Leitthema
Onkologe 2009 · 15:129–141
DOI 10.1007/s00761-008-1549-0
Online publiziert: 4. Februar 2009
© Springer Medizin Verlag 2009
H. Link
Medizinische Klinik I, Westpfalz-Klinikum, Kaiserslautern
Anämie bei Krebs
Diagnostik, Therapie, Transfusionen,
Erythropoese stimulierende Agentien,
Eisensubstitution
Eine Anämie, die klinische Symptome
hervorrufen kann und als ein Hämoglobin-Abfall unter 12g/dl definiert
wird, ist bei Patienten mit bösartiger
Erkrankung sehr häufig [31, 38]. Die
Anämieinzidenz beträgt je nach Tumortyp und -stadium bereits bei Diagnose solider Tumoren ca. 50%; noch
höher ist die Prävalenz bei Hämoblastosen. Im Verlauf einer Chemotherapie entwickeln 62,7% der primär
nicht anämischen Patienten eine Anämie. Am häufigsten treten Anämien
bei Patienten mit gynäkologischen
Tumoren (81,4%) bzw. Bronchialkarzinom (77,0%) auf [31]. Die Anämie
sollte immer abgeklärt und – falls erforderlich – entsprechend ihrer Ursache behandelt werden.
Definition und Einteilung
von Anämien
Unter Anämie (Blutarmut) versteht man
eine Verminderung der Zahl der roten
Blutkörperchen, die durch eine Erniedrigung der Hämoglobinkonzentration (Hb)
oder des Hämatokrits [Hk: Erythrozytenanzahl/MCV („mean corpuscular volume“)] im peripheren Blut gekennzeichnet ist. Der untere Referenzwert des Hämoglobins ist bei mitteleuropäischen Erwachsenen, abhängig vom Alter, bei Frauen mit 12 g/dl und bei Männern mit 13 g/
dl definiert (WHO).
Anämie bei chronischer
Erkrankung
Die zweithäufigste Anämieform, nach der
Eisenmangelanämie, ist die durch Aktivierung des Immunsystems ausgelöste Anämie bei chronischer Erkrankung
(ACD, „anemia of chronic disease“) [42].
Als Ursachen kommen neben akuten oder
chronischen Infektionen Autoimmunopathien und Entzündungen im Rahmen
chronischer Nierenerkrankungen, insbesondere Tumorerkrankungen (sowohl
hämatologische Neoplasien als auch solide Tumoren), in Betracht. Die Pathophysiologie der ACD ist multifaktoriell. Im
Vordergrund stehen durch inflammatorische Zytokine (Tumornekrosefaktor-α,
Interleukin-1α und -1β, Interleukin-6, Interferon-γ) vermittelte Störungen. Sie betreffen die Homöostase des Eisenstoffwechsels (verstärkte Aufnahme von Eisen in Zellen des retikuloendothelialen
Systems, RES) und verminderte Freisetzung aus dem RES, die Proliferation der
erythroiden Vorläuferzellen, die in Relation zur Anämie nicht ausreichende Synthese von und vermindertes Ansprechen
auf Erythropoetin (EPO) sowie eine Verkürzung der Erythrozytenüberlebensdauer [22, 33, 42].
Hepcidin, ein in der Leber gebildetes
Typ-II-akute-Phase-Peptid, hemmt die intestinale Eisenresorption, die Eisenfreisetzung aus den Enterozyten, die Eisenmobilisation aus dem RES und vermindert die
Proliferation der erythropoetischen Vorläuferzellen. Hepcidin spielt dadurch eine wesentliche Rolle in der Pathophysio-
logie der ACD [18, 22]. Im Falle einer Anämie der chronischen Erkrankung findet aufgrund der Hochregulierung des
Hepcidins ein stark verminderter Transfer des Eisens aus den Enterozyten in die
Blutbahn statt.
Funktioneller Eisenmangel bei
eisenrestringierter Hämatopoese
Die Stimulation der Erythropoese führt
zu einem erhöhten Bedarf an verfügbarem
Eisen. Dieser Bedarf kann trotz ausreichender Eisenspeicher nicht gedeckt werden, weil das Eisen nicht aus den Speichern mobilisiert werden kann, sodass
es für die Hämsynthese nicht verfügbar
ist. Diese Eisenrestriktion entsteht auch
bei vielen chronischen Erkrankungen wie
Infektionen oder Krebs durch die Hochregulation des hepatisch synthetisierten
Proteins Hepcidin (s. o).
Für einen funktionellen Eisenmangel
wird folgende Definition empfohlen:
F Transferrinsättigung <20%,
F hypochrome Erythrozyten >5% und
F Zunahme der hypochromen Retikulozyten [5, 29].
Die hypochromen Erythrozyten und Retikulozyten können mit modernen durchflusszytometrischen Laboranalysegeräten gemessen werden. CHr-Werte <26 pg
(Retikulozytenhämoglobin) sind beweisend für eine eisendefizitäre Erythropoese, ebenso ein Anteil hypochromer Erythrozyten >5% bzw. nur der reifen (maturen)
hypochromen Erythrozyten HYPOm>6%
[13].
