ihr, nahm den kleinen Kopf des Mädchens zwischen seine Hände und küßte sie liebevoll auf ihre Stirn: »Nein, Kind, so Gott will,« sagte er leise; »ich liebe ihn ja noch mehr als Du!«
»Noch mehr?« murmelte das Mädchen und schüttelte finster mit dem Haupte. Das sah ich noch; dann war ich mit dem Wildmeister draußen vor dem Hausthor. Da stand schon die Falada, von dem Knecht gehalten; das edle Thier streckte den Hals und wieherte grüßend in die helle Nacht hinaus; der greise Mann aber reichte mir die Hand: »Lebet wohl, Herr Pastor!« sprach er, »betet für mich, Ihr kennet ja das Wort der Schrift: Unstät und flüchtig sollst Du sein auf Erden! — Noch dies; dann, hoffe ich, wird Ruhe sein.« Und da er mich itzt ansahe, war mir, als schaue ein lebenslanger Gram aus diesem edlen Antlitz.
Er bestieg das Roß, wandte es und ritt über den Hof zum Thor hinaus; ich aber ging ihm bis an den Rand der Mulde nach und sah noch eine Zeit lang die hellen Mähnen seines Rosses in der dunklen Haide fliegen.
– – Als ich die Treppe im Herrenhause wieder hinaufstieg, hörte ich die Thür des Krankenzimmers gehen, und mit ihrem Krückstock kam die blinde Matten daraus hervor.
»Wo will Sie hin, Matten?« frug ich.
»Zum Herrn,« entgegnete sie kurz; »aber faß Er mich an, Magister!«
Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_133.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)