Die verdammt hübsche Lis
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Über dieses E-Book
Elies Parks verschwindet. Genau genommen wird sie mitgenommen, aber auch das trifft ihren Zustand nicht richtig. Überhaupt ist hier nichts richtig. Ihr ganzes Leben ist nicht annähernd normal verlaufen. Warum gerade am Ende etwas anderes erwarten?
Jedenfalls: Jax Halen ermittelt. Unfreiwillig. Kaum einen Tag später die Leiche. An sich nichts Ungewöhnliches, außer, dass es meist erst die Leiche und dann den Fall gibt. Hier geht es jedoch um Sachbeschädigung und Diebstahl. Er hätte also auf eine echte Enthauptete verzichten können.
Nur zwei Dinge machen es erträglich: Die Kohle stimmt und jeder wird sein persönliches Problem los. Letzteres hätte Halen voll und ganz genügt. Und wie es der Zufall will, nichts anderes verbindet ihn mit Elies Parks. Eine zehn Jahre alte und noch immer unbeglichene Rechnung. Sein persönliches Problem: Joe Irgendwas.
Alexander Kaltenkind
Alexander Kaltenkind ist ein Pseudonym. Nach den beiden Science-Fiction-Krimis um den Privatermittler Jax Halen folgt mit "Palimpsest" der bewusstseinsflirrende Science-Fiction-Roman für das anstehende digitale Zeitalter des Transhumanismus: schnörkellos, gnadenlos und atemberaubend verwirrend.
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Buchvorschau
Die verdammt hübsche Lis - Alexander Kaltenkind
Es geht immer um den gleichen Scheiß. Jemand ist weg, tot oder steckt in jemandem, in dem er nicht stecken sollte. Kombinationsmöglichkeiten und Verkettungen sind beliebig, aber Scheiße bleibt Scheiße.
Elies Parks verschwindet. Genau genommen wird sie mitgenommen, aber auch das trifft ihren Zustand nicht richtig. Überhaupt ist hier nichts richtig. Ihr ganzes Leben ist nicht annähernd normal verlaufen. Warum gerade am Ende etwas anderes erwarten?
Jedenfalls: Jax Halen ermittelt. Unfreiwillig. Kaum einen Tag später die Leiche. An sich nichts Ungewöhnliches – außer, dass es meist erst die Leiche und dann den Fall gibt. Hier geht es jedoch um Sachbeschädigung und Diebstahl. Er hätte also auf eine echte Enthauptete verzichten können.
Nur zwei Dinge machen es erträglich: Die Kohle stimmt und jeder wird sein persönliches Problem los. Letzteres hätte Halen voll und ganz genügt. Und wie es der Zufall will, nichts anderes verbindet ihn mit Elies Parks. Eine zehn Jahre alte und noch immer unbeglichene Rechnung. Sein persönliches Problem: Joe Irgendwas.
Alexander Kaltenkind ist ein Pseudonym. ‹Die verdammt hübsche Lis› ist der erste Science-Fiction-Krimi um den Privatermittler Jax Halen.
Neu Nancy (ugs. «Die Neue») liegt am Rande der größten Berylliumerz-Lagerstätte auf H-36. Vor mehr als hundert Jahren entstand durch den Abbau die ursprüngliche Werkssiedlung «Nancy» mit circa 50 Wohnungen. Bis heute ist Neu Nancy auf eine Viertelmillion Einwohner angewachsen und die älteste und größte Stadt der Konnoh-Region.
Bis zu einem katastrophalen Unfall auf dem Werksgelände in der Mitte des letzten Jahrhunderts war der Zugang zum Abbaugebiet unterirdisch eingerichtet und lag im Zentrum von Neu Nancy. Heute sind diese Stadtsektionen aufgrund ihrer Toxizität nur noch eingeschränkt passierbar.
Sehe ich einen Roboter, sehe ich einen Toaster. Sein Schicksal
nimmt mich im gleichen Maße mit, als würde ein Toaster von
der Tischkante fallen – kein wirklicher Verlust.