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Zusammenfassung · Abstract
Onkologe 2009 · 15:129–141 DOI 10.1007/s00761-008-1549-0
© Springer Medizin Verlag 2009
H. Link
Anämie bei Krebs. Diagnostik, Therapie, Transfusionen,
Erythropoese stimulierende Agentien, Eisensubstitution
Zusammenfassung
Bei 50% der Tumorpatienten tritt eine Anämie auf, die differenzialdiagnostisch abgeklärt und entsprechend ihrer Ursache behandelt werden sollte. Häufig entsteht sie durch
die Aktivierung des Immunsystems bei chronischen Erkrankungen (ACD, „anemia of
chronic disease“). Im Vordergrund stehen
durch inflammatorische Zytokine vermittelte
Störungen: Die verstärkte Aufnahme von Eisen in Zellen des retikuloendothelialen Systems (RES) und verminderte Freisetzung aus
dem RES, die verminderte Proliferation der
erythroiden Vorläuferzellen, die in Relation zur Anämie nicht ausreichende Synthese
von und vermindertes Ansprechen auf Erythropoetin (EPO) sowie eine Verkürzung der
Erythrozytenüberlebensdauer. Hepcidin, ein
in der Leber gebildetes Typ-II-akute-PhasePeptid, hemmt außerdem die intestinale Eisenresorption und die Eisenmobilisation aus
dem RES. Zusätzlich unterdrückt eine medikamentöse Chemotherapie oder Strahlentherapie häufig die Knochenmarkfunktion, sodass eine therapiebedürftige Anämie auftritt.
Außerdem können typische Anämieursachen
wie Blutungen, Eisenmangel, Vitaminman-
gel, Hämolyse und alkoholtoxische Knochenmarkschädigung etc. zusätzlich auftreten.
Eine effektive Therapie der Anämie chronischer Erkrankungen ist mit Erythrozytentransfusionen und bei Chemotherapie auch
mit Erythropoese stimulierenden Agenzien (ESA: Erythropoetin, Darbepoetin) möglich. EORTC, ASCO und ASH haben Leitlinien
zur Anämietherapie mit ESA bei Tumorpatienten mit Chemotherapie entwickelt. Demnach können ESA bei chemotherapierten Patienten mit symptomatischer Anämie bzw.
einem Hb-Wert zwischen 9 und 11g/dl eingesetzt werden. Ein Hb-Wert-Anstieg über
12g/dl soll vermieden werden, um Komplikationen zu vermeiden. Aktuelle Studien belegen, dass die Wirksamkeit der ESA signifikant
gesteigert werden kann, wenn eine zusätzliche intravenöse Eisensubstitution erfolgt,
auch wenn primär kein funktioneller oder absoluter Eisenmangel vorliegt.
Schlüsselwörter
Anämie · Krebs · Chemotherapie ·
Erythropoetin · Eisen
Anaemia in cancer. Diagnosis, treatment, transfusions,
erythropoiesis stimulating agents, iron substitution
Abstract
Anaemia occurs in 50% of tumour patients
which should be clarified by differential diagnosis and treated in accordance with the underlying causes. The quality of life of anaemic tumour patients can be improved by correction of the anaemia. Anaemia is often
caused by activation of the immune system
in chronic diseases (ACD anaemia of chronic disease). In the forefront are disorders due
to inflammatory cytokines, i.e. increased uptake of iron by the reticulo-endothelial system (RES) and reduced release from the RES,
reduced proliferation of erythrocyte precursor cells, with insufficient synthesis of and reduced reaction to erythropoietin (EPO) in relation to the anaemia, as well as reduced survival of erythrocytes. Hepcidin, a type II acute
phase peptide produced in the liver, also inhibits intestinal iron resorption and iron mobilization from the RES. Additionally, medicinal chemotherapy or radiation therapy often
suppresses bone marrow activity leading to
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anaemia requiring treatment. Typical causes
of anaemia, such as haemorrhaging, iron deficiency, vitamin deficiency, haemolysis and
alcohol-linked toxic bone marrow damage
can also occur. An effective therapy of ACD is
possible with erythrocyte transfusion and after chemotherapy also with erythropoiesisstimulating agents (ESA), such as erythropoietin and darbepoietin. The EORTC, ASCO and
ASH have developed guidelines for the therapy of anaemia with ESA for tumour patients
under chemotherapy. The HB-value should
be kept below 12g/dl to avoid complications.
Current studies have shown that the effectiveness of ESA can be significantly improved
if accompanied by intravenous iron substitution even if a functional or absolute iron deficiency does not primarily exist.
Keywords
Anaemia · Cancer · Chemotherapy ·
Erythropoietin · Iron
Diagnostik der Anämie
Die folgenden Parameter können zur Differenzialdiagnostik der Anämie gemessen
werden (. Tab. 1).
Laborbefunde der Anämie
bei chronischer Erkrankung
Die Anämie bei chronischer Erkrankung
(ACD) zeigt sich im peripheren Blut mit
normochromen, normozytären oder hypochromen, mikrozytären Erythrozyten
(MCV, MCH normal bis erniedrigt) mit
Anisozytose und Poikilozytose, die Retikulozytenzahl kann normal oder vermindert sein; es kann eine Hypochromie der
Retikulozyten vorliegen (Parameter CHr:
mittlerer Hämoglobingehalt des Retikulozyten, Referenzbereich 28–35 pg.) Die
Retikulozyten zirkulieren nur 1 bis 2 Tage im Blut, daher ist das CHr im Gegensatz zu der Bestimmung der hypochromen Erythrozyten ein früher Parameter
einer eisendefizitären Erythropoese Folgende Parameter sind erhöht: Ferritin,
freie Transferrin-Eisenbindungskapazität
(Transferrinsättigung vermindert), BSG,
Fibrinogen, CRP und Haptoglobin. Das
Serum-Erythropoetin ist nicht ausreichend angestiegen.
