„Landwerk Neuendorf“ – Versionsunterschied
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Das '''Landwerk Neuendorf''' war eine 1932 gegründete jüdische Arbeiterkolonie und Ausbildungsstätte auf dem [[Neuendorf im Sande|Gut Neuendorf]] in [[Brandenburg]]. Es diente zahlreichen Jugendlichen zur beruflichen und kulturellen Vorbereitung ihrer Auswanderung aus Deutschland. Seit 1941 war Neuendorf NS-Zwangslager. |
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Das Landwerk Neuendorf wurde 1932 als jüdische Arbeiterkolonie und Ausbildungsstätte |
Das Landwerk Neuendorf wurde 1932 als jüdische Arbeiterkolonie und Ausbildungsstätte auf dem Gut Neuendorf in Brandenburg in Betrieb genommen. Trägerverein war die ''Jüdische Arbeitshilfe e. V. (Landwerk Neuendorf)'' in Berlin, der mit Unterstützung seitens des Preußischen Wohlfahrtsministeriums und des Preußischen Landesverbandes jüdischer Gemeinden das Gut von dessen Besitzer Hermann Müller übernahm. Bald nach seiner Einrichtung stellte das Landwerk im Rahmen des sogenannten [[Freiwilliger Arbeitsdienst|Freiwilligen Arbeitsdienstes]] 50 Plätze für jugendliche Arbeitslose bereit. |
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Nach 1933 hatte das Landwerk eine wichtige Rolle bei der Ausbildung und |
Nach 1933 hatte das Landwerk eine wichtige Rolle bei der Ausbildung und [[Umschichtung]] der aus dem Wirtschaftsleben in Deutschland systematisch verdrängten jüdischen Jugendlichen und diente mehr und mehr, getragen von der Organisation [[Hechaluz]], ihrer [[Hachschara]], um ihre Auswanderung zu ermöglichen, im Rahmen der [[Jugend-Alijah]]. Ungefähr 1200 Jugendliche absolvierten zwischen 1932 und 1938 die Ausbildung und gingen dann insbesondere nach Palästina, aber auch nach Argentinien und weiteren Ländern.<ref>Laut [[United States Holocaust Memorial Museum]], zitiert in: Francis R. Nicosia: Zionism and Anti-Semitism in Nazi Germany, Cambridge 2008, S. 222.</ref> Leiter des Landwerks von 1932 bis 1938 war Alexander Moch. |
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Seit 1941 war Neuendorf NS-Zwangsarbeits- und Sammellager für Deportationen. Der spätere Fernsehmoderator [[Hans Rosenthal]] musste dort Zwangsarbeit leisten, die [[Montessori-Pädagogik|Montessori-Pädagogin]] [[Clara Grunwald]] arbeitete dort als Erzieherin, bis sie in das Vernichtungslager [[KZ Auschwitz-Birkenau]] verschleppt wurde und dort ermordet worden ist. Ihr Schicksal teilten die 60 letzten verbliebenen Jugendlichen, sowie weitere 30 Erwachsene aus dem Gut, die in verschiedenen deutschen Tötungsanstalten ermordet wurden. |
Seit 1941 war Neuendorf NS-Zwangsarbeits- und Sammellager für Deportationen. Der spätere Fernsehmoderator [[Hans Rosenthal]] musste dort Zwangsarbeit leisten, die [[Montessori-Pädagogik|Montessori-Pädagogin]] [[Clara Grunwald]] arbeitete dort als Erzieherin, bis sie in das Vernichtungslager [[KZ Auschwitz-Birkenau]] verschleppt wurde und dort ermordet worden ist. Ihr Schicksal teilten die 60 letzten verbliebenen Jugendlichen, sowie weitere 30 Erwachsene aus dem Gut, die in verschiedenen deutschen Tötungsanstalten ermordet wurden. |
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[[Esther Bejarano]] hat das Gut sowohl als Ausbildungsstätte als auch als Zwangsarbeitslager erlebt. Wie wichtig im Einzelfall die landwirtschaftliche Ausbildung sein konnte, zeigt der Brief einer jungen Frau aus [[Leer (Ostfriesland)]], der ein Konsul in den Niederlanden die Ausreise nach Argentinien unter dem Vorwand verweigerte, dass sie eine solche Ausbildung nicht besaß, wohl aber ihr Mann und ihr Schwager durch das Landwerk.<ref>[http://www.leer.de/media/custom/1778_56_1.PDF Archivpädagogische Anlaufstelle:] ''Liesel Aussen, 7 Jahre, ermordet in Sobibor... Lebens- und Leidenswege jüdischer Bürger und Bürgerinnen der Stadt Leer in der NS-Zeit.'' S. 89f., Schreibfehler "Landwrk".</ref> |
