verschiedene: Die Gartenlaube (1862) | |
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nach Brasilien geht, muß erst nach Rio, und von dort habt Ihr ja nachher nur eine ganz kleine Strecke nach Rio Grande hinunter, wohin Ihr augenblicklich mit Sack und Pack befördert werdet. Lieber Gott, die sind ja nur froh, wenn sie Euch dort haben, denn an ordentlichen deutschen Arbeitern fehlt es dort, und von allen Seiten werden sie auf Euch eindrücken und Euch hier und dorthin haben wollen. Nehmt nur nicht gleich das erste Beste an, sonst steht Ihr Euch selber im Licht.“
Die Ursache lag auf der Hand. Die Herren befrachteten gerade Passagierschiffe nach Rio, und alle die dummen Teufel zählten mit, die, für Rio Grande bestimmt, jetzt die Reise über Rio Janeiro machen mußten, dort ausgesetzt wurden und sich nun plötzlich in einem fremden Lande ohne Geld, ohne Freunde, ohne Jemand, der sie auch nur zur Arbeit haben wollte, dem völligen Elend preisgegeben sahen.
Wenn Ihr deshalb einen Contract von einem Auswanderungs-Agenten bekommt, Ihr Alle, die Ihr das Vaterland verlassen wollt, so seht genau nach, ob auch der richtige Hafen, in dem Ihr Euch ausschiffen wollt, darauf genannt ist, und laßt Euch mit keiner Entschuldigung oder Lüge des Agenten zufrieden stellen, vor der Hand einen anderen Hafen anzulaufen.
Man zeigt Euch vielleicht eine kleine Landkarte, auf der zwei solche Plätze scheinbar ganz nah bei einander liegen. In Wirklichkeit sind sie aber gewöhnlich noch sehr weit von einander entfernt, und wenn es auch nur eines einzigen Tages Fahrt wäre, so habt Ihr dadurch eine Masse von Kosten, und findet vielleicht nicht einmal auf Wochen eine Gelegenheit, die Euch dorthin bringen kann, wo Euer Ziel liegt.
Ein anderer wichtiger Punkt ist der: Habt Ihr einen Contract gemacht und vorgelegt bekommen, so geht, ehe Ihr, ihn selber unterschreibt, zu irgend Jemand hin, auf den Ihr glaubt, daß Ihr Euch verlassen könnt, sagt ihm vorher, was Ihr ausgemacht habt, und fragt Ihn dann, ob das auch Alles in dem Contract enthalten ist. Es giebt kleine Schleichwege, auf denen der arme Auswanderer gar nicht selten betrogen wird, und die er selber, mit allen überseeischen Verhältnissen vollkommen unbekannt, gar nicht entdecken kann, und wenn er den Contract zehnmal durchliest.
Außerdem unterzeichnet nie und unter keiner Bedingung einen Contract, der Euch, was Euch auch immer dafür versprochen werde, drüben im neuen Lande die Hände bindet und Euere freien Bewegungen hemmt. Der Deutsche hier im Vaterlande kann nie beurtheilen, wie ein solches Papier draußen zu seinem Nachtheil ausgelegt wird, wenn er eben gewissenlosen Menschen in die Hände fällt, und keine Regierung der Welt kann ihn gegen die Folgen eines Schrittes sichern, wenn er selber erst einmal seinen Namen unter ein solches Papier gesetzt hat.
Ich will dazu nur ein Beispiel aus den berüchtigten brasilianischen Parcerie-Verträgen anführen, in denen unter anderen Paragraphen steht:
„Der Arbeiter (der sich eben durch den Contract den Kaffeepflanzern verpflichtete) bekommt von dem Eigenthümer ein Stück Land zu seiner freien Bearbeitung angewiesen.“
Natürlich verstanden unsere Landsleute darunter eigenes Land, und die Auswanderungs-Agenten bestätigten ihnen das mit Vergnügen. Der Kaffeepflanzer aber verstand es anders. Er wies den armen Teufeln allerdings ein Stück Land zur Bebauung an, aber wilden, mächtigen Urwald, den sie sich erst mit schwerer Arbeit urbar machen mußten, und ließ sie ein oder zwei Jahre darauf pflanzen. Dann aber nahm er ihnen das Stück wieder weg, um ihnen ein anderes Stück Wald „anzuweisen“, und zwang sie dadurch, selbst in ihrer freien Zeit für ihn zu arbeiten und ihm sein sonst nutzloses Terrain werthvoll zu machen.
Das Gesetz konnte ihm dabei nichts anhaben, denn er war seinem Contract wörtlich nachgekommen.
Der Auswanderer soll auch unter keinen Umständen etwas unterschreiben, was er nicht selber ganz genau versteht, besonders in keiner fremden Sprache Vorgelegtes, denn steht erst einmal sein Name darunter, so hat er sich mit Allem, was das Schriftstück enthält, vollkommen einverstanden erklärt.
Gewissenlose Auswanderungs-Agenten gebrauchen noch ein Mittel, ihn zum Unterschreiben der Contracte zu bringen, die sie für gut finden ihm vorzulegen, indem sie ihn damit bis auf den letzten Augenblick hinausziehen. Wird er dann gedrängt an Bord zu fahren und hat vielleicht noch selber eine Menge Dinge zu besorgen, so legen sie ihm das Papier vor und sagen treuherzig: „O, setzt nur Eueren Namen darunter, das Andere besorge ich schon.“ Unter solchen Umständen soll sich der Auswanderer auf das Entschiedenste weigern zu unterschreiben, denn er weiß nie, welche Folgen es für ihn haben kann.
