Urban Fantasy Going Fat
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Über dieses E-Book
15 Own-Voice-Autor*innen erzählen Geschichten von dicken_fetten Hauptfiguren, die in Städten und Metropolen Raum einnehmen – auch wörtlich. Laut! Fordernd! Selbstbewusst!
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Buchvorschau
Urban Fantasy Going Fat - Aşkın-Hayat Doğan & Elea Brandt (Hrsg.)
Herausgegeben von
Aşkın-Hayat Doğan & Elea Brandt
URBAN FANTASY GOING FAT
Anthologie
Grafik2Die Deutsche Bibliothek und die Österreichische Nationalbibliothek verzeichnen diese Publikation in der jeweiligen Nationalbibliografie.
Bibliografische Daten:
http://dnb.ddp.de
http://www.onb.ac.at
© 2023 Verlag ohneohren, Ingrid Pointecker, Wien
www.ohneohren.com
ISBN: 978-3-903296-56-5
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
logo_xinxiiHerausgegeben von: Aşkın-Hayat Doğan & Elea Brandt
Coverillustrationen: Jacqueline Weber, Giovanni Cancemi | Adobe Stock
Korrektorat, Lektorat: Melanie Vogltanz, Verlag ohneohren
Textredaktion: Birgit Schwäbe
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und/oder der Autor*innen unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind völlig frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Inhalt
Vorwort
Das Lied der Stadt
Eine Münze für einen Gefallen
Der falsche Dozent
Melodie und Drachengold
Hortprobleme
Vexibel
Döner isch scho' a guta Sach
Crossroads
with me;
Zusammen können wir einfach sein
Alle zusammen
Herzkompression
Die Königin der Nacht
Eine ungewöhnliche Begegnung
Im Fokus
Vorwort
Aşkın-Hayat Doğan & Elea Brandt
„Urban Fantasy Going Fat ist nach „Intersectional
und „Queer die dritte Anthologie aus der „Urban-Fantasy-Going
-Reihe, die marginalisierten Stimmen im Urban Fantasy-Genre eine Stimme verleiht.
Dicke_fette Menschen werden in der Literatur – und auch in der Phantastik – oft auf Stereotype reduziert: die resolute Mutterfigur, der tollpatschig-treuherzige Sidekick oder der exzentrisch-dekadente Bösewicht. Oft versieht man sie dabei noch mit abwertenden Adjektiven, die Abscheu und Ekel auslösen sollen, oder baut ihren Story-Ark darauf auf, dass sie am Ende nicht mehr dick_fett sind und plötzlich wie Phönix aus der Asche steigen.
Dicke_fette Elfen waren über Jahrzehnte ein garantierter Lacher in Rollenspielen und so manches Regelwerk sah für dicke_fette Charaktere erhebliche Nachteile in körperlichen Fähigkeiten vor. Diese Einseitigkeit spiegelt sich auch in Illustrationen wider. Diese sind zwar in den letzten Jahren in Hinblick auf race und Hautfarbe deutlich diverser geworden, aber kaum in ihren Körperformen.
Mit „Urban Fantasy Going Fat" wollten wir dagegen ein Zeichen setzen, in dem wir dicke_fette Protagonist*innen in den Fokus nehmen. Unsere Geschichten von 15 Own Voice-Autor-*innen, erzählen von dicken_fetten Menschen, Superheld*innen und Fabelwesen, die das gesamte Spektrum an Gefühlen und Abenteuern erleben dürfen, von Romanzen über Komik bis hin zu Tragödien. Sie erzählen von Empowerment, aber auch von Diskriminierung und Mobbing. Sie machen dicke_fette Menschen sichtbar, in der Vielfalt, in der wir nun einmal existieren – von Held*innen bis Schurk*innen.
Es geht aber nicht nur um Repräsentation, sondern auch um die Sichtbarmachung von Own Voice-Perspektiven. Dabei hat uns diese Anthologie vor deutlich größere Herausforderungen gestellt als die vorherigen „Urban Fantasy Going-Projekte. Wen konnten wir um eine Geschichte für diese Anthologie bitten? Wen würden wir mit einer solchen Anfrage vielleicht verletzen? Die Zuschreibung „dick_fett
ist in unserer Gesellschaft so negativ verankert, dass damit immer eine (Ab-)Wertung mitzuschwingen scheint. Nicht umsonst hat die Modeindustrie zahlreiche blumige Umschreibungen gefunden, um Übergrößen zu vermarkten. Während „curvy, „plussize
, „vollschlank, „kräftig
, „body-positive und „mehrgewichtig
vermehrt – pun intended – Verbreitung finden, versucht die Fat-Acceptance-Bewegung die Begriffe „dick und „fett
für „dicke_fette" Personen als beschreibende Eigenbezeichnungen ohne abwertenden Charakter zu normalisieren.
