NR. 7 FEBRUAR 2024
Einleitung
Europas Häfen und der
internationale Kokainhandel
Weshalb Verbrechensbekämpfung auch der Resilienz von Logistikplattformen bedarf
Günther Maihold
Das Schlagwort »Kokainschwemme« macht derzeit die Runde, es beschreibt den gestiegenen Zufuhrdruck der Droge in Richtung Europa. Dabei betreiben Gruppen der
organisierten Rauschgiftkriminalität den Einfuhrschmuggel von Kokain meist über
europäische Containerhäfen, in deren Logistikbereichen sie über Kontaktpersonen
verfügen. Die EU-Kommission hat nun eine »Europäische Hafenallianz« angestoßen,
um verstärkt die europäischen Seehäfen als Einfallstore für Drogen in den Blick zu
nehmen. Die Methoden im Kampf gegen den Kokainschmuggel sollen harmonisiert
werden, damit sich der Unterwanderung dieser Drehkreuze durch kriminelle Gruppen effektiv begegnen lässt. Doch erschweren dynamische Täterstrukturen und
Deliktsphänomene den gewünschten Durchgriff von Polizei und Zoll. Unabdingbar
sind Kooperationen mit den Ausgangshäfen und entlang der gesamten Lieferkette
von Drogen.
Immer wieder erreichen Meldungen die
Öffentlichkeit, wonach Kokain aus Südamerika in spektakulären Mengen sichergestellt wurde. Im Jahr 2023 belief sich das
entsprechende Gesamtvolumen im belgischen Hafen Antwerpen auf 116 Tonnen,
in Rotterdam auf 59 und in Deutschland,
schwerpunktmäßig in Hamburg, auf
35 Tonnen, überall mit dynamisch wachsender Tendenz. EU-Kommissar Margaritis
Schinas warnte im Oktober, als er die EURoadmap zur Bekämpfung von Drogenhandel und organisierter Kriminalität vorstellte: »Europa hat inzwischen die USA als
größten Kokainmarkt der Welt abgelöst
und entwickelt sich rasch zu einer globalen
Drehscheibe für den Drogenhandel –
eine beunruhigende Entwicklung, die wir
durch verstärkte Anstrengungen umkehren
müssen.«
Im Januar 2022 wurden bei einem aufsehenerregenden Fund im Hamburger
Hafen knapp 900 Kilogramm Kokain beschlagnahmt. Die Drogen fanden sich in
einem Container, der Eisengranulat geladen
und Deutschland aus dem brasilianischen
Hafen Santos erreicht hatte. Zunehmend
werden Nordseehäfen wie Rotterdam, Antwerpen oder Hamburg als Anlaufpunkte
des Schmuggels genutzt. Sie haben Städte
in Spanien (Valencia, Algeciras), Portugal
(Setúbal) und Süditalien (Gioia Tauro) als
wichtigste Import-Drehscheiben für Kokain
abgelöst, das nach Westeuropa befördert
wird. Aber auch der griechische Hafen
Piräus gilt heute als einer von Europas zentralen Einfuhr- bzw. Transitpunkten für
Kokain. Hier zeigt sich ein Zusammenhang
zwischen dem raschen Wachstum des Containerumschlags und der Rate an Sicherstellungen von Kokain, wie er ebenso für
andere europäische Häfen nachgewiesen
wurde. Dabei nutzen kriminelle Netzwerke
unterschiedliche sozio-politische Kontexte,
die auch beeinflussen, mit welchem Erfolg
oder Misserfolg sich die Drogenkriminalität
entlang der gesamten Lieferkette bekämpfen lässt.
Neue politische Initiativen
Im Januar 2024 hat die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson eine »Europäische
Hafenallianz« auf den Weg gebracht. Ziel
ist dabei, in den Hafenstrukturen die
expandierende Drogenökonomie zurückzudrängen, die Johansson als »Hochrisiko«
für die legalen Handelsströme betrachtet.
