Da erhielt der Greis die Sprache wieder: »Nur alt, Herr Oberst; geben Sie mir einen Trunk von jenem Wein!«
Der Oberst schenkte den großen Glaspokal zum Rande voll, und der Alte trank durstig bis zum letzten Tropfen. Und allmählich richtete er sich auf: »Wer ist zur Brücke?« frug er.
»Niemand«, sprach der Oberst.
Vom Kirchthurm unten aus dem Dorfe schlug es Mitternacht, und Alle wandten das Haupt, um dem Schalle nachzuhorchen.
»Es ist Zeit!« rief der Alte und stand aufrecht, wie wir vor Jahren ihn gekannt hatten. »Gebet mir des Junkers Pferd Falada, so soll die Erde uns nicht lange halten!«
»Gehe, Marten«, sprach der Oberst, »und sattle die Falada!«
Und der Knecht trollete sich schweigend, und die anderen Knechte und die Dirnen gingen mit hinaus. Der Oberst reichte dem Wildmeister die Hände: »Ihr seid der Alte noch! Wir harren Euer, bis Ihr wiederkehret; und Gott geleite Euch!«
Doch als dieser sich zur Thüre wandte, stand Abel vor ihm, mit ihren großen schwarzen Augen zu ihm aufblickend: »Ich darf nicht,« sagte sie; »aber, Herr, Ihr werdet nichts versäumen!«
Da neigte der noch immer aufrechte Mann sich zu
Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_132.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)