Lelio Hull
Inhaltsverzeichnis
Lis
Kapitel Eins
Kapitel Zwei
Kapitel Drei
Kapitel Vier
Kapitel Fünf
Kapitel Sechs
Kapitel Sieben
Kapitel Acht
Kapitel Neun
Kapitel Zehn
Kapitel Elf
Kapitel Zwölf
Kapitel Dreizehn
Spielzeug
Kapitel Vierzehn
Kapitel Fünfzehn
Kapitel Sechzehn
Kapitel Siebzehn
Kapitel Achtzehn
Kapitel Neunzehn
Kapitel Zwanzig
Kapitel Einundzwanzig
Kapitel Zweiundzwanzig
Echt …
Jax Halen
Anständig angefangen – dann Schnüffler
Trotz seiner 1,93 Meter von einem 1,50-Meter-Toaster im Novemberregen gepfählt
Zu schwach – untrainiert – die Zeichen nicht erkannt
So würde es auf meinem Grabstein stehen. Vermutlich müsste die Rückseite genutzt werden. Ich bezweifelte, dass irgendwer die Kohle für ein Mausoleum zusammenkratzen wollte, um meine ganze Scheiße für die Nachwelt festzuhalten.
In diesem Moment, das Unausweichliche über mir, wünschte ich, still und heimlich im Matsch aufgelöst zu werden.
Kein Grabstein.
Keine Schmach.
Nicht eingemeißelt in Stein. Nicht gepfählt auf unechtem Asphalt.
Selbst Liva Vennix’ Schicksal bekam einen süßlichen Beigeschmack, während ich das Ding fliegen sah.
Es pisste in Strömen.
Ehrlich gesagt, ich erinnerte mich nicht, jemals so durchnässt im Regen gestanden zu haben.
Aber um fair zu sein: Ich erinnerte mich auch nicht, jemals einen so hoch springenden Toaster gesehen zu haben. Vor allem aus der Nähe. Was in dieser Nacht bedeutete, dass das Ding im hohen Bogen auf mir landen wollte.
Endgültig.
Nichts an diesem Ort war echt. Nicht das Wetter, nicht die auf alt getrimmten Gemäuer, die ich vor einigen Sekunden fluchtartig verlassen hatte. Selbst diese Flucht war’s nicht. Ich lief auf Autopilot und einer Sache in die Arme, vor der jeder mit Restverstand fliehen wollte.
Ein gesunder Überlebenstrieb hätt’s aber auch getan.
Bis jetzt verdankte ich’s Glück und Zufall, noch aus einem Stück zu bestehen und zu atmen. Dass ich überhaupt hinterherhinken konnte, war mehr, als mir die Erfahrung zugestand.
Glück und Zufall – ich glaub’ weder an das eine noch an das andere. Beides unecht und gefährlich, vor allem, wenn du dich drauf verlässt.
Also: Wem verdankte ich’s, im Regen auf diesem Vorplatz zu stehen? Hinter mir der Hauseingang, vor mir die Karre. Wie arrangiert, so stand ich zwischen meinen Optionen.
Keine Aussichten.
Kein Zufall.
Egal, was nun passieren sollte, auch Glück hätte nicht weiter weg sein können.
Meine Fresse war blutverschmiert und brannte mit jedem Regentropfen, der mir die aufgeplatzte Augenbraue ausspülte. Und doch, das echteste Gefühl stellte sich erst ein, als ich das Ding über mir sah. Den Knüppel in den kleinen Krallen, zum letzten Stich ausholend. Es flog.
Ich spürte förmlich, wie mir der Toaster den hölzernen Gehstock von oben durch den Körper rammen würde. Ich schmeckte schon das metallene Ende den Rachen entlang nach unten treiben.
Alles echt.
Alles in Zeitlupe.
Alles noch nicht geschehen.
…nichts
Das Bett war kein außergewöhnliches. Standardmaße, die Lis’ Körper genügend Platz ließen. Unruhiger Schlaf konnte aufgefangen werden, aber für jede weitere Person war nur unter außergewöhnlichen Umständen Platz.
