871 Marketing-Webseiten 801
in der strategischen Planung 111 Markt
individuelles Marketing 355 Begriff des Markts 46
internationales 865 Gesamtheit aus Anbietern und Nachfragern 46
Irreführung des Verbrauchers 920 Marktabschöpfungsstrategie (Preis) 530

985
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Register

Marktdurchdringungsstrategie (Preis) 530 Medikamente


Bedingungen 531 Werbung für Medikamente 687
Märkte Mehrmarkenstrategie 435
geografische Konzentration 301 Meinungsführer 257
Märkte für Industriegüter Mengenrabatt 534
Ansätze der Segmentierung 346 Messen und Ausstellungen
Markteintritt als Werbemedium 729
Methode 889 Miete 498
Marktfolger Mikromarketing
als Wettbewerbsposition 848 individuelles Marketing 355
Marktformen (Preisbildung) 516 lokales Marketing 354
Marktforschung 185 Mission des Unternehmens 96
(Eye-Tracking) 219 Mobiles Marketing 71, 72, 785
Fragebogen (Bsp. Scandinavian Airlines Sys- Modell
tem) 216 Marketingprozess 41
international 229 Mogelpackungen 920
Kommunikationsformen 207 Monopol 517
M. und Privatsphäre 230 Motivation 273
Non-Profit-Organisationen 227 nach Freud 273
Primärdatenerhebung 203 nach Maslow 273
Sekundärdatenbeschaffung 200 und Kauf 273
Marktforschungsprozess 197 Motivationstheorie
Marktforschungsstudie 198 Freud 273
Marktführer Maslow 273
als Wettbewerbsposition 847 Multivariate Segmentierung 345
Marktnischen Mundpropaganda 257
Bedienung von Marktnischen 854
marktorientierte Unternehmen 859 N
Marktpotenzial
Indikatoren 889 Nachfrage 42
Marktsegmente elastisch 519
Aufbau effizienter M. 349 unelastisch 519
Marktsegmentierung Nachfrageelastizität (Preisbildung) 519
Massenmarketing 352 Nachfragekurve 518
Nischenmarketing 353 Nachhaltiges Marketing 77
Marktsegmentierung für Konsumgüter 336 Name einer Marke 430
Marktsegmentierung siehe Segmentierung Neue Produkte
Maskulinität vs. Femininität und Kaufentscheidung 287
als Kulturdimension 773 Neues Produkt
Maslow, Abraham Preisstrategie 530
Motivationstheorie 273 Nischenanbieter
Massenkommunikation als Wettbewerbsposition 848
Werbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeits- Nischenmarketing 353
arbeit 693, 739 Non-Profit-Marketing 74
Massenmarketing 352 Non-Profit-Organisationen und Marktforschung
vom M. zur integrierten Marketingkommuni- 227
kation 655 Normen und Verhaltensweisen 881
Materialismusvorwurf 926 Nutzen des Produkts 428
Matrix Nutzen für den Kunden/Käufer 44
Marktwachstums-/Marktanteils-M. bei Boston nutzenbasierten Preissetzung 500
Consulting 107 Nutzenerwartungen
Schwächen der Matrix-Modelle 109 Segmentierung als Grundlage der N. 343
Maut 498 Nutzenfunktion 283
Medien Nutzer
für internationale Märkte 728 im Buying Center 312
nach Kaufentscheidung und Kauf 259

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nützliche Produkte 941 Porter, Michael 843


