Münzwurf
Der Münzwurf ist ein Zufallsexperiment, bei dem eine Münze in die Luft geworfen wird, um eine Entscheidung aufgrund der nach dem Auffangen oder der Landung oben liegenden Seite zu treffen („Kopf“ oder „Zahl“).
Dieses Zufallsexperiment findet seine Anwendung häufig auch in Sportarten, beispielsweise beim Fußball oder beim American Football. Der Münzwurf dient als Zufallsmechanismus bei Two-up, einem Glücksspiel, das in vielen australischen Spielbanken angeboten wird. Beim Fuchsen muss eine Münze an einen bestimmten Ort geworfen werden; hierbei handelt es sich jedoch um ein Geschicklichkeits- und kein Glücksspiel.
Im Kartenspiel Poker wird mit dem Begriff Coinflip (engl. für Münzwurf) eine Situation bezeichnet, bei der sich zwei Spieler mit etwa gleich starken Blättern im Kampf um den Gewinn befinden.
Idealfall
BearbeitenIm idealisierten Fall hat der Versuch nur zwei Ausgänge (Kopf oder Zahl), deren Wahrscheinlichkeiten mit 50 % gleich groß sind. Somit handelt es sich idealisiert sowohl um ein Bernoulli-Experiment als auch ein Laplace-Experiment.[1]
Vergleich zur Realität
BearbeitenIn der Realität (echte Personen werfen echte Münzen) stimmen diese Annahmen jedoch nicht ganz:
- Beim Münzwurf auf eine Oberfläche kann die Münze auch auf der Seite landen (Wahrscheinlichkeit etwa 1 zu 6000)[2]
- Nach einer genauen Analyse der Flug- und Drehdynamik von geworfenen Münzen postulierte der amerikanische Mathematiker Persi Diaconis 2007, dass es beim Münzwurf einen Bias gibt (die beim Abwurf oben liegende Seite sollte etwa in 51 von 100 Fällen als Ergebnis erscheinen).[3][4] Das wurde 2022/2023 im bislang größten Münzwurfexperiment bestätigt (48 Teilnehmer vollzogen 350.757 Münzwürfe und erzielten dabei 178.078 mal das Ergebnis 'gleiche Seite', das entspricht einer Wahrscheinlichkeit von ca. 50,77 Prozent).[5][6]
- Auch durch Verformungen, ungleiche Gewichtsverteilung o. ä. kann eine der beiden Seiten mit etwas größerer Wahrscheinlichkeit fallen als die andere.[1]
Anwendungsbeispiele echter Münzwürfe
Bearbeiten- Bei einer Wette bzw. im Glücksspiel
- Beim Fußball wirft der Schiedsrichter eine Münze, um zu entscheiden, welche Mannschaft die eigene Spielfeldhälfte aussuchen darf und welche den Anstoß ausführen darf. Vor der Einführung des Elfmeterschießens wurde manchmal so auch der Sieger in einem Ausscheidungsspiel ermittelt, wenn, je nach Wettbewerbsordnung, nach Verlängerung oder Verlängerung eines Wiederholungsspiels kein Sieger feststand.
- Bekanntestes Beispiel dafür ist der „Münzwurf von Rotterdam“: Am 24. März 1965 wurde im internationalen Fußball der Einzug ins Halbfinale der Europapokalsieger der Landesmeister durch einen Münzwurf gekürt. Nachdem alle 3 Spiele (Hin-, Rück und Entscheidungsspiel plus Verlängerung 0:0; 0:0; 2:2) zwischen dem 1. FC Köln und dem FC Liverpool unentschieden ausgegangen waren und ein Elfmeterschießen damals noch nicht vorgesehen war, warf der belgische Schiedsrichter Schout eine Münze. Beim ersten Wurf blieb sie allerdings senkrecht im Boden stecken. Beim zweiten Wurf entschied sie zu Gunsten der Engländer.[7]
- Beim American Football wirft der Schiedsrichter eine Münze (coin toss), wobei der Teamcaptain der auswärtigen Mannschaft das Ergebnis (heads oder tails) vorhersagen darf. Die Mannschaft, die den coin toss gewinnt, kann entscheiden, ob sie zuerst den Kickoff durchführt, den Gegner als erstes den Kickoff durchführen lässt, die als erstes zu verteidigende Hälfte auswählt oder dieses Wahlrecht für die zweite Spielhälfte aufhebt. Die andere Mannschaft darf eine der verbleibenden Möglichkeiten auswählen.
- Bei offiziellen Tennisturnieren wird der Münzwurf verwendet, mit denen die Seitenwahl und das Recht des ersten Aufschlagsspiels ausgelost wird.
Anwendung in der Wahrscheinlichkeitstheorie
BearbeitenDer Münzwurf dient in der Wahrscheinlichkeitstheorie häufig als einfacher Prototyp eines Zufallsexperiments. Man beschreibt dieses Experiment mit folgendem Modell:
- beschreibt die möglichen Ausgänge des Experiments: Die Münze zeigt Kopf (K) oder Zahl (Z).
- Die Wahrscheinlichkeitsverteilung auf ist durch festgelegt.
- Die Zufallsvariable wird durch und festgelegt.
Damit ist eine diskrete gleichverteilte Zufallsvariable.
Das Modell wird nach Bedarf auch wie folgt variiert:
- Ist die Münze nicht ideal (sondern z. B. gezinkt), so legt man abweichend mit einer „Kopfwahrscheinlichkeit“ p zwischen 0 und 1 fest.
- Die Zufallsvariable wird manchmal mit allgemeinerer Festlegung und benutzt, wobei a und b zwei (sinnvollerweise verschiedene) reelle Zahlen sind.
Weblinks
Bearbeiten- Manon Bischoff: Nach 350 757 Würfen steht fest: Münzwurf ist nicht fair in Spektrum.de vom 16. Februar 2024
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Münzwurf. In: Learnattack. Duden, abgerufen am 22. Dezember 2022.
- ↑ Daniel B. Murray, Scott W. Teare: Probability of a tossed coin landing on edge. In: Physical Review E. Band 48, Nr. 4, 1. Oktober 1993, S. 2547–2552, doi:10.1103/PhysRevE.48.2547 (aps.org [abgerufen am 10. November 2021]).
- ↑ Persi Diaconis, Susan Holmes and Richard Montgomery: Dynamical Bias in the Coin Toss. In: Society for Industrial and Applied Mathematics Review. Band 49, Nr. 2, 2007, S. 211–235, doi:10.1137/S0036144504446436 (stanford.edu [PDF; abgerufen am 28. Oktober 2023]).
- ↑ How random is a coin toss? - Numberphile auf YouTube, abgerufen am 28. Oktober 2023.
- ↑ arxiv:2310.04153v2
- ↑ Klaus Taschwer: Beim Münzwurf liegen die Chancen doch nicht genau bei 50 zu 50, derStandard.at, 20. Oktober 2023. Abgerufen am 28. Oktober 2023
- ↑ Wolfgang Weber über das Spiel