So wie in dieser Nacht.
Irgendetwas in ihr erwartete ihn jeden Abend, auch wenn sie aus der Erfahrung wusste, dass ein System dahinter lag. Alle Tage wieder wurden die Standardmaße ihres Bettes zum Bersten gebracht. Präzise wie ein Uhrwerk, sie konnte sich auf ihn verlassen. Er war auf die Minute berechenbar.
Jedes Mal tat sie, als würde sie schlafen, denn normale Menschen schliefen um diese Uhrzeit. Als das Ritual vor Jahren begonnen hatte, riss es Lis noch aus dem Schlaf. Sie schreckte hoch, er beruhigte sie und brachte sie zurück in die Horizontale. Dann schloss er ihre Augen. Später erwartete sie ihn, machte sogar Platz auf der Matratze, damit er sie beim Einsteigen nicht gleich zerquetschte. Sie blieb liegen und hielt die Augen geschlossen.
Wie jedes Mal – so auch in dieser Nacht – rollte er auf sie. Überwand ihren ersten nackten Schenkel und machte es sich auf ihr bequem. Das Bett ächzte unter der gemeinsamen Last. Sein Ellbogen grub sich neben ihrem Kopf in die Unterlage. Da blieb kein Raum für Widerworte. Weder von ihr noch vom Unterbett. Nach wenigen unrhythmischen Rucklern gab ihr Körper mitsamt Matratze den Stößen nach. Auch hier: unverwechselbar präzise und verlässlich. Er war auf die Sekunde berechenbar.
Leise stöhnte er auf und verließ Lis’ Körper. Er ergoss seinen Samen auf ihrem Unterleib. Das Taschentuch hielt er die ganze Zeit über parat in der Faust über ihrem Schopf. Es war zerknittert und angefeuchtet von Schweiß, und damit wischte er ihr hastig über Bauch und Schritt. Er kniete vor ihr, wartete ab, links und rechts ihre dünnen Beine. Dann entfernte er mit dem Tuch die letzten Spermatropfen, die aus ihm hervorquollen.
Zum Abschied beugte er sich nochmals zu ihr runter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
Dass ihr Bett jedoch in jedem anderen Sinne außergewöhnlich war, das erkannte Lis erst sehr spät.
Rituale, so ungewöhnlich sie auch erscheinen mögen, können mit den Jahren derart zur Gewohnheit werden und in Fleisch und Blut übergehen, dass es irgendwann nur noch das Abnorme ist, das dich mit Leben füllt. Du lebst von Außergewöhnlichkeit zu Außergewöhnlichkeit. Der Umstand, dass es dein Vater ist, auf den du allabendlich wartest, wird für dich zum Normalsten auf der Welt.
Lis wusste nicht, wann es angefangen hatte.
Das Ausmaß dessen, was ihr, seit sie denken konnte, angetan wurde, würde sie niemals verstehen können. Aber sie wusste, dass andere Väter ihren Töchtern auf andere Weise Zuneigung schenkten.
Lis hatte verstanden, dass dazu keine Taschentücher nötig sind.
Sie hatte verstanden, dass diese Dinge am helllichten Tag geschehen.
Am gravierendsten empfand sie die Scham im Blick ihrer Mutter. Die Ignoranz. Das Vorwurfsvolle. Die Schwäche.
Was Lis widerfuhr, durfte nicht widerfahren. Niemandem. Das war verboten. Da war sie sich sicher, auch ohne darüber zu sprechen. Auch ohne eine Freundin zu haben, die einen Stiefvater hatte. Sie ahnte, dass das die Beziehung zu ihrem Vater nicht legitimieren würde. Selbst wenn: Elies ‹Lis› Parks war zwölf Jahre alt. Nichts legitimierte Samen auf ihrem Unterleib. Das hatte sie in der Schule aufgeschnappt. Mr. Averill hatte es vor der Klasse zwar nicht in dieser Deutlichkeit gesagt, doch Lis hatte ihn verstanden. Diese Art von Nähe war nichts für ein zwölfjähriges Mädchen.
