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Kein Sommernachtstraum
Kein Sommernachtstraum
Kein Sommernachtstraum
eBook354 Seiten4 Stunden

Kein Sommernachtstraum

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Über dieses E-Book

Einige große Fachwerkhäuser hatten über Jahre im Wald geschlafen. Mächtige Bäume sind inzwischen durch das Mauerwerk gewachsen. Der Ort sieht aus wie ein verlassenes Kloster, dessen verstorbene Mönche nachts durch den Hof schweben und muss nun zu neuem Leben erwachen um in einer extrem schwierigen Situation zu helfen.
Ezra hat wieder einmal einen seiner unmöglichen Jobs und soll in kürzester Zeit ein Hotel herstellen. Die verlassenen Häuser müssen schnellstens bewohnbar werden. Eine Geheimdienstaktion unter maximalem Stress verlangt von ihm, dass bestimmte Personen glauben, dass dort ein friedlicher Ort zur Erholung wäre, ein Ressort, dass seit Jahren seine Gäste empfängt. Angeblich wurde Frau Dr. Dilmon nach einer Kidnapping Aktion aus dem Urwald gerettet und soll sich dort erholen. Aber ist sie wirklich Frau Dr. Dilmon? Oder ist sie jemand, der ihren Platz einnehmen soll? Was ist da in Südamerika tatsächlich passiert?
Während der Stress am höchsten ist, stellt Ezra fest, dass rund um sein Ressort Steinkreise entstehen. Ein Landeplatz für Aliens? Die Einwohner des Ortes sind mit den Außerirdischen vertraut, nur können sie sich nicht einigen, wie genau die Besucher aus dem All aussehen und was sie denn im Wald da wollen.
SpracheDeutsch
Herausgebertelatzky
Erscheinungsdatum5. Okt. 2021
ISBN9783748796381
Kein Sommernachtstraum

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    Buchvorschau

    Kein Sommernachtstraum - Sanne Prag

    TIEF IN DER NACHT

    Judith hatte bereits eine lange Fahrt hinter sich. Sie war spät losgezogen – viel zu spät. Ihre Augen waren zu ganz kleinen Schlitzen zusammengekniffen und starrten verbissen über den Rand des Lenkrades. Nachts fahren war immer schwierig. Sie war zwar nicht nachtblind, aber sie bildete sich ein nichts zu sehen. Sobald sich Dunkelheit über die Straße legte, wurde sie ein Maulwurf oder eine Fledermaus, blind und auch ohne Radar. Vor ihr war eine dunkle Fläche. Die Welt ohne Farbe gebar Mythen und schrumpfte den Ausblick auf ein winziges Fenster. Die Augen wuchsen dabei aus dem Kopf. Sie fraßen sich an Formen fest und schufen ihre eigene Sage: War das dort ein Baum oder ein Mensch? – der Moment, in dem Mystik passiert - als Antwort, auf das was nicht wirklich zu erkennen ist. Vielleicht war das dort ein übrig gebliebener Saurier oder ein Alien?

    Sie hatte ja eigentlich viel früher fahren wollen, aber da waren noch 2 Patienten, die sie betreuen musste. Wenn sie jetzt länger nicht da war, wollte sie alles geordnet haben. Sie brauchte Ordnung um ihrer chaotischen Seite in Ruhe beim Wuchern zu schauen zu können…

    Und dann gab es plötzlich kein warmes Wasser mehr in der Praxis. Aus mit den Wohltaten der Zivilisation – es kam kalt. Die Terme blieb stumm als sie an dem Hahn mit dem roten Punkt drehte, kein Aufheulen, kein Surren – Stille in dem weißen Körper. Sie brauchte zwar kein Warmwasser, wenn sie nicht da war, aber sie wollte die Tage in dem „Waldhotel" in Ruhe verbringen, nicht ständig an die Terme denken müssen. Judith neigte dazu an Problemen herum zu kauen. Jedes Mal, wenn die Therme verweigerte schlich sie in kleinen Kreisen um die Zeitschaltuhr und rief dann schließlich doch an – den Mann der es regeln konnte.

    Der Schutzengel aus den höheren Regionen der Installation aber war unwillig. Das war er immer.

