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Stand der Technik
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Die vorliegende Erfindung betrifft eine Federgabelanordnung sowie ein Verfahren zur Einstellung eines Parameters einer Federgabel eines Zweirades. Insbesondere betrifft die vorliegende Erfindung eine komfortabel und weitestgehend automatisierbare Erkennung eines Optimierungspotenzials sowie dessen Umsetzung.
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Zur Erhöhung des Fahrkomforts sowie der Fahrsicherheit ("Fahrleistung") werden Zweiräder häufig mit sogenannten Federgabeln ausgestattet. Diese bieten eine voreinstellbare Federsteifigkeit und mitunter auch eine voreinstellbare Dämpfungscharakteristik. Je nach Gewicht des Anwenders, den gewünschten Charakteristiken und dem zu fahrenden Streckenprofil ergeben sich an die Federgabel unterschiedliche Anforderungen, welche der Anwender meist experimentell ermitteln muss. Nachfolgend wird am Beispiel des Federweges ein Beispiel für einen solchen Justagevorgang beschrieben. In einem ersten Schritt wird ein Kabelbinder am unteren Ende der Standrohre der Federgabel angebracht. Anschließend wird das Zweirad an eine Wand gestellt und der Anwender setzt sich auf den Sattel. Im Ansprechen darauf tauchen die Standrohre ein und der Kabelbinder schiebt sich an eine durch die Federsteifigkeit und das Gewicht des Anwenders definierte Position. Der Negativ-Federweg ist nun der Abstand zwischen dem Kabelbinder und dem Ende des Standrohres beziehungsweise der Dichtung. Der Negativ-Federweg sollte bei auf Touren justierten vollständig federnd gelagerten Zweirädern (englisch "Full Suspension Bike") zwischen 16 und 25 Prozent des Gesamtfederweges betragen. Bei Enduro- und Freerider-Bikes liegt der Negativ-Federweg zwischen 30 und 35 Prozent.
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Auch die Einstellung der Dämpfung ("Zugstufe") stelle eine Möglichkeit zur Optimierung der Eigenschaften einer Federgabel dar. Durch die Anpassung der Dämpfung an das Streckenprofil kann insbesondere die Fahrsicherheit und ein möglichst vollständiger Kontakt der Räder zum Boden hergestellt werden. Ist die Zugstufe ausgeschaltet (vollständig aufgedreht), federt die Federgabel schnell aus und würde im Gelände unkontrolliert springen. Ist die Zugstufe hingegen zu langsam eingestellt (vollständig zugedreht), federt die Federgabel zu langsam aus und kann bei Schlägen bei der Fahrt durchs Gelände nicht reagieren. Um die entsprechende Geschwindigkeit einzustellen, wird die Zugstufe zunächst ganz zugedreht. Die Richtung ist in der Regel mit einem Symbol gekennzeichnet. Anschließend wird die Federgabel zusammengedrückt und anschließend losgelassen. Die Federgabel sollte nun langsam aus dem eingefederten Zustand in ihre Ausgangsstellung zurückkehren. Dieser Vorgang wird so oft wiederholt, bis die richtige Einstellung der Zugstufe gefunden ist. Bei jeder Wiederholung wird die Zugstufe um eine Rasterstellung weiter geöffnet. Die Ausfedergeschwindigkeit sollte dabei so groß sein, dass das Vorderrad beinahe vom Boden abhebt. Die Ausfedergeschwindigkeit kann auch durch den sogenannten Bordsteintest geprüft werden. Dabei setzt sich der Anwender auf das Fahrrad und fährt einen Bordstein herunter. Dabei sollte die Federgabel nicht mehrmals nachfedern.
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Die vorstehend beschriebenen Verfahren erfordern für adäquate Einstellungen erhebliche Erfahrung des Anwenders. Zudem sind die mitunter iterativen Vorgänge zeitaufwendig. Es ist daher eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, die vorstehend genannten Nachteile auszuräumen.