Die Initiative ist Teil der von der Kommission vorgelegten Legislativvorschläge, mit
denen die EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung krimineller Netze gestärkt werden sollen. Es geht hier um die Richtlinie
über die Abschöpfung und Einziehung von
Vermögenswerten, die Richtlinie zur Erleichterung von Finanzermittlungen sowie
ein Paket an Regelwerken und Initiativen,
mit dem die EU-Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche gestärkt werden
sollen. Zudem hat die Kommission die Zollunion dahingehend verändert, dass Zollund Strafverfolgungsbehörden besser miteinander kooperieren können und der
Zoll deutlich besser in der Lage ist, die Einfuhr unsicherer oder illegaler Waren in die
EU zu verhindern.
Die Europäische Hafenallianz zielt darauf ab, den Austausch von Informationen
und erprobten Vorgehensweisen zu verstärken, gleichzeitig die Drogenströme zu
erfassen und kriminelle Banden zu zerschlagen. Eine besondere Herausforderung
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liegt darin, dass solche Gruppierungen sehr
anpassungsfähig sind. Wird der Überwachungsdruck zu groß, sind sie etwa in der
Lage, aus Lateinamerika eintreffende Container mit Schmuggelgut über kleinere
Häfen umzuleiten. Die Kommission will
nun die »Infiltration« von Häfen durch
kriminelle Banden verhindern. Es kommt
der EU darauf an, »die Widerstandsfähigkeit der logistischen Knotenpunkte zu stärken […], da Kriminelle ständig auf der
Suche nach dem schwächsten Glied sind«.
Auch die belgische EU-Ratspräsidentschaft
hat sich die Hafensicherheit als vordringliches Thema auf die Fahne geschrieben, da
gerade Antwerpen zu einem zentralen Einfallstor für Kokainlieferungen geworden ist.
Die Hafenallianz baut auf kleinformatigeren Vereinbarungen auf. So haben die
Regierungen Belgiens und der Niederlande
im Februar 2023 gemeinsam mit den Bürgermeistern von Antwerpen und Rotterdam
sowie fünf Reedereien (MSC, Maersk, CMA
CGM, Hapag-Lloyd und Seatrade) ein Abkommen zur Bekämpfung des Drogenhandels unterzeichnet. Die Bürgermeister
Rotterdams und Antwerpens haben zudem
mit ihrem Amtskollegen aus Hamburg
eine gemeinsame Initiative ergriffen. Ende
Januar 2024 reisten sie – als Oberhäupter
der drei wichtigsten Hafenstädte Europas –
gemeinsam nach Kolumbien, um dort die
Kooperation mit Behörden und Hafenbetreibern aus der Region zu vertiefen.
Ende Februar flog Bundesinnenministerin Nancy Faeser in ähnlicher Mission nach
Südamerika, um Gespräche vor allem in
Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Peru zu
führen. Am 7. Mai steht eine Konferenz in
Hamburg an, auf der konkrete Schritte beraten werden sollen, »mit denen wir unsere
Häfen besser schützen«. Das Treffen bringt
die sechs europäischen Staaten Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien
und Deutschland (verbunden in der »Coalition of European Countries against Serious
and Organised Crime«) auf Ministerebene
mit Vertretern lateinamerikanischer Länder zusammen und soll zu gemeinsamem
Handeln führen. Für die Bundesinnenministerin ist dabei vor allem der Hambur-
Graphik
ger Hafen von Interesse. In der Hansestadt
wurde im vergangenen Jahr eine »Allianz
Sicherer Hafen Hamburg« gegründet, in
deren Rahmen ein gemeinsames Sicherheitszentrum der zuständigen Behörden
entstehen soll.
Zentrales Augenmerk gilt dabei dem
Containerverkehr, auch wenn hier im weltweiten Ranking europäische Häfen nach
Zahlen von 2023 nicht auf den vorderen
Plätzen rangieren. Die neun größten Containerhäfen der Welt liegen allesamt in
Asien, auf den Plätzen 10, 14 und 21 finden
sich Rotterdam, Antwerpen und Hamburg.
Insgesamt deutet sich beim Containerumschlag und der Zahl der Schiffsanläufe
seit dem dritten Quartal 2023 eine Erholung für europäische Häfen an. Nach den
Einbrüchen, die sie im Gefolge der Wirtschaftssanktionen gegen Russland erlebt
haben, könnten sie sich damit wieder größere Marktanteile sichern.