    Er betrachtete die alte Anlage jedes Mal mit Abscheu. Wenn sie keine neue kaufe, versicherte er ihr, würde die Zentralheizung nie funktionieren. – Das war der übliche Verlauf – meist verlangte sie beharrlich und widerständig, dass er das System wieder einschalten sollte, mit einem Knopf – sie wusste nie welchen. Technik war nicht ihre starke Seite. Es gab da einen Knopf, - einen alles regelnden Knopf an dem kleinen rechteckigen Ding, das angeblich Macht über den weißen Thermenkörper hatte. Das kleine rechteckige Ding hatte ein Geheimnis: Es hatte viele Funktionen – kleine Sonnen und Monde und verschiedene Zeichen. Irgendeine Einstellung war die mit der Macht. Der Erzengel vom Installateur wusste das. Er hielt aber sein Wissen geheim, wohl aus finanziellen Gründen. Aber manchmal hatte er ein Installations-Gewissen und dann hatte sie wieder einmal eine Chance. So war nach einigen Diskussionen die Terme auch diesmal zum Leben erwacht und hatte warmes Wasser gespendet… Das wäre ein beglückendes Ereignis gewesen - aber es war viel zu spät geworden. Die Tage waren wohl im Sommer lang, aber jetzt war es dunkel: Es war stockfinster, sie musste ihre Augen ansträngen um weit genug zu sehen - und da gerade beschloss das Navi auszufallen. Auch ein Rütteln am Zigarettenanzünder hatte nichts gebracht, es hatte sich höflich aber endgültig von ihr verabschiedet.

    Sie versuchte das Gefühl von Verlorenheit zu unterdrücken, aber in dem Blindflug, in dem sie unterwegs war, hatte sie sich schon auf einer Baustelle verfahren, weil einer von den Richtungspfeilen umgefallen war. Immer wenn sie die Orientierung verlor, nahm ein mächtiges Gefühl Platz, eine ungeheure Leere breitete sich aus. Sie fühlte sich auf dem Mond ausgesetzt, Bedrohung in einer fremden Welt – im Weltraum. Die anderen kannten sich alle aus, sie nicht. Alle anderen wussten wo sie hin wollten nur sie nicht. Auf der Baustelle vor einer Stunde war sie im Niemandsland gelandet, Ende des Asphaltes, kleine weiße Steine, Ende der Pfeile, ein abgestellter Lastwagen in der nächtlichen Steinwüste. - Die anderen wussten alle wo sie hin wollten nur sie nicht. Aber diese Baustelle konnte es wohl nicht gewesen sein. - Auto war Freiheit, Selbstständigkeit, Möglichkeit zum spontanen Entschluss, aber tatsächlich nur auf gewohnten Strecken. Welch ein Widerspruch! Ein ständig schales Drücken in der Magengrube verlangte nach Klarheit, damit alle ihre Organe wieder an die richtige Stelle fielen.

    So klammerte sie an ihrem Lenkrad und fuhr durch die Nacht immer im Zweifel, immer in Unsicherheit: War sie am richtigen Weg oder am falschen?

    Eine Nervenprobe war es dazu noch langsam zu fahren. Langsam war aber notwendig, weil sie sonst die Hinweisschilder nicht entziffern konnte. Autos stauten sich hinter ihr. Das hielt sie schlecht aus. Sie glaubte durch die schwarzen Scheiben wutverzerrte Gesichter zu sehen und hatte das Gefühl sich in Luft auflösen zu müssen. Bei Patienten bearbeitete sie das: Jeder habe das Recht auf seinen m2 Boden, sagte sie immer, hat das Recht vorhanden zu sein, wenn er doch geboren war! Aber wenn einer knapp an ihre Stoßstange fuhr vergaß sie die weisen Worte sofort – und wollte verschwinden, sich auflösen in ein rosiges Nirwana ohne Störung und Stoßstangen.

    Die Anspannung blieb. Sie fuhr weiter auf Sicht – auf nicht vorhandene - mit Ameisen im Rücken: sie musste die aufhalten, die doch wussten wo genau ihr Weg war und sie allein wusste es nicht.