Es besteht eine verminderte Hämoglobinsynthese bei Eisenüberladung des Organismus (sideroachrestische Anämie).
Das nicht verwertete Eisen wird im RES
und in parenchymatösen Organen eingelagert.
Therapie der Anämie
Die Indikation zur Korrektur der Anämie besteht bei Patienten mit Anämiebeschwerden. Dabei sind insbesondere
auch Alter und Begleitkrankheiten wie
z. B. koronare Herzerkrankung zu beachten. Mehrere Studien haben gezeigt, dass
die Lebensqualität der Krebspatienten mit
Anämie vermindert ist [14, 25, 32, 44].
Indikation zur Transfusion von
Erythrozytenkonzentraten
Bei akutem Blutverlust und Patienten
mit solidem Tumor oder Hämoblastose muss die Transfusionsindikation bei
einem Hb <8 g/dl individuell geprüft werden (. Tab. 2). Bei chronischer Anämie
Leitthema
Tab. 1
Ausschluss zusätzlicher Ursachen der Anämie und Basisdiagnostik
Ausschluss zusätzlicher
Ursachen der Anämie
Labordiagnostik
Ergänzende
Labordiagnostik
Tab. 2
Eisenmangel
Blutung
Vitamin B12- (Cobolamin)- und Folsäuremangel
Hämolyse
Nierenfunktionsstörung
Hämatologische Systemerkrankung
Blutbild mit MCV, MCH, quantitative Retikulozytenzahl
Differenzialblutbild
Routinelabor mit Leber- und Nierenfunktionsparametern: Bilibrubin,
Transaminasen, Albumin, INR, Kreatinin, Harnstoff
Eisenstatus: Ferritin, Transferrin, Transferrinsättigung
Entzündungsparameter: BSG, Fibrinogen, CRP, Haptoglobin, LDH
Holo-Trans-Cobalamin (Vitamin B12), Folsäure
ggf. Erythropoetinspiegel
Hämokkult-Test, Coombs-Test,
Blutgruppe (für den Fall der Transfusion)
Hypochrome Erythrozyten
Retikulozytenhämoglobin (CHr)
Löslicher Transferrin-Rezeptor
Intraerythrozytäres Zinkprotoporphyrin (ZPP)
Auszug aus den Leitlinien der Bundesärztekammer 2008 [43]
Querschnittsleitlinien
(BÄK) zur Therapie mit
Blutkomponenten und
Plasmaderivaten
Chronische Anämien
Bei jedem Patienten mit einer akuten oder chronischen Anämie muss der
Versuch unternommen werden, die Ursache der Anämie zu klären und
ggf. eine kausale Therapie einzuleiten. Die Gabe von EK ist angezeigt,
wenn Patienten ohne Transfusion durch eine anämische Hypoxie aller
Voraussicht nach einen gesundheitlichen Schaden erleiden würden und
eine andere, zumindest gleichwertige Therapie nicht möglich ist. Eine
restriktive Indikationsstellung zur Erythrozytentransfusion vermindert die
Exposition mit Fremdblut und geht bei den meisten Patientengruppen
nicht mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko einher
Die Indikation zur Erythrozytentransfusion ergibt sich aus der Beurteilung
des klinischen Gesamtbilds und wird nicht allein anhand von Laborwerten (Hb, Hk, Erythrozytenzahl) gestellt. Kommt es bei Patienten mit
chronischer Anämie zu akuten Blutverlusten, werden dieselben Kompensationsmechanismen wirksam wie bei Patienten ohne chronische
Anämie. Eine vorbestehende chronische Anämie impliziert also nicht die
bessere Toleranz noch niedrigerer Hämoglobinkonzentrationen. Patienten mit chronischer Anämie müssen daher bei einem zusätzlichen akuten Abfall der Hämoglobinkonzentration nach denselben Grundsätzen
behandelt werden wie Patienten ohne vorbestehende chronische Anämie
Bei chronisch anämischen Patienten ohne kardiovaskuläre Erkrankungen
ist auch bei niedrigen Hämoglobinkonzentrationen bis zu 7,0–8,0 g/dl
(Hk: 21–24%=4,3–5,0 mmol/l) eine Transfusion nicht indiziert, so lange
keine auf die Anämie zurückzuführenden Symptome auftreten
Patienten mit einer chronischen Anämie infolge primärer oder sekundärer
Knochenmarkinsuffizienz sollten grundsätzlich so wenig wie möglich
transfundiert werden, insbesondere wenn eine spätere Knochenmark-/
Stammzelltransplantation infrage kommt. Bei schweren chronischen Erkrankungen und bei Patienten mit malignen Erkrankungen und Chemotherapie vermindert die Gabe von Erythropoetin den Transfusionsbedarf
[16, 40]
EK Erythrozytenkonzentrat Hb Hämoglobin, Hk Hämatokrit.
werden z. T. deutlich niedrigere Hb-Werte zwischen 6 und 8 g/dl ohne Symptome
toleriert, deshalb besteht in diesen Fällen keine unbedingt zwingende Indikation zur Erythrozytentransfusion. Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder
einer bestehenden Gefahr zerebraler Per-
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fusionstörungen kann bereits ab einem
Hb-Wert von 10 g/dl die Transfusion von
Erythrozytenkonzentraten indiziert sein.
