Nach dem Uberblick uber Grundbestimmungen der »Rechtslehre« gilt es nun an das vom Kategorischen ... more Nach dem Uberblick uber Grundbestimmungen der »Rechtslehre« gilt es nun an das vom Kategorischen Imperativ abhangige »Gesamtbild« der Moralphilosophie wieder anzuknupfen und die »Tugendlehre« naher in den Blick zu nehmen. Ich habe in Kapitel 4 zu zeigen versucht, dass der Kategorische Imperativ als das Moralprinzip im Verstandnis Kants ein »ethischer« Imperativ ist. »Ethik« hat dabei eine engere Bedeutung als im uns heute gelaufigen Verstandnis, in dem wir mit »Ethik« zumeist »Moraltheorie« oder »Moralphilosophie« bezeichnen.1 Auch Kant ist diese weitere Bedeutung vertraut.2 Zu Beginn der Tugendlehre macht er aber darauf aufmerksam, dass sich inzwischen eine engere Bedeutung eingeburgert habe, nach der »Ethik« nur fur einen Teil der Moralphilosophie stehe, namlich die »Tugendlehre«, und dass er sich diesem Sprachgebrauch anschliest.3 In der »Einleitung in die Metaphysik der Sitten« hat Kant ausgefuhrt: Eine Gesetzgebung, »welche eine Handlung zur Pflicht, und diese Pflicht zugleich zur Triebfeder macht, ist ethisch. Diejenige aber, welche das letztere nicht im Gesetze mit einschliest, mithin auch eine andere Triebfeder, als die Idee der Pflicht selbst, zulast, ist juridisch.«4 Der Kategorische Imperativ ist schon deshalb ein »ethischer« Imperativ, weil er nicht nur bestimmte ausere Handlungen vorschreibt, sondern auch fordert, das moralisch Richtige deshalb zu tun, weil es das moralisch Richtige ist.
Wir sind es heute gewohnt, wie beispielsweise die Rede von »Recht und Moral« zeigt, das »Recht« a... more Wir sind es heute gewohnt, wie beispielsweise die Rede von »Recht und Moral« zeigt, das »Recht« als eine eigenstandige Sphare zu behandeln, die von der Sphare der Moral mehr oder weniger unabhangig ist. Die Eigenstandigkeit der Spharen schliest nicht aus, dass man die Spharen aufeinander zu beziehen sucht und etwa die Ruckbindung des Rechts an moralische Grundsatze fordert oder unter Verweis auf ihre Ordnungsleistung die moralische Relevanz einer bestehenden Rechtsordnung geltend macht. Die moglichen Beziehungen zwischen Recht und Moral, fur wie wichtig man sie auch halten mag, werden aber fur die jeweiligen Spharen nicht als konstitutiv erachtet. Zugespitzt formuliert: Recht kann unabhangig von der Moral sein, und die Moral bedarf ihrerseits auch nicht des Rechts. Dabei wird die Eigenstandigkeit des »Rechts« gegenuber der »Moral« etwa unter dem Gesichtspunkt einer positiv verstandenen »Entmoralisierung des Rechts« vielfach als Errungenschaft gesehen, und als ein masgeblicher Wegbereiter dieser Errungenschaft wird oftmals Kant mit seiner Unterscheidung zwischen Rechts- und Tugendlehre ausfuhrt.
Technische und pragmatische Normen sind Kant zufolge hypothetische Imperative (im strengen oder w... more Technische und pragmatische Normen sind Kant zufolge hypothetische Imperative (im strengen oder weiteren Sinne): zumindest tendenziell besagen sie die praktische Notwendigkeit von etwas, insofern oder weil man etwas anderes will.1 Die Frage ist nun, ob alles Sollen in dieser Weise durch ein Wollen bedingt ist und es entsprechend nur bedingte praktische Notwendigkeit und somit nur relativ Gutes gibt. Im Falle einer positiven Antwort gabe es keine eigenstandige Sphare moralischen Sollens, sondern die Moral liese sich auf Klugheit reduzieren. Wie lasst sich aber die Frage beantworten, ob alle praktische Notwendigkeit nur bedingte praktische Notwendigkeit ist bzw. ob alles Sollen in bedingtem Sollen aufgeht oder nicht? Man konnte versuchen, in direkter Weise auf bestimmte Inhalte von Normen zu verweisen, die dem Anschein nach nicht Vorschriften der Klugheit darstellen, sagen wir, anderen zu helfen oder nicht zu lugen oder zu betrugen. Es ist aber leicht zu sehen, dass alle solche Normen durchaus Klugheitsvorschriften darstellen konnen. Denn wir konnen uns von ihrer Befolgung positive Folgen fur uns erwarten, die bestimmte Einschrankungen aufzuwiegen vermogen. Die Normen konnen sich sozialen Regelungen verdanken, die mit formellen oder informellen Sanktionen verbunden sind, die einen motivieren, den Normen nicht zuwiderzuhandeln. Man mag sie als Gebote einer Gottheit verstehen, vor der man sich furchtet oder auf deren Belohnung man im Falle von Wohlverhalten hofft, oder man mag im Wege der Erziehung eine innere Zensur ausgebildet haben, die es einem zumindest erschwert, die Normen zu ubertreten.