Der Hamburger Hafen im weltweiten Drogenhandel
Für große Kokainlieferungen aus lateinamerikanischen Ländern ist Hamburg ein
zentraler Zielhafen. Befürchtet wird, dass es
auch dort zwischen einzelnen Drogennetzwerken zu gewaltsamen Revier- und Verteilungskämpfen kommen wird, wie sie vor
allem in den Niederlanden schon seit Jahren auftreten. Bei den Hamburger Behörden gibt es die begründete Annahme, dass
die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen im
Rotterdamer Hafen zu einem Verlagerungseffekt führen. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass es sich in Hamburg um einen
»integrierten Hafen« handelt, der eng mit
lokalen Produktionssystemen und -infrastrukturen verknüpft ist. Maßnahmen der
Hafensicherheit lassen sich damit kaum
vom Wirtschaftsschutz etwa an dem Standort Billbrook/Rothenburgsort trennen, der
sich als größtes zusammenhängendes
Industriegebiet Norddeutschlands außerhalb des Hamburger Hafens konsolidiert
hat.
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Polizei und Zoll stehen damit vor besonderen Anforderungen, wenn es um das
Management von Hafengebieten und die
Sicherheitslage im Umland geht. Die behördliche Arbeit muss hier einen hybriden
Charakter annehmen, um den Notwendigkeiten einer vernetzten Koordination zwischen den verschiedenen Institutionen, die
an der Herstellung von Sicherheit beteiligt
sind, zu genügen. Ziel muss es sein, kritische Punkte in der Logistikkette auszumachen, aber auch Täter im Hafeninneren
stärker als Schlüsselakteure zu erkennen.
Denn sie haben Zugang zu den IT-Systemen
der Terminals und sind in der Lage, mit
Drogen bepackte Container in der Masse
tausender Ladungen zu identifizieren und
entsprechend umzuladen.
Container aus Südamerika auszusondern
und in speziellen Terminals intensiver zu
untersuchen erscheint theoretisch machbar, ist angesichts der Dichte des Ladeverkehrs aber kaum zu realisieren. Nach
Europol-Zahlen liegt die Inspektionsquote
von Containern aus Südamerika in europäischen Häfen bei 10 Prozent; weltweit
werden nicht mehr als 2 Prozent der Container durchleuchtet und überprüft. Hamburg, Bremerhaven und der Bund haben
eine »Gemeinsame Ermittlungsgruppe
Rauschgift« (GER) gegründet, um zusammen gegen Drogenschmuggel und organisierte Kriminalität auch im Stadtbremischen Überseehafengebiet vorzugehen.
Risiko- und Schwachstellenanalysen zeigen
indes, dass eine höhere Prüfquote massive
Negativfolgen für die Abwicklung des
Handelsverkehrs hätte, insbesondere bei
verderblicher Ware.
Häfen als strategische Orte für
legalen und illegalen Handel
Als Räume verdichteter Austauschbeziehungen sind Häfen im Zeichen der Globalisierung und des zeitkritischen Lieferkettenmanagements sehr empfindliche
Systeme. Eine Rolle spielen hier nicht nur
kommerzielle Interessen, sondern auch die
damit zusammenhängenden Ablaufpläne.
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An den maritimen Knotenpunkten muss
ein Kompromiss zwischen Sicherheit und
Handelsmaximen gefunden werden. Da
Häfen als globale Drehkreuze miteinander
um Anlandungen und Transporte konkurrieren, stehen in der Alltagspraxis insbesondere die Polizeibehörden vor großen
Herausforderungen. Der bloße Umfang von
90 Millionen Containern, die pro Jahr nach
Europa gelangen, macht eine Erhöhung der
Inspektionsrate schwierig. Reedereien und
Terminals sind daran interessiert, einen
schnellen Container- und Güterumschlag
sicherzustellen. Damit keine zusätzlichen
Kosten anfallen, gilt es zu vermeiden, dass
durch die Zollabwicklung längere Schiffsliegezeiten bzw. lange Lagerzeiten der Container entstehen. Deshalb wird gefordert,
technologische Fortschritte (etwa in Form
»intelligenter« Häfen) zu nutzen, private
Sicherheitsdienste einzubeziehen und
Sicherheitsverfahren zu routinisieren, damit die finanziellen Belastungen durch
Standzeiten von Containern wegen sicherheitsbedingter Überprüfungen gering bleiben. Politisch muss es also darum gehen,
einen angemessenen Ausgleich zwischen
den Bedürfnissen von Hafenbehörden
und -eigentümern sowie Reedereien einerseits und jenen von Sicherheits- und Polizeibehörden andererseits herzustellen, also
ein Governance-Arrangement zu finden,
das den unterschiedlichen Interessenlagen
zu entsprechen vermag.