Wir hoffen, dass diese Geschichten auch ein stückweit zu einer Normalisierung von nicht nur dicken_fetten, sondern allen unterschiedlichen Körper beitragen und ein respektvoller Umgang mit Bodydiversity in unserer Gesellschaft keine Utopie bleibt.
Unser Dank gilt allen Autor*innen, die uns ihre Geschichten anvertraut haben, an Johannes Ehsan Fischer fürs Schwäbeln und ganz besonders an den Juristen und an Oliver „Schpeiderbauch" Hoogvliet.
Euch allen viel Spaß beim Lesen!
Aşkın-Hayat Doğan & Elea Brandt
Berlin und Nürnberg im Mai 2023
Gloria H. Manderfeld
Über 20 Mal im Leben umgezogen. Zwei Katzen, Hut und Mann. Hatte bereits Jobs vom Barkeeper bis hin zur Büromaus. Studierte neben dem Leben selbst auch alte und mittelalterliche Geschichte. Liebt seit früher Jugend fremde Welten und ferne Zivilisationen so sehr, dass sie auch selbst welche entwirft und mit Leben füllt.
Fühlt sich sowohl in der Zukunft als auch in der Vergangenheit sehr zuhause und will dennoch nie im Mittelalter leben müssen, weil sie der Ansicht ist, dass sie dann nicht als Adelige, sondern als Bäuerin auf die Welt gekommen wäre. Würde mit einem Lichtschwert vermutlich eher sich selbst als den Gegner treffen und hätte am liebsten in ihrer Küche einen Replikator, daneben einen Droiden, der das Katzenklo reinigt.
Arbeitet ansonsten als Gaming-Journalistin für GameStar.de, Space4Games.com und babbelt im Games-Podcast Insert Moin
.
Content Notes - Hinweise zum Inhalt
Alkohol, Fatshaming, Essen, Verlust und Trauer/Depression
Das Lied der Stadt
Gloria H. Manderfeld
Zum vierundzwanzigsten Mal fluchte Anne innerlich über ihre Entscheidung, während sie keuchend innehielt und den Gehweg entlang aufwärts blickte. Wer fuhr denn schon freiwillig im Frühsommer in ein Land, in dem schon im Frühling Temperaturen zwischen zwanzig und dreißig Grad herrschten? Vor allem, wer fuhr schon freiwillig in ein Land, ohne die dort gesprochene Sprache zu können, ohne dort lebende Bekannte, ohne irgendeinen Plan? Auf der Karte hatte Lissabon zwar groß, aber bei weitem nicht so hügelig ausgesehen. Spontane Entscheidungen waren eher nicht Annes Gewohnheit, normalerweise durchdachte sie fast alles ganz genau. Kaum hatte sie einmal aus dem Bauch heraus entschieden, rächte sich das sofort: Was als Flucht vor dem Alltag begonnen hatte, entwickelte sich mehr und mehr zu einer Bergsteigertour. Genau die Art von Urlaub, um die sie normalerweise einen großen Bogen machte.
Anne schob ihren billigen Hut aus geflochtenem Stroh in den Nacken und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Inzwischen klebte jedes ihrer Kleidungsstücke an der Haut und brandmarkte sie so als ahnungslose Touristin.
Die Mittagssonne stand so hoch, dass es inmitten der Schluchten aus dicht an dicht stehenden Gebäuden kaum Schatten gab und sie sich in das Innere der etwas heruntergekommenen Häuser wünschte. Abseits der gepflegten Straßen des für Besucher aufgehübschten Baixa-Viertels war in den Wohngegenden Lissabons deutlich zu sehen, dass sich Portugal noch immer von einer langen Rezession erholte. Überall gab es bröckelige Fassaden, selbst mit Sperrholz ausgekleidete Fenster hier und da. Am liebsten wäre Anne umgedreht, den Berg wieder hinuntergelaufen und hätte sich auf die Avenida da Liberdade geflüchtet, an deren Seiten alte, hohe Bäume für eine angenehme Kühle und reichlich Schatten sorgten. Aber jetzt hatte sie sich schon den halben Weg in Richtung des Jardim Bôtanico hinauf gequält, jetzt musste sie auch den Rest schaffen. Wenigstens das, wenn sie schon nicht wirklich loslassen konnte, wovor sie eigentlich nach Lissabon geflüchtet war. Mit diesem Gedanken kam der Schmerz zurück, den sie wegen der körperlichen Anstrengung und der Hitze wenigstens für ein paar Momente vergessen hatte. Ein Problem allein hätte sie ja noch irgendwie ertragen können - dass sie in der Arbeit bei Beförderungen übergangen wurde, war Anne schließlich schon seit drei Jahren gewöhnt. Die Schließung ihres Lieblingscafés war die nächste Stufe auf der Eskalationsskala gewesen, denn den Laden hatte sie wirklich geliebt. Dort hatte es den besten Cappuccino jenseits von Mailand gegeben und ein Tiramisu zum Hineinlegen. Und dort hatte sie auch Evelyn kennen gelernt, auf dem Frauenklo.