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== Nach 1945 == |
== Nach 1945 == |
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Nach dem Krieg machte der Staat aus Gut Neuendorf ein [[Volksgut]]. Sein letzter Verwalter, Georg Weilbach, brachte im Perestroika-Jahr 1988 eine Tafel am Schlossgebäude an, welche an die Hachschara-Zeit erinnert. Nach seinem Tod erforschte seine Frau, Ruth Weilbach, jenen Teil der Gutsgeschichte weiter. |
Nach dem Krieg machte der Staat aus Gut Neuendorf ein [[Volksgut]]. Sein letzter Verwalter, Georg Weilbach, brachte im Perestroika-Jahr 1988 eine Tafel am Schlossgebäude an, welche an die Hachschara-Zeit erinnert.<ref>Die Tafel spiegelt nicht den heutigen Wissensstand über das jüdische Landwerk Neuendorf wider.</ref> Nach seinem Tod erforschte seine Frau, Ruth Weilbach, jenen Teil der Gutsgeschichte weiter. |
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⚫ | Im Sommer 2009 organisierte das Projekt „LandKunstLeben“ aus Steinhöfels Ortsteil Buchholz eine Ausstellung „Hachschara – revisited“ im Gut. Sie zeigte u. a. Fotos von [[Herbert Sonnenfeld]] aus dem Jahr 1934 über das Leben in der Schule.<ref>[https://taz.de/!603862/ Hachschara revisited], [[die tageszeitung]], 19. August 2009</ref> |
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Im Sommer 2017 organisierte die ''Kulturscheune Neuendorf'' unter dem Titel ''zwischen raum – zwischen heimat & exil – zwischen hoffnung & verzweiflung'' eine Ausstellung „Jüdisches Landwerk Neuendorf“. In der Ausstellung wurden sechzehn Lebensläufe exemplarisch nachgezeichnet, wobei anlässlich ihres 140. Geburtstags besonders auch Clara Grunwald gedacht wurde.<ref>[http://www.kulturscheune-im-sande.de/programm.html Programm der Kulturscheune Neuendorf]</ref> |
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Am 20. Juni 2018 wurde vor dem Gutshof ein Denkmal für Jutta Baumwol enthüllt. Sie steht exemplarisch für jene 159 ehemaligen Hachschara-Schülerinnen und Schüler, denen die Auswanderung unmöglich war und die 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden.<ref>[http://www.kulturscheune-im-sande.de/2018-%e2%80%94-projekttag.html Denkmalenthüllung für Jutta Baumwol]. Eine ausführliche Berichterstattung über die Geschichte dieses Denkmals und des Landwerks Neuendorf findet sich in der ''tageszeitung'' vom 28. Juli 2018: [https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5520160&s=Baumwol/ Uta Schleiermacher: ''Denkmal für Hachschara-Landgut'']</ref> |
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Im Oktober 2018 erwarb das Projekt ''ZuSaNe e.V.'' das Landgut von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BimA) in Zusammenarbeit mit der [[Stiftung trias]] und der [[Stiftung Edith Maryon]],<ref>[https://www.tagesspiegel.de/berlin/hachschara-lager-in-neuendorf-im-sande-ein-gedenkort-der-an-erfuellte-und-zerstobene-traeume-erinnert/25043076.html ''Ein Gedenkort, der an erfüllte und zerstobene Träume erinnert''], [[Der Tagesspiegel]], 22. September 2019</ref> die mit dem Projektträger Zusane Gutshof GmbH ein Erbbaurecht vereinbart haben.<ref>[https://maryon.ch/liegenschaft/gutshof-neuendorf-im-sande/ Website der Stiftung Edith Maryon]; [https://www.wohnprojekte-portal.de/projektsuche/projekt-25721/ Website der Stiftung trias]</ref> |
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== Siehe auch == |
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* ''Landwerk Neuendorf.'' In: "Jüdische Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik." Zeitschrift der [[Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland]], Jg. 3, 1932, Berlin-Charlottenburg, S. 257–260 [https://archive.org/stream/jdischewohlfahrtzen#page/n639/mode/1up online,]<ref>in der Seitenanzeige steht im Balken unten 640, bei der Ansicht von Doppelseiten</ref> |
