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Jacques Rutty

Schweizer Jurist und Politiker

Jacques-Samuel Rutty (* 17. März 1849 in Genf; † 22. Dezember 1927 ebenda) war ein Schweizer Jurist und Politiker.

Jacques Rutty war das älteste Kind des Landwirts, Graveurs und späteren Genfer Grossrats[1] und Kaufmanns Philippe Antoine Rutty (* 3. April 1822 in Cologny; † 28. April 1878)[2] und dessen Ehefrau Jeanne Pierrette (* 21. Mai 1820 in Carouge; † 22. September 1877 in Genf)[3], die Tochter von Jean-Pierre Roquette (1795–1856), er hatte noch drei Geschwister.

Er war seit 1875 mit Pierrette Judith, der Tochter des Uhrmachers Antoine Etienne Barbier, verheiratet; gemeinsam hatten sie zwei Töchter, die 1889 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen.[4][5]

Seine Beisetzung erfolgte auf dem Friedhof von Vandœuvres.[6]

Werdegang

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Jacques Rutty wurde 1874 Lizenziat der Rechte an der Universität Genf. Nach seinem Abschluss in Rechtswissenschaften, liess er sich in Vandœuvres als Rechtsanwalt nieder und war unter anderem als Wirtschaftsanwalt tätig, aber auch als Verteidiger bei Kapitalverbrechen[7][8]; der Jurist Paul Georg Kasser (1876–1945)[9] erhielt bei ihm eine juristische Ausbildung.[10] 1912 verteidigte er seinen Freund, den ehemaligen Staatsrat und Vizepräsidenten des Grossen Rats[11], Eugène Berlie (1859–1939)[12], in einer Gerichtsverhandlung wegen Urkundenfälschung, Vertrauensmissbrauch und Unterschlagung; Berlie wurde zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt.[13][14]

Von 1882 bis 1914 war er Ersatzrichter am Zivilgericht und seit 1926[15] Richter am Kassationshof.

Er war Mitglied des Verwaltungsrats der Tageszeitung Journal de Genève.

Politisches und gesellschaftliches Wirken

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Jacques Rutty war ein Gegner der radikalen Politik von Antoine Carteret und war 1875, gemeinsam unter anderem mit Gustave Ador, Marc-Eugène Richard und Albert Dunant (1843–1929)[16], Mitgründer des Genfer Parti démocratique (siehe Demokratische Partei (Schweiz)); so hielt er unter anderem 1879 eine Rede vor einem Publikum von 2.000 Zuhörern. Von 1909 bis 1914 war er Präsident der Partei.

Von 1878 bis 1919 sass er im Genfer Grossrat, dessen Präsident er von 1890[17][18] bis 1892 war. Er amtierte von 1890 bis 1914 als Gemeindepräsident von Vandœuvres.

1889 brachte er im Grossen Rat einen Gesetzentwurf ein, in dem er den Vorschlag einbrachte, dass jemand, der ein festbesoldetes Staatsamt ausübt, keinen Sitz im Grossrat erhalten sollte, weil dieser über die eigene Geschäftsführung urteile könne, und die Höhe seiner Besoldung bestimme.[19][20][21][22]

1893 wurde ihm als dänischer Konsul das Exequatur erteilt, trat aber 1897 von seinem Amt wieder zurück.[23][24]

Er war vom 4. Dezember 1893 bis zum 6. Dezember 1896 und vom 1. Dezember 1902 bis zum 3. Dezember 1911 liberal-demokratischer Genfer Nationalrat sowie, als Nachfolger von Marc-Eugène Richard[25], vom 7. Dezember 1914 bis zum 3. Dezember 1922 Ständerat, eine erneute Aufstellung zur Wahl lehnte er 1922 ab.[26]

Im Nationalrat kam er 1893 in die Kommission, die gebildet worden war, um das Anarchistengesetz zu entwickeln.[27][28][29]

1896 war er Vizepräsident der Kommission, die für das Schweizerdorf[30] im Rahmen der Schweizerischen Landesausstellung zuständig war.[31]

Er setzte sich 1902 für eine Änderung des Grossratsreglements ein, dass 1847 geschaffen wurde und inzwischen veraltet sei.[32]

Von 1915 bis 1924 leitete er als Staatsrat das Departement Justiz und Polizei; in dieser Zeit war er 1917 Vizepräsident des Staatsrats.[33], eine Wiederwahl lehnte er jedoch ab.[34] 1921 erfolgte seine Wahl zum Präsidenten des Staatsrats.[35][36]