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Offenbarung der Erfindung
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Die vorstehend genannte Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren zur Einstellung eines Betriebsparameters bzw. allgemein Parameters einer Federgabel eines Zweirades sowie durch eine entsprechende Federgabelanordnung gelöst. Hierbei wird die Federgabel zunächst aus ihrer Ruhestellung ausgelenkt und anschließend aus der ausgelenkten Position in ihre Ruhestellung gebracht. Mittels eines Beschleunigungssensors wird ein während des Auslenkens und/oder während des Rückstellens erzeugtes Signal ausgewertet. Der Beschleunigungssensor beziehungsweise sein Signal wird erfindungsgemäß hinsichtlich einer Neigung bezüglich der Erdbeschleunigung ausgewertet, welche sich aufgrund der durch die Federgabel und den Rahmen des Zweirades definierte Kinematik ergibt. In Abhängigkeit des Signals des Beschleunigungssensors kann in einem weiteren Schritt ein optimierter Wert für den Betriebsparameter der Federgabel ermittelt werden. Beispielsweise anhand von rechentechnisch verfügbaren Informationen über die vorgenannte Kinematik kann eine Lageänderung des Beschleunigungssensors Rückschlüsse über den Federweg / die Federsteifigkeit und insbesondere aus dem Zeitverlauf der Lageänderung auf eine aktuell eingestellte Dämpfung der Federgabel geschlossen werden. Anhand von abgespeicherten Referenzwerten für ideale Verläufe der Lageänderung des Beschleunigungssensors kann in Abhängigkeit der Auslenkung / des Rückstellens der Federgabel automatisiert eine zielführende Optimierung des Wertes für den oder die Parameter der Federgabel gefunden werden. Dies spart Zeit und unterstützt auch bislang unerfahrene Anwendung bei der Findung optimaler Werte.
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Die Unteransprüche zeigen bevorzugte Weiterbildungen der Erfindung.
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Eine Möglichkeit zur Ermittlung des optimierten Wertes für den Betriebsparameter der Federgabel besteht darin, einen Rechner mit der automatischen Ermittlung des optimierten Wertes zu beauftragen. Hierzu kann der Rechner (z. B. innerhalb einer Mensch-Maschine-Schnittstelle, MMS, englisch: Human-Maschine-Interface, HMI) zunächst in einen speziellen Einstellmodus versetzt werden. Als nächstes drückt der Anwender oder ein Servicetechniker die Federgabel zusammen und lässt sie anschließend ausschwingen. Dies kann in einem unbeladenen Zustand des Zweirades oder mit aufsitzendem Fahrer erfolgen. Beim Ausschwingen misst die Elektronik die Beschleunigung mittels des Beschleunigungssensors und bestimmt so die Geschwindigkeit, mit welcher die Federgabel ausschwingt. Alternativ kann auch die Lageänderung über der Zeit entsprechend ausgewertet werden. Aus der Abweichung zwischen den ermittelten Werten und vordefinierten optimierten Werten, welche beispielsweise in einer Speichereinheit abgelegt sind, kann eine Maßnahme zur Optimierung der Federgabelparameter errechnet werden. Auf diese Weise wird eine rasche, komfortable und exakte Optimierung der Federgabel ermöglicht.
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Beispiele für die Betriebsparameter der Federgabel sind der Federweg, die Federsteifigkeit, die Dämpfung (welche auch als "Zugstufe" bezeichnet wird) und der Luftdruck innerhalb der Federgabel. Die vorgenannten Betriebsparameter können einzeln oder in einer beliebigen Kombination durch das erfindungsgemäße Verfahren optimiert werden. Während im Stand der Technik unterschiedliche Versuche für die Optimierung der einzelnen Parameter durchgeführt werden, kann die sensorische/analytische Verfahrensweise gemäß der vorliegenden Erfindung anhand eines einzigen Auslenk- und/oder Rückstellvorgangs die erforderlichen Erkenntnisse sammeln und ausgeben.
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Bevorzugt kann der erfindungsgemäß vorgeschlagene Vorgang automatisch angestoßen werden. Hierzu kann ein vordefiniertes Auslenken und/oder Rückstellen automatisch erkannt werden. Dies kann beispielsweise während eines Betriebes des Zweirades ("Ausfahrt") erfolgen. Besonders geeignet sind die Signale des Beschleunigungssensors selbst, welche hinsichtlich vordefinierter Charakteristika (Hub der Lageänderung, Zeitverhalten der Lageänderung o. ä.) bewertet werden können. Sofern die untersuchten Signale sich als für die Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeignet herausstellen, kann in Reaktion darauf ein optimierter Wert für den gesuchten Parameter beziehungsweise die gesuchten Parameter automatisch ermittelt werden. Eine separate Initialisierung des erfindungsgemäßen Verfahrens durch einen Anwender ist somit nicht notwendig. Insbesondere kann auch während des Betriebs des Zweirades eine (insbesondere iterative) Optimierung der Federgabelfunktion unterstützt werden. Sofern Aktuatoren vorgesehen sind, mittels welchen die Einstellungen (teilweise) automatisch erfolgen können, kann bereits während der Fahrt eine Optimierung der Federgabelfunktion erfolgen. Insbesondere kann auf aus unterschiedlichen Gründen veränderte Parameter reagiert werden.