Bei vielen Krebspatienten tritt eine Anämie erst in weit fortgeschrittenen Stadien
auf. Wegen ihrer oft kurzen Lebenserwartung werden diese Patienten durch lang-
fristige Transfusionsrisiken (z. B. Übertragung von Infektionserregern, Alloimmunisierung, transfusionsassoziierte Hämosiderose) selten gefährdet. Eine Ausnahme sind Patienten mit chronischer transfusionsbedürftiger Anämie bei Knochenmarkerkrankungen, wie z. B. myelodysplastische Syndrome (MDS) mit niedrigem Risiko-Score. In diesen Fällen sollte die toxische Eisenüberladung mit einer
Chelattherapie (Deferoxamin, Deferasirox) vermieden bzw. reduziert werden,
sobald über 1 Jahr monatlich zwei Erythrozytenkonzentrate transfundiert wurden
[23]. Bei anderen Patienten ist die Anämie
ein vorübergehendes therapieinduziertes
Problem. Da diese Patienten meist keine
oder nur sehr wenige Bluttransfusionen
benötigen, ist das Risiko eines langfristigen Transfusionsschadens ebenfalls gering. Die Indikationsstellung zur Transfusion wird eher durch die klinische Symptomatik, Begleiterkrankungen und die Lebensqualität des Patienten beeinflusst.
Als Transfusionsindikation gilt – über
Tumorerkrankungen hinaus – üblicherweise eine Hb-Konzentration unter 8g/
dl oder ein klinisch nicht tolerierter HbWert unter 10 g/dl, insbesondere bei Patienten mit kardialen oder pulmonalen
Begleiterkrankungen (. Tab. 2). Im Fall
eines septischen Verlaufs gilt auch bei Tumorpatienten die Empfehlung einer Stabilisierung des Hb-Werts bei 10g/dl.
Risiken der Transfusion
von Blutkomponenten
Der Blutzellersatz ist mit bestimmten Risiken verbunden, über die die Patienten
aufgeklärt werden müssen. Wichtige Risiken sind in . Tab. 3 dargstellt.
Therapie der Anämie bei
chronischer Erkrankung
Die Therapie kann bei Anämiesymptomatik und Hb <8g/dl mit Erythrozytenkonzentraten erfolgen (. Tab. 2), außerdem
sowie bei Hb-Werten zwischen 9 und 11g/
dl mit Erythropoese stimulierende Agenzien (ESA: Erythropoetin oder Darbepoetin), kombiniert mit intravenösem Eisen.
Leitthema
Tab. 3 Häufigkeiten unerwünschter Wirkungen bei der Transfusion von Blutkomponenten [15, 41, 43]
Unerwünschte Wirkungen
Hämolytische Transfusionsreaktion vom Soforttyp
Ohne tödlichen Ausgang
Mit tödlichem Ausgang
Hämolytische Transfusionsreaktion vom verzögerten Typ
Mit tödlichem Verlauf
Febrile, nichthämolytische Transfusionsreaktion
Allergische Transfusionsreaktion
Mit mildem Verlauf
Mit schwerem Verlauf
Posttransfusionelle Purpura
Transfusionsassoziierte Graft-versus-Host-Krankheit (taGVHD)
Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI)
Bakterielle Kontamination
Transfusionsassoziierte Virusinfektionen durch
HIV
HBV
HCV
Transfusionsassoziierte Parasitosen
Neue Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit
Transfusionshämosiderose
Risiko je transfundierte Einheit
1:6000–1:80.000
1:250.000–1:600.000
1:1000–1:4000
1:100.000 [15]
1:1 800.000
<1:200 (EK)
<1:5 (TK)
1:33-1:333
1:20.000-1:50 000
Einzelfälle, 1:600.000 [15]
1:400.000-1:1.200.000
1:5000–1:7200
<1:180.000 [15]
1:500.000–1:4.700.000 (EK)
1:900–1:100.000 (TK)
<1:106
1:105–1:106
<1:106
<1:106
Bis Mitte 2007 4 Fälle beschrieben
Ab 100 Erythrozytenkonzentraten
EK Erythrozytenkonzentrat, TK Thrombozytenkonzentrat.
Stimulation der Erythropoese
Die Therapie mit den Erythropoese stimulierenden Faktoren ist effektiv, steigert
den Hb-Wert, reduziert die Transfusionsbedürftigkeit und verbessert die Lebensqualität der Patienten [7, 12, 14, 16, 25, 32,
37, 40, 44]. Nachdem 8 Studien mit negativen Ergebnissen hinsichtlich der Überlebenszeit der Patienten berichtet wurden,
die ESA erhielten [8, 30], wurden diese
Studien im Zusammenhang mit allen bis
dahin publizierten Studien von der FDA,
der EMEA und Fachgesellschaften kritisch
bewertet [1, 3, 37]. Diese Studien haben jedoch alle erhebliche Mängel und Fehler
im Studiendesign [3]. Einige der Studien
untersuchten klinische Situationen und
Hämoglobinwerte, die nicht durch die
aktuellen Leitlinien der EORTC, ASCO
und ASH gedeckt werden. Alle 8 Studien
wurden außerhalb des aktuell empfohlenen Indikationsbereichs und der entsprechenden Fachinformation durchgeführt
wurden, wobei die ESA-Therapie bei z. T.
nichtanämischen Patienten durchgeführt,
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Der Onkologe 2 · 2009
der Ziel-Hb-Wert deutlich höher als aktuell empfohlen (12g/dl) angestrebt wurde und die Patienten z. T. keine Chemotherapie erhielten.
