Die einzige Professorin für Korea-Studien an der Goethe-Universität erhält eine außergewöhnliche Auszeichnung
Vor zehn Jahren trat Yonson Ahn die Professur für Koreanische Kultur und Gesellschaft an der Goethe-Universität Frankfurt an. Seitdem hat sie die Forschung und Lehre dieses „kleinen Fachs“, das an nur fünf weiteren Universitäten in Deutschland gelehrt wird, permanent weiterentwickelt. Für ihre außerordentlichen Bemühungen wurde sie nun vom südkoreanischen Bildungsministerium ausgezeichnet.

Die Urkunde kam Mitte Januar per Einschreiben. Datiert auf den 13. Dezember 2024 steht über dem goldenen Siegel des koreanischen Bildungsministeriums: „Der oben genannten Person wird hiermit diese Urkunde des Bildungsministeriums verliehen, da sie maßgeblich zur erfolgreichen Weiterentwicklung und Durchführung des Förderprogramms für wissenschaftliche Forschung [der Koreastudien] beigetragen hat. – gez. Lee Juho, Vizepremier und Bildungsminister.“
Ein schöneres Geschenk hätte sich Yonson Ahn zu ihrem zehnjährigen Dienstjubiläum nicht wünschen können. „Alles kam zusammen – Weihnachten, Neujahr und diese außergewöhnliche Ehrung, ein wunderschönes und vielfältiges Geschenk. Dieser Erfolg wäre ohne mein engagiertes Team nicht möglich gewesen“, erzählt Ahn, die die einzige Professur der Koreastudien an der Goethe-Universität besetzt.
Auch Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff zeigt sich hocherfreut über die Ehre. „Die Auszeichnung des südkoreanischen Bildungsministeriums würdigt Professorin Ahns herausragendes Geschick, erfolgreich Drittmittel zu akquirieren und diese in den Aufbau eines innovativen und einzigartigen Bereichs zu investieren. Davon profitieren Forschung, Lehre und Transfer gleichermaßen. Für uns als Goethe-Universität ist diese Würdigung eine große Ehre.“
Die Koreastudien in Frankfurt: „Fokus auf das moderne Korea“
2008 entstand an der Goethe-Universität das Interdisziplinäre Zentrum für Asienstudien (IZO). Dort wurde 2010 der Schwerpunktbereich Koreastudien am Institut für Ostasiatische Philologien eingerichtet. Er startete mit 20 Bachelor-Studierenden. Deren Anzahl war im Wintersemester 2014/15 – als Ahn ihre Professur an der Goethe-Universität antrat – auf 90 angewachsen. „Am Anfang waren wir nur drei Mitarbeitende – neben mir gab es meine Sekretärin, die in Teilzeit arbeitete, sowie eine Lektorin.“ Das war damals schon knapp bemessen. Heute gibt es an den Koreastudien insgesamt acht Mitarbeitende – abgesehen von zwei festen Stellen handelt es sich um befristete Drittmittelstellen –, sowie fast 400 Bachelor-Studierende im Haupt-und Nebenfach.

Es gibt mehrere Gründe, warum sich das Fach in Frankfurt so großer Popularität erfreut. Einer ist die wachsende Faszination mit koreanischem Kulturgut – von K-Pop zu filmischen Meisterwerken wie „Parasite“ oder „Squid Game“ bis hin zu moderner Geschichte, Politik und Literatur. Ahns Ehrung reiht sich in diese steigende Sichtbarkeit ein – neben ihr feierte 2024 die koreanische Boyband BTS ihr 10-jähriges Jubiläum, während die Schriftstellerin Han Kang den Nobelpreis für Literatur erhielt – als zweite Koreaner*in überhaupt, der diese Ehre zuteilwurde (2000 verlieh die schwedische Akademie den Friedensnobelpreis an Kim Dae-jung, den ehemaligen Präsidenten Südkoreas). „Rückblickend habe ich die Professur zu einem Zeitpunkt angetreten, als das globale Interesse an der koreanischen Kultur gerade immens zunahm“, sagt Ahn. Dieses große Interesse am modernen Korea hat sie dafür genutzt. Die Koreastudien an der Goethe-Universität fokussieren sich auf das moderne Süd- und Nordkorea und beinhalten neben der Sprache auch Seminare zu aktuellen Themen.
Dieser curriculare Schwerpunkt ist nicht nur bei den Studierenden beliebt, er passt auch zum Profil von Frankfurt, sagt Ahn und meint damit mehr als nur die Einbindung in die Asienwissenschaft am IZO. Neben Lehre und Forschung ist Transfer eines der Kriterien für die erfolgreiche Verleihung der jüngsten Auszeichnung. So hilft es, dass sich in Hessen, genauer gesagt im Rhein-Main Gebiet, die größte Gemeinde von Auslandskoreaner*innen in Europa sowie zahlreiche koreanische Firmen befinden. „Unser Bereich ist sehr gut mit der hier angesiedelten Industrie vernetzt, was uns viele Möglichkeiten eröffnet“, erklärt Yonson Ahn, „von Stipendien zu Werkstudierenden-Tätigkeiten bis hin zu Praktika und späteren Festanstellungen. Goethe-Uni-Studierende genießen einen sehr guten Ruf bei koreanischen Firmen, für die es durchaus von Vorteil ist, wenn die Belegschaft direkt die koreanische Kultur versteht. Unsere Absolvent*innen sprechen nicht nur Koreanisch, sie sind darüber hinaus eng mit der Kultur und Geschichte des Landes vertraut. Sie eignen sich bestens dafür, auch den koreanischen Mitarbeitenden hier in Deutschland Orientierung zu geben – ganz im Sinne des kulturellen Austauschs.“ Auch diese enge Vernetzung mit der koreanischen Industrie macht die Koreastudien in Frankfurt besonders und verleiht ihr ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen deutschen Hochschulen, an denen das Fach gelehrt wird.
Letztlich waren jedoch Yonson Ahns Aktivitäten in Forschung und Lehre sowie ihre erfolgreiche Drittmitteleinwerbung ausschlaggebend für die herausragende Ehrung. Die beiden größten Förderungen zum Aufbau der Koreastudien erhielt sie von der Korea Foundation (KF) und der Academy of Korean Studies (AKS). Letztere fördert bereits seit 2015 Projekte in den Koreastudien, beispielsweise zwei aufeinanderfolgende Seed Programme. Auch 2021 warb Prof. Ahn von der AKS erfolgreich 700.000 Euro ein: für das Core University Programm for Korean Studies „Cultivating Diversity: The global in Korea, Korea in the global“.