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Der Beschleunigungssensor kann in einem Testgerät enthalten sein, welches temporär zu Testzwecken mit dem Zweirad verbunden wird. Ein solcher Vorgang kann beispielsweise im Rahmen von Reparatur-/Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Alternativ oder zusätzlich kann auch ein permanent mit dem Zweirad verbundener Beschleunigungssensor verwendet werden, welcher beispielsweise zur Kalibrierung einer elektrischen Unterstützungsleistung in vielen elektrisch (hilfsweise) antreibbaren Fahrrädern enthalten ist. Je nach Ausgestaltung kann auch eine korrespondierende Auswerteeinheit in dem externen Testgerät angeordnet sein, welches optional über eine Anzeigeeinheit zur Anzeige der optimierten Werte verfügt. Alternativ oder zusätzlich können die optimierten Werte drahtlos an eine externe Anzeigeeinheit gesendet oder an eine Stelleinheit am Zweirad gesendet werden. Auch diese Stelleinheit kann temporär mit dem Zweirad, insbesondere mit der Federgabel verbunden sein. Alternativ kann die Stelleinheit auch während des Betriebes des Zweirades als Bestandteile desselben mitgeführt werden, um Anpassungen der Parameter auch während des Betriebs zu ermöglichen. Da die MMS moderner Zweiräder meist über eine Anzeigeeinheit verfügt, können optimierte Werte auch für den Anwender des Zweirades zur Anzeige gebracht werden. Anschließend kann der Anwender entscheiden, ob er die optimierten Werte (manuell) applizieren möchte oder ob eine Verwendung bisheriger Werte bevorzugt wird.
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Gemäß einem zweiten Aspekt der vorliegenden Erfindung wird eine Federgabelanordnung vorgeschlagen, welche sich zur Durchführung eines Verfahrens eignet, wie es oben im Detail beschrieben worden ist. Die Federgabelanordnung umfasst eine Federgabel, welche zumindest hinsichtlich eines Parameters konfigurierbar ist. Wie oben beschrieben sind ein Beschleunigungssensor und eine Auswerteinheit vorgesehen, wobei die Auswerteinheit eingerichtet ist, ein Signal des Beschleunigungssensors zu empfangen und zur Anpassung/Optimierung des Wertes für den Parameter zu verwenden. Dies erfolgt erfindungsgemäß durch ein während eines Auslenkens und/oder eines Rückstellens der Federgabel erzeugtes Signal des Beschleunigungssensors, in Abhängigkeit dessen ein optimierter Wert für den Parameter der Federgabel ermittelt wird. Auch die erfindungsgemäße Federgabelanordnung kann eingerichtet sein, die Ermittlung eines optimierten Wertes automatisch anzustoßen, indem beispielsweise gewisse Charakteristiken innerhalb des Signals des Beschleunigungssensors ausgewertet und mit vordefinierten Referenzen verglichen werden. Alternativ oder zusätzlich kann eine Zeitsteuerung dafür verwendet werden, eine in regelmäßigen Abständen angestoßene Optimierung zu ermöglichen oder selbstständig durchzuführen. Dadurch ergeben sich die Merkmale, Merkmalskombinationen und die sich aus diesen ergebenden Vorteile des oben beschriebenen Verfahrens entsprechend auch für die erfindungsgemäße Federgabelanordnung, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen wird.
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Gemäß einem dritten Aspekt der vorliegenden Erfindung wird ein Zweirad vorgeschlagen, welches eine erfindungsgemäße Federgabelanordnung gemäß dem zweitgenannten Erfindungsaspekt umfasst.
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Kurze Beschreibung der Zeichnungen
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Nachfolgend werden Ausführungsbeispiele der Erfindung unter Bezugnahme auf die begleitenden Zeichnungen im Detail beschrieben. In den Zeichnungen ist:
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1 eine schematische Ansicht eines Teils eines Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Fortbewegungsmittels in einem unbelasteten Zustand;
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2 eine schematische Ansicht eines Teils eines Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Fortbewegungsmittels in einem belasteten Zustand;
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3 Dreiweg-Zeit-Diagramme für unterschiedlich konfigurierte Federgabeln; und
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4 ein Flussdiagramm veranschaulichend Schritte eines Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Ausführungsform(en) der Erfindung
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1 zeigt ein Fahrrad 10 als Zweirad, welches über eine Federgabel 1 verfügt. Am Rahmen des Fahrrads 10 ist ein Beschleunigungssensor 2 angeordnet, welcher als dreidimensional sensibler Beschleunigungssensor (3D-Beschleunigungssensor) ausgestaltet ist. Anhand der Erdbeschleunigung g ist der Beschleunigungssensor 2 in der Lage, einer im Lenkerbereich angeordneten Auswerteinheit 3 Signale zuzuspielen, welche die Auswerteinheit 3 anhand von abgespeicherten Werten repräsentierend die Rahmengeometrie in einen Neigungswinkel α gegenüber einer Horizontalen H umrechnen kann.
