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Differentialgleichungen der Elektrodynamik II

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Wilhelm Wien
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Titel: Über die Differentialgleichungen der Elektrodynamik für bewegte Körper. II
Untertitel:
aus: Annalen der Physik 318 (4), S. 663–668.
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Joh. Ambr. Barth
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Internet Archive, Commons
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Über die Differentialgleichungen der Elektrodynamik für bewegte Körper;
von W. Wien
II.

In meiner letzten Untersuchung über die Differentialgleichungen der Elektrodynamik für bewegte Körper hatte ich eine Methode angegeben, die ein allgemeines Integral für den Fall liefert, daß ein, beliebige elektromagnetische Störungen aussendendes Zentrum mit konstanter, aber beliebig großer Geschwindigkeit bewegt wird. Diese Integrationsmethode hatte ich auf die longitudinalen und transversalen Schwingungen eines elektrischen Dipols angewendet. Während die ersteren vollständige Erledigung gefunden hatten, war die Behandlung der transversalen Schwingung insofern unvollständig geblieben, als die genauere Diskussion des gewonnenen Lösungssystems zeigte, daß in ihr noch die Mitwirkung eines magnetischen Dipols vorausgesetzt werden muß, so daß eine Anwendung dieser Lösung auf die besonders wichtigen Probleme von Störungen, die nur durch Elektronen hervorgerufen werden, nicht ohne weiteres zulässig ist.

Es ist nun der Zweck dieser Untersuchung, die erwähnte Lücke auszufüllen, und diejenige Lösung für transversale Schwingungen zu behandeln, bei der keine Mitwirkung eines Magneten stattfindet.

Wir gelangen zu dieser Lösung durch die Erwägung, daß wir die Beteiligung des Magneten, die sich einfach superponiert, von der Lösung abzuziehen haben.

Die Übersicht über diese Verhältnisse erhält man am einfachsten, wenn man vorläufig Abhängigkeit von der Zeit ausschließt und die beiden bereits von mir angegebenen Lösungen für einen transversal bewegten Dipol vergleicht.

Diese beiden Systeme lauteten:

Das mit II bezeichnete erhält man aus der Heavisideschen Lösung für eine bewegte Einzelladung durch Superposition.

Wir bilden nun das II entsprechende System für einen magnetischen Dipol, dessen Achse der y-Achse parallel ist, und dessen Moment den Faktor enthält. Hierfür gewinnen wir

Addieren wir nun () und (), so gewinnen wir (), das nur noch mit dem Faktor multipliziert erscheint.

Bezeichnen wir diese Relation durch die Gleichung

so können wir eine entsprechende herleiten

woraus

folgt. Diese Beziehung können wir heuristisch verwerten, um für den allgemeinen Fall, wo von der Zeit abhängt, aus dem bekannten Lösungssystem I

dasjenige zu ermitteln, bei dem die Mitwirkung eines Magneten fehlt. Wir müssen zunächst das entsprechende, mit dem Faktor versehene System für den magnetischen Dipol aufstellen. Dieses lautet:

Die Subtraktion beider Gleichungssysteme muß dann das gesuchte liefern und wir erhalten somit

Dieses System leistet nun in der Tat alles verlangte. Es geht für in das Hertzsche Lösungssystem für einen schwingenden Dipol, für in das System über, das man aus der Heavisideschen Lösung einer bewegten Ladung für einen transversal bewegten elektrischen Dipol erhält.

Wir können diese Lösung benutzen, um die Strahlung eines transversal schwingenden Dipols zu berechnen.

Setzen wir wieder

dann erhalten wir

Ferner ergibt sich

und

über ein unendlich großes Ellipsoid integriert

und für den Fall, daß wir anstatt

die Funktion

annehmen

Die Ausstrahlung ist also für endliche Werte von oder von auch für nicht unendlich. Sie wird aber unendlich, wenn endlich bleibt für .

Endliche Werte von bedeuten endliche Werte der Schwingungszahl. Für diese ist die Ausstrahlung unendlich bei Erreichung der Lichtgeschwindigkeit. Elektronen in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit sind also nicht mehr ablenkbar.

Wenn wir unsere Ergebnisse

und

mit den Ergebnissen von Abraham[1] vergleichen, so zeigt sich in der Abhängigkeit von ein Mangel an Übereinstimmung. Hr. Abraham findet für den von abhängigen Faktor im einen, und 1 im anderen Falle. Für kleine Werte von sind sie

und 1,

während sie sich aus unseren Werten

und

ergeben.

Da Hr. Abraham seine Rechnungen nicht mitgeteilt hat, so ist es nicht möglich, dem Grund dieser Verschiedenheit nachzuspüren.

Schließlich möchte ich noch auf den in diesen Untersuchungen hervorgetretenen Umstand besonders hinweisen, daß die Einführung magnetischer Pole notwendig war, um die Eindeutigkeit der Lösungen zu wahren. Obwohl nun in dem symmetrischen Bau der Maxwellschen Gleichungen die Existenz magnetischer Quanta ebenso wie die elektrischer ganz gleichberechtigt erscheint, so ist doch die Frage von besonderer Wichtigkeit, ob wirkliche magnetische Elementarquanten anzunehmen sind. In den bisherigen Theorien tritt die Neigung hervor, die Wechselwirkung zwischen Äther und Materie nur den elektrischen Elementarquanten zuzuschreiben und die magnetischen Eigenschaften der Körper auf Bewegung dieser zurückzuführen.[2] Magnetische Quanten sind hiernach nur Fiktionen nach Analogie der Ampèreschen magnetischen Doppelschicht auf einer von einem linearen Stromleiter umschlossenen Fläche. Unterstützt wird diese Auffassung durch die Tatsache, daß es isolierten positiven oder negativen Magnetismus nicht gibt.

Nun ist das magnetische Quantum der von uns eingeführten magnetischen Dipole ebenfalls Null und wir könnten die Behauptung aufstellen, daß diese Dipole ebenfalls nur fingiert sind, um eine besondere Anordnung magnetischer Kraftlinien, die von der Bewegung des elektrischen Dipols herrühren, darzustellen. Bedenklich ist hierbei aber die Willkür in der verschiedenen Auffassung des elektrischen und magnetischen Dipols, die in der Theorie ganz gleichberechtigt auftreten, ferner die Notwendigkeit, die Eindeutigkeit der Lösungen aufzugeben. Denn wenn wir die magnetischen Dipole nur als fingiert ansehen, dann sind die beiden betrachteten Lösungen für einen transversal bewegten elektrischen Dipol gleichberechtigt, was für die theoretische Behandlung äußerst mißlich sein dürfte. Nehmen wir dagegen die Möglichkeit der Existenz magnetischer Quanten, die ganz analog den elektrischen direkt auf den Äther einwirken, an, so sind die beiden Lösungen als verschieden anzusehen, weil es natürlich einen Unterschied machen muß, ob außer dem elektrischen Dipol noch ein wirklich existierender magnetischer mitwirkt oder nicht.

Würzburg, Physik. Institut, Januar 1904.
(Eingegangen 7. Januar 1904.)

Anmerkungen

  1. M. Abraham, Ann. d. Phys. 10. p. 105. 1903.
  2. F. Richarz, Ber. d. Münchener Akad. 24. 1894.