Metaanalysen, die alle relevanten Studien auswerteten hatten den Nachteil, dass
nur die aggregierten Daten aus den Publikationen und nicht die Originaldaten verwendet wurden. Daher konnten keine Sicherheitsdaten der ESA bei verschiedenen
Hämoglobinwerten analysiert werden. Eine Metaanalyse mit den Originaldaten
von 12 Studien mit Erythropoetin-β und
der Therapie entsprechend den aktuellen
Leitlinien ergab keinen Unterschied in der
Überlebenszeit zwischen den mit Erythropoetin behandelten Patienten und der
Kontrollgruppe [2].
Metaanalysen zeigten keine eindeutige
Erhöhung der Mortalität oder Tumorprogression nach ESA-Therapie [2, 8, 10]. In 3
Analysen wurde eine erhöhte Inzidenz von
thromboembolischen Ereignissen gefunden: Eine Cochrane Analyse von 57 Studien und insgesamt 9353 Tumorpatienten,
die eine ESA-Therapie erhielten, zeigte ei-
ne Erhöhung im Vergleich zur Kontrollgruppe (relatives Risiko 1,67; Konfidenzintervall 1,35–2,06; [10]). Eine weitere
Metaanalyse mit 38 Phase-III-Studien bei
8172 Tumorpatienten ermittelte ein höheres Risiko von Thromboembolien bei
ESA-Therapie (7,5% vs. 4,9%; relatives Risiko 1,57; Konfidenzintervall 1,31–1,87; [8]).
Eine dritte Metaanalyse von 12 randomisierten Studien mit insgesamt 2297 Patienten fand eine erhöhte Rate an Thromboembolien mit ESA gegenüber der Kontrollgruppe (7% bzw. 4%). Die Mortalität,
die mit den thromboembolischen Ereignissen assoziiert war, lag in beiden Gruppen bei 1% [8].
Eine Metaanalyse mit den Originaldaten von 53 randomisierten Studien mit
Erythropoese stimulierenden Agenzien
ergab eine signifikant erhöhte Mortalität
von 17% [9]. Allerdings wurden nicht nur
Patienten mit durch Chemotherapie induzierter Anämie, sondern auch Studien bei
Strahlentherapie und bei Patienten ohne
Therapie oder ohne Anämie eingeschlossen. Wenn nur Patienten (n=10441) mit
Chemotherapie analysiert wurden, dann
war der Effekt nicht signifikant (Relatives
Risiko 1,10; Konfidenzintervall 0,98–1,24;
p=0,12). Problematisch ist bei dieser Analyse, dass auch Studien schlechter Qualität
oder mit fragwürdigem Studiendesign mit
in die Analyse einbezogen wurden. Dementsprechend schlecht ist auch die Qualität der Metaanalyse.
Wünschenswert wären Metaanalysen
der gut konzipierten Studien, mit einem
Basis-Hämoglobinwert von 10 g/dl und
einem Ziel-Hb-Wert von 12 g/dl, so wie
es den Leitlinien und der Zulassung der
ESA entspricht. Leider hat diese Metaanalyse die Chance verpasst, auch die Qualität der Studien zu berücksichtigen und die
Analyse nur auf qualitativ bessere Studien
anzuwenden.
Als wichtigste Information gilt, dass
die ESA nur innerhalb der zugelassenen
Indikation bei Chemotherapie verwendet
werden dürfen und nur bei anämischen
Patienten (Hb-Wert unter 11 g/dl) mit Anämiesymptomen. Außerdem darf der HbWert unter ESA-Therapie nicht über 12 g/
dl angehoben werden [3]. Die Leitlinien
wurden 2007 und 2008 entsprechend aktualisiert und angepasst [1, 12, 37].
Leitthema
Korrektur anderer Ursachen der Anämie
Normale Hb-Werte
Prophylaktische Therapie
nicht empfohlen
Intravenöse Eisentherapie bei
funktionellem Eisenmangel
Symptomatisch
Hb 9–11g/dl
Asymptomatisch
Hb 9–11g/dl
Hb <9g/dl
ESA-Therapie
einleiten
ESA-Therapie nach
individuellen Faktoren
erwägen
Nach individuellen
Faktoren
Transfusionsbedarf
abschätzen und
ESA-Therapie
erwägen
Therapie bis ziel
Hg 12g/dl erreicht
Individualisierte Behandlung, um den Hb-Zielwert mit
minimalem therapeutischen Aufwand aufrecht zu erhalten
ESA:
Erythropoetin
Darbepoetin
Abb. 1 8 Algorithmus der EORTC zur Anämiebehandlung bei Krebspatienten mit Chemotherapie, update 2007, aktualisiert [1, 3, 12]
Die Anämietherapie nur auf Erythrozytentransfusionen zu stützen, wäre nicht
adäquat, da bei der richtigen Anwendung
und auch der zusätzlichen intravenösen
Eisentherapie mit den Erythropoese stimulierenden Agenzien eine effektive und
einfache Anämietherapie nach Chemotherapie besteht. Die Entscheidung zur
Art der Anämietherapie sollte bei jedem
Patienten individuell getroffen werden.