Ausgerechnet dort! Die taffe blonde Schönheit im Businesskostüm hatte Anne um einen Tampon gebeten und so waren sie miteinander ins Gespräch gekommen. Als die beiden Frauen schließlich ein Paar geworden waren waren, hatten sich alle Leute in Annes Umgebung darüber gewundert. Nicht nur, weil Anne vor Evelyn Beziehungen mit Männern geführt hatte, sondern auch wegen des deutlichen Kontrasts zwischen den beiden. Die extrovertierte, karriereorientierte und nicht nur für Anne extrem attraktive Controllerin Evelyn fiel anderen schon auf den ersten Blick auf und bestach durch ihre charmante und offene Art. Die eher ruhige Anne ragte neben einer mies bezahlten Stelle im Lektorat eines Kleinverlags vor allem durch ihr üppiges Walkürenformat hervor und war einfach grundlegend ein zurückhaltenderer Mensch.
Mit Evelyn hatte sich in Annes Leben einfach alles richtig angefühlt. Bei Evelyns Lachen, das aus ganzem Herzen kam, war für sie innerlich immer die Sonne aufgegangen. Neben ihr aufzuwachen, mit ihr zu kochen, neue Restaurants auszuprobieren und gemeinsam Ausstellungen zu besuchen, zählte zu den schönsten Erinnerungen an die gemeinsame Zeit. Als Evelyn ihr nach einer für Anne gelungenen dreijährigen Beziehung in einem neu eröffneten Sushi-Restaurant zwischen Maki und Onigiri schließlich eröffnet hatte, dass sie der Liebe ihres Lebens wieder begegnet sei und sie ab sofort nur mit dieser zusammen sein wolle, war Anne aus allen Wolken gefallen.
Darauf waren einige Tage hektischer Wohnungssuche gefolgt, schließlich ein resignierter Umzug zu Annes Eltern zurück in ihr altes Kinderzimmer und von allen Seiten bedauernde Worte, die ihren Schmerz noch viel schlimmer machten. Bis heute fühlte sie sich, als hätte ihr jemand mit einem riesigen Paddel direkt vor die Stirn geschlagen. Oder vors Herz. Irgendwie abgestumpft und gleichzeitig so brennend schmerzerfüllt, dass sie manchmal nicht mehr richtig atmen konnte, wenn sie nur daran dachte, dass sie nie wieder nach dem Aufwachen in das entspannte Gesicht von Evelyn schauen würde. Es gab kein Zurück mehr, egal wie sehr sie das in den Tagen nach der Trennung noch gehofft hatte. Denn etwa zwei Wochen nach dem verhängnisvollen Abend hatte sie Evelyn Hand in Hand mit ihrer Neuen gesehen, einer zarten Rothaarigen mit großen Kulleraugen und einem hinreißenden Lächeln. Sie hatten so verliebt ausgesehen, das Glück aus allen Poren ausgestrahlt, dass Anne froh gewesen war, weit genug entfernt von beiden zu stehen, um sie nicht grüßen zu müssen. Die dunklen, nagenden Selbstzweifel waren schlimm genug. War sie jemals schön genug gewesen, klug genug, jung genug?
Das war die letzte Eskalationsstufe gewesen, gepaart mit bitterster Erkenntnis. Ein paar Meter weiter war Anne wie ein geprügelter Hund in ein Reisebüro geschlichen und hatte zehn Tage Lissabon gebucht, um einfach nur wegzukommen. Genau die Reise, mit der Evelyn und sie lange geliebäugelt hatten und die wegen unvereinbarer Urlaubszeiten nie stattfinden konnte, trat Anne dank ausreichend Resturlaub nun eben alleine an. Die ersten Tage waren am schwersten gewesen. So viele lächelnde, entspannte Menschen auf einmal waren für sie fast zu viel gewesen. Wie kam es nur, dass die Leute hier so sehr die Ruhe weg hatten? Fuhr die U-Bahn jemandem vor der Nase weg, gab es keine wütenden Flüche oder Geschrei. Stattdessen setzte sich die Person einfach auf eine der Bänke und wartete auf die nächste. Es wurde nicht gedrängelt, geschubst oder Plätze mit Taschen verdeckt. Wahrscheinlich gehörten zu den Voraussetzungen zur Nutzung des Nahverkehrsnetzes von Lissabon nicht nur die Aufladekarten, sondern auch der Einwurf von Glückspillen - oder der morgendliche Genuss von Portugals bekanntestem Gebäck machte einfach zufrieden. Vielleicht sollte sie das auch mal versuchen: Mindestens drei Pastel de Nata, mit Pudding gefüllte Blätterteigtörtchen, und der Tag sah gleich viel besser aus. Wobei das Gebäck sicher nicht gegen die Hitze half, auch wenn Anne bisher keine schwitzenden Portugiesen gesehen hatte.
