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Performativität

Begriff der Sprechakttheorie

Performativität ist ein Begriff der Sprechakttheorie und bezeichnet einen besonderen Zusammenhang zwischen Sprechen und Handeln.

„Hiermit eröffne ich …“ – eine typische performative Sprechhandlung

Der normale Zusammenhang zwischen Sprechen und Handeln wird als Sprechhandlung bezeichnet – womit verdeutlicht wird, dass „Sprechen“ eine absichtliche Tat ist.[1] Performativ ist die Sprechhandlung, wenn sie ausgeführt oder konkretisiert wird (Beispiele: das tun, was man sagt, oder einen konkreten Entscheidungszeitpunkt nennen). Performativität bezeichnet also die Ausführung oder Konkretisierung des gesprochenen Wortes.

Der Begriff Performativität wurde von John Langshaw Austin geprägt und erfährt in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedliche Deutungen.

Sprachphilosophischer Ansatz

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Performative Äußerungen sind laut Austin Sätze, mit denen illokutionäre Akte vollzogen werden. Eingehend wird dies von Austin in seiner Vorlesungsreihe zur Sprechakttheorie How to Do Things with Words (publiziert 1962) behandelt.

Beispiele:

  • „Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau“ (geäußert von einem Standesbeamten, um zwei Menschen zu verheiraten, 'explizites' Performativum);
  • „Ich befehle dir, die Tür zu schließen!“ (geäußert, um etwas zu befehlen, 'explizites' Performativum);
  • „Ich warne dich, der Stier kommt!“ (geäußert, um jemanden zu warnen, 'explizites' Performativum);
  • „Der Stier kommt!“ (geäußert, um jemanden zu warnen);
  • „Hau ab!“ (geäußert, um jemanden aufzufordern, zu gehen).

In den ersten Vorlesungen argumentiert Austin noch für einen grundlegenden Gegensatz zwischen „konstativen“ und „performativen“ Äußerungen. Erstere seien wahr oder falsch und beschränkten sich darauf 'etwas zu sagen', letztere seien weder wahr noch falsch und nur diese dienten dazu, etwas zu tun (was über das reine Sagen hinausgeht). Im Verlauf der Vorlesungen kommt er über eine Reihe von Zweifeln jedoch zu dem Schluss, dass diese Einteilung der Äußerungen letztlich nicht zu begründen und also nicht zu halten sei. Zuletzt sei nur „der gesamte Sprechakt in der gesamten Redesituation“ (Vorlesung 12) zu betrachten, weswegen am Ende folgendes Verhältnis steht: „Die Lehre von der Unterscheidung zwischen performativen und konstativen Äußerungen verhält sich zu der Lehre von den lokutionären und illokutionären Akten im Sprechakt wie die spezielle zur generellen Theorie“ (ebd.). Feststellungen sind nur eine von vielen Klassen illokutionärer Sprechakte, genau wie Warnen, Urteilen, Beschreiben, uvm. Zuletzt relevant ist nach Austin die Untersuchung der illokutionären Akte, also jenes Aspekts einer (fast jeden) Äußerung, der sie zu einer Handlung macht.

Austins Theorie der illokutionären Akte wurde von John Searle in dessen Sprechakttheorie aufgegriffen und mit dem Anspruch auf Verbesserung modifiziert.

Außerdem bestehen Verbindungen zu den funktionalen Sprachmodellen von Karl Bühler und Roman Jakobson.

Literaturwissenschaftlicher Ansatz

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In der Literatur wird der Begriff als Gegenbegriff zur sogenannten écriture, der Schrift, verwendet. Performativität ist an einen Körper gebunden, während die écriture körperlos ist. Performativ steht also im engen Zusammenhang mit dem literarischen Thema „Durchstreichung des Subjekts“, oder spezifischer der Tod des Autors bei Roland Barthes.

Kultur- und geschichtswissenschaftlicher Ansatz

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Jan Assmann sieht zwischen narrativer und historischer Wahrheit eine dritte Kategorie der performativen Wahrheit. So sind seiner Auffassung nach z. B. die Figur Moses und das Ereignis des Exodus in der Tora nach heutigem wissenschaftlichen Konsens fiktiv. Trotzdem stellten sie insofern Wirklichkeit her, indem sie den Israeliten halfen, ihre kulturelle Identität zu begründen und mythomotorisch zu erhalten.[2]

