zu erkennen, denn eben erst kam im Osten die röthliche Scheibe des Mondes über den Rand der Erde.
»Wir müssen warten«, sagte der Alte; »wir dürfen heut kein Licht entzünden!« Und er drückte uns auf zwei Stühle nieder, während er selber wieder nach unten hinabschritt.
Noch bevor er wieder bei uns war, kam vom Hofe herauf das klägliche Geschrei eines Zickleins, das je mehr, um desto stärker wurde. Als er dann hereinkam, sprach er: »Tretet nun ans Fenster!« Und da das geschehen, sahen wir unten ein weißes Zicklein, das von einem aus dem Hause an einem Stricke vor der Thür gehalten wurde und zeitweilig seinen Lockruf in die Ferne schrie; denn der Mond war eben seitwärts von Grieshuus emporgestiegen und warf jetzt einen Schimmer draußen über den Mauerrand. Da sahe ich zwei Seile, die von dem Thor in unser Zimmer gingen, und der Wildmeister wies uns, wie er dasselbe damit aufthun und verschließen könne; aber er hielt es noch verschlossen.
Der Junker lugte mit heißen Wangen hinaus. »Wo sind die Hunde?« frug er.
»Eingeschlossen; wir brauchen sie heute nicht.«
Der Junker nickte.
»Es ist eine Wölfin,« sagte der Alte; »ein wild und grausam Thier, denn sie hat spät gewölfet; wenn sie Abends ausgeht, ist kein Hausthier mehr draußen und das Kleingewild verkriecht sich in die Erde.«
Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_117.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)