    Schließlich hatte sie die Abfahrt geschafft, die sie mit einiger Wahrscheinlichkeit für die Richtige hielt. Die Landstraße schlängelte sich nun unentschlossen vor ihr her. Sie war durch ein Dorf gekommen und empfand zuerst große Erleichterung. Menschliche Siedlungen waren Orte der Unterstützung. Aber angesichts der stockdunklen Fassaden kamen ihr Zweifel. Langsam war sie zwischen den schlafenden Fensterreihen durchgefahren – ungesehen. Keiner wusste von ihrer Existenz – keiner hier. Wenn sie die Erde verschluckte, war sie einfach spurlos weg…

    Sie fuhr weiter, durch ein Waldstück mit sehr hohen alten Bäumen. Über ihr ein schmaler Streifen Sternenhimmel. Irgendwo hinter den Baumriesen leuchtete ein Mond. Die Stämme wirkten bläulich dunkelgrau und verloren sich im Schwarz. Da fiel die Elektrik vom Auto aus. Einfach so, plötzlich. Der Kamerad mit dem sie gemeinsam durch die dunkle Welt gezogen war, stand leblos, ohne schnurren, ohne irgendeinen Laut.

    Es war grauenhaft. Nichts rührte sich mehr. Kein Licht, kein Motor, nichts. Wieso war der so einfach tot? Wer hatte ihn getötet?

    Aliens fielen ihr ein. Würde jetzt gleich ein Raumschiff über ihr erscheinen und sie mit einem Strahl hochbeamen? Als Versuchsobjekt.

    Würden sie ihr alle Zähne reißen und sie mit Krankheiten infizieren - nur so, aus Wissensdurst? Einfach aus Forscherdrang? Funktionierten Aliens wie Menschen? Und was würde dann sein - ein Restleben in einem weißen Käfig?

    Ein Bild von einem hellen Menschen in einem Anzug wie ein Marshmellow-Männchen drängte sich vor, freischwebend im unendlichen, stockdunklen All, hinter ihm einzelne Sterne, die dünne, helle Schnur zum Raumfahrzeug gerissen. Die Gestalt schwebte davon. Was war dann? Wie konnte man im luftleeren Raum heimfinden? Wie konnte man Richtung machen. Vielleicht schwimmend? Nein, nicht ohne Luft. Sie saß wie versteinert, starrte durch die Windschutzscheibe und hielt sich am toten Lenkrad fest.

    Dann machte sich Restvernunft bemerkbar. Sie konnte keine Aliens sehen und Autos waren auch nur Maschinen, die halt gelegentlich Defekte hatten. Sie ließ das Fenster ganz herunter und setzte sich damit den unsichtbaren Bedrohungen des Waldes aus. Die Luft war angenehm und die dunkle Masse der Bäume machte leise Geräusche. Sie könnte bis zum Tagesanbruch sitzen bleiben, war aber dann vor dem gleichen Problem wie gerade eben – es war nicht klar ob jemand vorbeikäme, ob der halten würde, Hilfe leisten… Denn sie wusste ja nicht wo sie war und sie hatte auch einen Job. Sie musste anwesend sein am nächsten Vormittag. Da begann diese seltsame Aufgabe. - So etwas hatte sie noch nie gemacht. 11 Uhr am nächsten Vormittag begann dieser Auftrag in einigen Kilometern Entfernung… Hoffentlich in wenigen Kilometern Entfernung…

    Aber jetzt in diesem Moment musste sie mit dem Alien Angriff fertig werden. Sie versuchte in sich hinein zu lächeln über den Witz aber es gelang nicht so richtig. Die Einsamkeit umschlang sie rücksichtslos. Vernunft befahl ihr auszusteigen und auf der Straße weiter zu gehen – irgendwo musste die ja hinführen, vielleicht war ja das „Waldhotel" näher als sie dachte?

    Den letzten Ort der Sicherheit zu verlassen kostete einige Mühe. Der Widerstand war heftig. Sich panisch auf dem Sitz einzuringeln war so nahe liegend…

    Vorsichtig stieg sie aus und ging um das stille Auto herum. Dann packte sie die notwendigsten Kleidungsstücke aus ihrem kleinen Koffer in einen Sack, hängte noch ihre Tasche über die Schulter, stellte das Pannendreieck auf und versuchte sich sportlich aktiv zu fühlen. Die Bewegung war nicht das Problem – es fühlte sich gut an Beine zu haben, auf denen man schnell weglaufen konnte, vor was auch immer… Sie gab sich einen Stoß ins Dunkle hinein. Es fühlte sich an wie ein Sprung vom 10m Brett. Dann aber begann sie forsch auszuschreiten – sie wollte sich forsch fühlen.