Europäische Richtlinien der EORTC
zur Therapie mit Erythropoese
stimulierenden Agenzien
Von der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC)
wurde eine unabhängige Task-Force eingerichtet, um systematisch die Literatur zu
überprüfen und aktuelle, evidenzbasierte
Richtlinien für den Einsatz Erythropoese
stimulierender Agenzien bei anämischen
Tumorpatienten in Europa zu publizieren
(. Tab. 4; . Abb. 1; [11, 12]). Nach der
aktuellen Leitlinie der EORTC (. Tab. 4)
sollte ein nicht selten zusätzlicher funktioneller Eisenmangel mit intravenösem Eisen korrigiert werden. Die Empfehlungen
beziehen sich auf erwachsene Patienten
mit malignen Erkrankungen (außer myeloische Neoplasien).
Erythropoetin-Rezeptoren
und Tumorzellen –
ihre mögliche klinische Relevanz
In den vergangenen Jahren sind widersprüchliche Ergebnisse aus In-vitro-Studien veröffentlicht worden: Auf Tumor-
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Die parenterale Eisensubstitution ist bei
Patienten mit funktionellem Eisenmangel
sinnvoll [17, 24]. Intravenöses Eisen wird
direkt der Hämatopoese zur Verfügung
gestellt. Eine mögliche Erklärung für die
Wirksamkeit von intravenösem Eisen bei
eisenrestringierter Hämatopoese könnte
sein, dass die Eisenfreisetzung aus den
Makrophagen verändert wird.
Eisentherapie bei Tumoranämie
und Therapie mit ESA
Orale Eisensubstitution
zellen sollte der Erythropoetin-Rezeptor
(EPO-R) nachzuweisen sein, und die Tumorzellen in Kultur sollten auf Behandlung mit sehr hohen Dosen von EPO mit
einer Proliferation reagiert haben [21, 34,
39].
Der immunhistochemische Nachweis
wurde aufgrund der fehlenden Spezifität derzeit kommerziell verfügbarer Antikörper in Frage gestellt [19]. Zudem stellte sich heraus, dass der in vielen Studien
verwendete Antikörper mit einem allgemein unter Stress und besonders in Tumorzellen nachzuweisenden ChaperonProtein, dem Heat-Shock-Protein 70,
kreuzreagiert [19]. Die fehlende Spezifität der für den Nachweis des EPO-R notwendigen Reagenzien erlaubt deshalb keine Aussage zu einer kausalen Verbindung
zwischen EPO-behandelten Tumorpatienten und einem ungünstigen klinischen
Verlauf, verglichen mit einer placebobehandelten Kontrollgruppe. Zudem hat eine große Zahl tierexperimenteller Untersuchungen keine negative Auswirkung einer EPO-Therapie auf das Tumorwachstum zeigen können [39]
Bis vor kurzem wurde eine orale Eisentherapie zusätzlich zur ErythropoietinBehandlung empfohlen [36], obwohl keine prospektiv-randomisierte Studien existieren, die diese Empfehlung unterstützten. Die einzige bisher publizierte Studie, die orale Eisensubstitution mit einer
unbehandelten Kontrollgruppe bei Patienten mit chemotherapieinduzierter Anämie unter Erythropoetin-Behandlung
verglich, konnte keine signifikante Erhöhung der hämatologischen Ansprechrate
unter oraler Eisenmedikation aufzeigen.
Jedoch zeigte die behandelte Gruppe im
Gegensatz zur unbehandelten Kontrollgruppe im Gegensatz zur letztgenannten
Gruppe keine Verschlechterung der allgemeinen Lebensqualität und der Aktivität [5]. Die neuen Leitlinien der EORTC
und ASCO hingegen empfehlen die orale
Eisentherapie wegen nachgewiesener Unwirksamkeit nicht mehr. Es wird vielmehr
empfohlen, intravenöses Eisen als Therapiekomponente bei Tumoranämie einzusetzen [1, 6, 37].
Funktioneller Eisenmangel bei
eisenrestringierter Hämatopoese
Bevor 1989 Erythropoetin zur Therapie
der dialyseassoziierten Anämie routinemäßig eingesetzt wurde, gab es kaum Indikationen zur intravenösen Eisentherapie. Jedoch zeigte sich bald, dass die Effektivität der Erythropoetintherapie mit
intravenösem Eisen gesteigert werden
konnte, so dass diese Eisensubstitution
bei Dialysepatienten mit Erythropoetintherapie Standard ist [20].
Die Stimulation der Erythropoese mit
ESA führt zu einem erhöhten Bedarf an
verfügbarem Eisen, der nicht durch Speichereisen gedeckt werden kann und dessen Freisetzung außerdem durch Hepcidin blockiert ist.
Parenterale Eisensubstitution
Leitthema
Tab. 4 Therapie mit Erythropoese stimulierenden Agentien, aktualisiert 20.09.07, basierend auf den EORTC Guidelines 2004 und 2006 [1, 11, 12]. In der rechten Spalte sind die
Empfehlungsgrade (A, B und C) nach den EORTC-Guidelines angegeben
Empfehlungen
Die primäre Ziele sollen
die Verbesserung der Lebensqualität und
die Vermeidung von Transfusionen sein
Bei Chemotherapie*
oder Radiochemotherapie**
soll eine Therapie mit Erythropoese stimulierenden Agenzien bei Hb von 9–11g/dl, je nach
Anämie-Symptomen begonnen werden
Tumoranämie ohne Chemo- oder Radiochemotherapiea:
Eine Therapie mit Erythropoese stimulierenden Agenzien kann bei einem Hb von 9–11 g/dl,
je nach Anämie-Symptomen, bei ausgewählten Patienten und sorgfältiger Indikationsstellung gegeben werden; nicht zugelassene Indikation
Die Therapie mit Erythropoese stimulierenden Agenzien sollte bei ausgewählten asymptomatischen anämischen Krebspatienten unter Chemotherapie mit einem Hb-Wert unter 12 g/
dl zur Vermeidung eines weiteren Hb-Abfalls erwogen werden, nach individuellen Agenzien:
Art, Intensität, Dauer der Chemotherapie, Basis-Hb etc.