Nutzungshäufigkeit Portfolio
N. als Grundlage der Segmentierung 344 Homogenitätsgrad 407
Portfolio-Analyse 106
O Position im Familienlebenszyklus und Lebensalter
260
Offene Fragen 215 Positionierung
Öffentlichen Institutionen 322 Kriterien zur P. (Übersicht) 371
Öffentlicher Sektor SCHOTT AG 359
als Käufer 322 TRUMPF-Gruppe 359
Öffentlichkeitsarbeit 655, 678 Positionierung von Marken 427
Oligopol 517 Praxis
Online-Banner 801 Produktlebenszyklus in der P. – Tiefkühlkost,
Onlinemarketing 71, 785, 801 Kameras und Smartphones 486
Online-Preisverhandlung (Internet) 544 Preis
Onlinevideos 803 Charakteristik 498
Onlinewerbung 801 die vier Ps 118
Organisation des Marketings dynamischer 543
Funktionale Organisation 126 Preisänderung
Geografische Organisation 126 Käuferreaktionen 549
Kundenorientierte Organisation 126 Preiserhöhung 547
Produktorientierte Organisation 126 Preissenkung 546
Ortsmarketing 395 Reaktion 550
Wettbewerberreaktion 549
P Preisänderung initiieren 546
Preisänderungen 546
P: vier Ps beim Anbieter, vier Ks beim Käufer 118 Preisanpassungsstrategien 534
Pacht 498 Preisbildung
Page, Larry 450 Monopol 517
Personenmarketing 395 Oligopol 517
persönliche Verkauf 744 Polypol 517
persönlichen Kommunikationskanäle 666 vollkommene Konkurrenz 517
Persönlicher Verkauf 655, 744 Preiselastizität der Nachfrage 519
Ablauf 768 Preisentscheidung
Außendienst 745 Einflussgrößen der P., intern 513
Identifizierung potenzieller Käufer 768 Preiserhöhung 547
Kaufabschluss 770 Preisfindung
Kontaktaufnahme 769 auf Auslandsmärkten 899
Nachkaufbetreuung 771 Preis-Leistungs-Verhältnis
Präsentation des Produkts 770 P.-L.-V. als Differenzierungskriterium 373
Prozess 768 Preis-Nachfrage-Zusammenhang (Preisbildung)
Umgang mit Einwänden 770 518
und Kundenbeziehungsmanagement 773 Preisnachlass 534, 541
Vor- und Nachteile 677 Inzahlungnahme 536
Vorbereitung des Erstkontakts 769 Werbeaktion 536
Persönlichkeit Preispolitik 525
und Kaufverhalten 272 Preissenkung 546
Persönlichkeit einer Marke 428 als Reaktion auf P. eines Wettbewerbers 551
Phishing 816 Preissetzung 493
Platzierung anhand von Basisorten 542
die vier Ps 118 Differenzierende Preissetzung 536
Point-of-Sale-Werbung 730 dynamische P. 543
Politik Fehler der P. 499
und Gesetzgebung als Voraussetzung für er- geografische Differrenzierung 541
folgreiche Internationalisierung 880 gewinnzielorientiert 510
Polypol 517 Internationale P. 545

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Internet 543 Produktion


Komplementärprodukte 532 als Auftragsfertigung 891
Koppelprodukte 533 Produktionsorientierung
kostenbasiert 503 des Marketings 49
nach Kundensegmenten 536 Produktionsstückzahlen
nach Orten 538 Kostenverhalten 507
nach Produkten 536 Produktivdienstleistungen 394
nach Zeit 539 Produktivität
nutzenbasiert 500 bei Dienstleistungen 423
Produktbündel 533 Produktklassen 390
Produktlinie 532 Produktkonzept
psychologische P. 539 Ausweitung 395
Sonderpreise 540 Produktlebenszyklus
wettbewerbsbasiert 512 Tiefkühlkost, Kameras und Smartphones 486
Zubehör 532 Produktlinie
zweistufige 533 Ausweitung 434
Preissetzung im Internet 543 Entscheidungen 404
Preissetzungsstrategien für neue Produkte 530 Erweiterung nach oben 406
Preisstrategien 499 Erweiterung nach oben und unten 406
Preisstrategien für ein Produktprogramm 531 Erweiterung nach unten 405
Preiszonen 542 Lücken schließen 406
Primärdatenerhebung 203 Preissetzung 532
Printmedien (Botschaft) 665 Produktloyalität
Privatsphäre P. als Grundlage der Segmentierung 344
Marktforschung und P. 231 Produktnutzen 428
Produkt Produktorientierung
Austattung 398 des Marketings 50
Design 398 Produktportfolio
die vier Ps 117 Breite 407
Dimensionen 389 Entscheidungen 407
Eigenschaften 396 Länge 407
Einteilung in Produktklassen 390 Tiefe 407
erweitertes Produkt 390 Produktprogramm
internationale Märkte 895 Preisstrategien 531
Kennzeichnung und Etikettierung 402 Produktsicherheit 922
Kernprodukt 389 Produktwahl
Konsumgüter vs. Industriegüter 391 Motive 273
Produktbegriff 43, 388 Promotion
produktunterstützende Dienstleistungen 403 die vier Ps 118
Qualität 396 Prozess der Marktforschung 197
reales Produkt 389 Psychografische Segmentierung 341
Stil 398 Psychologische Faktoren 272
Verbrauchsgüter vs. Gebrauchsgüter 390 Psychologische Preissetzung 539
Verpackung 400 Public Relations 693, 732
Produktadaption Instrumente 734
für Auslandsmärkte 896 Rolle und Wirkung 732
Produktausstattung 398 Pull-Strategie 682
Produktbegriff 43 Push-Strategie 682
Produktbündel
Preissetzung 533 Q
Produktdifferenzierung 365
Produkteigenschaft 290 Qualität des Produkts 396
Produkteigenschaften 282, 396, 427 Qualität erhöhen
Produktentscheidungen 396 als Reaktion auf Preissenkung eines Wettbe-
für internationale Märkte 438 werbers 551
Produktergänzungsdienstleistungen 403