Dabei ist gerade hinsichtlich des Kokainhandels zu beachten, dass der Blick auf die
komplexe Beziehung zwischen Hafen und
dazugehöriger Stadt nicht verstellt wird, indem die Perspektive einseitig auf der Hafensicherheit liegt – was auch Folgen dafür
hat, wie die Polizei ihr Vorgehen bei der
Kokainbekämpfung anlegt. Eine Rolle spielen hier nicht zuletzt die Strategien der
organisierten Kriminalität, die sich aus ihrer
Verankerung im urbanen Umfeld und
ihrem Wirken in das Hafenterritorium hinein ergeben. So hat in Belgien die Zunahme
des illegalen Handels über den Hafen Antwerpen, Europas größten Drogenumschlagplatz, eine Spirale der Gewalt zwischen
Banden ausgelöst, welche um die Kontrolle
des lukrativen Kokainmarkts im Land
kämpfen. Allerdings gilt dabei auch der
»Cockroach-Effekt«: Werden kriminelle
Gruppen oder Netzwerke intensiv überwacht, zersplittern sie und zerstreuen sich
innerhalb einzelner Länder und über Subregionen hinweg, weil die Akteure nach
Zufluchtsorten suchen, an denen sie vor
dem Zugriff staatlicher Behörden sicherer
sind.
Die vorherrschende Methode, mit der
Kokain aus dem Herkunftsland oder einem
Umschlaghafen in das Bestimmungsland
geschmuggelt wird, besteht darin, die Droge
zu einer legalen Frachtsendung – in der
Regel in Containern – beizuladen. Entdeckt wird Kokain meist in speziellen Kammern einer leeren oder vollen Fracht, als
getarnte Zuladung in Bananenkisten oder
Kaffeesäcken, versteckt in Wand, Dach oder
Rückseite von Kühlcontainern, vermischt
mit anderen Lebensmitteln oder in großen
Holztransporten. Kriminelle Organisationen
nutzen gern Lieferungen leicht verderblicher Güter wie Früchte oder Kühlware, die
auf eine schnelle Zollabfertigung angewiesen sind. Die wichtigsten Ausgangsländer
im Jahr 2020 – gemessen an den in europäischen und anderen Häfen beschlagnahmten, für Europa bestimmten Kokainmengen – waren wie schon seit einiger
Zeit Brasilien (mit rund 71 Tonnen), Ecuador (67,5 Tonnen), Kolumbien (rund 32 Tonnen) und Costa Rica (20,4 Tonnen). Aber
auch Staaten wie Paraguay und Panama gewinnen an Bedeutung.
Die in Europa ansässigen Netzwerke
organisieren den Transport von Kokain aus
Lateinamerika meist, indem sie Scheinfirmen nutzen und Schiffsbesatzungen,
Hafenarbeiter und Beamte bestechen. Ein
weiteres Mittel ist die Verwendung gestohlener Container-Referenzcodes, mit denen
sich Ladungen an andere Adressen umleiten lassen. Einige kriminelle Akteure haben
über Jahre systematisch international tätige
Speditionsunternehmen infiltriert und können sich so Logistikdaten verschaffen, die
Zugang zu wichtigen europäischen Häfen
eröffnen. Eine Rolle spielen dabei sowohl
internationale Konsortien der organisierten
Kriminalität wie auch Zellen krimineller
Gruppen aus Lateinamerika und Europa.