    Der Wald führte neben der Straße weiter und weiter – sie hatte Sehnsucht nach einer Wiese – wenigstens einer Wiese. Eigentlich hatte sie Sehnsucht nach bewohnten Häusern mit Licht. – Ein Lichtlein im Dunklen wie im Märchen, das war es, was eine gute Fee für sie herzaubern sollte…

    War da ein seltsames Geräusch? Hatte sie etwas gehört? Wahrscheinlich akustische Halluzinationen, weil sie so angespannt war.

    Nein da war ein seltsames Geräusch. Es klang wie ein musikalisches Surren. Was war das?

    Ein kleiner Weg führte in den Wald in der Richtung, aus der sie glaubte den seltsamen Ton zu hören. Es klang jetzt wie Luft in Telegraphendrähten. Wie eine Harfe die seltsam gespielt wurde – aber doch bitte nicht mitten in der Nacht. Vorsichtig folgte sie dem Pfad ein kleines Stück, schaute immer über die Schulter um die Straße noch im Blick zu haben. Das Geräusch war jetzt von anderen Tönen begleitet. Sie hörte deutlich, es war erzeugt – von Menschen? Durch die Bäume war ein blasser Schein zu sehen, bläulich. Wenn es Menschen waren, dann könnte vielleicht Hilfe zu holen sein. Räuberbanden, waren ja inzwischen selten geworden – oder nicht? Die wohnten jetzt in den Städten nicht im Wald.

    Sie verhielt sich sehr leise, - sicher war sicher. Es schien etwas wie eine Lichtung vor ihr zu liegen aus der die Töne kamen.

    Vorsichtig spähte sie durch das Buschwerk. Das Geräusch war jetzt klar von ungewöhnlichen Instrumenten erzeugt. Sie konnte aber noch immer nicht sagen, wovon genau es erzeugt war. Ein fremder Klang – erinnerte sie ein bisschen an ein Didgeridoo luftig, wie Musik vom Wind.

    Da lief etwas über den schmalen Spalt, den der Wald an der Mündung des Weges in die Lichtung frei ließ. Es war etwa so groß wie sie. Es war hell. Judith hatte ein Gefühl in ihrem Brustbein, das schlagartig alle anderen Gefühle verdrängte. „Da sieht man wozu Ängste fähig sind" dachte sie. Etwas hatte sie ein Alien sehen lassen. Sie kroch geräuschlos näher. Zwischen den Bäumen durch starrte sie auf etwas im schwachen Licht bis ihr die Augen weh taten: auf der Lichtung bewegten sich Geschöpfe seltsam, wie in Zeitlupe. Helle, glatte Gestalten und jede hatte Antennen auf dem Kopf, die aussahen wie Fühler von Insekten. Der Klang des Digeradoo veränderte sich nur wenig. Die Gestalten schienen im Kreis zu gehen aber jeder Schritt war übertrieben lang, die Beine wurden bis zur Brust hochgezogen und dann lang vorgestreckt. Und so wanderten die rundum. Es war nicht grauenhaft – es war nur unmenschlich.

    Judith stand zwischen den Büschen und wagte kaum Luft zu holen. An der Szene veränderte sich die ganze Zeit nichts. Die Gestalten gingen wie in Zeitlupe im Kreis. Die Antennen waren nicht gleich, fiel ihr auf. Manche hatten 2 Fühler und manche nur ein Ding, das aussah wie eine antike Fernsehantenne in Schlingen und Mustern gedreht auf dem Kopf. Und wieso leuchteten die Gestalten blass? Es war kein Licht im Umkreis zu sehen. Sie waren nicht beleuchtet, sie leuchteten selbst.

    Während sie dort stand entwickelte sich kalter Schweiß in ihren Achseln und unter ihrer Brust. Schließlich kam sie zu einer Entscheidung. Es schien nicht wirklich möglich in dieser Szene nach dem Weg zu fragen. Nein! Sie zog sich vorsichtig zurück, sehr vorsichtig.

    Als sie die Straße wieder unter den Beinen hatte, war es vor allem wichtig, dass die kleinen Steinchen unter ihren Schuhen still blieben, kein Knirschen, kein Rascheln. Was sie da gesehen hatte war sicher keine Erfindung ihrer gereizten Fantasie. Sie hatte tatsächlich etwas wahrgenommen, das wie Aliens ausschaute… Was tun mit der Erfahrung? Wer immer es war schien sie nicht bemerkt zu haben. Sie wollte auch weiter nicht bemerkt werden, nein… sicher nicht.