1906 gehörte er der Redaktionskommission des Schweizer Zivilgesetzbuchs an.[37] Im selben Jahr setzte er sich für die Rückgabe der Notre-Dame-Kirche in Genf an die römisch-katholische Gemeinde ein, stiess hierbei aber auf Widerstand im Staatsrat.[38][39] Der Grosse Rat setzte jedoch die sogenannte Notre-Dame-Kommission ein und liess den Vorschlag prüfen.[40]

Er war 1914 Vorsitzender des Komitees für das Pièce historique bei den Feierlichkeiten zum hundertsten Jahrestag des Beitritts von Genf zur Schweizerischen Eidgenossenschaft (siehe Geschichte des Kantons Genf#1815–1830: Restauration).[41][42]

1916 wurde er zum ersten Vizepräsidenten der Kommission bestellt, die sich mit dem Rekurs der Kriegssteuer (siehe Direkte Bundessteuer) beschäftigte.[43]

Er war seit 1919 an den Verhandlungen mit Savoyen[44] wegen der Freizonenfrage beteiligt.[45]

1921 reichte er eine Motion ein, in der er vorschlug, die Bundesvorschriften über den Fremdenverkehr wieder aufzuheben und zu den verwaltungsrechtlichen Zuständen der Vorkriegszeit zurückzukehren.[46]

Er zog sich 1924 aus dem politischen Leben zurück.

In der Schweizer Armee hatte er den Dienstgrad eines Hauptmanns.

Als Jacques Rutty starb, war er Schatzmeister der 1889 gegründeten Interparlamentarischen Union.[47]

Mitgliedschaften

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Jacques Rutty gehörte dem Schweizerischen Zofingerverein an und war später Präsident der Altzofinger[48].

1897 nahm er an der Sitzung des Schweizerischen Vereins für Straf- und Gefängniswesen und der Interkantonalen Vereinigung der schweizerischen Schutzaufsichtsvereine in Bern und Witzwil teil.[49]

Er war Mitglied des Schweizerischen Juristenvereins.[50]

1881 war er Präsident des Cercle démocratique in Genf.[51]

Er hatte 1902 während einer Tagung den Vorsitz des Eidgenössischen Anwaltsverbands (siehe Schweizerischer Anwaltsverband)[52]; 1910 war er zweiter Vizepräsident des Verbands.[53]

Ehrungen und Auszeichnungen

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Nach Jacques Rutty wurde die Chemin Jaques-Rutty in Vandœuvres zu seiner Erinnerung benannt.[54]

Literatur

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  • Jacques Rutty. In: Emile Trachsel: Nos députés: Biographies des cent députés au Grand Conseil du canton de Genève. Genf, 1893. S. 115 (Digitalisat).
  • Jacques Rutty. In: Chronik der Stadt Zürich vom 24. November 1917. S. 410 (Digitalisat).
  • Jacques Rutty. In: Journal de Genève vom 11. Januar 1923. S. 5 (Digitalisat).
  • Jacques Rutty. In: Journal de Genève vom 24. Dezember 1927. S. 1 (Digitalisat).
  • Jacques Rutty. In: Journal de Genève vom 27. Dezember 1927. S. 1 (Digitalisat).
  • Jacques Rutty. In: Neue Zürcher Nachrichten vom 24. Dezember 1927. S. 2 (Digitalisat).
  • Martine Piguet, Ernst Grell: Jacques Rutty. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
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Einzelnachweise