Ehrung für Lehre und Forschung
Korea der Welt näherbringen – durch Transfer, Lehre und Forschung. Genau das hat die Expertin für Gender Studies und Migration vorbildlich umgesetzt, unter anderem dank einem hochgradig interdisziplinärem und diversem Lehrangebot, das digital gemeinsam mit anderen Universitäten betrieben wird – und zwar bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie. „So gab es beispielweise ein digitales Seminar gemeinsam mit uns, der Universität Hamburg und der Ewha Women’s University in South Korea“, erzählt Ahn. „Seit 2020 wird das Seminarangebot auch von der Hankuk University of Foreign Studies ergänzt. Dabei sind die Seminarthemen immer hochaktuell. Im letzten Semester beispielsweise“, fährt Ahn fort, „hat der Professor der Ewha Women’s University einen Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Entwicklung in Nord- und Südkorea gelegt, und im Seminar wurden jede Woche die letzten Ausgaben verschiedener Lokalzeitungen diskutiert. Das hilft den Studierenden dabei, ein Verständnis aktueller gesellschaftlicher Themen zu entwickeln. Durch die gemeinsame Lehre haben alle beteiligten Institutionen etwas davon.“
Seit nunmehr zehn Jahren gebe es das beschriebene Global E-school-Angebot, sagt Ahn, und betont, dass die Teilnahme dank der Vollfinanzierung durch die Korea Foundation (KF) nicht nur kostenfrei sei; sie helfe zudem, den Dozent*innenmangel zu bewältigen. „Wir sind so interdisziplinär unterwegs, dass ich als ,one woman show‘ gar nicht alle Bedarfe bedienen kann. Darüber hinaus mag ich nicht immer dieselben Kurse anbieten. Die E-school unterstützt uns dabei, das Internationale mit dem Digitalen zu verbinden. Für mich sind die Informationen übrigens auch hochgradig interessant, geben sie mir doch Einblick in ganz andere Bereiche wie die Wirtschaft des Landes.“ Ein weiterer Bonus für die Studierenden: jedes Jahr erhält ein Seminarteilnehmender eine Einladung für eine vollfinanzierte Teilnahme durch die KF an einer Summer School in Korea.
Im Rahmen des durch das Land Hessen finanzierten Projekts ELLVIS (Erfolgreich Lehren und Lernen – Vielfalt und Internationales im Studium) organisieren auch die Koreastudien in Frankfurt digitale internationale Summer Schools mit Teilnehmenden und renommierten Dozent*innen aus aller Welt. „Unser Fokus lag im letzten Jahr auf ,Discovering North Korea‘, und tatsächlich waren alle der neun Dozent*innen schon einmal in dem Land gewesen. Das war für die Studierenden natürlich besonders spannend, immerhin ist es für sie so gut wie unmöglich, nach Nordkorea zu kommen.“
Derzeit gibt es zehn Doktorand*innen in den Koreastudien. Unter ihnen befinden sich neben deutschen Staatsbürger*innen auch Studierende aus China, den USA und Südkorea. Ihre Themenschwerpunkte reichen von Migration zu Gender, Medien und Bildung. Ähnlich wie bei den Bachelor-Studierenden baut Ahn auch hier auf Kompetenzen und Netzwerke. So finden die PhD-Kolloquien mitunter gemeinsam mit anderen Universitäten aus dem In- und Ausland statt. „Letztes Jahr waren wir mit unseren Doktorand*innen in Malaga, und diesen Februar reisen wir für ein Kolloquium nach Sienna“, erzählt Ahn. Die Kolloquien – die auch durch die AKS gefördert werden – geben den Studierenden nicht nur die Möglichkeit, ihre Forschung zu präsentieren, sondern auch ihr Netzwerk auszubauen und zu stärken. „Darüber hinaus wäre ich alleine gar nicht in der Lage, alle Doktorand*innen zu betreuen“, sagt Ahn und erklärt: „Dafür arbeite ich eng mit meiner Kollegin Prof. Dr. Yvonne Schulz Zinda an der Universität Hamburg zusammen – bei ihren PhD Kandidat*innen agiere ich als zweite Betreuerin, und sie übernimmt die Rolle im Gegenzug bei meinen. Sonst könnten unsere kleinen Fächer kaum überleben.“

Netzwerken, interdisziplinär und digital unterwegs sein – das zeichnet das „kleine Fach“ der Koreastudien in Frankfurt aus. Dafür, sagt Yonson Ahn, wird sie gerne noch weitere Jahre mit verhältnismäßig wenig Schlaf auskommen. Und auch, um einen Traum der Nachhaltigkeit verwirklicht zu sehen – den Traum, ihre Arbeit von einer zweiten Koreastudien-Professur begleitet zu sehen und den Staffelstab an die jüngere Generation weiterzugeben.