    Sie versuchte sehr schnell weg zu kommen ohne ein Geräusch zu machen. Immer wieder über die Schulter schauend lief sie möglichst lautlos die Straße entlang und kalter Schweiß sickerte in ihr Gewand.

    Der Wald nahm noch immer kein Ende, die Straße wand sich bergauf. Sie hoffte so sehr auf ein Ortsschild. Diese weißen Tafeln mit der schwarzen Schrift wurden zum Ziel ihrer Sehnsucht. Schon mehrmals war vor ihr eine Erweiterung in der Wald-Wand erschienen. Eine Fata Morgana für ihr Verlangen – aber da waren nur Baumstämme keine Lichtung, keine Wiese. Irgendwo musste diese Straße hinführen, das war ihre Aufgabe. Oder nicht?

    Schließlich kam sie wieder zu einer Erweiterung, die sie nicht mehr ernst genommen hatte. Der Himmel hatte sich inzwischen von dunkel zu blass verfärbt und sie stand über einem Dorf mit allem was ein Dorf zu bieten hatte außer Licht. Es schlief noch, was ja auch zu erwarten war.

    Sie ging den Hang hinunter fand eine Bank zwischen den Häusern und setzte sich um den Morgen zu erwarten.

    ZEITLICHER MORGEN

    Als alle Ansprechstellen wieder erwacht waren, fand sie einen kleinen dünnen Mann namens Hiltinger, der auch Autos reparieren konnte und stellte fest, dass sie in der Nacht auf der Anhöhe an ihrem Waldgasthof vorbeigelaufen war. So machte sie sich auf um den Berg wieder zu ersteigen, fröhlich und guter Dinge. Ein herrliches Selbst begleitete sie, das jede schwierige Situation meistern konnte, was sie ja in dieser Nacht bewiesen hatte…

    Der Waldgasthof rief nach ihr. Es war dringend nötig, dass sie zum angegebenen Zeitpunkt dort war. Abmachung war 11 Uhr. Ein gut bezahlter Auftrag mit Urlaub.

    Die seltsame Forderung war vor 8 Tagen an sie herangetragen worden. Sie war sehr vorsichtig gewesen mit ihrer Zustimmung. Dann hatte sie überlegt was für Gefahren tatsächlich über sie kommen konnten. Was war gefährlich daran 2 Wochen Urlaub zu machen und dabei ein Urteil über eine fremde Frau abzugeben? Dass es hier um kein offizielles Gutachten ging hatte sie klargestellt, dass sie möglicher Weise zu keinem Urteil käme, hatte sie auch eingewendet. Das könnte schon passieren hatte ihr Auftraggeber gemeint – aber bestmöglich wäre ja auch schon eine Hilfe.

    Sie sollte bestmöglich was beurteilen? Um was genau ging es? Da war er sehr zugeknöpft gewesen. Schließlich versuchte er eine Erklärung ohne tatsächlich etwas zu sagen: „Die Einheit, die mit dem Problem umgehen muss, hat sehr unterschiedliche Wege um mit dem Problem umzugehen…" quetschte er heraus. Er hieß Schneider und saß bei ihr in der Praxis, ein kleiner grauer Mann, der nett wirkte und daran gewöhnt war Befehle auszugeben ohne mitzuteilen, was er eigentlich wollte.

    Judith hatte mit einigermaßen fester Stimme ihren Standpunkt behauptet: „Ich kann ja nicht die Fähigkeiten dieser Dame beurteilen ohne zu wissen, um welche Fähigkeiten es sich eigentlich handeln soll. Soll sie als Kaninchenzüchterin oder in der Buchhaltung ihre Frau stellen oder soll sie vielleicht eine gute Mutter für kleine Staatsangehörige sein?"

    Er hüstelte und dachte eine Weile. „Nun sagte er schließlich langsam „eigentlich sollte sie eine Biologin sein, die Feldforschung in Südamerika gemacht hat. Stille.