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2 zeigt die in 1 dargestellte Anordnung in einem belasteten Zustand. Aufgrund einer stärker eingefederten Federgabel 1 neigt sich der Rahmen des Fahrrads 10 in Richtung der Achse des Vorderrades. Auf diese Weise verringert sich der Winkel β zwischen dem Rahmen und der Horizontalen H. Da der Beschleunigungssensor 2 fest am Rahmen des Fahrrades 10 angeordnet ist, ergibt sich eine Änderung zumindest einer Komponente seines Beschleunigungssignals, welches er aufgrund der Erdbeschleunigung g an die Auswerteinheit 3 weiterleitet. Aus dem Unterschied der Signale, welche die Auswerteinheit 3 in den unterschiedlichen Zuständen erhält, kann sie in Abhängigkeit weiterer Parameter der Federgabel deren Einfederungszustände ermitteln und bewerten. Beispielsweise kann auch das Gewicht des Anwenders zur Verfügung gestellt sein, wodurch der Hub der Federgabel in eine Federsteifigkeit umgerechnet werden kann. Im Ansprechen darauf kann ein an der Federgabel 1 angeordneter Aktuator 4 verwendet werden, um den Luftdruck innerhalb der Federgabel zu verändern und somit ihre Federsteifigkeit anzupassen.
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3 zeigt drei Teildiagramme, welche den Weg der Federgabel im Ansprechen auch eine identische Belastung über der Zeit für unterschiedliche Werte der Zugstufe darstellen. In Teildiagramm a nähert sich die Federgabel im Rahmen eines Rückstellvorgangs zu langsam einer vollständig ausgefederten Position 5, wodurch sie im Betrieb nicht schnell genug auf Schläge im Gelände reagieren könnte. Teildiagramm b zeigt eine zu gering eingestellte Dämpfung, welche sich durch ein Überschwingen während des Ausfedervorgangs über die vollständig entlastete Position 5 äußert. Im Gelände würde ein unkontrolliertes Springen der Federgabel im Ansprechen auf Unebenheiten die Folge sein, wodurch die Fahrsicherheit und das Kontrollvermögen des Zweirades beeinträchtigt würden. Teildiagramm c zeigt eine idealisierte Rückkehr der Federgabel in eine entspannte Position 5, wodurch ein gutes Reaktionsvermögen der Federgabel bei bestmöglichem Bodenkontakt erzielt wird.
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4 zeigt ein Flussdiagramm veranschaulichend Schritte eines Ausführungsbeispieles eines erfindungsgemäßen Verfahrens. In Schritt 100 wird die Federgabel aus ihrer Ruhestellung ausgelenkt und in Schritt 200 entlastet, sodass sie sich in die Ruhestellung zurückbewegt. Die Ruhestellung kann eine vollständig entlastete Position des Zweirades oder eine mit aufsitzendem Fahrer bestehende Ruhestellung sein. In Schritt 300 wird ein Signal eines Beschleunigungssensors, welcher an dem Zweirad angebracht ist, ausgewertet. Das Signal kann während des Auslenkens und/oder während des Rückstellens der Federgabel erzeugt worden sein. In Schritt 400 wird aus den Signalen des Beschleunigungssensors ermittelt, dass sie sich zur Optimierung zumindest eines Wertes für einen Betriebsparameter der Federgabel eignen. Dies kann beispielsweise durch einen Vergleich der Signale mit in einem Datenspeicher abgelegten Referenzwerten ermittelt werden. Anschließend wird in Schritt 500 ein optimierter Wert für den Betriebsparameter der Federgabel ermittelt. Dies erfolgt durch eine Differenzbildung zwischen dem entsprechenden Idealwert und aus dem aus den Signalen ermittelten Ist-Wert. Anschließend wird in Schritt 600 der rechentechnisch optimierte Wert an eine Stelleinheit umfassend einen Elektromotor gesendet, im Ansprechen worauf die Stelleinheit in Schritt 700 den ermittelten optimierten Wert automatisch einstellt. Im Ergebnis wird die erfindungsgemäße Federgabelanordnung hinsichtlich ihrer Eigenschaften während des Betriebes und ohne eine anwenderseitig erforderliche Interaktion optimiert.