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  1. Grand Conseil de Genève - Députés. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  2. Family tree of Philippe-Antoine RUTTY. Abgerufen am 31. Mai 2024 (englisch).
  3. Jeanne Pierrette Roquette: tng getperson. In: Société Genevoise de Généalogie. Abgerufen am 31. Mai 2024 (französisch).
  4. Genf. In: Die Ostschweiz 11. Dezember 1889. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  5. Kleine Zeitung. In: Der Bund 11. Dezember 1889. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  6. Les obsèques de M. Jacques Rutty. In: La Suisse libérale. 27. Dezember 1927, abgerufen am 1. Juni 2024.
  7. Korrespondenz aus dem Inland. Genf. In: Der Bund 20. April 1880. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  8. Ein sensationeller Kriminalprozeß. In: Der Bund 16. Januar 1901 Ausgabe 02. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  9. Christoph Zürcher: Paul Georg Kasser. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 3. August 2007, abgerufen am 30. Mai 2024.
  10. Kasser, Paul Georg. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  11. Grand Conseil de Genève - Députés. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  12. Base de données des élites suisses | Berlie, Eugène (1859–1939). Abgerufen am 1. Juni 2024.
  13. Aus dem Gerichtssaal. In: Neue Zürcher Nachrichten 23. Februar 1912. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  14. Der Fall Berlie. In: Der Bund 23. Februar 1912 Ausgabe 02. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  15. Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 6. Mai 1926 Ausgabe 03. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  16. Jean de Senarclens, Kerstin Martinez Griese: Albert Dunant. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 2. Februar 2001, abgerufen am 2. Juni 2024.
  17. Genf. In: Bündner Nachrichten 19. November 1890. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  18. Telegramme: Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 8. Dezember 1891. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  19. Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 29. Mai 1889. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  20. Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 4. Juni 1889. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  21. Genf. In: Intelligenzblatt für die Stadt Bern 16. Mai 1890. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  22. Genf. In: Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern 28. Juni 1890. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  23. Telegramme. In: Neue Zürcher Zeitung 14. Oktober 1893. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  24. Telegramme: Bern. In: Neue Zürcher Zeitung 21. Oktober 1897. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  25. Genf. In: Bieler Tagblatt 26. Oktober 1914. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  26. Genf. In: Neue Zürcher Nachrichten 9. Oktober 1922. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  27. Aus der Bundesversammlung. In: Der Bund 21. Dezember 1893 Ausgabe 02. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  28. Eidgenossenschaft. In: Zuger Volksblatt 7. April 1894. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  29. Die erste Anwendung des Anarchistengesetzes. In: Der Bund 29. Mai 1900 Ausgabe 02. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  30. Genf 1896: Heile Welt und Wirklichkeit. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  31. Schweiz: Ueber das Schweizerdorf. In: Der Bund 10. November 1895. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  32. Genf. In: Der Bund 30. Januar 1902 Ausgabe 02. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  33. Zur Lage. In: Neue Zürcher Zeitung 26. Dezember 1916 Ausgabe 04. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  34. Genf. In: Neue Zürcher Nachrichten 3. Dezember 1917 Ausgabe 02. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  35. Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 23. November 1921 Ausgabe 02. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  36. Swiss cantons G-N. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  37. Oscar Gauye: Inventar zur Dokumentation über die Erarbeitung des schweizerischen Zivilgesetzbuches 1885-1907. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte = Revue suisse d'histoire = Rivista storica svizzera. Band 13, Nr. 1, 1963, ISSN 0036-7834, S. 54, doi:10.5169/seals-80520 (e-periodica.ch [abgerufen am 1. Juni 2024]).
  38. Genf. In: Briger Anzeiger 26. September 1906. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  39. Genf. In: Der Bund 3. Oktober 1906. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  40. Genf. In: Der Bund. 18. Mai 1907, abgerufen am 1. Juni 2024.
  41. Jacques Rutty | Bibliothèque de Genève Iconographie. Abgerufen am 1. Juni 2024 (französisch).
  42. Wie sich Genf von der französischen fremdherrschaft befreite. In: Der Bund 1. Januar 1914. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  43. Aus dem Bundeshaus. In: Der Bund 9. September 1916. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  44. Dominique Zumkeller, Alice Holenstein-Beereuter: Savoyen: Die Freizonen. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 15. Januar 2015, abgerufen am 31. Mai 2024.
  45. Schweiz. In: Intelligenzblatt für die Stadt Bern 4. Mai 1919. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  46. Bundesversammlung. In: Der Murtenbieter 18. Juni 1921. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  47. Interparlamentarische Union in Berlin. In: Neue Zürcher Nachrichten 23. August 1928. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  48. Schweizerischer Altzofingerverein – Société Suisse des Vieux-Zofingiens. Abgerufen am 2. Juni 2024 (Schweizer Hochdeutsch).
  49. Verhandlungen. 1898 (google.de [abgerufen am 1. Juni 2024]).
  50. Schweizerischer Juristenverein: Mitglieder-Verzeichniss des Schweizerischen Juristen-Vereins: September 1879. Stämpfli, 1879 (google.de [abgerufen am 31. Mai 2024]).
  51. Edito Romand. In: Action: Zivilschutz, Bevölkerungsschutz, Kulturgüterschutz = Protection civile, protection de la population, protection des biens culturels = Protezione civile, protezione della populazione, protezione dei beni culturali. Band 52, Nr. 4, 2005 (e-periodica.ch [abgerufen am 1. Juni 2024]).
  52. Eidg. Anwaltsverband. In: Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland 7. Oktober 1902. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  53. Eidgenossenschaft. In: Neue Zürcher Nachrichten 7. Februar 1910 Ausgabe 02. Abgerufen am 1. Juni 2024.
  54. RUTTY. Abgerufen am 31. Mai 2024 (französisch).