    Judith dachte jetzt auch länger: „Und ich soll nun beurteilen, ob sie eine gute Biologin ist?" Sie konnte sich zu diesem Zeitpunkt nur schwer von dem Gedanken lösen, dass es um Beurteilung der Eignung für einen Job ging, denn das hatte sie schon zweimal gemacht. Sie war damals still neben dem zuständigen Machthaber gesessen hatte sich bemüht wie eine Sekretärin auszusehen. Nachher wurde gefragt, was sie von der Person denn wohl dachte.

    Eigentlich mochte sie solche Situationen nicht, denn nie wäre sie auf die Idee gekommen einen Menschen in einer Stunde beurteilen zu wollen. Sie war damals immer ausgewichen, hatte bestimmte Fähigkeiten erwähnt, hatte Zurückhaltung geübt, einen Hinweis auf Verhalten gegeben, das zu erwarten wäre, ohne wirklich ein Urteil zu fällen. Das schien aber trotzdem gute Ergebnisse gebracht zu haben. Denn die Anwesenheit des kleinen, grauen Herren in ihrer Praxis war eine Folge dieser Beurteilungen. „Ich soll herausfinden ob sie tatsächlich etwas von Biologie versteht?" Judith fand das seltsam.

    „ Nein falls sie nicht Biologin ist, hat sie sicher so viel Wissen, dass sie zu keinem Urteil kämen, sagte er sachlich. Es dauerte wieder eine Weile, Judith saß die Pause aus. „Es ist mehr die Frage, was sie für eine Art Mensch ist.

    „ Und was wollen Sie dann daran beurteilen?" Judith fühlte sich inzwischen wie ein Dachshund, der sich in einen Dachs verbissen hatte - tief in seiner Höhle.

    Es dauerte wieder: „Sie ist gekidnappt worden und wir wissen nicht ob es sich tatsächlich um Frau Dr. Dilmon handelt." Judith hatte das Gefühl er hätte in dem Moment alle Schutzkleidung abgelegt, sich herausgewunden aus seiner Rüstung und stand nackt und bloß vor ihr mit dieser Aussage.

    In ihrem Kopf kreisten Bilder, Fragen, Entwicklungen.

    „ Ja aber die Identität muss sich doch viel sicherer feststellen lassen? Da muss es doch viel klarere Möglichkeiten geben?"

    „ Wir wollen keinesfalls, dass man unser Mistrauen merkt und außerdem geht es auch um ein Mehr an Information. Wenn sie nicht Dr. Dilmon ist, möchten wir ihr Verhalten einschätzen können."

    „ Aber Fotos und so simple Dinge wie vielleicht eine Schwester oder ein Freund könnten da doch Klarheit bringen."

    „ Wenn sie nicht Frau Dr. Dilmon ist, versucht sie es zu sein. Sie hatte eine Gesichtsoperation. Nach einiger Stille fügte er noch hinzu „… und ich kann sie nicht einfach bitten sich auszuziehen um zu schauen ob sie ein Muttermal neben dem Nabel hat. Wieder war eine Pause „Das Muttermal im Gesicht ist vorhanden, aber das wäre ja wohl auch künstlich machbar. – Wir wollen auf keinen Fall, dass sie unseren Zweifel merkt, wiederholte er. Und dann nach einer langen Pause: „Wenn die Frau nicht Dr. Dilmon ist, kann sie uns unter bestimmten Umständen viel nützen… Dafür benötigen wir sie.

    Jetzt brauchte Judith eine Denkpause. „Sie wollen also, dass ich beurteile, was für eine Art von Mensch Frau Dr. Dilmon ist, damit sie beurteilen ob es sich um Frau Dr. Dilmon handelt?"

    „ Ja auch. Es geht aber mehr um die Frage, was weiterhin von ihr zu erwarten ist."

    Judith zog nur mehr die Braue hoch und saß zurückgelehnt in ihrem Sessel.

    „ Wenn sie nicht Frau Dilmon ist, muss es ja einen Grund geben, warum sie es sein möchte", sagte er noch ganz ruhig.

    Das war das Gespräch gewesen, das sie an diesen Ort gebracht hatte. Wer war Frau Dr. Dilmon? Eine Biologin, die man gekidnappt hatte in Südamerika. Ganz normal, und warum käme dann jemand anderer aus dem Urwald? Warum käme jemand anderer aus der Gefangenschaft?

