Change Management
Von Christoph Rasche und Stephan A. Rehder
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Buchvorschau
Change Management - Christoph Rasche
Tabellenverzeichnis
1 Einführung: Change Management – Strategien, Methoden, Instrumente
Abb. 1: Übersicht zum ersten Kapitel
1.1 Entwicklung, Begriffsbestimmung und Bezugsrahmen
Aufgrund hochdynamischer und komplexer Umweltbedingungen – unter anderem hinsichtlich der globalen Wettbewerbssituation und technologischen Entwicklungen sowie des allgemeinen Wandels gesellschaftlicher, rechtlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen – sind Unternehmen in zunehmendem Maße dazu aufgefordert, Mechanismen zu entwickeln, um sich an verschiedene interne und externe Veränderungen anzupassen und in diesem Zusammenhang sowohl ihre Strukturen und Prozesse als auch ihre Strategien und Ziele zu hinterfragen und gegebenenfalls – auch proaktiv – neu auszurichten (vgl. Schiessler (2013), S. 590). Larkin und Larkin (1996) proklamieren, dass Unternehmen, neben den permanenten Veränderungen im betrieblichen Alltag, alle fünf bis zehn Jahre mit der Notwendigkeit eines holistischen Unternehmenswandels konfrontiert werden (vgl. Larkin/Larkin (1996), S. 95f.). Auch wenn das Thema vor allem ab den 1950er Jahren sukzessive an Bedeutung gewann, ist der Wandel von Organisationen kein neues Phänomen. Im Gegenteil: Organisationen unterliegen seither Veränderungen. Sowohl die Baumeister der Chinesischen Mauer als auch die Pharaonen im alten Ägypten wurden beim Bau ihrer Pyramiden mit der Notwendigkeit von organisationalen Veränderungen konfrontiert. In zumeist lose gekoppelten Systemen mussten belastbare Strukturen und Prozesse geschaffen werden, um diese gewaltigen Bauwerke realisieren zu können (vgl. Burke (2017), S. 28f.). Bereits der griechische Philosoph Heraklit von Ephesos konstatierte circa 500 Jahre vor Christus, dass nichts beständiger sei, als der Wandel. Und im Jahr 1513 schrieb Niccolò di Bernardo dei Machiavelli in Der Fürst mit Blick auf die Herausforderungen im Umgang mit dem Wandel (Machiavelli (1999), S. 45):
»Auch muss man bedenken, dass kein Vorhaben schwieriger in der Ausführung, unsicherer hinsichtlich seines Erfolges und gefährlicher bei seiner Verwirklichung ist, als eine neue Ordnung einzuführen; denn wer Neuerungen einführen will, hat alle zu Feinden, die aus der alten Ordnung Nutzen ziehen, und er hat nur lasche Verteidiger an all denen, die von der neuen Ordnung Vorteile hätten. Diese Laschheit entsteht teils aus […] Misstrauen der Menschen, die erst an die Wahrheit von etwas Neuem glauben, wenn sie damit verlässliche Erfahrungen gemacht haben.«
Nicht umsonst wird im Wandel selbst oftmals die einzige Konstante im digitalen Zeitalter gesehen, das von Risiko, Unsicherheit und Komplexität geprägt ist. Unter dem Schlagwort der Disruption werden in letzter Zeit vermehrt radikale Geschäftsmodelle diskutiert, denen ein hohes Markt- und Branchenzerstörungspotenzial zugeschrieben wird (vgl. Tiberius/Rasche (2017), S. 1ff.; Rasche et al. (2017), S. 1ff.; Rasche et al. (2018), S. 1ff.). Trotz der stetigen Präsenz und den Erfordernissen zu organisationalen Veränderungen wurde der Umgang mit Aspekten der Thematik sukzessive erst im 20. Jahrhundert professionalisiert und hielt Einzug in wissenschaftliche Disziplinen sowohl der Sozial- und Organisationspsychologie als auch der Organisations- und Managementlehre (vgl. Burke (2017), S. 29; Kostka (2016), S. 8). Dieser Entwicklungspfad erstreckt sich vornehmlich von dem von Frederick W. Taylor begründetem Scientific Management (1911) bis zur Organisationsentwicklung. Die nachfolgende Tabelle zeigt diesen Prozess und schließt mit dem Anknüpfungspunkt zum Change Management.
Tab. 1: Kurzdarstellung der Entwicklungspfade zur Organisationsentwicklung (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Burke (2017), S. 28ff.; Kostka (2016), S. 8ff.; Schiessler (2013), S. 595ff.)
Die vorangestellte kurze Darstellung zeigt, wie sich die unterschiedlichen Forschungsdisziplinen, sei es in einer harten effektivitäts- und effizienzgetriebenen betriebswirtschaftlichen oder einer eher weichen, vor allem das menschliche Verhalten betreffenden (sozial-)psychologischen Hinsicht, mit Veränderungen auseinandersetzten. Wurden harte und weiche Faktoren zunächst losgelöst voneinander betrachtet, wird insbesondere im Bereich der soziotechnischen Systeme eine Verschmelzung der interdisziplinären Zugänge deutlich. Die ganzheitliche Betrachtung – unter Einbeziehung sämtlicher Aspekte und Formen des organisationalen Wandels – findet ihre bis dahin stärkste Ausprägung in der Organisationsentwicklung (vgl. Kostka (2016), S. 14). In einer modernen Diktion wird der organisatorische Wandel zunehmend mit dem Transformationsmanagement in Verbindung gebracht. Letzteres umfasst im hier verstandenen Sinne sowohl weiche und vorsteuernde Formen der Veränderung als auch harte Formen der Restrukturierung als Reflex auf manifeste Krisensituationen.