Bei einem Hb-Wert unter 9 g/dl sollte die Indikation zu einer Bluttransfusion geklärt werden.
Eine zusätzliche Gabe von EPO kann je nach klinischen Symptomen und Komorbidität erfolgen
Der Ziel Hb-Wert von 12 g/dl sollte nicht überschritten werden
Es sollten feste Dosierungen verwendet werden
Dosis:
- 40.000 E Erythropoetin-α pro Woche
- 30.000 E Erythropoetin-β pro Woche
- Darbepoetin-α 2,25 µg/kg pro Woche
- Darbepoetin-α 500 µg alle 3 Wochen
Eine Dosiserhöhung bei Nichtansprechen nach 4–8 Wochen wird nicht empfohlen
Erythropoese stimulierende Agenzien werden nicht empfohlen, um das Überleben oder die
Ansprechquote der Tumortherapie zu verbessern
Keine Empfehlung zur Therapie mit Erythropoese stimulierenden Agenzien bei normalem
Hb und zur Prophylaxe bei Therapiebeginn
Dauer der Therapie Erythropoese stimulierenden Agenzien: Bis ein Hb-Wert von 12 g/dl
erreicht wird und eine symptomatische Besserung eintritt; bei Ansprechen Dosistitrierung
empfohlen
Erhöhtes Risiko thromboembolischer Erkrankungen mit Erythropoese stimulierenden Agenzien: 1,6-fach
Orale Eisensubstitution: unwirksam
Intravenöse Eisensubstitutionb: wirksam
Intravenöses Eisen nur bei Patienten mit absolutem oder funktionellem Eisenmangel (Transferrinsättigung <20%)
A
A
A*
C**
B
B
B
B
B
A
A
A
A
B
A
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C
A
B
B
aKommentar zur Anwendung von ESA ohne Chemotherapie (off label):Es gibt Patienten mit Myelodysplasti-
schem Syndrom (MDS) ohne Chemotherapie, die auf eine Therapie mit ESA ansprechen [37]. Mit der Kombinationstherapie von Erythropoetin und G-CSF wird bei Patienten mit weniger als 2 Erythrozytentransfusionen pro
Monat die Überlebensprognose signifikant verbessert [28].
Die Indikation zur Off-Label-Therapie muss streng gestellt werden.
bDie randomisierten Studien zur intravenösen Eisensubstituition des Jahres 2008 wurden bei der EORTC Leitlinie
2007 noch nicht berücksichtigt.
Die Wertigkeit einer parenteralen Eisentherapie zusätzlich zur Behandlung
mit Erythropoetin bei Patienten mit chemotherapieassoziierter Anämie wurde
bisher in 6 Studien untersucht, von denen 2 prospektiv-randomisierte Studien
im April 2008 im Journal Clinical Oncology publiziert wurden und eine im September 2008 auf dem Kongress der Euro-
138 |
Der Onkologe 2 · 2009
pean Society for Medical Oncology (ESMO) vorgestellt wurde [4, 5, 7, 26, 27, 35].
Diese 6 Studien zeigen, dass die intravenöse Eisentherapie bei onkologischen Patienten zu signifikant größeren Hämoglobinanstiegen führt als mit Erythropoese stimulierenden Agenzien alleine oder
mit zusätzlichem oralem Eisen. In allen
6 Studien war der klinische Effekt unab-
hängig von Eisenparametern bei Therapiebeginn.
In der Studie von Bastit et al. wurden
396 Patienten mit nichtmyeloischen Malignomen und Chemotherapie untersucht,
die einen Hb-Wert unter 10,5 g/dl, ein Ferritin über 10 ng/ml oder eine Transferrinsättigung (TSAT) über 15% aufwiesen [7].
Die Patienten erhielten 500 µg Darbepoetin-α (DA) alle 3 Wochen alleine oder zusätzlich ein- bzw. zweiwöchentlich intravenöses Eisen (Eisensucrose oder Eisengluconat). Mit intravenösem Eisen konnten statistisch signifikant der Hämoglobinwert und das hämatologische Ansprechen verbessert sowie der Ziel-Hb-Wert
schneller erreicht werden. Allerdings hatten auch einige Patienten einen Eisenmangel. Diese Studie war darauf ausgerichtet,
auch Unterschiede in der Transfusionsrate nachweisen zu können. Im Gegensatz
zu den anderen Studien konnte mit intravenösem Eisen die Transfusionsrate von
20% auf 9% reduziert werden [5, 26, 27, 35]
Dies ist die größte Studie, die einen synergistischen Effekt von intravenösem Eisen
und Erythropoese stimulierenden Agenzien zeigte.