* ''Landwerk Neuendorf.'' In: "Jüdische Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik." Zeitschrift der [[Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland]] und der "Hauptstelle für jüdische Wanderfürsorge und Arbeitsnachweise", Jg. 3, 1932, Berlin-Charlottenburg, S. 257–260 [https://archive.org/stream/jdischewohlfahrtzen#page/n639/mode/1up online,]<ref>in der Seitenanzeige steht im Balken unten 640, bei der Ansicht von Doppelseiten. Der Titel der Zs. (1930 - 1938) wandelte sich im Lauf der [https://archive.org/details/jdischewohlfahrt00unse Zeit]</ref> |
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* Kurt Lichtenstein:<ref>Nicht identisch mit der Person im gleichnamigen Lemma</ref> ''Das jüdische Arbeitslager in Neuendorf.'' In: "Jüdische Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik", Jg. 4, 1933/1934, S. 35<ref>Weblink wie vor, Seitenanzeige im Balken unten 779</ref> |
* Kurt Lichtenstein:<ref>Nicht identisch mit der Person im gleichnamigen Lemma</ref> ''Das jüdische Arbeitslager in Neuendorf.'' In: "Jüdische Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik", Jg. 4, 1933/1934, S. 35<ref>Weblink wie vor, Seitenanzeige im Balken unten 779</ref> |
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* Anneliese-Ora Aloni-Borinski: ''Erinnerungen 1940 – 1943.'' Nördlingen 1970 |
* Anneliese-Ora Aloni-Borinski: ''Erinnerungen 1940 – 1943.'' Nördlingen 1970 |
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* Hans Rosenthal: ''Zwei Leben in Deutschland.'' Bergisch Gladbach 1982, S. |
* Hans Rosenthal: ''Zwei Leben in Deutschland.'' Bergisch Gladbach 1982, S. 39–48 |
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* ''„Und doch gefällt mir das Leben“. Die Briefe der Clara Grunwald 1941–1943.'' Mannheim 1985 |
* ''„Und doch gefällt mir das Leben“. Die Briefe der Clara Grunwald 1941–1943.'' Mannheim 1985 |
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** Neuaufl. ''„Und doch gefällt mir das Leben.“ Die Briefe der Clara Grunwald 1941 bis 1943.'' Prolog Sabine Krusen. [[Hentrich & Hentrich]], Berlin 2015 ISBN 978-3-95565-120-6 |
** Neuaufl. ''„Und doch gefällt mir das Leben.“ Die Briefe der Clara Grunwald 1941 bis 1943.'' Prolog Sabine Krusen. [[Hentrich & Hentrich]], Berlin 2015, ISBN 978-3-95565-120-6 |
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* Harald Lordick: ''Landwerk Neuendorf in Brandenburg: Jüdische Ausbildungsstätte, [[Hachschara]]-Camp, NS-Zwangslager – Gedenkort?'' In: [[Kalonymos]] 20 (2017), Nr. 2, S. 7–12. Mit Fotos. [http://www.steinheim-institut.de/edocs/kalonymos/kalonymos_2017_2.pdf#page=7 online als PDF] |
* Harald Lordick: ''Landwerk Neuendorf in Brandenburg: Jüdische Ausbildungsstätte, [[Hachschara]]-Camp, NS-Zwangslager – Gedenkort?'' In: [[Kalonymos]] 20 (2017), Nr. 2, S. 7–12. Mit Fotos. [http://www.steinheim-institut.de/edocs/kalonymos/kalonymos_2017_2.pdf#page=7 online als PDF] |
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* Harald Lordick: Das Landwerk Neuendorf 1932–1943 – Berufsumschichtung, Hachschara, Zwangsarbeit. In: Pilarczyk, Ulrike / Ashkenazi, Ofer / Homann, Arne (Hg.), Hachschara und Jugend-Alija. Wege jüdischer Jugend nach Palästina 1918-1941 (= Steinhorster Beiträge zur Geschichte von Schule, Kindheit und Jugend / Schulmuseum Steinhorst; Bd. 1). Gifhorn 2020 (online: {{DOI|10.24355/dbbs.084-202104201055-0}}). |
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* Harald Lordick: [https://akjw.hypotheses.org/1032#more-1032 ''Das Landwerk Neuendorf in den Novemberpogromen 1938.''] (2020), Online auf der Webseite [https://akjw.hypotheses.org/779 Hypotheses – Forum des Arbeitskreises Jüdische Wohlfahrt] |