In der Literatur existiert keine einheitliche Definition zum Begriff der Organisationsentwicklung. Die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit dem Thema auseinandersetzten, fokussierten diverse Teilbereiche und setzten damit verschiedene Akzente. Dennoch besteht ein allgemeiner Konsens zu den Merkmalen und Charakteristika (vgl. French/Bell (1999), S. 24). Eine frühe Definition von Beckhard (1969) umschreibt die Organisationsentwicklung als ein planvolles, unternehmensweites und von Führungskräften gesteuertes Verfahren zum Zweck der Steigerung der Wirksamkeit und Gesundheit des Unternehmens durch geplante Einflussnahme in den Unternehmensablauf mittels Erkenntnissen aus den Verhaltenswissenschaften (vgl. Beckhard (1969), S. 9). Nach einer späteren Definition von Beer (1980), zielt die Organisationsentwicklung sowohl auf eine aufeinander abgestimmte Komposition aus Unternehmensstruktur, -prozessen, -strategie, -kultur und der Menschen als auch die Entwicklung neuer und kreativer Unternehmenslösungen sowie der Fähigkeit zur Selbsterneuerung (vgl. Beer (1980), S. 10). Die im Jahre 1980 im deutschsprachigen Raum gegründete Gesellschaft für Organisationsentwicklung e. V. (GOE) bot bis zur Auflösung im Jahre 1997 eine Plattform für Unternehmensberater, innerbetriebliche Anwender und Wissenschaftler zum Austausch und zur Weiterentwicklung im Bereich der Organisationsentwicklung (vgl. Trebesch (2004), S. 72). Gemäß ihrem Leitbild handelt es sich bei der Organisationsentwicklung um einen »langfristig angelegten, nachhaltigen Entwicklungsprozess von Organisationen und der in ihr tätigen Menschen. Die Wirkung dieses Prozesses beruht auf dem gemeinsamen Lernen aller beteiligten Personen durch direkte Mitwirkung bei der Bearbeitung und Lösung betrieblicher und unternehmerischer Probleme. Das Ziel besteht in der Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Organisation [Produktivität] und der Verbesserung der Qualität des Arbeitslebens [Humanität]« (Leitlinien der GOE, zit. nach Meisel/Feld (2009), S. 72). Aus den oben exemplarisch vorgestellten Definitionen zur Organisationsentwicklung werden insbesondere die Ganzheitlichkeit, Langfristigkeit und umfassende Partizipation – inklusive des Lernens – aller Beteiligten sowie die starke Prozessorientierung, Veränderung der Aufbau- und Ablauforganisation und Ergebnisorientierung deutlich. Nach Doppler und Lauterburg (2014) basiert die Organisationsentwicklung auf drei fundamentalen Aspekten. Sie fassen die Philosophie der Organisationsentwicklung wie folgt zusammen (Doppler/Lauterburg (2014), S. 90):
» Erstens, Veränderung ist integriert in übergreifende, längerfristige Entwicklungsprozesse des Unternehmens; zweitens, die jeweiligen Veränderungsziele im Hinblick auf Strategien, Strukturen, Geschäftsprozesse oder finanzielle Ressourcen werden nicht einfach von außen […] oder oben […] vorgegeben, sondern unter Einbezug der betroffenen Menschen entwickelt; drittens, die Veränderungen zielen nicht einseitig auf Produktivität und damit auf die finanziellen Interessen der Eigentümer […], sondern in gleicher Weise auf das Wohlergehen und die Interessen der betroffenen Mitarbeiter […].«
Vor dem Hintergrund der vorangestellten Definitionen zur Organisationsentwicklung ist zu konstatieren, dass das umfassende Ziel dieser Strömung vornehmlich darin bestand, die Gewinnziele des Unternehmens und die Bedürfnisse der Mitarbeiter miteinander zu harmonisieren. Der Fokus lag also weniger auf der Entwicklung und Anwendung von spezifischen Instrumenten des Wandels, sondern vielmehr auf der Sicherung der Balance zwischen ökonomischer Effizienz und Effektivität und der Beachtung sozialer Aspekte (vgl. Doppler/Lauterburg (2014), S. 90). An die Intention der Balanced Scorecard anknüpfend, lässt sich an dieser Stelle die Forderung nach einem Balanced Change Management aufstellen, das in Organisationen keine übergroßen Verwerfungen entstehen lässt. Allerdings ist zu konstatieren, dass jede Form des Wandels oder der Transformation auf einer bewussten »Zerstörung« einer systemischen Grundordnung besteht, um unproduktive Pfadabhängigkeiten aufzubrechen.
In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass es sich im Bereich der Organisationsentwicklung vornehmlich um ein institutionelles