Zwei Jahre "PESCO" Lücken in der EU-Verteidigungsunion
Vor zwei Jahren beschlossen 25 EU-Staaten in der Verteidigungspolitik intensiver zusammenzuarbeiten. Unter dem Titel "PESCO" formierten sich zahlreiche Militärprojekte. Doch es gibt viele Lücken.
Die EU erging sich in echten Lobeshymnen, als es vor zwei Jahren losging: Man habe die "schlafende Schönheit" der EU-Verteidigungspolitik wachgeküsst, sagte gewohnt bildhaft der damalige Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Und die damalige deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprach im ARD-Interview von einem "historischen Ereignis":
Heute legen wir den Grundstein für eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion. Für uns ist in Deutschland vor allem die Zusammenarbeit wichtig, also dass wir eine Truppe aufstellen, die 'Armee der Europäer', die, wenn es eine Krise gibt, wenn Europa gefragt ist, dann auch schnell einsatzfähig ist.
Sätze, die Erwartungen weckten. "PESCO"- hinter diesem etwas kalt und wenig bürgernah klingenden Kürzel verbirgt sich seitdem das Bekenntnis einer Gruppe von EU-Staaten, in einer Art 'Koalition der Willigen' bei der europäischen Verteidigung schneller voranzuschreiten als andere.
Ulrike Franke von der Denkfabrik "European Council on Foreign Relations" warnt jedoch vor zu hohen Erwartungen. "PESCO" werde sicher nicht dafür sorgen, dass Europa bald militärisch unabhängig von den USA und in der Lage sei, sich selbst zu verteidigen. "Wenn dies das Ziel ist, dann ist 'PESCO' ein Trippelschritt auf dem Weg. Was 'PESCO' leisten kann, ist: Den Europäern zu helfen, gemeinsame Rüstungsprojekte zu entwickeln, auch durch den Verteidigungsfonds bei der Finanzierung zu helfen."
47 gemeinsame Projekte
Wie die "PESCO"-Bilanz nach rund zwei Jahren ausfällt, ist also in erster Linie eine Frage der Messlatte. Nun haben es die Europäer geschafft, sich auf bisher immerhin 47 gemeinsame Projekte zu einigen. Das liest sich auf dem Papier zahlenmäßig eindrucksvoll. Die Frage ist: Halten die Projekte, was sie versprechen?
Verteidigungsexpertin Franke zeigt sich optimistisch: "Das an sich ist schon ein gutes Zeichen. Aber man muss auch gucken, was aus welchem Projekt wird. Bei vielen ist man im Bereich der Machbarkeitsstudien, da wird jetzt noch nicht gebaut."
Drohnenbau, Patrouillenboot und Cyberabwehr
Die beschlossenen Projekte sind unterschiedlichster Natur. Echte Rüstungs-Schwergewichte sind dabei - wie der Bau einer europäischen Drohne oder eines Patrouillenbootes. Ein weiteres Projekt soll die Zusammenarbeit bei der Cyberabwehr stärken. Aber auch eher Leichtgewichtiges wie die Angleichung beim Training von Helikopter-Piloten ist darunter.
Von Anfang an ein Lieblingsprojekt der Deutschen war der Aufbau eines "Europäischen Sanitäts-Kommandos" in Koblenz. Dr. Stefan Kowitz, Direktor des "European Medical Command" (EMC), erläutert: "Wir wollen wissen, welche Bettenanzahl ein Land hat. Welche Labore vorhanden sind, um hochinfektiöse Keime zu diagnostizieren. Da wollen wir Wissen koordinieren. Wie können in den einzelnen Ländern Verwundete oder Erkrankte versorgt werden, wenn eine höhere Anzahl im Rahmen einer Krise auftritt."
Info-Zentrale für den Ernstfall
Gab es zum Start dieses speziellen "PESCO"-Bausteins noch allerlei Gerüchte, es könne sich um ein fliegendes Feldlazarett oder einen an jeden Ort der Welt verlegbaren OP handeln, ist doch seit Langem klar: Es ist eher eine Art Info-Zentrale, die im Ernstfall den Überblick hat, wie sich Betroffene in Europa verteilen lassen. Kowitz erklärt die Hintergründe:
Ich rede jetzt noch nicht mal von der schlimmsten Krise, dass wir einen Fall der Landesverteidigung haben. Aber es könnte ja jemand einen terroristischen Anschlag planen und Wasser vergiften oder Chemikalien benutzen, um eine größere Anzahl von Menschen zu verletzen. Dann ist es wichtig, die Kenntnisse zu haben im Rahmen der Diagnostik oder der Behandlung von Verletzten und Erkrankten.
Derzeit besteht das Team von Kowitz aus 14 Mitarbeitern, anwachsen soll es auf 30 bis Ende 2021. Das ist auch der Zeitpunkt, zu dem das Sanitätskommando voll einsatzfähig sein soll.
Es gibt nur wenige, die anzweifeln, dass es Sinn ergibt, sich in Europa beim Thema medizinische Versorgung besser abzustimmen. Genauso wenige allerdings würden behaupten, dieses und die anderen 46 beschlossenen Projekte würden Europa militärisch in eine andere Liga katapultieren.
"Es ist in der Tat so, dass Europa einige Fähigkeitslücken hat. Insbesondere wenn es darum geht, die großen Militäraktionen und die großen Kriege zu führen. Da ist Europa noch sehr abhängig von den USA. Und in der Tat gehen da sehr wenige 'PESCO'-Projekte ran. Aber: Das kann ja auch alles noch werden", erklärt Franke.
Verteidigung bleibt NATO-Aufgabe
Nun haben die Deutschen und Franzosen im Verbund mit den Spaniern durchaus vor, etwa gemeinsam ein Kampfflugzeug zu bauen. Dies beäugen die Osteuropäer übrigens sehr skeptisch. Zu einem "PESCO-Projekt", was durchaus mal im Gespräch war, ist dieser Militärjet, auch FCAS genannt, bislang nicht geworden. Ob er das noch wird, ist ebenso ungeklärt wie so vieles.
Nur an einem gibt es wenig Zweifel: Auch wenn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die NATO kürzlich als "hirntot" bezeichnete: Die Verteidigung des europäischen Territoriums ist NATO-Aufgabe und wird es auch bleiben. Selbst wenn die EU wollte, wäre sie dazu kaum in der Lage. Und daran wird auch "PESCO" auf absehbare Zeit nichts ändern.