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Die chinesische und die deutsche Flagge.
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Verdeckte Einflussnahme Wie China in Deutschland spioniert

Stand: 24.04.2024 11:00 Uhr

Deutsche Sicherheitsbehörden warnen schon lange vor zunehmender Spionage aus China. Die aktuellen Verdachtsfälle zeigen, wie akut die Gefahr verdeckter Einflussnahme auf die Politik ist. Wie geht China dabei vor?

Von Florian Flade, WDR

Es gab eine Zeit, da war chinesische Spionage in Deutschland offenbar kein großes Thema. Zumindest gab es ein erstaunliches Desinteresse an deren Spitzeleien hierzulande. In den alljährlichen Verfassungsschutzberichten der Jahre 1982 bis 1995 tauchten die Chinesen schlichtweg nicht auf. Die Bundesregierungen damals wollten das wohl so, vielleicht weil gute Beziehungen zu China wichtig waren - vor allem für die deutsche Wirtschaft.

Heute aber hat sich zumindest der Ton der Sicherheitsbehörden deutlich verändert. Thomas Haldenwang, Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), führt gerne einen Vergleich an, den sein britischer Amtskollege vom MI5 geprägt hat: Russland ist ein Sturm, China aber ist der Klimawandel. Soll heißen: Peking ist inzwischen eine nahezu beispiellose sicherheitspolitische Herausforderung. Und das auf vielen Ebenen.

Spionagevorwürfe gegen AfD-Mitarbeiter

In diesen Tagen wird das deutlicher denn je: Erst wurden am frühen Montagmorgen in Düsseldorf und Bad Homburg ein Ehepaar und ein Mann festgenommen, die seit Jahren im Verdacht stehen über eine Firmenstruktur, die von London über Düsseldorf bis nach China reicht, militärisch nutzbare Technologien und Know-how beschafft zu haben - und zwar für den chinesischen Auslandsgeheimdienst, das Ministerium für Staatssicherheit (MSS). China bestreitet den Spionagevorwurf. 

Noch am Montagabend dann wurde der 43-jährige Deutsch-Chinese Jian G. in Dresden festgenommen, ein enger Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen G. wegen des Verdachts der Spionage für Peking. Er soll "wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament" an China verraten und chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben. Die Festnahme erfolgte, weil die Ermittler glaubten, G. plane womöglich, sich ins Ausland abzusetzen.

Zwischenzeitlich gab es auch in Großbritannien Festnahmen: Zwei Briten sollen für China spioniert haben, einer der Beschuldigten ist ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der konservativen Partei im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten.

China hat Aktivitäten spürbar verstärkt

Pekings Geheimdienste haben nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden ihre Aktivitäten in den vergangenen Jahren wieder spürbar verstärkt. Früher war es vor allem die klassische Wirtschafts- und Industriespionage, die deutschen Unternehmen zu schaffen machte. Dazu gehörten Cyberangriffe auf Großkonzerne, für deren Produkte und Entwicklungsarbeit sich China interessierte. Aber auch auf kleine, mittelständische "Hidden Champions", also Firmen, die aufgrund besonderer Innovationsleistung zu den Weltmarktführern in einem bestimmten Segment gehören.

Der Fokus verlagerte sich zuletzt zunehmend auf die Wissenschaft. Universitäten und Hochschulen sind in den Blick der chinesischen Spione geraten, die dort wertvolle Forschungsergebnisse abgreifen wollen. Und zwar nicht nur durch Hacker, die Daten stehlen oder durch Spione in sozialen Netzwerken wie LinkedIn, die sich als Geschäftsleute oder Wissenschaftler tarnen, sondern schlichtweg über akademischen Austausch, über Kooperationen, gemeinsame Projekte, Gastprofessuren oder Studenten.

Studenten mit enger Anbindung nach Peking

Mehr als 40.000 chinesische Studentinnen und Studenten gibt es Schätzungen zufolge aktuell in der Bundesrepublik. Beim Verfassungsschutz geht man davon aus, dass ein großer Teil dieser Personen eine enge Anbindung an den chinesischen Staat hat - etwa über die Botschaften, Konsulate und vor allem über Chatgruppen. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die mittels bestimmter Stipendienprogramme nach Deutschland entsandt werden.

Militärische Technologie im Fokus

Für Pekings Spione sollen vor allem militärisch nutzbare Technologien von Interesse sein, zum Beispiel Antriebstechnologien für Raketen oder Marschflugkörper, aber auch Laser, Mikrochips, Robotik und Systeme der Künstlichen Intelligenz. Oft wird dabei nicht nur Spionage eingesetzt, sondern ein Know-how-Transfer durch Firmenübernahmen oder Direktinvestitionen angestrebt.

Daneben späht China laut Verfassungsschutz auch weiterhin die Exil-Community aus: Oppositionelle, Regime-Kritiker, Vertreter der uigurischen und tibetischen Volksgruppe und die in China verbotene religiöse Falun-Gong-Bewegung.

Einflussnahme auf EU-Politik

Was die Sicherheitsbehörden seit geraumer Zeit ebenfalls feststellen: Die politische Spionage in Europa gewinnt für China an Bedeutung, und dabei geht es längst nicht mehr nur um die heimliche Beschaffung von Informationen, sondern um verdeckte Einflussnahme. Etwa auf die deutsche und die europäische Außen-, Wirtschaft- und Sicherheitspolitik.

Bislang standen vor allem drei chinesische staatliche Stellen im Fokus der hiesigen Spionageabwehr: Das für die Auslandsspionage zuständige Ministerium für Staatssicherheit mit seinen mehr als 100.000 Mitarbeitern, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, das unter anderem dafür zuständig ist, Exil-Chinesen im Blick zu behalten, und die Volksbefreiungsarmee (PLA) mit ihren Hackereinheiten.

Spionage über chinesisches Verbindungsbüro

Zunehmend aber kommt ein neuer Akteur ins Spiel: Das Internationale Verbindungsbüro der Kommunistischen Partei Chinas (IDCPC), das ein weltweites Netzwerk im politischen Spektrum unterhält, unter anderem über diplomatische Vertretungen, und offenbar mit hohem Aufwand und Geldeinsatz damit befasst ist, politische Prozesse im Sinne Pekings zu beeinflussen.

"Inzwischen agiert das IDCPC de facto auch wie ein Nachrichtendienst der Volksrepublik China und ist somit dem chinesischen Nachrichtendienstapparat zuzurechnen", so der Verfassungsschutz. Es gehe vor allem um den Aufbau und die Pflege von Kontakten zu Parteien und Abgeordneten, insbesondere zu solchen, die eine "vergleichsweise unkritische Haltung zur chinesischen Regierung vertreten". Langfristiges Ziel sei es, "einflussreiche Personen zu Äußerungen und Handlungen im Sinne der Interessen der Kommunistischen Partei Chinas zu bewegen".

In Deutschland ist die verdeckte und illegitime Einflussnahme fremder Staaten an sich kein Straftatbestand. Lediglich die Agententätigkeit, für die allerdings der Beweis einer Anbindung an einen ausländischen Geheimdienst nötig ist, und die Bestechung von Mandatsträgern ist strafbar.

Philipp Eckstein, ARD Berlin, tagesschau, 24.04.2024 17:11 Uhr