Hat er den Contract aber sorgfältig prüfen lassen und – mit Allem einverstanden – unterschrieben, wobei er sein Exemplar bekommt und wohl aufzubewahren hat, dann gebe er es auch nicht wieder aus den Händen, denn der Fall ist besonders bei den Antwerpener Agenten häufig vorgekommen, daß ein solcher Herr, um vielleicht einen Ihm unangenehmen Paragraph unschädlich zu machen, einen seiner Commis an Bord geschickt und den Auswanderern sämmtliche Contracte hat abnehmen lassen.
„Ihr müßt sie jetzt abgeben,“ sagte der Herr zu den verdutzten Leuten, „und wenn Ihr in Amerika an’s Land steigt, bekommt Ihr sie wieder.“
Das ist eine ganz einfache Schurkerei, denn der Auswanderer sieht in dem Fall seinen Schiffscontract nie wieder und ist zu seinem Schaden von dem Agenten angeführt worden. Hat er den Contract, so soll er ihn behalten, denn wenn der Agent nöthig hat, denselben irgendwo vorzulegen, so kann er sein eigenes Exemplar dazu nehmen. Der Auswanderer behält aber unter allen Umständen das seine.
Wandert der Deutsche dann aus, betritt er das fremde Land, so soll er vor allen Dingen seine überspannten Hoffnungen zurücklassen und sich fest darauf gefaßt machen, die ersten Jahre recht hart arbeiten zu müssen, ohne vielleicht soviel damit zu verdienen, wie er in Deutschland verdient hätte, denn jeder Mensch muß Lehrgeld zahlen, er mag beginnen, was er auch immer will, und die erste schwere Zeit in dem fremden Lande ist eben sein Lehrgeld.
Er soll sich aber um Gottes willen nur frei und unabhängig halten und, wenn er irgendwo in Arbeit tritt, nie bindende Contracte auf lange Jahre hinaus machen. Wenn er sich die erste Zeit auch kümmerlich durchhelfen muß, er lernt doch dabei Land, Leute und Arbeit kennen, und wird mit diesen Erfahrungen nachher leicht im Stande sein, sich seinen eigenen Heerd zu gründen.
Ein Pendant zu „Zwei gute Stiefmütter“ in der Gartenlaube Nr. 27. Es war in Hannover, zu Anfang der zwanziger Jahre, als ich eines Tages von einem Spaziergang in einer nahegelegenen Waldung mit meinem jüngern Bruder, freudestrahlend über den glücklichen Fang, den wir gemacht, nach Hause zurückkehrte. Wir hatten auf einer hohen Tanne ein Eichhörnchennest entdeckt und hielten dasselbe, als tüchtige Turner, bald mit sammt den vier Jungen in unsern Händen. Die Jungen aber hatten leider erst vor ein paar Tagen das Licht der Welt erblickt und waren daher noch ganz nackt und blind. Als wir die kleinen Thierchen in Gegenwart meiner Mutter – die uns nebenbei gehörig auszankte, weil wir den Alten die Jungen und das Nest geraubt – herausnahmen, waren die Kleinen beinahe schon ganz erstarrt, da sie seit fast zwei Stunden die schützende Wärme der Eltern entbehren mußten.
Wir hatten eine alte gute Katze, „Muschen“ genannt, die in der Nacht vorher vier Junge zur Welt gebracht. Drei hatte man ihr genommen, und so rieth meine Mutter, den Versuch zu machen, ob die alte Katze die jungen Eichhörnchen nicht erwärmen und säugen würde. Wir waren natürlich, schon der Seltenheit wegen, gleich bei der Hand, und siehe da, die alte Katze leckte, erwärmte und säugte die kleinen Thierchen, als wenn es ihre eigenen Kinder wären. Das noch übrige junge Kätzchen wurde ebenfalls bei Seite geschafft. Eins der jungen Eichhörnchen wurde schon in der ersten Nacht von der Stiefmutter erdrückt, drei jedoch geriethen prächtig, wurden groß und ganz zahm und sprangen und kletterten mit der alten Katze im ganzen Hause herum, auf dem Boden und den nahegelegenen Dächern. Als die kleinen muntern Thierchen über halb gewachsen waren, kümmerte sich die Stiefmutter nicht ferner um sie und überließ uns allein die Sorge der Unterhaltung ihrer Stiefkinder. Einige Jahre lang wurden zwei der hübschen Thierchen – eins hatten wir verschenkt – mit besonderer Vorliebe von uns gepflegt und gewartet und durften täglich ein paar Stunden frei umher springen und kehrten dann immer von selbst wieder in ihren großen Käfig zurück. Wenn die alte Katze ihren Stiefkindern auf dem Treppengeländer oder auf dem Boden in ihren Freistunden begegnete, so ignorirte sie dieselben gänzlich.
R. R. in R. Bitten um „unparteiische Urtheile“ über lyrische Gedichte kommen jede Woche 10–15. Sie sind es also nicht allein, den wir unsererseits bitten, freundlichst zu bedenken, wo die Redaction all die Zeit hernehmen soll, um all diesen Zumuthungen zu genügen. Wenn Gedichte unsern Beifall haben, so drucken wir sie ab; die übrigen müssen wir unberücksichtigt lassen und zeigen dies stets an dieser Stelle an.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_480.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)