frug er. »Er sollt’ es fortnehmen; schon vor Mittag hatt’ ich’s ihm geheißen.«
»Der Junge ist was vergeßlich, Herr; ich denk’, er ist wohl schon zu Hof gegangen.«
Als der Junker nach der wunden Pfote faßte, schrie das Thier erbärmlich. »Vorwärts«, rief er dem Knechte zu; »wir wollen auch zu Hof!«
Der Junge Hans Christoph aber stand noch droben vor dem Thorhaus, und ein süßes zehnjähriges Dirnlein neben ihm. »Was willst Du denn so spät noch?« frug er; »es wird ja balkendunkel, eh’ Du wieder heim im Dorf bist; und hörst Du? Es kommt Unwetter aus Nordwest!«
»Ja«, sagte sie und nickte mit ihrem blonden Köpfchen, »ich fürcht’ mich auch; aber ich trag’ hier Schriften, die so spät erst fertig worden; mein Vater hat sie für Euren alten Herrn geschrieben, und Du könntest sie ihm wohl bringen; ich scheu’ mich so vor ihm.«
Aber Hans Christoph antwortete nicht; mit entsetzten Augen starrte er auf den kleinen Zug, der eben jetzt den Haidestieg hinaufkam; denn in erschreckender Deutlichkeit baumelte das vergessene Eisen an der Hand des voraufgehenden Knechtes; darüber erblickte er den weißen Hund, der gleich einem wunden Wild auf seinen Armen lag. Und schon waren sie oben, und der Junker stand mit grimmem, schier verzerrtem Antlitz vor dem Jungen.
Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_017.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)