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Qualität und Preis erhöhen nach Produktloyalität 344


als Reaktion auf Preissenkung eines Wettbe- Nischenmarketing 353
werbers 551 psychografischer Ansatz 341
Qualitätsstandards 422 S. der Märkte für Industriegüter 346
verhaltensorientierte S. 343
R Segmentierung von Konsumgütermärkten 336
Sekundärdatenbeschaffung 200
Rabatt 534 Sekundärgruppe 256
Rahmenverträge 318 Selektive Verzerrung 275
Rasperry Pi 941 Selektive Wahrnehmung 275
Reaktionen auf Preisänderungen 550 Selektives Erinnern 275
Marke im unteren Preissegment einführen 552 Seminar Selling 750
Preissenkung 551 Seminarverkauf 750
Qualität erhöhen 551 Service 403
Qualität und Preis erhöhen 551 Service-Profit-Chain 413
Reales Produkt 389 Sheba 248
Rechtsordnung und Marketing 936 Simon, Hermann 855
Referenzgruppe 256 Sinus-Milieus 262
Referenzpreise 539 Situation, finanzielle
regelmäßig wiederkehrende Bestellprozedur 318 und Kaufentscheidung 261
Reverse Auctions 319 Skalenerträge 508
Risiko Skonto 534
wahrgenommenes 285 Social Marketing 396
Rohmaterial 393 Social-Media-Kampagnen 807
Rohstoffexporteure – Länder 879 Social-Media-Marketing 71, 785
Rolle und Status Sonderaktionen der Verkaufsförderung 678
als Käufer in der Gruppe 260 Sonderpreis 540
Rollenverteilung Sony 406
in der Familie 259 Sortiment
Rundfunk (Botschaft) 665 und Expansionsstrategien 408
soziale Medien 804
S Soziale Schicht
Konsumverhalten und Klassenzugehörigkeit
Saisonrabatt 536 253
Sales Force Management 749 Soziale Verantwortung 437
Schmiergeld (Preis) 498 Speciality-Güter 391
Schultz, Howard 97 Spesen 761
Schwankungen Sponsoring 729
in der Dienstleistungsqualität 410 Staat
Schwellenländer 879 und öffentliche Institutionen als Käufer 322
Segmentierung Standardisierung
demografisch 338 Werbung international 724
geografische S. 338 Status
international 348 und Rolle in der Gruppe 260
multivariate S 345 Stichprobe 214
nach Altersgruppen 338 Stiftung Warentest 281
nach Einkommen 341 Stil 398
nach Geschlecht 340 Störfaktor
nach Kaufanlässen 343 der Kaufentscheidung 285
nach Klassenzugehörigkeit 341 Strategie-Audit 100
nach Lebensstilen 341 Strategische Allianz
nach Marken-„Stämmen“ 342 Produkt-Allianzen 68
nach Nutzenerwartungen 343 Service-Allianzen 68
nach Nutzer- bzw. Käuferstatus 343 Strategische Analysemethoden
nach Nutzungshäufigkeit 344 Portfolio-Analyse 106
nach Persönlichkeit 342 SWOT-Analyse 104

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Strategische Geschäftseinheit 107 Unsicherheitsvermeidung