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* Harald Lordick: ''HACHSCHARA UND ›BERUFSUMSCHICHTUNG‹ IN DER MITTE DER 1930ER JAHRE – DAS JÜDISCHE LANDWERK NEUENDORF IM SPIEGEL ZEITGENÖSSISCHER ERFAHRUNGSBERICHTE'' (2020), Online auf der Webseite [https://akjw.hypotheses.org/779 Hypotheses – Forum des Arbeitskreises Jüdische Wohlfahrt]. |
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* [https://zusane.org Zusammen in Neuendorf e.V.] mit Veranstaltungskalender |
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* [https://www.geschichte-hat-zukunft.org Geschichte hat Zukunft - Neuendorf im Sande e.V.] Der Verein widmet sich der Aufarbeitung und Dokumentation der Geschichte des Landwerks und organisiert Veranstaltungen |
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* [http://forge.fh-potsdam.de/~SWABD/n-dorf.htm Genaueres] über Gut Neudorf, den Trägerverein und weiteres. Ein Projekt der [[Fachhochschule Potsdam]]: ''Hachschara in Brandenburg. Die Vorbereitung junger Juden auf die Auswanderung aus Deutschland'' |
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* [https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Themen/Rechtsextremismus/Eine_F_rstenwalder_Geschichte.pdf Landwerk Neuendorf |
* Horst Helas: [https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Themen/Rechtsextremismus/Eine_F_rstenwalder_Geschichte.pdf Eine Fürstenwalder Geschichte. Landwerk Neuendorf im Sande und Gut Winkel, Martin Gerson und Clara Grunwald] (PDF). Seminarmaterial der [[Rosa-Luxemburg-Stiftung]] mit ausführlicher Literaturliste |
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* [http://objekte.jmberlin.de/view/objectsearch.seam Landwerk Neuendorf], Bestand [[Jüdisches Museum Berlin]]: Fotos von der Landarbeit, eine Rechnung, ein Konvolut von Zeichnungen "Junge Juden zur Haschara" von [[Leo Prochownik]] |
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* [https://objekte.jmberlin.de/person/jmb-pers-161369 Landwerk Neuendorf], Online-Sammlung [[Jüdisches Museum Berlin]] |
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* [http://kulturerben.com/wp-content/uploads/2015/01/PM-Ausstellung.pdf |
* [http://kulturerben.com/wp-content/uploads/2015/01/PM-Ausstellung.pdf Landwerk Neuendorf. Ein jüdisches Hachschara- und Zwangsarbeitslager] (PDF; 126 kB), Ausstellung Mai – Juni 2016, gestaltet von der "Kulturscheune Neuendorf im Sande" |
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Aktuelle Version vom 6. Juli 2024, 14:22 Uhr
Das Landwerk Neuendorf war eine 1932 gegründete jüdische Arbeiterkolonie und Ausbildungsstätte auf dem Gut Neuendorf in Brandenburg. Es diente zahlreichen Jugendlichen zur beruflichen und kulturellen Vorbereitung ihrer Auswanderung aus Deutschland. Seit 1941 war Neuendorf NS-Zwangslager.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Landwerk Neuendorf wurde 1932 als jüdische Arbeiterkolonie und Ausbildungsstätte auf dem Gut Neuendorf in Brandenburg in Betrieb genommen. Trägerverein war die Jüdische Arbeitshilfe e. V. (Landwerk Neuendorf) in Berlin, der mit Unterstützung seitens des Preußischen Wohlfahrtsministeriums und des Preußischen Landesverbandes jüdischer Gemeinden das Gut von dessen Besitzer Hermann Müller übernahm. Bald nach seiner Einrichtung stellte das Landwerk im Rahmen des sogenannten Freiwilligen Arbeitsdienstes 50 Plätze für jugendliche Arbeitslose bereit.
Nach 1933 hatte das Landwerk eine wichtige Rolle bei der Ausbildung und Umschichtung der aus dem Wirtschaftsleben in Deutschland systematisch verdrängten jüdischen Jugendlichen und diente mehr und mehr, getragen von der Organisation Hechaluz, ihrer Hachschara, um ihre Auswanderung zu ermöglichen, im Rahmen der Jugend-Alijah. Ungefähr 1200 Jugendliche absolvierten zwischen 1932 und 1938 die Ausbildung und gingen dann insbesondere nach Palästina, aber auch nach Argentinien und weiteren Ländern.[1] Leiter des Landwerks von 1932 bis 1938 war Alexander Moch.