Geschlechtertheorie und Identitätsbildung

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Judith Butler verwendet Austins Begriff in dem ihr eigenen gesellschaftstheoretischen Diskurs: Durch Zeichen und Sprechakte wird diese Identität markiert als weiblich oder männlich. „Der Ausruf der Hebamme Ein Mädchen! ist demnach nicht nur als konstative Feststellung zu verstehen, sondern auch als direktiver Sprechakt: Werde ein Mädchen! Die Performativität der Geschlechter resultiert also aus dem Zusammenspiel von politischen performatives und theatralen performances.“

Theaterwissenschaftlicher Ansatz

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Im theaterwissenschaftlichen Performativitätsdiskurs, wie er von Erika Fischer-Lichte entwickelt wurde, wird die mediale Besonderheit von Aufführungen durch die gleichzeitige körperliche Anwesenheit von Darstellern und Zuschauern erklärt, in der die Aufführung in gegenseitiger Beeinflussung beiderseits gleichberechtigt entsteht.

Sonstiges

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Der Sprachphilosoph Bruno Liebrucks weist in seinem umfangreichen Werk Sprache und Bewusstsein darauf hin, dass, wer zu einem anderen spricht, auch immer zu sich selbst spricht. Das Sprechen zu anderen kann somit nicht nur performativ auf jene, sondern auch auf den Sprecher selbst wirken. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass der Sprechende durch die Rezeption des Diskurses (durch seine Wortwahl) jenen verinnerlicht und sich zu eigen macht. Der Gelegenheitsphilosoph Günther Anders prägte hierfür in seinen Ketzereien den Satz: Wie man spricht, so wird man.

In der Literatur ist jene Performativität bereits seit Jahrzehnten bekannt. Als Beispiel sei der Roman Stiller von Max Frisch genannt, in dem der Hauptcharakter sich weigert, Ich zu sagen, um sich nicht mit der Rolle, die die anderen Personen durch ihr Verhalten und Anrufen ihm aufzudrücken versuchen, zu identifizieren.

Siehe auch

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Literatur

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  • Austin, John L. (1962): How to Do Things with Words (dt. Zur Theorie der Sprechakte, Stuttgart 1972).
  • Bachmann-Medick, Doris (2009): Performative Turn, in: D.B.-M.: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, 3. neu bearb. Aufl. Reinbek: Rowohlt, S. 104–143.
  • Butler, Judith (1997): Excitable Speech: A Politics of the Performative (dt. Haß spricht. Zur Politik des Performativen, Berlin 1998).
  • Derrida, Jacques (1988): Signatur Ereignis Kontext, in: Engelmann, Peter (Hrsg.): Randgänge der Philosophie, Wien 1988.
  • Dörge, Friedrich Christoph (2013): Performative Utterances, in: Sbisà, Marina, Ken Turner (Hrsg.): Pragmatics of Speech Actions, Berlin: de Gruyter Mouton, S. 203–256.
  • Fischer-Lichte, Erika/Wulf, Christoph (Hrsg., 2001): Theorien des Performativen (Paragrana Bd. 10/1).
  • Fischer-Lichte, Erika (2004): Ästhetik des Performativen, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
  • Fischer-Lichte, Erika/Wulf, Christoph (Hrsg., 2004): Praktiken des Performativen (Paragrana Bd. 13/1).
  • Fischer-Lichte, Erika (2012): Performativität. Eine Einführung, Bielefeld: transcript. ISBN 978-3-8376-1178-6.
  • Hempfer, Klaus/Volbers, Jörg (Hrsg., 2011): Theorien des Performativen. Sprache – Wissen – Praxis. Eine kritische Bestandsaufnahme. Bielefeld: transcript.
  • Rolf, Eckard: Der andere Austin: Zur Rekonstruktion/Dekonstruktion performativer Äußerungen – von Searle über Derrida zu Cavell und darüber hinaus (Broschiert), Bielefeld: transcript, 2009, ISBN 3837611639.
  • Schulze, Detlef Georgia / Sabine Berghahn / Frieder Otto Wolf (Hrsg.) (2006), Politisierung und Ent-Politisierung als performative Praxis (StaR P. Neue Analysen zu Staat, Recht und Politik. Serie A. Bd. 1), Westfälisches Dampfboot: Münster.
  • Volbers, Jörg (2014): Performative Kultur. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer VS.
  • Wirth, Uwe (Hg., 2002): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2002.
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Wiktionary: Performativität – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. http://de.wiktionary.org/wiki/Sprechhandlung
  2. Jan Assmann: Exodus: Die Revolution der Alten Welt. 1. Auflage. C.H.Beck, 2015, ISBN 978-3-406-67430-3, S. 389 f.