    Judith wanderte am Rande der Straße und es war inzwischen ziemlich heiß. Die Wiesen wogten und flirrende Hitze stieg aus dem hohen Gras und sie musste noch ein Stück bergauf gehen. Schließlich begann der Wald wieder, angenehm kühl, freundlich, die Ängste der Nacht gab es nicht mehr. Waren die Aliens noch da? Aber bei Tag waren auch Aliens ein durchaus machbares Problem – nur nachts war alles ganz anders…

    Ein Wegweiser „Waldhotel" hing ein wenig traurig an einem Holzpfahl, den hatte sie natürlich in der Nacht nicht bemerkt. Ein Weg führte zwischen sehr hohen, alten Bäumen in die Tiefe.

    Die Gebäude wirkten düster in ihrer Abgeschiedenheit und waren ziemlich groß. Es sah fast aus wie ein kleines Dorf mit einigen Häusern. Fachwerk ragte hoch in den Wald hinauf. Baumwipfel streichelten an düsteren Giebeln.

    Es war knapp nach 10 Uhr - sie hatte es geschafft. Eine erste Erleichterung breitete sich wie Sonne in ihrem Inneren aus. Eingehaltene Termine waren etwas Schönes, wenn man vorher so viele Widerstände niederringen musste. Sie würde sich nun zu einem friedlichen Kaffee niederlassen. Still ging sie durch die fremde Türe und suchte einen breiten Fauteuil.

    Ein blonder jüngerer Mann lief auf und ab um in dem Raum neben ihrem breiten Ledersessel etwas herzurichten. An der Wandseite schob er Tische zusammen. Er bedecke sie mit hübschen Tüchern, brachte Wasserkaraffen, Gläser und stellte eine Reihe Sessel zwischen den Tischen und der Wand auf. - Das konnte doch wohl kein Mittagstisch sein? Oder?

    Ein großer, älterer Mann kam mit einigen Mikrophonen in der Hand und stellte sie auf die Tische. Er schaute sich die Anordnung an. Eines nahm er wieder und fand einen anderen Platz dafür.

    11 UHR

    Es waren Vorbereitungen für eine Pressekonferenz.

    Der Raum füllte sich locker mit Journalisten.

    Der junge blonde Mann schien unruhig zu werden und jemanden zu suchen. Schließlich kam er zu Judith um zu fragen, ob sie die Psychologin sei. Beide waren erleichtert ein Wenig Klarheit zu haben. Es war für beide wie ein kleines Stückchen blauer Himmel, der plötzlich durch eine dichte Wolkendecke schaut. Er sagte: „Frau Dr. Dilmon gibt eine Pressekonferenz über ihre glückliche Rettung. Ich habe hier die Hotelbetreuung übernommen. Ich werde Ihnen Ihr Zimmer nach der Pressekonferenz zeigen. Leise fügte er hinzu „Ich denke die Pressekonferenz ist für Sie ein guter, erster Einstieg. Damit lief er weiter. Judith erkannte – der Mann weiß worum es geht. Das war ihr wissender Anker für die nächste Woche. Langsam beruhigte sich auch ihr Magen und ihre Muskeln wurden lockerer. Sie suchte sich einen Platz mit guter Sicht auf den langen Tisch und wartete.

    Noch mehr Mikrofone wurden hereingetragen. Es wurde drauf geklopft worauf sie hüstelten ein Zeichen, dass sie im Arbeitsmodus waren.

    Schließlich kam ein jüngerer Mann schick, sichtbar tüchtig mit Windstoßfrisur. Der große ältere stand neben dem Tisch. Er hatte ein unscheinbares Aussehen, unscheinbare Kleidung aber er wirkte gezielt und mächtig. Er war zweifellos einer der Organisatoren. Er stand still dort und seine Schultern waren angespannt, sein Nacken leicht nach vorne gerichtet, wuchtig wie ein Stier mit einem Ziel vor Augen. Sehr aufmerksam scannte er den Raum. War das ein Kollege von ihrem kleinen grauen Mann? Zweifellos einer, der Fäden in der Hand hielt. Eine elegante, grauhaarige Dame, stark geschminkt setzte sich hinter ein Mikrofon. Also wohl eine Journalistin?

    Judith hatte ein wunderbares Gefühl nur anwesend zu sein und Forschung zu betreiben, still und ohne Stress, nicht wie letzte Nacht. - Bei einer Pressekonferenz gab es keine Aliens – oder waren das alles verkleidete Aliens? - Bei Tag war auch das kein Problem. Der breite Ältere setzte

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