Dabei entstehen Konkurrenzsituationen,
die zu gewaltsamen Auseinandersetzungen
in den Hafenstädten führen. Zu berücksichtigen ist, dass internationale Netzwerke für
den Umschlag von Betäubungsmitteln auch
südeuropäische Häfen nutzen, um Drogensendungen zu verschleiern, die für das übrige Europa bestimmt sind.
Verknüpfung von Schutz- und
Präventionsmaßnahmen
Im Rahmen der Europäischen Hafenallianz
werden nun große Häfen, die eigentlich in
Konkurrenz zueinander stehen, mit einem
gemeinsamen Handlungsansatz zusammengeführt. Die Maßnahmen reichen von der
Zugangskontrolle für Hafenanlagen und
Logistikdaten über präventive Maßnahmen
gegen Einbruchsdelikte und Erpressung
sowie Sicherheitsvorkehrungen bei den
Beschäftigten bis hin zur Frachtkontrolle.
Meist sind dabei für die verschiedenen Aufgaben auch unterschiedliche Behörden,
Agenturen und Sicherheitsorgane zuständig, unter Einschluss privater Sicherheitsfirmen. Dessen ungeachtet ist bei den Betreibern angesichts einer wachsenden Inzidenz krimineller Ereignisse das Interesse
entstanden, die internationale Glaubwürdigkeit und den Ruf ihrer Häfen zu verbessern, indem Sicherheitsstandards erhöht
werden. Dies deckt sich mit dem Anliegen
der Zoll- und Strafverfolgungsbehörden, die
Bekämpfung des Drogenhandels effektiver
zu gestalten.
Digitale Lösungen sind dabei einfacher
zu bewerkstelligen, wenn Online-Daten
koordiniert werden und eine Vielzahl an
Akteuren darauf zugreifen können –
Terminalbetreiber, Reedereien und deren
Agenten, Spediteure, Zollbroker und -behörden, aus dem logistischen Bereich
zudem Lagerhäuser, Bahnbetreiber und
Flughäfen. Zu den erforderlichen Schritten
gehört etwa die technische Überwachung
der Häfen, von Terminals, Schiffen und
Containern. Ebenso gilt es Mitarbeiter der
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Hafenwirtschaft wirksam zu schützen, insbesondere vor Anwerbeversuchen durch
kriminelle Organisationen und allen daraus
resultierenden Gefahren. Gerade die Identifizierung sogenannter Innentäter bereitet
den Sicherheitsbehörden Schwierigkeiten,
weshalb hier mit anonymen Hinweisportalen ein besserer Zugang erreicht werden
soll. Auf der Gegenseite locken kriminelle
Akteure mit hohen Geldsummen, nicht
zuletzt auch für das gezielte Einschleusen
von Personen in die Hafenlogistik.
Als eine Abwehrmaßnahme ist der vermehrte Einsatz fälschungssicherer Containersiegel (»smart seals«) vorgesehen. Da
jedoch in vielen Terminals der Containerumschlag weitgehend automatisiert erfolgt,
haben die Geländesicherung durch Drohnen und Kameras sowie ein Personalaufwuchs bei Polizei und Zoll die höchste
Priorität. Seit langem wird zudem gefordert,
mehr technisches Gerät wie mobile Röntgenanlagen zur Durchleuchtung der Container bereitzustellen.
Jenseits technischer Wege besteht die
Herausforderung der Hafensicherheit darin,
eine große Zahl an relevanten Akteuren zu
integrieren. Dazu gehören neben Bundeskriminalamt und Generalzolldirektion
öffentliche und private Hafenbetreiber,
Hafenbehörden, Terminalbetreiber sowie
Schifffahrts- und Logistikunternehmen,
wie sie etwa in der »Allianz Sicherer Hafen
Hamburg« versammelt sind. Ziel einer entsprechenden lokalen Koordination soll als
Arbeitsstruktur ein Hafensicherheitszentrum sein, das gleichzeitig über verschiedene Ebenen behördlich, privatwirtschaftlich, regional, national und international
organisierte Instanzen zusammenführt.
Als drittgrößter Seehafen Europas ist
Hamburg wie die anderen großen Nordseehäfen in besonderer Weise vom internationalen Drogeneinfuhrschmuggel betroffen.