Mit einem Blick auf den vor ihr liegenden Berg und die nahezu ausgestorbene Straße lehnte sich Anne an die gekachelte Mauer des Hauses hinter sich, atmete tief durch und zog erneut ihren Stadtplan aus der Seitentasche ihres Rucksacks. Auf der Karte sah der Weg viel kürzer aus! Wenigstens musste sie nicht dicht an andere Leute gequetscht in der Straßenbahn stehen. Der Anblick eng an eng gepresster Leute, als die historische Bimmelbahn mit den leuchtend gelben Triebwagen über die Gleise zur Haltestelle gezuckelt war, hatte sie genug abgeschreckt. Es hieß, dass alle Touristen einmal mit der legendären Tram durch Lissabon fahren sollten, am besten die Linie 24E durch den Alfama-Bezirk. Wahrscheinlich stand das in jedem Reiseführer zur Stadt, denn bisher war jede Bahn, die sie bisher gesehen hatte, mit Leuten vollgequetscht gewesen.
Schon alleine der Gedanke, mit abfälligen oder mitleidigen Blicken konfrontiert zu sein, ließ Anne erneut den Schweiß ausbrechen. Schlimmer waren nur die Reaktionen der Leute, die von ihr abzurücken versuchten, weil sie nicht von einer fülligen Frau berührt werden wollten. An die Bemerkungen, die sie regelmäßig erntete, wenn standardisierte Sitzplätze nicht für sie ausreichten, wollte sie gar nicht denken.
Evelyn hatte das nie gestört und spitzzüngig dagegengehalten, bis die Lästerer genug hatten. Beim liebevollen Blick ihrer Partnerin war Anne immer glücklich gewesen. Aber diesen Blick würde sie nie wieder sehen. Evelyns Hände würden nie wieder über ihren Körper streicheln, als hätte sie den größten Schatz der Welt entdeckt. Wie sollte sie nur ohne all das weiterleben? Die Einsamkeit senkte sich jäh wie ein Gazevorhang über Anne und schien sie vom Rest der Welt zu trennen, während ihr Tränen brennend in die Augen stiegen.
Sie stieß sich von der Wand ab und ging weiter, den Kopf gesenkt. Die ganzen ungewollten Bilder strömten nun wieder zurück in ihre Gedanken, überall war Evelyn. Sie hätte Lissabon geliebt, diese bunte Stadt zwischen damals und heute. Das wilde Sprachengewirr, die motivierten Kellner, die einen auf den breiten Straßen des Baixa in ihre Restaurants zu nötigen versuchten, die vielen verschwiegenen Seitenstraßen abseits der von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit hetzenden Touristen, dazu der kühlende Wind, der abends vom Meer her durch die Stadt fegte. Selbst die unglaublich vielen Berge hätte Evelyn einfach mit einem Lächeln hingenommen und dann einen der metallenen Aufzüge mit Rundumblick genutzt, um nach oben zu fahren. Oder sie hätte sich in die Straßenbahn gedrängt oder wäre ohne Klagen zu Fuß gegangen.
Den Portugiesen schienen weder die Hitze noch die Höhen etwas auszumachen. Selbst eine ältere Dame im schwarzen Trauerkleid überholte Anne mitsamt einem von Einkäufen vollgepackten Korb mühelos. Warum tat sie das eigentlich, diese sinnlose Bergrennerei? Wem wollte sie noch etwas beweisen? Auch morgen würde der Jardim Bôtanico sicher noch schön aussehen, die tropischen und exotischen Pflanzen nicht einfach verschwinden. Vielleicht war es dann auch nicht mehr so quälend heiß!
Warum tat sie überhaupt noch irgendwas? Diese Reise war ein Fehler. Wieder so eine Schnapsidee einer Frau ohne Ziel, Disziplin und echte Ambition, wie ihr Vater gerne sagte.
Erneut hielt Anne inne und blickte auf die trostlose, gepflasterte Straße, betrachtete die wenigen geparkten Autos und die meist fünf- oder sechsstöckigen Häuser mit ihren vielfarbigen Fassaden und schmalen, hohen Fenstern. Ein Buchladen direkt vor ihr war wegen der Mittagszeit geschlossen, mehr Auswahl an Geschäften mit