Seit 1941 war Neuendorf NS-Zwangsarbeits- und Sammellager für Deportationen. Der spätere Fernsehmoderator Hans Rosenthal musste dort Zwangsarbeit leisten, die Montessori-Pädagogin Clara Grunwald arbeitete dort als Erzieherin, bis sie in das Vernichtungslager KZ Auschwitz-Birkenau verschleppt wurde und dort ermordet worden ist. Ihr Schicksal teilten die 60 letzten verbliebenen Jugendlichen, sowie weitere 30 Erwachsene aus dem Gut, die in verschiedenen deutschen Tötungsanstalten ermordet wurden.
Esther Bejarano hat das Gut sowohl als Ausbildungsstätte als auch als Zwangsarbeitslager erlebt. Wie wichtig im Einzelfall die landwirtschaftliche Ausbildung sein konnte, zeigt der Brief einer jungen Frau aus Leer (Ostfriesland), der ein Konsul in den Niederlanden die Ausreise nach Argentinien unter dem Vorwand verweigerte, dass sie eine solche Ausbildung nicht besaß, wohl aber ihr Mann und ihr Schwager durch das Landwerk.[2]
Nach 1945
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Krieg machte der Staat aus Gut Neuendorf ein Volksgut. Sein letzter Verwalter, Georg Weilbach, brachte im Perestroika-Jahr 1988 eine Tafel am Schlossgebäude an, welche an die Hachschara-Zeit erinnert.[3] Nach seinem Tod erforschte seine Frau, Ruth Weilbach, jenen Teil der Gutsgeschichte weiter.
Im Sommer 2009 organisierte das Projekt „LandKunstLeben“ aus Steinhöfels Ortsteil Buchholz eine Ausstellung „Hachschara – revisited“ im Gut. Sie zeigte u. a. Fotos von Herbert Sonnenfeld aus dem Jahr 1934 über das Leben in der Schule.[4]
Im Sommer 2017 organisierte die Kulturscheune Neuendorf unter dem Titel zwischen raum – zwischen heimat & exil – zwischen hoffnung & verzweiflung eine Ausstellung „Jüdisches Landwerk Neuendorf“. In der Ausstellung wurden sechzehn Lebensläufe exemplarisch nachgezeichnet, wobei anlässlich ihres 140. Geburtstags besonders auch Clara Grunwald gedacht wurde.[5]
Am 20. Juni 2018 wurde vor dem Gutshof ein Denkmal für Jutta Baumwol enthüllt. Sie steht exemplarisch für jene 159 ehemaligen Hachschara-Schülerinnen und Schüler, denen die Auswanderung unmöglich war und die 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden.[6]
Im Oktober 2018 erwarb das Projekt ZuSaNe e.V. das Landgut von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BimA) in Zusammenarbeit mit der Stiftung trias und der Stiftung Edith Maryon,[7] die mit dem Projektträger Zusane Gutshof GmbH ein Erbbaurecht vereinbart haben.[8]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Landwerk Neuendorf. In: "Jüdische Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik." Zeitschrift der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und der "Hauptstelle für jüdische Wanderfürsorge und Arbeitsnachweise", Jg. 3, 1932, Berlin-Charlottenburg, S. 257–260 online,[9]
- Kurt Lichtenstein:[10] Das jüdische Arbeitslager in Neuendorf. In: "Jüdische Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik", Jg. 4, 1933/1934, S. 35[11]
- Anneliese-Ora Aloni-Borinski: Erinnerungen 1940 – 1943. Nördlingen 1970
- Hans Rosenthal: Zwei Leben in Deutschland. Bergisch Gladbach 1982, S. 39–48
- „Und doch gefällt mir das Leben“. Die Briefe der Clara Grunwald 1941–1943. Mannheim 1985
- Neuaufl. „Und doch gefällt mir das Leben.“ Die Briefe der Clara Grunwald 1941 bis 1943. Prolog Sabine Krusen. Hentrich & Hentrich, Berlin 2015, ISBN 978-3-95565-120-6
- Harald Lordick: Landwerk Neuendorf in Brandenburg: Jüdische Ausbildungsstätte, Hachschara-Camp, NS-Zwangslager – Gedenkort? In: Kalonymos 20 (2017), Nr. 2, S. 7–12. Mit Fotos. online als PDF
- Harald Lordick: Das Landwerk Neuendorf 1932–1943 – Berufsumschichtung, Hachschara, Zwangsarbeit. In: Pilarczyk, Ulrike / Ashkenazi, Ofer / Homann, Arne (Hg.), Hachschara und Jugend-Alija. Wege jüdischer Jugend nach Palästina 1918-1941 (= Steinhorster Beiträge zur Geschichte von Schule, Kindheit und Jugend / Schulmuseum Steinhorst; Bd. 1). Gifhorn 2020 (online: doi:10.24355/dbbs.084-202104201055-0).