Noch kniete er vor ihr. Er berührte mit seinen rauen Lippen ihre Stirn. Der Abschluss des Rituals. Der zur Gewohnheit verkommene Abschluss verbotener Vaterliebe.
Sie hatte sich wehren wollen – er hatte sie beruhigt. Wie am Anfang. Wie immer.
Doch diese Nacht war im Gegensatz zu den vergangenen eine außergewöhnliche. Während er zuckend das Taschentuch umklammerte, krampfte sich ihre Kinderhand, verborgen in der Bettdecke, um den Holzgriff eines Steakmessers.
Dann rammte sie ihm die Messerklinge seitlich in den Wanst.
Er richtete sich auf und starrte sie mit erschrockenen Augen an. Augen, die darauf warteten, dass die Wunde einen blitzartigen Schmerz in sein Bewusstsein katapultierte. Blut hatte sich bereits über ihren Bauch, den Schritt und die Beine ergossen. Selbst im Halbdunkel des Kinderzimmers konnte sie seinen fassungslosen Blick erkennen. Sie funkelte ihn kalt an und durchstach seine haarige Haut zwei weitere Male mit dem stählernen Wellenschliff.
Er kippte vom Bett, schnaubte erschrocken und versuchte, das ausströmende Blut mit seinen Händen aufzuhalten. Der Schock breitete sich in seinem Gesicht aus und ließ es wie einen Vollmond strahlen.
Lis zog ihr Nachthemd auf die übliche Länge zurück und verhüllte ihren nackten Körper. Sie setzte sich auf die Bettkante und tauchte barfuß in das warme, von der Nacht entfärbte Blut ein.
Sie schaute forschend in das panische Gesicht ihres Stiefvaters. Seinen Augen entnahm sie, dass er realisierte, wie außergewöhnlich diese Nacht für beide werden würde. Lis erkannte Schmerz in den Augen und den verzerrten Lippen. Ein nasses Rasseln stieg aus seiner Kehle empor. Er wollte etwas sagen. Doch bevor ein Wort seinen schmallippigen Mund verlassen konnte, stach sie mit dem Steakmesser in seinen Hals. Derart schnell, dass seine Augen den Satz nicht beenden konnten. Lis hatte sich dabei nicht von der Bettkante erhoben. Leidenschaftslos sah sie zu, was das Eindringen in seinen Körper mit ihm machte.
Wenige Sekunden später verließen ihn die Kräfte und er sank auf dem Teppich zusammen. Ob er tot war, konnte Lis nur vermuten. Ihre Blicke geiferten Minuten später noch immer über seinem leblosen Körper. Um ihn herum wuchsen die schwarzen Schatten. Seine Haut wurde bleicher und war von dem Licht, das der unbedeckte Mond durchs Zimmer warf, kaum mehr zu unterscheiden.
Lis betrat das Schlafzimmer ihrer Eltern.
Nach wenigen Schritten im dunklen Raum spürte sie, wie sinnlos es war, sich schlafend zu stellen.
Man atmet einfach anders, wenn man es vortäuscht.
Ihre Mutter atmete anders.
Lis stand neben dem Bett und schaute auf ihre Mutter hinab, die unter der Bettdecke kauerte. Lis horchte.
In diesem Moment kamen ihr die vielen Male, in denen sie versucht hatte, Schlaf und Gleichgültigkeit vorzutäuschen, so demütigend vor.
Du atmest einfach anders, dachte sie, und er hatte es die ganze Zeit gewusst. Gehört, dass sie nicht schlief, während er in sie eindrang. Vielleicht hatte er genau das genossen.
Ihre Mutter atmete anders. Es half nicht, dass sie sich unter der Bettdecke versteckte. Hätte sie geahnt, dass der, den sie täuschen wollte, längst über alles im Bilde war, sie durchschaut hatte und trotzdem mitspielte – auch Mom hätte sich gedemütigt gefühlt. Sie würde sich für die Starre schämen, die sie unter der Bettdecke hielt und die sie hoffen ließ, dass alles wieder gut werden würde.