Immer wieder wird von Einbrüchen berichtet, mit denen sich Kriminelle Zugang zum
Terrain des dortigen Containerterminals
verschaffen. Sie setzen auch schweres Gerät
ein, um an bestimmte Ladungen mit Drogenware zu gelangen. Festnahmen deuten
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darauf hin, dass dahinter niederländische
Gruppen stecken.
Jenseits europäischer Häfen – die
Kooperation mit Lateinamerika
Angesichts der Initiativen auf europäischer,
nationaler und lokaler Ebene steht der
Kampf gegen den Drogeneinfuhrschmuggel derzeit ganz oben auf der politischen
Agenda. Zieht man die jährlichen Drogenberichte und die Meldungen von Strafverfolgungsbehörden heran, so fällt auf,
dass nachrichtendienstliche Maßnahmen
die häufigste Methode sind, die zur »Aufdeckung« von Kokainlieferungen führt –
und nicht stichprobenartige Kontrollen in
Häfen. Die Inspektionsrate ist zu gering, als
dass sich damit systematische Erfolge erreichen ließen. In der Öffentlichkeit ist das
Augenmerk zwar vor allem auf die Menge
der sichergestellten Drogen gerichtet. Doch
sollte das Hauptziel polizeilicher Maßnahmen gegen den Kokainhandel in Häfen
nicht allein darin bestehen, das Volumen
an verfügbaren Drogen zu reduzieren. Vielmehr gilt es auch lokal organisierte Banden
sowie deren Geldgeber und Unterstützer
zu bekämpfen, damit sich Folgen wie eine
wachsende Gewaltökonomie eindämmen
lassen. Die Frage, wer lokale Märkte und
deren kriminelle Netzwerke kontrolliert,
sollte in den Vordergrund rücken.
Dabei ist es von zentraler Bedeutung,
mit den Herkunftsländern der Drogen bzw.
solchen Ländern, die in der Lieferkette als
Verladestation dienen, zu kooperieren.
Etablierte Instrumente wie das internationale Verbindungsbeamtenwesen haben
schon bisher eine Zusammenarbeit der jeweiligen Behörden vor Ort ermöglicht. Im
Jahr 2022 waren 67 Verbindungsbeamte in
51 Staaten zur Kriminalitätsbekämpfung
eingesetzt. Einen entsprechenden Austausch gibt es etwa zwischen dem Zielland
Deutschland und dem Herkunfts- bzw.
Transitland Brasilien.
Zu den gemeinsam koordinierten Aktivitäten gehören sogenannte »kontrollierte
Lieferungen«. Kokaintransporte aus Süd-
amerika werden – sofern entdeckt –
dabei nicht einfach schon im Herkunftsland öffentlichkeitswirksam sichergestellt;
vielmehr wird durch verdeckte Maßnahmen versucht, den kompletten Lieferweg
bis zum Abnehmer in Europa aufzuhellen.
Auf diese Weise soll es möglich werden, die
gesamte Täterstruktur in beiden Ländern
nachhaltig zu zerschlagen. Im Vordergrund
steht das Ziel, Hintermänner und Abnehmer zu überführen. Man verzichtet dazu
auf eine frühzeitige Beschlagnahme der
Drogen im Ursprungsland, lässt den Transport unter ständiger Observation passieren
und wartet unter Umständen selbst am Zielort mit dem Zugriff.
Für ein solches Vorgehen spricht auch,
dass die Grenzschutzbehörden nur etwa 10
bis 12 Prozent des gesamten Kokainstroms
nach Europa abfangen können. Zwar stammen 67 Prozent des in Europa sichergestellten Kokains aus Kolumbien, 27 Prozent aus
Peru und 5 Prozent aus Bolivien. Doch ist
der brasilianische Hafen von Santos nahe
São Paulo einer der wichtigsten Umschlagplätze für Kokaintransporte auf dem Seeweg, gefolgt von Buenaventura und Cartagena in Kolumbien und Guayaquil in Ecuador. Brasilien nahm 2021 unter Hamburgs
wichtigsten Partnern im Containerhandel
den zehnten Platz ein; daher blickt man bei
den Hafenbehörden an der Elbe mit besonderer Sorge auf den eingetretenen Wandel.