Fazit für die Praxis
Die Lebensqualität der Tumorpatienten
wird durch eine Anämietherapie verbessert. Eine effektive Therapie der Anämie
chronischer Erkrankung ist mit Erythrozytentransfusionen und bei Chemotherapie auch Erythropoese stimulierenden
Agenzien möglich. Die EORTC und ASCO
haben Leitlinien zur Anämietherapie mit
ESA bei Tumorpatienten mit Chemotherapie entwickelt. Demnach können ESA
bei chemotherapierten Patienten mit
symptomatischer Anämie und einem HbWert zwischen 9 und 11 g/dl eingesetzt
werden. Ein Hb-Wert-Anstieg über 12 g/
dl soll vermieden werden, um Komplikationen zu vermeiden. Aktuelle Studien
belegen, dass die Wirksamkeit der ESA signifikant gesteigert werden kann, wenn
eine zusätzliche intravenöse Eisensubstitution erfolgt, auch wenn primär kein
funktioneller oder absoluter Eisenmangel vorliegt.
Leitthema
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. H. Link
Medizinische Klinik I,
Westpfalz-Klinikum,
67653 Kaiserslautern
hlink@westpfalz-klinikum.de
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor
weist auf folgende Beziehung/en hin:
Amgen: Beratertätigkeit, Honorare für Vorträge, Reisekostenübernahmen, Studienunterstützungen oder andere Drittmittel.
Biogenerix: Beratertätigkeit, Honorare für Vorträge.
Janssen-Cilag, Ortho-Biotech: Beratertätigkeit, Honorare für Vorträge, Reisekostenübernahmen, Studienunterstützungen oder andere Drittmittel.
Roche: Studienunterstützungen oder andere Drittmittel.
Vifor: Beratertätigkeit, Honorare für Vorträge.
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Supportivtherapie im Internet
Aktuelle Nachrichten online
Viele Studien haben eine lebhafte Diskussion darüber ausgelöst, ob die Erythropoetin-Gabe bei Patienten mit Malignomen
nicht nur der Blutbildung dient, sondern
eventuell auch mit Tumorprogress, erhöhter Rate an thromboembolischen
Ereignissen und reduzierter Überlebenszeit
einhergeht. Ab welchem HämoglobinWert ist daher die supportive Erythropoetin-Gabe zu empfehlen? Die Ergebnisse
einer großen Metaanalyse belegen, dass
eine Erythropoetin-Gabe nach EORTCLeitlinien, das heißt ab einem Hb-Wert
≤11mg/dl, keinen negativen Effekt
auf Überleben, Tumorprogress und TEE-assoziierte Mortalität hat.
Sie suchen schnelle oder ausführliche
Informationen zur Supportivtherapie? Diese und weitere aktuelle Nachrichten, zum
Beispiel zur Behandlung von Schmerzen,
zur Antiemese und zur Ernährung, finden
Sie regelmäßig im Internetportal der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. (DKG) unter
www.krebsgesellschaft.de. Tipp: Die Nachrichten der DKG können Sie auch kostenlos
als RSS-Feeds abonnieren.
Quelle: Aapro M et al. Br J Cancer. 2008
Jul 8;99(1):14-22.
Licht zerstört Tumoren im Auge
Erste Studie zur rahmenlosen, radiochirurgischen Behandlung des Aderhautmelanoms mittels Robotertechnologie belegt
Wirksamkeit
Das Aderhautmelanom ist eine seltene
Krebsgeschwulst des Auges, jährlich erkranken knapp 500 Menschen in Deutschland daran. Die klassische Behandlung
großer Aderhautmelanome besteht in der
Entfernung des kompletten Augapfels.
Mittlere Melanome werden meist mit
einem lokalen Strahlenträger behandelt
(Brachytherapie mit Ru-106). Mit der
strahlenchirurgischen Cyberknife-Methode
können vor allem große Tumore schmerz-
frei und ohne operativen Eingriff zerstört
werden.
Die Behandlungsalternativen reichen
von der radioaktiven Bestrahlung bis hin
zum Beschuss der Tumoren mit Photonen.
Eine Variante dieser Photonen-Bestrahlung
ist die Cyberknife-Technologie. Dabei werden aus vielen verschiedenen Richtungen
einzelne hoch energetische Lichtteilchen
aus einem Beschleuniger auf den Tumor
gefeuert. Durch ständig wechselnde Einstrahlrichtungen bleibt das umliegende
Gewebe weitgehend geschont, im Zielgebiet aber werden die Krebszellen maximal
geschädigt und sterben schließlich ab. Eine
ca. 3-stündige einmalige Behandlung ist
bis auf die örtliche Betäubung der Augenmuskulatur völlig schmerzfrei. Der Patient
kann zudem nach der Therapie nach Hause
gehen.
In einer aktuell veröffentlichten
Studie konnten die Ärzte belegen, dass
Cyberknife eine passende Alternative zur
Behandlung des Aderhautmelanoms darstellt, die für Patienten sicher, effektiv und
komfortabel ist. Zudem sind die Kosten
bei dieser ambulanten Behandlung meist
weitaus geringer als bei einem stationären
Aufenthalt im Krankenhaus. Voraussetzung dafür ist die Behandlungsplanung
und -durchführung durch ein erfahrenes,
interdisziplinäres Team aus Augenärzten,
Strahlenonkologen und -chirurgen sowie
Radiologen.
Quelle:
Europäisches Cyberknife Zentrum,
München-Großhadern
http://www.cyber-knife.net
http://augenkl.klinikum.uni-muenchen.de
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