Spendengala für WerteUnion Milde Gaben für Maaßen
Die Verbindungen zwischen Spitzen der WerteUnion und dem Veranstalter des Potsdamer Treffens sind offenbar enger als bisher bekannt. Das ergeben Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung. Es soll auch Geld geflossen sein.
Jahrelang lief Gernot Mörig, Ex-Zahnarzt und Initiator eines Treffens mit Rechtsextremen in Potsdam, eher unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit. Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung zeigen nun: Mörig war in vielen Bereichen bestens vernetzt. So pflegte er offenbar auch über Jahre gute Kontakte zur Spitze des Vereins WerteUnion - enger als bislang bekannt.
Mörig bestätigte der Recherchekooperation, dass er mehrfach bei Veranstaltungen des früheren Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen und der WerteUnion zugegen war. Schon 2019 war Mörig im Kölner Hotel Steigenberger dabei, als Hans-Georg Maaßen seine erste programmatische Rede hielt, nachdem er als Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz abgelöst und fortan als Redner für die WerteUnion aufgetreten war.
Auch als die WerteUnion im Kolpinghaus in Fulda eine offene Mitgliederversammlung im Herbst 2022 veranstaltete und Jan Fleischhauer als Redner einlud, war er dabei. Und auch, als Maaßen im Januar 2023 in Essen zum Vorsitzenden der WerteUnion gewählt wurde, nahm Mörig teil. Als "Nichtmitglied", wie er betont, habe er hier die Veranstaltung aber am Vormittag bereits verlassen.
Spendengala der WerteUnion auf Schloss Emmeram
Bemerkenswert ist, dass er dann aber auch zum handverlesenen Kreis einer Spendengala der WerteUnion gehörte, die Anfang Juli 2023 bei Gloria von Thurn und Taxis auf Schloss Emmeram in Regensburg stattfand. In der Einladung bittet Maaßen als Bundesvorsitzender der Werteunion und Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz a.D. "zum Abendessen der WerteUnion e.V. in Anwesenheit Ihrer Durchlaucht Gloria Fürstin von Thurn und Taxis".
Dass Mörig eingeladen war, hatte "T-Online-News" zuerst berichtet. Nach Informationen von WDR, NDR und SZ soll Mörig sogar einen niedrigen vierstelligen Betrag an den Verein WerteUnion gespendet haben. Mörig beantwortete die konkreten Fragen, ob er an diesem Abend teilgenommen und gespendet habe, nicht.
Sollte ihn jedoch jemand als "finanziellen und politischen Unterstützer" der WerteUnion oder gar des Vorstandes bezeichnet" haben, so kenne derjenige "schlicht und einfach die tatsächlichen Zusammenhänge nicht. Würde ich selbst mich so bezeichnen, müsste ich mir den Vorwurf der Anmaßung gefallen lassen", so Mörig auf Anfrage.
Spenden generiert?
Wie WDR, NDR und SZ aus Teilnehmer- und Sicherheitskreisen erfuhren, sollte aus den an diesem Abend generierten Spenden vor allem die Gegenwehr gegen das Parteiausschlussverfahren Maaßens aus der CDU finanziert werden - auch wenn nicht alle Teilnehmer davon etwas mitbekommen haben wollen. Einige Teilnehmer sagten, sie wüssten nichts von einer solchen Widmung.
Für die juristische Gegenwehr sollen Kosten in knapp sechsstelliger Höhe aufgelaufen sein. Diese Kosten soll der Verein WerteUnion für den Vorsitzenden übernommen haben. Mitglieder hatten sich in einem Brandbrief über die Kostenübernahme beschwert, wie "t-online.de" berichtet hatte.
Der Abend soll sich gelohnt haben: Es sollen insgesamt reichlich Spenden zusammengekommen sein. Abzüglich der Kosten für Catering und Service soll es kein Problem gewesen sein, Maaßens juristische Beratung zu bezahlen. Maaßen und die WerteUnion ließen Fragen dazu unbeantwortet.
Das Treffen auf Schloss Emmeram wurde laut Gastgeberin Gloria von Thurn und Taxis von Maaßen persönlich organisiert. "Es war eine Geste für Herrn Maaßen persönlich", so die als umstritten geltende Adlige gegenüber WDR, NDR und SZ. Sie selbst habe ihrem guten Bekannten Maaßen, der das Schloss von etlichen gesellschaftlichen Ereignissen wie Jagdgesellschaften kenne, ihr persönliches Netzwerk und die Örtlichkeit zur Verfügung gestellt.
Die WerteUnion als Partei unterstütze sie nicht, auch nicht die AfD. Auch habe nicht sie über die Gästeliste bestimmt, sondern Maaßen. Sie kenne sie nicht. Auch nicht den Zahnarzt aus Düsseldorf. Gemeint ist Mörig, der in seiner Vergangenheit Bundesführer des Bundes Heimattreuer Jugend war und zwischenzeitlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Rechtsextremer geführt wurde. Heute bestreitet er, rechtsextrem zu sein.