Strategische Planung 92 als Kulturdimension 772
Bestandteile 94 Unternehmen
Strategische Situationsanalyse 100 Mission 94
Strategisches Marketing 87 Unternehmensmission 96, 939
Studien zur Marktforschung 198 Unternehmenszweck 94
Subkultur Untersuchungsplan (Marktforschung) 199
die über 55-Jährigen 252 Fixierung und Umsetzung 222
Statistik – ausländische Arbeitnehmer in Untrennbarkeit
Deutschland 251 Leistungserbringer und Nutzer bei Dienstleis-
und Konsumentenverhalten 251 tungen 410
Subsistenzwirtschaften 878 Ursachenforschung 199
Suchgüter 391
Supply Chain 564 V
Supply Chain Management 592
Swatch Value Marketing 162
Preisentscheidung 514 Variable Kosten 507
SWOT-Analyse 93 Variety Seeking 279
Chancen, Risiken, Stärken, Schwächen 104 Vatikan
Symbole Marketing 74
Produktsymbole 279 Website 74
Sympathie wecken (Kommunikation) 662 Vendor-managed Inventory 318
Systemangebot 308 Veralterung
Systemmarketing 308 geplante, vorzeitige 924
Verbraucherbewegung 929
T Verbrauchsgut 390
Vergleichs- und Auswahlprozesse
Tantiemen 498 vor der Kaufentscheidung 282
Target Costing 514 Verkauf
Team Selling auf internationalen Märkten 771
Unterstützung des Außendienstes 757 persönlicher Verkauf 744
Telefoninterviews (Marktforschung) 207 Verkaufsförderung 655, 774
Tiefe des Produktportfolios 407 Bedeutung 774, 777
Tiefkühlkost (im Produktlebenszyklus) 486 für den Handel 778
Total Quality Management 397 für Endverbraucher 777
TQM 397 im Industriegütermarketing 778
Transaktionen 44 Zielsetzung 776
Transaktionskosten 567 Verkaufsförderungsprogramme 779
Transportwesen Verkaufsgespräch
Logistik 596 Ablauf 768
Treacy, Michael 844 Verkaufsorientierung
Trickle-up Innovation 439 des Marketings 50
Vermittler
U Verantwortlichkeiten 586
Vernetzung
Überzeugungen zu strategischen Allianzen 68
und Einstellungen 276 Verpackung 400
Umgebung (Marketingkommunikation) 668 Verteilung
Umweltbewegung 931 des Einkommens in einer Volkswirtschaft 879
Umweltphiliosophie Vertikale Marketingsysteme (VMS) 571
Fallstudie HiPP 939 Vertriebspersonal
Umweltverschmutzung Strukturierung nach Produkten 751
kulturelle 927 Vertriebsstrukturen
Unberücksichtigte Güter 392 bei internationaler Tätigkeit 900
Undifferenziertes Marketing 352 Verzerrung
Uniform delivered pricing 542 selektive 275

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Virales Marketing 803 Wettbewerberinformationen 196


Vision 97 Wettbewerbs- vs. Kundenorientierung 859
Vollkommene Konkurrenz 517 Wettbewerbsanalyse 834
Vorbildgruppe 256 Auswahl und Beurteilung von Wettbewerbern
838
W Beurteilung der Stärken und Schwächen 837
Identifizierung der Wettbewerber 835
Wachstumspotenzial Reaktionen der Wettbewerber 838
Cash Cows 107 System der Wettbewerbsbeobachtung 841
Poor Dogs 108 Ziele der Wettbewerber 836
Question Marks 107 Wettbewerbsbeobachtung 841
Stars 107 wettbewerbsorientierte Unternehmen 859
Wahrnehmung 274, 275 Wettbewerbsposition
selektive 275 Herausforderer 847
Weltordnung 161 Marktfolger 848
Werbebudget 703 Marktführer 847
Werbeerfolg 719 Nischenanbieter 848
Werbemaßnahmen Wettbewerbspositionierungsstrategien
Grundsatzentscheidungen 697 Differenzierung 843
Werbemedien Fokussierung 844
Auswahl 711 Kostenführerschaft 843
für internationale Märkte 728 Wettbewerbsstrategien 829, 842
Werbenachlass 536 Begriff 843
Werbewirkung für Herausforderer 852
Messung 719 für Marktfolger 854
Werbung 655, 696 für Marktführer 848
auf internationalen Märkten 724 für Nischenanbieter 854
Dezentralisierung 727 Wiederkauf
Entwicklung einer Werbestrategie 705 identisch 307
erinnernde Werbung 703 modifiziert 307
Fernsehwerbung 729 Wiersema, Fred 844
Festlegung der Ziele 698 Wirtschaftsstrukturen 878
im öffentlichen Raum 729 Wohlfahrtsbedachtes Marketing 940
informierende Werbung 702 Wünsche 42
Kinowerbung 728 Bedürfnisse, Wünsche, Nachfrage 42
Mediaplanung 730
überzeugende Werbung 702 Z
vergleichende Werbung 702
Vor- und Nachteile 677 Zeitungen
W. und gesellschaftliche Verantwortung 686 Verbreitungsanalyse 698
Werbebotschaft 708 Zielgruppe (Kommunikation) 661
Zentralisierung 727 Zielgruppenmarketing 352
Wert einer Marke 424 Zielkostenmethode (Preisentscheidung) 514
Wertschöpfungskette Zins 498
bei Dienstleistungen 413 Zone pricing 542
Wertschöpfungsnetzwerk 564 Zubehör
Wettbewerb Preissetzung 532
Strategien 843 Zuckerberg, Mark 787
Wettbewerber Zufriedenheit
aggressive 840 Kundenzufriedenheit 287
nahe oder entfernte 839 Zulieferteile 393
Reaktionen 838 zweistufige Preissetzung 533
schwache oder starke 839
Stärken und Schwächen 837
Strategien 837

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