Kant unterscheidet, wie gezeigt, zwischen inneren und auseren Rechten. Die inneren Rechte besagen... more Kant unterscheidet, wie gezeigt, zwischen inneren und auseren Rechten. Die inneren Rechte besagen einen Anspruch auf einen gleichen maximalen Spielraum der Ausubung auserer Handlungsfreiheit, dessen Wahrung sich alle Handlungsfahigen wechselseitig personlich schulden und erforderlichenfalls zu erzwingen befugt sind. Diese Rechte stehen im Prinzip fest und sind insofern statisch. Dies schliest freilich nicht schon aus, dass sich unter bestimmten Umstanden eine besondere Dringlichkeit einzelner Rechte ergeben kann und dass Lernfortschritte moglich sind, wenn es die Frage zu beantworten gilt, in welchen Einzelrechten das innere Recht besteht. Das rechtliche Postulat zeigt aber auch, dass das angeborene innere Recht Rechte enthalt, unter bestimmten Voraussetzungen Anspruche auf ausere Gegenstande zu erwerben, und folglich die Befugnis einschliest, das innere Recht um ausere Rechtsanspruche dynamisch zu erweitern. Kant verfolgt die verschiedenen Arten von auseren Rechtsanspruchen sowie die Moglichkeiten oder (im Falle des dinglich-personlichen Rechts) Notwendigkeiten ihres Zustandekommens zunachst im »Naturzustand«, d. h. unabhangig von jeder staatlichen Ordnung. »Naturzustand« meint dabei nicht eine geschichtlich-faktische Situation, sondern eine normativ relevante Idee. Diese Idee erlaubt es einerseits, die grundsatzlichen rechtlichen Moglichkeiten und Befugnisse der Personen zu erkennen.
Nach dem Uberblick uber Grundbestimmungen der »Rechtslehre« gilt es nun an das vom Kategorischen ... more Nach dem Uberblick uber Grundbestimmungen der »Rechtslehre« gilt es nun an das vom Kategorischen Imperativ abhangige »Gesamtbild« der Moralphilosophie wieder anzuknupfen und die »Tugendlehre« naher in den Blick zu nehmen. Ich habe in Kapitel 4 zu zeigen versucht, dass der Kategorische Imperativ als das Moralprinzip im Verstandnis Kants ein »ethischer« Imperativ ist. »Ethik« hat dabei eine engere Bedeutung als im uns heute gelaufigen Verstandnis, in dem wir mit »Ethik« zumeist »Moraltheorie« oder »Moralphilosophie« bezeichnen.1 Auch Kant ist diese weitere Bedeutung vertraut.2 Zu Beginn der Tugendlehre macht er aber darauf aufmerksam, dass sich inzwischen eine engere Bedeutung eingeburgert habe, nach der »Ethik« nur fur einen Teil der Moralphilosophie stehe, namlich die »Tugendlehre«, und dass er sich diesem Sprachgebrauch anschliest.3 In der »Einleitung in die Metaphysik der Sitten« hat Kant ausgefuhrt: Eine Gesetzgebung, »welche eine Handlung zur Pflicht, und diese Pflicht zugleich zur Triebfeder macht, ist ethisch. Diejenige aber, welche das letztere nicht im Gesetze mit einschliest, mithin auch eine andere Triebfeder, als die Idee der Pflicht selbst, zulast, ist juridisch.«4 Der Kategorische Imperativ ist schon deshalb ein »ethischer« Imperativ, weil er nicht nur bestimmte ausere Handlungen vorschreibt, sondern auch fordert, das moralisch Richtige deshalb zu tun, weil es das moralisch Richtige ist.