Angesichts der wachsenden Rolle Brasiliens als Transitland für Kokain, das an
Ziele außerhalb Lateinamerikas verschifft
wird, haben sich die Behörden des Landes
bemüht, die Kontrollen und Überwachungskapazitäten im Hafen von Santos zu verbessern. Daraufhin wurde in den Häfen der
brasilianischen Städte Recife, Natal und
Fortaleza ein Anstieg des sichergestellten
Kokains festgestellt. Das Zollsystem des
Landes gibt vor, dass Container in einem
fiskalischen Kontrollbereich (bonded terminals) für das Ausfuhrverfahren gelagert
werden. Doch nutzen Drogenorganisationen wie »First Capital Command« (Primeiro
Comando da Capital, PCC) gerade die 45
privat geführten Exportlager, um Zugriff
auf Container zu erhalten. Mit ihren Ausläufern in Europa gelingt es dieser kriminellen Gruppierung, die gesamte Lieferkette
zu kontrollieren. Infolgedessen hat die Reederei MSC beschlossen, für den Export aus
Brasilien das Platzieren und Stapeln von
Containern auf der Straße, der Schiene und
in der Binnenschifffahrt auf unbestimmte
Zeit auszusetzen. Damit sollen Reputationsschäden für das Unternehmen abgewendet
werden. Vergleichbare Situationen lassen
sich auch in anderen Häfen Lateinamerikas
beobachten.
Ein »Frontex für Containerfracht«
Es müssen also Maßnahmen einer effektiven Hafen-Governance entwickelt werden,
die dabei helfen, zwischen Europa und
Lateinamerika den Zugang zu vernetzten
Handelsplattformen in den Häfen abzusichern und die lokale Logistik zu überwachen. Hier könnte eine Art »Frontex für
Containerfracht« hilfreich sein, das an die
grenzüberschreitende Dimension von
Häfen anknüpft und nationale Einrichtungen mit der Beobachtung von Lieferungen,
mit gemeinsamen Datenbanken und Ermittlungen unterstützt. Erfolgen könnte
dies jenseits der bisherigen fallbezogenen
Zusammenarbeit im Rahmen von EMPACT,
der multidisziplinären europäischen Plattform zur Bekämpfung krimineller Bedrohungen. Sie befasst sich mit den gravierendsten Gefährdungen, denen sich die EU
durch organisierte und schwere Kriminalität internationalen Maßstabs gegenübersieht. EMPACT stärkt die nachrichtendienstliche, strategische und operative Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden,
EU-Organen und -Einrichtungen sowie
internationalen Partnern. Hier könnten
Ansatzpunkte für ein integrales Format gefunden werden, um die Resilienz von
Logistikplattformen wie Häfen bei der
Bekämpfung schwerer organisierter Kriminalität zu fördern.
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qualitaetssicherung/
Hafensicherheit kann sich nicht allein
auf den Ursprungs- oder den Bestimmungsort von Containern beziehen. Denn Drogen
werden zu verschiedenen Zeitpunkten der
Seereise in die Ladung gepackt, etwa in
der Nähe des Ausgangshafens, bei einem
Zwischenstopp oder auf hoher See. Es gilt
also die gesamte Logistikkette im Auge zu
behalten, ebenso die kriminellen Strukturen an den genannten Orten zu erhellen
und aufzulösen. Dies bedeutet auch, Verbindungsbeamte hafennah einzusetzen
sowie Polizei- und Zollarbeit zusammenzuführen. Jenseits des üblichen behördlichen
Informationsaustausches geht es hier um
eine Kooperation im operativen Bereich, bei
der nicht nur Sicherheitsorgane, sondern
auch eine Vielzahl hafenbezogener Dienstleister in die Pflicht zu nehmen sind. Erforderlich ist zudem, auf politischem Feld
die Autoritäten verschiedener Regierungsebenen in Lateinamerika anzusprechen
und damit ein Netz gegenseitigen Vertrauens zu stiften, das für eine effektive
Bekämpfung krimineller Strukturen unersetzlich ist.
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ISSN (Online) 2747-5018
DOI: 10.18449/2024A07
Prof. Dr. Günther Maihold ist Non-Resident Senior Fellow der SWP.
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