Prominente Namen
Unter den übrigen Teilnehmern der Spendengala befanden sich auch durchaus prominente Namen. Etwa Eckhard Cordes, Aufsichtsratsvorsitzender des börsennotierten Konzerns Bilfinger, früher Vorstandsvorsitzender des Handelskonzerns Metro und Ex-Spitzenmanager bei DaimlerChrysler. Auch Menschen, denen ein erhebliches Vermögen zugeschrieben wird, sollen zu den Gästen gehört haben, darunter der Gründer der Firma Euroimmun, der Arzt und Wissenschaftler Winfried Stöcker.
Dieser hatte sein Unternehmen 2017 laut Medienberichten für mehr als eine Milliarde Euro veräußert und in der Vergangenheit mehrfach Schlagzeilen gemacht. Einmal ging es um sehr kritische Äußerungen zu Geflüchteten, die ihm Rassismusvorwürfe eintrugen; einmal verimpfte er einen angeblichen selbst entwickelten Impfstoff gegen Covid-19 auf seinem Privatflughafen in Lübeck.
Als Antwort auf einen Fragenkatalog von WDR, NDR und SZ sendete er ein mehr als 100-seitiges Dossier mit "Betrachtungen zum Zeitgeschehen" unter der Überschrift "DDR 2.0", in dem davon gesprochen wird, der deutsche Staat, auf dessen tausendjährige Vergangenheit man stolz sein könne, werde seit der Kanzlerschaft Merkels ruiniert.
Zu den zahlreichen Gästen der Spendengala sollen außerdem der bekannte PR-Berater, Lobbyist und Unternehmer Moritz Hunzinger, der Publizist Roland Tichy, der Finanzmanager und ehemalige Geschäftsführer des Degussa-Goldhandels, Markus Krall, gezählt haben. Dazu mehrere vermögende Mittelständler und Unternehmer - fast alle ließen Fragen unbeantwortet. Wer von den Anwesenden tatsächlich wie viel gespendet hat, ist unklar.
5.000 Euro seien als Standardspende eigentlich angedacht gewesen, heißt es aus Kreisen der Organisatoren. Es hätten jedoch einige mehr, andere weniger, manche gar nicht gespendet. Eckhard Cordes soll die 5.000 Euro gespendet haben. Auf Anfrage sagte er, dass er als politisch interessierter Mensch immer wieder politische Gesprächsrunden und Salons besuche. "Dass das bloße Zuhören nicht die Übernahme von politischen Standpunkten bedeutet, versteht sich von selbst".
Auf Bildern der Veranstaltung auf dem Schloss der Familie zu Thurn und Taxis, die WDR, NDR und SZ einsehen konnten, waren auch Personen zu sehen, die ebenfalls auf dem von Mörig organisierten Treffen im Landhotel Adlon in Potsdam dabei waren. Rund um das Potsdamer Treffen sollen auch mehrere aktuelle und frühere Funktionäre der WerteUnion Geld zugunsten von Mörigs dort empfohlenen Projekten gespendet haben.
Vize-WU-Vereinsvorsitzende Simone Baum nahm sowohl an der Spendengala auf Schloss Emmeram teil als auch am Potsdamer Treffen. Über das sogenannte 5. Düsseldorfer Forum hatte das Recherchenetzwerk "Correctiv" im Januar berichtet, dass dort etwa der rechtsextreme Österreicher Martin Sellner seine Pläne für ein Konzept zur sogenannten "Remigration" vorgetragen haben soll.
Baum soll nach Informationen von WDR, NDR und SZ bereits im Sommer 2022 Mörig bei einem Treffen am Chiemsee begegnet sein. Auch Baums gute Freundin, die Unternehmerin und stellvertretende NRW-Landesvorsitzender der WerteUnion, Michaela Schneider, war sowohl in Potsdam als auch auf Schloss Emmeram zugegen. Anfragen ließen beide unbeantwortet.
Klagen über angebliches "Mörig-Netzwerk"
In der WerteUnion beklagen sich einige über ein angebliches "Mörig-Netzwerk" innerhalb des eigenen Vereins. Das Netzwerk sei entstanden, als der prominente Finanzinvestor Max Otte Chef der WerteUnion wurde. Otte galt als Verfechter eines rechtskonservativen Kurses. Einige warfen ihm vor, die WU näher an die AfD heranrücken zu wollen - eine hochsensible Bruchlinie innerhalb des Vereines, bis zuletzt.
Otte und Mörig gelten als bestens miteinander bekannt. Die "ZEIT" hatte berichtet, dass Otte schon früher eine Veranstaltung des sogenannten Düsseldorfer Forums besucht haben soll, wie Mörigs Gesprächsrunde sich nennt.
Mörig antwortete auf eine Anfrage von WDR, NDR und SZ: "Von dritter Seite - innerhalb der WerteUnion - soll offensichtlich gezielt der Eindruck erweckt werden, ich hätte einen starken Einfluss auf interne Vorgänge der WU". Dies sei nicht der Fall. Hans-Georg Maaßen und die WerteUnion ließen Anfragen unbeantwortet.