Hätte sie geahnt, dass ihre zwölfjährige Tochter mit einem Steakmesser an ihrer Bettkante steht, sie würde sich für diesen Gedanken schämen. Denn nichts wird von alleine wieder gut.
«Nichts», flüsterte Lis.
LIS
Außen knusprig, innen fluffig
Zu einem guten Burger gehört mehr als ein Brötchen. Ohne Patty brauchst du den Burger gar nicht in die Nähe eines Tisches zu bringen. Und ‹Patty› meinte in Jimmy’s Burger Farm natürlich die gegrillte Scheibe Hackfleisch, die saftig zwischen den Burger Buns landet.
Nicht selten war auch die andere Patty zum All-you-can-eat-Buffet vorgerückt. Aber Patty Campbell blieb die zweite Wahl. Der übel schmeckende Nachtisch, der probiert wird und dann unter der Serviette zurückbleibt. Angekaut und für den Mülleimer bestimmt. Vor allem bei den Jungs vom Fenstertisch. Jeden Freitag, wenn sich die Mitchell-Zwillinge, der stille Blonde vom Quick-Mart-Nachtschalter und noch so ein skurriler Typ hier trafen, hätte es Pattys Brötchen einiges abverlangt, um vor den Burgern vernascht zu werden.
Vom Tresen aus beobachtete Elies, wie Patty vier ‹Jimmy’s Big Cheeseburger› ans Fenster brachte. Je häufiger sie sich dieses Schauspiel anschaute, desto abstoßender wirkte es.
Sie hätte schwören können, dass sich Patty extra viel Zeit ließ, die Burger vom Tablett auf den Tisch zu stellen und dabei vor den Jungs zu tänzeln. Extrazeit, in der du dir einreden kannst, dass sie nach deinem Arsch lechzen und begierig darauf warten, ihre Zähne hineinzuschlagen, mit ihrer Zunge darin herumzuwühlen. Nichts als Selbstbetrug, denn sie wollen den Burger. Nur den Burger. Auch, wenn sie dich später wieder ausprobieren und angefangen liegenlassen; mit jedem weiteren Mal wirst du weniger ihr Geschmack.
Alles in allem war es Kunst. Schwer verständlich und kaum nachvollziehbar, aber in seiner abstoßenden Widersprüchlichkeit ein fesselndes Werk:
Patty tänzelte zittrig wie eine schwer beladene Bedienung auf Rollschuhen im Rückwärtsgang vor Halbstarken herum, die ihre Söhne hätten sein können.
Bis auf diese vier Freitagnachtdemütigungen war das Restaurant seit Stunden leer. Jimmy hockte im hintersten Bereich der Küche und schaute auf einem alten, von Frittierfett überzogenen Röhrenfernseher die hundertste Wiederholung eines Baseball-Klassikers. Den Kommentator hatte er stumm gestellt und durch seine eigene Hetze ersetzt, die von Zeit zu Zeit durch eine Bierflasche hallte, jedoch nie abbrach. Weiter vorne in der Küche dudelte ein Radio leise vor sich hin und umhüllte Jimmys Selbstgespräch in Hintergrundrauschen.
Vielleicht war es eher ein Unfall, dachte Elies. Eine Massenkarambolage, die das Leben aller Beteiligten mit jeder Sekunde weiter ins Verderben reißt. Die ersten Stoßstangen berühren sich, und die Sache nimmt ihren unausweichlichen Lauf. Alles verformt sich und kann nie wieder in die ursprüngliche Gestalt zurück. Leben bumst Leben. Erst verschieben sich die Bleche, dann verformen sie sich, letzten Endes bersten sie geräuschvoll – ein tragischer Unfall.
Du kannst nicht wegschauen.
«Kurz nach zehn, Jungs. Ihr wisst ja, in ‘ner halben Stunde …»
Patty Campbell lächelte unsicher. Ihr übertrieben geschminktes Gesicht strahlte für einen Moment die normalerweise verdeckt lodernde Abscheu gegen alles, jeden und sich selbst nach