- Harald Lordick: Das Landwerk Neuendorf in den Novemberpogromen 1938. (2020), Online auf der Webseite Hypotheses – Forum des Arbeitskreises Jüdische Wohlfahrt
- Harald Lordick: HACHSCHARA UND ›BERUFSUMSCHICHTUNG‹ IN DER MITTE DER 1930ER JAHRE – DAS JÜDISCHE LANDWERK NEUENDORF IM SPIEGEL ZEITGENÖSSISCHER ERFAHRUNGSBERICHTE (2020), Online auf der Webseite Hypotheses – Forum des Arbeitskreises Jüdische Wohlfahrt.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Zusammen in Neuendorf e.V. mit Veranstaltungskalender
- Geschichte hat Zukunft - Neuendorf im Sande e.V. Der Verein widmet sich der Aufarbeitung und Dokumentation der Geschichte des Landwerks und organisiert Veranstaltungen
- Stella Hindemith und Benno Plassmann: Save Neuendorf! Future for the History of the Hachshara Movement in Germany, 2017
- Horst Helas: Eine Fürstenwalder Geschichte. Landwerk Neuendorf im Sande und Gut Winkel, Martin Gerson und Clara Grunwald (PDF). Seminarmaterial der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit ausführlicher Literaturliste
- Landwerk Neuendorf, Online-Sammlung Jüdisches Museum Berlin
- Landwerk Neuendorf. Ein jüdisches Hachschara- und Zwangsarbeitslager (PDF; 126 kB), Ausstellung Mai – Juni 2016, gestaltet von der "Kulturscheune Neuendorf im Sande"
Notizen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Laut United States Holocaust Memorial Museum, zitiert in: Francis R. Nicosia: Zionism and Anti-Semitism in Nazi Germany, Cambridge 2008, S. 222.
- ↑ Archivpädagogische Anlaufstelle: Liesel Aussen, 7 Jahre, ermordet in Sobibor... Lebens- und Leidenswege jüdischer Bürger und Bürgerinnen der Stadt Leer in der NS-Zeit. S. 89f., Schreibfehler "Landwrk".
- ↑ Die Tafel spiegelt nicht den heutigen Wissensstand über das jüdische Landwerk Neuendorf wider.
- ↑ Hachschara revisited, die tageszeitung, 19. August 2009
- ↑ Programm der Kulturscheune Neuendorf
- ↑ Denkmalenthüllung für Jutta Baumwol. Eine ausführliche Berichterstattung über die Geschichte dieses Denkmals und des Landwerks Neuendorf findet sich in der tageszeitung vom 28. Juli 2018: Uta Schleiermacher: Denkmal für Hachschara-Landgut
- ↑ Ein Gedenkort, der an erfüllte und zerstobene Träume erinnert, Der Tagesspiegel, 22. September 2019
- ↑ Website der Stiftung Edith Maryon; Website der Stiftung trias
- ↑ in der Seitenanzeige steht im Balken unten 640, bei der Ansicht von Doppelseiten. Der Titel der Zs. (1930 - 1938) wandelte sich im Lauf der Zeit
- ↑ Nicht identisch mit der Person im gleichnamigen Lemma
- ↑ Weblink wie vor, Seitenanzeige im Balken unten 779
Koordinaten: 52° 23′ 51,8″ N, 14° 6′ 1,8″ O
- Zionistische Organisation
- KZ-Sammellager
- Gegründet 1932
- Brandenburgische Geschichte (20. Jahrhundert)
- Jugend im Nationalsozialismus
- Jüdischer Widerstand gegen den Nationalsozialismus
- Landerziehungsheim
- Jüdische Schule in Deutschland
- Judenverfolgung im Deutschen Reich (1933–1945)
- NS-Zwangsarbeitslager
- Ehemaliges Internat in Deutschland