Wir sind es heute gewohnt, wie beispielsweise die Rede von »Recht und Moral« zeigt, das »Recht« a... more Wir sind es heute gewohnt, wie beispielsweise die Rede von »Recht und Moral« zeigt, das »Recht« als eine eigenstandige Sphare zu behandeln, die von der Sphare der Moral mehr oder weniger unabhangig ist. Die Eigenstandigkeit der Spharen schliest nicht aus, dass man die Spharen aufeinander zu beziehen sucht und etwa die Ruckbindung des Rechts an moralische Grundsatze fordert oder unter Verweis auf ihre Ordnungsleistung die moralische Relevanz einer bestehenden Rechtsordnung geltend macht. Die moglichen Beziehungen zwischen Recht und Moral, fur wie wichtig man sie auch halten mag, werden aber fur die jeweiligen Spharen nicht als konstitutiv erachtet. Zugespitzt formuliert: Recht kann unabhangig von der Moral sein, und die Moral bedarf ihrerseits auch nicht des Rechts. Dabei wird die Eigenstandigkeit des »Rechts« gegenuber der »Moral« etwa unter dem Gesichtspunkt einer positiv verstandenen »Entmoralisierung des Rechts« vielfach als Errungenschaft gesehen, und als ein masgeblicher Wegbereiter dieser Errungenschaft wird oftmals Kant mit seiner Unterscheidung zwischen Rechts- und Tugendlehre ausfuhrt.
Technische und pragmatische Normen sind Kant zufolge hypothetische Imperative (im strengen oder w... more Technische und pragmatische Normen sind Kant zufolge hypothetische Imperative (im strengen oder weiteren Sinne): zumindest tendenziell besagen sie die praktische Notwendigkeit von etwas, insofern oder weil man etwas anderes will.1 Die Frage ist nun, ob alles Sollen in dieser Weise durch ein Wollen bedingt ist und es entsprechend nur bedingte praktische Notwendigkeit und somit nur relativ Gutes gibt. Im Falle einer positiven Antwort gabe es keine eigenstandige Sphare moralischen Sollens, sondern die Moral liese sich auf Klugheit reduzieren. Wie lasst sich aber die Frage beantworten, ob alle praktische Notwendigkeit nur bedingte praktische Notwendigkeit ist bzw. ob alles Sollen in bedingtem Sollen aufgeht oder nicht? Man konnte versuchen, in direkter Weise auf bestimmte Inhalte von Normen zu verweisen, die dem Anschein nach nicht Vorschriften der Klugheit darstellen, sagen wir, anderen zu helfen oder nicht zu lugen oder zu betrugen. Es ist aber leicht zu sehen, dass alle solche Normen durchaus Klugheitsvorschriften darstellen konnen. Denn wir konnen uns von ihrer Befolgung positive Folgen fur uns erwarten, die bestimmte Einschrankungen aufzuwiegen vermogen. Die Normen konnen sich sozialen Regelungen verdanken, die mit formellen oder informellen Sanktionen verbunden sind, die einen motivieren, den Normen nicht zuwiderzuhandeln. Man mag sie als Gebote einer Gottheit verstehen, vor der man sich furchtet oder auf deren Belohnung man im Falle von Wohlverhalten hofft, oder man mag im Wege der Erziehung eine innere Zensur ausgebildet haben, die es einem zumindest erschwert, die Normen zu ubertreten.
Kant unterscheidet, wie gezeigt, zwischen inneren und auseren Rechten. Die inneren Rechte besagen... more Kant unterscheidet, wie gezeigt, zwischen inneren und auseren Rechten. Die inneren Rechte besagen einen Anspruch auf einen gleichen maximalen Spielraum der Ausubung auserer Handlungsfreiheit, dessen Wahrung sich alle Handlungsfahigen wechselseitig personlich schulden und erforderlichenfalls zu erzwingen befugt sind. Diese Rechte stehen im Prinzip fest und sind insofern statisch. Dies schliest freilich nicht schon aus, dass sich unter bestimmten Umstanden eine besondere Dringlichkeit einzelner Rechte ergeben kann und dass Lernfortschritte moglich sind, wenn es die Frage zu beantworten gilt, in welchen Einzelrechten das innere Recht besteht. Das rechtliche Postulat zeigt aber auch, dass das angeborene innere Recht Rechte enthalt, unter bestimmten Voraussetzungen Anspruche auf ausere Gegenstande zu erwerben, und folglich die Befugnis einschliest, das innere Recht um ausere Rechtsanspruche dynamisch zu erweitern. Kant verfolgt die verschiedenen Arten von auseren Rechtsanspruchen sowie die Moglichkeiten oder (im Falle des dinglich-personlichen Rechts) Notwendigkeiten ihres Zustandekommens zunachst im »Naturzustand«, d. h. unabhangig von jeder staatlichen Ordnung. »Naturzustand« meint dabei nicht eine geschichtlich-faktische Situation, sondern eine normativ relevante Idee. Diese Idee erlaubt es einerseits, die grundsatzlichen rechtlichen Moglichkeiten und Befugnisse der Personen zu erkennen.
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